regelbrecher in der pandemie: die erfolgsgeschichten von
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WIRTSCHAFT AUS ERSTER HAND JULI 2021
E X T R A
Regelbrecher in der Pandemie: Die Erfolgsgeschichtenvon Biontech, Kion und Boxine
JETZT MITMACHEN BEIM WETTBEWERB 2021!
Die Jury wählt die besten Ideen aus, ab Ende September 2021 können die Leserinnen und Leserauf SPIEGEL.de daraus ihren Favoriten wählen. Die Gewinner geben wir am 2. November 2021 inSPIEGEL WISSEN 2/2021 und auf SPIEGEL.de bekannt.
WIE LÄUFT DER WETTBEWERB AB?Kinder zu haben ist ein Geschenk. Um sie groß -zuziehen und fit zu machen fürs Leben, braucht esLiebe, Aufmerksamkeit, Zeit und Geld. Gesucht werden deshalb gute Ideen und Projekte, die Familienunterstützen. Und stark machen.
WORUM GEHT ES?
Mitmachen kann jeder! Die Einreichungsphase für den Social Design Award läuft bis zum 31. August 2021. Unterlagen und Onlineformular gibt es unter spiegel.de/socialdesignaward.
WIE KANN MAN TEILNEHMEN?Vergeben werden beim Social Design Award wieder ein Jurypreis und ein Publikumspreis. Beide Preise sind jeweils mit 2500 Euro dotiert. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.
WAS GIBT ES ZU GEWINNEN?
In Kooperation mit
In Kooperation mit
JETZT MITMACHEN BEIM WETTBEWERB 2021!
WORUM GEHT ES?Kinder zu haben ist ein Geschenk. Um sie groß-zuziehen und fit zu machen fürs Leben, braucht esLiebe, Aufmerksamkeit, Zeit und Geld. Gesuchtwerden deshalb gute Ideen und Projekte, die Familien unterstützen. Und stark machen.
WIE KANN MAN TEILNEHMEN?Mitmachen kann jeder! Die Einreichungsphasefür den Social Design Award läuft bis zum31. August 2021. Unterlagen und Onlineformulargibt es unter spiegel.de/socialdesignaward.
WIE LÄUFT DER WETTBEWERB AB?Die Jury wählt die besten Ideen aus, ab EndeSeptember 2021 können die Leserinnen und Leserauf SPIEGEL.de daraus ihren Favoriten wählen.Die Gewinner geben wir am 2. November 2021 inSPIEGEL WISSEN 2/2021 und auf SPIEGEL.de bekannt.
WAS GIBT ES ZU GEWINNEN?Vergeben werden beim Social Design Awardwieder ein Jurypreis und ein Publikumspreis.Beide Preise sind jeweils mit 2500 Euro dotiert.Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.
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4 DIGI TA L I SI E RU NGDie Pandemie wirkt wie einAufputschmittel auf innovativeund digitale Unternehmen. Wasechte Game Changer ausmacht.
8 B ION T E C H Mit dem Corona-Impfstoff be-gründet das Unternehmen eineneue Wirkstoffklasse. Entstehtein neuer Pharmakonzern?
1 2 K ION Wie die weltweite Nummerzwei der Gabelstaplerherstellernebenbei zur Nummer eins derLagerausrüster aufgestiegen ist.
16 B OX I N E Mit dem Hörspielwürfel Tonie-box hat das Start-up die deut-schen Kinderzimmer verändert.Jetzt ist der Rest der Welt dran.
2 0 I N T E RV I EW Wagniskapitalgeber FlorianHeinemann über die Geld-flut, den Nutzen von Börsenhüllen und die Folgen für deutsche Start-ups.
Anschrift des VerlagsEricusspitze 1, 20457 HamburgTelefon: (040) 30 07-25 51Fax: (040) 30 07-22 47Chefredakteure: Martin Noé (V. i. S. d. P.),Sven Oliver ClausenRedaktion: Claus Gorgs (frei), Christina Kyriasoglou, Eva Müller, Jonas Rest, Thomas WerresGestaltung: Darius WakilzadehBildredaktion: Susanne Katzenberg, Alexandru Pasca, Martin RichterGrafik: Jennifer FriedrichsSchlussredaktion: Bettina Storm-Rother(Ltg.); Rüdiger Frank, Maike TreyzDokumentation: Dennis Barg, Fritzi Becker, Torsten Biendarra, Joana Ruthe
IMPRESSUM
INHALT
Wer sich die Marktmachtund die Bewertungen dergroßen amerikanischentechkonzerne anschaut,
dem kann aus deutscher Sicht schon malbang werden. Da hilft nur eins: dagegen-halten. Die Industriekonzerne müssen sichschnell verändern, und – siehe Siemens,siehe Volkswagen – sie tun es auch. Gleich-zeitig jedoch gilt es, neue Märkte durch In-novationen erst zu schaffen und dann auchzu besetzen. Genau dafür haben managermagazin und die UnternehmensberatungBain & Company 2015 den WettbewerbGame Changer gestartet. In diesem zwei-ten und wohl letzten Corona-Jahr präsen-tieren wir herausragende Preisträger: • Biontech, das den begehrtesten Impf-stoff gegen Covid-19 entwickelt hat undjetzt ein Pharmaunternehmen neuer Prä-gung werden will; • den Gabelstaplerhersteller Kion, derzum weltweit größten ausrüster automa-tisierter Lager avanciert ist; • den Star deutscher Kinderzimmer, derjetzt mit seiner toniebox auch Europa unddie USa beschallt.Das ist der Sound des Erfolgs, den die
deutsche Wirtschaft braucht.
Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen,Ihr
M A R T I N N O É Chefredakteur
Sound des Erfolgs
EDITORIAL
3Extra manager magazin
DIGITALISIERUNG
Leise gleitet dertransportroboterdurch die Halle. Dasgraue Gefährt, kaum
so groß wie ein Einkaufswa-gen, transportiert Bauteile voneiner Montagestation zurnächsten, gesteuert über 5G-Funksignale. Die antriebs-energie kommt via Induktionaus dem Boden. am Ziel greiftder nächste roboter die benö-tigten Komponenten heraus.Mithilfe künstlicher Intelli-genz kann sein Kameraaugebis zu 600 verschiedene arti-kel pro Stunde erkennen undzuordnen. Der einzige Menschim raum ist rolf Najork (59).
„In der Fabrik der Zukunftgibt es nur sechs feste Elemen-te: den Boden, die Decke unddie vier Seitenwände“, sagt der
Bosch-Geschäftsführer, derbeim Stuttgarter technologie-konzern die Industrietechnikverantwortet. alles andere istvariabel und intelligent ver-netzt für maximale Effizienzund Flexibilität in der Produk-tion. Najork steht in keinerrealen Fabrik, sondern auf dervirtuellen Hannover Messe.Hier hatte Bosch im april auf 200 Quadratmetern seine Vision von Industrie 4.0 auf -gebaut, dem Produktionsstan-dard von morgen, der aber bereits heute serienreif ist, wieNajork betont.
So laufen im Bosch-rex-roth-Werk in Homburg, dashydraulische Steuerungen fürtraktoren produziert, aktuellschon mehr als 200 verschie-dene Ventiltypen gleichzeitig
über dieselbe Montagelinie,ohne dass dafür Umbautennotwendig sind. „In unsereneigenen Werken haben wir mitIndustrie-4.0-technologienProduktivitätssteigerungenvon bis zu 25 Prozent er-reicht“, sagt Najork. Bosch giltals weltweit führend im Ge-schäft mit den intelligentenProduktionsverfahren.
Während Deutschlands Ge-sundheitsämter auch im Jahrzwei der Pandemie noch Da-ten per Fax übermitteln undganze Branchen vom Dauer-shutdown ins aus geschossenwurden, wirkte die Krise fürmanche Unternehmen wie einaufputschmittel. Boschs Visi-on von der intelligenten Fabrikist in der Gegenwart angekom-men. Der Kochboxenver-
D I G I TA L I S I E RU N G
Die Corona-Pandemie hat ganze Branchen schwer gebeutelt, doch für Vorreiter mit Techexpertise wirkte die Krise wie
ein Aufputschmittel: mehr Wachstum, mehr Wagniskapital, mehrWumms. Die Zeiten für Game Changer waren noch nie so gut.
Zehn Jahre in einem
EINHÖRNER-PRODUKTIONTech-Start-ups mit Milliarden-bewertungen im DACH-Raum
1 | Stand: 3/2021.Quelle: ClippertonGrafik: mm
2015 20211
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PREISTRÄGERKion-Chef
Gordon Riske(l.), die Bion-tech-Gründer
Özlem Türeciund Uğur Şahin
(r.) sowie Marcus Stahl
und Patric Faßbender von
Boxine (u.) erhalten den
Game ChangerAward 2021
4 manager magazin Extra
Fotos: Lêm
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ihre Bestellung stornierten. Die Ber-liner kamen der Nachfrage einfachnicht mehr hinterher.
Der Heizungsbauer Viessmannhatte schon vor Jahren auf die Lang-fristtrends Digitalisierung undNachhaltigkeit gesetzt. anlagen, dienicht nur per app gesteuert, son-dern auch digital aus der Ferne ge-wartet werden können, sowie be-sonders energieeffiziente Heizkesselsorgten 2020 für einen rekordum-satz von 2,8 Milliarden Euro – unddas mitten in der Krise. Kurzarbeitwar für die Hessen nur kurz ein the-ma, stattdessen wurden 450 neueMitarbeiter eingestellt. Und neben-her blieb auch noch Zeit, binnen we-niger Wochen eine Luftfilteranlagefür Klassenzimmer zu entwickeln.
Bei vielen technologiefirmen hatdie Pandemie einen Schub ausge-löst. Die vor Jahresfrist gehegte Be-fürchtung, die Krise werde die Fi-
nanzierung von Start-ups auf breiterFront einbrechen lassen, bewahrhei-tete sich nicht. Im Gegenteil: Im ver-gangenen Jahr floss nach Zahlen desDatendienstleisters Pitchbook mit42,8 Milliarden Euro so viel Wagnis-kapital in europäische Firmen wienoch nie. Die Zahl junger techun-ternehmen, die mit einer MilliardeDollar oder mehr bewertet werden,stieg im deutschsprachigen raumauf ein neues allzeithoch. „DurchCorona haben digitale technologienenorm an relevanz gewonnen“, sagtder Investor Florian Heinemann(siehe Interview Seite 20).
Daran wird sich auch mit demEnde der Pandemie wenig ändern,glaubt der autoscout24-Mitgründerund heutige Professor für E-Busi-ness an der Universität Duisburg-Essen tobias Kollmann (51). „VieleHändler hoffen, dass die Kundennach dem Ende der Beschränkungenwieder in die stationären Läden zu-rückkommen werden. Ich sehe dasnicht so.“ Corona habe das Kauf -verhalten nachhaltig verändert, dieKunden quasi zwangsweise an dieVorzüge des Onlineshoppings ge-wöhnt. „Unternehmen wie Hello-fresh, Zalando oder Flaschenpostwerden Gewinner bleiben.“
auch in der Industrie dürfte sichdie Digitalisierung nach Corona wei-ter beschleunigen. Herausgefordertwerden Bosch, Siemens oder Kionvon US-Konzernen wie amazonoder Microsoft, die über ihre Cloud-dienste und Betriebssysteme in die-sen Markt drängen. „Die entschei-dende Frage lautet: Wer ist schnellerbei der Vernetzung?“, sagt Digital -experte Kollmann. „Derjenige, deram Ende die technische Plattformstellt, kontrolliert das Geschäft fürdie Maschinen.“
Wer immer am Ende gewinnt –die Zeiten für Game Changer wer-den gut bleiben. 1 Claus Gorgs
7Extra manager magazin
DIE AUSZEICHNUNGMit dem Game Changer Awardküren manager magazin und dieStrategieberatung Bain & Com-pany jährlich mutige deutscheUnternehmen, die mit einem dis-ruptiven Ansatz die Spielregelnihrer Branche verändert haben.Der Preis wird in drei Kategorienverliehen: Customer Experience,Product & Service Innovationsowie Operations of the Future.
DIE AUSWAHLUnternehmen können sich nichtbewerben, sie werden ausge-wählt. Die Nominierung erfolgtanhand von Kriterien wie Um-satzwachstum, Nachhaltigkeitund Innovationspotenzial, auf dierund 70.000 in Deutschland an-sässige Firmen abgeklopft wer-den. Daraus entsteht eine Listevon 100 Unternehmen pro Kate -go rie, die einer gründlichen betriebswirtschaftlichen Analyse(Due Diligence) unterzogen und nach einem Punktesystembewertet werden.
DIE AUSERWÄHLTENDie fünf Punktbesten jeder Ka te -gorie schaffen es auf die Shortlistund werden von einer Jury er fah -rener Wirtschaftsexperten durch-leuchtet: Wie Erfolg ver spre chendist das Geschäfts mo dell? Wiedisruptiv ist die Tech nologie? Ineiner abschließenden Dis kussionder Jury mitglieder fällt die Ent-scheidung für die drei GameChanger des Jahres. Die virtuellePreisverleihung fand am 20. Mai2021 statt.
REGELN FÜR REBELLENWie die Preisträger desGame Changer Awardsermittelt werden.
sender Hellofresh konnte seinenUmsatz auf 3,75 Milliarden Euromehr als verdoppeln. Das einstigeStart-up ist inzwischen ein anwärterfür den Dax. Und dem Impfstoffpio-nier Biontech gelang ein kometen-hafter aufstieg (siehe Seite 8).
„Wir haben auf einen Schlag ei-nen Digitalisierungsschub erlebt,der sonst zehn Jahre gedauert hät-te“, sagt Walter Sinn, Deutschland-Chef der UnternehmensberatungBain & Company. Wer schon vor Co-rona in Zukunftsthemen wie Digita-lisierung, Lieferservice oder Nach-haltigkeit investiert hatte und sichschnell an die neuen Bedingungenanpassen konnte, hat gute Chancen,zu den Gewinnern zu gehören. Werbereits früher zu kämpfen hatte,muss nun erst recht um die Existenzbangen.
Zeiten des Umbruchs sind guteZeiten für neue Ideen.
Seit 2015 verleihen manager ma-gazin und Bain den Game Changeraward, eine auszeichnung für in novative Unternehmen, die dieSpielregeln ihrer Branche lieber um-schreiben, statt sich den bestehen-den zu beugen (siehe Kastenrechts). Selten fiel die auswahl soschwer wie in diesem Jahr, denn ne-ben den drei Preisträgern Biontech,Boxine und Kion gab es weitere, die
in der Krise über sich hinauswuch-sen, vom Start-up bis zum traditi-onsbetrieb. „Viele Unternehmen wa-ren unglaublich schnell im anpassenihrer Geschäftsmodelle“, lobt Sinn.„Das ist ein Faktor, der Mut macht.“Die entscheidenden Weichen wur-den dabei meist schon vorher gestellt.
So hatte Hellofresh sein digitalesBestellsystem bereits am Start, als deutschlandweit die Kantinenschlossen und viele restaurantbe-sitzer panisch versuchten, irgendwieeinen Lieferservice auf die Beine zustellen. Hellofresh liefert rezeptezum Selbstkochen inklusive vorkon-fektionierter Zutaten direkt nachHause – das ideale Geschäftsmodellfür Millionen Menschen im Home-office. Der unverhoffte Boom brach-te die Berliner zwischenzeitlich anihre Grenzen. Um die Weihnachts-zeit bot das Unternehmen seinenKunden Gutschriften an, wenn sie
DIGITALISIERUNG
6 manager magazin Extra
ANDREAS VON BECHTOLSHEIM
Der Informatikerund Investor istChairman desNetzwerkaus -
rüsters Arista. Erwar Mitgründervon Sun Micro -
systems, zählte zuden ersten Kapi-
talgebern vonGoogle und ist eingefragter Beraterim Silicon Valley.
PHILIPP JUSTUS
Als Vice PresidentCentral Europe
leitet er die Geschäfte des US-Konzerns Google
in 36 Ländern, darunter Deutsch-land, Österreichund die Schweiz.Zuvor war er als
Manager unter an-derem bei Ebay
und Paypal tätig.
JOE KAESER
Als Vorstandschefvon Siemens trieber den Umbau desKonzerns voran,
im Februar schieder aus dem Amt.Heute ist er Auf-
sichtsratschef vonSiemens Energyund gehört dem
Kontrollgremiumdes Autobauers
Daimler an.
HARALD KRÜGER
Vor knapp 30 Jahren begann er als Trainee seine
Karriere bei BMW,die ihn bis zum
Vorstandsvorsitzführte. Seit sei-
nem Ausscheiden2019 engagiert ersich als Berater
und im Aufsichts-rat von Lufthansa
und Telekom.
NICOLA LEIBINGER-KAMMÜLLER
Die Vorstands -vorsitzende
des Maschinen-bauers Trumpf
ist eine der profi liertesten Familienunter -nehmerinnen
in Deutschland. Das Unternehmen
gehört zu den Vorreitern bei Industrie 4.0.
MARTIN NOÉ
Der Wirtschafts-journalist be -
gleitet eng dendigitalen Wandeldeutscher Unter-
nehmen. 2004wechselte der
Historiker vom„Handelsblatt“zum manager
magazin. Seit 2018ist er dort Chef -
redakteur.
DIE JURYDiese acht Wirtschaftsexperten und -expertinnen entschieden über die Preisträger der Game Changer Awards.
VERENA PAUSDER
Digitale Bildungliegt der Unter-nehmerin am
Herzen: Sie grün-dete den Kinder-App-EntwicklerFox & Sheep unddie Haba Digital-
werkstatt.Zudem ist sie ander Lernplatt-form Ada Lear-ning beteiligt.
WALTER SINN
Seit 2014 führtder Unterneh-
mensberater dieGeschäfte von
Bain & Companyin Deutschland.Der Betriebswirtgilt als bestensvernetzt in der
deutschen Unter-nehmenswelt,
besonders in derFinanzbranche.
„WIR HABEN AUF EINEN SCHLAG EINEN
DIGITALISIERUNGSSCHUB ERLEBT, DER
SONST ZEHN JAHRE GEDAUERT HÄTTE.“
Walter Sinn
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Wenn wildfremdePersonen beim Fri-seur diskutieren,wie sie am schnells-
ten an ein Produkt kommen, dannist dem Hersteller ein echter Coupgelungen. Denn sein angebot stilltein drängendes Bedürfnis der Men-schen. In diesem Fall handelt es sichum die Erlösung von der Pandemiedurch eine transparente Flüssigkeitin einer Glasampulle: Comirnaty.
Keiner der derzeit zugelassenenCorona-Impfstoffe ist begehrter alsdas Vakzin von Biontech. Sein Schutzgegen einen schweren Verlauf vonCovid-19 liegt bei deutlich über 90 Prozent. Es ist gut verträglich.auch nach Hunderten Millionen Im-munisierungen sind keine schwerenNebenwirkungen nachgewiesen.
allein für die Leistung, innerhalbvon neun Monaten nach ausbruch
der Pandemie in Europa einen derart hocheffizienten Impfstoff zu entwickeln, hätte das Mainzer Bio-techunternehmen wohl den GameChanger award verdient. Noch niein den sechs Jahren, in denen mana-ger magazin gemeinsam mit derStrategieberatung Bain die aus-zeichnung vergibt, ist einem Laurea-ten ein derart fulminanter aufstieggelungen.
rund zehn Milliarden Euro Um-satz plant das Unternehmen im Jahr 2021 mit dem Verkauf von Comirnaty zu erzielen – ungefährdas 20-Fache des Vorjahres. alleinder erste zugelassene Wirkstoff aus seiner breiten Pipeline kata -pultiert Biontech auf den drittenPlatz der größten PharmakonzerneDeutschlands.
Doch das Gründerpaar Özlemtüreci (54) und Uğur Şahin (55) ge-
nerierte mit seiner Innovation nichtnur eine gewaltige Börsenkapitali-sierung von 50 Milliarden Dollar biszum Mai 2021 sowie die berechtigteHoffnung, ein wichtiger eigenstän-diger Spieler im globalen Pharma-markt zu werden. „Biontech verhilfteiner ganz neuen Klasse von Medi-kamenten zum Durchbruch“, be-gründet Bain-Partner Franz-robertKlingan, warum die hochkarätige Jury das Unternehmen einstimmigzum Sieger kürte.
Nach knapp 15 Jahren beharrli-cher Forschungsarbeit gelang Bion-tech mit dem Impfstoff der ultima-tive Beweis für die Wirksamkeit dermrNa-technologie. Bei dieser in-novativen art der Medikation setzensie nicht wie in der Pharmazie bis-lang üblich den gesamten Körper einem artfremden Stoff aus. DiesesVorgehen kann, wie beim Vakzin
GAME CHANGER PRODUCT & SERVICE INNOVATION
B I O N T E C H
Dem Mainzer Biotechunternehmen gelang mit dem Impfstoff gegen Covid-19 ein überragender Erfolg. Vor allem aber
schufen die Gründer mit der mRNA-Technologie die Grundlage für eine neue Klasse von hocheffizienten Medikamenten.
2
Anfang einer Epoche
TEAMDEUTSCHLAND Das Gründerpaar
Özlem Türeciund Uğur Şahinlieferte in kür-zester Zeit das
Covid-19-Vakzin.Auf Basis des
Wirkstoffs solljetzt in Mainz
ein Pharmakon-zern entstehen.
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von astrazeneca zu beobachten, neben dem erwünschten Effekt zuschädlichen Nebenwirkungen füh-ren. Biontech nutzt einen ganz an-deren Mechanismus – und für des-sen Entwicklung und industrielleHerstellung erfolgt die Ehrung inder Kategorie Produktinnovation.
Schnell und anpassungsfähigDie künstlich erzeugte Boten-rNawird aus den gleichen Bausteinen er-stellt wie das körpereigene Informa-tionssystem, das Zellen zu aktionenanregt. Nur stellt nicht der Organis-mus, sondern eine druckerähnlicheMaschine diese Nukleotide gezieltfür eine medizinische aufgabe zu-sammen. Wie ein Softwarebefehl lösen diese Sequenzen in Sekunden-bruchteilen die avisierte biochemi-sche reaktion aus. Im Falle des Vakzins etwa die Produktion des sogenannten Spike-Proteins.
Gegen diesen charakteristischenteil des Corona-Virus baut der Impf-ling innerhalb von tagen antikörperauf. attackieren die Erreger spätereine so immunisierte Person, erken-nen die abwehrzellen die angreiferund machen sie unschädlich. Damitverhindern sie meist eine Infektion,fast immer eine schwere Erkrankung.
Den Einsatz einer derartigen„Software für die Selbstverteidigung
des Körpers“ nennt Bain-ExperteKlingan „einen gigantischen Sprungfür die Medizin“. Der Fortschritt seiin etwa vergleichbar mit der Ent -deckung des Penicillins in den1920er Jahren. Weil Biontech dieSynthese von mrNa für den neu -artigen Wirkstoff exzellent beherr-sche, habe das Unternehmen ein„rasantes tempo“ bei der Entwick-lung des originären Impfstoffs vor-gelegt. Zudem könne es mit dieserKompetenz sehr schnell auf Mutan-ten reagieren sowie Vakzine für spe-zielle anfor derungen zur klinischenPrüfung bereitstellen.
Derlei Impfstoffvarianten sindwohl nur der Beginn der nächstenÄra der Medizin. Die innovativetechnologie bildet die Basis für eineganz neue Waffe gegen die unter-schiedlichsten Krankheiten. türeciund Şahin arbeiten von anfang andaran, mrNa im Kampf gegen Krebs
GAME CHANGER PRODUCT & SERVICE INNOVATION
11Extra manager magazin10 manager magazin Extra
zu nutzen. Die Onkologie istihr eigentliches Kerngeschäft,derzeit befinden sich elf Me -dikamente in der klinischenErprobung. Bei autoimmun -erkrankungen wie MultiplerSklerose sehen sie ebenfallserste positive Ergebnisse ausder präklinischen Forschung.auch eine ausweitung desmrNa-Einsatzes gegen ande-re große Infektionskrankhei-ten wie HIV oder Borreliose istbereits teil der Strategie.
Der ultimative BeweisDie Erprobung von mrNa beiden unterschiedlichsten Indi-kationen erfährt derzeit jeden-falls einen enormen Schub –sowohl bei den Prüfbehördenals auch in der Gunst der Pa-tienten. Die innovative tech-nik habe „ihre Durchschlags-kraft bewiesen“, sagt thomasStrüngmann (71), der mit demFamily-Office athos größteEinzelgesellschafter von Bion-tech. Noch nie kam ein neu -artiges Medikament in so kur-zer Zeit bei so vielen MillionenMenschen zum Einsatz. Selbstder zurückhaltende CEO Şahinhält sein mrNa-Produkt heutefür einen „nahezu perfektenWirkstoff“. Deshalb glaubt ermittlerweile wohl auch seinemfinanziellen Förderer Strüng-mann, der ihm zur ersten Zulassung mit den Worten gra-tulierte: „Heute hast du Medi-zingeschichte geschrieben.“
Und das nicht nur als Wis-senschaftler. Die Biontech-Gründer agierten vor allemunternehmerisch mit Weit-blick. Von anfang an mühtensie sich neben der Forschungum die Industrialisierung ihrertechnologie. Besonders Chef-
medizinerin türeci sorgt da-für, dass medizinische Ent -deckungen am Krankenbettbeziehungsweise in den Ober-armen von abermillionenImpfwilligen ankommen. Ge-meinsam mit dem US-PartnerPfizer organisiert sie die kli -nischen tests, betreut die Zulassungsverfahren. Bei derHerstellung des Vakzins ko-operiert sie eng mit Sierk Poetting (48). Der Finanzchefund Chief Operating Officerverantwortet die komplizierteProduktion. allein die Ver -packung der mrNa in Lipide,aus denen dann eine verimpf-bare Lösung entsteht, ist „einehöllische Frickelei“, wie ein Insider erzählt.
Schon vor der ersten Ge-nehmigung von Comirnatyanfang Dezember in Großbri-tannien hatten die beiden Vor-standsmitglieder gemeinsammit dem US-Partner Pfizer dieMassenproduktion eingestielt.
Seither läuft die Herstel-lung in rund 55.000 Einzel-
schritten wie am Schnürchen.als einziger Impfstofflieferanthielt das deutsch-amerikani-sche Duo alle Mengenverspre-chen ein. Mittlerweile kom-pensiert es mit zusätzlichenLieferungen sogar die ausfällebei astrazeneca und Johnson& Johnson. Der EU wird Bion-tech voraussichtlich weitere1,8 Milliarden Dosen zusi-chern, auch wenn der VertragVermarktungsvorstand SeanMarett (56) etliche Nervenkostet. Demnach würden alleDosen in Europa produziert.Der Gemeinschaft können dieausfuhrbeschränkungen derUSa also in Zukunft egal sein.
Der Schlüssel zur europäi-schen Unabhängigkeit ist dasWerk in Marburg, das Bion-tech im vergangenen Septem-ber Novartis abkaufte und aufmrNa umrüstete. Seit Mitteapril produziert es auf Hoch-touren – zwei Wochen früherals geplant. Künftig wird esjährlich eine Milliarde Dosenausstoßen. Insgesamt liegt die Kapazität von Biontech/Pfizer derzeit bei 2,5 Milliar-den Dosen. Und bei Bedarfsieht Poetting „noch Luft nachoben“.
Bahnbrechende technik,schnelle Produktentwicklungund zuverlässige Produktion –bei Biontech entstand aus der Kombination von For-schermut, Unternehmergeistund Ingenieurstugenden einewahrhaft weltverändernde Innovation. rund 2000 Men-schen umfasst das team in-zwischen. Und wenn eintrifft,was Klingan sagt, darf sich die Menschheit auf weitereUmwälzungen in der Medizinfreuen. 1 Eva Müller
ORGANISA -TIONSCHEFSierk Poet-ting regeltnicht nur dieFinanzen vonBiontech – erbeherrscht dieProduktion
KAMPF DEMKREBSTumorthera-pien sind der Wachstums-treiber der Bio-technologie, Marktvolumenin Mrd. Dollar
1 | Prognose.Quelle: IQVIAGrafik: mm
Biopharma-zeutika... davon Krebs-therapien
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SARTORIUSBiotech ist ein großer Um-satztreiber für Sartorius.Für die Medizin der Zu-kunft brauchen LaboreFermenter und Reaktoren,Zellkulturen, Filteranlagen,Chromatografen oder Ana-lysegeräte. Der GöttingerMDax-Konzern liefert der-lei Spezialitäten, vielfachvorkonfektioniert in derEinmalpackung für einekostengünstige, schnelleNutzung. Das Unterneh-men mit über 10.000 Mit -arbeitern erlöst mit dem Rundumservice gut 2,3 Milliarden Euro Um-satz. Die Gewinnmargeliegt bei fast 30 Prozent.
TEAMVIEWER Jeder Computerexpertekennt Teamviewer. Mit derSoftware aus dem schwä-bischen Göppingen kanner via Internet weniger ge-wieften Nutzern digital zuHilfe eilen. Seit der erstenVersion aus dem Jahr 2005hat das mittlerweile bör-sennotierte Unternehmensein Programm für Fernzu-griff und -wartung ständigausgeweitet. Mit Teamvie-wer lassen sich Windparkssteuern, Homeofficemitar-beiter betreuen und Video-konferenzen führen. ImCorona-Jahr 2020 stiegendie Billings um 42 Prozentauf 460 Millionen Euro.
VARTABatterien aus Ellwangenwaren schon auf demMond. Bis heute entwickeltVarta mit 4600 MitarbeiternEnergiespeicher für unter-schiedlichste Anwendun-gen. 870 Millionen EuroUmsatz erzielte der Mittel-ständler 2020 mit Mikro-batterien für Hörgeräteoder Wearables wie Fit-nessarmbänder, den bekannten Haushaltsbatte-rien sowie Speichern fürdie Industrie. Technologie-führer ist Varta bei der Miniaturisierung, forschtetwa an gedruckten Lithium-Ionen-Zellen für intelligente Hautpflaster.
VIESSMANNSeit vier Generationenführt die GründerfamilieViessmann. In mehr als100 Jahren hat sich derHeizungsbauer aus demhessischen Allendorf per-manent weiterentwickelt.Heute offerieren seine12.300 Mitarbeiter privatenHaushalten wie Industrie in 74 Ländern Lösungenfür Wärme, Kühlung undLüftung. Von Anfang ansetzte das Unternehmenauf die Steigerung derEnergie effizienz. Heute lie-fert es individuell ange-passte Komplettanlagen –auf Wunsch mit Wärme-pumpe und Solaranlage.
DIE SHORTLIST DER JURY – WER AUCH HOCHINNOVATIV WAR
„BIONTECH HAT MEDIZINGESCHICHTE GESCHRIEBEN UND DIEDURCHSCHLAGSKRAFTDER MRNA-TECHNIK
BEWIESEN.“Thomas Strüngmann, Investor
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13E x T R A manager magazin
Es sind Tage wie die-ser Mitte April, dieden gelernten Elek-trotechniker Gor-
don Riske (63) begeistern. AmVormittag hat der Kion-ChefHochregale mit tonnenschwe-ren Lasten beladen. Er ist ansteilen Rampen angefahren.Und er hat den Komfort derArbeitsplätze auf den neues-ten Gabelstaplermodellen derKonzernmarken Linde undStill mit denen der Konkur-renz verglichen.
Klar, Linde gilt als der Mer-cedes unter den Lagertrans-portern. Die Elektroantriebeeines Still-Staplers wiederumsind so leistungsstark wie dieeines großen Dieselaggregats.Trotzdem ist Wachsamkeitnötig. Vor allem Hersteller aus
China versuchen verstärkt, inEuropa zu punkten.
Nach seinem Einsatz resü-miert Tester Riske zufrieden:„Heute ist ein guter Tag.“
Tatsächlich hat der Kion-Vormann allen Anlass zu brei-tem Dauergrinsen. Eine Groß-akquisition, die Riske vor fünfJahren wagte, zahlt sich inzwi-schen mehr als erwartet aus.Denn sie hat einen Stapler -hersteller zu einem Komplett-ausrüster für eine der hei -ßesten Wachstumsbranchenüberhaupt transformiert.
40 Prozent seines Umsat-zes und ein Gutteil des Profitsmacht der Frankfurter Kon-zern heute mit weitgehendmenschenleeren Lagern, in de-nen Versandware von automa-tisierten Sortier- und Lager-
systemen und natürlich auto-nom fahrenden Staplern in ei-nem optimalen Warenfluss hinund her geschoben wird. Genaudanach lechzen Handelsgigan-ten wie Amazon, Otto & Co.
„Es gibt kein anderes Un-ternehmen, das Stapler undautomatisierte Warehouse-Lösungen in dem Umfang undso vernetzt anbietet wie Kion“,sagt Klaus Neuhaus, Industrie-experte und Partner bei derUnternehmensberatung Bainin Düsseldorf.
Kions Auftragseingang istim vergangenen Krisenjahrdurch den Corona-Schub imOnlinehandel bereits auf dasRekordniveau von 9,44 Milliar-den Euro hochgeschnellt. Unddie nächsten Spitzenmarkensind schon absehbar. Jeden-
GAME CHANGER OPERATIONS OF THE FUTURE
K I O N
Vorstandschef Gordon Riske hat den traditionsreichen Gabelstapler-konzern zum führenden Hersteller automatisierter Lager
für Onlinegiganten wie Amazon umprogrammiert. Dabei halfen einemutige Übernahme und ein Großaktionär aus China.
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Griff nach den Sternen
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Kion-Chef Gordon Riskehat Freude an Gabelstaplern
und Software, dieautomatisierte
Lager steuert
1 | Prognose.Quelle: RefinitivGrafik: mm
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2013 20211
TURBOPOWEREntwicklungdes Kion-Umsatzes,in Mrd. Euro
falls rechnet Riske mit zweistelligenWachstumsraten – und zwar auf Jahre hinaus.
Aussortierte „Biester“Die Umprogrammierung des Unter-nehmens zum Softwarehaus ist einLehrstück für weitsichtiges Unter-nehmertum. Getragen von einemlangfristig denkenden Großaktionärund dem ehemaligen Aufsichtsrats-vorsitzenden John Feldmann (72),der beim Chemieriesen BASF darauftrainiert wurde, große Trends in derIndustrie frühzeitig zu antizipieren.Und natürlich von dem Deutsch-amerikaner Riske, der bereits 14 Jah-re lang die Entwicklung von Kion vorantreibt.
Als Riske seinen Job antrat,mochte allerdings kaum jemand aufden Staplerhersteller setzen. Der da-malige Linde-Chef Wolfgang Reitzle(72) war heilfroh, als er Ende 2006
die „Biester“, die für rund 3,6 Mil -liarden Euro Umsatz bei Linde stan-den, den Finanzinvestoren KKR undGoldman Sachs überlassen konnte.Kion war damals ein klassischer, et-was verstaubter deutscher Maschi-nenbauer mit Schwerpunkt Europa.Man strebte vor allem nach Perfek-tion der Produkte. Immer besser,immer zuverlässiger, immer teurersollten die Stapler werden.
Die Finanzinvestoren drängtenauf Straffung der Kosten, ermöglich-ten es Riske aber auch, nach Chinaund Indien zu expandieren. Welt-marktchampion Toyota sollte vomThron gestoßen werden. Was aller-dings bis heute nicht gelungen ist.
Stattdessen startete Riske in eineandere Richtung durch, nachdemKKR und Goldman Sachs 2013 beimVerkauf der Firma über die BörseKasse gemacht hatten und der Kon-zernchef den chinesischen Moto-renkonzern Weichai als Großaktio-när gewonnen hatte.
Es war die Zeit, als die Digitalisie-rungswelle unter dem Stichwort In-dustrie 4.0 die deutschen Konzernein Aufruhr versetzte. Riske wusstevon seinen Zigtausenden Kundenrund um den Globus, dass der klas-sische Gabelstapler nicht überall gesetzt sein würde, wenn sie ihreUnternehmen transformieren. „Wir
GAME CHANGER OPERATIONS OF THE FUTURE
15E x T R A manager magazin14 manager magazin E x T R A
haben uns damals gesagt, lassuns mal das Geschäft mit derLagerautomation besser ver-stehen“, erinnert sich Riske,„denn dahin wird die Reise gehen.“
Man griff sich zwei kleineTechnikfirmen. Parallel hieltdie Kion-Truppe nach weite-ren Kaufobjekten Ausschau.Größere und kleinere Objektestanden zur Wahl. Riske ent-schied sich unter tatkräftigerMitwirkung des damaligenAufsichtsratschefs Feldmannfür den Marktführer – die Fir-ma Dematic, einen sogenann-ten Intralogistikspezialisten,der in Deutschland seinen Ur-sprung hat, aber nach etlichenEigentümerwechseln zuletztamerikanisch geprägt war.
Es schien wie ein Griff nachden Sternen – doch die Über-nahme gelang.
Angst vor dem Black FridayRiske bezahlte 3,2 MilliardenDollar – also rund zwei Dritteldes damaligen Kion-Börsen-werts. Die dafür notwendige Kapitalerhöhung winkte Wei-chai in Lichtgeschwindigkeitdurch. Weichai-Chairman Tanxuguang (59) weiß, was er an Riske hat. Die beiden ma-chen seit 20 Jahren immerwieder erfolgreich gemeinsa-me Sache.
Dematic, mit US-Sitz inGrand Rapids, Michigan, warfür Riske fast ein Heimspiel. Erstammt aus dem zweieinhalbAutostunden entfernten De-troit. Das verschaffte Riskegroße Akzeptanz in der stolzenamerikanischen Firma undhalf so bei der Integration.
Mit der Übernahme ge-wann Kion technologischen
Abstand zur Konkurrenz imMarkt. Erzrivale Toyota undalle anderen Stapler her steller,die sich auch umgeschaut hat-ten, konnten sich nur noch beiunbedeutenderen Lagerspe-zialisten bedienen.
Dennoch sorgte der Neu -erwerb in den ersten beidenJahren für gehörige Durchhän-ger mit Gewinnwarnung undKursstürzen. Hauptverant-wortlich war ein bereits vorder Übernahme schlecht ge-planter Anlauf eines großenDematic-Werks in Mexiko, dasdie ansteigende Auftragsflutbewältigen sollte. Großkundenfürchteten um das Jahresge-schäft am Black Friday, was inder Logistikbranche als Tod-sünde gilt. Nur durch den Ein-satz von Mitarbeitern aus an-deren Regionen des Konzerns,mit unzähligen Kundengesprä-chen und vielen MillionenEuro Unterstützung gelang es, einigermaßen durch dieschwere Zeit zu kommen.
Inzwischen sind die Ein-brüche beinahe schon wiedervergessen. Der ehemalige De-matic-Chef nahm ein üppigesAbschiedsgeld und wurde er-
setzt durch Hasan Dandashly(61), seit Januar auch Mitgliedim Kion-Vorstand.
Wäre Dandashly nichtschon im vorgerückten Alter,käme er angesichts der Bedeu-tung des Digitalgeschäfts auchals Nachfolger für Riske infra-ge, der im kommenden Jahr alsCEO abtritt. Bessere Aussich-ten haben indes FinanzchefinAnke Groth (51) und Stapler-Boss Andreas Krinninger (53).Ebenso gut ließe sich ein exter-nes Schwergewicht mit digita-ler Expertise anheuern.
Den Ausschlag wird Wei-chais starker Mann Tan xu -guang geben. Weichai hat mit seinem Anteil von 45,23 Pro-zent die Hauptversammlungs-mehrheit. Vor zwei Jahren hatte xuguang bereits einenüberraschenden Wechsel ander Spitze des Aufsichtsratsbewirkt. Damals hatte Ex-Porsche-Chef Michael Macht(60) Feldmann vorzeitig ab -gelöst.
Amtsinhaber Riske, so vielscheint sicher, wird in Friedengehen. Der Staplerfreund warund ist ein Gewinn. 1 Thomas Werres
LAGER OHNEMENSCHEN Von Kion errichtetesautomatisier-tes Verteil-zentrum inDubai
BOSCHDer weltgrößte Autozulie-ferer, der auch Industrie-technik (Bosch Rexroth)sowie Haus- und Elektro-geräte herstellt, ist führendbei der Transformationzum Industriestandard 4.0.Die Maschinen und Anla-gen in den mehr als 240Fabriken sind digital ge-steuert und vernetzt. DieErfahrungen als Leitnutzerfließen in die Entwicklungdigitaler Lösungen bei Fertigung und Logistik fürandere Unternehmen ein.Das beschert dem Stif-tungskonzern hohe zwei-stellige Wachstumsraten in dem Geschäftsfeld.
IFCOIfco vermietet rund um denGlobus Mehrwegbehälteraus Kunststoff für denTransport von Frischwarenvom Hersteller zum Le-bensmitteleinzelhandel. Als Pionier in Sachen Nachhaltigkeit reduziertder Marktführer Verpa-ckungsmaterialien sowieLebensmittelabfälle gegen-über klassischen Einweg-verpackungen. Die Kistenkönnen bis zu 120-malwiederverwendet undschließlich repariert wer-den. Ifco gehört den Finanzinvestoren Tritonund Abu Dhabi InvestmentAuthority.
SCOUTBEEDas 2015 in Würzburg gegründete Start-upScoutbee optimiert Liefe-rantenbeziehungen. Essucht für Unternehmen mit mehr als 500 MillionenEuro Umsatz passendeZulieferer; dabei hilftkünstliche Intelligenz. Dazusammelt Scoutbee Infor-mationen aus Zolldatenund Finanzdatenbanken.Das Versprechen: Was vor-her sechs bis acht Monategedauert hat, braucht so sechs bis acht Wochen.Die Kunden, darunter Audi, Airbus und Bosch,entrichten eine Lizenz -gebühr.
VAUDEDer BergsportausrüsterVaude Sport GmbH & Co.KG mit Stammsitz imbaden-württembergischenTettnang-Obereisenbachhat klimaneutrale Pro-dukte, vorausschauendesDenken und rücksichtsvol-les Wirtschaften zum Mar-kenkern gemacht. Bereits2018 hat Vaude umwelt-schädliche Fluorcarboneaus allen Produkten elimi-niert und ist damit be -sonders nachhaltig. DasGeschäft läuft gut, selbstim Corona-Jahr 2020 er-zielte Vaude eine Umsatz-steigerung von 8,7 Prozentauf 110 Millionen Euro.
DIE FINALISTEN DER KATEGORIE „OPERATIONS OF THE FUTURE“
„KEINE ANDEREFIRMA BIETET STAPLER
UND WAREHOUSE-LÖSUNGEN SO VERNETZT
UND IN DEM UMFANG AN WIE KION.“
Klaus Neuhaus, Bain
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WERTTREIBEREntwicklungder Börsen-kapitalisierung,in Mrd. Euro
Quelle: RefinitivGrafik: mm
2013bei IPO
3.5.2020
2,4
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Als Marcus Stahl (54) dasturmhohe grüne Schiffim Suezkanal steckensah, dachte er sich erst
einmal nichts dabei. Etwa auf derHöhe Kairos war die „Ever Given“Ende März auf Grund gelaufen undhatte sich quer in die schmale Trassehineingedreht, durch die jährlich 12 Prozent des globalen Handels -volumens laufen. Was Stahl nichtwusste: Auch ein mit seinen buntenHörspielfiguren, den sogenanntenTonies, gefüllter Container war aufdem Schiff verladen.
Die schlechte Nachricht über-brachte Stahls gerade frisch ein -gestellter COO Martin Fichter (56).Der rechnete zunächst mit ein paar Tagen Verspätung; daraus sind Wochen geworden. Bis Mitte Maistritten sich die ägyptischen Behör-den, die das Schiff beschlagnahmt
haben, und der Eigentümer desFrachters vor Gericht um Schadens-ersatz.
Die Tonies stecken weiter fest.„Es ist ein Scheißgefühl“, sagt Stahl.„Aber es ist auch ein irres Gefühl, zusehen, dass unsere kleinen Toniesjetzt in der ganzen Welt unterwegssind.“
Auch Stahl selbst hat unterneh-merisch einen weiten Weg hintersich. Der Ingenieur und Ex-Nokia-Manager startete Ende 2013 gemein-sam mit dem Grafikdesigner PatricFaßbender (51) die Firma Boxine: Sieverkaufen kindgerechte Lautspre-cher, die statt mit einer CD mit einerbunten Figur funktionieren. Stelltein Kind Benjamin Blümchen oderdie Biene Maja aus Kunststoff auf dieBox, beginnt das Hörspiel.
Die Idee schlug ein: In den ers -ten Monaten am Markt Ende 2016
setzte Boxine rund 2,2 MillionenEuro um, 2020 waren es dann 140Millionen. Seit drei Jahren erzieltBoxine Profit. Hinter dem Erfolg ste-cken das Produktdesign, der Strea-ming- und Podcastboom der letztenJahre und das Bestreben vieler El-tern, die Bildschirmzeit ihrer Kinderzu begrenzen.
Die Pandemie verschaffte demSpielzeugmarkt zusätzlich einenkräftigen Schub. Vergangenes Jahrwuchs das Segment in Deutschlanddreimal so schnell wie noch 2019:um 9 Prozent auf 3,7 MilliardenEuro. In den USA legte der Markt so-gar um 16 Prozent zu – gerade rechtfür Stahl, der im September begon-nen hat, den Vertrieb in den Staatenauszurollen.
„Auf der Nachfrageseite habenwir die Pandemie nicht negativ ge-merkt“, untertreibt der Gründer.
GAME CHANGER CUSTOMER EXPERIENCE
B OX I N E
Die Düsseldorfer Marcus Stahl und Patric Faßbender bringen Musik und Hörspiele in die Kinderzimmer.
Ihre Hightechbox und die Tonie-Figuren bescheren den Gründernspektakuläre Erfolge – jetzt sogar in den USA.
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Kinder, hört die Signale!
KASSEN -SCHLAGER
Jahrelang habenMarcus Stahl(l.) und Patric
Faßbender ihreHörspielboxen
entwickelt –jetzt setzen
sie 140 Millio-nen Euro um
Stahl und Faßbender wollennicht nur international wachsen, sieweiten auch die Produktpalette aus.An Ideen arbeiten ihre Angestelltenetwa in einem internen Lab. NeueFunktionen können die rheinländerper Update auf alle Boxen gleichzei-tig spielen: Die Geräte sind mit derCloud vernetzt und von den Elternper App zu steuern.
Mit dem Wachstum gehenUm all dessen Herr zu werden, modeln Stahl und Faßbender der zeitihre Führungsstruktur um. Zwi-schenzeitlich haben 17 Stellen imUnternehmen direkt an die Gründer berichtet, eine neue Management-ebene soll Abhilfe schaffen. ZumUnternehmen stößt Florian Drabeck(38) als Finanzchef, vorher in glei-cher Position beim Möbelshop West-wing tätig. Intern wurden mehrereFührungskräfte befördert, unter an-
derem Jan Middelhoff (37) zum Lei-ter des internationalen Geschäfts.
Zu den 120 Angestellten kamenvergangenes Jahr 100 neue, diesesJahr sollen noch mal rund 120 fol-gen. Stahl und Faßbender besuchendie wachsenden Teams virtuell, da-mit die neuen Leute nicht fremdeln.Im ersten Quartal gab es viele sol-cher runden. „Das ist noch wichti-ger als sonst, da Weihnachtsfeiern
und Grillabende durch Corona aus-fallen“, sagt Stahl.
Trotz aller Erfolge: Die Umsätzehätten noch viel stärker wachsenkönnen, wenn die Lieferkette gehal-ten hätte. So gab es vor der Pande-mie für die Teile der Lautsprecherund die Figuren nur eine Herkunfts-quelle. Ein heftiger Shutdown in Tu-nesien, wo die Tonies bemalt werden,und der Corona-Ausbruch in Indien,wo die NFC-Chips für die Figurenherkommen, hielten Boxine zurück.rund zwei Millionen Tonies wenigerwurden produziert – ein entgange-ner Umsatz in Höhe eines niedrigenzweistelligen Millionenbetrags.
Dergleichen soll nicht mehr pas-sieren: Mittlerweile sind Produk -tionsstätten in China und Malaysiahinzugekommen. Da schmerzt auchein feststeckendes Containerschiffnicht mehr so sehr.1 Christina Kyriasoglou
GAME CHANGER CUSTOMER EXPERIENCE
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18 manager magazin E x T r A
Sein ultimatives Ziel: „die To-nies weltweit in die Kinder-zimmer bringen“.
So groß war die Vision nichtimmer. Als Stahl und Faßben-der 2013 loslegten, beschränk-te sie sich auf DüsseldorferVorschulkinder. Die beiden Vä-ter kannten sich aus der Kitaihres Nachwuchses, und Faß-bender war es leid, seinen da-mals noch kleinen KindernCDs zu geben, die sie häufigverkratzten. Sie überlegten sichals Lösung die Toniebox: ei-nen robusten, würfelförmigenLautsprecher für Hörspiele.
Deal mit DisneyDie Entwicklung der neuenHardware dauerte einige Zeit.rund drei Jahre lang finanzier-ten sich die Gründer über Ka-pital von Freunden und Fami-lienangehörigen, die eine hoheeinstellige Millionensummelockermachten. Auf Messe -marathons ließen Stahl undFaßbender immer wieder Kin-der das Produkt testen. Das Er-gebnis: Sehr kleine Jungen undMädchen schaffen es, alleindie Box zu bedienen. Bis heutehat Boxine rund 2,5 Millionen
Lautsprecher und mehr als 20Millionen Figuren verkauft.
Nach und nach stellten dieGründer ihr Start-up profes-sioneller auf: So löste 2019 dieMünchener IndustrieholdingArmira um Alexander GrafFugger-Babenhausen (39) diean Boxine beteiligten Privat-leute aus. Laut Stahl hilft derKontakt gerade in Fragen derInternationalisierung.
Während die Produkte vonBoxine im deutschsprachigenMarkt etabliert sind, müssensich Stahl und Faßbender imAusland erst noch Gehör ver-schaffen. Neben der Expansi-on nach Großbritannien undIrland haben die Gründerjüngst den Verkauf in Frank-reich und den USA gestartet.„Der Schritt in die USA ist mu-tig“, sagt Andreas Dullweber,bei der Unternehmensbera-tung Bain verantwortlicherPartner für weltweite Marke-tingthemen. „Für jeden Marktmuss Boxine auch die rele -vanten Kindergeschichten imrepertoire haben.“
Über ihr Netzwerk habendie Boxine-Macher sich im-merhin vor dem Marktstart
einen Termin in Disneys Vor-standsetage bei Los Angelesgesichert. Der war erfolgreich:Die Düsseldorfer unterschrie-ben einen Lizenzdeal für dieUSA. Er brachte dort beliebteGeschichten auf die Box wie„Die Eiskönigin“, „König derLöwen“, „Das Dschungelbuch“oder „Arielle die Meerjung-frau“.
Dass Stahl in DeutschlandErfolge vorweisen konnte undschon seit Jahren Disney-Li-zenznehmer war, half bei denVerhandlungen. Außerdemsind die Tonies für Disney eineganz neue, wenn auch nochbescheiden sprudelnde Um-satzquelle. So etwas gab esvorher eben noch nicht.
Zu den Anlaufstellen für dieHörkästen gehören in denUSA – neben Amazon – derEinzelhändler Target, dieBuchhandelskette Barnes &Noble, aber auch der legendäreNew Yorker Spielwarenhänd-ler FAO Schwarz im rockefel-ler Center, bekannt aus diver-sen Weihnachtsfilmen. Stahlbleibt trotz der Anfangserfolgeaber realist: Bis der Markt pro-fitabel sei, werde es noch eini-ge Zeit dauern.
Eine enge Bindung an einenUnterhaltungsriesen wie Dis-ney könnte sich langfristigauch als Burggraben lohnen.„Das Produkt kann kopiertwerden“, warnt Berater Dull-weber. „Damit man nicht vergessen wird, gilt es, einestarke Marke aufzubauen. MitDisney im rücken kann das in den USA gelingen, wenn der Konzern die Toniebox zum Beispiel bei neuen Ver -öffentlichungen mitdenkt und-präsentiert.“
UNTER LEGENDENSeit Herbstverkauft FAOSchwarz, ältester Spiel-warenladender USA, die Produkte
BOOM INKINDERZIMMERNUmsatz-wachstum von Boxine, in Mio. Euro
1 | Verkaufsstart.Quelle: UnternehmenGrafik: mm
9/20161 2020
2,2
140
DEEPLDie Gründer von DeepL,Gereon Frahling und Leo-nard Fink, starteten 2008in Köln ihr Onlinewörter-buch Linguee. Der Clou:Ihre Website zeigte einegesuchte Vokabel in ver-schiedenen Kontexten an –für besseres Verständnis.Bald realisierte man, dasssich mit all den gesammel-ten Daten ein schlauesÜbersetzungstool bauenlässt. DeepL wurde 2017veröffentlicht und gilt alspräziser als die Techüber-macht Google mit ihremÜbersetzer. Geschäftsfüh-rer von DeepL ist der Tech-niker Jaroslaw Kutylowski.
FROSTAFrostas Geschichte reichtweit zurück: Der Vater des Firmengründers Dirk Ahlers baute in den 50er Jahren eine Fischfangree-derei in Bremerhaven auf.Da es kaum Vertriebswegefür Tiefkühlkost gab, star-tete Ahlers 1961 Frosta,das heute mehr als 550Millionen Euro umsetzt.Die Firma produziert seitJahren Gerichte ohne Zusatzstoffe. Die Quali-tätsumstellung verschafftedem Unternehmen eineVorreiterposition im Marktund soll das Wachstumauch in den kommendenJahren sichern.
HELLOFRESHRocket-Internet-Chef Oli-ver Samwer hat den Koch-boxenversender Hello fresh2011 aufsetzen lassen. Die Firma verschickt imAbo eigens abgepackteZutaten samt Rezepten anHaushalte. Seit dem Startwird das für sein aggressi-ves Marketing bekannteUnternehmen von DominikRichter geführt, der Hello-fresh Ende 2017 an dieBörse brachte. Die Firmasetzte 2020 rund 3,75 Mil-liarden Euro um und ist be-sonders in den USA stark.Dort hat Hellofresh einhei-mische Konkurrenten wieBlue Apron abgehängt.
KÄRCHERDas FamilienunternehmenKärcher stellt seit 1935Reinigungsgeräte her undgilt als Weltmarktführer.Seit rund zwei Jahrzehntenlenkt der Vorstandsvor -sitzende Hartmut Jenner die Geschicke, beschäftigtbei einem Umsatz von 2,7 Milliarden Euro welt-weit 13.500 Angestellte.Das Angebot prägt dieReinigungsindustrie, etwadurch Kärcher-Innovatio-nen wie einst den Heißluft-bläser oder heute dieVernetzung, wo über einePlattform etwa die Reini-gungsflotten und -maschi-nen koordiniert werden.
DIE FINALISTEN DER KATEGORIE „CUSTOMER EXPERIENCE“
„ES IST EIN IRRES GEFÜHL, ZU SEHEN,
DASS UNSERE KLEINENTONIES JETZT
IN DER GANZEN WELT UNTERWEGS SIND.“
Marcus Stahl
21E x T R A manager magazin
Florian Heinemanns (45)Fonds Project A ist als Abspaltung von RocketInternet (Zalando) ge-
startet. Heute verwaltet er über einehalbe Milliarde Euro und ist einerder erfolgreichsten deutschenFonds. Zum Portfolio gehören Start-ups mit Milliardenbewertung wieKry (Telemedizin), Sennder (Logis-tik) oder Trade Republic (Online-broker). Mit dem manager magazinspricht er aus seinem Homeoffice inBerlin über die nach Europa drän-genden großen US-Fonds und dieFolgen für den hiesigen Techboom. MM Herr Heinemann, europäi-sche Techfirmen werden so starkfinanziert wie noch nie, Bewer-tungen sind auf Rekordniveau.Was treibt diese Entwicklung?FLORIAN HE INEMANN Vor allem dieGeldflut. Techinvestments als As-
setklasse profitieren von den Nied-rigzinsen. Zalando, Delivery Herooder Auto1 haben zugleich gezeigt:Auch in Europa ist es realistisch, Decacorns zu bauen. Decacorns sind Start-ups mit einer Bewertung von mindestenszehn Milliarden Dollar.Genau. Die hohen Exits rechtferti-gen höhere Einstiegsbewertungen. US-Hedgefonds wie Tiger Globalstürzen sich auf deutsche Start-ups und sollen Finanzierungs-runden sprengen, indem sie auchmal die doppelte Bewertung bie-ten. Ist es wirklich so wild?Teils schon. Das betrifft besondersStart-ups von Gründern, die bereitszuvor erfolgreiche Unternehmenaufgebaut haben oder wo bereits re-nommierte Fonds vertreten sind.Durch Corona wurden viele Dealsper Videocall gemacht. Das hat es
US-Fonds erleichtert, hier stärkeraktiv zu werden.Was machen deutsche Fonds,wenn renommierte Fonds wie Sequoia, die schon Apple undGoogle finanziert haben, plötz-lich in Deutschland investieren?Allein reputationsseitig kommt keindeutscher Fonds gegen einen Fondswie Sequoia an. Das ist so, wie wennbeim Fußball RB Leipzig zu einemjungen Spieler sagt: Wir machen gu-te Nachwuchsarbeit und entwickelndich ganz individuell. Aber dann ruftReal Madrid an und sagt: Willst dugern bei uns spielen? Fonds, dienicht erklären können, was sie füreinen Mehrwert bieten, haben es zunehmend schwer. Wie kommen Sie in die um-kämpften Deals?Uns hilft, dass wir eine angeschlos-sene operative Support-Unit mit
VENTURE-CAPITAL
V E N T U R E - C A P I TA L
Florian Heinemann hat Zalando mit aufgebaut, nun sucht er die nächsten Start-ups, die zu Milliardenfirmen werden. Mit manager
magazin spricht der Techinvestor über den Angriff der US-Fonds, Rekordbewertungen und die Konkurrenz aus Amerika.
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„Wir können mit dem Valley mithalten“
EINHORN -MACHER
Florian Heinemann ist
Gründungs-partner des
Berliner Fonds Project A.
Zuvor hat er als Rocket-Internet-
GeschäftsführerFirmen wie
Zalando aufgebaut.
Foto
: PR
22 manager magazin E x T R A
rund 100 Mitarbeitern haben,die nur für das Portfolio arbei-ten. Wir haben zum Beispielallein acht Mitarbeiter im Per-sonalbereich und im vergan -genen Jahr rund 160 Personenfür das Portfolio rekrutiert. Ein Ende der Geldflut istnicht in Sicht. Die Fondswerden immer größer. Istdas noch gesund?Sie brauchen größere Fonds,da die Finanzierungsrundengrößer werden, um das Wachs-tum zu beschleunigen. Sonstkönnen Sie Ihren Anteil in spä-teren Runden gar nicht halten.Die Runden haben sich letztesJahr im Schnitt um mehr als 50 Prozent erhöht. Eine Ver-dopplung der Fondsgröße inden letzten vier bis fünf Jahrenist da nicht ungesund. Was passiert mit den Tech-investments, wenn die Kur-se einbrechen? Das hat man am Anfang vonCorona gesehen. Dann wirdvermutlich erst mal alles etwasheruntergefahren. Fonds redu-zieren die Investitionen, bissich der Staub etwas gelegthat, da niemand den nächstenFonds aufnehmen will, wenndie Stimmung schlecht ist. Pri-vate Equity und Venture-Ca -pital als Unterbereich würdenallerdings auch in der Krise re-lativ gesehen attraktive Asset-klassen bleiben. Denn die Zin-sen würden dann wohl niedrigbleiben. Da würde also wohlweiter Geld fließen.Sorgt Sie die Explosion derTechbörsenwerte? Es gibteinige Anzeichen für eineBlase.Stimmt. Doch es gibt auch sehrrationale Gründe für den Be-wertungsanstieg. Durch Coro-
na haben digitale Technolo-gien ja tatsächlich enorm anRelevanz gewonnen. Ich denkeschon, dass die Menschen wei-ter verstärkt Lebensmittel undandere Dinge online bestellenwerden und der Trend zu mehrVideokonferenzen bleibenwird. Auch in der Telemedizingibt es einen Durchbruch. DieVerhaltens än derungen ma-chen diese Firmen dauerhaftwerthaltiger. Wir haben inzwischendurch Spacs, den Handelmit Börsenhüllen, Tech -unternehmen mit hohenMilliardenbewertungen ge-listet, die noch keinen CentUmsatz machen. Ist es nicht gefährlich, wenn Privatan-leger plötzlich in Flugtaxi-firmen wie Lilium investie-ren, die noch weit von derMarktreife entfernt sind? Ich finde es wichtig und gut,dass es sehr ambitionierte Fir-men wie Lilium gibt. Dass Pri-vatanleger das Technologie -risiko von Lilium mittragensollten, halte ich aber für pro-blematisch. Sie werden ihreInvestition in der Regel tech-nologisch nicht beurteilenkönnen, ich persönlich kann esauch nicht. Manche kritisieren, dassVenture-Capital vor der Finanzierung echter Inno-vationen zurückschreckt.
Brauchen wir nicht mehrBiontechs?Klar, aber die ehrliche Antwortist: Biontech wäre vermutlichkein Case für einen Venture-Capital-Fonds klassischer„Berliner Bauart“ gewesen.Die erforderlichen Laufzeitenwären zu lang und der Kapital-bedarf wäre zu groß gewesen.Biontech hat über zwölf Jahrebis zu einem sichtbaren Erfolggebraucht. Fonds, die wie imDigitalbereich üblich nur rundzehn Jahre laufen, sind danicht das Richtige. Viele Innovationen basie-ren auf öffentlich finanzier-ter Forschung. Geht es ohneden Staat nicht? Ja, zumindest teilweise scheintdies so zu sein. In den USA istdies übrigens genauso. Kann Deutschland denn mitden Gründungen aus demValley mithalten?Bei einzelnen Firmen ganz sicher. Sonst würden die US-Fonds aus dem Valley ja auchnicht kommen. Durch dieMehrfachgründer und dasÖkosystem hat die Qualitätder deutschen und europäi-schen Start-ups deutlich zu -genommen. Bei reiferen Un-ternehmen gelingt es auchregelmäßig, erfahrene Füh-rungskräfte von Amazon, Net-flix oder Spotify zu holen, wo-durch das Niveau steigt. Aufder operativen Seite könnenwir also zunehmend mithal-ten. In Bezug auf die Gesamt-größe holen wir gegenüber denführenden Ökosystemen Sili-con Valley und China aber lei-der kaum auf. 1
REKORD-INVESTITIONENVenture-Capital-Investitionen, in Mrd. Euro
KAPITALFLUTFundraising von VC-Fondsin Europa, in Mrd. Euro
Quelle: PitchbookGrafik: mm
in Europadavon US-Fonds
42,8
3,8
23,02020
1,62006
2006 2020
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Das Interview führte mm-RedakteurJonas Rest.
„BIONTECH WÄRE KEIN INVESTMENT FÜR EINEN VENTURE-CAPITAL-FONDS
BERLINER BAUART.“Florian Heinemann
VENTURE-CAPITAL
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Disruptive Geschäftsmodelle verändern ganze Branchen. Das Zusammenwachsen der physischen und der virtuellen Welt treibt diese Veränderungen stark voran. Mit dem Game Changer Award – initiiert von Bain & Company und manager magazin – werden Unternehmen ausgezeichnet, denen es gelungen ist, die Spielregeln für sich und ihre Branche zu verändern. Auch in diesem Jahr wurden Unternehmen auf Basis einer detaillierten Due Diligence sowie der Bewertung durch eine hochkarätige Jury darauf hin betrachtet, ob sie als Vorbilder im digitalen Zeitalter gelten können. Die Preisträger werden in drei Kategorien prämiert: „Customer Experience“, dem vorbildlichen Gestalten des Kundenerlebnisses, „Product & Service Innovation“, der Einführung von bahnbrechenden Produkt- und Dienstleistungsinnovationen, sowie „Operations of the Future“, dem Umsetzen innovativer Produktions- und Backoffi ce-Lösungen.
Wir gratulieren den Unternehmen Boxine GmbH, BioNTech SE und KION GROUP AG zu ihrer Auszeichnung. Die Preise wurden im Rahmen einer virtuellen Gala am 20. Mai 2021 verliehen.
REVOLUTIONÄRE DER WIRTSCHAFT
www.bain.de/game-changer-award
CUSTOMER EXPERIENCE
Boxine GmbH
Boxine gehört zu den innovativsten Firmen weltweit. Mit der „Toniebox“ und den dazu gehörigen „Tonies“ hat das Düsseldorfer Unternehmen ein völlig neues Audiosystem für Kinder erfunden, das mittlerweile
aus über zwei Millionen Haushalten weltweit nicht mehr wegzudenken
ist. Mit dem robusten Hörspielwürfel und den Hörfi guren verbindet das
Unternehmen Hardware und Software – vor allem aber Hören
und Spielen. Es leistet einen wertvollen Beitrag zur digitalen
Früherziehung von Kindern.
PRODUCT & SERVICE INNOVATION
BioNTech SE
BioNTech ist ein internationales Biotech-Unternehmen mit Fokus
auf neuartige Impfstoffe und Therapeutika gegen Krebs,
Infektions- und Autoimmunkrankhei-ten. Auf Basis jahrzehntelanger Expertise in der Immuntherapie-Forschung entwickelte BioNTech
2020 in nur 11 Monaten einen gut verträglichen und effektiven Impfstoff
gegen COVID-19 – der weltweit erste zugelassene COVID-19-Impf-
stoff nach Abschluss einer Phase 3-Studie und das erste zugelassene mRNA-Produkt.
OPERATIONS OF THE FUTURE
KION GROUP AG
Morgens bestellt, abends geliefert. Der MDax-Konzern KION Group ist ein weltweit führender Anbieter von
Gabelstaplern, Lagertechnik und dazugehörigen Dienstleistungen. Als
Komplettausrüster sorgt KION in praktisch allen Industrien und
Branchen für eine reibungslose Logistik in den Warenlagern – und wächst rasant in einem boomenden
Markt. Ob Stapler oder vollauto-matisierte Lagersysteme, mit ihren
innovativen Supply-Chain-Lösungen steigert die KION Group die
Wettbewerbsfähigkeit ihrer Kunden.
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