raum - illusion mit methode
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Tim Proetel (TP) Peter Boerboom (PB), wieso ist Neugierde eine Voraussetzung fürs Zeichnen?TP: Neugierde lässt uns vermeintlich Bekanntes neu sehen. Zeichnen lernen
heißt sehen lernen. Nicht als technischer Vorgang, sondern wie filtere ich die
unzähligen optischen Informationen, die gleichzeitig wahrgenommen werden.
Für die räumliche Darstellung gilt das genauso: Wenn neben einem Baum-
stamm die Mähne eines Löwen sichtbar wird, weiß jeder, da versteckt sich ein
gefährliches Tier hinter einem Baum. Das ist eine Erfahrung, die jedes Kind,
das Verstecken spielt, deuten kann. Eine Erfahrung von Räumlichkeit. Dennoch
scheuen sich viele Menschen, Dinge so zu zeichnen, dass sie sich verdecken.
Im Alten Ägypten sogar die Künstler. Alles sollte schön ordentlich nebeneinan-
der ausgebreitet sein. Das ist zwar übersichtlich, aber auch schematisch, unna-
türlich. Die Welt ist nicht so.
Die Scheu, das Gesehene abzubilden scheint tatsächlich weit verbreitet zu sein. Wie ermutigen Sie Einsteiger, diese zu überwinden?PB: Das «Sich-trauen» ist bestimmt ein großes Thema. Das war bei mir nicht
anders. Das Zeichnen im Skizzenbuch habe ich ja auch erst wiederentdeckt,
Raum: Illusion mit Methode Interview mit Peter Boerboom und Tim Proetel
Zeichnen, das kann man doch – oder man kann es nicht! Wie vieles andere auch:
Skifahren, frei sprechen, tanzen… Von Genies, die sich einfach hinsetzen und das Gewünschte
aufs Papier bringen, hört man immer wieder. Aber normale Leute müssen es eben lernen.
Zeichnen ist etwas Körperliches, das eine hohe Aufmerksamkeit und viel Neugierde verlangt,
sagen Peter Boerboom und Tim Proetel. Im Buch Raum: Illusion mit Methode haben sie die
Grundlagen zur räumlichen Darstellung zusammengetragen. Ob zwei- oder dreidimensionales
Zeichnen: Der Ursprung der gelungenen Zeichnung liegt im täglichen Beobachten, im Mut
auszuprobieren und in der Neugierde…
Das Gespräch führte Brigitte Meier
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Peter Boerboom ist Gründungsmitglied der Künstlergruppe «Department für öffentliche Erscheinungen» und realisiert gemeinsam mit Carola Vogt Kunst- und Fotografieprojekte. info@boerboom-vogt.de www.boerboom-vogt.de
Tim Proetel unterrichtet Kunst am Gymnasium Ottobrunn bei München. timproetel@aol.com
als meine Tochter auf einer Reise ganz selbstverständlich am Tisch im Lokal
gezeichnet hat. Daran habe ich mir ein Beispiel genommen.
TP: Papier ist billig. Wenn irgendetwas schiefgeht, kann man es ja noch mal
machen. Zudem ist es heute glücklicherweise so, dass hermetische Kategorien
von richtig und falsch in der Kunst nicht mehr gelten. Manches ist nach kon-
ventioneller Vorstellung nicht richtig, sieht aber trotzdem gut aus. Das ist doch
wunderbar. Trotzdem wollen wir manchmal, dass etwas ganz Bestimmtes beim
Zeichnen rauskommt. Da kann man schon auf Schwierigkeiten stoßen, da fühlt
man sich schon mal als Depp. Ich strample meist gegen das Scheitern an, weil
ich nicht einsehen mag, dass ich es nicht kann, aber bestimmt gibt es klügere
Wege raus aus der Verkrampfung.
PB: Wenn unser Buch es schafft, das Zutrauen der Leute in ihre eigenen zeich-
nerischen Fähigkeiten zu fördern und zu wecken, wäre das toll. Eine Freundin
wartet auf unser Buch, weil sie hofft, das Zeichnen damit zu lernen.
Jedenfalls hat sie bei einem Ausflug (wie wir alle) gezeichnet, etwas
unbeholfen zwar, aber sie beobachtet gut, und mit unseren leichten
Übungen lässt sich bestimmt die eine oder andere räumliche Situation
besser zu Papier bringen. Oder überhaupt einmal zu erfassen und
zu verstehen. Die Zeichnungen im Buch haben wir absichtlich
so einfach wie möglich gehalten, mit dem Hintergedanken,
dass Leser sagen: Das kann ich eigentlich auch!
Zeichnen lernt man doch am besten in einem Praxiskurs. Wie vermitteln Sie das in Ihrem Buch?PB: Zeichnen lernt man nur durch das eigene Tun, durch das
eigene Üben und die eigene Praxis. Wenn man sich für einen
Kurs angemeldet hat, ist man «nur» den ersten Schritt
gegangen, sich auf eine bestimmte Zeitspanne festzulegen,
in der man zeichnerische Übungen unter fachlicher Anleitung
machen will. Papier und Stifte sind sozusagen auf einen bestimmten
Termin gelegt, und man hat keine Ausflüchte mehr. Unser Buch kann den
festgelegten Übungstermin nicht ersetzen, es kann aber eine konstante
Aufforderung sein. Ein griffbereiter Stift und Papier regen immer zur eigenen
Praxis an.
TP: Ich lerne Zeichnen auch durch Anschauung. Ich schaue mir gerne Bilder
an, mich interessiert, wie die gemacht sind. Dann bin ich immer auf der Suche
Es ist so banal wie verblüffend: Richtig gesetzt, erzeugen wenige Striche auf Papier bereits Räumlichkeit, genauer: die Illusion von Raum. Das Interesse am räumlichen Zeichnen mag zunächst der Absicht entspringen, die sichtbare Wirklichkeit abzubilden. Tiefe zu erzeugen, ist jedoch ein faszinierendes Thema in jeder bildnerischen Gestaltung.
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Raum: Illusion mit Methode
NEU
nach Kniffen, die ich mir aneignen kann. Mit dem Buch versuchen wir, solche
Kniffe offen zu legen.
Zeichnen Sie ausschließlich traditionell oder nutzen Sie auch die moderne Technologie (etwa Paint-Programme auf dem PC)?PB: Nur mit Stift oder Pinsel auf Papier. Also ganz und gar traditionell. Der
Computer ist gut für stellenweise notwendige Retuschen. Die Materialität
von Tusche, Tinte oder Wasserfarben, die von dicken, dünnen oder borstigen
Pinseln auf mehr oder weniger saugendes Papier fällt und mit unterschied-
lichen Intensitäten verteilt werden kann, das hab ich doch am Computer
alles gar nicht. Selbst wenn ich im Computer Pinsel und Material wählen kann,
fehlt die Intensität und die Direktheit. Auch die Echtheit ist nicht da und wenn
ich Lust dazu habe, steuere ich den Wassertropfen auf dem Papier durch ein-
faches Hochheben und Kippen des Papiers. Zeichnen am Computer geht
also gar nicht. In den meisten Leben gibt es sowieso zu viel Computerzeit,
warum soll man auch noch damit zeichnen?
TP: Eigentlich eigenartig, dass Schreiben am Computer so gar kein Problem ist, im Gegenteil, das
Schreiben auf Papier geht für mich nur für sehr Privates oder Flüchtiges. Zeichnen am Rechner
macht für mich aber überhaupt keinen Sinn, ist höchstens eine technische Spielerei. Ich gerate vor-
übergehend ins Staunen über die Effekte, dann lässt es mich kalt. Die digitale Bildbearbeitung sollte
so zurückhaltend wie möglich sein, sie sollte die Zeichnung nur für den Druck aufbereiten.
Was haben erfahrene Zeichner von Ihrem Buch?
TP: Nach einer kurzen Einführung gliedert sich unser Kurs in acht Kapitel mit Übungsbeispielen,
Erläuterungen und Hilfestellungen. Die Motive lassen sich in großer Vielfalt variieren und die
Methodik in der Schule vermitteln. Viele Dinge, die der Profi intuitiv richtig macht, sind hier durch
einzelne Methoden strukturiert dargestellt. Wir haben uns immer wieder ganz dumm gestellt, um
der Sache mit der Räumlichkeit auf den Grund zu gehen. Wie kommt es, dass wir sehen, was wir
Raum: Illusion mit Methode – das Buch zum Artikel
Peter Boerboom, Tim Proetel Raum: Illusion mit Methode 160 S., geb., € 24.90 / ca. sFr. 32.90978-3-258-60065-9
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sehen? Vieles was simpel aussieht, braucht neben dem Training auch den Blick dafür, worauf es
jeweils ankommt. Und so finden sich wertvolle Tipps für Architekten, Designer, Grafiker…
Welchen Schwerpunkt haben Sie bei den Zeichnungen gewählt?PB: Am besten haben immer die einfachen Zeichnungen funktioniert. Oder besser gesagt: die-
jenigen, die danach aussahen. Manche haben wir ja zigmal wiederholt – und oft nicht mehr so
schnörkellos hinbekommen wie beim ersten Mal. Diese Unmittelbarkeit des Tuns ist generell das
Faszinierendste am Zeichnen. Die Konzentration auf ein Ergebnis hin. Und schon sind wir bei den
Kriterien der Kunst… Bei den ersten Zeichnungen zum Thema haben wir festgestellt, dass wir schon
sehr viel wissen. Über die Fluchtpunkte, Kompositionen usw. Dieses Wissen haben wir uns ja in
langer Zeit und Übung erworben. In gewisser Weise haben wir das alles wieder über Bord geworfen
und – naja, ganz von Vorne haben wir nicht angefangen, aber vielleicht mit einem anderen, neuen
Blick auf die räumliche Gestaltung? Das Thema Raum gibt denn auch den Titel vor: die Methoden
der räumlichen Illusion auf zweidimensionaler Fläche. Und zwar ganz besonders die einfachsten
Methoden! Denn beim Fluchtpunkt flüchten ja die meisten Einsteiger sowieso schon. Aber mit den
einfachen Methoden – die gar nicht simpel sein müssen! – erreichen wir alle und haben dabei auch
unseren eigenen Entdeckerspaß und unsere Experimentierfreude.
Warum haben Sie das Buch gemacht?TP: Weil wir eine große Freude am Zeichnen haben. Und weil wir wunderbar zusammenarbeiten
können. Wir sind unterschiedlich, aber nicht zu sehr. Ich bringe manchmal so romantische Zeich-
nungen daher, da schaut der Peter dann ganz skeptisch. Und beim nächsten Mal kommt er mit
in der Dämmerung versinkenden Bergen daher! Die Zusammenarbeit ist so, dass ich immer sehr
neugierig auf Peters neue Zeichnungen bin. Und natürlich auch darauf, wie er meine neuen Sachen
findet. Alleine wäre die Gefahr, sich im Kreis zu drehen, viel größer.
PB: Die Auswahl der Zeichnungen, das Besprechen, was funktioniert, was nicht, welche Idee ist gut,
aber die Ausführung noch nicht, das Sammeln, Aussortieren, Zusammenstellen, Ordnen, mit den
Texten arbeiten… All das geschah im ständigen Austausch. Das ist das Schöne an der Zusammen-
arbeit: Beim Reflektieren und Weitertreiben ist immer ein Du da.
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NEUHeike Kelter zeichnen heißt sehen 128 S., br., € 24.90 / ca. sFr. 32.90978-3-258-60060-4
«zeichnen heißt sehen» führt mit vielen Beispielen und Übungen in die Methode des flächigen Sehens ein. Das wichtigste Hilfsmittel zum Erlernen dieser Technik ist das dem Buch beigelegte Zeichenvisier, mit dessen Hilfe der flache Blick trainiert werden kann. Anschließend werden Themen wie die Komposition der Zeichnung, das Sehen der Perspektive, die Bedeutung von Innenlinien, Schraffur und Fokus behandelt.
Zeichnen im Haupt Verlag
Mit dem Buch von Peter Boerboom und Tim Proetel startet der Haupt Verlag einen neuen Programm-zweig zum Thema Zeichnen. Ebenfalls im Früh-jahr 2013 erscheint bei Haupt der Titel «zeichnen heißt sehen» der Berli-ner Künstlerin und Zeichenlehrerin Heike Kelter. In den nächsten Hauptsachen (Herbst 2013) werden wir Ihnen unsere Autorin Heike Kelter aus-führlich vorstellen.
Ebenfalls neu bei Haupt: zeichnen heißt sehen
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