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Seminar: Argumentation und Legitimation
Gabriela Messner; 0114410, A297 1
Referat
Heinz – Joachim Heydorn
Über den Widerspruch von Bildung und Herrschaft
von Gabriela Messner
Das folgende Referat bezieht sich insbesondere auf das Buch von Heinz-Joachim Heydorn:
„Über den Widerspruch von Bildung und Herrschaft, Frankfurt am Main, Europäische
Verlagsanstalt, 1970.
Zur Person und Lebensstationen Heinz-Joachim Heydorns (1916 – 1974):
http://www.ub.uni-frankfurt.de/archive/heydorn.html am 28.04.2008)
1916: Heydorn wird am 14. Juni in Altona/Elbe geboren. Vater und Mutter stammten aus
Kaufmannsfamilien. Der Vater war Rechtsanwalt.
1933: Mitglied der Bekennenden Kirche
1934 – 1939: illegale politische Arbeit
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1935/36: Aufnahme des Studiums der Philosophie an der Hamburger Universität. Als 2. Fach
belegte er Sinologie. "Das Interesse an Kultur als Menschheitskultur war bei ihm so stark
ausgeprägt, dass er sich zeitweise intensiv mit aztekischer Kultur und Sprache, Sanskrit und
Hebräisch“ befasste. Zudem: Studium der Anglistik 1938 unterbrach er das Studium und ging
nach England, als Deutschlehrer an die nordwalisische Rydal School; auch von hier aus
wurde die Verbindung nach Paris aufrechterhalten." (Verbindung zu Emigrantengruppen)
1939: Einziehung zum Militärdienst
1944: "Auf dem Weg zur Westfront desertiert Heydorn 1944" und wird in Abwesenheit durch
ein deutsches Kriegsgericht zum Tode verurteilt; englische Kriegsgefangenschaft 1945
Rückkehr nach Hamburg, Eintritt in die neu gegründete Hamburger SPD "Durch
journalistische Arbeit verdient er sich das Geld für das Studium, das er wieder aufgenommen
hat." Heydorn kommt mit der politischen Philosophie Leonard Nelsons in Berührung.
1946/47: 1. Vorsitzender des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS)
1949: Promotion in Hamburg; Kandidatur für den Bundestag, "aber eine Stimme fehlt
zum Erfolg".
1950: Dozent an der Pädagogischen Hochschule Kiel
1952: erhält er einen Ruf als Schulpädagoge an das Pädagogische Institut in Jungenheim
(Hessen). Dieses Institut wird zu Beginn der 60er Jahre an die Frankfurter Universität verlegt.
Heydorn wird also 1961 in Frankfurt Professor (für Erziehungs- und Bildungswesen).
1961: Professur für Erziehungs- und Bildungswesen in Frankfurt/M.
1961: Ausschluss aus der SPD aufgrund des Unvereinbarkeitsbeschlusses. In den 60er Jahren
nahm er aktiv an der Studentenbewegung teil und war dennoch einer ihrer größten Kritiker:
"So war die Differenz auch mit der Studentenbewegung in der Israelfrage schon 1967
aufgebrochen; nach 1968 vertieft sie sich zum unüberbrückbaren Gegensatz." In den 60er und
70er Jahren entstehen seine "Bildungstheoretischen Schriften"
1974 Heydorn stirbt am 15. Dezember
Alle Angaben sind der "Einleitung" von Gernot Koneffke in HEYDORNS
"BILDUNGSTHEORETISCHESCHRIFTEN" (Frankfurt 1980; Band 1) entnommen. Vgl.
Hans-Jochen Gamm: "Heinz-Joachim Heydorn ein deutscher Pädagoge". In: päd. Extra 11/84,
S. 12 bis 13. (http://www.c-buenger.de/lehre/cb_05-06/material/Biographie-Heydorn.pdf am
28.04.08)
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Heinz-Joachim Heydorn hat in seinem Buch „Über den Widerspruch von Bildung und
Herrschaft“ den Versuch unternommen, Bildung und Herrschaft in ihrem Widerspruch zu
erfassen. Heydorn tut dies, indem er die entscheidenden Phasen der historischen Entfaltung
dieses Widerspruchs rekonstruiert. Die Rekonstruktion der Geschichte ist für Heydorn
unerlässliche und notwendige Voraussetzung dafür den gegenwärtigen Ort zu bestimmen (vgl.
Heydorn 1970, S. 8). Aus der mühseligen Rekonstruktion der Geschichte gibt es für Heydorn
keine Entlassung, denn „nur wer um seine Herkunft weiß, kann die Grenze der Gegenwart zur
menschlichen Zukunft hin überschreiten“ (Heydorn 1970, S. 8). Um den Ursprung des
Widerspruchs von Bildung und Herrschaft zu klären, geht Heydorn weit in die Geschichte der
Menschheit zurück. Er beginnt seine Abhandlung mit der griechischen Aufklärung. Die
griechische Aufklärung ist jene Zeit wo die erste Erweckung der Rationalität festzustellen ist
und die Menschen den Versuch unternehmen sich von ihrer mythischen Verhaftung zu lösen.
In der griechischen Aufklärung hat der Widerspruch von Bildung und Herrschaft seine erste
und grundlegende Gestalt angenommen. Die griechische Antike ist, um den Bildungsbegriff
von Heydorn zu verstehen, von immenser Wichtigkeit. Denn der Bildungsbegriff wird bei
Heydorn inhaltlich verstanden gemäß dem Anspruch der frühen Aufklärung als antizipierende
Selbstentdeckung des Menschen (Klapptext). „Mündigkeit ist Selbstfindung des Menschen,
der Prozeß seiner Habhaftwerdung, seines wahren Bewusstseins von sich selber. Bildung ist
ein entscheidendes Mittel dieses Prozesses“ (Heydorn 2004, S. 58). Heydorn zufolge
„begreift sich Mündigkeit mit ihrem Beginn als Widerspruch zum Gesetzten, zu allem, was
nicht weiter befragt werden darf oder befragt wird, nur das Gegebene widerspiegelt“
(Heydorn 2004, S. 56). Demnach ist für Heydorn das Ziel aller Bildung die Mündigkeit des
Menschen. Wenngleich in der griechischen Aufklärung die ganze Vernunft schon vorhanden
ist, wird der Widerspruch noch nicht als ein historischer erkannt. Der Grund dafür ist, dass die
Institutionalisierung der Bildung und die Ausweitung des gesellschaftlichen Zusammenhangs
den Menschen erst umfassender und tiefer durchdringen und entfremden musste
(Benner/Brüggen/Göstemeyer 2008, S. 51).
Erst mit der aufsteigenden bürgerlichen Klasse, so Heydorn (2004, S. 56) wird Mündigkeit in
die Geschichte versetzt und mit einem im Ansatz bereits säkularistierten Prozess der Historie
verbunden. Mündigkeit und Bildung werden institutionell miteinander verbunden.
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Die materiellen Vorraussetzungen haben sich verändert und „die veränderte materielle Basis
gibt der Bildungsinstitution ein Gewicht, das ihr bis dahin nicht zukommen konnte“ (Heydorn
2004, S. 56). Die bürgerliche Gesellschaft nimmt Bildung zunehmend, zur Entwicklung der
Produktivkräfte in den Dienst und liefert Bildung immer mehr partiellen Zwecken aus
(Pongratz 1995, S. 24). In der Bildungsinstitution wird mögliche Mündigkeit in ihren
Widerspruch versetzt. Heydorn zufolge (vgl. 2004, S. 57) muss Mündigkeit, die sich als
verwirklichte Bildung versteht, in diesem Prozess der Geschichte aushalten und sich
schlussendlich freikämpfen. Zu Beginn, so Heydorn (2004, S. 58) wird Mündigkeit noch als
gemeinsames Werk angesehen, welches von allen geleistet werden soll.
Die aufsteigende bürgerliche Klasse hatte befreiende Mündigkeit als Ziel aller Bildung gesetzt
und die Bildungsorganisation war ihre Schöpfung. Aber im Laufe der Geschichte wird der
Sinn von Mündigkeit vertauscht, denn die bürgerliche Klasse macht Bildung zum Instrument
des Klassenkampfes. Die siegreiche Klasse, die sich den Besitz der gesellschaftlichen Macht
sichert, wendet sich gegen ihre eigene Herkunft und versucht sie unkenntlich zu machen. Die
siegreiche Klasse legt keinen Wert mehr auf Liberté, Egalité und Fraternité. An die Stelle der
kollektiven Vernunft tritt nun das Individualitätsprinzip (Heydorn 2004, S. 316). Der Einzelne
ist nun auserwählt, mündig zu sein und nicht alle. Vorraussetzung für diese Art von
Mündigkeit ist ökonomische Freiheit als historische Bedingung von Freiheit. Um die
ökonomische Freiheit zu sichern bzw. mit fortschreitender Funktionsdifferenzierung, der
Differenzierung von Produktion und Handel wird organisierte Bildung zur Notwendigkeit.
Institution und Mündigkeit geraten in einen unüberbrückbaren Gegensatz (Heydorn 1970, S.
317).
Die Herrschaft unterliegt nun dem Zwang, Bildung ununterbrochen vermehren zu müssen, um
sich selbst zu erhalten, sie muss die Grenzen, ihres eigenen Herrschaftswissens durchbrechen
und Rationalität ausstreuen (Heydorn 1970, S. 317). Die Interdependenz von Bildung und
Herrschaft gewinnt eine bisher unbekannte Bedeutung. Denn immer mehr Menschen werden
auf immer längere Zeit von einem Bildungsprozess erfasst, der die Produktionsverfassung
rational versorgen muss, es wird erkennbar, dass die geschichtliche Dialektik an Mächtigkeit
zunimmt.
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Der Prozess, so Heydorn (Heydorn 1970, S. 317). schreitet fort, der rationale Charakter der
Bildung muss angesichts der technologischen Bedingung stetig erweitert werden und dieser
Prozess beinhaltet auch die Möglichkeit zur realen Verwirklichung von Mündigkeit.
Durch diese zunehmend fortschreitende Rationalität sieht sich die Herrschaft daher
gezwungen die fortschreitende Rationalität der Gesellschaft zu paralysieren, sie für den
Menschen unwirksam zu machen, die Gewalt des Bewusstseins in Ketten zu legen. Mit der
Zuspitzung des Widerspruchs von Rationalität und Naturwüchsigkeit, gesellschaftlicher
Selbstbestimmung und Unterwerfung unter irrationale Triebkräfte, werden die Mittel, diesen
Widerspruch zu verdunkeln, immer raffinierter, sie bedienen sich selber der
Mündigkeitsvokabel (Heydorn 1970, S. 318). Die Herrschaft bedient sich selber des
Begriffes, um Mündigkeit unmöglich zu machen. Für Heydorn ist wichtig, diesen
paralysierenden Zustand zu überwinden. Die Menschen sollen beginnen, das was für sie
selbstverständlich erscheint zu bezweifeln und zu hinterfragen. Dadurch dass die
systematische Vermittlung von gesellschaftlicher Rationalität durch Bildung, die die
Möglichkeit aller Rationalität in sich trägt, wird dies möglich. Für Heydorn muss Mündigkeit
nur noch angestoßen werden und kann sich dann in weiterer Folge selbst entdecken.
Die Gesellschaft erzeugt also ihren eigenen Widerspruch. „Wo der Wissende seine Lage
erkennt, entsteht eine Form von Mündigkeit, die sich als Nachtwache begreift so
Kierkegaard“ (Kierkegaard zit. n. Heydorn 2004, S. 63). Die Menschen müssen sich gegen
die Institution wenden, welche Herrschaft vertritt und sie müssen zu deren Vernichtung
ansetzen. Die revolutionäre Auflösung des Widerspruchs könnte für Heydorn durch die
Begründung von kollektiver Mündigkeit gelingen (Heydorn 2004, S. 64).
Ziel aller Bildung ist Macht aufzuheben und den freigewordenen Menschen an ihre Stelle zu
setzen. Bildung ist Revolution des Bewusstseins. Bildungsfragen sind Machtfragen (Heydorn
1970, S. 336f). Heydorn sieht eine enge Verknüpfung zwischen Politik und Bildungsfragen.
Für Heydorn waren die Entwicklungen der kapitalistischen Gesellschaft soweit
fortgeschritten, dass der Versuch der revolutionären Auflösung des Widerspruchs von
Bildung und Herrschaft hätte gelingen können. Heydorn glaubte fest daran, dass „der Mensch
das Licht, das er in sicht trägt“(Heydorn 1970, S 337) finden und somit einen Weg aus seiner
Verhängtheit finden würde.
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Literaturangabe
Benner, Dietrich/Brüggen, Friedhelm/Göstemeyer, Karl-Franz: Heydorns
Bildungstheorie, in: Gruschka, Andreas/Pongratz, Ludwig (Hsg.): Heydorn lesen!, Wezlar,
Verlag „Büchse der Pandora“, XXX1.
Bünger, Carsten: Biographie – Heinz – Joachim Heydorn, online unter URL: (http://www.c-
buenger.de/lehre/cb_05-06/material/Biographie-Heydorn.pdf am 28.04.08)
Heydorn, Heinz-Joachim: Über den Widerspruch von Bildung und Herrschaft, Frankfurt am
Main, Europäische Verlagsanstalt, 1970.
Heydorn, Heinz-Joachim: Bildungstheoretische und pädagogische Schriften, 1971 – 1974,
Werke Bd. 4, Studienausgabe, Büchse der Pandora, Wetzlar, 2004.
Pongratz, Ludwig A.: Aufklärung und Widerstand, Kritische Bildungstheorie bei Heinz –
Joachim Heydorn, S. 11 – 38. in: Euler, Peter/Pongratz, Ludwig A. (Hsg.): Kritische
Bildungstheorie: zur Aktualität Heinz-Joachim Heydorns, Weinheim, Deutscher Studien
Verlag, 1995.
1 Die Angabe des Erscheinungsjahres und die korrekte Seitenangabe ist derzeit noch nicht möglich, da das Buch „Heydorn lesen!“ noch nicht erschienen ist. Frau Dr. Messerschmied hat mein Interesse an Heydorn erkannt und war so freundlich, mir das noch unveröffentlichte Manuskript zur Verfügung zu stellen.
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