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Prototyping im Rahmen des Usability Engineering
VL MMS Wintersemester 2011Professur für Prozessleittechnik
L. Urbas, J. Ziegler
30.11.2010 MMST (c) Urbas, Ziegler 2006-2010 Folie 2
Inhalt und Ziele• Prototypen
– Begriffsbestimmung und Einordnung
– Arten von Prototypen und deren Verwendung
• Prototyping– Begriffsbestimmung und Einordnung
– Methoden
– Diskussion
Prototypen
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Prototyp
= Eine vorläufige Form oder Instanz eines Produkts oder einer Produktkomponente, die als Modell (physisch, elektronisch, digital, analytisch usw.) für eine spätere oder die endgültige Version des Produkts dient. [Microsoft MSDN Glossary]
• Je nach Anwendungszweck wird unterschieden nach:
− Demonstrationsprototyp
− Funktionaler Prototyp
− Labormuster
− Pilotsystem
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Zielgruppen für Prototypen [nach C. Hübscher, 2008]
• Entwickler:− Ziel: Entwurfs- und Gestaltungsmöglichkeiten prüfen− => „reflection-in-action“− Fokus: Konzepte, Struktur, Machbarkeit
• Projektmannschaft:− Ziel: Ideen etc. in der Gruppe prüfen und demonstrieren− Fokus: Ideen und Konzepte verdeutlichen
• Nutzer:− Ziel: Anforderungen evaluieren, Usability Testing− Fokus: Funktionalität, Interaktion
• Geldgeber / Geschäftsleitung:− Ziel: Überzeugungsarbeit leisten, Arbeitsfortschritte demonstrieren− Fokus: Funktionalität, Optik
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Ausprägungen von Prototypen
• Prototypen unterscheiden sich vom Endprodukt durch− die verwendeten Materialien und Herstellungsprozesse
− die Herstellungsgenauigkeit und Detailliertheit
− die Funktionalität
• Dimensionen:
− Darstellungstreue (Level of Visual Refinement)
− Funktionsumfang (Breadth of Functionality)
− Funktionstiefe (Depth of Functionality)
− Interaktivität (Richness of Interactivity)
− Datengehalt (Richness of Data Model)
− Technische Reife (Technical Maturity) [M. McCurdy et al. 2006]
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Darstellungstreue• Skizze (Stift oder Tafel)
• Darstellung auf der Zielplattform
• Drahtgittermodell (Wireframe)
• Vollständig gerenderte Darstellung
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Funktionsumfang und -tiefe
• Horizontaler Prototyp− gesamte Bandbreite an Funktionen
− Funktionalität gering ausgeprägt
• Vertikaler Prototyp− kleine Auswahl an Funktionalitäten in
realitätsnaher Ausprägung
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High vs. Low Fidelity Prototypes
• Frage: Wie detailgenau und funktionstüchtig muss ein Prototyp sein, um effektiv zu sein?
⇒ Anzahl der gefundenen Usability-Probleme unabhängig von der Prototyping-Methode (Papierskizzen oder reales System)
⇒ einige Usability-Probleme prinzipiell nur in funktionstüchtigen Systemen erkennbar [Virzi et. al. 1996)]
⇒ Usability-Testing von Webseiten ist weitgehend unabhängig von Prototyping-Methode und Detaillierungsgrad [Miriam et al. 2002]
[Usability problem identification using both low- and high-fidelity prototypes. Virzi et al. 1996]
[HIGH-FIDELITY OR LOW-FIDELITY, PAPER OR COMPUTER? CHOOSING ATTRIBUTES WHEN TESTING WEB PROTOTYPES. Miriam et al. 2002]
Prototyping
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Prototyping in der Softwaretechnik
= eine Methode, bei der frühzeitig Modelle des endgültigen Software-Produkts realisiert werden, um damit System-anforderungen zu ermitteln und aktive künftige Nutzer in der Entwicklungsprozess einzubeziehen. [Encyclopedia of Information Systems, Vol.3, 2003, Elsevier]
• Arten:
− Exploratives Prototyping
− Experimentelles Prototyping
− Evolutionäres Prototyping
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Ansatzmethoden beim Prototyping
• Throw-Away Ansatz− ein nicht vollständiger, aber lauffähiger Prototyp wird dem
Benutzer zur expertimentellen Auswertung übergeben
− Ergebnisse der experimentellen Auswertung werden bei der Neukonstruktion des nächsten Prototypen / Produkts verwendet
− Prototyp wird anschließend komplett verworfen
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Ansatzmethoden beim Prototyping
• Inkrementeller Ansatz− Zunächst wird ein stabiler Programmkern aufgebaut
− Danach werden schrittweise neue Funktionen und Systemteile hinzugefügt
− Noch fehlende Elemente werden durch Simulationen oder Mock-Ups ersetzt
− Prototyp wird am Ende des Entwicklungsprozesses zum Produkt
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Ansatzmethoden beim Prototyping
• Evolutionärer Ansatz− Anforderungsdefinition und Systemspezifikation sind zu keinem
Zeitpunkt festgelegt
− Architektur passt sich permanent den veränderlichen Anforderungen an
− Prototyp wird am Ende des Entwicklungsprozesses zum Produkt
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Prototyping-Methoden
• Prototyping-Methoden unterscheiden sich erheblich durch
− Kosten und Aufwand zur Umsetzung der Methode− Genauigkeit, Vollständigkeit und Umfang der angebotenen
Funktionalität und des dargestellten Nutzungskontexts− Nutzbarkeit für bestimmte Zielstellungen
• Auswahl und Anwendung erfordert genaue Kenntnisse der Ziele, Fähigkeiten und Möglichkeiten sämtlicher beteiligter Interessengruppen
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Storyboard
• Skizzen oder Screenshots illustrieren eine spezifische Interaktion mit dem System oder einer Person
• Abfolgen dieser Abbildungen stellen einen Dialog mit oder einen Ablauf im System dar
• Eigenschaften:− Schnell, flexibel und mit geringem Aufwand realisierbar− sehr geringe bis keine Funktionalität
• Anwendungsbereiche:− Gestaltung von Dialogen und Nutzerinteraktionen in frühen
Entwurfsphasen− Frühzeitige Visualisierung von Informationen
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Storyboard
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Mock-Up
• Eine meist wirklichkeitsgetreue Attrappe bzw. Nachbildung eines Produkts oder Systems ohne weitere Funktionalität
• Eigenschaften:− Schnell, flexibel und mit geringem Aufwand realisierbar− sehr geringe bis keine Funktionalität
• Anwendungsbereiche:− Gestaltung von Produkten in frühen Entwurfsphasen− Anschauungsmodelle für Kunden und Entscheidungsträger− Substitute für (noch) nicht vorhandene Systemkomponenten
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Mock-Up
Paper/Cardboard Mockup Physical Mockup
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Wizard-of-Oz
• Die Funktionalität eines Systems wird durch einen (verborgenen) Menschen simuliert
• Eigenschaften:− Flexibel und mit mäßigem Aufwand realisierbar− Beliebige durch Menschen simulierbare Funktionalität realisierbar− Wirklichkeitsnahe Integration des menschlichen Anteils teilweise
schwierig (Platzmangel, Reaktionsverzögerung, Missverständnis)
• Anwendungsbereiche:− Erprobung potentieller neuer Funktionalität am Nutzer noch vor
der Realisierung− Exploration von Nutzerreaktionen auf neue bzw. geänderte
Interaktionen
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Wizard-of-Oz
(Flemisch et al., 2008)
• Erprobung neuartiger Stick-Controller
− Bediengeräte von Proband und Untersucher sind gekoppelt
− Untersucher reagiert auf Aktionen des Probanden und führt die gewünschte Bedienung aus
− Der Untersucher induziert ein Feedback, indem er z.B. leicht am Bediengerät rüttelt
− Durch gezieltes Fragen und lautes Denken kann das Nutzererleben direkt untersucht werden
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Off-the-shelf Prototyp
• Die Funktionalität eines Systems wird durch handelsübliche Werkzeuge und Geräte simuliert
• Eigenschaften:− Flexibel und mit geringem Aufwand realisierbar − Simulation von Funktionalität limitiert durch reale (technische)
Beschränkungen
• Anwendungsbereiche:− Erprobung potentieller neuer Systeme am Nutzer noch vor der
Realisierung− Exploration von Zielen und Aktivitäten potentieller zukünftiger
Nutzer
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Video/Animation Prototyp
• Videofilm stellt eine visionäre Situation oder Handlung dar
• Eigenschaften:− Beliebig wirklichkeitsnahe Darstellung möglich− Frei von realen (technischen) Beschränkungen− Rein statischer Prototyp (nicht interaktiv, nicht veränderbar)− Sehr hoher Aufwand zur Realisierung notwendig
• Anwendungsbereiche:− Darstellung einer Vision oder Vorstellung über ein System oder
Szenario− Glaubwürdige Visualisierung von Zukunftskonzepten (meist nur
langfristig erreichbar)
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Video/Animation Prototyp
SUN 1992: Starfire, The Movie
„ Starfire, the Movie, showing a day in the life of a knowledge worker in the far-off distant year, 2004”
http://www.asktog.com/starfire
Digital, networked Workspace
Collaborative OfficeMulti-Touch-Screen
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Computer-Animation
• automatisierte Darstellung sichtbarer Systemreaktionen fester Handlungsfolgen
• Eigenschaften:− Feste Abfolge von Eingaben und Ausgaben
− Keine Funktionalität, keine Flexibilität
− Geringer Aufwand zur Realisierung notwendig
• Anwendungsbereiche:− Darstellung graphischer Dialoge und Interaktionen in allen
Entwurfsphasen
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Rapid Prototyping
• Herstellung von Modellen mittels spezieller Herstellungs-verfahren
• Eigenschaften:− Komplexe und komplizierte mechanische Prototypen realisierbar
− Verschiedene Verfahren mit sehr unterschiedlichen Produkteigenschaften
− Geringer Aufwand, aber spezielle Werkzeuge notwendig
• Anwendungsbereiche:− Detaillierte Untersuchung in allen Entwurfsphasen− Mechanische Konzept-, Geometrie-, Anschauungs- und
Funktionsmodelle
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Rapid Prototyping
Im RP-Verfahren gefertigte Maschinenteile
Im RP-Verfahren gefertigtes Modell eines Reise- und Touristikzentrums (Quelle: graphisoft-nordbayern.de)
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Szenario-Maschine
• Ein interaktives System implementiert einen spezifisches Szenario zur Lösung einer kompletten Arbeitsaufgabe
• Eigenschaften:− Szenario beschreibt die vollständige Bearbeitung der Aufgabe
mit einer statischen Abfolge von Handlungsschritten
− Hohe Funktionalität, aber nahezu keine Flexibilität
− hoher Aufwand zur Realisierung notwendig
• Anwendungsbereiche:− Detaillierte Darstellung bestimmter Funktionen bzw.
Interaktionen in späten Entwurfsphasen
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Funktionstüchtiges (Teil-)System
• Funktionstüchtige Version eines Produkts oder Systems, die eine Teilmenge oder die Gesamtmenge der vorgesehenen Funktionalität vollständig implementiert
• Eigenschaften:− „Vorserienmodell“, „Release Candidate“
− Erst sehr spät im Entwicklungszyklus verfügbar
• Anwendungsbereiche:− Detaillierte Untersuchung bestimmter Funktionen bzw.
Interaktionen im Kontext des Gesamtsystems in späten Entwurfsphasen
− Fehlersuche vor Projektabschluss
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Vorteile von Prototyping
+ Anforderungen der Anwender können laufend präzisiert und verifiziert werden.
⇒ Risiko einer Fehlentwicklung sinkt
+ Unbeabsichtigte Wechselwirkungen zwischen Komponenten des Produkts können frühzeitig erkannt werden
+ Fertigstellungsgrad ist besser verifizierbar
+ Frühzeitige Qualitätssicherung und Risikominderung
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Kritik an Prototyping
― Erzeugt zusätzliche Kosten
― Setzt ausreichendes Wissen über das Anwendungsgebiet voraus
― Erfordert direkten Kontakt zwischen allen an der Entwicklung beteiligten Personengruppen
― Tendenz, Anforderungen weder korrekt zu erheben noch sauber zu dokumentieren
― Tendenz, die Innovation allein bei den Nutzern zu suchen
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Zusammenfassung
• Prototypen– vorläufige Form (Modell) eines Produkts
– unterscheiden sich vom Endprodukt durch Materialien undHerstellungsprozesse, Herstellungsgenauigkeit und Detailliertheit sowie Funktionsumfang
• Prototyping– Frühe Entwicklung von Modellen des endgültigen Produkts, um
Anforderungen zu ermitteln und künftige Nutzer einzubeziehen
– Methoden unterscheiden sich durch Kosten und Aufwand zur Realisierung, dem verwendeten Prototypen sowie der Nutzbarkeit für bestimmte Ziele
– Auswahl abhängig von Zielen, Fähigkeiten und Möglichkeiten der Interessengruppen
– Bsp:Storyboard, Mock-Up, Animation, Szenario-Maschine
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Literatur
• Buxton, Bill (2007): Sketching User Experiences. Morgan Kaufmann
• Dix, Alan; Finlay, Janet; Abowd, Gregory D.; Beale, Russell (2003): Human Computer Interaction. Prentice Hall
• Mayhew, Deborah J. (1999): The Usability Engineering Lifecycle: A Practitioner's Handbook for User Interface Design. Morgan Kaufmann.
• Rosson, Mary B.; Carroll, John M. (2001): Usability Engineering: Scenario-Based Development of Human-Computer Interaction. Morgan Kaufmann.
• Warfel, Todd Z. (2009): Prototyping – A Practitioner’s Guide. Rosenfeld Media.
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