programm der freiheitlichen partei Österreichs · 2018-06-18 · Österreich politisch erneuern....
Post on 05-Jul-2020
1 Views
Preview:
TRANSCRIPT
Österreich politisch erneuern.
PROGRAMM DER FREIHEITLICHEN PARTEI ÖSTERREICHS
Beschlossen am Parteitag 1.‐2. Juni 1985 in Salzburg
ÖSTERREICHPOLITISCHERNEUERN.
OFFENE GESELLSCHAFT FREIE BÜRGER
PROGRAMMDER FREIHEITLICHENPARTEI ÖSTERREICHS
Beschlossen am Programmparteitag1. und 2. Juni 1985 in Salzburg
TEIL I: GRUNDLEGUNG1. Kapitel
Freiheit
I Freiheit gilt uns als höchster Wert. Wirwollen ein Leben in Freiheit, gegründet aufSelbstbestimmung, Unabhängigkeit und Eigenverantwortung. Freiheitliche Politik erstrebt eine Lebensordnung mit möglichst v.ielSelbstbestimmung für jeden Menschen undfür alle Völker. Unser Freiheitsdenken wurzelt in einer idealistischen Weltanschauung.2 Der Freiheit des einzelnen Menschen undseiner Würde den höchsten Rang in der Gesellschaftsordnung einzuräumen, ist unser liberaler Auftrag.Der Freiheit der Völker und ihrer Selbstachtung den höchsten Rang in der Weltordnungeinzuräumen, ist unser hationaler Auftrag.Die freie Entfaltung der Natur vor der totalenUnterwerfung für technisch-wirtschaftlicheZwecke des Menschen zu schützen, ist unsereökologische Aufgabe.3 Wir wollen die Freiheit vor körperlicher,geistiger oder wirtschaftlicher Unt~rdrü~
kung schützen. Wir wollen ebenso dle Freiheit vor dem Abgleiten in eine bindungsloseGesellschaft und in Anarchie bewahren.4 Die Achtung vor den Freiheitsrechten allerMenschen erfordert die Sicherung der Freiheit im Rahmen einer Ordnung. PolitischeOrdnungen haben der Entfaltung der Freiheitzu dienen. Da Freiheit auch Verantwortungbedingt, erstreben liberale Ordnungen einGleichgewicht von Rechten und Pflichten.5 Die Gesellschaft der Freien kann auf Dauer nur bestehen, wenn lebenswichtige Gemeinschaftsaufgaben erfüllt werden. Freiheitliche Politik bejaht die Verantwortungfreier Menschen, notwendige Verpflichtungen im Dienst von Volk, Heimat und Staat zuübernehmen.6 Ziel eines freiheitlich geordneten Gemeinschaftslebens ist die bestmögliche Entwicklung aller schöpferischen Kräfte. In diesemSinne wollen wir alle Bürger zum sinnvollenGebrauch ihrer Freiheit ermutigen.
2. Kapitel
l\Iellschenwürde
7 Der Menschenwürde gehört unsere volleAchtung. Wir wollen eine tolerante Gesellschaft, die jedem Menschen die Entfaltungseiner Persönlichkeitswerte sichert. Humanität und Toleranz sollen der Maßstab für dasZusammenleben der Menschen sein.
8 Der Mensch als Individuum ist einzigartig,keinem anderen gleich, doch jedem anderengrundsätzlich gleichberechtigt. Wir respektieren den Menschen, wie er von Natur ausvorgegeben ist, entwicklungsfähig und begabt für eine von ihm selbst zu bestimmendeEntfaltung. Freiheitliche Politik will demMenschen helfen, sich positiv zu entwickelnund sein Dasein menschenwürdig zu gestalten.9 Zwangsbeglückung oder totalitäre Umformung zu einem neuen Menschen nach vorbestimmter Norm lehnen wir ab. Wir bejaheneine offene, pluralistische Gesellschaft miteinem Nebeneinander verschiedener Anschauungen und Lebensweisen.Vielfalt bereichert das Leben der Menschen,Gleichmacherei hingegen läßt es verarmen.Die Anerkennung dieser Verschiedenartigkeit rechtfertigt jedoch keine unterschiedliche Bewertung der Würde des einzelnen Menschen.10 Die Freiheit des Einzelnen findet ihreGrenzen in der Freiheit anderer. Denn jederMensch ist zugleIch Teil einer Gemeinschaft,die ihn mitträgt und ihm dafür Pflichten auferlegt.11 Wir erachten Mann und Frau als gleichwertig, gleichrangig und dementsprechendgleich in ihrer Verantwortlichkeit. Daherstreben wir ein partnerschaftliches Zusammenwirken der beiden Geschlechter in allenLebensbereichen an. Auf die unterschiedlichen Wesenszüge beider Geschlechter ist Bedacht zu nehmen. Jede Art von Benachteiligung eines Teiles muß jedoch verhindert werden.12 Als wichtigste Gemeinschaft betrachtenwir die Familie, welche organisch zwischendem Einzelnen und der Gesellschaft steht. J ede Familie, nicht nur die vollständige, benötigt den Schutz der Gesellschaft. Wir achtenden Anspruch der Familie, ihre Verhältnissenach innen und außen individuell zu gestalten, und billigen ihr grundsätzlich eine Artvon Autonomie zu. Diese Autonomie setztaber die Achtung der persönlichen Rechteder einzelnen Familienmitglieder voraus. Wirwollen eine Familienpolitik, die das Bestehengesunder Familien sichern hilft.
3. Kapitel
Volk UIId Heiulat
13 Wir bekennen uns zur demokratischen Republik Österreich als unserem Vaterland, indem die Werte des Volkstums und der Heimatliebe hochgehalten werden sollen.
Volkstum und Heimat sind für uns unverzichtbare Werte. Wir wollen eine nationalePolitik, die den Völkern und Volksgruppendie Wahrung ihrer Lebensrechte und die Entfaltung ihrer Eigenart mit Hilfe liberaler Politik auf friedliche Weise ermöglicht.
14 Familie und Volk sind organisch gewachsene Gegebenheiten, die in der Politik Berücksichtigung finden müssen. Das Volk alsnatürliche Gemeinschaft, durch Abstammung und geschichtliche Entwicklung verbunden, hat gemeinsame Sprache und Kulturentwickelt und weist gemeinsame Wesenszüge auf.Wir halten das Bestehen ethnischer Gemeinschaften für notwendig, auch und gerade ineiner Zeit übernationaler und überregionalerZusammenschlüsse. Diese nationale Standortbestimmung schließt die Forderung mitein, daß das Neben- und Miteinander der ethnischen Gemeinschaften unabhängig vonstaatlichen Grenzen von gegenseitiger Achtung und Toleranz getragen sein muß.15 Das Bewußtsein der besonderen Wesensart des eigenen Volkes ist nach unserem nationalen Verständnis untrennbar mit der Bereitschaft verknüpft, das Besondere auch injedem anderen Volk zu achten.Nationale Überheblichkeit lehnen wir ab. Wirverurteilen jeden Mißbrauch nationaler Gefühle für totalitäre oder imperialistische Ziele. Die tragischen Folgen des Mißbrauchs nationaler Ideen insbesondere in diesem Jahrhundert sind abschreckende Beispiele undmüssen uns und allen Völkern in der Welt zurLehre dienen.16 Die bei weitem überwiegende Mehrheitder Österreicher gehört der deutschen Volksund Kulturgemeinschaft an. Diese Tatsachebleibt bestehen, obwohl sie als Folge einesverhängnisvollen Kapitels deutscher Geschichte in Österreich vielfach verdrängtwird. Wir wollen, daß Österreich, eingebettetin den deutschen Volks- und Kulturraum,auch in Zukunft dessen Enhvicklung eigenständig mitgestaltet.17 Wir sind überzeugt, daß das Bekenntniszum eigenen Volkstum eine Grundvoraussetzung für die Bewahrung und Weiterentwicklung der kulturellen Werte und des historisch-kulturellen Selbstverständnisses jederethnischen Gemeinschaft ist.Wir treten dafür ein, daß allen Österreichernohne jedwede Diskriminierung verbürgt seinsoll, sich offen zu ihrer ethnischen Zugehörigkeit zu bekennen.18 Als Nationale würdigen wir die Existenzund das Wirken der ethnischen Minderheitenin Österreich als eine wertvolle kulturelle Bereicherung unserer gemeinsamen Heimat.
Wir sind weiterhin für einen großzügigenMinderheitenschutz auf der Grundlage desgeltenden Volksgruppenrechts.
t. Kapitel
Europa
19 Die Zukunft Europas liegt in einem engenMiteinander aller seiner Länder und Völker.Ungeachtet aller Schwierigkeiten des Einigungsprozesses, bleibt ein geeintes und starkes Europa das Ziel, zu dem es keine vernünftige Alternative in Freiheit gibt. Auch der "Eiserne Vorhang" soll eines Tages im Rahmeneiner friedlichen Lösung des Ost-West-Konl1iktes einem Brückenschlag zwischen Westund Osteuropa Platz machen.20 Wir vertreten eine Europapolitik, die realistisches Augenmaß für die nächsten möglichen Schritte mit dem Mut zur Vision verbindet. Den letzten Schritt zur Vollendung desvon uns angestrebten Einigungswerkes erblicken wir in der Schaffung einer europäischen Konfoderation. In dieser soll jedesVolk auf der Grundlage von Selbstbestimmung seine Eigenart bewahren können.n Wir wollen den europäischen Zusammenschluß als Grundlage für polltische und wirtschaftliche Existenzsicherung, darüber hinaus aber auch als Vorbedingung für einen eigenständigen und· wirksamen Beitrag Europas zur Sicherung des Friedens in der Welt.Der Weltfriede wird nicht allein vom OstWest-Gegensatz, sondern auch vom NordSüd-Konflikt bedroht. Europa muß sich daher auch seiner Verantwortung für eine aufgegenseitigem Verständnis beruhende Partnerschaft zu den Ländern der dritten Welt bewußt werden.
Auch das neutrale Österreich hat Anspruch auf eine gesamteuropäische Zukunft.Seine geographische Lage, seine Geschichte,seine Zugehörigkeit zur pluralistisch-demokratischen Staatenwelt und sein Engagementals Mittler zwischen Ost und West weisen unserem Land in Europa eine mitgestaltendeHolle zu.Wir betrachten es als unsere Aufgabe, in Zusammenarbeit mit den anderen liberalenKräften unseres Kontinents darüber zu wachen, daß mit dem integrationspolitischenFortschritt auch die Weiterentwicklung vonDemokratie und Bürgerrechten einhergeht.Mehr Gemeinsamkeit in Europa darf niemalsweniger Freiheit für seine Bürger bedeuten.
Für den Schutz ethnischer Minderheitenund zur Lösung von Minderheitenfragen wollen wir ein europäisches Volksgruppenrechtauf der Grundlage des Selbstbestimmungsrechtes und des Heimatrechtes. Bis zu dessenVerwirklichung betrachten wir es als die historische Aufgabe Österreichs, den Bestandder deutschen und der ladinischen Volksgruppe in Südtirol mit allen verfügbarenf,'iedlichen Mitteln zu sichern. Das Selbstbestimmungsrecht der Südtiroler ist unverzichtbar und von Österreich als durch internationale Verträge anerkannte Schutzmachtzu vertreten, wenn eine legitime Mehrheit derdeutschen und ladinischen Südtiroler diesfordert.
5. Kapitel
Kultur
24 Das Kulturleben bedarf der vollen innerenund äußeren Freiheit. Die kulturelle Betätigung, sei sie schöpferisch oder nachvollziehend, hilft dem Menschen, sein Dasein zu bereichern, zu einer inneren Erfüllung zu gelan-
gen und seinen Lebenssinn zu finden. Darüber hinaus bildet Kultur durch Austauschvon Wissen, Erfahrung und Wertvorstellungen die Brücke zwischen dem Einzelnen undder Gesellschaft, zwischen Gruppen undüber die Generationen hinweg.
25 Freiheitliche Kulturpolitik begnügt sichnicht mit der Weitergabe überlieferter Werte,sondern will eine ständige kulturelle Höherentwicklung. Wir erachten Geistesfreiheit,Religionsfreiheit, Freiheit der Kunst sowieFreiheit des Lehrens und Lernens für unabdingbare Voraussetzungen des kulturellenLebens. Wir verteidigen daher das Recht desEinzelnen und einzelner Gruppen auf kulturelle Entfaltung gegen jedes Diktat der organisierten Gesellschaft.
26 Freiheitliche Politik hat aus liberaler Sichtzum Ziel, das schöpferische Potential in derGesellschaft zu wecken und alle kulturellenund geistigen Ausdrucksformen zu fördern,die den Werten einer humanen, freiheitlichdemokratischen Gesellschaft zuträglich sind.
27 Freiheitliche Kulturpolitik bejaht aus nationaler Sicht die kulturelle Selbstfindungund Selbstdarstellung ethnischer Gruppenund aller Völker.
Im Sinne der Zugehörigkeit Österreichs zumdeutschen Kulturraum liegt uns die Pflegeder deutschen Kultur und Sprache besondersam Herzen. Wir erachten es als Aufgabe, bewußt einen österreichischen Beitrag zur Entwicklung der deutschen Kultur zu leisten.Unbeschadet dessen würdigen wir aus nationaler Sicht die kulturelle Identität aller ethnischen Minderheiten und wollen diesen ihrenkulturellen Bestand und dessen Entfaltunggroßzügig sichern helfen.
28 Kulturpolitik muß die kulturellen Äußerungen aller gesellschaftlichen Gruppenernst nehmen und ihnen gleiche Aufmerksamkeit schenken. Sie darf sich daher nicht inder Förderung der sogenannten Hochkulturund in der Erhaltung von Kunstdenkmälernerschöpfen. Sie soll vielmehr ein Klima dergeistigen Offenheit schaffen, in dem alle kulturellen Tätigkeiten, von der Pflege derVolkskultur und des Brauchtums bis zu denFormen des experimentellen Kulturschaffens, ermutigt und gefördert werden.
Wissen und Bildung dienen der kulturellen Weiterentwicklung der Gesellschaft imganzen wie auch des Einzelnen, sind aber vorallem auch eine Voraussetzung für die Beteiligung des Bürgers an politischen Entscheidungsprozessen.
Dies begründet für uns das allgemeine undgleiche Recht auf Bildung für alle. Freiheitliche Bildungspolitik will auf die unterschiedlichen Begabungen eingehen, Chancengere'chtigkeit herstellen und darauf aufbauendes allen Menschen jedweder sozialer Herkunft ermöglichen, in einem differenziertenBildungssystem ihrer Begabung gemäß zurbestmöglichen Entfaltung zu gelangen.
Sie will den Menschen durch ganzheitlicheEntwicklung aller seiner Fähigkeiten in dieLage versetzen, kulturelle, wirtschaftlicheund politische Zusammenhänge kritisch zuerfassen und sie durch verantwortliches Handeln mitzugestalten.
30 Die Wissenschaft als das organisierte Streben der Menschen nach Erkenntnis muß inForschung wie Lehre frei und dem Leistungsprinzip verpfl.~chtetbleiben. Darüber hinaussoll sie dem Uberleben einer humanen undoffenen Gesellschaft in einer bedrohten Weltund der Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen dienen. Wissenschaft und Kulturmüssen weltoffen sein.
6. Kapitel
Soziale Gesellschaft31 Wir wollen eine Gesellschaft ohne Unterdrückung, die allen Menschen den Rahmenrur die Entfaltung der in ihnen liegendenMöglichkeiten gibt und den Schwachen vordem Mächtigen schützt. So wie die Menschenverschiedenartig sind, ist die Gesellschaftvielschichtig. Liberale Gesellschaftspolitiksieht im Entstehen verschiedener Schichtenund Gruppierungen einen ganz natürlichenVorgang.
32 Wir fordern Gerechtigkeit in der Gesellschaft. Dabei denken wir nicht nur an dieGleichheit vor dem Gesetz, sondern ebensoan die Angleichung der Lebenschancen.Chancengerechtigkeit, wie wir sie erstreben,schließt aber eine unterschiedliche Entwicklung der Menschen keineswegs aus; besitztder Mensch doch die Freiheit, selbst zu bestimmen, ob er weiterstreben oder verharrenwill. Unterschiede, die auf einer Leistung,einer zielgerichteten Anstrengung oder aufrichtigen Entscheidungen beruhen, dürfennicht nachträglich eingeebnet werden.Gleichmacherei ist der Feind der Freiheit.33 Wir wollen mehr Freiheit und wenigerStaat, meinen damit aber nicht den Rückzugdes Staates aus seiner sozialen Verantwortung, etwa der Privatisierung der Armut.Doch entbinden staatliche Einrichtungenden Einzelnen nicht von seiner Verantwortung für sich selbst und von seiner sozialenVerpflichtung gegenüber den Mitmenschen.34 In der Gesellschaft, rur die wir eintreten,verbindet sich Freiheit mit Rücksichtnahmeund Gemeinschaftssinn.Die Sozialeinrichtungen müssen gewährleisten, daß für jedermann, der in Not geratenist, unter Berücksichtigung familiärer Ver·pflichtungen eine bestimmte Mindestversorgung nicht unterschritten wird. Andererseitsmuß der Mißbrauch sozialer Einrichtungenverhindert werden. Der Leitgedanke freiheitlicher Sozialpolitik ist in erster Linie Hilfe zurSelbsthilfe. Wir lehnen daher eine Sozialpolitik ab, die dauernde Abhängigkeit schafft.35 Wir lehnen jeden Versuch ab, dem Einzelnen oder der Gesellschaft als ganzer eine bestimmte Entwicklungslinie aufzuzwingen.Unsere Gesellschaftspolitik orientiert sich andem Ziel einer Höherentwicklung des Einzelnen ebenso wie der Gesellschaft: kulturell,ethisch, wirtschaftlich und ökologisch.In dem Maße wie eine Gesellschaft den Einzelnen dazu ermuntert, ist auch sie selbst insgesamt unterwegs zu einer höheren Entwicklungsstufe.
7. Kapitel
Leistung3d Das Leistungsprinzip soll die treibendeKraft der gesellschaftlichen Entwicklungbleiben. Wir sehen im persönlichen Leistungswillen eines Menschen die bewußteHinwendung zu einem aktiv gestalteten Leben. Wir meinen die Leistung in allen Lebensbereichen, geistig wie körperlich, kulturellwie sozial, technisch wie wirtschaftlich. DieEinengung auf einen rein materiellen Leistungsbegriff lehnen wir ab.37 Ohne Leistungsbereitschaft ist weder einebefriedigende Existenzsicherung für denEinzelnen, noch der Aufbau einer insgesamtlebensfähigen Gesellschaft möglich. Leistung geht jedoch über die bloße Daseinsvorsorge hinaus und wird zu einer Ausdrucksform schöpferischer Entfaltung in Freiheit.Wir wollen ein gesellschaftspolitisches Klima, in dem der Leistungswille des Einzelnen
ebenso gedeihen kann wie die allgemeine Bereitschaft zu Gemeinschaftsleistungen. DasAktiv-Element in der Gesellschaft brauchtHandlungsspielraum.38 Leistungsfreude soll aber nicht durch unnötigen Leistungsdruck erstickt werden. Ausliberaler Sicht dürfen Lebensweisen, in denen Leistungsziele nur eine untergeordneteRolle spielen, nicht diskriminiert werden.Das Verhältnis zum Leistungsgedanken bestimmt auch nicht den moralischen Wert verschiedener Lebensauffassungen.39. Der Leistungswille wird vielfach begleitetvon der Bereitschaft, Risken einzugehen,Opfer in Kauf zu nehmen und in Neulandvorzustoßen. Diese Wagnisbereitschaft vieler,imKleinen wie im Großen, liegt im Interesseeiner Entwicklung der Gesellschaft und solldaher ermutigt werden.Deshalb muß sich jede Form von Anerkennung und auch die Gestaltung der Einkommensverhältnisse in erster Linie nach demLeistungsprinzip richten.Leistung muß sich lohnen. Die Menschendürfen nicht um die Früchte ihrer individuellen Leistungen gebracht werden. Daher lehnen wir Ideologien ab, bei denen Umverteilung auf Gleichmacherei abzielt.40 In unserer pluralistischen Gesellschaft findet ein ständiger Leistungswettbewerb statt.Wir bejahen diesen Wettbewerb, verlangenaber daftlr Regeln, die sittenwidriges Verhalten und den Mißbrauch von Macht hintanhalten.Leistungen, die dem Gesamtwohl dienen, gebührt besondere Anerkennung.Die Bildung von offenen Eliten aufGrund tatsächlich erbrachter bedeutender Leistungensichert die Lebensfahigkeit großer menschlicher Gemeinschaften. Eliten müssen sich jedoch immer wieder aufs neue bewähren. Privilegien lehnen wir ab.
8. Kapitel
Eigentum Illld Marl~t,"~irt·
sellaft
41 Die Anerkennung von Privateigentum isteine Grundbedingung für jede freie Gesellschaft. Wir wollen möglichst viel Eigentumaller Art, insbesondere auch an Produktionsmitteln, in privater Hand und breit gestreut.Eine dem Gedanken des Eigentums verpflichtete Politik darf sich nicht nur auf denSchutz bestehenden Besitzes beschränken,sondern muß daftlr sorgen, daß jeder Einzelne durch Leistung auch tatsächlich zu Eigentum gelangen kann. Denn Vermögensbildung untermauert die persönliche Unabhängigkeit und stärkt die Freiheit jedes Einzelnen.
42 Die Verstaatlichung von Eigentum alsPrinzip lehnen wir ab. Verstaatlichung .sollauf jene, wenigen Bereiche beschränkt werden, in denen aus sachlicher Zweckmäßigkeit im Interesse des Gesamtwohles ein Verzicht auJ Privateigentum geboten erscheint.Wirtschaftsaufgaben, die von verstaatlichtenoder gemeinwirtschaftlichen Unternehmenoder von Behörden übernommen wurden,sind laufend auf eine mögliche Reprivatisierung hin zu überprüfen. Das gilt ftlr alle Ebenen der Gebietskörperschaften und andereröffentlicher Einrichtungen.
43 ,Die Bildung von Eigentum soll grundsätzlich auf Leistung beruhen. Ausbeutung lehnen wir ab. Eigentumsrechte,dürfen nicht ohne Rücksichtnahme auf die Gesellschaft ausgeübt werden.
Vor allem Eigentum an Boden und Landschaft, an Produktionsmitteln sowie Kapitalbesitz ganz ellgemein unterliegen sozialenund ökologischen Verpflichtungen.Liberale Eigentumspolitik erstrebt ein möglichst hohes Maß an privatem Verfügungsrecht im Rahmen sozialer und ökologischerSchützbedürfnisse.
44 Leistungsgesellschaft und Privateigentumerfordern eine Wirtschaftsordnung, in derenMittelpunkt der Freie Markt steht.
Wir wollen eine liberale Marktwirtschaft mitmöglichst viel Handlungsfreiheit für eigenverantwortliche Unternehmungen im Rahmen sozialer und ökologischer Vorgaben.
45 Die Wirtschaftspolitik des Staates hatgrundsätzlich das Funktionieren dieserMarktwirtschaft, unter Berücksichtigung desGesamtwohles, zu gewährleisten.
Jede Form einer zentral gelenkten Staatswirtschaft ist mit einer freiheitlichen Gesellschaftsordnung unvereinbar. Diese Überzeugung gründet nicht zuletzt aufder Erfahrung,daß planwirtschaftliche Systeme weder denökologischen noch den sozialen Anforderungen gerecht wurden, obwohl sie gleichzeitigdie wirtschaftliche Handlungsfreiheit vernichteten und ökonomisch schwach blieben.
46 Die natürliche Entsprechung der Marktwirtschaft auf internationaler Ebene ist derFreihandel. Er muß auf weltweiter Partnerschaft beruhen und darf nicht durch Protektionismus zerstört werden. Er findet aber seine Grenzen dort, wo unzumutbare Abhängigkeiten geschaffen werden oder Krisenvorsorge geboten ist.
47 Wichtigste Aufgabe freiheitlicher Marktordnungspolitik ist die Aufrechterhaltungeines fairen Wettbewerbs.
Freiheitliche Wirtschaftspolitik will ein harmonisches Gleichgewicht zwischen allenMarktkräften und vor allem zwischen Kapitalund Arbeit bewirken. Jedermann soll durchseinen Leistungsbeitrag zum Teilhaber amgemeinsam geschaffenen Wohlstand werden.
9. Kapitel
Staat und Reellt
48 Wir bekennen uns zur Staatsform der freiheitlichen, demokratischen Republik, zumPrinzip der Rechtsstaatlichkeit, zum Mehrparteiensystem und zum freien Wettbewerballer politischen Kräfte.Demokratie bedeutet ftlr uns jene Herrschaftdes Volkes, die grundsätzlich durch Mehrheitsentscheidungen seiner in allgemeinenfreien Wahlen nach dem Verhältniswahlrechtgewählten Vertreter ausgeübt wird.In Ergänzung dazu fordern wir den Ausbauund die Verfeinerung von Instrumenten derdirekten Demokratie, denn wir glauben anden mündigen Bürger.49 Der Staat ist nicht Selbstzweck, sondernhat der Freiheit, der Sicherheit und dem Wohlseiner Bürger zu dienen.Der Staat darf die Grundrechte und bürgerlichen Freiheiten des Einzelnen nur dort begrenzen, wo durch maßlose Wahrnehmungpersönlicher Interessen der Freiheitsraumanderer Bürger oder die Prinzipien einer sozialen ·Gesellschaft verletzt würden.50 Um die äußere Sicherheit zugewährleisten, muß sich jeder Staat an einer weltweitenFriedenspolitik beteiligen. Österreich soll aufder Grundlage seiner Neutralität daran mitwirken.Diese umfassende Sicherheitspolitik bedingtauch ein Bekenntnis zur umfassenden Lan-
desverteidigung, die im militärischen Aufgabenbereich durch ein Milizheer wahrzunehmen ist.
51 Im Bereich der inneren Sicherheit bestehtdie wesentliche Aufgabe des Staates aus liberaler Sicht im Schutz des Einzelnen vor Unrecht und Gewalt und in der Gewährleistungder Rechtsordnung. Die erforderlichen staatlichen Schutzmaßnahmen dürfen jedochnicht zu einern freiheitsfeindlichen Überwachungssystem entarten. Dazut tritt als \....eitere zentrale Aufgabe des Staates die Gewährleistung geordneter Rahmenbedingungen fürdas wirtschaftliche Handeln und die sozialeSicherheit dcr Bürger im Sinne einer Grund\'crsorgung.
:;'2 Der Ausgleich der Interessen des Einzelnen mit jenen der Gemeinschaft erfordert einsorgfaltiges Abwägen von staatlichen Eingriffen und Nicht-Einmischung.
Wir treten für eine zeitgemäße \Veiterentwicklung des Prinzips der Gewaltentrennungim Sinne einer Stärkung der Volksvertretunggegenüber der Regierungsgewalt ein.
Unverzichtbares Wesensmerkmal des freiheitlichen Rechtsstaates bleibt die Unabhängigkeit der Rechtssprechung und der Richter.
53 Wir bejahen den Föderalismus als ein Gestaltungsprinzip, beginnend bei den Gemeinden über die Bundesländer und Staaten bishin zur Errichtung eines Vereinten Europa.Wir bekennen uns zum föderalistischen Aufbau Österreichs.
54 Wir anerkennen die Rolle der Verbändeund Interessenvertretungen in einer liberalenGesellschaft. Um einer unkontrollierten"Diktatur der Apparate" und dem darin begründeten Ohnmachtsgefühl des Einzelnenzu begegnen, bedarf es einer liberalen Verbändeordnung, die die demokratischenRechte der Mitglieder innerhalb der Verbände stärkt.
55 Man kann vom einzelnen Bürger nur dannerwarten, daß er sich an den ethischen Wertender Gemeinschaft orientiert, wenn er selbstdarauf vertrauen kann, daß die Verantwortlichen im Staat, insbesondere die politischenAmtsträger, ihr Handeln nach diesen Grundsätzen ausrichten, Pflichtbewußtsein undSauberkeit der Verantwortlichen sind wesentlich für das Vertrauen der Bürger in ihrenStaat.
10. Kapitel
UITIwelt
56 Wir bekennen uns zur ökologischenSchicksalsgemeinschaft alles Lebendigenauf unserer Erde, Wichtigstes ökologischesZiel freiheitlicher Politik ist die Erhaltungeines für alles Leben günstigen Gleichgewichtes in der natürlichen Biosphäre.
Diese dünne Schichte aus Luft, Wasser undErde als Lebensraum für alles pflanzliche, tierische und menschliche Leben muß als einempfindliches, auf natürlichen Kreisläufenund Wechselwirkungen aufgebautes Systemverstanden werden.
57 Die totale Inanspruchnahme der Naturdurch den Menschen im Zuge der EntwiC'klung von Wissenschaft, Technik und Wirtschaft gefcihrdet weltweit dieses Ökosystem.Indem sich der Mensch scheinbar zum Beherrscher der Natur aufschwang, wurde erandererseits zu ihrem Zerstörer. Ihm drohtdie Gefahr, durch allmähliche Zerstörung dereigenen Lebensgrundlagen seine Selbstver-
nichtung herbeizuführen. Überall zu beobachtende Umweltschäden großen Ausmaßesmüssen als Warnung dafür begriffen werden,daß es höchste Zeit für uns alle ist, das Ökosystem Erde nicht als Untertan sondern alsPartner behandeln zu lernen.58 Da es sich hierbei um eine globale Aufgabehandelt, muß in den Menschen aller Völkerein neues Umweltbewußtsein geweckt undaufgebaut werden.Wir bejahen dafür jede internationale Zusammenarbeit, die aufpartnerschaftliche Art undWeise erfolgen muß. Die Industriestaaten sollen den Ländern der dritten Welt helfen, ihreWirtschaftsentwicklung ohne neue Umweltzerstörung großen Ausmaßes voranzutreiben.Umweltschutz allein als bloße Abwehr bereits eingetretener Schäden ist zu wenig. Wir\vollen eine umfassende Umweltpolitik, diegestaltend in alle zivilisatorischen Entwicklungen eingreift, um vorausblickend die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagenlangfristig und weltweit zu sichern.
59 Im Vordergrund steht der Kampf gegendie Vergiftung der Luft, des Wassers und derBöden.Gleichzeitig muß der fortschreitenden Vernichtung der Tier- und Pflanzenwelt, insbe-
sondere der Wälder, Einhalt geboten werden.Die Erhaltung der biologischen Artenvielfaltist für die Zukunft der Welt und das Überleben der Menschheit von größter Bedeutung.6Q Der Raubbau an nur begrenzt vorkommenden Rohstoffen und Energieträgern sowie deren Verschwendung ist einzustellen.Es muß eine Kreislaufwirtschaft aufgebautwerden, in welcher die Mehrfachverwendungund Wiederaufbereitung knapper Stoffe eineSelbstverständlichkeit darstellen. Der Ökologie muß solange eine Vorrangstellung eingeräumt werden, bis das 9leichgewicht mitder bisher bevorzugten Okonomie wiederhergestellt ist.Für den Energieverbrauch gilt das Gebot derSparsamkeit. Langfristig ist der Übergangauf die überwiegende Nutzung von entwedererneuerbaren oder unerschöpflichen Energiequellen systematisch vorzubereiten.61 Alle Bemühungen der Umweltpolitik werden letztlich vergeblich bleiben, wenn dasWachstum der Weltbevölkerung nicht gebremst wird. Wir bejahen eine Stabilisierungder Bevölkerungszahlendurch humane Geburtenregelung und Verzicht auf machtpolitisehe Expansionsvorstellungen.62 Die zunehmende Verstädterung, das Ausufern von wirtschaftlichen Ballungszentrenund die Verkehrslavline schädigen die Ge-
sundheit der davon betroffenen Bevölkerungan Leib und Seele. Daher sind in diesen Regionen unmittelbarer Umweltschutz, Lärmschutz und Landschaftsschutz besonderswichtige Aufgaben zur Erhaltung der Volksgesundheit.Die Bürger sollen an Entscheidungen, die dieUmwelt wesentlich beeinflussen, von Anfangan beteiligt werden.Umweltschutz ist nicht kostenlos. Er kannauch Opfer fordern bis hin zum Verzicht aufüberkommene Lebensgewohnheiten und aufgewisse materielle Vorteile. Indem wir - soziale Rücksichten immer vorausgesetzt - solche Opfer nicht ausschließen, sind wir überzeugt, daß nur unsere auf Leistung beruhende Wirtschaftspolitik imstande ist, das ökologische Problem zu lösen.
63 Der Weg zur Überwindung der eingetretenen Schäden an den ökologischen Systemenund zu einem langfristig stabilen ökonomisch-ökologischen Gesamtsystem führtnicht über den grundsätzlichen Verzicht aufdie Technik, sondern nur über die Entwicklung eines neuen, vom Vorrang des Menschen und der ökologischen Systeme geprägten Technikverständnisses. FreiheitlichePolitik sieht in der Technik grundsätzlich einwertvolles Mittel zur Verbesserung derLebenschancen der Menschen.
TEIL 11: LEBENSBEREICHE1. Kapitel
Staat und RechtEinleitung64 Die historische Erfahrung lehrt, daß dieFreiheit immer gefcihrdet war, wenn dieStaatsbürger glaubten, sie verstünde sich bereits von selbst. Gleichgültigkeit breiter Bevölkerungsschichten gegenüber politischenProblemen, einseitiges Streben nach Konsum, Angst vor Veränderungen, Risikoscheu,kritiklose Hinnahme von Propaganda unddas Gefühl der Ohnmacht sind die Wegbereiter der Unfreiheit. Darin erblicken wir einegefährliche Entwicklung.65 Die Freiheit ist heute auch dort bedroht,wo mit dem Verlangen nach genormterGleichförmigkeit ein Parteien-, Verwaltungsoder Verbändestaat mit kollektivistischenGesellschaftsformen angestrebt wird.Die Lehre, daß jeder Einzelne in vollem Maßean der Freiheit des ..über Gut und Böse erhabenen Staates" teilhabe und schon deshalbeine der individuellen Freiheit überlegeneFreiheit genieße, bedeutet nichts anderes alsdie kollektive Preisgabe der persönlichenFreiheit und wird von uns abgelehnt.66 Nicht nur die bürgerlichen Grundrechtesind das Angriffszieljener Kräfte, die die kollektive Freiheit predigen und die individuelleFreiheit zerstören wollen, sondern dieser Angriff richtet sich direkt gegen die Grundfreiheit des Geistes.Auch die freiheitliche Demokratie ist keinperfektes politisches System, jedoch eröffnetsie von allen Systemen der Freiheit, Menschenwürde und sozialen Gerechtigkeit diegrößten Chancen auf Verwirklichung.61 Wir setzen uns ftir die Erneuerung demokratischer Einrichtungen ein. Jedes Systemkann verbessert werden, Erstarrung ist eineGefahr für die Zukunft.Die freiheitliche Demokratie ist der ständigen Herausforderung an jede Ordnung, sichzu erneuern, am besten gewachsen. Es sinddie Institutionen, die sich ändern sollen,nicht die Werte, die durch sie verkörpert werden.
Grund- und Freiheitsrechte68 Die verfassungsmäßigen Grund- und Freiheitsrechte sind Rechte des Einzelnen gegenüber dem Staat und seiner Institutionen. Solange die Aufgaben des Staates weiter wachsen und sich verändern, haben wir zunehmende Spannungen zwischen dem Freiheitsanspruch des Einzelnen und der Staatsgewaltsowie anderen Organisationen und Verbänden zu gewärtigen. Es ist daher notwendig,ständ'ig zu überprüfen, ob die verfassungsmäßig garantierten Grund- und Freiheitsrechte jeweils noch ausreichen, um diesenFreiheitsanspruch zu gewährleisten.Wir fordern somit die Neufassung und ständige Anpassung der Grund- und Freiheitsrechte, um mit neuen Bedrohungen der Freiheitfertig zu'werden.69 Die neuen technischen Möglichkeiten derDatenerfassung, Datenspeicherung und Datenverarbeitung bergen in hohem Maße auchGefahren ftir das Recht des Einzelnen auf sei-
ne Privatspähre in sich. Dem Schutz der Privatsphäre des Einzelnen vor Ausspähungund Mißbrauch von Daten durch den Staatund seine Institutionen oder Private gilt unser besonderes Augenmerk.Wir glauben, daß die Möglichkeiten ftir einenwirksamen Datenschutz noch lange nichtausgeschöpft sind, und fordern daher dieständige Weiterentwicklung der Datenschutzgesetzgebung.
Wahlrecht10 Als Freiheitliche glauben wir an den mündigen Bürger. Seiner Teilnahme an der politischen Willensbildung wollen wir noch mehrGewicht verleihen.Wo immer der Bürger als Wähler seine Stimme abgibt, hat er Anspruch darauf, daß seinWille unverfälscht zum Tragen kommt. Seinpersönlicher Einfluß aufdie zu fällende Wahlentscheidung darf nicht durch "korrigierende" Eingriffe geschmälert oder gar aufgehoben werden. Solche Formen der Wählerbevormundung sind in der Gestalt mehrheitsbegünstigender Ermittlungsverfahren begründet; ihre Legalität ändert nichts an derAnmaßung gegenüber dem Bürger.
11 Nur die Verhältniswahl verbürgt eine unverfcilschte Wiedergabe des Wählerwillens,sie allein gewährleistet das ftir einen fairenpolitischen Konkurrenzkampf notwendigeMaß an Gerechtigkeit. Sie ist somit auch'diebeste Voraussetzung ftir demokratische Meinungsvielfalt. Wir fordern daher die genaueste Einhaltung des in unserer Bundesverfassung verankerten Grundsatzes der Verhältniswahl für alle in Österreich durch Gesetzvorgeschriebenen Wahlen. In Wahlordnungen enthaltene Elemente, die den Wählerwillen verfciischen bzw. minderheitsfeindlichsind, sind zu beseitigen, wo immer solche derzeit noch vorhanden sind.Für sämtliche Wahlen in Gebietskörperschaften und öffentlich-rechtlichen Körperschaften sind amtliche Stimmzettel einzuführen.Sinngemäß gilt dies auch ftir Betriebsratswahlen. Um dem Wähler eine stärkere Einflußnahme auf die Auswahl der Volksvertreter zu eröffnen, ist das Listenwahlrecht miteinem verbesserten System von Vorzugsstimmen zu verbinden.
Kontrolle12 Die beständige Herausforderung der freiheitlichen Demokratie, sich zu erneuern, giltim besonderen mit Blick aufdie Verfassungsordnung. Immer wieder sind deren Einrichtungen und Regeln daraufhin zu überprüfen,ob sie jenen Werten und Grundsätzen, denensie Gestalt geben sollen, auch tatsächlichnoch genügen.Die österreichische Demokratie braucht einstärkeres Parlament, vor allem im Interesseeiner wirksameren Kontrolle der Exekutive.
13 Wir fordern daher eine Verfassungsreformin Bund und Ländern, durch welche die parlamentarischen Kontrollrechte ausgebautund vermehrt der Opposition zugänglich ge-
macht werden. Auch sind ihr die wesentlichen Informationsquellen zu erschließen.Die Kontrolle wird in der politischen Wirklichkeit ja nicht so sehr vom Parlament alsganzem oder von der die Regierung unterstützenden Mehrheit seiner Abgeordneten,sondern in allererster Linie von der Opposition ausgeübt - und damit von einer parlamentarischen Minderheit.14 Diesem in unserer Bundesverfassung bisher vernachlässigten Umstand soll durcheine deutliche Aufwertung der kontrollierenden Rolle der Opposition Rechnung getragenwerden.Das ist der Weg, der nach unserer Überzeugung beschritten werden muß, um den heuteweitgehend ausgehöhlten Begriff der Gewaltentrennung mit neuem Leben zu erftillen.So wie auf Bundesebene sollen auch auf Landesebene parlamentarische Minderheiten sowohl dem Rechnungshof wie den Landeskontrolleinrichtungen Prüfungsaufträge erteilen können. Auch Landeskontrolleinrichtungen sollen von der jeweiligen Regierungunabhängig sein.
Repräsentative und direkteDemokratie75 Wir bekennen uns zur repräsentativen Demokratie. Wir wollen jedoch ihre Erweiterung um Elemente der direkten Demokratie.In einer Verstärkung der unmittelbaren Bürgermitbestimmung erblicken wir eine wertvolle Bereicherung unseres parlamentarischen Systems. Zur Weiterentwicklung derdirekten Demokratie in Österreich schlagenwir daher folgende Ergänzung unserer Bundesverfassung vor:16 Ein Voksbegehren, das der Nationalrat abgelehnt hat, soll künftig unter bestimmtenVoraussetzungen, als deren wichtigste einezahlenmäßig besonders starke Unterstützung durch die Stimmberechtigten zu geltenhätte, einer Volksabstimmung zuzuführensein.Damit wollen wir die Möglichkeit eröffnen,daß ein an die Gesetzgebung gerichtetes Anliegen, das nachgewiesenermaßen vom politischen Engagement einer besonders großenZahl von Bürgern getragen wird, der Gesamtheit der stimmberechtigten Bürger zur endgültigen Entscheidung vorgelegt werdenkann.Diese Anreicherung der repräsentativen Demokratie mit Elementen der direkten Demokratie wollen wir nicht nur ftir die Bundesebene, sondern auch ftir Ländern und Gemeinden.
Föderalismus71 Wir bekennen uns zum föderalistischenPrinzip. Die Eigenverantwortlichkeit derLänder stärkt die Bürgerbeteiligung, kommtdurch Berücksichtigung der unterschiedlichen Gegebenheiten in den einzelnen Ländern den Interessen der Menschen entgegenund erleichtert durch die Überschaubarkeitder Verhältnisse eine volksnahe Verwaltung.Der Föderalismus, den wir wollen, beschränkt sich nicht auf das Verhältnis zwischen Bund und Ländern, er schließt auchdie Eigenverantwortlichkeit und Autonomieder Gemeinden mit ein.78 In der Zuständigkeitsverteilung zwischenBund, Ländern und Gemeinden hat der
Grundsatz zu gelten, daß Aufgaben, die ambesten die kleinere Einheit zu erfüllen vermag, dieser auch vorbehalten bleiben.Infolge der wissenschaftlich-technischenund wirtschaftlichen Entwicklung ist es notwendig geworden, daß völlig neue Materien(z. B. Umweltschutz, Energie) vom Gesetzgeber geregelt werdenDie derzeitige Kompetenzaufteilung zwischen Bund und Ländern entspricht nichtmehr dieser neuen Problemstellung. Daherfordern wir, diese Kompetenzverteilung vonGrund auf neu zu überdenken.
Verwaltung79 In der Demokratie sind die Einrichtungendes Staates für die Bürger da. Das Leistungsangebot des öffentlichen Dienstes ist daherverstärkt auf die Bedürfnisse des Bürgersauszurichten. Im Interesse einer bürgernahen Verwaltung wollen wir eine Stärkung derVolksanwaltschaft. Ein immer komplexerwerdendes Gesellschaftssystem führt zueiner bedeutsamen Erweiterung der staatlichen Aufgaben und damit zu einer Personalund Kostenexplosion im Bereich der öffentlichen Einrichtungen.Im Gegenzug· sollten daher offensichtlichunzweckmäßig gewordene Verwaltungsbereiche eingeschränkt oder ganz aufgegebenwerden. Aufgaben, die von privatwirtschaftlicher Seite zweckmäßiger durchgeführt werden können, sollten aus der öffentlichen Verwaltung ausgegliedert werden.80 In verstärktem Ausmaß sollen dort, wodies sachgerecht ist, Kosten-Nutzen-Rechnungen angewendet werden, wie das in derWirtschaft üblich ist. Dadurch können dieFolgen von Gesetzen und Verwaltungsentscheidungen deutlicher gemacht werden.Trotz solcher Berechnungen muß die Verantwortlichkeit der zuständigen Entscheidungsinstanz gewahrt bleiben.81 Wir halten grundsätzlich am Berufsbeamtentum fest. Dieses hat unbestechlicher Sachwalter des ganzen Volkes auf der Grundlageeiner korrekten Erfüllung der Gesetze zusein. Die Pragmatisierung der Berufsbeamten soll beibehalten werden, doch sind außerhalb der Hoheitsverwaltung wegen der Gefahr erstarrender Personalstrukturen derPragmatisierung Grenzen zu setzen.
Innere SicherheitSelbstbestimmung ist nur dort möglich,
wo der Mensch auf die Ordnung und Sicherheit jener Verhältnisse vertrauen kann, die erseinen Entscheidungen zugrunde legen muß.Dies auch mit Blick auf die innere Sicher-heit Staates.Em hohes Niveau aller der inneren
dienenden Vorkehrungen ist daher auch ein liberales Anliegen. Ausbildung,Ausrüstung und Organisation der Exekutivesollen gewährleisten, daß die Beamten ihreAufgaben wirksam erfüllen können: im Interesse der Bürger und zur Wahrung des RechtsstaatesIm Rahmen der Verbrechensbekämpfungsoll auf die Vorbeugung stets besonderes Gewicht gelegt \verden.
Zwischen Freiheit und Sicherheit bestehtnicht nur eine Wechselbeziehung, sondernauch ein Spannungsverhältnis.Wir wollen soviel Freiheit wie möglich undsoviel Sicherheit wie nötig - nicht umgekehrt! Siche'rheit ist kein Selbstzweck, sie hatder Freiheit zu dienen.Die moralische Stärke eines Staates beruhtaufdem Vertrauen, das ihm seine Bürger entgegenbringen. Ein starker Staat ist in Wahrheit daher nur der freiheitlich-demokratischeRechtsstaat. Er bietet die beste Gewähr füreine Gesellschaft, in der die Freiheit der Bür-
ger gegenüber der kriminellen Bedrohungdurch Einzelne oder durch Gruppen geschützt wird, ohne dafür die Grund- und Freiheitsrechte preisgeben zu müssen.
Parteien und Verbände84 In unserem demokratischen Systemkommt den politisdlen Parteien eine tragende Rolle für die Umsetzung des Bürgerwillens zu.Daneben sind auch Bürgerinitiativen undähnliche Formierungen wichtige Möglichkeiten, dem Bürgerwillen Ausdruck zu verleihen. Die politischen Parteien dürfen sich jedoch nicht Bereiche anmaßen, die mit ihreneigentlichen Aufgaben nichts zu tun haben.Auch muß die Entscheidung, einer Partei anzugehören, freiwillig sein und ohne Druck erfolgen.85 Das "richtige Parteibuch" darf nicht überdie Erlangung materieller Vorteile entscheiden. Insbesondere das berufliche Fortkommen eines Menschen hat nicht von der Zugehörigkeit zu einer Partei, sondern von seinenindividuellen Fähigkeiten und seiner Leistung abzuhängen.Wir fordern daher die Ausschaltung der Zugehörigkeit zu einer politischen Partei alsAuswahlkriterium bei der Postenbesetzung,BefOrderung, Wohnungsvergabe, Auftragsvergabe und dergleichen.
86 Eine demokratische Gesellschaft kann ohne Verbände und Interessenvertretungennicht funktionieren. Die Menschen sinddurch ihre berufliche und gesellschaftlIcheRolle auch geprägt von Gruppeninteressenund fühlen sich in dieser Hinsicht dann nichtnur als Individuen, sondern als Glieder einerspeziellen Gruppe mit bestimmten gemeinsamen Sonderinteressen.Es besteht die Gefahr, daß Verbände und Organisationen, derenj Aufgabe die Durchsetzung von Gruppeninteressen ist, zumSelbstzweck oder durch Entfremdung ihreseigentlichen Zwecks zum Werkzeug rein parteipolitischer Interessen werden und bestrebt sind, die Vertretenen ihrerseits möglichst gleichzuschalten.
87 Dieser Gefahr der "Diktatur des Apparates" oder seines Mißbrauches muß durch denAusbau' der Demokratie innerhalb dieser Organisation entgegengetreten werden.Wegen der bestehenden ZwangsmitGliedschaft bei Kammern fordern wir, daß alleGruppen innerhalb des Verbandes ihre Vorstellungen artikulieren können. Dazu gehörtauch ein Wahlrecht für alle diese Verbände,das sich strikt an den Grundsätzen des Verhältniswahlrechtes orientiert.Das Prinzip der Zwangsmitgliedschaft beiden Kammern ist durch das Prinzip der freiwilligen Mitgliedschaft zu ersetzen. Mitgliedsbeiträge an Kammern und Verbändesollen durch Direktbeiträge und nicht im Wege von Abgaben oder abgabenähnlichen Leistungen entrichtet werden.Bei der Frage der Mitgliedschaft hat für dieKammern der Freien Berufe, in denen dieKammerzugehörigkeit die wesentlicheGrundlage für die freie Berufsausübung ihrerMitglieder darstellt, eine 9ndere Betrachtungsweise zu gelten.
Politiker88 Wie an der Bedeutung politischer Parteienfür die parlamentarische Demokratie nichtgezweifelt werden kann, muß auch die Führungsaufgabe der gewählten Volksvertreterfür die Lenkung des Staates anerkannt werden.Da die Schwierigkeiten sachgerechter Urteilsbildung und Entscheidung ständig zunehmen, wird es zur Bewältigung der Zu-
kunftsprobleme vermehrt pflichtbewußter.sachkundiger und beruflich weitgehend unabhängiger Persönlichkeiten in der Politikbedürfen, die für Korruption unempfanglichsind und deren Existenz nicht von politischen Pfründen abhängt. Wir bekennen unszur Eigenverantwortlichkeit des Abgeordneten und daher zum freien Mandat.89 Eine leistungsbezogene Entlohnung derPolitiker bildet die Voraussetzung dafür, einenegative Auslese zu verhindern. Die Bezahlung der politischen Arbeit darf jedoch nichtzu einer Privilegierung der Politiker entarten.Insoweit ungerechtfertigte Privilegien im Bereich der Gebietskörperschaften und derKörperschaften öffentlichen Rechts vorhanden sind, sind sie abzubauen. Auch 1m Bereich der öffentlichen Wirtschaft sind die dortentstandenen Privilegien zu beseitigen.90 Eine ernste Gefahr für die Gesellschaftstellt die zunehmende Politik- und Parteienverdrossenheit, die auf einen jahrelangen politischen Sittenverfall zurückzuführen ist,dar. Dies könnte unser demokratisches System insgesamt in Frage stellen. Deshalb halten wir es für notwendig, die Vermengungvon Politik und Geschäft energisch zu bekämpfen. Es muß wieder bewußt und glaubhaft gemacht werden, daß Politik Dienst amVolke ist.
Rechtspolitik91 Die Rechtsordnung hat die Aufgabe, dasZusammenleben der Menschen zu regeln. Dasich die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Verhältnisse ständig ändern, verlangen wir, daß die Rechtsordnung immer wieder den neuen Gegebenheiten angepaßt wird.Dabei ist darauf zu achten, daß gesetzlicheBestimmungen der gesellschaftlichen Entwicklung weder zu weit nachhinken noch zuweit vorauseilen, da es sonst zu rechtsfreienRäumen, zu Räumen toten Rechts,ja sogar zuFormen der Rechtsverweigerung kommenkann. Die Gesetze müssen verständlich undleicht anwendbar sein.92 Das Zivilrecht, welches vor allem dieRechtsverhältnisseund die Rechtsgestaltungzwischen Personen regelt, hat den Menschenmit seinem Anspruch auf den größtmöglichen Freiraum in den Mittelpunkt zu stellen.Unter Beachtung des Grundsatzes der Vertragsfreiheit nimmt freiheitliche Rechtspolitik darauf Bedacht, daß wirtschaftliche, finanzielle oder sonstige Macht nicht zumNachteil des schwächeren Bürgers eingesetztwerden kann.93 Die Strafrechtspflege hat vor allem die Interessen der öffentlichen Sicherheit und dieder Opfer von Straftaten zu berücksichtigen.Die Strafe soll in erster Linie der Resozialisierung und damit auch der Verhinderung weiterer Delikte dienen.Die Todesstrafe lehnen wir ab.
94 Der Strafvollzug soll vom Geist der Humanität getragen sein. Insbesondere bei erstmaligenund jugendlichen Tätern halten wir dasfür eine wichtige Vorbereitung auf den späteren Wiedereintritt in die Gesellschaft. ImRahmen der Resozialisierungsbemühungenkommt einer sinnvollen Beschäftigung derStrafgefangenen ein hoher Stellenwert zu.Häufig sind die Schwierigkeiten bei der Wiedereingliederung in die Gesellschaft Ursachefür neue Straftaten. Wir wollen, daß durch geeignete Maßnahmen den entlassenen Häftlingen geholfen wird, wieder Fuß zu fassen undeine Existenz zu finden, ohne rückfallig zuwerden.Bei Tätern, bei denen alle Resozialisierungsversuche erfolglos bleiben oder die besonders gefährlich sind, hat der Schutz der Gesellschaft Vorrang.95 Die Unabhängigkeit der Rechtssprechung
Außellpolitil~ und Landesverteidigung
und der Richter ist ein unverzichtbarer Bestandteil eines freiheitlichen Rechtsstaates.Die Justiz hat dafür zu sorgen, daß der Bürgermöglichst rasch zu seinem Recht kommt. Diein einem liberalen Rechtsstaat unabdingbareUnschuldsvermutung verlangt, daß nacheiner straffen Durchführung der Verfahrenmöglichst rasch über Schuld oder Unschuldentschieden wird.96 Ein erleichterter Zugang zum Recht bedarfgesetzlicher, gerichtsorganisatorischer, personeller und sachlicher Voraussetzungen.
2. Kapitel
Einleitung98 Wir stellen die Freiheit auch im Bereichder internationalen Beziehungen als Leitwertan die Spitze. Eine solche grundsätzlicheWertprämisse ist eine wesentliche Voraussetzung für die Kontinuität, Berechenbarkeitund Vertrauenswürdigkeit einer wirksamenAußenpolitik. Das bewahrt gerade aucheinen Kleinstaat wie Österreich vor der Versuchung, in Opportunismus abzugleiten.Österreich ist international ein mehr bewegter als bewegender Faktor. Dennoch wollenwir, daß Österreichs außenpolitischer Spielraum im Interesse der Freiheit genutzt wird.Denn wir erwarten von der Verwirklichungmenschlicher Freiheit die bestmögliche Lösung innerstaatlicher ebenso wie internationaler Probleme.99 Für den innerstaatlichen Bereich liegt dieSchlüsselfunktion der Freiheit klar auf derHand. Darüber hinaus besteht ein grundlegender Zusammenhang zwischen innerstaatlicher Freiheit und internationaler Friedensordnung.Unzweifelhaft waren und sind totalitäre, diktatorische Herrschaftsverhältnisse herausragende Gefahrenherde für den Frieden, während Kriege zwischen demokratischen Staaten mit freier Gesellschaft weniger wahrscheinlich sind. Deshalb meinen wir, daß eineVölkerfamilie, deren Staaten im Inneren dasPrinzip der Freiheit verwirklicht hätten, damit nicht nur innerstaatlich zu positiven Lebensverhältnissen führen, sondern geradezudie Erhaltung des internationalen Friedensgarantieren könnte. Deshalb ist Freiheit auchfür das Zusammenleben auf internationalerEbene der entscheidende politische Ansatz.100 Erhaltung und Ausbau der politischenFreiheit in einem pluralistisch-demokratischen System sowie das Leben in einer offenen, freien Gesellschaft, die Verwirklichungder gesellschaftlichen und politischenGrund- und Freiheitsrechte haben zwar auf'dem Papier für weite Teile der Welt Geltung,aber in der Praxis hat nur ein kleiner Teil derMenschheit daran Anteil. Es kann leider keine Rede davon sein, daß sich diese Freiheitenausdehnen, im Gegenteil: sie sind bedroht.
Österreich und seine Neutralität101 Das neutrale Österreich ist ein freier Bestandteil der pluralistischen Welt und für seine Sicherheit selbst verantwortlich. Die FPÖsteht auf dem Bodeh des Neutralitätsgesetzes, das Österreich zur militärischen Neutralität verpflichtet. Wir wollen, daß Österreichkeinem Militärbündnis angehört. Darausfolgt, daß Österreich konsequent allein fürseine Sicherheit sorgen muß.102 Grundlage jeder Außenpolitik ist die politische Eigenständigkeit. Osterreichs klassische außenpolitische Ziele im Interesse unse-
Wir fordern daher, die Verfahrensrechte daraufhin zu überprüfen, inwieweit sie noch denheutigen Erfordernissen entsprechen. DieGerichtsstruktur ist auf funktionstüchtigeund überschaubare Einheiten zu bringen.97 Ein freiheitlich geordnetes Rechtswesenbraucht den freiberuflichen Berater und Anwalt des Bürgers in rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Belangen.Im Interesse einer freien Gesellschaft sind diefreien Berufe so zu schützen, daß sie ihre Aufgaben in vollem Umfang erfüllen können.
res Staates sind die Sicherung von territorialer Integrität, Eigenstaatlichkeit, also die Erhaltung der äußeren Freiheit, die Mehrungdes internationalen Ansehens sowie dieWahrnehmung wirtschaftlicher und kultureller Interessen.103 Das traditionelle Modell des voll souveränen Staates entspricht der politischen Realität vor allem eines Kleinstaates - nur nochsehr beschränkt. Österreich ist aufs engsteverflochten und abhängig als Bestandteil Europas, eines Kontinentes, der selbst wiedervielfachen Abhängigkeiten unterworfen ist.Die Souveränität im traditionellen Sinn ist also nur mehr sehr theoretisch als Bezugspunktder Außenpolitik anzusehen. Österreich mußden Schwerpunkt seiner Souveränität in derautonomen Gestaltung seiner politischenOrdnung sehen, daß also das Zusammenleben, die· politische und gesellschaftliche Lebensgestaltung nach den eigenen Wertvorstellungen möglich bleibt.
Europapolitik zwischen Ost undWest104 Es ist schon fast in Vergessenheit geraten,daß so wichtige Grundwerte wie Demokratie,politische und gesellschaftliche Freiheit sowie die Menschenrechte ihre Wurzeln in Europa haben und nur in Westeuropa, in Nordamerika und einigen anderen Ländern derWelt verwirklicht sind. Ohne Europa verlörendiese Werteihre historische Basis und ein wesentliches Gebiet ihrer Verwirklichung. Daher treten wir nicht nur aus wirtschaftlichenInteressen für ein geeintes Europa ein, sondern auch, weil ein solches Europa eine wesentliche Kraft für die Erhaltung der Freiheitin der Welt darstellt.
105 Freiheitliche Europapolitik kann nicht akzeptieren, daß der Begriff Europa aufden Westen eingeschränkt wird. Europa hört nichtan der Nahtstelle zwischen Ost und West auf.Vor allem betrachten wir die starre Blockbildung in Europa als eine ständige Friedensbedrohung. Die Überwindung dieser Blockbildung ist eine wichtige Voraussetzung für einfreies und selbständiges Europa.Ebensowenig wollen wir uns damit abfinden,die Idee der Freiheit auf Westeuropa zu beschränken.
106 Aus liberaler Sicht hoffen wir, daß dann,wenn Freiheit, Selbstbestimmung, Freizügigkeit, menschlicher, kultureller, wissenschaftlicher und wirtschaftlicher Austausch zurSelbstverständlichkeit geworden sind, dieTrennungslinie quer durch Europajhre Wirksamkeit verliert, selbst wenn die militärischen Blöcke weiterbestehen.Dazu kann Österreichs Außenpolitik Wesentliches beitragen. Daher unterstützt Österreich alle Initiativen, die der Vertrauensbildung zwischen den europäischen Staaten,
einer größeren Freizügigkeit und einem verbesserten Informationszugang für die Bürgeraller europäischen Staaten dienen.Als herausragenden Ansatz begrüßen wireine Politik, wie sie mit der Konferenz vonHelsinki eingeleitet wurde, von der wir wollen, daß sie nicht mehr abreißen soll.107 Auch in sicherheitspolitischer Hinsichttreten wir für eine Selbstbesinnung Europasauf seine eigenen Lebensinteressen ein. Trotzbestehender externer Bündnisverpflichtungen gegenüber beiden Supermächten darfEuropa seine eigenständige Interessenlagenicht vergessen. Wir anerkennen keinen Anspruch, der ein Opfern Europas in einer militärischen Ost-West-Konfrontation rechtfer·tigt.108 Europa muß unter Wahrung seiner Sicher·heitsinteressen aus der Sackgasse der höchsten Konzentration gegeneinander gerichteter konventioneller und atomarer militäri·scher Kriegsmittel herausfinden.Hinsichtlich der atomaren Waffen treten wirfür einen schrittweisen Abbau auf europäischem Boden ein. Aufkonventioneller Ebenebefürworten wir eine möglichst starke Eigenkapazität und Eigenverantwortung Europas.Auch wenn es derzeit utopisch anmutet: Zielbleibt die Überwindung der politischen Teilung Europas und die Auflösung der militärischen Blöcke.
Europäische Integration109 Wir wenden uns gegen die Tendenz derEG, sich mit Europa gleichzusetzen, wiewohldie Entwicklung mit weiteren Beitritten anderer Länder in zunehmendem Maße dorthinzu gehen scheint. Hierin kann eine Gefahr fürLänder wie Österreich liegen, die zwar durchdie politischen Maßnahmen der EG mitbetroffen sind, aber an deren Entscheidungennicht mitwirken können.Im Streben nach einer größtmöglichen Teilnahme unseres Landes an der europäischenIntegration halten wir auch eine Mitgliedschaft Österreichs in der EG - selbstverständlich unter dem Neutralitätsvorbehalt - fürmöglich und notwendig.110 Österreich soll um möglichst enge undfreundschaftliche Beziehungen zu seinenNachbarn bemüht sein. Dies gilt für unsereNachbarn mit einem demokratisch-pluralistischen Gesellschaftssystem ebenso wie für dieNachbarn des Ostblockes. Die Vertiefung unserer Beziehungen zu letzteren soll nicht nurauf den Ausbau der Handels- und Wirtschaftsbeziehungen abgestellt sein, sondernauth zu einer grundsätzlichen Freizügigkeitim Reise- und Informationsverkehr führen.
Südtirol111 Die gutnachbarlichen und weiterhin ausbaufcihigen Beziehungen Österreichs zu Italien stehen für uns unter jenem besonderenGesichtspunkt, der sich aus der Schutzmachtfunktion unseres Landes für die deutsche und ladinische Volksgruppe in Südtirolergibt.
112 Die Schutzmachtfunktion Österreichs gegenüber Italien wurde in der Vergangenheitnicht immer wirksam genug wahrgenommen. Als Mindestvoraussetzung dafür, daßSüdtirol seinen vorwiegend deutschen Charakter bewahrt, drängen wir auf die volle Verwirklichung. des Autonomiestatutes, wobeisich die Verantwortung Österreichs darinnicht erschöpft. Die Paketlösung betrachtenwir lediglich als Interpretation des PariserVertrages und als Zwischenlösung.Wir wollen die Verstärkung der kulturellen,menschlichen und wirtschaftlichen Bezie·hungen zwischen Nord-, Ost- und Südtirolund den übrigen österreichischen Bundes-
ländern, um die geistige Einheit des Landeszu wahren.
Auslandskulturpolitik113 Das moderne Österreich soll seinen politischen Standort in der internationalen Staatengemeinschaft vorrangig für kulturelle Initiativen nützen. Dabei ist ein Dialog aufzunehmen, der weit über bloße Selbstdarstel~
lung hinausgeht. Um der Beschränkung dereigenen Mittel entgegenzuwirken, ist mit denKulturinstituten der BundesrepublikDeutschland, der Deutschen Demokratischen Republik und der Schweiz eine fallweise Zusammenarbeit zu suchen. Dadurch sollder spezifisch österreichische Beitrag zurdeutschen und europäischen Kultur auch inJenen Drittst~aten bekanntgemacht werden,in welchen Osterreich mangels eigener Vertretung andernfalls nicht präsent wäre.114 Diese Forderung nach Zusammenarbeitgilt auch für das Gebiet der Sprachkurse undder Betreuung germanistischer Institute anausländischen .. Universitäten. Dabei darfnicht übersehen werden, daß die Vertrautheitmit deutscher Sprache und Kultur vielfachpositive Auswirkungen auf Handel undFremdenverkehr mit Österreich nach sichzieht.Schließlich ist die Verwendung von Deutschds Amtssprache in internationalen Organisationen sowie als ,lebendige Wissenschaftssprache durch geeignete Maßnahmen zu för:lern. Die Zugehörigkeit Österreichs zum.ieutschen Volks- und Kulturraum verpflich:et uns auch zur Sorge um den Bestand deut,>cher Minderheiten in anderen Staaten, insoesondere den deutschen Minderheiten inJen Nachfolgestaten der österreichisch-une;arischen Monarchie.
Internationale Zusammenarbeit115 Wir anerkennen die Bedeutung der internationalen Rechtsordnung zur Sicherung derf"reiheit. Besonders für den Kleinstaat bedeuten die internationale Rechtsordnung und dieRechtssicherheit eine Voraussetzung für seine Freiheit und den Frieden. Aber in weltweitem Maßstab nehmen anarchische Zuständem und die Wirksamkeit des Völkerrechtes ab.)stereich stehen zur Durchführung eigenerZiele so gut wie keine Machtmittel zur Verfü;ung. Deshalb bleibt als stärkster Verbündeer nur eine wirksame internationale Rechts)rdnung.)sterreich muß größtes Interesse an einer ef'ektiven internationalen Rechtsordnung ha)en und soll bei der Ausarbeitung internatiotaler Rechtsnormen vorbildlich mitarbeiten.;'ür die international~.Rechtsentwicklungist.'lch die aktive Rolle Osterreichs in den inter1ationalen Organisationen von größter Wich19keit.
Österreich soll eine aktive Außenpolitikletreiben und an der internationalen Koopeation in größtmöglichem Ausmaß teilnehnen. Dabei wollen wir die spezifischen Funkionen eines neutralen Staates voll zur Wirwng bringen: bei der Schaffung und Durch>etzung des internationalen Rechtes, durchi\nbieten guter Dienste, Vermittlungstätig{eiten, Stellung von UN-Kontingenten desBundesheeres und ähnliche Maßnahmen.
17 Österreich kann dabei dem Niedergangler internationalen Wertmaßstäbe entgegenNirken. Es geht darum, immer wieder auf dieE:inhaltung grundlegender VertragswerkeNie jener der Vereinten Nationen oder desE:uroparates zu drängen.VIag dies oft auch vergeblich sein, wie die Zulahme an Gewaltakten in der Welt zeigt, sonuß dennoch der weiteren Aushöhlung derlölkerrechtlichen Normen Einhalt gebotenNerden.
Weltweite Zusammenarbeit in denVereinten Nationen118 Die Vereinten Nationen sind wahrscheinlich der letzte Ansatz einer weltweiten Ordnungsvorstellung, die auf europäischenGrundwerten aufbaut. Wenngleich sich dieHoffnungen der Gründerzeit nur zum Teil erfüllt haben und die ideellen und rechtlichenGrundlagen der Vereinten Nationen nur beschränkt wirksam geworden sind, so wollenwir dennoch nicht auf sie verzichten. Ihre Bedeutung für die Erhaltung des Friedens, dieAufrechterhaltung eines Mindestmaßes anpolitischen Kontakten auch zwischen verfeindeten Staaten und die oft unbedankt gebliebene Tätigkeit ihrer Nebenorganisationen geben Zeugnis von der Wirksamkeit dieser internationalen Organisationen.119 Aus diesen freiheitsbewußten europäischen Perspektiven muß Österreich ander Wirksamkeit der Vereinten Nationen interessiert sein und zu ihrem Erfolg den größtmöglichen Beitrag leisten. Insbesondere fühlen wir uns verpflichtet, an den friedenserhaltenden Maßnahmen der Vereinten Nationenteilzunehmen und dafür etwa Einheiten desösterreichischen Bundesheeres oder andereHilfskontingente zu entsenden.120 Innerhalb und außerhalb 'der Vereinten~ationen betrachten wir es als AufgabeOsterreichs, der Vorherrschaft der Supermächte mit einer Strategie der kleinerenStaaten entgegenzuwirken. Österreich als immerwährend neutraler Staat ist für eine aktive Rolle in den Vereinten Nationen im Interesse internationaler Zusammenarbeit bestens geeignet und nach freiheitlicher Auffassung dazu moralisch verpflichtet.
Entwicklungshilfe121 Über die menschliche Verpflichtung zurKatastrophenhilfe hinausgehend betrachtenwir Freiheitlichen den Nord-Süd-Konflikt alsein weltpolitisches Problem, das nur durcheine enge Zusammenarbeit zwischen Industrie- und E.l;1twicklungsländern gelöst werden kann. 'Osterreich ist auf Grund seinerNeutralität, aber auch wegen des Fehlenseiner kolonialen Vergangenheit prädestiniert, in strittigen entwicklungspolitischenFragen zwischen den industrialisierten undden entwicklungsfähigen Ländern der dritten Welt zu vermitteln. Die Glaubwürdigkeitdes österreichischen Engagements wird aberauch an der konkret geleisteten Entwick1.1;mgshilfe gemessen. Wir fordern daher, daßOsterreich seine Absicht, 0,7 Prozent desBruttosozialproduktes für Entwicklungshilfeaufzuwenden, ehestmöglich erfüllt. Österreich soll vor allem Bildungshilfe und technische Hilfe leisten.
122 Als Nationale ist für uns das Recht der Völker auf politische und kulturelle Selbstbestimmung von grundlegender Bedeutung.Entwicklungshilfe darf daher nicht zu einerZwangsbeglückung ausarten, sondern hatdie sozialen und kulturellen Gegebenheitendes betreffenden Landes zu berücksichtigen.Entwicklung soll nicht die kulturellen Eigenarten zerstören.
123 Als Liberale sind wir uns dessen bewußt,daß wirtschaftliches Nachhinken - von dennegativen Folgen des Kolonialismus und denUngleichheiten im Welthandel abgesehen in manchen Entwicklungsländern die Folgevon Fehlplanung auf Grund planwirtschaftlicher Ideologien und politischen Versagenseinheimischer Machthaber ist. Die Entwicklungsländer müssen auf die Mobilisierungder eigenen wirtschaftlichen und technischen Kräfte, auf wirksame Geburtenregelung, auf den Kampf gegen Korruption undauf Effizienz der Verwaltung mehr Gewicht
legen. Liberale Ideen sind die wichtigste Hilfe zur Selbsthilfe.
V~rteidi~ungspoUtik als Teil derSlCherheItspolitik124 I?ie..Sicherheit unseres Staates beruht aufdreI Saulen: der aktiven Außenpolitik der inneren Stabilität und der Umfassend~nLandesverteidigung.W~.r Fr~iheitlichenwarnen vor dem Mißverstandms, daß Neutralität sich gewissermaßen von selbst erhalte, getragen bloß vomWohlwollen der Nichtneutralen. Wir wenden~r:s ge~e.n.?~eThese, daß eine gute AußenpolI~~k .mIlItansche Landesverteidigung überflUSSIg machen könne. Wir glauben vielmehrd~ß eine erfolgreiche Außenpolitik aufDaue;mcht ohne den Rückhalt ineiner überzeugenden Landesverteidigung möglich ist.125 Die Zielsetzung der Gewaltfreiheit gilt füruns Freiheitliche grundsätzlich auch in deninternationalen Beziehungen. Solange jedoch keine wirksame internationale Friedensordnung besteht,kann auf die militärischen Anstrengungen als Bestandteil der Sicherheitspolitik nicht verzichtet werden. Dabei geht es nicht allein um die völkerrechtliche Verpflichtung zur bewaffneten Neutralität, sondern um unser Recht auf Verteidigung unserer territorialen uild politischenSouveränität.126 Eine Verteidigungspolitik im Sinne derFreiheit sieht ihr Ziel daher zuallererst in derSi<;herung eines Lebens nach eigenen Wertvorstellungen. Die erfolgreiche Durchführung der durch Bundesverfassung und Landesverteidigungsplan umfassend konzipierten Landesverteidigung, deren tragende Säulen Milizsystem und Raumverteidigung sind,bedarf der Zustimmung und der Mitwirkungaller wesentlichen gesellschaftlichen Kräfte.
Umfassende Landesverteidigung127 Ein Krieg oder auch nur dessen unmittelbar drohende Möglichkeit sowie sich zuspitzende Krisen im Nahbereich stellen eine Extrembelastung für die staatliche Gemeinschaft dar. Dieser umfassenden Bedrohungvon Staat und Gesellschaft ist die Umfassende Landesverteidigung entgegenzusetzen, inderen Rahmen der Widerstand aller gesellschaftlichen Kräfte zu organisieren ist.128 Die Möglichkeit einer raschen Einstellungaufkrisenhafte Entwicklungen muß gegebensein. Dies darf jedoch nicht dazu führen, daßdas gesamte öffentliche Leben außerhalbeiner unmittelbaren Bedrohung von den Anforderungen dieser Ausnahmesituation beherrscht wird.129 Die geringen Erfolge bei den bisherigenVersuchen zur Rüstungsbegrenzung, das Gefühl der existentiellen Gefährdung durch dieHochrüstung der Supermächte, insbesondere durch die Kernwaffen, sowie die Vielzahl~~r bewaff.r:eten Konflikte haben dazu gefuhrt, daß dle Sehnsucht nach Frieden vor allem von der Jugend deutlich ausgedrücktwird. Wir befürworten eine echte Entspannung s~,,:,~~~ine ausgewog~neVerminderungdes milltanschen PotentIals insbesondereder aufEuropa bezogenen Paktsysteme. EineFriedensbewegung, die jedoch die Ideeneine.~ waffenlos~~Friede~s durch einseitigeAbrustung reallsieren WIll, setzt nicht nurFreihe~t und Demokratie aufs Spiel, sondernden Fneden selbst. Wir Freiheitlichen lehnengerade unter dem Eindruck der spannungsvollen internationalen Beziehungen einenAbbau der Verteidigungsbereitschaft ab.
Geistige Landesverteidigung130 Besonderes Augenmerk ist aufdie Integration der Umfassenden Landesverteidigung in
I{u1tur - Bildung - Sport - Medien
alle anderen gesellschaftlichen Bereiche sowie deren Verankerung in der Bevölkerungzu richten. Die Geistige Landesverteidigungist daher mit der Zielsetzung zu verstärken,die Bürger für die wehrhafte Demokratie zugewinnen; dies gilt insbesondere für den Bereich der politischen Bildung an den Schulen.131 Der Anspruch der Gesellschaft aufdie Mitwirkung des einzelnen Bürgers an der gemeinschaftlichen Sicherung von Frieden undFreiheit hat auch für uns Freiheitliche Vorrang vor Einzelinteressen, die mit diesen Zielsetzungen nicht in Einklang zu bringen sind.Das Recht auf Wehrdienstvervveigerung hatausschließlich dazu zu dienen, Bürger, die etwa aus religiösen Gründen - die Anwendung von Waffengewalt auch zur Verteidigung ablehnen, vor schwerer Gewissensnotzu bewahren. Auch die Zivildienstleistendendürfen sich nicht der Notwendigkeit entziehen, im Falle einer kriegerischen Bedrohungihren Solidaritätsbeitrag in den nichtmilitärischen Bereichen der Umfassenden Landesverteidigung zu leisten und sich einer diesbezüglichen Ausbildung zu unterziehen.
Militärische Landesverteidigung132 Wichtigste sicherheitspolitische .Zielsetzung ist es, Q-.ewalt und kriegerische Entwicklungen von Osterreich abzuhalten. Das erfordert, ein für diese Aufgabe ausreichendesVerteidigungspotential aufzubauen.Dem Ausbau der Landwehrorganisation istaus wehrpolitischen und wehrpsychologischen Gründen der Vorrang einzuräumen.133 Wir Freiheitlichen werden besonders darauf achten, daß die Forderung nach einer aufdie spezifisch österreichischen Verhältnisseabgestimmten Landesverteidigung nicht alsRechtfertigung für eine "billige" Landesverteidigung mißverstanden wird. Ein nicht ausreichend bewaffnetes Bundesheer, insbesondere eine unterbewaffnete Landwehr, stelltnicht nur die Erfüllung der Abhaltefunktionin Frage, sondern ist aus moralischen Gründen vor allem gegenüber den Soldaten nichtvertretbar.Da die Abwehrvon Panzern und Luftfahrzeugen nach dem derzeitigen Stand der Technikohne Lenkwaffen kürzerer Reichweite kaumerfolgreich durchführbar ist, ist die Ausstattung des Bundesheeres mit thesen Abwehrsystemen erforderlich.
134 Maßgebend für die Ausgaben am Rüstungssektor ist vor allem deren Beitrag zurAbhaltewirkung, das heißt zur Steigerungder Kampfkraft des Bundesheeres. Die nachmilitärischen Gesichtspunkten festzulegende Ausrüstung des Bundesheeres soll, soweitwirtschaftlich vertretbar, aus heimischer Produktion stammen, damit der hohe Einsatz anFinanzmitteln vorrangig der eigenen Wirtschaft und dem österreichischen Arbeitsmarkt zugute kommt.
135 Deswegen ist die Herstellung jener Rüstungsgüter, die das Bundesheer benötigt, imInland zu fördern. Um eine wirtschaftlich vertrethare Produktion zu erreichen, kann aufeinen Export von Rüstungsgütern unter Einhaltung der gegebener. rechtlichen Schranken nicht verzichtet werden. Aus humanitären Ef\vägungen sind jedoch Waffengeschäfte möglichst auf Staaten einzuschränken, dievergleichbare gesellschaftspolitische Werteverteidigen wie Österreich. Es ist für dieGlaubwürdigkeit einer Friedenspolitik wichtig, den Rüstungsexport unter diesen Aspekten zu kontrollieren.
WirtschaftlicheLandesverteidigung136 Ausreichende wirtschaftliche Vorsorgensind eine weitere Voraussetzung. um kriti-
sehe Phasen der internationalen Entwicklung zu meistern. Die AufgabensteIlung derWirtschaftlichen Landesverteidigung gehtüber die Anlaßfälle der Umfassenden Landesverteidigung hinaus; sie hat auch bloßwirtsc ha ftlic h bedingte Versorgungsstörungen (Mängelkrisen) zu meistern.Diese Vorsorgemaßnahmen sollen das Funktionieren der Wirtschaft auch unter erschwerten Bedingungen ermöglichen, in erster Liniedie Versorgung der Bevölkerung, die Aufrechterhaltung der Produktion und die Dekkung des Bedarfes der Landesverteidigung.
137 Ausreichende Krisenvorräte an Rohstoffen aller Art. vermindern die Auslandsabhängigkeit sowie die Erpreßbarkeit durch Ausnützung dieser Abhängigkeit und liefern soerst die Voraussetzung zur Wahrung derHandlungsfreiheit der staatlichen Organe.Diese ist auch eine wesentliche Bedingungfür neutralitätskonformes Verhalten.Wir Freiheitlichen fordern, daß angesichtsdes Rückstandes an solchen Vorsorgemaßnahmen rasch damit zu beginnen ist, möglichst kurzfristig die Mindestversorgung derBevölkerung mit Nahrungsmitteln und denGütern des täglichen Lebensbedarfes sicherzustellen.
Zivile Landesverteidigung138 Wie für die anderen Bereiche der Umfassenden Landesverteidigung besitzt Öster-
3. Kapitel
Einleitung140 Kultur ist für uns der Ausdruck desMenschlichen in Werk und Lebensordnung.Das kulturelle Handeln des Menschen umfaßt daher nicht nur den engeren Bereich derkünstlerischen Ausdrucksformen, sondernalle Bereiche des menschlichen Lebens.Liberale Kulturpolitik läßt sich deshalb nichtauf Einzelbereiche wie Schulpolitik oderKunstforderung einengen. Sie zielt vielmehrdarauf ab, das schöpferische Potential derGesellschaft zu aktivieren und alle kulturellen und geistigen Ausdrucksformen zu fordern, die dem Ziel der freien geistigen Entfaltung des Einzelnen in einer humanen und demokratischen Gesellschaft dienlich sind.
141 Wir vertreten daher eine Kulturpolitik, diesich nicht auf die Erhaltung bestimmter kultureller Ausdrucksformen beschränkt. Wirwollen eine kulturelle Vielfalt, in der alle gesellschaftlichen Gruppen, ungeachtet ihrerethnischen, religiösen oder weltanschaulichen Herkunft, ihre kulturellen Bedürfnisseungehindert äußern und damit einen Beitragzum kulturellen Gesamtbild leisten können.Wir verstehen kulturellen Pluralismusjedochnicht als Nebeneinander von einander bekämpfenden, sondern als Miteinander voneinander befruchtenden gesellschaftlichenGruppen. Kulturelles Handeln muß daher,soferne es Anspruch auf öffentliche Anerkennung und Förderung, also nicht bloß aufToleranz seitens der Gesellschaft erhebt, grundsätzlich auf ein Ringen um gemeinsameGrundwerte und ein gemeinsames Kulturverständnis gerichtet sein.142 Kulturpolitik kann und soll weder einenbestimmten Kunstbegriff verteidigen nochdas individuelle künstlerische Handeln bestimmten moralischen Anschauungen unterwerfen. Sie hat aber sehr wohl darüber zu entscheiden, ob bestimmte kulturelle Äußerungen in dem ihnen zugedachten Rahmen dem
reich auch auf diesem Sektor im Landesverteidigungsplan eine brauchbare und allgemein anerkannte konzeptive Grundlage, umden Schutz der Zivilbevölkerung, die Funktionsfähigkeit der Behörden, den Sc'hutz derKulturgüter sowie die Aufrechterhaltung desöffentlichen Lebens im Mindestausmaß auchunter den Bedingungen einer Krise odereines Krieges sicherzustellen. Diederzeit bestehenden Vorsorgen für diesen Zweck entsprechen jedoch bei weitem nicht den Erfordernissen. So sind derzeit die im Ernstfalllebensrettenden Schutzraumplätze nur füreinen geringen Teil der Bevölkerung vorhanden.139 Wir Freiheitlichen fordern, daß zunächstmit Konzentration auf die Ballungsräume die Zivilschutzvorsorge beschleunigt betrieben wird. Neben der Schaffung ausreichender gesetzlicher Grundlagen wäre ein Schutzraumbauprogramm, abgestimmt auf die freien Kapazitäten der Bauwirtschaft, vorzusehen, um den Rückstand zu verringern. Breitgestreuter Information und Schulung überZivilschutz kommt große Bedeutung zu.Durch Aufklärung, Zuschüsse und steuerliche Maßnahmen ist die Eigenvorsorge in allen Sparten des Zivilschutzes zu fordern. MitVorrang wäre die Verwirklichung des integrierten Sanitätsdienstes voranzutreiben, daeinzig er den Anforderungen der Sanitätsversorgung von Zivilbevölkerung und Armee ineinem Kriegsfall entspricht.
Selbstverständnis der beteiligten Menschen,der Erweiterung ihres Kulturverständnissesund dem Ziel einer humanen, demokratischen und pluralistischen Gesellschaft fOrderlich sind. Ob die Förderung bestimmterkultureller Vorgänge und Einrichtungen imöffentlichen Interesse liegt, kann nicht vomFörderungsgegenstand her bestimmt werden: Gegenstand der Kulturpolitik sind nichtnur künstlerische Arbeiten und Projekte fürsich gesehen, sondern vielmehr die dadurchausgelösten geistigen Auseinandersetzungen. Der Kulturpolitiker darfdaher nicht darüber befinden, ob das Ergebnis künstlerischer Tätigkeit wertvoll und moralisch richtig sei, sondern nur darüber, ob dadurch Menschen im Sinne der vorhin genannten, allgemeinen kulturpolitischen Zielvorstellungenbereichert werden.
Freiheit der Kunst143 Dem liberalen Denken liegt jedwede Zensur künstlerischen Schaffens fern. Wir überlassen es auch der freien Entscheidung desmündigen Bürgers, mit welchen kulturellenBeiträgen und Ausdrucksformen er sich auseinandersetzen wilLEs kann aber nicht Aufgabe der öffentlichenHand sein, kulturelle Kommunikationsformen zu fOrdern, die bestehende Vorurteilenoch verhärten oder fehlendes Verständnisfür die kulturellen Bedürfnisse anderer nochvergrößernanstatt abzubauen.Der künstlerischen Freiheit sind grundsätzlich keine Grenzen gesetzt, außer wo die erforderliche Kritik und Mündigkeit nicht vorausgesetzt werden kann: also etwa bei Erfordernissen des Jugendschutzes.144 Freiheitliche Kulturpolitik ergreift wedereinseitig Partei für die Hochkultur noch fürdie Volkskultur, weder für experimentellesKulturschaffen noch für reine Traditionspflege. Sie begreift Kulturpolitik als Mittel, dieBürger zu einem vertieften und kritischen
Verständnis des Traditionellen ebenso anzuregen wie zum Bemühen um das Verständnisneuer und fremder kultureller Formen undInhalte.
Kulturforderung145 Die Frage der Förderungswürdigkeit kannweder durch Normenkataloge noch durchExpertenmeinungen festgelegt werden. Sieist vielmehr durch eine ständige demokratische Diskussion immer wieder neu zu beantworten, wobei sowohl die Kunstschaffendenselbst als auch das anteilnehmende Publikum möglichst unmittelbar in die Entscheidungsabläufe eingebunden werden sollen.Dies erfordert eine stärkere Dezentralisierung der Entscheidungen im Bereich der Kulturförderung. Neben der Vergabe von Förderungsmitteln durch die öffentliche Hand soilte in Hinkunft eine verstärkte Tätigkeit privater, durch entsprechende steuerliche Begünstigungen unterstützter Kulturförderungsvereine treten, die im besonderen auf die lokalen Interessen und Bedürfnisse der BürgerRücksicht nehmen könnten.Ein weiterer Schwerpunkt freiheitlicher Initiativen im Kulturbereich liegt in einer Akzentverschiebung der Förderungsform: an'stelle des bisher bevorzugt eingesetzten Mittels öffentlicher Ankäufe sollte die Schaffungund Bereitstellung von Arbeitsmöglichkeiten für Kunstschaffende in den Vordergrundtreten. Steuerliche Anreize sollen das privateMäzenatentum und den privaten Kunstankauf fordern.
Volkskultur und Hochkultur146 Die geistige Leistung der Kulturschaffenden bedarf des ausreichenden gesetzlichenSchutzes der Urheberrechte. Die Gesetzgebung hat in diesem Bereichjedoch darauf Bedacht zu nehmen, daß der Schutz geistigenEigentums nicht zum Hemmschuh für kulturelle Aktivitäten wird, insbesondere wenndiese uneigennützig erbracht werden.Wir nehmen die kulturellen Äußerungen allergesellschaftlicher Gruppen ernst. Die Pflegeder Volkskultur hat daher gleichberechtigtneben die der Hochkultur zu treten. Einewichtige Rolle spielen in diesem Zusammenhang Heimatmuseen und andere dezentraleKulturstätten. Ihnen kommt eine wesentliche Aufgabe für die Erhaltung des kulturellen. Selbstbewußtseins des Volkes zu. Geradeaus dieser Einsicht in die Abhängigkeit lokaler Kulturräume von Veränderungen der Arbeitswelt, der Siedlungsformen, der Industrialisierung und der Produktionsmethodenerwächst das Verständnis für die Notwendigkeit der kritischen Beurteilung derartigerVeränderungen.1-17 Die Geschwindigkeit, mit der sich in unserer schnellebigen Zeit der Wandel, nicht selten aber auch die Zerstörung von Kulturräumen vollzieht, erfordert es, dem Schutz kultureller Lebensräume ein besonderes Augenmerk zu schenken. Wir fordern daher den verstärkten Schutz gefcihrdeter und in ihrer Einmaligkeit erhaltungswürdiger Landschaften,die Errichtung von Nationalparks, die Verhinderung einer weiteren Zersiedlung derLandschaft und klare gesetzliche Grundlagen für den Ortsbild- und Ensembleschutz.
Sprache148 Zu den gefcihrdeten Kulturgütern zähltauch die Sprache, die nur allzuleicht verflachtund verarmt. Sprache ist jedoch das Kulturmittel schlechthin. Ihre präzise Erlernungund Beherrschung stellt daher eine Grundforderung jeglicher Bildungsarbeit dar.Es ist darüber hinaus ein vorrangiges Zielfreiheitlicher Kulturpolitik, den Ausdrucksreichtum der Sprache in allen gesellschaftli-
chen Schichten unseres Volkes zu fOrdern.Wir fühlen uns verpflichtet, zur Bewahrungeinheitlicqer Sprachregeln im gesamtendeutschen Sprachraum beizutragen. Regionale sprachliche Eigenheiten und Dialektestellen für uns ebenfalls wertvolle und unverzichtbare Kulturgüter dar. Ihre Pflege, die wirbejahen und begrüßen, darfjedoch insbesondere im schulischen Bereich die Sorge um dieBeherrschung der deutschen Hochsprachenicht beeinträchtigen.
ReligionH9 Der Liberalismus hat sich in seiner historischen Entwicklung stets gegen weltanschauliche und religiöse Intoleranz gewandt, insbesondere dann, wenn sie von religiösen Institutionen selbst ausgeübt wurde. Wir anerkennen jedoch, daß auch die Religionsgemeinschaften heute der geistigen Eigenständigkeit des Menschen einen höheren Stellenwertzuerkennen als früher.Die liberale Position schließt das Eintretenfür die Glaubensfreiheit und die Freiheit desreligiösen Bekenntnisses ein.Wir anerkennen auch das Recht der Religionsgemeinschaften, zu gesellschaftspolitischen Fragen Stellung zu nehmen, gestehenaber umgekehrt auch allen gesellschaftlichenGruppierungen das Recht zur kritischen Auseinandersetzung mit den Religionsgemeinschaften zu. Eine gemeinsame Sorge bewegtfreisinnige und religiöse Menschen gegenüber dem Wirken militanter Sekten. Diesemißbrauchen die religiös suchende Jugend,indem sie sie in materielle und psychischeAbhängigkeit bringen. Hier bedarf es derSchutzmaßnahmen. Wir halten am Grundsatz der Trennung von Kirche und Staat festund treten für dessen konsequente Verwirklichung ein.
Sport150 Zu den bedeutenden Formen kulturellerTätigkeiten gehören auch Spiel und Sport.Sie dienen nicht nur dem individuellen Vergnügen, sondern leisten auch einen wesentlichen Beitrag zur Volksgesundheit,.zur Festigung des leib-seelischen Gleichgewichtesund zur Weckung von Kreativität. Sport hatauch eine große volkswirtschaftliche Bedeutung.Die Sportförderung hat jedoch darauf Rücksicht zu nehmen, in welchem Ausmaß sportliche Betätigungen diese Zwecke auch tatsächlich erfüllen. Dem Breitensport gebührtVorrang vor dem Spitzensport.
151 Es ist unbestritten, daß Leistungen vonSpitzensportlern auch den weniger ambitionierten Bürger zu sportlicher Betätigung anregen können. Die Sportförderung sollte inverstärktem Maße solche Sportler, Vereineund Verbände fordern, die sich im besonderen einer allgemeinen körperlichen Ertüchtigung widmen und nicht nur auf Höchstleistungen in einzelnen Disziplinen abzielen.Die Förderung von parteipolitisch orientierten Dachverbänden ist durch eine ausschließlich von sachlichen Kriterien bestimmte Neuordnung des Förderungswesenszu ersetzen.
Bildungspolitik152 Kultur umfaßt nicht nur das aktuelle kulturelle Geschehen in der Gesellschaft, sondern Bestände und Veränderungen, die überdie Generationen hinweggreifen. Die Auswahl und Vermittlung jener Bildungsgüter,die in schulischer und häuslicher Erziehungan die nächste Generation vermittelt werden,prägen in erheblichem Maße d.e kulturelleund gesellschaftliche Zukunft unseres Volkes. Bildungspolitik ist daher nach unseremVerständnis angewandte Kulturpolitik.
153 Freiheitliche Bildungspolitik orientiertsich am Leitbild des freien, sachlich und vorurteilsfrei denkenden, selbständig handelnden und der Gemeinschaft verpflichtetenMenschen. Ziel aller Bildungsmaßnahmen istdemnach vor allem:- im einzelnen Menschen das Bewußtsein rur
den Wert der menschlichen Freiheit und dieBereitschaft zu ihrer Bewahrung zu wekken,
- ihm durch ein breites und die Zusammenhänge begreifendes Wissen die Grundlagefür sachliche Entscheidungen zu liefern,
- ihm ein vorurteilsfreies Geschichtsbild zuvermitteln und in ihm das Gefühl der Verantwortung rur seinen angestammten Lebensbereich und für die gesamte Umweltzu wecken,
- durch ausgewogene Schulung seiner körperlichen, geistigen und seelischen Anlagen eine ausgeglichene Persönlichkeit her·anzubilden,
- seine Wachsamkeit gegenüber jeder Verletzung der Freiheit und der Rechte seinerMitmenschen zu stärken und ihn zum aktiven Eintreten für diese Rechte zu begeistern,
- durch fundierte berufsbezogene und lebensnahe Ausbildung die Voraussetzungrur die persönliche Entfaltung des Einzelnen und den Fortbestand der kulturellenund wirtschaftlichen Stabilität des Landeszu schaffen und
- die Bereitschaft des Einzelnen zu lebenslanger und eigenverantwortlicher Weiterbildung zu wecken.
Recht auf Bildung154 Freiheitliche Bildungspolitik lehnt dieAusrichtung des Menschen auf autoritäreund dogmatische Inhalte und Zielsetzungenab. Sie bejaht die Führung insbesondere desheranwachsenden Menschen durch sachlichbegründete, verständnisvolle und verantwortungsbewußte Autorität und die Beeinflussung durch Überzeugung, respektiert aberletztlich die freie Entscheidung und Eigenverantwortung des Einzelnen und lehnt jedeBevormundung ab.155 Ein, an liberalen Grundsätzen orientiertesBildungssystem muß durch Begabungsfindung und Begabungsförderung Entwicklungsmöglichkeiten für jeden nach seiner besonderen Veranlagung schaffen. Wir tretenfür Chancengerechtigkeit ein und fordern einBildungssystem, das auch für individuelleEntfaltungsmöglichkeiten offen ist.
Schulpolitische Grundsätze156 Das öffentliche Schulwesen soll aus freiheitlicher Sicht weder strukturverhärtendnoch gesellschaftsverändernd wirken, sondern es soll Menschen heranbilden, die überihre Zukunft frei und vernünftig zu entscheiden vermögen.Der Staat hat sich somit darauf zu beschränken, die organisatorischen, personellen undfinanziellen Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß das allgemeine und gleiche Recht aufBildung verwirklicht werden kann und daßdie genannten Bildungsziele erreicht werden.Der Initiative von Eltern, Schülern und Lehrern ist bei der Gestaltung des konkretenSchulbetriebes in ausreichendem MaßeSpielraum und Förderung zu geben, insbesondere hat sich die staatliche Kontrolle imBildungssystem auf die Einhaltung dergrundsätzlichen Bildungsziele und der gesetzlichen Rahmenbestimmungen zu beschränken und darf die pädagogische Kreativität und Eigeninitiative weder unterbindennoch einengen. Grundsätzlich treten wir fürden Vorrang der öffentlichen Schulen ein.Aus gutem Grund haben im vorigen J ahrhun·dert die Liberalen gegen den erbitterten Wi-
derstand der Klerikalen die öffentliche Schule erkämpft.157 Wir betrachten jedoch Privatschulen alseine sinnvolle Ergänzung des allgemeinenSchulwesens, die auch dem Elternrecht entgegenkommt. Jeder weltanschaulichenGhettobildung im Schulbereich und jederEntwicklung eines Klassenschulwesens mußaber durch einen gesetzlichen Rahmen begegnet werden.Wir begrüßen jedoch die Befruchtung der bi!dungspolitischen Diskussion durch die Einrichtung von Schulen, die neue pädagogischeModelle praktizieren.158 Den Ausgaben auf dem Bildungssektor istwegen ihrer unmittelbaren Bedeutung fürden kulturellen Bestand des Volkes und ihrerlangfristigen Wirksamkeit auf die Leistungsfahigkeit unserer Wirtschaft ein hoher Stellenwert im Rahmen der staatlichen Budgetpolitik einzuräumen. Im besonderen istdurch eine ausreichende Bereitstellung vonLehrpersonal und durch Schaffung von kleinen Lerngruppen und Klassen eine möglichst intensive und den individuellen Bedürfnissen der Lernenden angepaßte Betreuung zu gewährleisten.159 Durch Bildungsforschung, Bildungsplanung und Bildungsberatung soll möglichstein Gleichgewicht zwischen Ausbildungsangebot und beruflichen Umsetzungsmöglichkeiten hergestellt werden. Die Planung vonBildungseinrichtungen hat sich dabei in erster Linie an den Bedürfnissen der Bildungssuchenden zu orientieren - dabei das Elternrecht zu beachten - und nicht nur an der unmittelbaren ökonomischen Verwertbarkeitder angebotenen Ausbildungsgänge. Diessetzt allerdings voraus, daß aus der Absolvierung bestimmter Bildungsgänge kein Rechtaufangemessene Beschäftigung in einem bestimmten Berufszweig abgeleitet werdenkann.
Familie und Schule16\l Wir geben der Erziehung des Kindes in derFamilie den Vorrang vor der Erziehung durchstaatliche Institutionen. Gleichzeitig billigenwir jedoch jedem Kind das Recht auf einenKindergartenplatz zu .und erachten ausreichende soziale Kontakte als eine wichtige Ergänzung der familiären Erziehung. Besondere Sorgfalt sollte in der vorschulischen Erziehung der Pflege des sprachlichen Ausdruckszugewandt werden, um fUr den späteren Bildungsgang gleiche Startchancen fUr alle Kinder zu erreichen.Untersuchungen zur Feststellung des Entwicklungsstandes sind so rechtzeitig anzusetzen. daß eine entsprechende Förderung vonKindern mit Entwicklungsrückständen nochim Vorschulalter möglich ist. Wirstehen daher der Vorschule fUr schulpflichtige, abernoch nicht schulreife Kinder positiv gegenüber, da sie eine wertvolle Hilfe darstellt, Entwicklungsrückstände schulpfichtiger Kinderauszugleichen. Eine Verpflichtung zum Vorschulbesuch lehnen wir jedoch ab, da der Betreuung im Einzelfall und der Beratung derEltern der Vorzug zu geben ist.161 Die Grundschule soll das Kind nicht nurwissensmäßig aufden weiteren Bildungswegvorbereiten, sondern auch die musischen Fähigkeiten wecken und die körperliche Ertüchtigung berücksichtigen. Besondere Aufmerksamkeit gebührt der Vermittlung vonLerntechriiken und Lernhaltungen.Die Weckung des Selbstbewußtseins und derLeistungsbereitschaft ist in der Weise anzustreben, daß das heranreifende Kind vor Unterforderung ebenso bewahrt wird wie vorübertriebenem Ehrgeiz. In besonderem Maßesind in der Grundschule auch das soziale Lernen, die Erziehung zu Kameradschaft und
Hilfsbereitschaft sowie das VerantwortungsgefUhl gegenüber der Gemeinschaft zu fordern.162 Die hier angefUhrten Erziehungsleitliniengelten grundsätzlich in gleichem Maß auchfUr das lernschwache und behinderte Kind.dessen Bildungsfcihigkeit keineswegs mitseiner intellektuellen Lernfahigkeit gleichgesetzt werden darf. Eine weitgehende Integration von behinderten Kindern in die allgemeinenBildungseinrichtungen erscheint wegen
.der sozialen Lernerfahrung fUr behindertewie gesunde Kinder gleichermaßen wünschenswert und soll daher weder durch bauliche noch durch bürokratische Barrieren eingeengt werden.Eine Betreuung durch eigene Sonderschulenwird in vielen Fällen nicht zu' umgehen sein,doch sollte das Bildungsziel dieser Schulenstets auf eine Integration des behindertenKindes in das allgemeine Schulsystem ausgerichtet sein. Auch den Kindern, deren Betreuung durch eine Sonderschule unumgänglicherscheint, sollte ausreichender Kontakt mitgesunden Kindern ermöglicht werden.
Mittlere und höhere Schulstufe163 In der Stufe der Zehn- bis Vierzehnjährigen erfordert die Vielfalt der Lernziele einSchulsystem, das der unterschiedlichen Begabung, der unterschiedlichen aktuellen Leistungsfahigkeit und der unterschiedlichenLernmotivation der Schüler möglichst gutgerecht wird. Da die aktuelle Leistungsfahigkeit der Schüler gerade in dieser Altersstufenicht stabil ist, ist zwischen den schulorganisatorischen Einrichtungen dieser Stufegrößtmögliche Durchlässigkeit zu gewährleisten.Dies darf jedoch nicht zu einer Gleichschaltung des Bildungsangebotes fUhren. Vielmehr hat die Hauptschule im Sinne einerschul- und schülergerechten Differenzierunginnerhalb einer Klasse durch Grundanforderungen im Lehrplan ein für alle Kinder verpflichtendes Lehrangebot zu bieten unddurch Zusatzanforderungen, die der Leistungsfähigkeit des Schülers entsprechen,jene zu fordern, die Interesse zeigen und aufeinen Ubertritt in eine mittlere und höhereSchule vorbereitet werden sollen.164 Der AHS (achtjährige Langform- undOberstufenformen) ist von Beginn an ein Bildungsziel mit höheren Anforderungen zugrunde zu legen. In der Oberstufe sollte dieTypenvielfalt teilweise durch ein breiteresund frei wählbares Lernangebot innerhalbder einzelnen Schulen ersetzt werden, um instärkerem Ausmaß als bisher den individuellen Gestaltungsmöglichkeiten des einzelnenSchülers Rechnung zu tragen.Die Aufnahme lebenspraktischer Unterrichtsinhalte in den Allgemeinbildenden Höheren Schulen ist ebenso zu fördern wieKombinationen von handwerklicher Ausbildung und erweiterter Allgemeinbildung.Den vielschichtigen Interessen und wirtschaftlichen Bedürfnissen ist durch einenweiteren Ausbau der berufsbildenden mittleren und höheren Schulen einschließlich dervielfaltigen Sonderformen Rechnung zu tragen. Auf ein ausgewogenes Ineinandergreifen von Allgemeinbildung und fachlicher Bildung in Theorie und Praxis ist in den Lehrplänen besonders zu achten. Ein verstärkterAusbau der Aufbaulehrgänge und Kollegs istzu begrüßen.
Berufsbildung165 Wir sehen die berufliche Bildung nicht nurals theoretischen Unterbau einer praktischenAusbildung an, sondern betrachten sie unterdem Gesichtspunkt der umfassenden Bildung. Neben der notwendigen fachlichen Bil-
dung sind daher auch in den beruflichen Bildungsgängen die Vermittlung eines umfassenden Allgemeinwissens, die Motivation zureigenständigen Weiterbildung. eine solidepolitische Bildung und das soziale Lernen gebührend zu berücksichtigen.Um einen hinreichenden Praxisbezug sicherzustellen, ist das Prinzip der dualen Ausbildung der Lehrlinge beizubehalten, jedochdurch eine vermehrte Kontaktnahme zwischen den Ausbildungsträgern, das heißt zwischen den Berufsschulen und den Lehrberechtigten in den Betrieben, zu ergänzen.165 Jeder Beruferfordert in unserer raschlebigen Zeit die Bereitschaft zu ständiger Weiterbildung. Diese Bereitschaft sollte daher in al·len Berufsschichten durch Anregung gefördert und durch wirtschaftliche Anreize begünstigt werden. Darüber hinaus sind die bestehenden Einrichtungen der Erwachsenenbildung so zu fördern, daß sie den Anforderungen einer modernen berufsbegleitendenBildung gerecht werden können. Auch diepädagogische Forschung sollte vermehrt fürdie Erarbeitung von Lernzielen in diesem Bereich herangezogen werden.
Lehrerbildung167 Der Ausbildung der Lehrer kommt eineSchlüsselrolle für das gesamte Bildungsgeschehen zu. Der pädagogischen und psychologischen Ausbildung der Lehrer ist insbesondere in jenen Bereichen verstärkte Aufmerksamkeit zuzuwenden, in denen derzeitdie fachspezifische Ausbildung bei weitemüb~rwiegt.
Die Bestellung von Lehrern und Leitern hatnach objektiven Gesichtspunkten zu erfolgen.168 Den Lehrern ist ausreichend Freiraum beider Gestaltung der Unterrichtsorganisationzuzubilligen. Die Schulen sollten als offeneBildungseinrichtung auch außerhalb des festen Unterrichts ftir die freie lehrende undlernende Betätigung offenstehen (zum Beispiel Ausbau der Schulbibliotheken zu öffentlichen Informationszentren).Lehrer, Schüler und Eltern müssen im Interesse eines optimalen Bildungsklimas eng zusammenarbeiten. Daftir sind im Sinne einerpartnerschaftlichen Zusammenarbeit gutemenschliche Beziehungen wichtiger als formaldemokratische Einrichtungen.
Hochschulen und Universitäten169 Die Universitäten haben die Aufgabe. wissenschaftliche Erkenntnisse vorurteilsfrei zuerarbeiten und weiterzuvermitteln. Sie müssen organisatorisch in die Lage versetzt werden, ihre Doppelfunktion von Forschung undLehre angesichts wachsender Hörerzahlengleichermaßen gerecht zu werden.Dabei ist neben einer hochwertigen Bildungund Ausbildung aller Hochschulabsolventendie Findung und gezielte Förderung von Spitzenbegabungen zu gewährleisten.170 Die akademischen Lehrer müssen vomVerwaltungsballast durch Schaffung einermodernen Verwaltungsstruktur entlastetwerden. Für eine ausreichende hochschuldi(faktische Ausbildung und Weiterbildung derLehrenden ist ebenso Sorge zu tragen wie ftirderen Verpflichtung zu ständiger Weiterbildung.171 Lehrende, Lernende und andere Mitarbeitertragen gemeinsam die Autonomie der Universitäten und Hochschulen. Dazu ist einsachorientiertes, demokratisches Entscheidungssystem erforderlich, das die Mitsprache aller betroffenen Gruppen in den wesentlichen Fragen sichert, sich aber nicht selbstdurch Bürokratisierung der Entscheidungsabläufe lahmlegt. Die Zusammensetzung
und Kompetenz der Entscheidungsgremienmuß den sachlichen AufgabensteIlungenentsprechen (funktionsorientierte Mitbestimmung).172 Zur Förderung der Forschung ist eine engeVerbindung zwischen Universitä.ten undaußerhalb der Universitä.t bestehenden Forschungsstätten, aber auch zur Wirtschaft undzu den sonstigen Anwendungsbereichen notwendig. Der Austausch von Informationenund von Personal zwischen universitärenund außeruniversitären Stätten der Forschung und der Praxis ist zu erleichtern.Die österreichischen Universitäten sollensich an hohen internationalen Leistungsstandards ausrichten. Die wissenschaftliche Verflechtung zwischen In- und Ausland mußauch im personellen Bereich gefOrdert werden.
Erwachsenenbildung und ZweiterBildungsweg173 Da der individuelle Entwicklungsverlaufnicht immer den normierten Bahnen folgt,können lebenslange Bildungs- und Entwicklungschancen nur durch die Einrichtung derErwachsenenbildung und eines Zweiten Bildungsweges gewährleistet werden.Wir begrüßen daher alle Maßnahmen, die esdem Einzelnen ermöglichen, ohne größereberufliche Risken eine begrenzte Zeit seinerpersönlichen Weiterbildung zu widmen.Diesbezügliche Maßnahmen, etwa Bildungsurlaub, müssen jedoch nicht nur die Interessen der Bewerber, sondern auch allfcilligeProbleme der Arbeitgeber berücksichtigen.
174 Über Angebote zum Nachholen versäumter BildungsmQglichkeiten hinaus hat jedochdie Erwachsenenbildung vor allem die Aufgabe, der Fortentwicklung des Bildungsstandes der Gesellschaft schlechthin zu dienen.Um eine möglichst breite Palette beruflicherAnwendungsmöglichkeiten zu gewährleisten, sind die bestehenden Ausbildungsgänge um die Vermittlung entsprechenderSchlüsselfertigkeiten anzureichern. Darüberhinaus müssen die Einrichtungen der Bildungsberatung auf die mit bestimmten Ausbildungsgängen verbundenen Beschäftigungsrisken hinweisen. Aufgabe einer vorausschauenden Bildungsplanung ist es vorallem auch, frühzeitig Ausbildungsmöglichkeiten für zukunftsträchtige Neuentwicklungen zu schaffen. Dies gilt insbesondere rur jene Bereiche, in denen die ökologische Gesamtentwicklung zu einer möglichst raschenAnwendung neuer energie- und rohstoffschonender Produktionsweisen und Technikenzwingt.
:\'Iassenmedien175 Die Massenmedien erfüllen in der Phasedes Übergangs zur Informationsgesellschafteine steigende öffentliche Funktion.Presse- und Medienfreiheit, Infor~nations
freiheit und Meinungsfreiheit sichern dieVielfalt und den Wettbewerb der Meinungenin der freien und offenen Gesellschaft undstellen somit aus liberaler Sicht eine unabdingbare Voraussetzung rur die verantwortliche Willensbildung des aufgeklärten undmündigen Bürgers in der Demokratie dar.Die große Verantwortung, die sich daraus fürdie Medien ergibt, stellt an das Berufsethosder Journalisten besonders hohe Ansprüche.Der Schutz des Bürgers vor einer falschen,ihn persönlich treffenden, verleumderischenBerichterstattung soll verbessert werden.
Zeitungen176 Es muß eine Vielfalt von unabhängigenZeitungen erhalten bleiben. Die Konzentration der größten Zeitungen des Landes in
einer Hand läge nicht im Interesse des freienWettbewerbs und der Meinungsvielfalt. DieVielfalt und Unabhängigkeit- kann nur erreicht werden, wenn die Zeitungen rentabelarbeiten können und in einem fairen Wettbewerb stehen. Da dies ein florierendes Anzeigengeschäft voraussetzt, liegt hier ein starkesMotiv für Konzentrationsbestrebungen vor.Bei zunehmender Konzentration bundesweiter oder regionaler Marktanteile muß eine Beeinträchtigung des freien Wettbewerbs durchwettbewerbssichernde Maßnahmen verhindert werden (zum Beispiel durch gezielterePressefOrderung oder Sonderbestimmungengegen unlauteren Wettbewerb zwischenPresseerzeugnissen).
177 Der österreichische Presserat soll in dieLage versetzt werden, auf Grund nachvollziehbarer Beurteilungskriterien tatsächlichobjektiv vorzugehen. In schweren Fällen unausgewogener Berichterstattung soll derPresserat das Recht erhalten, die Veröffentlichung seiner Rügen in denjeweiligen Medienin angemessener Frist durchzusetzen.In Zusammenhang mit den Grundsätzen derpublizistischen Arbeit ist in Hinkunft insbesondere auf eine strikte Trennung von Berichten und Kommentaren hinzuarbeiten.
Elektronische Medien178 Die FPÖ tritt grundsätzlich rur die Erhaltung des bestehenden öffentlich-rechtlichenRundfunks ein. Seine Leistungs- und Konkurrenzfcihigkeit muß bewahrt werden. Fürden lokalen Bereich soll die Erlaubnis zur Errichtung und zum Betrieb von Hörfunkstationen nur begrenzt und mit Verpflichtung zurObjektivität erteilt werden können.Die· Einführung der Breitbandkommunikation darf nicht zur weiteren Konzentrationvon Medienmacht führen und damit die Freiheit des Bürgers, aus einem vielfaltigen Angebot Informationen auszuwählen, schmälern.
179 Die Aufgaben und die Organisation desKabelfernsehens sind bundesgesetzlieh zuregeln. Dabei ist darauf Bedacht zu nehmen,daß der Programmauftrag (insbesondere derGrundsatz der Objektivität) des ORF und diesich aus dem Rundfunkgesetz ergebendenPflichten sinngemäß auch für Kabelnutzungsgesellschaften zu gelten haben. Die Einhaltung dieser Auflagen ist zu kontrollieren.Die Errichtung und der Betrieb der Kabelnetze einerseits und ihre Nutzung andererseitssind unterschiedlichen. Trägern zuzuordnen.Die Kabelnutzungsgesellschaft soll vor allem
·folgende Aufgaben erfüllen:Die Verteilung der ORF-Programme und jener Programme, die der ORF übernimmt; gegebenenfalls jene Programme, die über Satellitenfernsehen verbreitet werden.Eine weitere Aufgabe des Kabelfernsehenskann darin bestehen, lokale Programme zuverteilen (und gegebenenfalls auch zu produzieren), um insbesondere das lokale Informationsbedürfnis zu befriedigen.Wo lokale Programme durch das Kabel-TVverbreitet werden, kann aus dem lokalen Einzugsbereich das Werbeaufkommen ge-
4. Kapitel
FaDlilieEinleitung184 Die Familie steht organisch zwischen demEinzelnen und der Gesellschaft und ist alswichtigste soziale Gemeinschaft Grundlagedes Staates, sie ist durch keine andere Einrichtung ersetzbar.
schöpft werden. Auch hier haben sinngemäßdie ORF-Besehränkungen zu gelten.180 Satellitenrundfunk eignet sich zur Ausstrahlung der staatlichen und internationalenProgramme, eignet sich auch rur die fernsehmäßige Betreuungjener Gebiete, die mit herkömmlichen Sendern nur mit unvertretbarhohem Aufwand entsprechend versorgt werden könnten. Satellitenrundfunk soll in· öffentlich-rechtlicher Verantwortung betrieben werden.Wir begrüßen die durch den Satellitenrundfunk gegebene Möglichkeit des kulturellenAustausches über die Grenzen hinweg. Dieneuen Medien dürfen aber nicht zu einemVerteilungssystem der ungehemmten Verbreitung ausländischer Billigstproduktionendegenerieren. Möglichem Mißbrauch solldurch internationale Vereinbarungen begegnet werden.181 Eine Fehlentwicklung der Massenkommunikation stellt die Lawine an publizistischminderwertigen Erzeugnissen dar, die sich andie niederen Instinkte der Menschen wendenund daraus Kapital schlagen. Das ist eine Artgeistiger Umweltvergiftung, die durch eineenorme Erziehungsarbeit aufgefangen werden muß. Einen besonderen Verstärkereffektkann man dabei durch die Einführung derHeimelektronik (Bildplatte, Videokassette)beobachten. In dem Zusammenhang müssenvor allem im Hinblick auf die sogenanntenBrutal-Videos die gesetzlichen Bestimmungen verschärft werden.182 Um die Freiheit der Information und Kommunikation im internationalen Rahmen zugewährleisten, aber auch die Überlagerungeinzelstaatlicher Rundfunkstrukture.n durchFremdkommerzialisierung zu verhindern,soll eine europäische Rundfunkordnung erarbeitet werden. Dieses Übereinkommen sollauch Aussagen über die Häufigkeit und Dauer von Werbung sowie Ausschaltung des Einflusses von Werbeträgern auf die Programmgestaltungbeinhalten.
Kultur und Demokratie183 Kultur-, bildungs- und informationspolitische Maßnahmen formen in Summe auch diepolitische Kultur eines Landes. Die Erhaltung des freiheitlich-demokratischen Charakters der politischen Kultur in Österreichliegt uns Freiheitlichen um so mehr am Herzen, als eine durch Gesetzt verordnete Liberalität ein Widerspruch in sich wäre: eine freiheitliche Demokratie verdient diesen Namennur, wenn sie in einem starken Freiheitsbewußtsein ihrer Bürger wurzelt.Freiheitliche Demokratie beruht nicht nurauf Gesetzen und verfassungsmäßig garantierten Rechten, sondern auch im wechselseitigen Vertrauen auf das vernünftige undethisch verantwortliche Handeln des anderen, auch und gerade dort, wo dieses nichtdurch Gesetze zu erzwingen ist.Nicht der durch Gesetz zu ethischem Verhalten gezwungene, sondern der aus freier Verantwortung sittlich handelnde Mensch ist dasLeitbild freiheitlicher Kultur- und Bildungspolitik.
In der Familie erfahrt und erlebt der Menschdie grundlegende Bedeutung von Liebe undWertschätzung, Rücksichtnahme und Hilfeleistung, Freiheit und Verantwortung als notwendige Grundvoraussetzung für zwischenmenschliche Beziehungen, die über materiel-
le Nützlichkeitserwägungen hinausgehen.Weil die Familie den Menschen in unmittelbarer Erfahrung die Wichtigkeit eines aufideellen Werten beruhenden Zusammenlebens lehrt, formt sie ihn auch für die größerenGemeinschaften.
185 Die Familie gleicht durch ihre Privat~ undIntimsphäre die Spannungen gegenüber dengroßen Organisationen der Massengesellscharten aus. Der Staat hat die Familienautonomie zu respektieren. Die Einflußnahmedes Staates hat sich auf die Schaffung undGewährleistung rechtlicher Rahmenbedingungen sowie auf stützende und förderndeMaßnahmen zu beschränken.Ziel freiheitlicher Familienpolitik ist dieSchaffung der sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Voraussetzungen, die ein freiesund selbstverantwortlich gestaltetes Zusammenleben der Menschen in der kleinsten Gemeinschaft ermöglicht.
Frau und l\fann188 Wir bekennen uns zur Gleichberechtigungvon Frau und Mann und zur partnerschaftliehen Beziehung der Geschlechter zueinander.Unser Ziel ist es daher, noch bestehendeNachteile für die Frau in der Politik und Gesellschaft abzubauen und gleiche Möglichkeiten hinsichtlich der Ausbildung, des Berufseintritts und der Aufstiegschancen zuschaffen. Aus freiheitlicher Sicht hat vergleichbare Leistung auch die gleiche materielle Anerkennung und Bewertung nach sichzu ziehen.
187 Die Gleichberechtigung erfordert aberauch die entsprechende AUfgabenteilung imBereich der Familie. Partner sollen gemeinsam entscheiden, wie sie die Aufgaben in Familie und Beruf untereinander verteilen. WirFreiheitlichen wollen anwendbare Alternativen zu dem traditionellen Rollenverständnisermöglichen,Haushaltsführung und Kindererziehung dürfen nicht als untergeordnet betrachtet werden und sind daher gegenüber außerhäuslichen Tätigkeiten als gleichwertige Leistungen anzuerkennen. Aus diesem Grund sindsozial- und steuerpolitische Maßnahmen sozu setzen, daß der Entschluß eines Partners,sich allein dem Hatlshalt und der Kindererziehung zu widmen, für die Familie zu keinem Existenzproblem wird.
188 Trotz ihrer Aufgabenteilung tragen Elternpartnerschaftlieh gemeinsam und in gleichem Maße die Verantwortung für ihre Kinder. Letztlich kann Parnterschaft jedochnicht durch Gesetze verordnet werden, sondern bedarf einer persönlichen Einstellungund Haltung. Wir sehen es daher auch als einewesentliche Erziehungsaufgabe in der Familie sowie in der Schule an, auf dieses partnerschaftliehe Verhalten hinzuwirken.
Lebensgemeinschaft Familie189 Die Familie ist die erste und - in ihrer Erziehungsfunktion - am stärksten prägendeund somit für Gesellschaft und Staat wichtigste Lebensgemeinschaft. Sie hat die Aufgabe,die Persönlichkeit des jungen Menschen zuentwickeln und zu fordern, ihn zu partnerschaftlichem Verhalten zu erziehen und aufdas Zusammenleben in der Gemeinschaftvorzubereiten.190 Wir Freiheitlichen bejahen die Ehe und dieFamilie und geben ihnen den Vorzug vor allen anderen möglichen individuellen Formendes Zusammenlebens. Wir wenden uns abergegen eine Diskriminierung anderer, frei gewählter Formen des Zusammenlebens im allgemeinen Rahmen unserer gesetzlichen Ordnung.
191 Die Zahl jener Menschen, die allein rur einoder mehrere Kinder sorgen, ist groß. Für unsFreiheitlic~e ist es eine Selbstverständlichkeit, sie als Familie anzuerkennen.Es ist uns daher ein besonderes Anliegen, Alleinerzieher vor Benachteiligungen zu schützen und ihnen bei ihren besonderen Problemen zu helfen.
Kind192 Eine Gesellschaft ohne Kinder wäre inhuman, leer und zum Absterben verurteilt. Kinder haben Anspruch aufLiebe, Geborgenheitund Willkommensein. Gewalt als Mittel derErziehung ist abzulehnen. Kinder haben einRecht auf bestmögliche Betreuung, Erziehung und Bildung.Auch die Erziehung der Kinder soll sich ander Idee der Partnerschaft orientieren. Diesezeigt sich in der Mitwirkung der Kinder, Aufgeschlossenheit der Eltern, gegenseitiger Hilfe und gemeinsamer Problemlösungen.193 Die Autonomie der Familie in der Erziehung ist zu respektieren. Dort, wo Familienbei der Erziehung versagen, hat der Staat einzugreifen. Dadurch sollen für alle Kindermöglichst gleiche Chancen für ihre weitereEntwicklung und Bildung gewährleistet werden. Auch das Verhältnis Elternhaus - Schule soll ein partnerschaftliches sein.194 Wir erachten die Einrichtung der Kindergärten als eine wichtige Möglichkeit der Ergänzung zur familiären Erziehung, vor allemhinsichtlich sozialer Kontakte.Ein angemessenes Angebot an Kindergärtenund Kinderheimen ist zu gewährleisten. DieErziehung im Elternhaus kann und darf jedoch dadurch nicht ersetzt werden. Bei fehlendem Elternhaus soll der Pflege und der Erziehung in der weiteren Familie oder in Pflegefamilien der Vorrang eingeräumt werden.Kinderheime sind nach Möglichkeit im Sinneder Kinderdörfer umzugestalten.Beonderer Zuwendung der Gesellschaft bedarf das behinderte Kind. Die Eltern behinderter Kinder sind bei Erziehung und Pflegedurch fOrdernde Maßnahmen und fachgerechte Beratung zu unterstützen.
Familienplanung195 Es ist das Recht der Eltern, die Zahl ihrerKinder selbst zu bestimmen. Dazu bedarf eseines ausreichenden und guten Beratungsan~
gebotes ftir Familienplanung, Schwangerschaftsprobleme sowie Erziehungs- und Partnerschaftsfragen.Vor allem hat die Aufklärung im Elternhausund in der Schule nicht nur körperliche Vorgänge, sondern vermehrt auch seelische undethische Gesichtspunkte zu berücksichtigen.Die natürliche Einstellung zum Geschlechtsleben schließt auch Verantwortung der Partner mit ein. Es ist die Aufgabe der Familienpolitiker, die soziale Notlage schwangererFrauen zu beheben, um Schwangerschaftsabbrüche aus wirtschaftlichen Gründen oderauf Grund sozialer Konfliktsituationen möglichst zu vermeiden.Der Respekt vor dem menschlichen Lebengebietet es auch, den Schwangerschaftsabbruch nicht zum medizinischen Routinefallwerden zu lassen, sondern im Hinblick aufdie Konfliktsituation der Frau zu betrachten.Aus dieser Sicht müssen sich einerseits dieEltern ihrer hohen moralischen Verantwortung be'~vußt sein, andprerseits muß man derFrau, als der am stärksten betroffenen, dieletztendliche Entscheidung zubilligen.196 Die Entwicklung der Medizin hat Möglichkeiten geschaffen, menschliche Ei- und Samenzellen außerhalb eines Körpers künstlichzusammenzuführen und zum Einnisten ineine Gebärmutter zu verbringen (Retortenbaby).
Auf Grund dieser neuen und in Fortentwicklung befindlichen Gegebenheiten könnenkünftig auch Familien entstehen, bei denenMutter- und Vaterschaft nicht mehr mit denherkömmlichen Begriffen einwandfrei zugeordnet werden können. Die geltende Rechtslage ist nicht imstande, befriedigende Lösungen rur die neu entstehenden Rechtsprobleme zu bieten.Wir fordern daher, diese Entwicklung rechtlich zu erfassen und ftir die BetroffenenRechtssicherheit zu s'chaffen, wobei die Interessen des Kindes im Vordergrund zu stehenhaben.
Gewalt in der Familie197 Gewalt in der Familie darf nicht mit demHinweis darauf, sie gehöre zur Privat- und Intimsphäre, tabuisiert werden, sondern mußentsprechend geahndet werden.Das Kind bedarf, um sich zur selbständigenPersönlichkeit entfalten zu können, nebeneiner behutsamen und gewaltfreien Führungauch entsprechender Freiräume. Das ist keinWiderspruch zur Notwendigkeit, auch Disziplin und die Anerkennung der natürlichenAutorität zu erlernen.198 Es sind daher wirksame Vorkehrungen zutreffen, die geeignet sind, Amvendungen vonGewalt gegenüber Partner und Kindern einzudämmen. Vor allem ist es notwendig,durch einen entsprechenden Wandel im gesellschaftlichen Bewußtsein die Empfindsamkeit der Mitmenschen für diese Fragenanzuregen und auf ein angemessenes Verhalten der Behörden hinzuwirken.Dies wird jedoch nur durch eine umfassendeAufklärungsarbeit in der Öffentlichkeit möglich sein, wobei bestehende Einrichtungen,wie die der Familien- und Rechtsberatung,auszuweiten und wirkungsvoller zu gestaltensind.
Steuerrechtliche Stellung derFamilie199 Die derzeit~ge steuerliche Behandlung derFamilie in Osterreich widerspricht demGrundsatz, daß das Steuersystem eine sozialgerechte Verteilung der Steuerlast bewirkensoll. Im Gegensatz zu den meisten anderenStaaten wird die Sorgepflicht für die Familieim österreichischen Steuertarif nicht ausreichend berücksichtigt. Die Familienforderung hauptsächlich p.urch Beihilfen aus demFamilienlastenausgleichsfonds hat deshalbzu ~iner sozialen Benachteiligung der Familiein Osterreich geführt.
200 Die Argumentation, wonach die einkommensschwächsten Familien nur durch Beihilfe, nicht aber durch eine familienfreundliche Gestaltung des Steuertarifes gefordertwerden können, stimmt zwar für diesen Bereich, trägt jedoch der Situation der Familienmittlerer Einkommensschichten in keinerWeise Rechnung. Sie negiert auch den imösterreichischen Rechtssystem bestehendenGrundsatz, wonach jeder nach seiner persönlichen Leistungsfahigkeit zum Unterhalt seiner Kinder beizutragen verpflichtet ist.201 Nach freiheitlicher Auffassung sollen daher bestehende Sorgepflichten für Kinder sowie für den nicht berufstätigen Ehepartnerim Steuertarif als Freibetrag berücksichtigtwerden. Im Zuge der Einführung eines solchermaßen familienfreundlichen Steuertarifs könnten dann die Sozialtransferzahlungen in die Bemessungsgrundlage für die Einkommensteuer einbezogen werden und aufdiese Weise eine unangemessene Bevorzugung von Beziehern hoher Einkommen ausgeglichen werden.202 Wir treten also ftir ein gemischtes Systemdes Familienlastenausgleichs durch steuerta-
rifliche Berücksichtigung und direkte Beihilfen aus einem Fonds ein. Ziel ist die Abgeltung eines wesentlichen Teiles der entsprechenden Kinderkosten.Die bestehenden Heirats- und Geburtenbeihilfen sind in der jetzigen Form nicht immerzielftihrend und daher wahlweise durch zinsenbegünstigte Familiendarlehen zu ergänzen.Die Höhe der Darlehensgewährung und derZinsenzuschüsse hat sich nach den Einkommensverhältnissen zu richten.
Senioren203 Die in der Gegenwart veränderte Lebenssituation des alten Menschen erfordert neueWege zur Bewältigung seiner Probleme. Diese liegen nicht nur in der materiellen Sicherung der Existenz, sondern vor allem auch imseelischen, geistigen und gesundheitlichenBereich.Die älteren Menschen mit ihren wertvollenLebenserfahrungen, oft beachtlicher Leistungsbereitschaft und dem Wunsch nacheinem aktiven, erfüllenden Alter in Würdedürfen nicht aus dem gesellschaftlichen Leben gedrängt werden. Auch hier sind eigeneInitiativen und gemeinschaftliche Selbsthilfemaßnahmen förderungswürdig.Der Weg ins Altersheim soll nicht die Regel,sondern die Ausnahme bilden.
204 Freiheitliche Seniorenpolitik zielt auf soziale Mitspracherechte und Mitgestaltungsmöglichkeiten der älteren Menschen ab.Die Förd~rung ihrer Aktivitäten soll sich aufdie ganze Vielfalt der Lebensbereiche erstrecken.Alter ist keine Krankheit, doch haben bei alternden Mitbürgern Krankheiten, Behinderung oder Pflegebedürftigkeit eine größereBedeutung. Darauf ist im besonderen inKrankenhäusern, Altenheimen und Pflegeanstalten Bedacht zu nehmen. Dies betrifftvor allem eine bessere Ausbildung von Ärzten und Pflegepersonal nach den Erkenntnissen von Geriatrie beziehungsweise Gerontologie und hinsichtlich der Psychologie des Alters. Ärztliche Soforthilfe ist sicherzustellen.
JugendDer Jugend gilt unser besonderes Augen
merk. An ihr liegt es, daß auch in der Zukunftunser Volks- und Kulturleben erhalten bleibtsowie die gesellschaftlichen, sozialen undwirtschaftlichen Errungenschaften ausgebaut werden.Die Bewältigung dieser Aufgaben erforderteine gut ausgebildete und leistungsbewußteJugend. Die Jugend bedarf unseres gelebtenVorbildes und eines besonderen Schutzes.Freiheitliche Jugendpolitik will durch ausgewogene Schulung der körperlichen, geistigenund seelischen Anlagen der Jugendlichenund durch persönliches Vorleben der Erwachsenen ausgeglichene Persönlichkeitenheranbilden, die wachsam auf jede Verletzung der Freiheit reagieren und aktiv für deren Erhaltung eintreten.Es ist Aufgabe verantwortungsbewußter Politik, die Jugendlichen vor Alkohol-, Nikotinund Drogenmißbrauch zu beschützen. Ebenso kommt es uns zu, die Jugend vor jenen Depressionen, die Arbeitslosig.keit, Chancenlosigkeit sowie existentielle Angste und Nötemit sich bringen, zu bewahren. Jugendarbeitslosigkeit ist mit allen zu Gebote stehenden Mitteln zu bekämpfen.Das Ziel freiheitlicher Jugendpolitik ist deraufgeklärte, unabhängige und mündigeStaatsbürger, ausgestattet mit all jenenKenntnissen und Fähigkeiten, die notwendigsind, um in unserer vielgestaltigen Gesellschaft als freier Mensch bestehen zu können.
Familienfreundliche Gesellschaft206 Der Aufbau eines familienfreundlichenKlimas in unserer Gesellschaft soll durcheine Fülle konkreter Maßnahmen gefOrdertwerden, die über rein wirtschaftliche undrechtliche hinausgehen. Auf familienfeindliche Entwicklung muß rascher reagiert werden.Familiengerechte Wohnungen sind ein wesentlicher Bestandteil freiheitlicher Wohnungspolitik.Die zukünftigen Veränderungen in der Arbeitswelt sollen auch die schwierige Lage be-
5. Kapitel
WohnenEinleitung207 Wohnen ist ein Wesensmerkmal der jeweiligen Kultur der Menschen und gibt die Möglichkeit, Lebensgefühl und Gemeinschaftsempfinden widerzuspiegeln. Aus freiheitlicher Sicht hat Wohnen daher zu entsprechen:- der Forderung nach Individualität,- der Wertschätzung der Familie,- der Möglichkeit der freiwilligen Einord-nung in größere, aber noch überschaubareEinheiten.Aus der Überzeugung, daß dem Einzelnen diefreie Wahl seiner Lebensform zusteht, erachten wir die freien Gestaltungsmöglichkeitenauch im Wohnbereich als gesellschaftspolitisches Anliegen. Wohnen und Heimatgefühlstehen in einer engen Wechselbeziehung. Daspositive Erlebnis der engeren Heimat bildetdie Brücke zu einem umfassenderen Heimatempfinden.208 Das Begreifen und Gestalten der "primären Umwelt" ist ein wesentlicher Faktor fürdie persönliche Ordnung einer sozialen Umwelt. Als "Bewohner von Umraum" wird derMensch zum Gestalter seiner unmittelbarenBegegnungsräume mit seinen Mitmenschen.Je weiter er dieses mitmenschliche Erlebnisvon innen nach außen in seinem Umraumumsetzen kann, um so mehr kann Wohnenauch Ausdruck einer Kulturepoche werden.Wohnkultur soll mehr als nur das Besitzeneiner Unterkunft als Schutz gegen Witterungsunbilden sein. Sie ist dann gewährleistet, wenn wesentliche Bedürfnisse des Menschen in seinem Wohnbereich erftillbar sind:Erholung und Selbstbesinnung, Entspannung und Unterhaltung, Gemeinschaftserlebnis und Intimität oder auch häuslicher Arbeitsplatz und Stätte freien Schaffens.
Eigentum - Miete - SozialerWohnbau209 Vorrang hat die Bildung von privatem Eigentum an Wohnraum. Dabei kommen Einfamilienhäuser und die verschiedenen Formendes verdichteten Flachbaus (Reihenhäuser,Terrassenwohnungen und dgl.) den Bedürfnissen der Menschen am stärksten entgegen,stoßen freilich an die Grenzen der persönlichen Finanzierbarkeit und des Landschaftsschutzes (Stadtplanung).Es sind daher verstärkt Wohnbauformen zuentwickeln und zu fordern, die dem erforderlichen Komprorniß zwischen persönlichenBedürfnissen und sozialen' Randbedingungen Rechnung tragen.210 Unser Bekenntnis zu privatem Wohnungseigentum bedingt aber auch die Forderungnach einer leistungsgerechten Mietzinsbildung. Auch im Wohnbereich kar.n auf einenfunktionierenden Markt nicht verzichtet werden. Die dogmatische Behauptung, wonach
rufstätiger Mütter verbessern helfen. Zu diesem Zweck sind die Möglichkeiten in Richtung Teilzeitbeschäftigung und flexibler Arbeitszeit für Mann und Frau auszuweiten.
Eine solche breite Palette familienfördernderMaßnahmen kann jene positive Einstellungzum Leben mit Familie und Kindern in derGesellschaft fordern, die ein sinnvolles Zusammenleben aller Generationen ermöglicht.Unser politisches Handeln enthält erst dortseinen wirklichen Sinn, wo es sich nicht mehrallein au f unsere eigene Generation, sondernauf die Zukunft unserer Kinder bezieht.
die Wohnung keine Ware sei, wurde durch dieRealität längst widerlegt. Wir wollen einenWohnungsmarkt im Rahmen sozialer Vorgaben.211 Wohnbau und Wohnformen sind ein sozialer Auftrag. Da die Wohnform einen wesentlichen Einfluß auf das Verhalten in der Gemeinschaft hat, muß ein sozial verantwortlicher Staat auch den einkommensschwächeren Schichten den Zugang zu Wohnformenermöglichen, die dem grundsätzlichen Anspruch auf Lebensqualität entsprechen. Dieser soziale Auftrag darf nicht durch generelleUmverteilung erfüllt werden, sondern inForm eines subsidiär wirkenden Sozialsystems.
Finanzierungsmöglichkeiten212 Für die Bauwirtschaft stellen sich aufGrund geänderter Anforderungen neue Aufgaben, die ihr trotz ihres stagnierenden Anteiles an der Gesamtwirtschaft netle Märkte eröffnen:- An Stelle des quantitativen Wohnbaues vermehrt der qualitativ hochwertige Wohnbau.- Notwendige Investitionen im Zusammenhang mit dem Umweltschutz.- Der Ausbau der Energie- und Infrastruktur.- Ausgestaltung des Verkehrsnetzes.- Stadterneuerung.- Sinnvolle Revitalisierung nur im Zusam-menhang mit funktionierender Infrastruktur.- Bauten rur den Zivilschutz.- Komfort- und Fremdenverkehrsbedürfnis-se.213 Angesichts dieses geänderten Baubedarfswird es klar, daß die öffentliche Hand zur Bereitstellung der Finanzierungsmittel weitüberfordert wäre, wenn man auf sie allein zurückgreifen müßte. Es bedarfdaher einer wesentlich stärkeren Mobilisierung von privaterInitiative und privaten Kapitaleinsatzes.Wichtig erscheint in diesem Zusammenhang:- Die Diskriminierung der Kapitalgesellschaften durch die gegebene Doppelbesteuerung muß beseitigt werden.
Sonderaktionen, wie zum Beispiel Sonderwohnbauprogramme, Sonderkreditaktionenoder gezielte Anleihen mit Sonderkonditionen, müssen verstärkt unterstützt und weitergeführt werden.- Im Interesse einer Weiterentwicklung desBausparens fordern wir einen verstärktenEinsatz des sich hier bietenden Instrumentariums (Valorisierung der Bemessungsgrundlage, neue Bausparvarianten mit verlängerterAnsparzeit, eine Erhöhung der Prämie oderauch eine Zinsstützung bei Zwischenkrediten).- Die gesamte Wohnbauförderung muß vonder Objektförderung auf die Subjektförderung umgestellt werden. Dabei sind steuerliche Begleitmaßnahmen, wie vermehrte Ab-
schreibungsmöglichkeiten und Maßnahmenim Bereich der Sonderausgaben notwendig,wobei aus liberaler Sicht unterSubjektfOrderung die direkte Förderung eines Wohnwerbers zu verstehen ist, also ohne Einschaltungvon geforderten Bauträgerorganisationen,wie zum Beispiel Genossenschaften.
214 Mit dem Übergang von der Objektforderung auf die Subjektforderung würde sichauch die Aufgabe der Wohnbaugenossenschaften dahingehend el].tscheidend verändern, daß sie nicht mehr fUr die Weitergabeund Verrechnung von Förderungsmitteln zuständig sind, sondern sich auf die Aufgabeneiner rationellen Abwicklung gemeinsamerBauvorhaben konzentrieren müssen. Dieserationelle Abwicklung schließt auch dieKombination von sozialem Wohnbau und freifinanzierten Projekten mit ein.Die derzeit übliche Definition von SubjektfOrderung allein als nachträgliche Unterstützung an solche Besitzer von Sozialwohnun~gen, denen die alleinige Aufbringung der Finanzierungskosten nicht zugemutet werdenkann, ist zu einseitig gesehen. Allein diesereinseitig verstandenen Subjektförderung folgend, entsteht die Gefahr einer zunehmendenUmschichtung von Wohnbauforderungsmitteln in Mittel einer rein sozialen UnterstütZurlg. Das entspräche nicht der von uns geforderten Subjektforderung.
Gesundes Wohnen215 Gesundes Wohnen erfordert die Anwendung medizinischer, psychologischer, soziologischer und naturwissenschaftlicher Erkenntnisse über die Auswirkungen von Baustoffen und Bauformen auf den Menschen.Besonders wichtig ist auch die Beachtungdes Lärmschutzes. Um den Anforderungendes körperlichen und seelischen Wohlbefindens zu entsprechen, wird es notwendig sein,daß dem Bewohner seiner zukünftigen Umwelt - seines Umraumes - vermehrte Mitgestaltungs- und Mitwirkungsrechte zugestanden werden.Gesundes Bauen bedeutet auch Besinnungauf das me!:1schliche Maß (zum Beispiel Bauhöhe), die Uberschaubarkeit und die Absagean Gigantomanie und Anonymität.
216 Im Wohnbau dürfen nur solche Materialien eingesetzt werden, bei denen gesundheitliche Schäden (auch Langzeitwirkungen) aufGrund eingehender Untersuchungen undausreichender Erfahrungen auszuschließensind. Neue Baustoffe und Bauweisen könnendurchaus einen wichtigen Fortschritt darstellen, sollen aber erst nach ausreichender baubiologischer Prüfung und Erfahrung fUr einebreitere Verwendung freigegeben werden.Wirtschaftliche Verbesserungen dürfen nichtaufKosten einer möglichen gesundheitlichenSchädigung überhastet eingesetzt werden(Vorsichtsgrundsatz).
Wohnen und Energie217 In der jüngeren Vergangenheit haben diemodernen Bauweisen zu einem überhöhtenEnergiebedarf fUr die Raumheizung geftihrt.Durch geeignete technische Maßnahmenmuß der spezifische EnergiebedarffUr Raumheizung deutlich gesenkt werden (Energiesparen): Dadurch dürfen jedoch nicht gesundheitliche Beeinträchtigungen oder empfindliche Komfortverluste herbeigefUhrtwerden.Bei den Energieträgern sollen jene bevorzugteingesetzt werden, die im Niedertemperaturbereich optimal verwendet werden können(Biomasse, Sonnenenergie, Wärmepumpen,Fernwärme und dgl.). Hochwertige leistungsgebundene Energieträger (Strom, Gas) sollenbevorzugt den städtischen Ballungszentrenvorbehalten werden. Die Architektur soll sich
verstärkt den neuen Möglichkeiten der aktiven und passiven Nutzung der Sonnenenergie zuwenden.In Wohngebieten hat die Bevölkerung Anspruch auf angemessenen Schutz vor Immissionen, die durch falsche Heizungen, übermäßiges Verkehrsaufkommen, umweltbelastende Industrien oder öffentliche Einrichtungen entstehen.
Sanierung alten Baubestandes218.Wir befürworten die Revitalisierung vongewachsenen, aber überalterten Strukturenanstatt der Entwicklung von "Reißbrettstadtteilen". Die Erhaltung einer heute nicht mehrherstellbaren wertvollen& Bausubstanz istnicht nur ein kulturelles Anliegen, sondernauch ein Anliegen, das infrastrukturelle Bedeutung hat. Es gilt, über das kulturelle Anliegen hinaus, traditionelle Siedlungsgebietemit wieder funktionierenden Infrastrukturenherzustellen, was gleichbedeutend mit einerAbsage an künstliche Prestigeobjekte ist.Durch sinnvolle ZusammenfUhrung vonNeubauzonen und revitalisierten Stadtteilenbeziehungsweise Ortsteilen soll ein harmonisches Ortsbild geschaffen werden. DieSanierung überalterter Ortsbilder und Stadtviertelerfordert die Schaffung einheitlicher gesetzlicher Grundlagen mit dem Ziel eines möglichst geringen Verwaltungsaufwandes.
219 Mietrechts- und Eigentumsbeschränkungen hatten in den letzten Jahrzehnten vor allem in den städtischen Ballungszentren denEinsatz privaten Kapitals fUr eine lebenswerte Stadtgestaltung verhindert. Dieser Umstand und die Unwirtlichkeit dieser Städtehat zu einer Art Stadtflucht geführt, die einestärkere Bewegung in Richtung Zweitwohnsitz am Lande bewirkt hat. Diese Fehlentwicklung gilt es zu korrigieren.Die zukünftige Entwicklung sollte zu einemausgewogenen Verhältnis fUhren, das denMenschen ermöglicht, in lebenswerten Ballungszentren zu wohnen und den ländlichenRaum mit seinem Erholungswert zu nutzen,ohne ihn unnötig zu zersiedeln.
220 Auch bei einer Verbesserung des Wohnungsstandards in der Stadt wird es vielfachden Wunsch nach einem Zweitwohnsitz imländlichen Raum geben. Diesem Bedürfnisist auch im Sinne der von uns bejahten per-
6. Kapitel
ArbeitsweltEinleitung223 Die Arbeitswelt verändert sich. Das betrifft sowohl die äußeren Erscheinungsformen des Arbeitens wie auch die Einstellungder Menschen zur Arbeit an sich.Freiheitliche Politik will die im Gange befindliche Entwicklung so gestalten, daß dieArbeitswelt der Zukunft liberaler wird alsderzeit gegeben.
Nach unserer Auffassung ist Arbeit nicht nurein Produktionsfaktor in der Wirtschaft. Arbeiten ist mehr als bloß die bezahlte Teilnahme am Erwer,psleben in unserer hochgradigarbeitsteilig organisierten Wirtschaft. Arbeitist auch mehr als die Tätigkeit fUr Zwecke dereigenen wirtschafWchen Selbstversorgung.Arbeit als eine Außerung menschlicherSchaffenskraft ist Teil unseres ganzen Lebens. In der Freude an der eigenen ArlYeitliegt einer der Schlüssel fUr ein zufriedenesLeben.
sönlichen Gestaltung der Wohnformen Rechnung zu tragen.Wir erachten es als eine Aufgabe der Raumordnung, die Schaffung von Zweitwohnsitzen ohne Beeinträchtigung gewachsenerländlicher Siedlungsstrukturen zu regeln.Insbesondere bieten sich dafUr geographische Räume an, die von Landflucht wirtschaftlichem Niedergang und Entsiectelungbedroht sind. Diesen Räumen soll durch gezielte Siedlungspolitik geholfen werden.
Wohnen und Straße221 Die starke Ausweitung und Belastung desStraßennetzes als Folge der Massenmotorisierung hat einen ernsten Konflikt zwischenVerkehrsbedürfnissen einerseits und Wohnqualität andererseits entstehen lassen. DieBeeinträchtigung des Wohnens durch Verkehrslärm und Schadstoffe aus Abgasen undAbrieb betrifft städtische Wohnviertel ebenso wie ländliche Wohngebiete an Durchzugsstraßen, insbesondere in Tälern mit gebündelten Verkehrssträngen. Dieser Konfliktmuß gelöst werden.Wir verlangen systematische Maßnahmen zurWiedererlangung und Bewahrung der Wohnqualität in stark verkehrsbelasteten Bereichen. Wo überall möglich, sollen Wohnviertelvom motorisierten Verkehr freigehalten oderdieser zumindest zeitlich beschränkt unddurch Geschwindigkeitsbegrenzungen beruhigt werden.222 Der Lärmschutz entlang der Durchzugsstraßen ist weitestgehend auszubauen. Dabeisollen aber nicht bloß technisch zweckmäßige, sondern auch architektonisch schöne undmöglichst mit Grünanlagen ausgestattete Lösungen gewählt werden. Aus der verkehrstechnischen Einrichtung Straßennetz sollnach und nach so etwas wie eine humaneStraßenlandschaft gestaltet werden.Daneben sind alle technIschen Möglichkeiten zu nützen, um durch Verbesserungen derStraßenbeläge und der Verkehrsmittel selbstdie Entstehung von Lärm und Schadstoffenzu verringern. Auch die Gestaltungsmöglichkeiten der Verkehrsordnung in Verbindungzum Beispiel mit Ampeln, elektronischenLeithilfen und gleichmäßiger Steuerung desVerkehrsflu~ses sind in den Dienst desKampfes gegen Verkehrsbelästigungen zustellen. Wohnqualität hat Vorrang gegenüberungebremster Verkehrsentwicklung.
224 Arbeit ist nicht gleich Arbeit. Sie kann körperlich oder geistig geleistet werden, kannschwer oder leicht sein, kann unter angenehmen oder unangenehmen und sogar gefährli·chen Bedingungen stattfinden. Selbst äußerlich gleiche Arbeit kann auf Grund innererGegebenheiten unterschiedlich als Last oderals Freude empfunden werden. Arbeit istauch ein wichtiges Element sozialer Beziehungen.Wir wollen die Entwicklung in Richtung weiterer Vermenschlichung der Arbeit vorantreiben. Die Arbeit soll im Rahmen des durch dieDaseinserfordernisse bedingt Möglichenmehr und mehr zu einer aus freien Stückenausgeübten Tätigkeit schaffensfreudigerMenschen werden.
Erwerbstätigkeit225 Soweit das Arbeiten rein wirtschaftlichenZwecken dient, findet es hauptsächlich imRahmen der arbeitsteilig organisierten Wirt-
schaft gegen Bezahlung statt. Das gilt für denselbständig wie unselbständig Tätigen. Arbeitgeber wie Arbeitnehmer sind dem Marktunterworfen, natürlich unter Reachtung dersozialen Rahmenbedingungen.Doch gibt es wieder zunehmend auf Wirtschaftserfolg abzielende Arbeit auch außerhalb der arbeitsteiligen Geldwirtschaft. Dazuzählen Selbstversorgung in Landwirtschaft,Gewerbe und Haushalt ebenso wie Eigenarbeit aller Art (00 it yourself) und Nachbarschaftshilfe.
226 Weil der Ersatz menschlicher Arbeitskraftin der arbeitsteiligen Wirtschaft durch weitere Technisierung (Roboter, Computer, aktiveInformationsverbundsysteme) fortschreitet,wird der Bereich der Eigenarbeit im weitesten Sinne wachsen. In ihm werden sich wirtschaftliche und nichtwirtschaftliche Motivefür das Arbeiten vermengen.Wir Freiheitlichen sehen diese Entwicklungpositiv, denn sie bringt mehr Freiheitselemente in das Arbeitsleben. Die Fortentwicklung des Wirtschafts- und Arbeitsrechtes sollauf diese Entwicklung Bedacht nehmen. Zustarre Arbeitsschemata behindern sie undsind daher flexibler zu gestalten.227 Die derzeit herrschende Auffassung,. alleim Wirtschaftsleben Tätigen seien nur entweder der Gruppe der Arbeitgeber oder der derArbeitnehmer zuzuordnen, wird der Realitätnicht mehr gerecht.Mehr und mehr Menschen sind zu unterschiedlichen Zeiten ihrer Arbeitsperiodewechselnd Arbeitnehmer oder Arbeitgeber,Selbstversorger oder Eigenarbeiter oder freiwillige Helfer in einer Person. Es wird füreinen Teil der Tätigkeiten Geldeinkommengegeben, für einen anderen Naturalien oderGegenleistungen, ein Teil wird ehrenamtlichsein. Auch der "Arbeitsplatz" wird in vielenFällen nicht mehr streng ortsgebunden sein,neue Formen der Heimarbeit (zum BeispielTerminals) erscheinen möglich.Wir wollen, daß die Wirtschafts- und Sozialpolitik diesen Auffacherungen in der Arbeitswelt Rechnung trägt, ohne daß dadurch dernotwendige Schutz· sozial Schwacher vernachlässigt wird.
228 Ergänzend Z\.l den herkömmlichen FreienBerufen werden auch neue Freie Berufe entstehen. Die Sicherung der bestehenden unddie Bildung neuer Freier Berufe erachten wirals eine wichtige gesellschaftspolitische Aufgabe.
Arbeitszeit
Wir gehen davon aus, daß alle heute erkennbaren Entwicklungen zu einer Verkürzung jener Zeiten führen wird, die die Menschen im arbeitsteiligen Arbeitsprozeß verbringen. Die mögliche Arbeitszeitverkürzungbetrachten wir ganzheitlich als Lebensarbeitszeit mit den inbegriffenen Perioden derJ ahres- und Wochenarbeitszeiten.Vorrang hat nach freiheitlicher Auffassungeine behutsame Verkürzung der Lebensarbeitszeit. Damit meinen wir aber nicht einEinstellen allerTätigkeiten nach Beendi.gungdes Erv;erbslebens. Auch gleitender Ubergang in den Ruhestand ist sinnvoll.Im weiteren halten wir eine Verkürzung derJahresarbeitszeit für erstrebenswerter als dieder Wochenarbeitszeit. Aus Gründen der Gesundheit und persönlicher Lebensgestaltungsollen längere, auch mehrfach geteilte Urlaube im Jahr ermöglicht werden. Die Entwicklung für besondere Urlaube zwischen mehrjährigen Arbeitsperioden sollte als Möglichkeit offen bleiben.230 Hinsichtlich der Wochenarbeitszeit, die imZuge der Entwicklung auch verkürzt werdenwird, lehnen wir die Festlegung auf eine be-
stimmte allgemein verbindliche Stundenanzahl ab. Ausgehend von der Erkenntnis, daßArbeit nicht gleich Arbeit ist, sehen wir keineNotwendigkeit, allen Menschen eine gleichlange Arbeitszeit vorzuschreiben.Weitere mögliche Verkürzungen der Wochenarbeitszeit, aber auch Überschreitungen imRahmen einer flexiblen Zeitverrechnung sollen· vertraglichen Vereinbarungen zwischenden Sozialpartnern branchenweise und inden Betrieben überlassen bleiben. Ebensodie zeitliche Teilung von Arbeitsplätzen (Jobsharing) sowie Teilzeitbeschäftigung.231 Wir treten für frei vereinbarte Arbeitszeitverkürzungen unter Berücksichtigung derwirtschaftlichen Möglichkeiten bei möglichst großer Flexibilität ohne gesetzlichenZwang, aber verbunden mit sozial schützenden Rahmenbedingungen ein.
Entlohnung232 Insoweit Arbeit im arbeitsteiligen Wirtschaftsprozeß geleistet wird, unterliegt ihreEntlohnung grundsätzlich den Regeln desMarktes. Die Entlohnung soll möglichst gerecht der erb~'achtenLeistung entsprechen.Da wir von einem sozial gestalteten und vorMachtmißbräuchen geschützten Marktgeschehen ausgehen, bejahen wir Schutzbestimmungen und Mindesttarife.Die Tarifautonomie der verschiedenen Kollektivvertragspartner bleibt grundsätzlichunbestritten. Bei zunehmender Machtfülleder Beteiligten muß sie ihre Grenzen an übergeordneten Interessen der Volkswirtschaftfinden. Freiheitliche Politik erstrebt jenesKräftegleichgewicht, das der sozialen Gerechtigkeit wie dem Gesamtwohl in der konkreten Situation bestmöglich entspricht.233 Die Fiskalpolitik hat ihre Verantwortungfür eine durch sie drohende Überteuerungder Arbeitskosten zu erkennen. Die bereitshohen Lohnnebenkosten als etne Folge derHeranziehung des Lohnes als Bemessungs~
grundlage für verschiedenste Abgaben müssen zurückgeschraubt werden.Grundsätzlich ist für gleiche Arbeit gleicherLohn zu bezahlen. Die diesbezüglich immernoch bestehende Diskriminierung der Frauen muß abgebaut werden. Überholte Schutzbestimmungen sollen neu überdacht werden.234 Wir befürworten aufGrund des Leistungsprinzips auch Entlohnungssysteme mit erfolgsabhängigen Lohnteilen, wobei auchneue Modelle unvoreingenommen erprobtwerden sollen. Ertragsbeteiligungs- und Vermögensbeteiligungssysteme sollen die Möglichkeiten der Beteiligung von Arbeitnehmern an Betrieben erweitern. Für derartigeBeteiligungen hat die Wirtschaftspolitik dienoch unzureichenden steuer- unq. gesellschaftsrechtlicheI). Voraussetzungen zu verbessern. Insbesondere darf der Status als Arbeitnehmer nicht infolge einer Kapitalbeteiligung in Frage gestellt werden.
235 Die sozialen Rechte der Arbeitnehmer sindteils an die im Leben schon erbrachten Arbeitsjahre, teils an die Jahre der Betriebszugehörigkeit gebunden. Ein Überwiegen derzweiten Kategorie kann zur Behinderungeines volkswirtschaftlich an sich erwünschten Arbeitsplatzv,rechsels führen. Unter die·sem Gesichtspunkt soll die Bindung der sozialen Rechte neu durchdacht werden (Urlaub, Abfertigung, Kündigung usw.). Dabeisollte erleichterte Mobilität angestrebt werden, ohne den Gedanken einer positiven Bewertung der Betriebstreue aufzugeben.
l\titbestimmung
235 Überall, wo Herrschaft VO,1 Menschenüber Menschen, wie auch in den Organisationsgebilden der Arbeitswelt. unvermeid-
lich ist, bedarf es der Mitbestimmung alseines Korrektivs zur Fremdbestimmung. Mitbestimmung bezweckt aus freiheitlicherSicht den Spannungsausgleich zwischendem Streben nach persönlicher Freiheit undden sachlichen Erfordernissen oft kompli.ziert organisierter Gruppen, die gemeinsambestimmten Aufgaben zu dienen haben.Mitbestimmung bezweckt Vermenschli·chung der Arbeitswelt in einer partnerschaftlichen Gesinnung.Mitbestimmung zieht Mitverantwortungnach sich und muß daher in einem aufgabengerechten Stufenbau differenziert entwickeltwerden.237 Die innerbetriebliche Mitbestimmung beginnt am Arbeitsplatz und führt über die Arbeitsgruppe bis zu gewählten Belegschaftsvertretern in den Aufsichtsorganen größererUnternehmungen. Die Grenzen dmser Mitbestimmung im Betrieb liegen dort, wo durchweitere Ausdehnung die den Eigentümernund ihren Organen letztlich zukommendeausschlaggebende Entscheidungsbefugnisde facto entzogen würde.Wir Freiheitlichen wollen, daß bei der Weiterentwicklung betrieblicher Mitbestimmungsmodelle auch die Gruppe der leitenden Angestellten Berücksichtigung findet.Zu den Mitbestimmungsmodellen gehörenauch die Produktionsgenossenschaften. Wirerachten sie als wertvoll, wenn sie aus freienStücken entstehen und aus eigener Kraft amMarkt erfolgreich bestehen können.
238 Die überbetriebliche Mitbestimmung sollallen am Wirtschaftsleben teilnehmenden Berufsgruppen eine Mitwirkung bei allen wirt·schafts- und sozialpolitischen Aufgaben einräumen.Obwohl die überbetriebliche Mitbestimmung in Österreich hoch entwickelt ist, bedarf es noch der Berücksichtigung vor allemder Vertretungen der Freien Berufe.Die Mitbestimmung der Interessenvertretungen soll die staatliche Wirtschaftspolitik unterstützen, darf sie jedoch nicht entmachten.
Gastarbeiter
239 Unterschiedliche Entwicklungen von Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarktwerden immer wieder die Wanderbewegungvon Arbeitskräften auslösen. Gastarbeiterstellen bei Vollbeschäftigung kein Problemfür den Arbeitsmarkt dar, wohl aber ein soziales und ein Problem der gesellschaftlichenInfrastruktur. Diese Gesichtspunkte müssenauch von der Wirtschaftspolitik beachtet werden.
240 Gastarbeiter haben ein Recht auf vergleichbare soziale und humanitäre Behandlung, können jedoch nicht die politischenRechte der Staatsbürger beanspruchen.Als Freiheitliche halten wir Maßnahmen aufschulischem und kulturellem Gebiet für notwendig, die diesen Menschen die Verankerung in ihrem angestammten Volkstum undKulturkreis sichern. Diese sollen auch diespätere Rückkehr in das jev/eilige Heimatland erleichtern.Eine unter dem dann irreführenden TitelGastarbeiterfrage betriebene umfangreicheEinwanderungspolitik lehnen wir ab. Abgesehen von Einzelfallen und kleineren Gruppen hat die Einbürgerungspolitik von der Erkenntnis auszugehen, daß unser dichtbesiedeHes Österreich grundsätzlich kein Einwanderungsland ist.
Z4l Weil eben Menschen kommen und nichtnur Arbeitskräfte, ist die Beurteilung dieserProbleme allein von der wirtschaftlichenNützlichkeit her unzulänglich. Die bei uns lebenden Gastarbeiter dürfen nicht ausgebeutet oder als zweitklassig behandelt werden.
Die wirtschaftlichenUberlegungen wiederum haben den Vorrang der Vollbeschäftigung rur einheimische Arbeitswillige zu beachten. Bei allgemeiner Unterbeschäftigungist die Zahl der Gastarbeiter unter Vermeidung menschlicher Härte systematisch zuverringern.
Recht auf Arbeit242 Wir betrachten das Recht aufArbeit als soziales Grundrecht und wollen es in der Verfassung verankert wissen. Es bedeutet einenAuftrag an den Staat, im Rahmen seiner Möglichkeiten eine auf Vollbeschäftigung gerichtete Wirtschaftspolitik zu betreiben. Es darfauch im Falle langdauernder Arbeitslosigkeitrur Arbeitswillige, die über kein anderes Einkommen verfUgen, nicht nur Notstandshilfegeben. Für solche hartnäckigen Fälle sind Arbeitsbeschaffungsprogramme einzurichten,die zumutbare Arbeiten anbieten, die anzunehmen sind, solange ein Arbeitsplatz nacheigener Wahl nicht gefunden werden kann.Bevorzugt werden sollen Arbeitsinhalte ausdem Bereich des Umweltschutzes und derLandschaftspflege.243 Vorübergehende Arbeitslosigkeit wird esallein schon auf Grund ständiger Markt-
7. Kapitel
Marktwirtschaft
Einleitung245 Die Marktwirtschaft ist das einzige Wirtschaftssystem, welches sich mit dem liberalen Verständnis von Mensch und Gesellschaft vereinbaren läßt. Ohne wirtschaftlicheFreiheit gibt es auch keine politische Freiheit.Außerdem gehen wir von der vielfach bewiesenen Erkenntnis aus, daß kein anderes Wirtschaftssystem besser zur Beseitigung der Armut, zum Aufbau eines allgemeinen Wohlstandes, zur Schaffung von Arbeitsplätzenund zur flexiblen Anpassung an neue Zeitverhältnisse geeignet ist, als eine funktionierende Marktwirtschaft.246 Wir halten die Marktwirtschaft aber nichtfUr eine naturgesetzliche Einrichtung, dieman einfach sich selbst überlassen kann, sondern rur ein soziales System mit bestimmtenRegeln, das von der Wirtschaftspolitik bewußt gestaltet und geschützt werden muß.Das liberale Konzept des Marktes wird häufigals das Prinzip des reinen Laisser-faire mißverstanden. Wir dagegen bekräftigen unsereÜberzeugung, daß ungezügelte Wirtschaftsfreiheit dort unannehmbar wird, wo sie zurAusbeutung fUhrt, die Situation der sozialSchwachen mißachtet oder die Interessendes Gesamtwohles verletzt.247 Hauptaufgabe liberaler Wirtschaftspolitikist die Schaffung und Atifrechterhaltungeines wirksamen und dabei fairen Wettbew~rbs vieler, der auf echter Leistung unterEinhaltung sozialer und ökologischer Vorgaben beruht.Der Mißbrauch wirtschaftlicher Macht entpuppt sich immer wieder als der größte Feindjedes freien Marktes und muß daher ständigbekämpft werden. Monopole und monopolähnliche Einrichtungen sollen nach Möglichkeit vermieden werden. Wo solche - aus welchen Gründen auch immer - entstehen, müssen sie strengen Regeln unterworfen werden,deren Einhaltung zu kontrollieren ist.248 Unter Beachtung des Gesamtwohles hatfreiheitliche Wirtschaftspolitik eine dreifacheAufgabe zu bewältigen:
schwankungen auch in Zeiten angenäherterVollbeschäftigung immer geben. Zu ihrerÜberbrückung hat sich das bisherige Systemder Arbeitslosenversicherung im großen undganzen bewährt, jedoch muß es vor mißbräuchlicher Inanspruchnahme besser geschützt werden.
244 Ein besonderes Problem stellt Jugendarbeitslosigkeit dar. Sie kann in größerem Umfang gesellschaftspolitisch nicht hingenommen werden. Um Jugendarbeitslosigkeit zubeseitigen, soll folgendermaßen vorgegangenwerden:- Vorrang haben Maßnahmen zur Eingliede
rung der Jugendlichen in den normalen Arbeitsprozeß.
- Eigene Jugendarbeits1:Jeschaffungspro-gramme als befristete Überbrückungsmaßnahmen.
- Ermutigung und Starthilfe fUr den Aufbauselbständiger wirtschaftlicher Existenzen.
In allen Belangen der Arbeitswelt haben Eigeninitiative und Freiwilligkeit Vorrang.Lenkende Maßnahmen sind nur notfalls undzur Sicherung eines Mindesteinkommensvorzunehmen. Wir wollen eine Arbeitswelt, inder nicht .(\rbeitsleid, sondern Arbeitsfreudevorherrscht.
- Aufrechterhaltung eines möglichst großenHandlungsspielraumes fUr die eigenverantwortlich am Markt tätigen Unternehmengleich welcher Rechtsform.
- Gezielte staatliche Einflußnahme zumSchutz der wirtschaftlich Schwächeren, ohne dabei das Leistungsprinzip zu entwerten.
- Wahrnehmung jener volkswirtschaftlichenInteressen, fUr die private Initiativen fehlen, zu schwach oder sachlich ungeeignetsind.
In diesem Sinne sind lenkende Eingriffe desStaates nicht grundsätzlich abzulehnen, jedoch injedem Fall sorgfaltig aufihre Notwendigkeit zu überprüfen und einzugrenzen. Darüber hinaus soll der Staat selbst keine Wirtschaftstätigkeit übernehmen.249 Wirtschaftswachstum ist ein Ziel, jedochkein Selbstzweck. Wegen der ökologischenGrenzen zielen wir auf ein qualitatives Wirtschaftswachstum ab. Dieses soll den Nutzwert der produzierten Güter und Dienstleistungen bei gleichzeitiger Verringerung desbenötigten Rohstoff- und Energieeinsatzesmehren.Wir erstreben la~gfristig eine Kreislaufwirtschaft, die unser Okosystem verträgt.
Privatwirtschaft und Selbstverwaltung
250 Wir gehen grundsätzlich von einer privatwirtschaftlichen Wirtschaftsstruktur aus. Direkt oder indirekt verstaatlichte Unternehmen sind, soweit dies ihre spezifische AufgabensteIlung ermöglicht, gleichfalls nach privatwirtschaftlichen Maßstäben zu fUhren.Die staatliche Wirtschaftspolitik hat öffentliche und private Unterneh'llen gleich zu behandeln, um Wettbewerbsverzerrungen zuverhindern. Wirtschaftsaufgaben, die vonverstaatlichten oder gemeinwirtschaftlichenUnternehmen oder von Behörden übernommen wurden, sind laufend auf eine möglicheReprivatisierung hin zu überprüfen. Das giltfUr alle El?enen der Gebietskörperschaftenund anderer öffentlicher Einrichtungen.
Die Orgahe öffentlicher Unternehmen sindrur Fehlinvestitionen und Verschwendungvom Eigentümervertreter zivil- und strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen.Bei "Reprivatisierung" ist darauf zu achten,daß nicht ausländisches Kapital unsere Wirtschaft zu kontrollieren beginnt.Das Wirtschaftsleben leidet unter einer allgemein zunehmenden Verbürokratisierung.Daher müssen alle staatlichen Maßnahmen,insbesondere fiskalische, aber auch die gesamte Gesetzgebung einer Änderung in Richtung Entbürokratisierung unterzogen werden.251 Die Selbstverwaltungskörperschaften aller Berufsgruppen (Sozialpartner) sollen dieallgemeine Wirtschaftspolitik im Geiste derPartnerschaft unterstützen. Wir anerkennendie Rolle der Sozialpartnerschaft fUr einenfriedlichen Interessenausgleich. Andererseits bekämpfen wir alle Tendenzen, die Einrichtungen der Sozialpartner zu Entscheidungsträgern an Stelle der demokratisch-legitimierten Organe unserer Staatsverfassungzu machen.Wir bestehen auch auf einer strikt demokratisch-proportionalen Struktur aller Kammern. Die Aufrechterhaltung der Zwangsmitgliedschaft zu diesen Kammern läßt sichüberhaupt nur rechtfertigen, wenn die Interessenvertretung parteipolitisch neutral vorgenommen wird. Grundsätzlich sind wir derAuffassung, daß Freiwilligkeit vorzuziehenwäre.252 Die moderne Wirtschaftsentwicklung verlangt ständige Anpassung und Neuerung. Wirerachten es als eine der wirtschaftspolitischen Aufgaben, Innovation umfassend zufordern. Diesem Zweck hat das öffentlicheFörderungswesen vorrangig zu dienen. Direkte wie indirekte Förderungsmaßnahmenmüssen durchschaubar, übersichtlich undinsgesamt begrenzt sein. Förderungen müssen zur Rentabilität fUhren. Bloße Verlustabdeckungen und wettbewerbsverzerrendeFörderungsmaßnahmen sind generell abzulehnen.
Strukturpolitik und Mittelstand253 Österreichs Wirtschaft ist ganz überwiegend durch Klein- und Mittelbetriebe strukturiert. Diese mittelständische Wirtschaftsstruktur zeichnet sich durch hohe Leistungsbereitschaft und AnpassUngsfahigkeit anMarktveränderungen aus. Wir wollen eineMittelstandspolitik, die diese Eigenschaftenpflegt und würdigt. Zum Mittelstand zählenwir aber keineswegs nur Selbständige, sondern gleichermaßen auch jene unselbständigErwerbstätigen, die ähnliche Leistungen undLebensweisen praktizieren. Wir bejahen diegesellschaftliche Herausbildung eines breiten und lebenskräftigen Mittelstandes.254 Regionale Strukturpolitik hat mittels geeigneter Infrastrukturmaßnahmen auf eineausgewogene Wirtschaftsentwicklung im gesamten Bundesgebiet hinzuwirken. Überbordenden Ballungstendenzen muß gegengesteuert werden.In zurückbleibenden Regionen sind alle konkret auf Lebensfahigkeit aus eigener Krafthindeutenden autonomen Aktivitäten gezieltzu fOrdern. Dies hat Vorrang vor fremden Betriebsansiedlungen.Nachteile der Verkehrslage und Kommunikation sind auszugleichen. Die allgemeineVerkehrspolitik darf nicht zur weiteren Entleerung schwacher Regionen fUhren, sondernsoll zu deren Aufschwung bei~ragen.
255 Die volkswirtschaftliche Wertschöpfungberuht immer noch auf einem unverhältnismäßig hohen Anteil an Grundstoff- und Halbfertigprodukten. Durch gemeinsame Anstrengungen von Wirtschaft und Politik soll
der Anteil an Wertschöpfung aus Arbeit, geistiger Leistung sowie Know-how systematisch gesteigert werden, zu Lasten rohstoffintensiver Produkte und Verfa~n.
Diese Entwicklung muß sich jedoch an dentatsächlichen Marktchancen ausrichten. Offene Märkte im In- und Ausland können helfen, Fehlentwicklungen rechtzeitig zu erkennen und zu vermeiden.256 Eine Weiterentwicklung des Wettbewerbsrechtes soll' die drohende Vermachtung derMärkte bekämpfen. Wir fordern den Ausbaudes Kartellrechtes, welches weiter auf demMIßbrauchsprinzip fußen soll, zu einem Kontrollrecht ftir Marktrnacht.Wenn Unternehmungen, gleich welcherRechtsform, eine kritische Schwelle desMarktanteiles auf der Käufer- oder Verkäuferseite überschreiten, sollen sie Regeln undKontrollen zwecks Sicherung eines funktionierenden Leistungswettbewerbes unterworfen werden, und zwar desto mehr, je beherrschender ihre Marktstellung ist. Diese Forderung gilt auch ftirGroßgenossenschaften.
Gesunde Betriebe257 Gesunde Betriebe müssen Gewinne machen und in der Lage sein, Eigenkapital zubilden. Die Verächtlichmachung von Gewinnund Kapital weisen wir als unhaltbar zurück.Sorge bereitet der zu beobachtende ständigeRückgang des Eigen- und Risikokapitals. Daher sind alle zielftihrenden Maßnahmen, besonders im Steuerrecht, zu ergreifen, um dieAusstattung der Betriebe mit haftendem Kapital, dessen Ertrag gewinnabhängig ist, wieder zu verbessern.Darüber hinaus müssen wirtschaftliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, die dasAnlegen privater Ersparnisse auch in Risikokapital verschiedenster Beteiligungsformenan Unternehmungen, weil dem Risiko angemessen rentabel, wieder sinnvoll machen.Die Fehlentwicklung, daß sicheres Kontenoder Wertpapiervermögen rentabler ist alsunsicheres Beteiligungsvermögen, muß gestoppt werden.258 Einzig rentabel wirtschaftende Unternehmungen können Arbeitsplätze erhalten oderneue schaffen. Wir treten für eine Sicherungder Arbeitsplätze durch Sicherung der Betriebe ein. Dabei kann es sich freilich nichtum eine Festschreibung bestehender Arbeitsplätze handeln, sondern um ein insgesamt hinreichendes Angebot an lohnendenArbeitsplätzen durch eine Vielzahl blühender und neuer Unternehmen.259 Unser Handels- und Gesellschaftsrecht beruht grundsätzlich auf dem auch mit seinemPrivatvermögen voll haftenden Kaufmann.Wir glauben, daß dies den Bedingungen dermodernen Wirtschaft nicht mehr überall angemessen ist.Daher verlangen wir eine Rechtsreform, welche die Trennung des dann nichthaftendenPrivatvermögens vom haftenden Wirtschaftsvermögen (Kapital) eines Kaufmannes (Gesellschafters) einführt. Als erstenSchritt in diese Richtung fordern wir dierechtliche Schaffung des "Einzelkaufmannesmit beschränkter Haftung", und zwar zusätzlich zur bestehenden Rechtsform. Einer derartigen Reform kommt große Bedeutung ftirdie Gründung junger, dynamischer Unternehmungen zu.
Land- und Forstwirtschaft280 Grundlage aller Wirtschaft ist die Landund Forstwirtschaft. Sie erzeugt nicht nur dieunentbehrlichen Nahrungsmittel, sondernliefert auch wichtige Rohstoffe und Energieträger, was in Zukunft an Bedeutung gewinnen wird. Für eine ökologisch richtige Bewältigungdieser ökonomischen Aufgaben ist der
Bauer unentbehrlich. Wir bekennen uns zueinem freien, leistungsiahigen Bauerntumund zum bäuerlichen Familienbetrieb. Gewerbsmäßige Agrarfabriken und bodenungebundene Produktion dürfen nicht Leitlinieund Ziel freiheitlicher Agrarpolitik sein.
261 Infolge jahrzehntelangen Strukturwandels ist die Landwirtschaft kapitalintensiv geworden. Sie muß daher mit betriebswirtschaftlichen Methocten betrieben werden.Dennoch soll sie nicht industriellen Systemen angeglichen oder gar unterworfen werden. Organisches Wachstum, kleinräumigesnatürliches Gleichgewicht und Harmonie mitder Landschaft gebieten zwar eine moderne,aber im Wesen bäuerliche Betriebsform.Wir wollen eine ganzheitliche Agrarpolitik,die nicht rein ökonomisch orientiert seinkann, sondern Aufgaben der Volksgesundheit (Ernährung), des· Landschaftsschutzesund des Kulturraumes miteinbezieht (Schutzder fruchtbaren Böden).
262 In weiten Teilen des Agrarbereiches sindsinnvolle Marktordnungen grundsätzlichnotwendig. Die Agrarmarktordnungen haben jedoch ihre notwendige Schutzfunktionüberdehnt, indem sie die Bauern einerseitsvon sich abhängig gemacht und andererseitsdas sinnvolle Wirken von Angebot und Nachfrage weitgehend außer Kraft gesetzt haben.Freiheitliche Landwirtschaftspolitik will dagegen den unternehmerischen Spielraum derGrund- und Waldbesitzer langfristig erweitern. Die Abhängigkeiten von Genossenschaften müssen verringert werden. Die bäuerlichen Selbsthilfeeinrichtungen sollen wieder voll in den Dienst der Bauern gestellt werden. Zwischen Genossenschaften und Privatwirtschaft ist ein fairer Wettbewerb zu sichern. Genossenschaftsmitglieder haben Anspruch auf einen Gewinnanteil.Die Marktordnungen sollen schrittweise zueiner besseren Angleichung von Produktionund Absatzmöglichkeiten hingeftihrt werden. Angesichts der Sättigung traditionellerAgrarmärkte ist auf die Schaffung und Ausweitung sinnvoller Alternativproduktionengroßer Wert zu legen. Langfristiges Ziel sindPreisverhältnisse, die kostendeckend sindund ein· entsprechendes Einkommen (Gewinn) sichern.
263 Die zu erwartenden Neuerungen in derPflanzen- und Tierzüchtung werden Auswirkungen auf die Zahl der landwirtschaftlichErwerbstätigen haben. Um so wichtiger istes, in der Agrarpolitik ganz bewußt auch dieNebenerwerbsbauern voll zu berücksichtigen. Freiheitliche Ziele sind:
Erhaltung einer leistungsfcihigen, bäuerlichstrukturierten Landwirtschaft mit Paritätseinkommen ftir rationell geftihrte Vollerwerbsbetriebe (Einkommensziel).
Ausreichende Versorgung der österreichischen Bevölkerung mit gesunden Nahrungsmitteln und Rohstoffen zu angemessenenPreisen (Versorgungsziel).
Aufbringung des agrarischen Energiebedarfes und Beiträge zur allgemeinen Energieversorgung (Energieziel).
Erhaltung der Kultur- und Erholungslandschaft sowie der Besiedelungsdichte insbesondere in Grenz- und Bergregionen (Landschafts- und Umweltziele).
264 Österreich zählt zu den waldreichstenLändern Europas. Dem Wald kommt nichtnur eine Nutz- und Rohstoffunktion zu, sondern auch eine Schutz-, Wohlfahrts- und Erholungsfunktion. Forstwirtschaftspolitik hatallen diesen Funktionen RechnuI?J5 zu tragen.Die den Waldbesitzern durch die Offnung desWaldes ftir die Allgemeinheit entstehendenBelastungen sind steuerlich zu berücksichtigen.
Handel, Gewerbe und Industrie265 Die Entstehung großräumiger Märkte bewirkte und begünstigte Großformen der Organisation in Marketing und Vertrieb. Ohnederen Nützlichkeit zu übersehen, muß diefortgesetzte Vernichtung kleiner, selbständiger Existenzen im Handel und Gewerbe Anlaß zur Sorge sein. Dies umso mehr, als dieNahversorgung und kundennahe Dienstleistungen unter dieser Entwicklung bereitssichtbar leiden.Wir fordern existenzschützende Maßnahmenzur Aufrechterhaltung der Nahversorgung.InSbesondere sollen die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen den Kleinen inHandel und Gewerbe helfen, ihre größte Stärke, nämlich die Anpassungsiähigkeit und dieBedienung von Marktnischen wirklich zumTragen zu bringen.Dazu gehören auch flexible Ladenöffnungszeiten, durch eine allgemein verbindliche Wochenöffnungszeit begrenzt, die nach den regional- und branchenspezifischen Erfordernissen geregelt werden·soll.Großgenossenschaften sind in eine dem Ak~
tienrecht nachgebildete Form umzuwandeln,wenn sie sich nicht auf das Mitgliedergeschäft beschränken.266 Für eine gesunde Wirtschaftsstruktur bedarf es eines leistun'gsfcihigen Gewerbes. Wegen seiner Personalintensität leidet das Gewerbe am meisten unter der fiskalischen Verteuerung der Arbeitskraft durch lohnsummenabhängige Abgaben (Lohnnebenkosten). Hier liegt auch die Hauptursache rur diezunehmende Tendenz zur Schattenwirtschaft (Pfusch). Daher fordern wir eine konsequente Politik zum Abbau der Lohnneberikosten.Die Liberalisierung des Gewerberechts istdergestalt fortzuruhren, daß die nachgewiesene Bereihigung zum Maßstab rur die Gewerbeberechtigung wird. In der Berufsausbildung halten wir am dualen System des Lehrlingswesens mit Berufsschulbildung fest.267 Wir brauchen eine starke zukunftsorientierte Industrie mit hoher Wertschöpfung,Der wachsende Anteil des Dienstleistungssektors an der Zahl der Erwerbstätigen ·darfnicht die volkswirtschaftliche Bedeutung derIndustrie verkennen lassen.Weniger Industriebeschäftigte sollen nicht zueinem Absinken des Beitrages der Industriezum Sozialprodukt ruhren.Wir bejahen die Automatisierung im Rahrr.ensozialer Vorgangsweisen. Der Fortbestandder Industrie ist ohne den Einsatz modernsterTechnik nicht denkbar. Die weitere industrielle Entwicklung soll bewußt umweltfreundlich gestaltet werden. Weiters ist aufdie Verträglichkeit mit dem Tourismus zuachten. Die Verantwortlichkeit der Unternehmensftihrungen ist zu stärken, die Abhängigkeit der Industrie von parteipolitischer Einflußnahme muß zurückgedrängtwerden.
Freie Berufe268 Freie Berufe sind nach Art der von ihnenerbrachten Leistungen und der Form ihrerOrganisation rur eine liberale Marktwirtschaft unentbehrlich. Die Freien Berufeselbst können sich nur in diesem Wirtschaftssystem entfalten.Wesen und Funktion der Freien Berufe, aberauch der Schutz der Auftraggeber erfordertklare gesetzliche Regelungen zum Schutzund zur Erhaltung der Aufgabengebiete derFreien Berufe und ihrer Standesorganisationen.269 Die Freien Berufe sind in besonderem Maße geeignet, beratende und kontrollierendeAufgaben als Ergänzung, vor allem aber auchals Ersatz rur behördliche Apparate auszu-
führen. Freiberufler sind auf Grund ihrerAusbildung, ihrer besonderen disziplinärenVerantwortlichkeit und der vorhandenen Betriebsstruktur geeignet, vielfciltige Formender Beratung und Kontrolle öffentlicher Projekte wirksamer und kostengünstiger auszuüben als behördliche Organisationen.
Fremdenverkehr - Tourismus270 Die Freiheit des Reisens und damit desTourismus ist als einer der Garanten ftir dasfriedliche Zusammenleben der Völker anzusehen.Die große Beliebtheit Österreichs bei europäischen und auch bei überseeischen Touristen bringt ftir die heimische Fremdenverkehrswirtschaft große Chancen und Aufgaben.Der Fremdenverkehr, der zu den zukunftsorientierten Wachstumsbereichen zählt, istunter möglichster Schonung der landschaftlichen Gegebenheiten und unter Einbeziehungder Interessen der Bevölkerung - wobei eszur Wahrung ihrer spezifischen Eigenartenkommen soll- als wichtiger Leistungsfaktorder Gesamtwirtschaft zu erhalten.Es muß einerseits die Herausbildung von Regionen mit fremdenverkehrswirtschaftlicherMonokultur vermieden, andererseits aufeinedem Tourismus zuträgliche, gewerblich-industrielle Durchstrukturierung geachtet werden.271 Für die österreichische Fremdenverkehrswirtschaft muß die kleingewerbliche Wirtschaftsstruktur erhalten bleiben. Von untenher wachsende Kooperationsmodelle solltenjedoch gefördert werden, um dadurch eineStärkung der Konkurrenzfcihigkeit zu erzielen.Zusammenarbeit - finanziert durch Interessentenbeiträge (freiwilliger und gesetzlicherArt) - bildet auch die Voraussetzung ftir einenwirksamen Einsatz aller modemen elektronischen Kommunikationsmittel, wie BTX, Video, die bewußt genutzt und systematisch dergesamten Fremdenverkehrswirtschaftdienstbar gemacht werden sollen.Die weltweite Gästewerbung ftir Österreichsoll möglichst gemeinschaftlich erfolgen, wobei unterschiedlichen Gegebenheiten in föderalistischem Sinne Rechnung zu tragen ist.Die Errichtung eines "Österreich-Hauses", indem möglichst viele österreichische Auslandsvertretungen einschließlich der Österreichischen Fremdenverkehrswerbung zusammengefaßt werden sollen, ist in denHauptstädten unserer wichtigsten Partnerländer anzustreben.
272 Die entwicklungsbedingte starke Verschuldung der Fremdenverkehrswirtschaftverlangt nach Umschuldungsaktionen sowiesteuerlicher und sonstiger Förderung derKraft zur Selbstfinanzierung. Neue Formender Beteiligungs- und Kreditfinanzierung sowie Risikokapital sollen der Fremdenverkehrswirtschaft weitere Anreize ftir sinnvolleInvestitionen geben.Zur leichteren Kreditfinanzierung sollte dierechtliche Einrichtung des Grundschuldbriefes geschaffen werde:-i.Bei der Gestaltung der Verbrauchssteuernmuß unbedingt die Erhaltung der Wettbewerbsfcihigkeit gegenüber den Nachbarländern hergestellt werden.
Verkehrswesen273 Im Nebeneinander von öffentlichem Massen- und Individualverkehr halten wir grundsätzlich am Recht auf freie Transportmittelwahl fest. Nach marktwirtschaftlichem Verständnis folgt daraus, daß die tatsächlich auflaufenden. Kosten in den Preisen gedecktwerden müssen. Daher gilt ftir Schiene wiefür Straße als Richtschnur, daß die jeweiligen
Benutzer auch die tatsächlich betreffendenInfrastrukturkosten in möglichst genauerZurechnung zu tragen haben. Das soll auchftir die indirekte Finanzierung über Steuerngelten.Weiters müssen in die spezifischen Verkehrskosten auch die Belastungen der Umweltdurch die Verkehrsart direkt oder indirekteinkalkuliert werden.Grundsätzlich sind umweltfreundliche Verkehrssysteme zu fördern,jedoch unter gleichzeitiger Beachtung der Wirtschaftlichkeit. Indiesem Rahmen wird dem Fahrrad als lokalesPersonenverkehrsmittel steigende Bedeutung zukommen müssen.274 Die Bahnen sind zu modernisieren, zu rationalisieren und auf jene Streckenftihrungen zu konzentrieren, die K'bstendeckung erhoffen lassen. Da schienengebundene Massenverkehrsmittel nur bei entsprechenderAuslastung Kostendeckung erwarten lassen,sind geringere Verkehrsaufkommen in derFläche anderen Verkehrsmitteln zu überlassen.Die kostspielige Selbstkonkurrenzierungverschiedener öffentlicher Verkehrsträgerhat zu unterbleiben.Im Personenverkehr sollte durch eine Vielzahl zweckmäßiger Einrichtungen vor allemftir den täglichen Berufsverkehr das freiwillige Umsteigen von individuellen zu öffentlichen Verkehrsmitteln anziehend gemachtwerden. Das gilt in erster Linie rur Ballungsräume.275 Im Güterverkehr soll der kombinierte Verkehr als Möglichkeit der Beförderung einesTransportgutes durch verschiedene Verkehrsträger ausgebaut werden (Container,Huckepack).Überschwerer Lastverkehr auf Straßen istaus Umweltgründen einzuschränken.Österreich muß darauf dringen, daß derdurch unser Land rollende Transitverkehrseine Kosten direkt oder indirekt selbst trägtund zur Mitfinanzierung der Infrastrukturherangezogen wird.Wo immer Rohrleitungen und andere unterirdische Transportstränge möglich sind, ist ihnen der Vorrang vor oberirdischen Transporteinrichtungen einzuräumen (Tunnels,Pipelines, Stromwege).276 Der Ersatz materieller Transportbewegungen (Post) durch Verdichtung aller Arten vonelektronischen Kommunikationseinrichtungen wird von uns begrüßt.Der Flugverkehr und seine Einrichtungensollen schrittweise strengen Lärmschutzbestimmungen unterworfen werden, wobei aufdie wünschenswerte Einbindung Österreichsin die internationale Luftfahrt ebenso wie auftouristische und ökologische Belange Rücksicht zu nehmen ist.
Währung, Geld, Banken277 Die Unabhängigkeit der Notenbank vonder Regierung erachten wir als unabdingbareVoraussetzung ftir die Erftillung ihrer Aufgaben. Deren bedeutendste sind:- Sicherung der Kaufkraft der Währung nach
innen und außen.- Aufrechterhaltung jener Geldmengenver
sorgung, die für eine ruhig wachsende Wirtschaft notwendig ist.
- Unterstützung der staatlichen Wirtschaftspolitik mit dreifachem Ziel: Vollbeschäftigung, Währungsstabilität und geordneteStaatsfinanzen.
278 Wir wissenum die internationale Verflech-'tung des Geldwesens und die unvermeidlicheAbhängigkeit einer kleinen Volkswirtschaft.Jedoch soll die österreichische Geldpolitikim Rahmen des Möglichen ftir Freizügigkeitim Devisenverkehr und Kapitaltransfer eintreten. Kapitalimport dient unserer Wirtschaftskraft, weshalb er erleichtert werden
soll, bei selbstverständlicher Unterordnungunter die österreichische Rechtsordnung.Das Bankgeheimnis ist aufrechtzuerhalten.Das Zinsniveau ist auf jenen niedrigstmögliehen Stand einzupendeln, der unter Beachtung der übrigen währungspolitischen undwirtschaftspolitischen Ziele und Möglichkeiten vertretbar ist. Dogmatische Hochzinspolitik lehnen wir ab.
279 Der Grad der Verstaatlichung im österreichischen Bankenwesen ist bereits viel zuhoch, wir verlangen eine weitgehende Reprivatisierung. In der Kreditwesengesetzgebung ist neben dem erforderlichen Gläubigerschutz auf die Aufrechterhaltung einesechten Wettbewerbs zu achten.Die Beteiligungen von Banken an anderen,insbesondere an industriellen Unternehmungen sind so zu begrenzen und zu organisieren,daß der Handlungsspielraum der Kreditwirtschaft durch außerhalb liegende Interessennicht eingeschnürt wird.Das Eindringen von Banken in bankfremdeWirtschaftsbereiche durch Gründung vonTochterunternehmen ist aus wettbewerbspolitischen Gründen abzulehnen, und es sindSchritte zur Rückgängigmachung dieser Entwicklung einzuleiten.Der Kapitalmarkt soll liberal gestaltet und belebt werden. Ein wichtiger Schritt dazu wäredie Belebung des österreichischen Aktienmarktes als taugliches Finanzierungsinstrument durch Abbau seiner derzeitigen steuerlichen Diskriminierung. Außerdem soll dieAktie ftir breiteste Schichten der Bevölkerung als zusätzliche Sparform interessant gemacht werden.
Außenhandel und Weltwirtschaft280 Die Zeiten abgeschlossener, sich selbst genügender Volkswirtschaften sind vorbei. Wirgehen von der Einsicht aus, daß alle Länderdarunter Österreich sogar überdurchschnittlich stark - in eine weltwirtschaftliche Arbeitsteilung hineinverflochten sind. Für unsist die natürliche Entsprechung der Marktwirtschaft aufinternationaler Ebene der Freihandel.
281 Wir lehnen Protektionismus grundsätzlichab, weil er den Freihandel zerstört und mühsam in Jahren aufgebaute Arbeitsteilungenzunichte macht, wodurch Krisen ausgelöstwerden, die weltweit zu schweren Erschütterungen der Wirtschaft führen können.Eine Beschränkung des Freihandels darf nurdOlt Platz greifen, wo ein Mindestmaß an Unabhängigkeit, die Sicherung der Ernährungsgrundlage und vorausschauende Krisenvorsorge (Wirtschaftssicherung) aus politischenGründen nötig sind.Darüber hinaus sind Handelshemmnisse jedweder Art, die Beschränkung der wirtschaftlichen Freizügigkeit sowie Reisebeschränkungen nach Maßgabe des politisch Möglichen zu vermeiden.
282 Wir bejahen die weltweite internationaleZusammenarbeit im Geist von Partnerschaftund auf Gegenseitigkeit. Das Instrumentarium an internationalen Vertragswerken undOrganisationen ist unter aktiver MitwirkungÖsterreichs verstärkt in den Dienst weitererweltwirtschaftlicher Integration nach marktwirtschaftlichen Prinzipien zu stellen.283 Wir sehen die Rolle der multinationalenUnternehmungen ftir die Weiterentwicklungder Weltwirtschaft, aber wir verlangen dieSchaffung eines international wirksamen Systems von Kontrollen, mit deren Hilfe derMißbrauch wirtschaftlicher Macht durchweltweit operierende Organisationen eingedämmt werden kann.Die beachtlichen Bemühungen der österreichischen Handelspolitik, die Weltmärkte ftir
Staatshaushalt und Steuern
die österreichische Exportwirtschaft immerbesser zu erschließen, sind fortzusetzen.Die österreichische Wirtschaft ist verstärktauf Export, weltweite Kooperation und inter-
8. Kapitel
Einleitung284 Nach freiheitlicher Auffassung bildet eineverantwortungsbewußte Ausgabenpolitikdie moralische Grundlage für einen geordneten Staatshaushalt und eine dementsprechende Gestaltung der Einnahmen. Durcheine strenge AusgabenpfÜfung soll der Finanzierungsspielraum der öffentlichen Haushalte fUr alle jene Bereiche gesichert werden,denen in Hinkunft eine besondere Beachtunggeschenkt werden muß, wie Umweltschutz,Forschung, Innovation und Strukturpolitik.285 Aufgabe freiheitlicher Budgetpolitik ist es:- Die für eine sparsame Gebarung erforderli-
chen Mittel zur Erfüllung der Staatsaufgaben und Aufgaben der öffentlichen Gebietskörperschaften bereitzustellen,mit den Möglichkeiten des Budgets im antizyklischen Prozeß konjunkturpolitisch notwendige Impulse im Sinne einer Krisenvermeidung und Krisenbewältigung zu setzensowie darüber hinaus
- strukturpolitische Maßnahmen in volks-wirtschaftlichem Interesse zu finanzieren.
286 Zur Verwirklichung dieser Zielsetzungenmüssen neben der ständigen Ausgabenüberprüfung konsequent neue Wege der Budgetgestaltung gegangen werden, daher ist auchein modernes Budgetrecht erforderlich.Dazu bieten sich Budgettechniken an, welchenicht an der herkömmlichen Fortschreibungder bestehenden Ausgabenstruktur anknüpfen, sondern jede Budgetposition Jahr fürJahr aufs neue in Frage stellen (Nullbasisbudgetierung).Auch gesetzlich festgelegte Verpflichtungenmüssen in bestimmten Zeitabständen einerÜberprüfung unterworfen werden. Damitverbunden ist die Forderung, daß vor Beschlußfassung von ausgabenwirksamen Gesetzen eine genaue Kenntnis von Kosten undNutzen der angestrebten Maßnahmen sowieüber die Folgekosten besteht. Auch die konsequente Berücksichtigung der Anregungendes Rechnungshofes gehört zu einer verant\vortungsvollen Ausgabenpolitik.
BudgetplanungNeben der Erstellung der jährlichen Vor
anschläge ist es erforderlich, zu einer mittelfristigen Budgetplanung zu gelangen.Weitreichende Entwicklungen auf Gebietenwie Umweltsanierung, Energiepolitik unddergleichen mehr, erfordern es darüber hinaus, auch langfristige Prognosen der Budgetentwicklung anzustellen und geeignete Planungsinstrumente zu überlegen. Eine solchevorausschauende Budgetplanung erleichtertauch die gebotene Planung von Investitionenfür weit in die Zukunft reichende Innovationen.288 Eine Neugestaltung des Haushaltsrechtessoll zu erhöhter Wirksamkeit und Transparenz der Budgetpolitik fUhren. In diesem Zusammenhang soll das staatliche Rechnungswesen moderner und wirtschaftlicher gestaltet werden. Dazu gehört auch die deutlichereZurechnung von Kosten und Nutzen in komplexen Finanzgebarungen. Zusätzliche Instrumente wie die Möglichkeit, unverbrauchte Budgetmittel auf die nächste Periode vor-
nationale Wettbewerbsfahigkeit auszurichten. Auf diese Zielsetzung hat die gesamteWirtschaftspolitik ebenso wie die Sozialpolitik und die Finanzpolitik Bedacht zu nehmen.
zutragen, oder der Ausbau des Prämiensystems für Rationalisierungsvorschläge in derVerwaltung, könnten wesentlich zur Spargesinnung im öffentlichen Bereich beitragen.
Allgemeine Grundsätze derBesteuerung289 Das österreichische Steuerrecht wird inweiten Bereichen den geänderten wirtschaftlichen Erfordernissen der modernen· Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft nichtmehr gerecht.Hohe Steuersätze sowie ein für den Bürgerkaum mehr durchschaubares System vonAusnahmebestimmungen und Privilegienhaben zu einer Behinderung wirtschaftlicherAktivitäten, zu einem spürbaren Steuerwiderstand und in einzelnen Bereichen zurBildung einer Schattenwirtschaft geführt.290 Ein liberales Steuersystem, das den Leistungswillen, die persönliche Initiative unddie Risikobereitschaft fordert, ist die Voraussetzung für eine funktionierende Marktwirtschaft und eine breite Eigentumsbildung. Esstärkt darüber hinaus die Stellung Österreichs im internationalen Wettbewerb.Österreich besitzt eine gut ausgebildete, fleißige Bevölkerung. Es muß im internationalenVergleich für Unternehmungen wirtschaftlich interessant sein, in Österreich für denWeltmarkt zu produzieren und dadurch auchdie Wirtschaftskraft Österreichs zu stärken.291 Freiheitliche Steuerpolitik orientiert sichan folgenden wesentlichen Grundsätzen:
- Das Steuersystem muß den fUr die Bestreitung der Staatsausgaben erforderlichen Finanzaufwand erbringen, ohne jedoch leistungshemmend zu wirken.
- Das Steuersystem muß so einfach wie möglich, für den Steuerzahler durchschaubarund ohne großen Verwaltungsaufwandvollziehbar sein.
- Das Steuersystem soll eine sozial gerechteVerteilung der Steuerlast bewirken undeine breit gestreute Eigentums- und Vermögensbildung ermöglichen.
292 Wir streben eine grundlegende Änderungdes Finanzausgleiches zwischen den Gebietskörperschaften an. Neben dem Bund sollenim Sinne eines gelebten Föderalismus undeiner verwirklichten Gemeindeautonomiedie Länder und Gemeinden ihre Steuereinnahmen im wesentlichen eigenverantwortlich festsetzen.Die Berufskörperschaften sollen im Sinneeiner klaren Abgrenzung der Verantwortungdie Selbsteinhebung ihrer Beiträge vornehmen. Ein erster Schritt in diese Richtung istdie deutliche, individuelle Ausweisung derkonkreten Beitragsbelastung, die jeweils eingefordert wird.
Schwerpunkte einer liberalenSteuerreform293 Die liberale Steuerreform muß die schrittweise Durchsetzung folgender Schwerpunktforderungen zum Ziel haben:Die leistungshemmende Struktur des Einkommens- bzw. Lohnsteuertarifes soll durchMilderung der Progressionskurve, insbeson-
dere im mittleren Bereich, beseitigt werdenwobei der steuerpsychologisch verfehlt wir~kende Grenzsteuersatz (derzeit 62 Prozent),der zunehmend in mittleren Einkommensschichten zu wirken beginnt, nur wirklicheSpitzeneinkommen treffen darf.Eine Durchforstung der Ausnahmebestimmungen und Begünstigungen könnte eine erhebliche Reduzierung der Steuersätze ermöglichen, den Leistungswillen der Bürgerstärken und eine wesentliche Triebfeder derInflation ausschalten.294 Durch gezielte steuerliche Maßnahmensollen wesentliche gesellschaftspolitischeAnliegen gefordert werden. Dazu gehören vorallem die Verbesserungen der Eigentumsund Vermögensbildung (z. B. durch Absetzbarkeit der Zinsen für Wohnraumbeschaffung) sowie verstärkte Begünstigungen derEigenvorsorge, insbesondere für das Alterund die Gesundheit.Aufwendungen im Interesse des Umweltschutzes oder zur persönlichen Ausbildungund Weiterbildung sollen durch steuerlicheAnreize gefördert werden.Bestehende Sorgepflichten für Kinder undfür den nicht berufstätigen Ehepartner sollenim Steuertarif als Freibeträge Berücksichtigung finden, also tatsächlich zur Senkung derSteuerbemessungsgrundlage vor Anwendung des Steuertarifs führen.
Allgemeine Veranlagung295 Langfristig soll eine allgemeine Veranlagung aller Steuerpflichtigen angestrebt werden. Eine derartige Maßnahme, die in einerReihe von westlichen Staaten seit langem gehandhabt wird, würde dazu beitragen, daß alle Arbeitnehmer die im Steuerrecht vorgesehenen Begünstigungen besser als bisher inAnspruch nehmen können. Dieser Schrittwäre daher auch vom Standpunkt der Steuergerechtigkeit her zu begrüßen. Die moderneDatenverarbeitung erlaubt die technischeVerwirklichung dieses Zieles.Bei der allgemeinen Veranlagung wird vomArbeitgeber während des Jahres lediglich einPauschalbetrag an Lohnsteuer abgeführt. Al·le bei der Steuerbemessung zu berücksichtigenden Ausgaben (Sonderausgaben, außergewöhnliche Belastungen, Werbungskosten)sind vom Dienstnehmer nach Jahresende direkt beim Finanzamt geltend zu machen. Diezeitaufwendigen Vorsprachen der Lohnsteuerpflichtigen beim Finanzamt und die umständliche Manipulation mit den Lohnsteuerkarten könnten unterbleiben, was zu Erleichterungen für den Staatsbürger und zu einerVerwaltungsentlastung für die österreichische Wirtschaft führen würde.
296 Die begünstigte steuerliche Behandlungfür Abfertigungen, Urlaubs- und Weihnachtsgeider soll im Prinzip beibehalten werden.Den Unternehmen soll es ermöglicht werden,eine hundertprozentige Rücklage rur künftige Abfertigungsverpflichtungen und Pensionszusagen zu bilden.
Entnahmebesteuerung undneutrale Betriebssteuer297 Im Rahmen einer Entnahmebesteuerungsoll die Bemessungsgrundlage des steuerpflichtigen Unternehmereinkommens vombilanzmäßig ausgewiesenen Gewinn auf diegetrennte Besteuerung einerseits des im Be·trieb stehen gelassenen Gewinnes und ande·rerseits der Privatentnahmen bzw. Ausschüttungen umgestellt werden. Jene Beträge desUnternehmereinkommens, die der privatenVerwendung zugeftihrt werden, werden dertarifmäßigen Besteuerung unterzogen. Damit bleiben jene Gewinne von der progressiven Besteuerung verschont, die im Betriebbelassen werden. Sie dürfen höchstens einer
angemessenen proportionalen Besteuerungunterworfen werden.Die Entnahmebesteuerung fdrdert die Eigenkapitalbildung und beseitigt die bisherigeDiskriminierung der Eigenfinanzierung gegenüber der Fremdfinanzierung. Darüberhinaus regt sie die Investitionstätigkeit an.
298 Als Voraussetzung rur die Belebung desösterreichischen Kapitalmarktes soll diebeim derzeitigen Steuersystem gegebeneDoppelbesteuerung der Erträge von Kapitalgesellschaften beseitigt werden. Um die Bildung von Risikokapital anzuregen, ist der Erwerb von Aktien und Beteiligungen an Unternehmen steuerlich zu begünstigen. Bestehende Bagatellsteuern in diesem Bereich sollenabgeschafft werden.
299 Die wirtschaftsfeindliche Gewerbesteuerund deren Form der arbeitsplatzfeindlichenLohnsummensteuer sollen schrittweise abgebaut werden.
9. Kapitel
SozialwesenEinleitung3()1 Soziale Absicherung ist eine wesentlicheAufgabe freiheitlicher Gesellschaftspolitik.Obwohl der Staat aus seiner Verantwortungrur die soziale Wohlfahrt nicht entlassen werden kann, würde seine Entwicklung zum bürokratischen Versorgungsstaat unserenÜberzeugungen zutiefst widersprechen: liberale Sozialpolitik zielt deshalb auf soziale Sicherheit unter Wahrung und Stärkung derpersönlichen Freiheit ab.302 Wir bejahen die von der Gemeinschaft getragene Sicherung der Bürger vor den sozialen Risken bei Unfallen und Krankheiten, beiBehinderung, Berufsunfahigkeit oder Arbeitslosigkeit sowie im Alter. Gleichzeitigwollen wir aber die Spielräume rur persönliche Eigenverantwortung und damit rur dieEigenvorsorge erweitern. Daher ist das Prinzip der Grundversorgung durch die Förderung der eigenverantwortlichen Vorsorge zuergänzen.303 Unsere Sozialeinrichtungen sollen die Sorge vor dem Risiko verringern, das die Freiheitdes Einzelnen mit sich bringt; sie dürfen jedoch nicht den Mut zum Risiko ersticken unddadurch die persönliche Freiheit einschränken. Die Sicherstellung eines bestimmtenMindesteinkommens zum Schutz vor unverschuldeter Not behält ihren sozial verpflichtenden Sinn, wenn die Leistungs- und Risikobereitschaft nicht durch unterschiedsloses,entmündigendes Versorgungsdenken gelähmt wird.304 Der gesellschaftliche Wandel und die gesamtwirtschaftliche Entwicklung erforderneine Sozialpolitik, die nicht losgelöst von derWirtschaftspolitik betrieben werden kann.Diese muß die materiellen Voraussetzungenrur eine erfolgreiche Sozialpolitik schaffen.Andernfalls werden Sozialleistungen - underst recht deren weiterer Ausbau - in Fragegestellt.305 Um das System der sozialen Sicherungnicht zu überfordern, müssen die Beiträgeund das Leistungsangebot im Hinblick aufdie Gesamtkosten in bezug aufWirtschaftslage und Staatsfinanzen in ausgewogenem Verhältnis zueinander stehen und im Gleichgewicht gehalten werden. Die ständig steigendeBelastung der Einkommen durch Pflichtbeiträge muß eingebremst werden.
Die durch eine derartige Maßnahme betroffenen Gemeinden sollen im Rahmen einer erweiterten Steuerhoheit die Möglichkeit eingeräumt erhalten, unter eigener Verantwortung den Ausfall zu kompensieren.300 Wir sind aus pragmatischen Gründen rurein ausgewogenes Verhältnis von direkterund indirekter Besteuerung. Die Liste jenerWaren, die derzeit dem höchsten Mehrwertsteuersatz unterworfen sind, ist laufend aufihre Angemessenheit zu überprüfen undnach Möglichkeit zu reduzieren.Ohne die Vorteile einer Verbrauchsbesteuerung - etwa im Hinblick auf den Verbrauchvon Rohstoffen und Energie - zu übersehen,kann nicht außer acht gelassen werden, daßeine weitgehende Abkoppelung von denSteuersystemen der österreichischen HandeIspartner aus Wettbewerbsgründen nichtwünschenswert erscheint und daß auch aussteuerpsychologischen Gründen auf bestehende Gewohnheiten Rücksicht zu nehmenist.
Organisationder Sozialversicherung306 Aus freiheitlicher Sicht bedarf die Organisation der Sozialversicherung grundlegenderÄnderungen.Organisationsmängel liegen in einer unzeitgemäßen berufsspezifischen Aufsplitterungder Versicherungsträger oder in der unnötigen Überschneidung von Zuständigkeiten(etwa bei Rehabilitationsmaßnahmen). Wirlehnen die gegenwärtige verwaltungs- undkostenaufwendige Zergliederung in mehr alszwei Dutzend Sozialversicherungsträger ab,verlangen einen einheitlichen österreichischen Sozialversicherungsträger und wollengleichzeitig die Nähe zu den Versichertendurch eine föderalistische Organisationsstruktur auf Bezirksebene fdrdern.
307 Im Interesse von Leistungsverbesserung,Durchschaubarkeit, Kostendisziplin undKontrolle streben wir langfristig eine Vereinfachung und womöglich Vereinheitlichungdes Sozialversicherungsrechtes an. Das derzeit in manchen Bereichen gegebene Mißverhältnis zwischen Überversorgung einerseitsund unvollständigem Leistungsangebot(Pflegebedürftigkeit) andererseits ist auszugleichen.308 Wir bekennen uns grundsätzlich zum Umlageprinzip in der Sozialversicherung. Die Sicherstellung von über die garantierte Grundversorgung hinausreichenden Ansprüchenbleibt in einer freiheitlichen Gesellschaftsordnung der Privatinitiative und damit derLeistungswilligkeit und -fahigkeit des Einzelnen überlassen. Die freiwillige Ejgenvorsorge ist jedoch durch steuerliche Begünstigungen zu fdrdern.
Krankenversicherung undUnfallversicherung309 Im Bereich der Krankenversicherung verlangen wir Kostendisziplin aller Beteiligten.Hier halten wir die Einführung einer angemessenen und sozial zumutbaren Selbstbeteiligung bei Bagatell-Leistungen rur eine wesentliche Voraussetzung zur allgemeinen Anhebung des Kostenbewußtseins.Das herkömmliche System der vierteljährlichen Krankenscheine soll durch leistungsorientierte Verrechnungsformen abgelöstwerden. Darur eignen sich Einzelscheine
oder eine Art von Krankenkassenschecks, diekünftig nur mehr rur jeweils eine Behandlungzu gelten haben.Bei Zahnbehandlungen, Zahnersatz und Kieferregulierung ist ein ausreichendes Leistungsangebot zu gewährleisten, wobei auchhier ein sozial zumutbarer Selbstbehalt vorzusehen ist.310 Die Unfallversicherung muß längerfristigüber den Anlaßfall des Arbeitsunfalles hinaus erweitert werden (Übergang vom Kausalitäts- zum Finalitätsprinzip).Höhere Beitragsleistungen werden dabeiebenso wie die Festlegung eines Selbstbehaltes - soweit es sich nicht um Arbeitsunfallehandelt - unumgänglich sein.
Pensionsversicherung311 Wir halten die schrittweise Angleichungdes Pensionsanfallsalters bei Frauen undMännern auf das 60. Lebensjahr ftir zeitgemäß, sofern entsprechende generelle Regelungen mit der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung vereinbar sind. Darüber hinaus sollen jedoch Möglichkeiten geschaffen werden,den Pensionseintritt ab dem 55. Lebensjahrfrei wählen zu können und gleitende Übergänge z. B. bei nur teilweiser Weiterarbeit sicherzustellen. Im letzteren Fall gebührt abVollendung des 65. Lebensjahres eine erhöhte Alterspension.Die Bemessung der Pensionen sollte in Zukunft nach dem versicherung~mathematisch
ausgerichteten Durchrechnungsprinzip aufder Basis der Lebensarbeitszeit erfolgen.Müttern sind die Zeiten der Kindererziehungbei der Ermittlung eines Pensionsanspruchesangemessen anzurechnen.312 Die Ruhensbestimmungen sind der jeweiligen Beschäftigungssituation und den wirtschaftlichen Gegebenheiten anzupassen. Unter ökonomisch günstigen Verhältnissen lehnen wir Ruhensbestimmungen beim Zusammentreffen von Pension und Erwerbstätigkeit grundsätzlich ab. Wenn es aber eine angespannte Arbeitsmarkt- und Wirtschaftslage erfordert, ist die befristete Einführung solcher Regelungen unumgänglich. Wir Freiheitlichen werden stets ftir eine Lockerungder Ruhensbestimmungen eintreten, wenn esdie arbeitsmarktpolitische Situation erlaubt.Gerade bei der Pensionsversicherung ist derFörderung der auf individuelle Bedürfnisseabgestimmten Eigenvorsorge sowie der Betriebspensionen besonderes Augenmerk zuschenken.
Sozialhilfe313 Von all jenen Mitbürgern, die nicht odernur teilweise dem Schutz der Sozialversicherung unterliegen bzw. die mit den gebotenenLeistungen kein Auslangen finden, kann primär private Eigenvorsorge erwartet werden.Es gehört jedoch trotzdem zu den Pflichtender Gemeinschaft, dort zu helfen, wo Selbsthilfe nicht möglich ist oder wo unverschuldetin Not Geratene keinerlei Unterstützung vonanderer Seite erhalten.Die vorrangige Zielrichtung der Sozialhilfeliegt kurzfristig im Beistand ftir den Unterstützten; längerfristig soll er in die Lage versetzt werden, sein Schicksal möglichst selbstwieder in die Hand zu nehmen.Schon unter dem Gesichtspunkt der Gerechtigkeit ist aber auch hier zu verhindern, daßöffentliche Mittel mißbräuchlich in Anspruch genommen werden.
Nachbarschaftshilfe314 Obwohl die soziale Grundversorgungdurch staatliche und kommunale Fürsorge sicherzustellen ist, sollten auch Wege gesuchtwerden, die dem ständigen Anstieg der Sozialaufwendungen entgegenwirken.
Rohstoffe und Energie
Immer mehr Betreuungs- und' Pflegeaufgahen. die früher kostenlos innerhalb der Familieerfüllt wurden, sind im Zuge des sozialenWandels auf die Gemeinschaft übergegangen. Dabei können Geldleistungen allein vielEm Benachteiligten nicht die menschlicheHilfe ersetzen, die zur echten Verbesserungschwieriger Lebenssituationen, wie etwaVereinsamung, führt.:115 Wir sehen in der freiwilligen Nachbarschaftshilfe eine große Zukunftschance, dieden Hilfsbedürftigen ebenso wie den Helfernmenschlichen Gewinn zu bringen vermagund überdies den Staatseinfluß zurückdrängt sowie die Ausgaben entlastet. Wir sinddavon überzeugt, daß viele Menschen - sei esunbezahlt oder gegen kleinere Vergütungengerne bereit wären, Hilfe in der Nachbarschaft zu leisten. Die Schaffung und Erhaltung von menschlichen Kontakten ist z. B. besonders für behinderte oder ältere Personenvon größter Bedeutung. Vielen alten Mitbürgern könnte durch Nachbarschaftshilfe dieoft ungewünschte Übersiedlung in Altersheime ganz oder wenigstens aufZeit erspart werden.
316 Im einzelnen wäre an die private Organisation von Einkaufs-, Zustell- und Besuchsdiensten, an die Einrichtung von Telephonketten und regelmäßigen Anrufen bei behinderten, kranken und alten Mitmenschen undallgemein an Initiativen zur Hebung des sozialen Verantwortungsgefühls zu denken.Kleine soziale Netze sind eine vielversprechende Zukunftsform der zwischenmenschlichen Beziehungen und eine zusätzlicheKomponente im System der sozialen Sicherheit.
Behinderte317 Die Behinderten zählen zu den schutzbedürftigsten Gruppen unserer Gesellschaft.Das Hauptziel freiheitlicher BehindertenpoliHk liegt in der Integration der Betroffenen indie Gemeinschaft durch aktive Teilnahme amgesellschaftlichen Leben. Dabei gilt es vor allem, das Mitleid in Verständnis zu wandelnund gegenseitige Partnerschaften zwischenbehinderten und nicht behinderten Menschen herzustellen.318 Die Öffentlichkeit muß über Ursachenund Auswirkungen von Behinderungen unvoreingenommen informiert werden. Die Bereitschaft, Behinderte vorurteilsfrei alsgleichwertig anzuerkennen und sie am Arbeitsplatz zu akzeptieren, sollte ein Ziel dieses Informationsprozesses sein.Neben einer besseren Schwangerenbetreuung und -beratung muß vor allem die ärztliche Aus- und Weiterbildung im Hinblick aufdie Früherkennung von Behinderungen ausgebaut werden. Die Vermehrung von entwicklungsdiagnostischen Zentren zur Frühdiagnose und Frühbehandlung von Behinderungen ist anzustreben.319 Bei öffentlichen Gebäuden und aufWegenist auf behindertenfreundliche Gestaltung zuachten. Geeignete Wohnungen sind beiWohnbau einzuplanen; durch Behinderungen erforderliche Umbauten sollen finanziellgefdrdert werden. Die Erschließung neuerBerufstätigkeiten für Behinderte kann dieFörderung von Behindertenarbeitsplätzenwirkungsvoll ergänzen. Wir setzen uns fUr dieSchaffung eines bundeseinheitlichen Behindertenausweises sowie fUr eine Vereinheitlichung des Behindertenrechtes ein.
Gesundheitspolitik320 Über das persönliche Interesse an Gesundheit hinausgehend ist die Volksgesundheitein gemeinsames. Gut, dessen Sicherung zuden öffentlichen Aufgaben zählt und einen
Bestandteil der sozialen Sicherheit darstellt.Im Bereich der Gesundenvorsorge soll nichtin den Bemühungen nachgelassen werden,zu verstärkter Inanspruchnahme der Gesundenuntersuchung zu kommen. Wir Freiheitlichen werden uns nach Kräften dafür einsetzen, daß diese bereits erwähnte Vorsorgenicht aus rein finanziellen Gründen aufgegeben wird. Der für die Krankenversicherungvorgeschlagene sozial gestaffelte Selbstbehalt könnte dem entgegenwirken. Die Wahrung der persönlichen Geheimsphäre bleibtdie ..Voraussetzung einer erfolgreichen Gesundheitsprophylaxe.
321 Ärzte und Lehrer sind in Belangen der Gesundheit-serziehung zu schulen. Die Vermittlung eines "Gesundheitswissens" an allenSchulen hat dabei besonderes Augenmerkauf die krankheitsfdrQernden Folgen von Alkohol- und Nikotinmißbrauch sowie auf denRauschgiftkonsum zu legen. Bezieht sich dieärztliche Aufgabe dabei mehr aufdie entsprechenden Krankheitserscheinungen, so erstreckt sich die erzieherische Tätigkeit aufdas Vorfeld der familiären und sozialen Umgebung und rlamit in Ursachenbereiche.
322 Für die Krankenbehandlung ist es unerläßlich, den Allgemeinpraktiker, insbesondere den Hausarzt oder Landarzt, zu erhalten.Für alle in Ausbildung stehenden Ärzte wärebei gleichbleibender Gesamtausbildungsdauer die Absolvierung eines Ausbildungshalbjahres bei einem praktischen Arzt vorzusehen.
Hinsichtlich der Situation aufdem ärztlichenArbeitsmarkt versprechen wir uns Verbesserungen durch die Einführung von Gruppenpraxen (neue Rechtsfigur der "Praxisgemeinschaft") bzw. durch die Anstellung von Jungärzten durch frei praktizierende Kollegen.
Spitalswesen323 Besonderes Augenmerk muß in Zukunftauf rationelle BetriebsfUhrung im Spitalswesen gerichtet werden. Im Spitalswesen tretenwir ebenfalls fUr leistungsorientierte Finanzierungsformen ein. Als Grundlage der Versicherungsleistungen für Aufenthalte in Spitälern fordern wir die Erstellung von objektivierten Normkosten; darunter ist ein einheitliches Kostenschema für gleichartige Leistungen zu verstehen. Die Krankenversicherungsträger haben die durchschnittlich entstandenen tatsächlichen Kosten der Spitalsaufenthalte zu ersetzen.
324 Eine bessere ärztliche Betreuung wäre vonder EinfUhrung von Departments zu erwarten. Es sollen wieder verstärkt kleinere Spitäler eingefUhrt werden. Das Paracelsus-Klinik-Modell erscheint uns als das Modell füreine sinnvolle Ergänzung.
10. Kapitel
Einleitung327 Ein grundlegendes Ziel freiheitlicher Rohstoff- und Energiepolitik ergibt sich aus derErkenntnis, daß die Erde als geschlossenesökologisches System zu betrachten ist, sowieaus unserem politischen Bekenntnis zurschicksalshaften Verbundenheit aller Menschen und Völker der Erde. Wir lehnen dahereine Rohstoff- und Energiepolitik ab, die aufder Übervorteilung der dritten' Welt beruhtund eine Verschleuderung von .1q,ohstoffenund Energie zuläßt, die nur auf Grund ver-
Was Menschlichkeit und Zuwendung zumPatienten betrifft, so ist die Pflegesituation inGroßabteilungen in der Regel ungünstig.Darüber· hinaus fUhrt der systembedingteZwang zur möglichst vollständigen Ausnutzung der Bettenkapazität zu einem ständigenMangel an Akutbetten. Eine Humanisierungder Krankenpflege ist durch radikale Verkleinerung der Abteilungen zu erreichen; demzweiten Problem soll durch die Schaffung getrennter Abteilungen für "akut" bzw. "chronisch" Kranke begegnet werden. Kranke ältere Mitmenschen sind in speziell geriatrischen Abteilungen zu pflegen.Die Inanspruchnahme von Spitalspflege sollte dort, wo dies möglich erscheint, durch denAusbau sinnvoller anderer Maßnahmen vermindert werden: Die Hauskrankenpflege istmit Hilfe mobiler Krankenbetreuer zur Entlastung der Spitäler auszubauen.In den 'Altenwohnheimen sind gesondertePflegeabteilungen einzurichten beziehungsweise vorzusehen.
Psychiatrie-Reform325 Ein aus liberaler Sicht besonders berücksichtigungswürdiges Gebiet der Medizinstellt die Behandlung und Verwahrung psychisch Kranker dar. Es ist dabei hervorzuheben, daß psychische Krankheiten wohl eineEinschränkung der Persönlichkeit darstellenkönnen, jedoch nicht eine Aufuebung der mitder Würde der menschlichen Person verbundenen Rechte mit sich bringen. Zwangseinweisung ist daher nur im Ausnahmefall, mitäußerster Vorsicht und unter exakter Beachtung der gesetzlichen Vorschriften, anzuwenden. Auch bei langdauernder Hospitalisierung ist laufend zu überprüfen, ob die Voraussetzungen fUr eine Anhaltung gegebensind.326 Grundsätzlich hat die psychiatrische Betreuung darauf abzuzielen, eine Eingliederung psychisch Erkrankter in die Gesellschaft zu ermöglichen, wo immer dies verantwortbar erscheint. Zu diesem Zweck ist dieEinrichtung von Übergangsheimen, Nachtkliniken und dergleichen sowie die gezielteBetreuung von Familien, in denen psychischKranke leben, weiter voranzutreiben.Eine Herausforderung für das liberale Prinzip des Schutzes der Rechte der Persönlichkeit stellen auch die Eingriffsmöglichkeitendar, die die Entwicklung der modemen Psychopharmaka sowie die Psychochirurgie =nitsich gebracht haben. Auch hier gilt derGrundsatz, daß derartige Eingriffe der Zustimmung der betroffenen Person bedürfenbzw. daß diese, soferne eine einsichtige Entscheidung nicht erwartet werden kann, nurdann durchgefUhrt werden dürfen, wennschweres seelisches oder körperliches Leidnicht anders verhindert werden kann.
zerrter internationaler Wettbewerbsbedingungen wirtschaftlich möglich ist.
328 Die politische Notwendigkeit, sich mit denVorgängen der Energie- und Rohstoffgewinnung und -verwendung zunehmend regulativzu befassen, ergibt sich vor allem aus der Tatsache, daß der Mensch in seiner kulturellenEntwicklung die Verwendung von Rohstoffen und Energie immer stärker eindimensional gesehen hat, nämlich im Hinblick aufAnwendungsmöglichkeiten. Er hat dabei diezweite Dimension, nämlich die Frage ihrer
Herkunft und ihrer Erneuerungsmöglichkeiten, weitgehend aus dem Blick verloren. Wirmüssen heute wieder lernen, daß menschliche Kultur im Umgang mit den Schätzen derNatur - auch und vor allem im industriellenund technischen Bereich - nur im Erkennenund in der Nutzbarmachung natürlicherÜberkapazitäten bestehen kann, nicht aberim Raubbau und in der Verschwendung natürlichen Produktionskapitals.329 Oberstes Ziel freiheitlicher Rohstoffpolitik ist es daher, die Verwendung nicht erneuerbarer Rohstoffe möglichst kurzfristig undmöglichst weitgehend zu reduzieren. Dies bedeutet zunächst in Teilbereichen den Verzicht auf weiteres Wachstum, wo dieses aufdem Einsatz nicht langfristig verfUgbarerRohstoff- und Energiequellen für nicht lebenswichtige Produktionszweige beruht.Dies bedeutet aber weiters, daß die wissenschaftliche Forschung in noch stärkerem Maße als bisher zur Entwicklung von Substitutionstechniken (Ersatzstoffe) herangezogenwerden muß, durch die das Schwergewichtder wirtschaftlichen Produktions- undWachstumsprozesse vom einseitigen Verbrauch natürlicher Vorräte zum Gebrauch imRahmen wiederholbarer Kreisläufe zurückgefUhrt werden kann.330 Ein bedeutsamer Gesichtspunkt bestehtdari~ldaß die beträchtliche Importabhängigkeit Osterreichs auf dem Sektor der Rohstoffe auch eine Gefahr fUr die Unabhängigkeitbesonders im Krisenfall- darstellt. Dies darfnicht als Forderung nach einem RückzugÖsterreichs aus internationalen Wirtschaftsbeziehungen mißdeutet werden; es ist jedochVorsorge zu treffen, daß im Falle internationaler Krisen eine möglichst reibungsloseUmstrukturierung auf im Inland verfUgbareQuellen und Vorräte erfolgen kann undOsterreich nicht auf Grund selbstgeschaffener Abhängigkeiten erpreßbar wird.Die österreichische Lagerstättenerkundungist intensiv fortzusetzen. Inländische Vorkommen sind im Sinne einer Reservehaltungschonend abzubauen.
Krisenvorsorge331 Im Interesse der Krisenvorsorge ist eineausreichende Bevorratung für bestimmteRohstoffe und seltene Metalle vorzusehenund durchzufUhren, die in Österreich nichtgewonnen werden können und auch nichtsubstituierbar sind. Gleiches gilt hinsichtlichFutter-, Dünge- und Betriebsmittel fUr dielandwirtschaftliche Pflanzen- und Tierproduktion.332 Zur Krisenvorsorge ist weiters eine möglichst breite Streuung der Bezugsquellen anzustreben. Bestehende und neu angestrebteBezugsvereinbarungen sind durch langfristige Verträge abzusichern. Rohstoff- und Energiebeschaffung im Hinblick auf Krisenvorsorge stellen auch im Rahmen der österreichischen Außenpolitik eine ständig gegebeneAufgabe dar.
333 Weitere Probleme grundsätzlicher Naturergeben sich im Zusammenhang mit demTransport von Rohstoffen und Energieträgern. Die internationale Verflechtung des Güteraustauschs hat zur Folge, daß ein nicht unbeträchtlicher Anteil an Energie aufgewendet werden muß, um Rohstoffe und Energieträger weltweit zu transportieren.Es entspricht unserer Forderung nach einemschonenden Umgang mit den vorhandenenVorräten, jeden unnötigen Transportverschleiß zu vermeiden. Dies bedeutet in ersterLinie, daß Dumping von Transportkosten ausprotektionistischen Überlegungen wirksamunterbunden werden muß.Folgekosten, die durch die Gefahrdung ökologischer Systeme durch den Transport der-
artiger Güter entstehen, sind in die Wirtschaftlichkeitsberechnungen voll einzubeziehen.
Schonwirtschaft3M Bei der Nutzung erneuerbarer Rohstoffund Energiequellen ist darauf zu achten, daßderen langfristige Nutzung wesentlich vonder Schonung ihrer reproduktiven Kapazitätabhängt. Dies betrifft in besonderer Weise dieNutzung der Biomasse, d. h. jener pflanzlichen und tierischen Produkte, die in vielfältiger Weise bereits heute als Rohstoffe Verwendung finden,jedoch darüber hinaus als ErsatzfUr nicht erneuerbare Stoffe in Betracht gezogen werden müssen.335 Der Erforschung und Berücksichtigungjener ökologischen Zusammenhänge, die fUrdie Erhaltung und den langfristigen Bestandder jährlichen Produktion an Biomasse verantwortlich sind, ist daher besondere Bedeutung zuzumessen. Im besonderen ist der Fortschritt agrarischer Produktionsmethodennicht primär am punktuellen Ertrag, sondernan der langfristigen Erhaltung bzw. Steigerung der Bodenfruchtbarkeit zu messen.
Energiepolitik336 Die heute in den Industrieländern verfUgbare Wirtschaftskraft beruhtaufeinem gigantischen Energieeinsatz, der mehr als das Hundertfache dessen ausmacht, was den Menschen in früheren Zeiten zu Gebote stand.Dieser Energieeinsatz wurde nur möglich,weil Technik und Wirtschaft die Nutzung derfossilen Energierohstoffe, KoWe, Erdöl undErdgas erschlossen. Im Zuge der wachsenden Verschwendung dieser fossilen Energieträger kam,es zu Raubbau, als dessen Folgedie Erschöpfung insbesondere der Ölvorkommen in die Nähe gerückt ist.Gleichzeitig zeigt sich, daß abgesehen vomRaubbau auch die Verwendung dieser Energiemengen mit ihren Begleiterscheinungeneine große Umweltbelastung und teilweiseauch Umweltzerstörung bewirkt. Wir müssendaher von der Erkenntnis ausgehen, daß sowohl von der Erschöpfung bestimmter Energierohstoffe her wie aus allgemeinen Umweltschutzgründen eine grundsätzlich neueEnergiepolitik vonnöten ist.337 Erzeugung und Verwendung von Energiehaben so sparsam wie nur möglich und unterweitgehender Schonung der Umwelt zu erfolgen. Die Energierohstoffe sind solchen Umwandlungsprozessen und Verwendungsarten zuzufUhren, die die jeweils günstigstenWirkungsgrade an Ausnutzung erbringen. Inallen Bereichen von Produktion und Verbrauch muß der Energieeinsatz unter Verwendung modernster Technik (elektronischeSteuerung und dergleichen) optimiert werden.Wichtig fUr sinnvolles Energiesparen sindVorkehrungen, die einen Energiebedarf vonvornherein nicht oder nur begrenzt entstehenlassen. Dazu zäWen die Wärmedämmung vonGebäuden, technische Veränderungen in denProduktionsweisen, Vermeidung unnötigerTransportleistungen und energiebewußteLebensweise. Alle in diese Richtung zielenden Entwicklungen sind wirtschafts- und sozialpolitisch, aber auch durch Informationund Erziehung zu fOrdern.
Energieträger338 Von der Erschöpfung der Vorkommensind vor. allem die fossilen EnergieträgerErdöl, Erdgas und Kohle betroffen. Da dieVorkommen an ÖI- welches immer noch fastdie Hälfte unserer Energieversorgung stellt in weniger als zwei Menschenaltern weitgehend erschöpft sein werden, verlangen wirnachdrücklich den "Rückzug aus dem Öl".
339 Das gleiche gilt, wenn auch zeitlich abgeschwächt, fUrdas Erdgas. BeiÖI wie Gas mußauch berücksichtigt werden, daß beide Rohstoffe nicht nur für en~rgetischeZwecke, sondern in großem Ausmaß auch fUr chemischeZwecke teilweise unersetzbar sind. Dahermuß das Bewußtsein dafUr geweckt werden,daß die hemmungslose Verfeuerung von Ölund Gas eine unvernünftige Verwendungdieser Rohstoffe darstellt.340 Auch die Kohle ist ein wertvoller RohstofffUr chemische Produktionen und sollte daherebenfalls nicht bioß als Brennstoff gesehenwerden. Andererseits bilden die bekanntenReserven an Kohle ein Mehrfaches der Vorkommen von Öl und Gas zusammengenommen. Deshalb betrachten wir die Kohle alseine tragfahig~ Brücke fUr einen längerenZeitraum des Uberganges von der herkömmlichen Energiewirtschaft auf eine künftigneue.
341 Erdgas ist der umweltfreu,ndlichste fossileEnergieträger und sollte daher der Verwendung in stark belasteten Ballungsräumenvorbehalten bleiben. Bei Verbrennung vonÖl und mehr noch bei Kohle entstehen vieleumweltbelastende Schadstoffe. Daher fordern wir die Heranziehung aller verfUgbarentechnischen Mittel zur Entgiftung der Rauchund Abgase sowie zur Verbesserung der Verbrennungsprozesse. Die Kosten fUr dieseUmweltschutzmaßnahmen sind grundsätzlich in den Energiepreisen unterzubringen.Hinsichtlich der Kohle begrüßen wir alletechnischen Entwicklungen, die auf umweltschonende Und wirtschaftliche Methoden zurKohlevergasung und KohleverflüssigunghinfUhren.
Atomenergie342 Wir lehnen die großtechnische energiewirtschaftliche Nutzung der Atomkraft aufder Basis der Kernspaltung beim gegenwärtigen Stand der Technik ab. Überdies befUrchten wir, daß ein Ausweichen auf die Atomenergie die rasche Entwicklung alternativerTechniken zur. Energiegewinnung unnötigverzögert.Wir bejahen aber die Atomforschung,weilnicht von der Hand zu weisen ist, daß neueund vielleicht ungefahrliche Formen derKernenergienutzung gefunden werden können. Wir befUrworten auch die kleintechnische Nutzung der Atomenergie und damit zusammenhängender Produkte fUr medizinische, industrielle und Forschungszwecke.Auch hier erscheinen uns jedoch die Fragender Entsorgung noch nicht gelöst, so daß weitere Forschung dringend angezeigt ist.
Emeuerbare Energiequellen343 Angesichts der Erschöpfung der fossilerEnergieträger gewinnen die erneuerbarerEnergiequellen erhöhte Bedeutung: WasserWind und Biomasse. Sie sind in KreisläuferverfUgbar und können daher bei pfleglichelBehandlung wiederkehrend genützt werdenFür Österreich hat die Nutzung der Wasserkraft mit gegenwärtig rund 70 Prozent AnteLan der Elektrizitätserzeugung herausragendEBedeutung. Wir treten auch im Sinne der Unabhängigkeit Österreichs fUr den weiterer,begrenzten Ausbau der Wasserkraft untersorgfältiger Bedachtnahme auf Landschaftund Ökosysteme ein. Besonderes Augenmerk sollte in Zukunft aufkleine und mittlerEWasserkraftwerke gelegt werden.Neben der Wasserkraft stellt die Windkrafteine besonders umweltfreundliche Energiequelle dar. Die meteorologischen Verhältnisse in Österreich lassen freilich nur eine begrenzte Nutzung des Windes zu. Trotzdemsoll aufeine weite Verbreitung der kleintech-
nischen Nutzung der Windkraft hingearbeitetwerden.344 Große Möglichkeiten bietet die Biomasse,die sich im Erntezyklus,erneuert, sofern nichtRaubbau betrieben wird, den wir selbstverständlich ablehnen. Vom Brennholz überStroh bis zum Anbau besonderer Energiepflanzen spannt sich ein großer Boden; Damitund in Verbindung mit Abfallen aus derLandwirtschaft eröffnen sich beachtlicheMöglichkeiten für die Erzeugung von Biogasund Biosprit.Wir fordern intensive Entwicklungsarbeitenauf allen diesen Bereichen der Energiegewinnung aus Biomasse mit dem Ziel, zunächstdie Landwirtschaft im Sinne einer Selbstversorgung energieautark zu machen und danngewichtige Beiträge zur allgemeinen, Energieversorgung zu leisten. Das kommt sowohlder volkswirtschaftlichen Energieversorgung wie auch der Ertragslage der Landwirtschaft zugute.
Sonnenenergie345 Die unerschöpfliche Energiequelle derSonnenstrahlung kann auf vielfältige Weisedirekt oder indirekt genutzt werden. Aufdiesem Gebiet ist eine stürmische technologische Entwicklung im..Gange, die wir begrüßen und an der sich Osterreich nach bestenKräften beteiligen soll.Für unsere Breitengrade steht die Gewinnung von Niedertemperaturwärme im Vordergrund. Hierbei. kommt der Wärmepumpentechnik (Nutzung der Umgebungswärme) eine wichtJge Rolle zu. Mittelfristig giltes, die Stromgewinnung aus Solarzellen,langfristig die Erzeugung von Wasserstoff alsSekundärenergieträger zu fördern.346 Eine wichtige Zielrichtung muß die breiteAnwendung der Erkenntnisse der Solararchitektur zur passiven Nutzung der Sonnenenergie im Bauwesen sein. Flankiert durch Wärmeschutz, Speichersysteme und Wärmepumpen bietet sich hier ein Weg zu enormer Energieeinsparung und gleichzeitig optimalemUmweltschutz ohne Komfortverluste an.Wir erachten es als eine der großen energiepolitischen Zukunftsaufgaben, die umfassendetechnische Nutzung der Sonnenenergie besonders rasch voranzutreiben.
Abwärme - Fernwärme Erdwärme
Neben der Umgebungswärme bietet sichdie Abwärme aus industriellen Prozessenoder kalorischer Stromerzeugung als günstige Quelle rur die Deckung von Wärmebedarfan. Alle diesbezüglichen Aktivitäten gehörengefordert. Für besonders wichtig halten wirdie Koppelung vop Strom- und Wärmeerzeugung sowohl in Klein- wie in Großanlagen.Reine Fernheizanlagen ohne Koppelung halten wir unter energiewirtschaftlichen Gesichtspunkten für wenig vorteilhaft. Bei richtiger Größenordnung können solch~Anlagenallerdings zur Verbesserung der Luftqualitätin Ballungsräumen beitragen.Fernwärmeversorgung ist eine Aufgabe derRaumordnung, darf dem Konsumenten abernicht losgelöst von marktwirtschaftlichen Erwägungen aufgezwungen werden.348 Die Nutzung der Erdwärme (Geothermie)bietet in Österreich zahlreiche, aber nochkaum genutzte Möglichkeiten. Wir fordernverstärkte Bemühungen zur praktischenUmsetzung bereits theoretisch erkannterVorkommen in lokale und regionale Fernwärmeversorgung.
Elektrizitätswirtschaft349 Angesichts der gut ausgebauten Strome'rzeugung muß die Elektrizitätswirtschaft inÖsterreich dazu verhalten werden, in Zu-
kunft mehr Bedacht auf Erfordernisse desUmwelt- und Landschaftsschutzes zu nehmen.Der Ausbau der Wasserkraft ist behutsamfortzusetzen. Im Bereich kalorischer Stromerzeugung sollen nur mehr kleine und mittlere Anlagen mit maximaler Rauchgasreinigung errichtet werden.Das Netz der Stromwege soll aus Gründendes Landschaftsschutzes in einem längerfristigen Programm so weit wie möglich aufunterirdische Verkabelung umgestellt werden.350 Organisation und Führungsstruktur der
11. Kapitel
UInweltpolitil{Einleitung351 Wir Freiheitlichen setzen uns für eineNeuorientierung der Umweltpolitik ein. DieBehebung vorhandener Umweltschäden istzwar von großer Bedeutung, zunehmendwichtiger wird aber die Ausrichtung der Umweltpolitik am Prinzip der ökologischen Vorsorge. Seine besondere ökologische Bedeutung erhält das Vorsorgeprinzip aus der Tatsache, daß viele Umweltschäden durch nachträgliche Maßnahmen nicht mehr korrigiertwerden können. Seine ökonomische Bedeutung liegt darin, daß konsequente Umweltvorsorgepolitik langfristig auch wirtschaftlich sinnvoll ist.352 Nach unserer Auffassung bilden ebensowie soziale auch ökologische Grundwerte dieRahmenbedingungen f'ür die Entfaltung derMarktwirtschaft. Diese muß überall dortdurch ordnende Eingriffe gesteuert werden,wo sie zu negativen ökologischen Folgenführt. So machen es zum Beispiel die beschränkte Verfügbarkeit aller Rohstoffe alsauch das nach wie vor wachsende Volumenvon Abfällen und die mutwillig auf Verschleiß produzierten Güter notwendig, dieWiederverwertung gebrauchter Güter somassiv zu fOrdern, daß vordergründige Kostenvorteile des Ersteinsatzes von Rohstoffenwegfallen.
353 Umweltpolitik muß für bestimmte Zeiträume ihre Ziele klar und überprüfbar vorgeben. Zur Erreichung dieser Ziele müssen unvoreingenommen alle umweltpolitischen Instrumente hinsichtlich Wirksamkeit undDurchführbarkeit geprüft werden. Die Festlegung auf eine einzige Maßnahmenkategorie, wie z. B. Auflagen, Umweltsteuern usw.verhindert häufig die beste Lösung.Da zur Durchsetzung von politischen Zielenimmer auch das Verständnis und die Kooperationsbereitschaft der Bürger notwendig ist,ist Umweltbewußtsein Voraussetzung einerdurchsetzungsfahigen Umweltpolitik. DerMensch, der den Weg in eine ökologischorientierte Zukunft gestalten soll, benötigtnicht nur Sachkenntnis und Überblick, sondern auch in besonderem Maße EinfUhlungsvermögen.Erziehung und Schule haben hier eine wichtige Aufgabe.
Veru·rsacherprinzip.354 Fürden Umweltschutz ist eine Grundkompetenz des Bundes zu schaffen und derenWahrnehmung dem Ministerium für Gesundheit und Umweltschutz zuzuordnen. Umweltverträglichkeitsprufung und Technologiefolgenabschätzung müssen Grundlage fUrumweltpolitische Entscheidungen werden.Wir treten fUrdas Verursacherprinzip ein, wonach die Kosten ökologischer Maßnahmen
E-Wirtschaft sind zwecks Kosteneinsparungzu straffen, ohne dabei die f6deralistischeGrundstruktur aufzugeben;
Der Elektrizitätswirtschaft muß durch Gesetz auch die Aufgabe zugeordnet werden, dieStromverbraucher über sparsame Verwendung aufzuklären. Eine Ankurbelung desStromverbrauches durch Werbung, ohneRücksiCht auf den energiewirtschaftliehsinnvollen Einsatz von Strom, lehnen wir ab.Wir befUrworten grundsätzlich ein Tarifsystem, das die sparsame Verwendung vonEnergie begünstigt.
grundsätzlich vom Verursacher zu tragensind. Zur Feststellung des Verursachers istbeispielsweise auch·eine epidemiologischeBeiweisfUhrung ausreichend. Die Gemeinschaft als Ganzes kann dort haftbar gemachtwerden, wo, wie im Falle weit zUIÜckreichender Schäden, ein Verursacher nicht zur Sanierung herangezogen werden kann.Überwälzung von Kosten auf die Gerneschaft hat auch dann ihre Berechtigurwenn sich sonst die Entwicklung und Einftirung neuer,. umweltfreundlicher Produktund Verfahrensweisen aus Gründen fehlerder privatwirtschaftlicher Rentabilität verzögerten.Ziel sollte es sein, daß die Kosten fUr Umweltschutz in den Preisen für Güter und Dienstleistungen ihre Deckung finden, so daß sie letzten Endes vom Verbraucher zu tragen sind.
355 Als vom Einfluß großerlnteressenverbän.de freie Partei wollen wir allen sogenannten"Sachzwängen" im Bereich der Umweltpolitik kritisch entgegentreten.Aus unserer liberalen Tradition heraus haltenwir eine Stärkung der Rechtsposition des einzelnen Bürgers sowie von Bürgerinitiativenebenso fUr erforderllch wie die Stärkung derPosition der Umweltschutzverbände im pluralistischen Interessensgefüge. Wir befürworten den Ausbau der Parteistellung desEinzelnen, die Möglichkeit der begrenztenParteistellung von Bürgerinitiativen in bestimmten Umweltverfahren sowie die EinfUhrung von Verbandsklagen fUr anerkannteUmweltschutzverbände.Mit der Bauwirtschaft und allen berührtenGruppierungen sind transparente UmweltverträglichkeitspIÜfungen vorzunehmen.356 Alle Bemühungen zur Erzielung internationaler Umweltschutzvereinbarungen müssen tatkräftig unterstützt werden. Bei Ab·schluß von Handelsverträgen sind umwelterhaltende Kriterien zu berücksichtigen. EineKonvention über ein weltweites "Umweltgütesiegel" ist anzustreben.
Ernährung und Bodenschutz357 Durch einseitige Landbewirtschaftung,falsche Fruchtfolge (Monokulturen), übertriebenen und unsachgemäßen Einsatz vonChemie und konsequente Spezialisierungentstehen oft ökologisch unerwünschte Folgewirkungen. Ähnliches gilt fUr die herkömmliche Form der Flurbereinigung, die zueinem Artenschwund fUhrt. Hier müßten verstärkt Grundsätze ökologisch richtiger Landschaftsändening zum Tragen kommen.Neben Mineraldüngern und chemischenPflanzenschutzmitteln fUhren auch übertriebene Entwässerungsmaßnahmen, wildeMülldeponien und der Schadstoffeintrag ausder Luft (Emissionen aus Industrie und Ver-
kehr) zu einer zunehmenden Belastung unserer Böden.358 Ein modernes Düngemittelgesetz ist erforderlich. Wir wollen einen maßvollen undfachgerechten Einsatz von Mineraldüngernsowie die zurückhaltende Verwendung vonchemischen Pflanzenschutzmitteln unter Berücksichtigung des integrierten Pflanzenschutzes (Einbindung biologischer Grundsätze). Die landwirtschaftliche Betriebsberatung ist stärker als bisher auf die ökologischen Aspekte der Landbewirtschaftung auszurichten.Auch die Agrarforschung hat in ihren Konzepten darauf Bedacht zu nehmen, wobei dasSchwergewicht der Forschung stärker alsbisher auf Qualität als auf Quantität zu legenist. In den Landwirtschaftsschulen sollte"Ökologie" Pflichtfach werden.Auf Grund der zunehmenden Umweltbelastungen unserer Böden soll ein umfassendesBodenschutzkonzept erarbeitet werden.Die Energieversorgung auf der Grundlagevon Biomasse ist für die Landwirtschaft voranzutreiben.
359 Wir treten für die Förderung alternativerLandwirtschaftsformen mit einem entsprechenden Anteil an ökologischen Ausgleichsflächen und für Mischkulturformen unterAufrechterhaltung natürlicher Stoffkreisläufe ein.Wir befürworten die Bevorzugung regionalangepaßter Nutztierrassen und Pflanzensorten sowie die Schaffung von kleinräumig gegliederten Kulturlandschaften.
Geschützter Wald360 Wälder dienen als Lebensraum vielerPflanzen- und Tierarten, Trinkwasserspeicherung, Lawinen- und Erosionsschutz, klimatische Ausgleichsfaktoren, bedeutendeWirtschafts- und Erholungsgebiete. Die aufwirtschaftlichen Höchstertrag ausgerichteten forstlichen Maßnahmen, wie zum Beispiel standortwidrige Monokulturen, großflächige Kahlschläge, der Einsatz übergroßerMaschinen und Forstchemikalien, das dichteNetz von oft rücksichtslos angelegten Forststraßen und Skipisten, das Uberhegen desSchalenwildes und die Einwirkung des sauren Regens,. haben schwere ökologischeSchäden in Osterreichs Wäldern bewirkt.
361 Es sind daher alle nur möglichen Maßnahmen zu ergreifen, die zu einer Rettung unserer Wälder beitragen können. Nicht standortgerechte Forstbestände müssen durchMischwälder ersetzt werden.Eine weitere chemische Belastung des Waldes ist hintanzuhalten, forstliche und fremdenverkehrsmäßige Erschließungsmaßnahmen müssen der Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen werden.Großräumig zusammenhängende Waldgebiete sollen als Lebensraum für gefahrdeteund wieder einzubürgernde Tier- und Pflanzenarten erhalten bzw. geschaffen werden.Neben der Schaffung von Ruhezonen für dasWild einerseits wird auch eine Reduzierungüberhöhter Wilddichtell andererseits notwendig sein,Zur Bekämpfung des sauren Regens ist einekonsequente Luftreinhaltepolitik unerläßlieh.
Grenzen des Wachstums362 Eine Fortsetzung der unbegrenzten Energieverbrauchszuwächse sprengt alle natürlichen Grenzen und führt zur Zerstörung desökologischen Systems. Darum ist die energiepolitische Entwicklung von existentieller Bedeutung.363 Das freiheitliche Menschenbild mit der Betonung der Eigenverantwortung findet seine
besondere Herausforderung in der Änderungder Lebensgewohnheiten, weil dadurch jederEinzelne dazu beitragen kann, drohende Engpässe 1m uereich der Versorgung mit Rohstoffen zu vermeiden, die Belastung unsererLebensgrundlagen zu vermindern und damitdie Verantwortung für den Umweltschutznicht auf den Staat allein abzuschieben.Im Sinne einer ökologischen Kreislaufwirtschaft sind, Strategien zur Abfallverringerungund Abfallbeseitigung durch Wiedergewinnung von Rohstoffen und Energie die wichtigsten Maßnahmen zur Lösung des Abfallproblems. Auch die Erzeugung langlebigerProdukte ist eine wichtige Strategie zur sparsamen Verwendung von Rohstoffen.
Raumordnung und Verkehr3&4 Die an der Konzentration des Wirtschaftens orientierte Politik der Vergangenheit hatzu einer übermäßigen Trennung der verschiedenen Lebensbereiche (Wohnen, Arbeit, Bildung, Erholung, Einkaufen usw.) geführt. Ermöglicht wurde dies durch den modernen Verkehr, der regelrecht ausgewuchertist. Die Verschlechterung der Lebensqualitätin den Städten führt zur Stadtflucht, zuZweitwohnungen, zur fortschreitenden Zersiedehmg und zu überflüssigem Verkehr.Im ländlichen Bereich ist der ZersiedelungderLandschaft, der Versiegelung der Bödendurch Beton und Asphalt und der Verstädterung der Dörfer Einhalt zu gebieten. Die Neugestaltung der Raumordnungsgesetze unddes Systems der Wohnbauförderung mußumweltfeindliches Bauen in Zukunft verhindern. Bundes- und Landesstraßenplanungsind stärker mit dem Naturschutz abzustimmen. Vor weiteren Erschließungsmaßnahmen durch neue Verkehrswege ist der Ausbau vorhandener Verkehrswege zu fördern.365 Im Bereich des innerstädtischen und überregionalen Verkehrs fordern wir den Vorrangder Schiene vor der Straße. Insbesondere derSchwerverkehr muß in größtmöglichem Ausmaß von der Straße auf die Schiene verlegtwerden. Nebenbahnen sonen dann erhaltenbleiben, wenn Mindesterfordernisse an Wirtschaftlichkeit erfUllt werden können. DerKraftfahrzeugverkehr ist durch verkehrsfreieund verkehrsberuhigte Zonen einzuschränken, der Fahrradverkehr muß durch ein dichteres und wesentlich verbessertes Radwegenetz gefordert werden. MenschengerechteStadt- und Verkehrsplanung darf den Fußgänger als Verkehrsteilnehmer nicht längerins Abseits stellen.
300 Die Entwicklung alternative!' Verkehrssysteme (Motoren und Brennstoffe) ist zu fordern. Die EinfUhrung von bleifreiem Benzinund Autokatalysatoren ist durch Bemühungen auf internationaler Ebene zu beschleunigen.Die möglichen Vorteile einer allgemeinen Begrenzung der erlaubten Geschwindigkeitensollen studiert und in längeren Erprobungenauf ihre Zweckmäßigkeit hin untersucht werden.
Natur- und Landschaftsschutz367 Natur- und Landschaftsschutz erfordertnicht nur Maßnahmen im örtlichen Bereichund im Bereich der Staaten, sondern mußebenso wie Umweltschutz Teil einer weltweiten Überlebensstrategie sein. Wir sehen in dergeopolitischen Lage Osterreichs die besondere Chance, in gesamteuropäischen Fragendes Arten-, Biotop- und Landschaftsschutzesebenso wie im Bereich von Emissionsbegrenzungen die internationale Zusammenarbeitvoranzutreiben.368 Die wenigen noch ursprünglich erhaltenenLandschaftsteile und die ökologisch hoch-
wertigen Kulturlandschaften und Lebensräurne müssen erfaßt und in ihrer bedeutenden Funktion erhalten werden. Aus diesemGrund treten wir mit Nachdruck fUr die Erhaltung eines Np.tzes von gewachsenen Landschaftsteilen und die Verwirklichung von Nationalparks ein. Wir befUiworten die Erhaltung der letzten naturnahen Wasserläufe undFeuchtgebiete sowie die Revitalisierung zerstörter oder entfremdeter Flächen.369 Die Zukunft des Tourismus hängt weitmehr von der Bewahrung der natürlichenLandschaft als von ihrer Erschließung ab,Weitere Erschließungsmaßnahmen billigenwir nur unter der Voraussetzung ausreichender ökologischer Beurteilungsgrundlagen.Wesentliche Teile der in Österreich für Erholungszwecke nutzbaren Landschaft stellenbesonders empfindliche Ökosysteme dar.Für bestehende Fremdenverkehrseinrichtungen soll der Grundsatz "gleichmäßigereAuslastung - mehr Qualität - weniger Expansion" gelten. Bei der Vergabe von Förderungsmitteln soll der sanfte Tourismus (Fuß-,Rad-, Wasserwandern und Bergsteigen) vo;dem motorisierten und technisierten Fremdenverkehr gefördert werden.Den Trägern der Bauwirtschaft kommt einevorrangige Lösungskompetenz im Bereichdes umfassenden Umweltschutzes zu. Nahe·zu jede ökologische Maßnahme bedarf einerBauleistung. Die Sanierungvorhandener umweltbelastender Anlagen ist kurzfristig durchbautechnische Maßnahmen vorzunehmen.
Tier- und Pflanzenschutz370 Der Verminderung des Artenreichtumsdurch die Zerstörung der Lebensräume mußdurch Erhaltung und Wiederherstellung vonUrlandschaften und durch Wiederansiedelung hierzulande ausgerotteter Tiere undPflanzen entgegengewirkt werden. In bestimmten bevorzugten Zonen muß derSchutz gefcihrdeter Tiere und Pflanzen in ihrer natürlichen Umwelt den Vorrang vor wirtschaftlichen Entwicklungsplänen erhalten.
371 Im städtischen Bereich bedürfen Bäumeund Grünzonen besonderer Schutzbestimmungen. Im ländlichen Bereich müssen beiFlurbereinigungen und BaurnaßnahmenKleingehölze und Hecken erhalten oder neuangelegt werden.Ein zeitgemäßes Tierschutzgesetz muß Fragen der Tierquälerei, der Tierversuche undder Massentierhaltung nach humanitären Gesichtspunkten einer bundeseinheitlichen Regelung unterwerfen.Im internationalen Bereich muß sich Österreich an der Durchführung des Verbotes de~
Handels mit gefcihrdeten Tier- und Pflanzenarten und daraus abgeleiteten Erzeugnissenbeteiligen.
'Vasser372 Da der Wasserkreislauf in der Natur nichterweitert werden kann, muß eine weitereSteigerung des Wasserverbrauches verhindert werden. Die Industrie sollte so weit wiemöglich dazu angehalten werden, ihr Nutzwasser im eigenen Kreislauf aufzubereiten.Vorbe-qgender Grundwasserschutz und laufende Uberwachung des Grundwassers sowie anderer Trinkwasserquellen ist von lebenswichtiger Bedeutung.Eine besondere Bedrohung des Grundwassers bildet der wachsende Anfall von gefcihrliehern Sondermüll. Wir fordern daher die rasche Errichtung von Organisationsformenzur Beseitigung von Sondermüll, die einerseits die berechtigten Interessen der Gebietskörperschaften berücksichtigen und andererseits eine wirksame und sichere Entsorgung unter Einbeziehung privatwirtschaftlicher Einrichtungen gewährleisten. Wir for-
dern weiters die Förderung und Entwicklungvon Produktionsweisen, die den Anfall vongefährlichem Sondermüll verringern odervermeiden.373 Die Verwendung von Trinkwasser für dasSpülen voOn Toiletten und das Waschen vonAutos könnte im städtischen Bereich durchden Bau von getrennten Trink- und Nutzwasserleitungen vermieden werden; Auch solltedas Regenwasser einer sin'nvollen Nutzungzugeführt werden. Fiskalische Maßnahmensollten ebenso dazu beitragen, den Wasserverbrauch zu senken.Der Wasserbau muß nach naturnahen Prinzipien durchgeführt werden. Einer weiterenVersiegelung der Bodenoberfläche muß Ein·halt geboten werd.en.374 Die Situation der Weltmeere ist insbesondere durch Verschrnutzung, Überfischungund das Aussterben ganzer Gattungen gekennzeichnet. Dadurch wird ihre Funktionals Sauerstoffproduzent, KJimaregulatorundErnährungsbasis' für die Weltbevölkerung inempfindlicher Werse ~ingeschränkt.Österreich hat an der Erhaltung dieses gemeinsamen Gutes der Menschheit auf internationaler Ebene beizutragen.375 Arktis und Antarktis sind die letzten Gebiete der Eide, die noch nicht voll territorialeinzelnen Staatsgebieten zugeordn.et sind.Diese Gebiete sollen keinem Staat zugeordnet werden dürfen und sollten der gesamtenMenschheit zur Verfügung stehen.Vor allem die ökologische Situation unsererErde erfordert es, daß diese Gebiete im natürlichen Zustand bleiben. Eine allfällige Nutzung von Bodenschätzen hat unter strengsterBeachtung ökologischer Grundsätze zu erfolgen.
Luft376 Zur Verminderung des Schadstoffausstoßes von Industrien, Kraftwerken, Kraftfahrzeugen, Flugzeugen, Müllverbrennungsanlagen sowie privaten und öffentlichen Heizanlagen sind eine Reihe von gesetzlichen Maßnahmen notwendig. Luftverunreinigungenmüssen beim Verursacher bekämpft werden.Die Schadstoffrückhaltung sollte an allenStellen der Produktionskette erfolgen, wodies technisch realisierbar erscheint. Marktnachteile, die durch die Kosten ökologischoriehtierter Produktion entstehen, sinddurch geeignete Maßnahmen (Förderungen,Steuererleichterungen usw.) auszugleichen,jedoch sollen die anfallenden Umweltschutzkosten grundsätzlich ihre Deckung durchechte Preisbildung finden. Hinsichtlich derProbleme mit Sondermüll gilt für die Luftreinhaltung grundsätzlich das gleiche wie fürden Wasserschutz.
Die Anwendung umweltfreundlicherTechniken in der Industrie ist steuerlich zubegünstigen. Wenn Betriebe im öffentlichenEigentum stehen, sollten sie vom Staat als Eigentümer dazu angehalten werden, Schad~
stoffgrenzen nicht nur einzuhalten, sondernnach Möglichkeit auch zu unterschreiten.Schadstoffgrenzwerte sind nach dem neuesten Stand wissenschaftlicher Erkenntnissefestzulegen. Vor allem im Bereich der Luftreinhaltungspolitik sind internationale Maßnahmen verstärkt notwendig. Die Verwendung von Fluorkohlenwasserstoffen alsTreibgas in Sprühdosen ist wegen der ökologischen Folgen auf die Ozonschicht in der Atmosphäre weltweit zu untersagen.
Lärm378 Die Folgen des Lärms reichen von psychischen Störungen über vegetativ bedingte Erkrankungen bis zu Organschädigungen. DieLärmgrenzwerte sind daher den gesundheit-
lichen Anforderungen entsprechend festbzw. herabzusetzen. Wirtschaftliche Überle~gungen dUrfen dabei den gesundheitlichenErfordernissen nicht vorangesteUtwerden.379 Passive Lärmschutzmaßnahmen, wie zumBeispiel Schallschutzfenster-Programme,sind dort zu treffen, wo Lärm nicht vermieden werden kann.Besonderer Schutz ist den Arbeitern in. Betrieben zu gewähren, die unvermeidbaremLärm ausgesetzt sind.Große Teile des Verkehrslärms könntendurch geeignete Städte- und Raumplanungvermieden werden. Die stärkere Beschränkung des Schwerlast-Transitverkehrs aufderStraße ist nicht nur zur Vermeidung andererUmweltbelastungen, sondern auch vomStandpunkt des Lärmschutzes zu fordern.Die gesetzlichen Grundlagen für den Lärmschutz bei Schienenfahrzeugen sind auszubauen.Auch dem von Luftfahrzeugen verursachtenLärm ist mit Maßnahmen, die aufSystemverbesserung abzielen, und passiven Lärmschutzkonzepten zu begegnen.
Umweltschutz undfreiheitliches Denken380 Angesichts der bereits eingetretenen
12. Kapitel
Neue Ho..eizonteEinleitung382 Die Entwicklung von Wissenschaft undTechnik hat in diesem Jahrhundert einen sohohen Stand erreicht, wie er noch vor etwazwei Generationen kaum ertraumt werdenkonnte. Dennoch kommt diese Entwicklungnicht zum Stillstand, sondern beschleunigtsich sogar noch. Sie bewegt sich q,uf völligneue Horizonte zu" welche die Bewußtseinslage des Menschen verändern und ihn veranlassen werden, Grundauffassungen zu über·denken und Haltungen neu zu bestimmen.383 Hervorstechendstes Beispiel für die Qualitätsänderung innerhalb des wissenschaftlichen Fortschrittes ist dermöglich gewordeneZugriff zum Zellkern, dem Träger der Erbinformation in allen Lebewesen. Damit ist derWeg offen, nach den Kunststoffen nun auchKunstlebewesen zu schaffen. Die Auswirkungen dieser Handhabung des Zellkerneswerden die Welt ähnlich verändern wie dieschon erfolgende Benutzung des Atomkerns.384 Ein weiteres gewichtiges Beispiel bietetdie Computerentwicklung. Der Umstand,daß diese in vielen kleinen Schritten weiter·getrieben wird, verdeckt das Erkennen derdurch sie bewirkten gleichfalls wesentlichenVeränderungen unserer Lebensbedingungen. Die Computerwissenschaft steuert letzt~
lich auf die Schaffung "künstlicher Intelligenz" zu. Allein schon der Weg zu diesem Zielwird unser Selbstverständnis stark beeinflus.sen. Wir Freiheitlichen erkennen die Notwendigkeit und fühlen die Verantwortung, unsmit diesen neuen Entwicklungen auseinan~
dersetzen zu müssen. Denn diese beeinflussen selbstverständlich praktisch alle Lebensbereiche und bedeuten somit eine Herausforderung an die politische Gestaltungskraft.Wir stellen uns dieser Aufgabe.
Fortschritt365 Seit Wissenschaft und Tec~miJ.: ab derWende vom Mittelalter zur Neuzeit ständigVerbesserungen der Lebensverhältnissebrachten, siegte Fortschrittshoffnung über
Schäden an den ökologischen Systemen bedarf es in weiten Bereichen rascher und ein~
schneidender Maßnahmen, die notgedrungen auch zu Einschränkungen und.zum Verzicht auf liebgewordene Konsumgewohnheiten führen müssen. Vor allem muß den Menschen klargemacht werden, daß die Sanierung unserer Umwelt auch einen hohen finanziellen Einsatz erfordert.
381 Liberale Politik zielt darauf ab, die notwendigen Maßnahmen im Interesse des Umweltschutzes im Einklang mit der Bevölkerung zu vollziehen, soweit dies mit Rücksichtauf die hier immer wieder gegebene Dringlichkeit von Maßnahmen möglich ist. Es erscheint daher erforderlich, nicht nur ökologische Forderungen aufzustellen, sondern auchdurch den Appell an das Verständnis der Bevölkerung für eine breite Annahme der damitverbundenen unpopulären Maßnahmen zusorgen. Keinesfalls darf die Durchführungumweltpolitischer Maßnahmen zu einer Bedrohung des sozialen Friedens führen. Es istinsbesondere die Pflicht verantwortungsvoller Politik, darauf zu verzichten, parteipolitische Zielsetzungen oder die Interessen einzelner Berufsgruppen gegen berechtigte ökologische Anliegen der Gemeinschaft auszuspielen.
Fortschrittsangst. Insbesondere Aufklärungund Liberalismus rührten auf der Grundlageeiner optimistischen Einstellung zum Menschen zu einer Art Fortschrittsgläubigkeit.Diese hielt sich bis in unser Jahrhundert hinein. Mittlerweile zeigte sich weltweit, daß derMensch von den vielen ihm durch die Wissenschaft zugewachsenen Kenntnissen und Fähigkeiten keineswegs nur weisen Gebrauchmacht. Ganz im Gegenteil: Atomrüstung,Raubbau an der Natur und Umweltzerstörung sind negative Beispiele für kurzsichtiges, verantwortungsloses und sogar verbrecherisches Handeln. Als Folge dieser Erfahrung stellte sich Enttäuschung über den vermeintlichen Fortschritt, ja teilweise wiederFortschrittsangst und Zukunftspessimismusein. Diese Haltungen bestimmen vielfach daszeitgenössische Denken.
386 Wir bejahen grundsätzlich die Fortschrittein der wissenschaftlichen Erkenntnis. Aberwir betrachten die Anwendung neuer Erkenntnisse kritisch und sehen nicht jede Veränderung automatisch auch schon als Fortschritt an. Wir Freiheitlichen treten daher füreine neue Definition des Fortschrittsbegriffesein und fordern in diesem Zusammenhangeinen Wandel vom quantitativ zum qualitativverstandenen Fortschrittsbegriff.
Technikverständnis367 Freiheitliche Politik sieht in der Technikgrundsätzlich ein wertvolles Mittel zur Verbesserung der Lebenschancen der Menschen.Der Weg zur Überwindung der eingetretenen Schäden an den ökologischen Systemen und zu einem langfristig stabilen ökonomisch-ökologischen Gesamtsystem führtnicht über den grundsätzlichen Verzicht aufdie Technik, sondern nur über die Entwicklung eines neuen, vom Vorrang des Menschen und der ökologischen Systeme geprägten Technikverständnisses.
388 Daraus ergibt sich als wichtiges Ziel, denMut zu einem qualitativ verstandenen Fortschritt an die Stelle der Resignation und des
Klagens über begangene Fehler zu setzen,diesen Mut zum Fortschritt jedoch mit derFähigkeit zur Kritik und zur Einschätzungder Folgen des eigenen technischen Handelns zu verbinden. Die Folgenabschätzungdarf in allen Bereichen, in denen Technik undForschung zur Anwendung kommen, nichtauf nachträgliche Kontrollinstanzen abgeschoben werden, sondern muß bereits Bestandteil der Planung von Forschung undTechnik selbst sein.
Sozialmechanik398 Die Instrumente der modernen Sozialwissenschaften, wie zum Beispiel Meinungsforschung, haben in Verbindung mit Fernsehenund anderen Massenmedien eine künstliche"Öffentlichkeit" geschaffen, die mehr undmehr ein Eigenleben anzunehmen droht. Wirhalten in diesem Zusammenhang fest, daß esvornehmste Aufgabe der Sozialwissenschaften ist, durch Modelle und Voraussagen dieFolgen der Gestaltung sozialer Zusammenhänge und ihrer Einwirkung auf den Einzelnen so genau wie möglich abzuschätzen, daßsie aber den Menschen nicht von seiner Verantwortung entbinden können, gesellschaftliche Normen in Kenntnis dieser Voraussagen selbst zu setzen.390 Wir warnen insbesondere vor einer Verwechslung der durch Umfragen immer wieder in das Zentrum tagespolitischer Diskussionen gestellten öffentlichen "Meinung" miteiner von kollektiver Verantwortung getragenen politischen Entscheidung. Die Visioneiner durch Perfektionierung von Meinungsbefragungen und Telekommunikation ermöglichten "ständigen Mitbestimmung" derBürger in den täglichen politischen Entscheidungen erweist sich deshalb als Utopie, weilsie die Anonymität der politischen Willensbildung fOrdert und damit die Übernahmepersönlicher politischer Verantwortung verhindert. Sie fUhrt also nicht zur perfekten Demokratie, sondern zur Diktatur anonymerMehrheiten.in diesem Zusammenhang fordern wir Freiheitlichen, daß es politisches Bildungszielsein muß, in den jungen Menschen in ausreichendem Maße die Unterscheidunsfähigkeitzwischen öffentlicher und veröffentlichterMeinung zu wecken.391 Die EinfUhrung der EDV und die Anwendung systemanalytischer Erkenntnisse aufdie Rationalisierung von Einrichtungen imBereich von Politik und Verwaltung stehenin Österreich erst in den Anfängen. Ihre FortfUhrung ist vor allem auch im Hinblick aufdieSenkung der Verwaltungskosten zu begrüßen. Unter einem längerfristigen Zukunftsaspekt ist aber auch hier vor der Gefahr einesdurch Überperfektionierung der Datenerfassung entstehenden Kontrollstaates zu warnen.392 Wie die Widerstände gegen die Auflassunglokaler Gerichte, gegen die Zusammenlegung von Gemeinden oder gegen die Aufgabedezentraler Verwaltungseinrichtungen zeigen, geraten hier· nicht selten Rationalisierungsbedürfnisse der Systemtechnokratenund Versorgilngsbedürfnisse der Bevölkerung in Widerspruch. Freiheitliche Politik ergreift hier Partei fUr den Selbstgestaltungswillen der Bevölkerung und gegen die Vorstellung der absoluten Planbarkeit im Sinneeiner Sozialtechnologie.
Computerwelt undInformationstechnik393 Die gegenwärtig schon großen und in Zukunft noch wesentlich größeren Möglichkeiten der elektronischen Datenverarbeitungbilden eine ungeheure Versuchung, alles zuzentralisieren, was sich damit erfassen läßt.
Weil Hand in Hand mit der Leistungssteigerung bei den Computern \\'eltweit die Verdichtung eines immer besseren KabelnetzesfUr Datenübertragungen aller Art (auch imDialog) erfolgt, geraten alle Menschen undVölker in die Abhängigkeit eines universellen Kommunikationssystems.394 Wir halten es fUr eine libt.;fale Aufgabe ersten Ranges, in dieser Entwicklung auf denEinbau möglichst vieler Elemente einer Dezentralisation ebenso zu achten, wie auf dieparallele Einrichtung staatlicher wie internationaler Kontrollinstanzen zum Schutze derbürgerlichen Freiheiten und Menschenrechte. Es wird auch lebenswichtig sein, rechtzeitig arbeitsfähige Subsysteme zu schaffen, dieim Falle von Katastrophen oder politischenKrisen und daraus folgenden Systemzusammenbrüchen die Aufrechterhaltung von Versorgung und Verwaltung regional ermöglichen.395 Eine große Erziehungsaufgabe wird darinbestehen, die Menschen den richtigen Umgang mit immer komplexeren elektronischenSystemen und stets "intelligenter" werdenden Computern zu lehren. Hierin erblickenwir Freiheitlichen auch eine große Herausforderung an die philosophischen Wissenschaften. Jedenfalls steht eines fest: Mehr denn jebedarf es verantwortungsbewußter und selbständig denkender Menschen, um in derComputerwelt human bestehen zu können.396 Gegenüber den im raschen Aufbau befindlichen Informations- und Kommunikationsnetzen bedarf es eines nüchternen und wachsamen, jedoch grundsätzlich positiven Verhältnisses. Freiheitliche Politik muß mit allen Mitteln verhindern, daß durch Unwissenheit und die Aufrichtung von Zugangsschranken zu qualifizierter Information sowie durch Informationsmonopole ein Analphabetismus neuer Art entsteht.Dabei gilt es sicherzustellen, daß die Möglichkeiten dieser neuen Techniken allen Bürgernprinzipiell in gleichem Maße zuteil werdenund daß sie nur im Sinne einer Erweiterungdes Freiheitsraumes der Bürger angewandtwerden, nicht aber zu deren Gängellmg undBeherrschung.Dies erfordert insbesondere die MöglichkeitfUr Direktzugriffe zu Informationen undDienstleistungen unabhängig von Ort undZeit im Wege einer rur nahezu jedermann zugänglichen technischen Ausstattung <Telephon, TV-Geräte, Kabel- und Terminalsysteme) sowie öffentliche, via Telekommunikation zugängliche Informationsdatenbankenaller Art (Rechtsdaten, Wirtschaftsdaten, bibliographische Daten usw.).397 Gleichzeitig gilt es jedoch, jene Gefahrenzu erkennen und hintanzuhalten, die mit denEntwicklungen im Bereich der Informationstechnik verbunden sind, wie etwa- Gefährdung der Privatsphäre durch miß
bräuchliche Speicherung und ZusammenfUhrung persönlicher Daten,
- Verschiebung und Entstehung neuerMachtverhältnisse durch Auf- und Ausbauvon Informationsmonopolen,
- Anonymisierung der Gesellschaft aufGrund des Ersatzes menschlicher durchmaschinelle Kommunikation,
- Schaffung von undurchschaubaren Bereichen und neuen Abhängigkeitsverhältnissen,
- Nutzung der Großcomputer fUr Zentralisierungstendenzen.
Weltraum398 Elektronik, zeitgleiche Datenverarbei·tung, Roboterisierung, Raketen- und Satellitentechnik haben die Nutzung des erdnahenWeltraumes ermöglicht. Diese beeinflußt wesentlich die globale Datenvernetzung, Infor-
mation und Kommun~~ation,Navigation uneBeobachtungen bzw. Uberwachung aller ArtHochbedeutsam ist auch die Erforschung unserer Erde und ihrer Rohstoffe sowie von Umweltveränderungen vom Weltraum aus.Wir fordern vergleichbar den Weltmeeren diE:Freiheit des Weltraumes für alle StaatenÖsterreich soll sich im Rahmen seiner wirtschaftliehen Möglichkeiten an Weltraumpro·jekten beteiligen, insbesondere an der euro·päischen Zusammenarbeit auf diesem Gebiet.~99 Anlaß zu großer Sorge gibt das beginnend(Wettrüsten im Weltraum. Die bisher schor.zur militärischen Überwachung eingesetzenSatelliten sind eher ein Instrument zur Friedenserhaltung und daher günstig zu beurtei·len. Hingegen können im Weltraum stationierte und von dort aus auch aufdie Erde wirkende Waffensysteme das Kriegsr~siko unvorstellbar erhöhen.Wir wünschen einen waffenfreien Weltraumfordern aber zumindest eine kontrollierte Rüstungsbegrenzung im Orbit sowie das Verbotvon Systemen aus, die im Orbit kreisen, Waffenwirkung aufdie Lufthülle und Erdo berf1äehe auszuüben. Die Auslösung von Atomexplosionen im Weltraum muß verboten werden.
Biotechnik400 Schon in seiner geschichtlichen Frühzeihat sich der Mensch zahlreicher Bioteehniken bedient und diese dann weiterentwickeltDurch die moderne Molekularbiologie, di(bis in den Molekularbereich vordrang, habersich die Möglichkeiten der Biotechnik gewaltig vermehrt. Vor allem die Mikrobiologie erlaubt es heute, Kleinstlebewesen vielfaltigster Art menschlichen Zwecken (ErnährungMedizin, Rohstoffgewinnung, Umweltschutz) dienstbar zu machen.Die erst junge Wissenschaft von der gezielterVeränderung der Erbsubstanz im Zellkerr(Gentechnik) bewirkt eine Revolution in deJBiotechnik, an deren Anfang wir stehen. Otdieser Fortschritt vom Menschen zum Guteroder Schlechten genutzt wird, liegt in unse)aller Verantwortung.401 Wir Freiheitlichen wollen, daß die newBiotechnik im Bereich der MikroorganismenPflanzen und Tiere mit ökologischem Verständnis in den Dienst der Medizin, der besseren Versorgung der Menschen und in derDienst des Umweltschutzes gestellt wirdÖsterreich soll alles daransetzen, um auf diesen Gebieten wissenschaftlich und in deJWirtschaft nicht nur den Anschluß an düweltweite Entwicklung zu halten, sondenschwerpunktmäßig auch Pionierleistungerzu erbringen. Für wichtig erachten wir ditEntwicklung naturnah.er Methoden deJSchädlingsbekämpfung, der Abfallbeseitigung und der Pflanzenzucht mit dem Ziel, ditChemisierung in der Landwirtschaft einzuschränken.402 Wir verlangen gesundheitspolitische unesicherheitspolitische Kontrollen besonder:bei mikrobiologischen Versuchen und Verfahren mit voraussichtlich gefahrlichen Begleiterscheinungen. Biologische Kampfmittel sollen geächtet und einer wirksamen internationalen Kontrolle unterworfen werden.
Medizinische Grenzbereiche403 Die Biotechnik hat auch vor dem Mensehen selbst nicht haltgemacht. Die Entwicklung der Möglichkeiten, menschliche Keimzellen außerhalb des Körpers zur Verschmelzung zu bringen und die dadurch entstandenen menschlichen Embryonen beliebig Zl
implantieren bzw. auch über längere Zeit anLeben zu erhalten, hat völlig neuartige politi·sehe und juristische Probleme mit sich ge
Zeitung des Freiheitlichen BildungswerkesVerleger, Herausgeber und Hersteller:Freiheitliches Bildungswerk, Kärntnerstraße 28Veriags- und Herstellungsort: WienErscheinungsort WienVerlagspostamt 1010 Wien
bracht. Wir gehen in der Beurt~ilungdieserTechniken davon aus. daß sie als Chancen.ansonsten unfruchtbaren Partnern die Möglichkeit von Nachkommenschaft zu verschaffen. grundsätzlich zu bejahen sind.404 Mit wachsender und berechtigter Sorgebeobachten viele Menschen die Möglichkeiten. die sich durch die Gentechnik entwikkeIn. Wir glauben, daß es auch hier im Interesse der Vermeidung von Mißbrauch notwendig ist, daß sich der Mensch in seinen Bemühungen um eine Manipulation der Lebensvorgänge selbst Grenzen auferlegt. Eingriffein die menschliche Erbsubstanz solltengrundsätzlich nur in jenen Fällen zugelassenwerden. wo mit einem hohen Grad an Wahrscheinlichkeit dadurch ein psychischer oderkörperlicher Schaden von dem betroffenenIndividuum abgewendet werden kann.405 Wir sind uns dessen bewußt, daß mit derGentechnik völliges Neuland beschrittenwird und endgültige Regeln und Normen dafür heute nur schwer aufgestellt werden können. Mittels der Gentechnik wird der Menschmachen können. was die Natur noch nicht gemacht hat und woftir es wohl kaum ein Vorbild gibt. Wir wollen den Fortschritt der Wissenschaft nicht hemmen. aber wir wollen,daß alle diese Entwicklungen unter dem Begteitschutz von Humanität und Recht stattfinden.4GB Die moderne Medizin ist wie jede andereempirische Wissenschaft aufdas Experimentangewiesen. Sie steht jedoch vor der Tatsache, daß die durch medizinische Experimente bewirkten Risken und Leiden - sei es inVersuchen an Menschen oder an Tieren nicht unsensible Objekte betreffen. sondernleidensfähige Subjekte. Dies setzt dem Experiment in der Medizin enge Grenzen. die jedoch angesichts immer neuer Forschungsfragen nicht endgültig festgelegt werden können.407 Wir treten daher ftir den Ausbau einerfunktionierenden Kontrolle ein und gehendavon. aus, daß jeder experimentelle Eingriffeine Abwägung des dadurch verursachtenLeids und der davon zu erwartenden nutzbringenden Erkenntnisse, beim Menschendarüber hinaus auch die uneingeschränkteEinwilligung und den freiwilligen Entschlußdes Betroffenen voraussetzt.408 Die Achtung, die dem Menschen gegenüber der ihn umgebenden Natur auferlegt ist,weist dem Tierschutz eine besondere Rollezu. Wir verurteilen Tierquälerei und jede andere Form gewissenloser Mißachtung vonTierleben - gleichgültig, ob sie in persönlicher Rohheit, Sadismus oder brutalem Gewinnstreben begründet ist. Auch die wissenschaftliche Forschung darf kein Freibrief ftirdie Peinigung und qualvolle Tötung von Tieren sein. Der Tierversuch muß daher einemSystem strenger Kontrollen unterworfen\\'erden.
Auch Organtransplantationen zählen zuden medizinischen Eingriffen, die, zunächstdiskutiert, heute bereits weitgehend zur Routine geworden sind. Dennoch erscheinenauch hier noch nicht alle Probleme gelöst.Grundsätzlich sind wir der Meinung, daß dieWahrscheinlichkeit, durch eine Organtransplantation Leben zu retten oder wieder lebenswert zu machen, beim heutigen Standder Technik so hoch ist, daß eine restriktiveHandhabung der Bestimmungen über dieEntnahme von Organen nicht mehr. zu rechtfertigen ist.Wir treten zwar für das Recht des Einzelnenein, über seinen Körper auch nach seinemAbleben zu verfügen, geher: aber davon aus,daß das Fehlen einer solchen ausdrücklichenVerfügung, für deren Ersichtlichkeit der Verfügende selbst Sorge zu tragen tragen hat, als
Zustimmung zu einer allfälligen Organentnahme anzusehen wäre.410 Als problematischen Bereich sehen wirauch die derzeitige Situation in der internationalen Versorgung mit Blutprodukten an.da nachweislich ein wesentlicher Anteil derin den hochtechnisierten Ländern verbrauchten Blutprodukte aus Entwicklungsländern importiert werden muß. Wir treten indiesem Bereich ftir strenge internationaleKontrollen ein. die den Mißbrauch der Ärmsten unter den Menschen im Interesse der reichen Länder und der einschlägigen Handelsorganisationen unterbinden sollen.411 Wir bejahen passive Sterbehilfe in Fällenunheilbarer und zum Tode ftihrender Leiden.Nicht zuletzt veranlaßt uns der furchtbareMißbrauch der Euthanasie zur Tötung vonMenschen aus ideologischen Motiven. demMenschen das Recht auf aktive TötungSchwerkranker grundsätzlich zu verweigern,auch dort. wo dies dem Wunsch des Betroffenen entspräche.Wir halten es aber ftir legitim, in Fällen unheilbarer Krankheit mögliche lebensverlängernde Maßnahmen zu unterlassen, wenndiese nicht dem Wunsch des Patienten entsprechen und die Möglichkeit einerWendungzum Besseren mit Sicherheit ausgeschlossenwerden kann.
Offen für die Zukunft412 Aus all den angeftihrten Entwicklungsmöglichkeiten und Entwicklungsrisken desMenschen und der von ihm geschaff~nen
Kulturen folgern wir heute mehr denn je dieNotwendigkeit eines realistischen Menschenbildes. Wir unterschätzen die Fähigkeitdes Menschen zur Problemlösung keineswegs, ja wir sehen darin sogar sein wichtigstes Kapital ftir die Bewältigung der Zukunft.Wir sehen aber auch heute mehr denn je dieNotwendigkeit einer ganzheitlichen undlangfristigen Betrachtung von Entwicklungszusammenhängen, wenn wir verhindern wollen, daß die Problemlösungen von heute dieProbleme von morgen produzieren.
~ FBW-
413 Wir begrüßen es. daß gerade die junge Generation unserer Tage nach neuen Wertensucht, die an die Stelle blinder Fortschrittsund Wachstumsgläubigkeit treten sollen. Wirsehen uns nicht zuletzt deshalb als Gesprächspartner dieser neuen Generation,weil jene Hinwendung zu idealistischen Werten und zu einem neuen Gemeinschaftsdenken, die man mit dem Schlagwort des "postmaterialistischen Denkens" bezeichnet, inhohem Maße mit Wertvorstellungen unserereigenen politischen Tradition übereinstimmt.
Wir sehen aber gleichzeitig unsere Aufgabeals Freiheitliche. die hier aufbrechenden geistigen Strömungen in vernunftgemäße Bahnen zu lenken und insbesondere jeder grundsätzlichen Wissenschaftsfeindlichkeit entgegenzutreten. Wir ~ind bereit, die klassischenInstrumente der liberalen Gesellschaftsordnung: Leistung. Eigentum, Marktwirtschaftund Unternehmergeist. in den Dienst neuergesellschaftlicher Ziele zu stellen. aber wirsind nicht bereit. von ihnen grundsätzlich abzurücken. Andernfalls würden wir damit unseren höchsten politischen Wert. nämlich dieFreiheit. aufs Spiel setzen.
414 Liberales Denken steht somit jedem Fundamentalismus. der nur an die eigenen Zukunftsvorstellungen eines einseitig konstruierten Weltbildes glaubt. mit Entschiedenheitgegenüber. Wir glauben, daß auch in der Zukunft die politisch richtigen Wege nur durchdie Berücksichtigung vieler politischerStandpunkte gefunden werden können. Unsere Gesellschaft braucht ein politisches Klima. in dem gemeinsame Lösungswege inFrieden und Freiheit auf demokratischemWege gefunden werden können.
Unser Ziel ist eine Gesellschaft. die in derAuseinandersetzung mit den täglichen Problemen offen, tolerant und lernfähig bleibt.Diesem Ziel gilt unser gesamtes politischesHandeln in Gegenwart und Zukunft. Wir blikken mit Optimismus in das Morgen.
NFORMATION
Folge 7/93
P.b.b.
top related