prondczynsky, andreas von: die unendliche sehnsucht nach
Post on 20-Jun-2022
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Repositorium für die Medienwissenschaft
Horst HeidtmannProndczynsky, Andreas von: Die unendliche Sehnsuchtnach sich selbst1984https://doi.org/10.17192/ep1984.1.7421
Veröffentlichungsversion / published versionRezension / review
Empfohlene Zitierung / Suggested Citation:Heidtmann, Horst: Prondczynsky, Andreas von: Die unendliche Sehnsucht nach sich selbst. In: medienwissenschaft:rezensionen, Jg. 1 (1984), Nr. 1. DOI: https://doi.org/10.17192/ep1984.1.7421.
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Andreas von Prondczynsky: Die unendliche Sehnsucht nach sich selbst:Auf den Spuren eines neuen Mythos. Versuch über eine unendlicheGeschichte.- Frankfurt: dipa-Verlag 1983 (Jugend und Medien, Bd. 3),95 S., DM 19,80
Mit einem schmalen <Euvre für Kinder und Jugendliche ist MichaelEnde binnen weniger Jahre zu einem der auflagenstärksten und populärsten deutschsprachigen Gegenwartsautoren geworden. Auch in derliteraturkritischen Rezeption Endes überwiegt, wie beim breiten Publikum, zuneigende Verklärung; weniger wohlwollende Kritiker erschöpfensich meist in Kolportagevorwürfen. Die gründliche analytischeAuseinandersetzung mit Werk und Wirkung dieses Autors steht noch
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aus. Ein erster Schritt in diese Richtung ist Andreas von Prondczynkys"Versuch" über Michael Endes Hauptwerk. Der Verfasser begründetseine Arbeit einleuchtend damit, daß die "Unendliche Geschichte" ein"gipfelstürmender Verkaufsschlager" ist und daß "Endes Bücher ihreLeser nicht nur oberflächlich bewegen, sondern in ihnen etwas aufrühren". Daher konstatiert Prondczynsky die erzählerischen Schwächennur beiläufig, denn er sieht den Schlüssel zu Endes Erfolg vor allemdarin, daß dieser den Alternativbewegungen neue "annehmbare Mythen"schreibt. Auf der ideologiekritischen Analyse der von Endegeschaffenen Mythen und einer geistesgeschichtlichen Spurensicherungliegen dann die Akzente der Arbeit. Prondczynsky belegt, daß Endeideologisch wie ästhetisch vor allem der deutschen Romantikverpflichtet ist, wo er christliche und andere religiöse Mythenübernimmt, wie er sich z.B. von den Rosenkreuzer-Lehren befruchtenläßt, und daß Endes Wertschätzung von Phantasie sich zumindestteilweise im Bereich religiöser Mystifizierung bewegt. Die Arbeitkommt zu dem Schluß, daß Ende über keine neue, vorwärtsweisende,sondern nur über eine "zutiefst bürgerliche Moral" verfügt, dieletztlich nicht über Kants "ethische Elementarlehre" hinausreicht. DerDichter schafft also keine neuen Mythen, er färbt allenfalls seinen"subjektiven Idealismus", was von der Mehrheit der Rezipienten kaumzu erkennen ist. Der Erfolg Endes bei den Alternativbewegungen müßtedemnach wesentlich auf einen, wenn man so will, psychoanalytischenerzählerischen Kunstgriff zurückgehen. Der Protagonist der"Unendlichen Geschichte", Bastian, "durchläuft (stellvertretend für alleLeser) die Etappen einer bis ins foetale Stadium regredierendenTherapie", er kehrt also in den Zustand der kindlichen Unschuld zurück,verändert nicht seine Umwelt, sondern sich selbst. Dies entsprichtWunschvorstellungen von Aussteigern aus der Gesellschaft, die aus sichheraus eine neue Realität schöpfen wollen und somit das, woraus sieausgestiegen sind, nicht zu verändern brauchen. Diesen Wirkungszusammenhang hätte der Verfasser der vorliegenden Studie weiterherausarbeiten können. Dem Leser bleibt es teilweise selbst überlassen,von den analytischen Schritten Verbindungslinien zur Massenwirksamkeit Endes zu ziehen, Einzelergebnisse zu einem zusammenhängendenrestaurativ-utopischen Weltbild zusammenzufassen (das dann EndesErfolg in den konservativen Leserkreisen-erklären würde). Prondczynskystellt leider nur recht knapp fest, daß ökonomische und politischeKrisen, Umbruchsituationen, das Infragestellen gesellschaftlicherWertesysteme einen "Nährboden" für Utopisches und Phantastisches inder Literatur liefern. Da die "Unendliche Geschichte" kein Einzelphänomen ist, sondern in einen anhaltenden Boom phantastischerDichtung eingeordnet werden muß, könnten hier jetzt weitere Analyseschritte ansetzen, die den Zuammenhang zwischen gesellschaftlicherEntwicklung, dem Publikumsbedürfnis nach dem Wunderbaren und derVerbreitung literarischer Phantastik weiter aufhellen.
Horst Heidtmann
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