schatteburg, heinrich (1895)_ Über die schönheit in der architektur
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Ein Klick auf das Druckersymbol startet den Druckvorgang des Dokuments Autor: Schatteburg, HeinrichIn: Allgemeine Bauzeitung - 60 (1895); S. 4 - 5; S. 14 -19; S. 27 - 30 Über die Schönheit in der Architektur Der Begriff »Schönheit« ist ein unbestimmter Begriff und deshalb von je eine grosse Streitfrage der
Philosophen gewesen; er wird es auch für die Folge wahrscheinlich bleiben, wenn man auch noch so sehr
sich abmühen wird, eine genaue Erklärung dafür zu suchen. Dieser Umstand schliesst aber nicht aus, dass
man es unternehmen dürfte, dem Wesen der Schönheit so viel als möglich nachzuforschen. Denn wenn
man auch bei dieser Vorsehung nicht die Schönheit in ihrer Ganzheit wird erforschen, wird in Worte kleiden
können, so bleibt es doch nicht ausgeschlossen, einige besondere Eigenschaften der Schönheit dabei zu
entdecken, die dem Künstler als Anhaltspunkte dienen können bei der Herstellung von Schönem.
Beobachtungen, Vergleiche, Folgerungen werden es ermöglichen und haben es ermöglicht, eine Anzahl
Merkmale der Schönheit festzustellen.
Im Folgenden will ich versuchen, diese Merkmale in Bezug auf die Baukunst zu skizziren, so weit dieselben
bislang allgemein beobachtet und anerkannt sind.
Dass man bei weiterem Forschen in dieser Richtung es noch viel weiter wird bringen können, dafür gibt uns
die Musik einen Anhalt. Sie fusst und baut ihre Schöne auf eine grosse Anzahl fest ergründeter und
begründeter Formen, die als unumstösslich erkannt und anerkannt als Ausgangspunkte und Anhaltspunkte
dem Musik-Komponisten bei der Bildung und Versinnlichung seiner musikalischen Ideen dienen, und die der
Entstehung derartiger Schöpfungen des Geistes bisher in keiner Weise hinderlich, sondern förderlich
gewesen sind und Resultate ermöglicht haben, die ohne sie vielleicht gar nicht wären erreicht worden, oder
höchstens nur von einem oder dem anderen gottbegnadeten seltenen Genius.
Dieser Umstand allein schon sollte den Baukünstler veranlassen, auch seinerseits dem Wesen der
Schönheit in der Baukunst immer mehr nachzuforschen, nicht allein um sich dadurch das Entwerfen von
Kunstgegenständen, die Verkörperung seiner Idee'n zu erleichtern, sondern auch um den immer mehr um
sich greifenden Verirrungen in Hinsicht der Bildung von Gegenständen der Kunst entgegentreten und an der
Hand genauer Beobachtungen, Forschungen und Vergleiche beweisen zu können, wo Verirrungen sich
befinden und wie ihnen auszuweichen ist.
Der wahre Künstler bedarf freilich keiner Schönheitsregeln, sie würden, wollte er mit Hülfe derselben zu
seinem Ziele gelangen, seinem geistigen Fluge durch das Reich des Schönen nur hinderlich sein, sie
würden ihn zu sehr an sein irdisches Dasein, an eine dem Körper des Menschen anhaftende Schwäche
erinnern und ihn bleischwer belasten. Solcher Künstler gibt es aber nur wenige und deshalb darf man sich
nicht abhalten lassen, Gesetzen nachzuforschen, sie in Worte zu kleiden, Gesetze, die der wahre Künstler
unbewusst beachtet, weil sie ihm zur zweiten Natur geworden sind; Gesetze, die aus allen seinen Werken
als mahnendes Vorbild herausleuchten und deshalb um so mehr ihr Bestehen beweisen. Der auf Flaschen
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gezogene Geist freilich ist unfruchtbar, es fehlt ihm das Belebende. Nur auf individuelles Leben baut sich
Wissenschaft und Kunst auf, und es ist deshalb nicht zu leugnen, dass die wahre Kunst sich nicht allein an
der Hand von Regeln lehren, noch erlernen lasse, doch diese Thatsache schliesst nicht aus, dass dem
forschenden und schaffenden Geiste des Kunstjüngers zur Erreichung seines Zieles, zur Versinnlichung
seiner Idee, diese Regeln als sicherer Führer dienen können und ihm somit die Erlangung des ihm mehr
oder minder unbestimmt vorschwebenden Zieles erleichtern helfen. Wir können deshalb auch nur
Kunstgesetze aufstellen, keine Kunstrezepte.
Die Schönheit ist wie Wahrheit, Güte u. s. w. nur eine geistige Vorstellung, eine Idee, die zum Ideal wird,
sobald sie in eine vollendet ästhetische Vollkommenheit aus der Vorstellung in die Wirklichkeit übergeht.
Das Ideal des Schönen spricht zu unserem Empfindungsvermögen, indem es durch den angenehmen Reiz
seiner Form, den es auf die Sinne ausübt, auf unsere Gefühle einwirkt. Das Schöne ist mithin in seiner W i r
k u n g auf unsere E m p f i n d u n g e n p e r s ö n l i c h, in seiner F o r m s a c h l i c h.
Der Begriff des Schönen wurzelt in unserem Nervengefühl, je feiner dasselbe ist, desto bestimmter tritt das
Schöne in seiner Eigenart, seinen Eigenschaften uns vor die Seele, desto inniger werden wir mit seinem
Wesen vertraut.
Die Physik (Optik) hat nachgewiesen, dass ebenso wie bei der Musik auch hier die Gesetze des
harmonischen in einem feinen Nervengefühl beruhen, dass die Gliederungen eines Hauses, einer Säule,
wenn wir von Verhältniss, Ebenmaass u. s. w. sprechen, in einem bestimmten Zahlenverhältniss zu einander
stehen. Das ästhetische Gefühl wird daher gleichsam zum Gefühl mathematischer Gesetze, die wir
allgemein in den Farben (Malerei), in den Gestalten der Architektur, in den Tönen (Musik) wahrnehmen. Wir
empfinden naturgemäss Befriedigung, wenn zusammenstimmende Erscheinungen auf unsere Sinne
einwirken. Die wahre Kunst trägt maasslos ihr Maass in sich.
Das Schöne wirkt also auf das Gemüth und stammt aus dem Gemüht, wird von den verschiedenen
Menschen verschieden empfunden, verschieden gegeben, setzt uns also auch in verschiedenartige
poetische Stimmung je nach unseren mehr oder minder entwickelten Sinnesorganen.
Schön ist mithin eine Form, sobald sie auf uns einen uns angenehm erregenden Eindruck hervorbringt,
einen hohen Grad angenehmer Gefühlserregung zu erzeugen vermag. Dass eine Form angenehm ist, das
reicht aber allein noch nicht aus, sie als schön zu empfinden; denn wenn auch eine angenehme Form auf
unser Gefühl erfreuend einwirkt, einen wohlthuenden Reiz auf dasselbe ausübt, so setzt sie uns doch nicht
in jene gehobene, ästhetische, zur Beifallsbezeugung zwingende Stimmung, wie das Schöne. Das höchste,
seligste Gefühl überkömmt uns erst, wenn das Angenehme mit dem Schönen sich vereint, wenn wir uns zur
Zeit der Betrachtung in einer solchen Stimmung befinden, die mit dem Angenehmen einer Form gleichzeitig
übereinstimmt, für dasselbe empfänglich ist.
Die Form kann aber nie ohne Stoff gedacht werden; da nun aber die Stoffgattungen verschieden sind, so
müssen auch die Formen unter gleichen Umständen verschieden sein, wenn anders das Schöne vollständig
erreicht sein soll; die Schönheit der Form muss eben mit der Gattung des Stoffes im Einklange stehen. Die
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besonderen Eigenschaften eines Stoffes müssen also in irgend einer Weise auf die Formbildung von
Einfluss sein.
Welcher Art nun aber ein Künstler seine Idee verwirklichen wird, das ist seine Sache, es beruht auf der Kraft
seines Genies, weshalb bei den verschiedenen Künstlern die Darstellung desselben Gegenstandes
verschieden ausfällt. K u n s t schafft eben von innen heraus, a u f s i c h g e s t ü t z t, o h n e R ü c k s
i c h t a u f s c h a b l o n e n h a f t e U e b e r l i e f e r u n g u n d P i e t ä t, darin liegt eben ihr Werth
und Wesen. Ein Styl lässt sich nicht erjagen oder fabriziren, ein Styl will e r f ü h l t sein.
Styl ist ein Stück vom Herzen des Künstlers, der ihn schuf, und kann sich mithin nur vom Herzen aus
entwickeln. Deshalb sind auch Style - im weitesten Sinne genommen - so mannigfaltig wie die Künstler, und
müssen wir etwas als stylvoll bezeichnen, wenn es in allen seinen Einzelheiten in gleicher Weise den
denkenden Geist des Künstlers uns erkennen lässt und das Ganze uns den Künstler in seiner Eigenart - das
heisst nicht Unart - erkennen lässt.
Je vollkommener nun aber ein Künstler seine Empfindung über einen Gegenstand, der einem bestimmten
Zwecke dient, darzustellen im Stande ist, um so schöner, einheitlicher wird das Ganze in die Erscheinung
treten und Gefühle hervorrufen, die allgemeine Anerkennung finden. Das Empfindungsvermögen des
Beschauers wird eben durch die Schönheit der Form auf angenehme Weise in Thätigkeit versetzt und der
denkende, vergleichende, untersuchende Verstand wird durch die sinnreiche Darstellung in jeder Weise
befriedigt.
Soll aber bei einem Bauwerke von Schönheit gesprochen werden können, so darf diese nicht allein aus den
Formen hervorleuchten, sondern auch aus dem organischen Zusammenhange der Einzeltheile desselben,
daraus, ob es fest und dauerhaft erbaut ist, seinem Zwecke vollkommen entspricht und aus der
Ausdrucksweise seiner Darstellung. Zu letzteren gehören: Mannigfaltigkeit in der Gruppirung,
Ungezwungenheit in der Bewegung der Formen, angenehme Gegensätze, richtige Wahl der Verhältnisse,
gute, nicht übertriebene Anordnung von Verzierungen, möglichst edle Stoffe, Farbenwechsel u. s. w. Die
Schönheit der Form ist nun aber bei einem Bauwerke in allen ihren Einzelheiten nicht so leicht zu erlangen,
als es auf den ersten Blick scheinen mag, sie verlangt vielseitige Beachtung.
Die Schönheit der Form muss stets mit Fehlerlosigkeit verbunden sein. Dieselbe findet statt, wenn folgende
Eigenschaften vorhanden sind:
1. D i e D e u t l i c h k e i t. Die Formen sollen den Gegenstand, welcher dargestellt werden soll, leicht und
deutlich erkennen lassen. Dieses ist z. B. der Fall, wenn der Unterbau verhältnissmässig zum Oberbau
genügend massig und schwer erscheint, somit das Tragen einer Last andeutet; wenn ferner das ganze
Gebäude mitsammt seinen Einzelheiten demselben Style angehört und den Zweck des Gebäudes erkennen
lässt. Deutlichkeit ist nicht vorhanden, wenn z. B. halbrunden Säulen vor der Mauer vortreten, die nicht
erkennen lassen, welchem Zwecke sie dienen, ob dem der Mauerverstärkung oder einem anderen
konstruktiven, oder dekorativen Zwecke.
2. D i e K l a r h e i t, die mit ersterer eng zusammengeht. Sie betrifft mehr den Schmuck eines
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Kunstgegenstandes, der ebenso den Zweck des Gegenstandes deutlich hervorheben soll.
3. D i e O r d n u n g, die gesetzmässige Zusammenstellung der Theile zu einem Ganzen für einen
bestimmten Zweck. Die einzelnen Theile der Formen müssen so zusammenstehen, dass daraus eine
Begründung ihrer Vertheilungsweise hervorleuchtet, wie z. B. aus der Reihenfolge, Fuss, Schaft, Kapitäl
oder Unterbau, Aufbau, Bekrönung. Dieses ist gleichsam eine Ordnung in der Formbildung, die ein
organisches Aufsteigen und Uebergehen vom Schweren zum Leichten bekundet und Prinzip und Zweck
ihrer Vertheilung deutlich erkennen lässt.
4. D i e r i c h t i g e D a r s t e l l u n g s w e i s e n a c h g e i s t i g e m B e g r i f f, welche den Sinn
des beabsichtigten Zweckes deutlich erkennen lässt. Diese Eigenschaft muss jede Konstruktion, jede
Verzierung deutlich erkennen lassen, jedes Nachdenken über den der Form zu Grunde liegenden Gedanken
muss überflüssig sein. So muss die Form der Gesimse und ihrer einzelnen Glieder je nach ihrer Lage das
Fussen, Gurten, Bekrönen u. s. w. deutlich erkennen lassen.
Dies gilt auch von jedem an irgend einer Stelle angebrachten Schmuck. Derselbe muss so dargestellt sein,
dass man daraus erkennt, weshalb er hier und nicht anderswo vorhanden ist. Also Zweck der Verzierung
und geistiger Sinn der Form müssen zusammenpassen.
5. D i e A n g e m e s s e n h e i t. Dieselbe ist vorhanden, wenn der Gegenstand so dargestellt ist, als es
dem Zwecke entspricht, das heisst in seiner Ausführungsweise nicht über die durch den Zweck des
Gegenstandes gesteckten Grenzen hinausgeht. Es soll also hierin nicht zu viel geschehen sein, aber auch
nicht zu wenig. Es kann ein Gebäude in dieser Hinsicht ebenso gut zu reich als zu armselig erscheinen,
sowohl zu würdevoll als zu heiter. Es ist das eben Sache des feinen Gefühls des Entwerfenden, die richtigen
Grenzen inne zu halten, und es wird hier leider oft über die Grenzen hinausgegangen, sei es in der
Mannigfaltigkeit und Anzahl des Gebotenen, sei es in dem den Gesimsen, der Behandlung der Wandflächen
u. s. w. zu Grunde gelegten Grössenmaassstabe. Hier wird das Gebäude entgegen seiner Bestimmung zu
reich gehalten, dort zu derb charakterisirt, hier zu bunt, dort zu eintönig u. s. w. Hier werden Gegenstände
der Einzelarchitektur angebracht, wo sie nicht hingehören, dort lässt man sie fehlen, wo sie nothwendig
wären.
6. D i e N a t ü r l i c h k e i t a l s E i g e n s c h a f t d e r W a h r h e i t. Wo letztere nicht voll und ganz
vorhanden ist, sich nicht in ihrer ganzen Macht dem Auge des Beschauers aufdrängt, da ist die Schönheit
geschädigt. Das Auge sucht eben die Natürlichkeit, soweit es dieselbe täglich an den es umgebenden
Naturerzeugnissen zu sehen gewohnt ist. Hauptsächlich charakterisirt die Natürlichkeit sich durch den
organischen Zusammenhang der Einzeitheile eines Ganzen unter sich, so dass das Auge die Uebergänge
von dem einen zum andern als ebenso naturgemäss empfindet, wie bei einem Naturerzeugniss.
Ein solcher Organismus muss sichtbar die Nothwendigkeit des Vorhandenseins, des Vorhergehenden und
des Folgenden in seiner Form, Stellung, Grösse u. s. w. in sich schliessen. Es muss gleichsam der eine
Theil um des anderen willen vorhanden sein und zwar so, wie er vorhanden ist und nicht anders, so dass
das Eine zur Vervollkommnung des Anderen dient; das Bedürfniss muss sichtbar hervortreten, denn eben in
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der Erfüllung des sichtbaren Bedürfnisses ist die Schönheit mitbegründet.
(Fortsetzung folgt.)
ÜBER DIE SCHÖNHEIT IN DER ARCHITEKTUR
Von H. Schatteburg. (Fortsetzung.)
Die hierdurch erzielte Einheit des Ganzen muss aber auch in Bezug auf die Umgebung vorhanden sein.
Hierzu tritt schliesslich noch
7. D i e K ü r z e u n d d i e V o l l s t ä n d i g k e i t. Diese beiden sollen erst das ganze Werk vollenden,
indem die Kürze alles Ueberflüssige beseitigt, die Vollständigkeit das Fehlende ergänzt; die Kürze verhütet
mithin die Ueberladenheit, die Vollständigkeit den Mangel, die Unfertigkeit. Hauptsächlich betrifft dieses den
ornamentalen Schmuck eines Gebäudes, in dem einzeln wohl zu wenig, öfter aber zu viel gethan wird.
Diese sieben Eigenschaften sind als zur Schönheit der Gesammtform beitragend durch die Fehlerfreiheit
bedingt; andere spezieller durch die Schönheit der Einzelform bedingte Eigenschaften sind die
Mannigfaltigkeit, Leichtigkeit, der Gegensatz, Licht und Schatten, das Anziehende.
Die M a n n i g f a l t i g k e i t verschafft eine angenehme Abwechselung, die freilich nicht zu weit getrieben
werden darf, da sie sonst Unruhe verursacht, wogegen, wenn sie sorgsam ausgewählt und nur dort
angebracht wird, wo die Hebung der Gesammtwirkung es erfordert, wenn sie nur die Einförmigkeit aufheben
soll, sie eine sanfte, angenehme Bewegung der Gefühle hervorruft. Sie kann bestehen in einer
wohlthuenden Abwechselung des Einzelnen mit dem Gruppirten, des Glatten mit dem Rauhen, des Eckigen
mit dem Runden, des Einfachen mit dem Verzierten, des Hellen mit dem Dunkeln u. s. w.
Zur Wahrung der Ruhe muss das Einzelne, das Glatte, das Eckige (Ebene), das Einfache und das Helle in
weit grösserer Ausdehnung angeordnet werden, als das Gruppirte, Rauhe, Runde u. s. w., denn letztere
ziehen durch ihre Eigenartigkeit das Auge zu sehr auf sich, ermüden dasselbe durch die in Folge des
Anblickes verursachte Anstrengung und machen es nicht genügend empfänglich für die Erzeugung eines
wohlthuenden Eindruckes, der eben mit durch das Glatte, Ebene, Helle u. s. w. hervorgerufen wird.
In dieser Hinsicht weicht freilich das Urtheil des Publikums hinsichtlich der Schönheit eines Bauwerkes am
meisten ab, und zwar je nach der Empfänglichkeit des Gefühles für derartige Eindrücke. Was dem Einen
noch ruhig und dabei anziehend, prickelnd durch die Mannigfaltigkeit erscheint, das bemerkt der Andere
bereits als Unruhe.
Die L e i c h t i g k e i t erkennt man an dem Ausdrucke des Freundlichen, Heiteren u. s. w., sie wird
hervorgebracht durch schöne und leichte Gruppirung, wohlgefälliges Verhältniss der Oeffnungen und
Massen, Verschiedenheit der Form und nicht zuletzt dadurch, dass die Theile der Form derart zu einem
Ganzen verbunden sind, dass sich weder Zwang, noch gewaltsames Zusammenfügen bemerkbar macht.
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Dass die Oeffnungen dem Raume entsprechend gross sein müssen, ist erste Bedingung des Schönen, ihr
Wohlverhältniss zu den Massen liegt etwa zwischen den Verhältnissen 1 : 2 bis 1 : 4; je leichter, luftiger,
zierlicher die Erscheinung sein soll, desto mehr nähert sich das Verhältniss der Oeffnungen zu den Massen,
dem Verhältniss 1 : 2, je monumentaler, desto eher dem Verhältniss 1 : 4.
Die Verbindung der grösseren Einzeltheile zu einem einzigen Ganzen muss zwanglos, organisch entwickelt
erscheinen; es darf nichts Zusammengepresstes sich bemerkbar machen. So müssen deshalb auch Risalite
und Rückfronten, Massen-Höhen und Breiten zur Geschosshöhe in gutem Verhältnisse stehen.
Besonders dürfen die Stockwerkshöhen nicht zu niedrig sein im Vergleiche zu den Höhen der
Zwischenpfeiler zwischen den Oeffnungen. Zu schmale oder zu sehr getheilte Rückfronten zwischen
Risaliten erscheinen zu gezwungen, zu sehr zusammengedrängt, so dass nicht, wie es wünschenswerth
wäre, jeder Theil für sich klar hervortritt, das heisst ohne dadurch an seinem Beitrage zur Gesammtwirkung
etwas zu verlieren.
Wir kommen jetzt zu einem der wichtigsten Mittel, die wir zur Hebung der Wirkung eines Bauwerkes, zur
Klärung der Einzelwirkung und der Gesammtwirkung, zur klaren Versinnlichung des Schönen anwenden, es
ist dieses Mittel:
Der G e g e n s a t z. Die Wirkung zweier oder mehrerer Gegenstände von verschiedenartiger
Beschaffenheit auf unser Empfindungsvermögen bezeichnet man mit Gegensatz. Diese Wirkung kann eine
angenehme und eine unangenehme sein, je nachdem die an Form, Farbe oder Grösse verschiedenen
Gegenstände eine einheitliche oder auseinandergehende Erscheinung bieten. Erstere ist vorhanden, wenn
beide Gegenstände in ihrer Eigenart sich nicht zu scharf von einander absondern und die Vermittelung
zwischen beiden in einer wohlgefälligen Uebereinstimmung steht; letztere hingegen, wenn ihre Eigenarten
sich schroff, grell gegenüberstehen, kein vermittelnder Uebergang vorhanden ist. Der Eindruck ersterer ist
ein bleibender, weil angenehm, der letzterer nicht, da er plötzlich auftritt und unangenehm berührt.
Ihrer grossen Wirkung wegen bieten diese Gegensätze die Hauptmittel zur Erreichung des Schönen. Die
Architektur, Bildnerei und die Malerei haben ihre verschiedenen Gegensätze, die hier, hinsichtlich der
Anwendung von Licht und Schatten, auf die es zur Verständlichung der Plastik ankommt, gleichwerthig sind.
Auch die Musik und Poesie wirken durch Licht und Schatten, aber in anderer Weise.
Die Gegensätze, welche für uns hauptsächlich in Betracht kommen, sind die folgenden:
1. Der Gegensatz durch die Symmetrie mit der Unsymmetrie,
2. Der Gegensatz durch die Ruhe mit der Bewegung der Form,
3. Der Gegensatz durch die Vor- und Rücksprünge,
4. Der Gegensatz durch die Ornamente mit dem Ornament losen,
5. Der Gegensatz durch die Stoffe untereinander,
6. Der Gegensatz durch die Farbe,
7. Der Gegensatz durch die das Gebäude mit seiner Umgebung.
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Der Gegensatz durch die Symmetrie mit der Unsymmetrie
Die Symmetrie besteht in dem Gleichsein zweier Hälften eines Ganzen bei lothrechter Theilung. Dieselbe
erleichtert die Auffassung, die Aufnahme der Wirkung des Gegenstandes im Gefühle, aber sie übt nicht den
Reiz auf den Beschauer aus, wie die Unsymmetrie. Sie hat jedoch in Bezug auf die Darstellung des
Schönen besonders dann etwas vor der letzteren voraus, wenn sie Ruhe bewirken soll dort, wo ohne sie
Unruhe herrschen würde, z. B. in den Strassen einer Stadt mit aneinander gebauten Häusern und deren
verschiedenartiger Behandlung, was die Art des Styls, Einfachheit und Reichthum anbetrifft. Hier würde
ohne sie ganz gewiss Unruhe in der Gesammtwirkung herrschen, die Wirkung auf unsere Gefühlsnerven
bedeutend beeinträchtigen. Erst durch die Symmetrie, welche die eine Hälfte des Bauwerkes auf die andere
zurückverweist, entstehen gleichsam feste Anhaltspunkte der Gesammtanlage für den Beschauer und
verursachen daher Ruhe. Der Beschauer wird an den einzelnen Punkten gleichsam zur Einzelbetrachtung
eingeladen und bekommt so nach und nach eine Idee von der Gesammtwirkung - wo von einer
Gesammtwirkung die Rede sein kann - wenn auch einzelne Gebäude durch ihre Eigenart, Grösse,
Reichthum u. s. w. den Beschauer ganz besonders in Anspruch nehmen.
Freilich kann bei einem freistehenden Wohngebäude auch die Unsymmetrie Unruhe hervorrufen, das heisst,
wenn die nächste Umgebung desselben ebenfalls sehr auffällige Unregelmässigkeiten zeigt und das
Gebäude mit der Umgebung in nächster Nähe in Wettstreit tritt hinsichtlich der durch die
Unregelmässigkeiten hervorgerufenen Bewegung und somit das Auge des Beschauers überall angelockt
wird, ohne einen Ruhepunkt zu finden. In solchem Falle wird die r e g e l m ä s s i g e, zunächst auf sich
Bezug nehmende Anlage angenehme Ruhe hervorrufen.
Aus dem Gesagten leuchtet hervor, dass zu viel Unsymmetrie die Wirkung des Gesammten beeinträchtigen
k a n n, desgleichen auch zu viel Symmetrie. Aber beide, in richtig gewürdigtem Verhältnisse vereint, heben
(Ruhe) Unruhe und Langeweile auf und machen die Wirkung angenehm.
Das Vortreten und Zurücktreten der Gebäudeflächen wird dabei durch die Abwechselung mit zur Hebung
der Gesammtwirkung beitragen, besonders aber, wenn die Ausstattung derselben entsprechende
Gegensätze aufweist. Kann dabei noch auf eine geschmackvolle Gruppirung mehrerer aneinandergebauter
Häuser beim Entwerfen Rücksicht genommen werden, so lässt sich die Wirkung der Strasse wesentlich
erhöhen; statt einer langgestreckten Häuserreihe empfängt nun das Auge den Eindruck einer bewegten und
anregenden Gesammtanlage, geschmückt mit reichen, perspektivischen Bildern. Zu grosse Verschiedenheit
kann aber auch hier nachtheilig wirken und ist hier weniger am Platze als gleichmässige Abwechselung.
Die ganze zu einem Gesammtbilde vereinigte Architektur mit Umgebung kann unsymmetrisch wirken, wenn
auch die einzelnen Bestandtheile symmetrisch sind, aber die Symmetrie des ganzen Bildes erfordert die
Symmetrie der einzelnen Bestandtheile.
Bei freistehenden Wohngebäuden ist im Allgemeinen wegen des angenehmen Gegensatzes mit der
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Umgebung die Unsymmetrie eher am Platze - abgesehen von oben erwähntem Fall - weil Symmetrie in der
Anlage hier Langeweile, Einförmigkeit hervorrufen konnte. Der Gegensatz zwischen der natürlichen und der
künstlichen Anlage kann hier fast zu grell erscheinen und mithin störend wirken. Solche Gebäude sollen im
Gegentheile einen wohlthuenden Reiz auf den Beschauer ausüben, wobei die Umgebung die Wirkung des
Gebäudes auf den Beschauer erhöht.
Bei jedweder Art der Umgebung kann jedoch die Unsymmetrie selbst nicht am Platze sein. Ist die nächste
Umgebung z. B. ein grosser symmetrisch angelegter Garten, so würde hier entschieden die Unsymmetrie
unangenehm wirken, da die symmetrische Anlage des Gartens zu sehr das Gefühl des Beschauers
beeinflusst, als dass nicht eine Unsymmetrie des Gebäudes bei ihm eine unangenehme Empfindung
hervorrufen würde.
In diesem Falle wirkt dann die volle Symmetrie besser oder wenigstens eine theilweise. Die
unregelmässigen freien Formen der Naturerscheinungen machen es nothwendig, dass zur Bildung eines
verschmelzenden Gegensatzes zwischen ihr und der Kunst eine gewisse Regelmässigkeit, Symmetrie,
vorhanden sei, um einen Uebergang, eine allmälige Vereinigung der künstlerischen Form mit der freien
Natur zu erreichen.
Dass ganz regelmässige Anlagen bei freistehenden Bauten auch sehr am Platze sind und sich sehr schön
mit ihrer nächsten Umgebung zu einem wohlthuenden Gesammtbilde vereinigen können, das beweisen die
römischen, die italienischen und französischen Villen, welche, grösstentheils in strenger Regelmässigkeit
erbaut, mit den umgebenden, regelmässig angelegten Gärten einen angenehmen Gegensatz bilden.
Letztere haben durch ihre Anlage, durch ihre beschnittenen Bäume u. s. w. das rein Natürliche, frei Bewegte
verloren und bilden die Vermittelung zwischen den nach strengen Gesetzen der Architektur gebildeten Villen
und Landhäusern und der weiter entfernt liegenden, freibewegten Natur. Die freien Formen der Naturgebilde
sind hier in den Gärten durch die Kunst in bestimmte Formen hineingezwungen und in vollständiger
Regelmässigkeit angeordnet. Hier ist also nur noch der Gegensatz zwischen der strengen Architektur und
der regelmässigen Naturerscheinung vorhanden ohne Freibewegung der letzteren und letztere leitet durch
ihre Uebereinstimmung der Gegenstände als solche zu der entfernten, aber freibewegten Natur hinüber.
In Gegensatz hierzu treten die englischen Landhäuser, welche ohne besondere Vermittelung unmittelbar zu
der sie umgebenden Natur überleiten. So ungezwungen und frei die letztere ist, so erscheinen auch die
Landhäuser frei gruppirt, mit Terrassen, Lauben, Säulengängen u. s. w. verziert, und vermitteln durch ihre
freie Gruppirung selbst sofort den Uebergang zu der Natur. Das Beschauerauge findet keine Härte in dem
Gegensatze zwischen Natur und Kunst, sondern ist angenehm berührt von den vielen wechselnden
Unregelmässigkeiten, die fortwährend Neues bieten; es empfindet keine Langeweile, sondern stets neue
Anregung zur Freude. Nicht wenig mag hier zu der Annehmlichkeit des Gegensatzes zwischen der Natur
und der Kunst der Umstand beitragen, dass die englischen Landhäuser, wenn auch oft vielfach gruppirt, so
doch meist sehr einfach in der Durchbildung, soweit letztere ornamentalen Schmuck betrifft, gehalten sind.
Es erscheinen die Landhäuser gewissermassen aus dem Boden mitsammt ihrer Umgebung
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herausgewachsen, als zu derselben gehörig, und gehen wie aus einem Gusse mit ihnen zusammen.
Derartige Anlagen mitsammt ihrer Umgebung verlieren für den Beschauer nicht sobald den Reiz als die
vorerwähnten symmetrischen Landhäuser mit ihren symmetrischen Gartenanlagen.
Die ästhetische Wirkung u. s. w., die durch den Gegensatz des Unsymmetrischen mit dem Symmetrischen
hervorgerufen wird, besteht in der Abwechselung der Unsymmetrie im Grossen und Ganzen, mit der
Symmetrie im Einzelnen, und zwar in wohlthuender Weise, so dass unser Gefühl angenehm erregt wird.
Der Gegensatz, welcher durch die Ruhe mit der Bewegung der Form erzeugt wird
Dieser Gegensatz ist von grosser Bedeutung für die Architektur, er gründet sich auf die Gruppirung und
Verzierung mit Berücksichtigung des Einfachen, des Glatten; er entsteht aus der einheitlichen
Abwechselung des Hohen und Geschmückten, sowie des Vortretenden mit dem Niederen, dem Einfachen
und dem Zurücktretenden.
Der Gegensatz besteht in mehrfachem Formenwechsel hinsichtlich der Grund- und Höhenformen, dem
Wechsel, dem Schmuck und der Verzierung, der Gruppirung in der Abstufung des Gebäudeabschlusses, im
Wechsel der Form derselben, im Wechsel der Oeffnungen und Massen nach verschiedenen Formen und
Grössen u. s. w.
Damit das Auge des Beschauers die sich ihm aufdrängenden Gegenstände recht verfolge und ihre Bilder
den richtigen Gesammteindruck auf die Gefühlsnerven zurücklassen, ist es nothwendig, dass das Auge die
Einzeltheile des Gegenstandes der Reihe nach betrachte und aus den darnach zurückgebliebenen
Erinnerungsbildern sich ein Gesammtbild mache. Um aber dieses zu können, ist es nothwendig, dass das
Auge beim Betrachten Ruhepunkte finde an einzelnen, einfach glatten, ö f t e r wiederkehrenden, leicht
aufzufassenden, und gegen benachbarte, zurücktretenden Theilen. D u r c h ü b e r h ä u f t e R e i c h h a
l t i g k e i t u n d M a n n i g f a l t i g k e i t in der Gruppirung und Verzierung wird das Auge zu sehr in
Anspruch genommen, will es die einzelnen Bilder als Erinnerungsbilder festhalten; es wird schliesslich
abgespannt, betrachtet oberflächlich, die Wirkung des einen Bildes schwächt die des anderen, und so
entsteht nicht allein ein unklares Gesammtbild, sondern es bleibt auch ein unangenehmes Gefühl zurück.
Schon im gewöhnlichen Leben wissen wir, dass auf Bewegung Ruhe folgen muss, um wieder Bewegung
vertragen zu können, da sonst die physischen Körperkräfte ermatten. Dasselbe ist auch der Fall in Bezug
auf die geistigen Kräfte.
Bei jedem architektonischen Kunstwerke muss also eine Abwechselung von Bewegung und Ruhe
stattfinden, doch nicht zu oft, nicht in zu kurzen Zwischenräumen, sonst entsteht Unklarheit und gar Unruhe.
Darnach muss das Verhältniss zwischen gruppirten und glatten, reichen und einfachen etwa sein wie 1 : 1
bis 1 : 2, so dass also bei der belebtesten reichsten Ausstattung die Gruppirung und Verzierung höchstens
gleich der glatten und einfachen Fläche sein darf, bei einfacher Anordnung hingegen etwa doppelt so gross
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sein muss. Beim Verhältniss 1 : 1 erscheint demnach ein Gebäude prunkvoll, reich, bei 1 : 2 würdevoll,
einfach, und das Edle, Schöne liegt in der Mitte mit dem Verhältniss von 2 : 3.
Deshalb müssen z. B. Flächen zwischen zwei reicher geschmückten Vorbauten bedeutend breiter (länger)
sein, als diese, damit das Auge behufs Betrachten des einen und des anderen Vorbaues beim Durchlaufen
der Fläche dort Ruhe gewinne, in Folge der dort herrschenden Einfachheit beziehungsweise
Gleichförmigkeit in der Ausführung, in den Fensterlösungen u. s. w. Selbst eine Anzahl Säulen, die zwischen
den Vorbauten vor der Fläche stehen, die gleichsam Säulengänge bilden, wirken durch ihre
Gleichförmigkeit r u h i g und bieten dem Auge E r h o l u n g. Der Reiz, den solche Säulengänge
trotzdem auf den Beschauer auszuüben pflegen, liegt in dem Gegensatze des hinter den Säulen
befindlichen schattigen Raumes und den hellbeleuchteten Massen. Bewegung und Ruhe sind hier klar
dargestellt, ohne das Einheitliche zu verletzen. Die Oeffnungen zwischen den Säulen und die Massen der
Vorbauten bilden einen angenehmen Gegensatz; die gleichförmig reiche Ausschmückung aller Theile des
Gebäudes ergibt die Einheitlichkeit. Die Thätigkeit des Auges beim Betrachten ist eine gleichmässig leichte
und deshalb wohlthuende, die das Schönheitsgefühl des Beschauers angenehm berührt. Weniger
angenehm wird die Anordnung, wenn die Vorbauten sehr einfach gehalten werden und die Zwischenwand
reich durch Säulen geschmückt wird. Hier ist schon der Gegensatz zu hart; die wohlthuende Einheitlichkeit
fehlt.
Bewegung und Ruhe sollen also angenehm abwechselnd angebracht sein, Reichthum und Einfachheit
müssen wechseln, da ersterer nicht entsprechend zur Geltung kommt, nicht hinreichend gewürdigt werden
kann, ohne letztere.
Der Gegensatz der Ruhe mit der Bewegung ist für die Schönheit von zu grossem Einflusse, als dass er nicht
überall, wo thunlich, mit zur Erzielung der Schönheit herangezogen werden sollte; es kann kein Kunstwerk
ohne diesen Gegensatz bestehen, ohne dass diese beiden Gegensätze in angenehm wirkender Form
angebracht sind, und zwar nicht allein wegen ihres Reizes an und für sich, sondern auch wegen ihrer
Eigenschaft der Klärung der Vorstellung vom Kunstwerk, wie vorhin angedeutet.
Weit wichtiger aber als dieser Gegensatz, weit wirkungsvoller in Bezug auf die Gesammtwirkung und meist
mit weniger Mittel erreichbar ist
Der Gegensatz, der durch die Vor- und Rücksprünge erreicht wird
Die Vor- und Rücksprünge zertheilen die Ansichten der Gebäude in angenehmer Weise und können bei
richtiger Formung und Grösse ästhetische und angenehme Gegensätze erzeugen. Sie heben das
Langweilige einer glatten Ansicht auf, schaffen Abwechselung für das ästhetische Gefühl, indem sie durch
verschiedene Breiten und Höhen, durch verschiedene Ausbildung, durch Vor- und Rücktreten dem Auge des
Beschauers Abwechselung in verschiedener Weise bieten. Besonders ist diese Unterbrechung der
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Ansichtsflächen bei sehr langer Ausdehnung wünschenswerth, doch darf sie nicht zu oft geschehen.
Zur Erreichung des Zweckes genügt hier schon das Vor- und Zurücktreten an sich ohne Schmuck, ja dieses
allein wirkt meist auf das Gefühl angenehmer, strengt das Auge und die Gefühlsnerven nicht so an, als wenn
noch reicher Schmuck hinzukommt. Dieses beweisen am besten die schon vorerwähnten Landhäuser in
England. Die Vorbauten werden bei diesen meist in der Behandlung bevorzugt, gegenüber den
Zwischenwänden, die eine längere Ausdehnung erhalten und schon dadurch, dass ihr Breitenverhältniss zur
Höhe ein anderes ist, als bei den Vorbauten, eine andere Wirkung auf den Beschauer ausüben. Diese
Wirkungen lassen alle anderen, durch Form und Farbe hervorgerufenen, in den Hintergrund treten.
Die Form der Vorbauten ist gewöhnlich rechteckig, doch wäre hin und wieder die Anwendung runder und
regelmässig vielseitiger Vorbauten besonders bei langen Ansichten recht angebracht, nur darf es nicht zu oft
geschehen, da sonst die Einheitlichkeit mit den Zwischenflächen zu sehr verloren geht. Werden so geformte
Vorbauten nicht in der Mitte angebracht, so erfordern sie meist einen Gegenvorbau. Der Gegensatz, der
durch die Höhengestaltung erreicht wird, indem die Vorbauten höher gemacht werden als die
Zwischenwände, wirkt ebenfalls angenehm, besonders aber dann, wenn die höheren Gebäudetheile in mehr
oder weniger schlanken Spitzen endigen.
Der Grund der angenehmen Wirkung liegt hier darin, dass das Auge durch sie allmälig zur Ruhe der freien
Atmosphäre hinübergeleitet wird, mithin keine schroffen Uebergänge stattfinden. Nur dürfen diese Theile
nicht zu oft im Vergleiche zur Grösse der ganzen Gebäudelänge auftreten, sonst wird das Auge durch sie
wirr. Sie müssen einzeln zur Wirkung kommen, und zwar dort, wo das Gebäude seiner Einrichtung nach
bevorzugte Theile zeigen m u s s und diese nur durch die grösseren Höhen ausgezeichnet werden, und
zwar um so höher, je bevorzugter sie in der Gesammtanlage untergebracht sind.
Sind die Vorbauten mit der Zwischenwand von gleicher Höhe, so hebt man sie durch Aufbauten (Attiken),
durch Aufsätze u. s. w. hervor.
Zu grosse Höhenunterschiede zwischen Vorbau und Zwischenwand sind freilich unangenehm, weil zu
schroff, zumal wenn die grosse Höhe keinen sichtbaren Zweck hat, nicht aus der Anlage hervorgeht. Sind
dagegen Thürme u. s. w. vorhanden, so können dieselben angenehm, ansprechend, würdevoll wirken, nur
dürfen sie nicht zu schroff aus der ganzen Anlage hervortreten, nicht aus den niedrigsten Gebäudetheilen,
sondern aus den höchsten oder annähernd höchsten. Befinden sich in deren Nähe andere hohe
Gebäudetheile, die gleichsam den Thurm bei seinem Aufwärtsstreben stützen, so wirkt diese
Zusammenstellung angenehm, so lange der Thurm mit seiner Spitze die angrenzenden Theile entsprechend
überragt.
Im Allgemeinen müssen sonst Höhengestaltungen stufenweise angeordnet werden, um nicht grelle
Gegensätze zu erzeugen und nicht die Zusammengehörigkeit zu verlieren.
Die Ausstattung der Vor- und Rücksprünge, soweit sie eine Ausschmückung betrifft, ist weit weniger wichtig
als die angedeutete Gruppenbildung. Letztere kann durch erstere freilich gehoben werden, aber ohne die
letztere ist erstere von schwacher Wirkung. Mehr schon tritt der Schmuck hervor, wenn er zur
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Gruppenbildung von Oeffnungen dient, ja hierin hauptsächlich besteht, und diese nur in Gegensatz treten
mit den Massen in Hinsicht des Leichten und Schweren. In dieser Weise ist der Schmuck auch wichtig
hinsichtlich der Wirkung der Vor- und Rücksprünge und somit auch des ganzen Bauwerkes. Die Wirkung
dieser Oeffnung ist ferner auch deshalb noch von Bedeutung, weil durch sie bis zu einem gewissen Grade
der Ausdruck des Bauwerkes festgelegt wird, das heisst, dass er schlank, gedrückt, unfreundlich, freundlich,
schwer u. s. w. erscheint.
Im Allgemeinen kann man hier sagen, dass, je grösser die Oeffnungen sind im Vergleich zur Mauermasse,
desto leichter erscheint das Gebäude und je kleiner, desto schwerer; oder genauer ausgedrückt, kann man
sagen: hohe, schmale Oeffnungen zwischen hohen (nicht breiten) Massen lassen ein Gebäude oder einen
Theil desselben schlank erscheinen, niedere Oeffnungen zwischen niederen Zwischenräumen aber
gedrückt, düster, ferner grosse Oeffnungen oder auch grosse Gruppen zwischen schmalen Massen lassen
ein Gebäude leicht erscheinen, kleine Oeffnungen zwischen breiten Massen schwer u. s. w.
Hieraus ergibt sich ein Mittel, zwischen Vorbauten und Zwischenwand einen angenehmen Gegensatz zu
erzeugen zur Erhöhung der Wirkung; man bringe nämlich in der Mitte der Vorbauten grosse Oeffnungen mit
mächtigen Verhältnissen an, die seitlich durch starke Pfeiler eingeschlossen werden (wodurch die Vorbauten
grossartig, massig, derb, schützend u. s. w. erscheinen) und an der Zwischenwand als Gegensatz kleinere,
gleichförmig zwischen breiten Pfeilern vertheilte Oeffnungen, die aber schmäler als die Eckpfeiler der
Vorbauten sind. Umgekehrt ist das Grössenverhältniss zwischen Fensteröffnung und Masse zu halten, wenn
ein Vorbau seitlich von zurückliegenden Wandflächen begrenzt wird. Wenn auch hier der Vorbau seines
Vorspringens wegen nicht zu schmal in seinen Eckpfeilern gehalten werden darf, als vergleichsweise vorher
diejenigen Pfeiler der von zwei Vorbauten eingeschlossenen Zwischenwand, so müssen doch hier die
Eckpfeiler der beiderseitigen Wandflächen die Eckpfeiler des Vorbaues an Breite übertreffen oder
mindestens ihnen gleichkommen; bei einseitigem Vorbau ist Aehnliches zu beachten.
Diese Art der Fenstervertheilung und Fensterformung muss selbstverständlich übereinstimmen mit der
Benützung der Innenräume in Anbetracht deren wünschenswerther Beleuchtungsweise, wie ich selbiges in
einer Abhandlung über das Innere und Aeussere der Wohn- und Geschäftshäuser hervorgehoben habe.
Hieraus ergibt sich, dass es nicht ganz gleichgültig ist, ob ein Zimmer je nach seinem Zwecke als Vorbau
vortritt, oder in der Zwischenfläche liegt und dabei beiderseits eingeschlossen ist, oder einseitig freiliegt.
Der Gegensatz, der durch die Ornamente mit dem Ornamentlosen erzeugt wird
Die Wirkung dieses Gegensatzes besteht darin, dass Bewegung und Ruhe durch die geschmückten und
ungeschmückten Theile hervorgebracht wird, welche, wenn richtig vertheilt, die Empfindung des Schönen
heben können. Letzteres ist dann der Fall, wenn die Ornamente sich gleichsam organisch aus dem Ganzen
zu entwickeln scheinen, mithin sichtbar einen Zweck erfüllen und nicht blos hie und da der Schmuck sich
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zeigt, ohne sichtbaren Grund, sondern nur angebracht, um zu schmücken und zu prunken. Wird stets der
Schmuck nur angebracht, wo und wie es der Zweck erfordert, dann kann n i e eine Ueberladung entstehen,
wie wir sie heutzutage so oft an den neuen Bauwerken bemerken. Der Schmuck muss ebenso
zweckentsprechend, gleichsam die ganze Anlage klärend, auftreten, wie z. B. der Säulenfuss und das
Säulenkapitäl an der Säule, wie die Gesimsbekrönungen, Fensterumrahmungen mit Verdachungen u. s. w.
Der am häufigsten vorkommende Schmuck sind die Gesimse, welche an richtiger Stelle in entsprechender
Grösse und Kraft als fussende, krönende, gürtende, einrahmende, gliedernde u. s. w. Theile von schöner
Wirkung sein können. Sie bringen zunächst in jedes Bauwerk Leben hinein, machen es uns verständlich in
seiner Eigenart und sind somit die unentbehrlichsten Schmuckgegenstände eines Gebäudes, das auf
Schönheit Anspruch macht. Sie dürfen freilich nur dort und so angebracht werden, wie das Gebäude es
erfordert, ein Zuviel wirkt nachtheilig. Aus der ganzen Anlage und Anordnung eines Gebäudes und seiner
Gesimse muss für einen kunstverständigen Beschauer die Nothwendigkeit der Gesimse in ihrer Eigenart
hervorleuchten, er muss fühlen, dass weder Mangel noch Ueberfluss vorhanden ist. Ausserdem, dass die
Gesimse ein Gebäude in seine einzelnen Theile zerlegen und dadurch dessen Wirkung klären, bilden sie
auch angenehme Gegensätze mit den glatten Wandflächen und heben die Langeweile auf. Aber sie bilden
auch Gegensätze unter sich und klären dadurch ihren Zweck und wo letzterer ein gleicher ist, da muss
hinsichtlich der Grösse ihres Zweckes ein Ueber- und Unterordnen stattfinden, das genügend auffällig
erscheint. So müssen Bekrönungen von Fenstern leichter gehalten werden, als Bekrönungen ganzer
Gebäude, Fussgesimse anders und derber gegliedert werden, als Bekrönungen, denn Fussgesimse sollen
gleichsam tragen, Kraft und Festigkeit ausdrücken, Bekrönungen sollen abschliessen, Schutz, Leichtigkeit,
Schmuck ausdrücken. Ebenso muss das Maass der mehr oder minder reichen Ausstattung der Gebäudeart
entsprechen, der Gebäudeansicht Inhalt verleihen.
Ein mehr konstruktiver aber zugleich auch schmückender Theil ist die Säule; sie darf deshalb aber auch nur
dort in Anwendung kommen, wo sie fühlbar in doppelter Weise wirken kann. Sie wirkt durch ihre angenehme
Form, Schattirung, durch ihren regelmässigen Schlagschatten bei Säulengängen, ihr Gebälk u. s. w. sehr
reizvoll und bildet einen angenehmen Gegensatz zur glatten Rückwand. Selbst in grossen Zwischenräumen,
wo ihre Schattenwirkung aufhört, wirken sie durch ihre schlanken Formen angenehm gegensätzlich mit der
grossen, von ihr getragenen Deckenfläche.
Eine ähnliche Erscheinung wie Säulen üben Pilaster oder Wandpfeiler aus, aber doch nicht in so
wirkungsvoller Weise als diese. Meist werden sie ja nur dort und dann angewendet, wo und wenn Säulen
vorhanden sind, und treten dann sichtbar nur als Folge der Säulen auf. Kommen sie aber allein, ohne
Säulen vor, so kann von einer Wirkung derselben eigentlich nur dann die Rede sein, wenn sie fühlbar als
Wandverstärkung sich zeigen und dementsprechend weit genug vor der Wand vortreten. Sie zertheilen,
gruppiren dann die Wandfläche sehr angenehm, rufen durch ihre breiten Schatten wohlthuende Gegensätze
hervor. Ihre Entfernung muss aber so berechnet werden, dass die zwischenliegende Wandfläche nicht zu
leer erscheint, sondern man muss aus der Stellung der Pfeiler herausfühlen, dass sie mit zwingender
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Nothwendigkeit so gestellt werden mussten, andernfalls muss bei weit gestellten Pfeilern die Wandfläche
dazwischen derart mit Reliefs versehen werden, dass man die weite Stellung der Pfeiler nicht unangenehm
bemerkt, aber ihre Zusammengehörigkeit zu einem Zwecke noch empfindet.
Die Belebung der Wandflächen in einem solchen Falle durch Malerei reicht selten aus, um die Leere zu
beseitigen, selbst die schönste und anziehendste nicht; ja man kann damit eine solche Beeinflussung auf
den Beschauer ausüben, dass die Säulenstellung ihre Wirkung dagegen verliert, überflüssig erscheint, die
Beziehung der Säulen zu einander dadurch ganz verloren geht.
Freistehende Pfeiler wirken wie Säulen, nur nicht so gefällig und leicht wie letztere.
Die Ornamente, sowohl Linienornamente wie Reliefornamente, die zur Belebung von Flächen dienen,
wirken entweder als Ausdruck der Thätigkeit einzelner Gesimsglieder oder Gesimstheile oder zur Belebung
von einzelnen Flächen oder Flächentheilen, die dadurch eine Bevorzugung erfahren gegenüber anderen,
also hervorgehoben werden durch den Gegensatz. Dieses darf auch nur dort geschehen, wo die ganze
Anlage eine derartige Bevorzugung erfordert. Treten sie in ihrer Eigenart klar hervor, unter der
Berücksichtigung des Standpunktes, von dem aus sie gesehen werden sollen, in der Einzel- oder
Gesammtwirkung, so ist ihre Wirkung eine angenehme. Wird dasselbe Ornament öfter wiederholt, so wird
dadurch seine Wirkung abgeschwächt, weil dasselbe dann allgemein wird. Jedes wechselnde Ornament
wirkt neu, eigenartig auf den Beschauer und deshalb jedesmal umso nachhaltiger, doch dürfen aber hiebei
nicht heterogene Elemente aneinandergereiht werden.
Je zarter die Bewegung im Ornamente, desto milder ist auch die Wirkung, dagegen je schroffer und eckiger
die Bewegung, desto härter. Eine hierauf an geeigneten Stellen Rücksicht nehmende Ornamentirung,
desgleichen die Zusammenstellung verschiedener Ornamente bewirken auch einen Gegensatz zwischen
den Ornamenten an sich und tragen somit durch den Gegensatz auch zur Hebung der Wirkung bei.
Bei Zusammenstellungen verschiedener Ornamente trägt auch die richtige Wahl der Entfernung derselben
von einander sehr zur Wirkung bei, je nachdem sie einzeln oder zusammen wirken sollen.
Treten noch Farben zum Ornamente, besonders zu den Reliefs hinzu, so kann dadurch die Wirkung
desselben sehr gehoben werden.
Noch ist eines anderen Schmuckes Erwähnung zu thun: der freistehenden und tragenden Figuren der
Vasen und sonstigen Aufsätze. Erstere besonders sind meist ein kostspieliger Schmuck, der gewöhnlich
dazu dient, den Zweck des Gebäudes zu versinnbildlichen. Die bekrönende oder tragende Figur oder
Figurengruppe muss selbstverständlich dem Gebäudeausdruck entsprechend leicht oder schwer erscheinen
und darf an Breite nicht den Unterbau derselben überragen. Je massiger derselbe oder das Postament von
unten auf ist, desto massiger oder gruppirter muss der Aufsatz der Figuren sein.
Die in Nischen stehenden Figuren heben sich durch ihre lichten Stellen und der in den Nischen erzeugten
Schattirung sehr schön vom Hintergrunde und den nebenbefindlichen glatten Wandflächen ab und sind
deshalb ein schöner Schmuck zur Belebung von Flächen.
Die tragenden Figuren wirken, wie die Säulen, zweifach, stützend und schmückend, und müssen, um nicht
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das ästhetische Gefühl zu beleidigen, der Belastung entsprechend tragfähig erscheinen, das heisst sie
müssen die hiezu erforderliche Kraft auf eine solche Weise ausdrücken, dass sie die ihnen aufgebürdete
Last anscheinend mit Leichtigkeit zu tragen vermögen und nicht jeden Augenblick unter ihrer Bürde
scheinbar zusammenzubrechen drohen, und zwar dieses umsomehr, je leichter der ganze
Gebäudeausdruck ist. Die tragende Figur muss unangenehme Gefühle in dem Beschauer vermeiden, da
derselbe unwillkürlich sich in die Thätigkeit derselben Figur hineindenkt.
Der Gegensatz der freibewegten Form der Figuren zu den glatten Wandflächen ist ein sehr angenehmer,
aber auch hier muss, wie beim Ornament, vor Ueberhäufung gewarnt werden. Ihr Vorhandensein muss
immer durch etwas aus dem Ganzen sich Ergebenden resultiren, und als etwas Bedingtes in die
Erscheinung treten. Was uns zu oft vor Augen tritt, besonders aber wenn ungerufen, wird für uns alltäglich
und verliert somit seine Wirkung als etwas Besonderes.
Reliefs haben als bildliche Darstellungen einen besonderen Werth und nehmen deshalb auch durch ihre
Lage bevorzugte Stellen ein.
Vasen und sonstige Aufsätze können natürlich nur bekrönend auftreten und es ist deren Verwendungsweise
ähnlich der der Figuren, nur ist ihre Wirkung keine so grossartige, wie die der letzteren.
Der Gegensatz durch die Stoffe untereinander
Dieser Gegensatz ist einer der wirkungsvollsten, der allein schon ohne andere dekorative Hülfsmittel die
Ansicht eines Gebäudes bedeutend heben kann, richtige Verwendung vorausgesetzt.
Die richtige Verwendung liegt sowohl in dem Gefüge und in der Härte des Materials, als in seiner Farbe.
Man hat hier also zweierlei zu berücksichtigen, den zweckentsprechenden konstruktiven Aufbau und
Ausbau vermittelst derselben und ihre wirkungsvolle Farbenpracht.
Was den ersten Punkt anbetrifft, so hat man besonders darauf zu achten, dass in einer Zusammenstellung
die schwersten, tragfähigsten Materialien jeweilig den leichteren stufenweise als Unterlage, als Einfassung
dienen. Es würde also unkonstruktiv erscheinen, wenn z. B. Werkstein auf Ziegel lagerte, Ziegel den
Werkstein umfasste, oder gar hölzerne Ständer massive Mauern unterstützen, selbst wenn diese der
Belastung entsprechend stark gewählt würden. Es widerspricht das eben dem uns innewohnenden Gefühle
hinsichtlich der Festigkeit der bekannten Baumaterialien.
Ein Anderes ist es aber, wenn durch Anwendung von Pfahlrosten ein nicht tragfähiger Boden tragfähig
gemacht wird zur Aufnahme von massiven Bauwerken, denn hier kann das ästhetische Gefühl des
Beschauers nicht unangenehm berührt werden, da derselbe das Holz nicht sieht.
Wird dementsprechend bei der Zusammenstellung der Materialien verfahren, so kann nie das Gefühl der
Ueberlastung eines Materials hervorgerufen werden. Beleben verschieden feste Materialien eine Fläche, so
muss das festere Material bedeutend geringer vertreten sein, als das weniger feste. Wenn z. B. eine
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Mauerfläche stufenweise mit sichtbaren Ziegel- und Quaderstreifen versehen ist, so müssen die
Ziegelstreifen bedeutend breiter sein, als die Quaderstreifen, sonst erscheint es, als wenn die Quadern die
Ziegel erdrücken wollten.
Beim Fachwerksbau ist freilich die Fläche, welche von dem härteren Materiale, den Ziegeln, eingenommen
wird, grösser als die von dem weicheren, dem Holze, eingenommene, was nach obigem eigentlich das
Gefühl erwecken müsste, als wenn das Holz vom Steine erdrückt würde, aber hier liegt die Sache für's
Gefühl etwas anders. Zunächst schichtet sich hier nicht das Holz zwischen den Steinen auf, ausser beim
Riegel, sondern steht meist als seitlich begrenzende Stütze neben den Steinen und zeigt hier dem Auge des
Beschauers eine grosse Tragkraft, wogegen die Steine sichtbar (scheinbar) nur zum Ausfüllen der Gefache
dienen, demnach hier nur eine geringe Tragkraft zu besitzen brauchen, und deshalb trotz ihrer grösseren
Ansichtsfläche die tragende Thätigkeit des Holzes nicht beeinträchtigen, dieselbe nicht übertreffen können,
sondern im Gegentheile dahinter zurücktreten. Ganz interessante, wirkungsvolle Zusammenstellungen
lassen sich durch eine sichtbare Anordnung verschiedener Materialien erreichen, wenn man Obiges
berücksichtigt. Je leichter, weicher das Material ist, woraus ein Bauwerk hergestellt werden soll, desto
leichter muss auch der durch die Architektur zu bestimmende Ausdruck sein. So sieht z. B. im Allgemeinen
ein Haus aus Holz weit leichter aus, als eines aus Stein.
Einer Eigenthümlichkeit muss jedoch hier Erwähnung gethan werden. Beim Ziegelrohbau findet man Erker,
Balkone u. s. w. sowohl ganz aus Ziegel, als auch aus Holz und aus Werksteinen. Dieselben sollen ihrem
Wesen nach als leichte Anbauten behandelt werden und demgemäss aus leichtem Materiale bestehen;
dieselben aber aus Werksteinen herzustellen, wie es öfters geschieht - scheinbar mit dem Hintergedanken
diesen Gebäudetheilen eine Bevorzugung, in gewissem Sinne eine Bereicherung angedeihen zu lassen - ist
demnach nicht gerechtfertigt, es sei denn, dass diese Anbauten in zierlichster Weise mit geringen Maassen
ausgeführt werden im Vergleiche zum eigentlichen Gebäude und hiedurch trotz der Werksteine leicht
erscheinen.
Findet man doch auch öfter derartige An- und Ausbauten ganz aus Eisen hergestellt, die als dünnes
Gerippe in die Erscheinung treten und die auch am richtigen Platze in wirkungsvoller Weise angebracht,
ganz gut mit dem massiven Ziegelmauerwerke zusammengehen können.
Mit dem Quadermauerwerk harmonirt ein derartiger eiserner An- oder Ausbau weniger, weil hier die
Stärkenmaasse der Einzeltheile weiter von einander abweichen als bei Ziegel und Eisen. Die in den letzten
Jahrzenten durch die als so vortheilhaft erkannte Anwendung des Eisens hervorgerufene Bauweise, das
untere Geschoss eines Wohn- und Geschäftshauses auf dünne eiserne Stützen zu stellen und dazwischen
die Wandflächen ganz zu durchbrechen, ist ästhetisch nicht zu vertheidigen. Mag immerhin den eisernen
Stützen die Kraft innewohnen, die ihnen aufgebürdete Last mit genügender Sicherheit zu tragen, so
erscheint doch dem Auge, so lange wir die Grösse der Tragfähigkeit des Eisens nicht ganz in unser Gefühl
aufgenommen haben, darnach die einer Eisenkonstruktion innewohnende Kraft fühlen und mit der des
Steinmaterials vergleichen können, der konstruktive Aufbau unten gefährdet, unstabil. Wir sehen freilich,
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dass ein solches Gebäude steht, aber ein Gefühl der Sicherheit überkommt uns hier nicht, wie bei einem
von unten auf in Stein ausgeführten Massivbau. Die Gewohnheit, täglich solche Bauwerke aus Eisen und
Stein zu sehen, schafft uns eine gewisse Beruhigung, a b e r d a s ä s t h e t i s c h e G e f ü h l w i r d n i
e b e f r i e d i g t.
Hiermit will ich durchaus nicht gegen die Anwendung von Eisen im Hochbau sprechen, nur an erwähnter
Stelle bleibt es, wenn es nicht verkleidet und somit unsichtbar gemacht - scheinbar in ein anderes Material
umgewandelt wird - stets ästhetisch unschön; nur wenn das Gebäude ganz aus Eisen im Aeusseren
hergestellt wird, kann das Eisen als solches sichtbar bleiben. Als Balkongitter, Firstbekrönung, Erker u. s. w.
kann sich das Eisen stets als solches zeigen, und wird dort reizvoll wirken. Es muss, soll der Aesthetik
Genüge geschehen, Zartes mit Zartem, Massiges mit Massigem s i c h t b a r zusammen gehen.
(Fortsetzung folgt.)
ÜBER DIE SCHÖNHEIT IN DER ARCHITEKTUR.
Von
H. Schatteburg.
(Schluss.)
Metall und Holz vereint zu einem Ganzen ist bei Dachkonstruktionen weniger unschön und ästhetisch
zulässig, so lange diese Materialien dabei derart in Anwendung kommen, dass der Festigkeit entsprechend
das Metall dabei in weit geringeren Querschnitts-Abmessungen als das Holz auftritt und, was noch sehr
wesentlich ist, in seiner Art der Anwendung n i c h t d e m H o l z e a l s G e g e n s t ü c k g e g e n ü b e
r g e s t e l l t w i r d.
Ein Aehnliches wäre auch der Fall, wenn ein sichtbarer Fachwerksbau auf eisernen Säulen ruhen würde.
Hier würde das Auge des Beschauers sofort einen Vergleich anstellen zwischen den eisernen Säulen des
Unterbaues und den hölzernen Ständern des Aufbaues, da beide gleiche Thätigkeiten zu verrichten, gleiche
Zwecke zu erfüllen hätten. Man würde hier die Berechtigung der Anwendung des Eisens statt Holz im
Unterbau meist nicht erkennen und dadurch schon würde die ästhetische Wirkung beeinträchtigt werden.
Das Eisen würde auch, s o l a n g e n u r d a s s i c h t b a r e H o l z w e r k z u t r a g e n w ä r e -
und hierauf richtet sich das ästhetische Gefühl bei der Beurtheilung - sehr dünn ausfallen, und man würde
fragen, weshalb nicht hölzerne Ständer verwendet wären. Da nun aber das Eisen auch die inneren
Bauanlagen, deren Belastung u. s. w. zu tragen hätte, so würde es entschieden, da seine Stärke dem
entsprechen müsste, für's Gefühl zu stark erscheinen gegenüber dem Fachwerke, da das Auge die innere
Belastung nicht sieht und es scheinbar nur die Aussenwände zu tragen hätte.
Das Metall in seiner Verwendung als gepresste oder gestanzte Masse zu Blumen, Blättern, Ranken u. s. w.
bildet einen interessanten, vielseitigen, und richtig angewendet, wirkungsvollen Gegensatz zu
Steinornamenten und Holzornamenten.
Soll aber das Material als solches in Zusammenstellungen durch Gegensatz wirken, so muss auch jedes
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Material in seiner Eigenheit sichtbar bleiben, das heisst sowohl in seiner Eigenart bearbeitet, geformt
erscheinen, als auch das natürliche Gefüge möglichst sichtbar lassen, jedenfalls aber nicht durch
Farbenauftrag anderen Materialien in der äusseren Erscheinung nachgeahmt werden, erst recht aber nicht,
wenn diese Materialien sich am selben Bauwerke vorfinden. Müssen der Dauerhaftigkeit wegen die
Materialien, wie Holz und Eisen, mit einem schützenden Ueberzuge versehen werden, so muss dieser
Ueberzug seiner Farbe nach mit der Naturfarbe des Materials oder der Art des Materials übereinstimmen,
dabei kann ohne Nachtheil z. B. das gewöhnliche Holz durch Anstrich scheinbar in eine andere edlere
Holzart umgewandelt werden.
Der Gegensatz durch die Farben
Der Farbenwechsel ist ebenso wie Stoff- und Formwechsel sehr wichtig zur Erreichung des Schönen,
sowohl an sich allein schon, als auch besonders in wirkungsvoller Verbindung mit Stoff und Formwechsel;
besonders letztere kann unter Zuhülfenahme von verschiedenen Farben zu hohem Reize gebracht werden.
Zunächst wäre hier der Gegensatz zu erwähnen, der durch die Farben des Materials hervorgebracht wird.
Jede harmonische Farbenzusammenstellung gleicher Materialien wirkt schön; noch mächtiger aber ist die
Wirkung, wenn die Farben verschiedenen Materialien angehören, besonders bei grossen Bauwerken.
Schon der Wechsel von nur zwei Farben desselben Materials kann eine sehr angenehme Belebung der
Wandflächen bewirken, sowohl bei Ziegelrohbau, als auch bei Werkstein. Tritt im letzteren Falle noch eine
verschiedenartige Behandlung der Flächen hinzu, sei es durch Schliff, Krönelung oder durch Charrirung und
Lochung u. s. w., so kann die Wirkung sehr malerisch werden, besonders durch das verschiedenartige
Kolorit der beleuchteten und ganz oder theilweise beschatteten Flächentheile, soweit letzteres durch die
Bearbeitung der Flächen erzeugt wird. Wer diese Wirkung kennt und auszunutzen versteht, der kann oft mit
wenigen Mitteln viel erreichen. Eine andere Art der Flächenbelebung finden wir noch bei Ziegeln, die in
verschiedenen harmonisch zusammenstehenden Mustern zur Herstellung reicher Flächenäussern benutzt
werden können; kommt noch ein Wechsel von Glanz und Matt hinzu, so steigert sich die Wirkung. Bei dieser
Art der Zusammenstellung fertiger Ziegel zu Mustern wirkt aber nicht allein deren Farbenunterschied,
sondern auch die verschiedene Lage der Ziegel reizend.
Noblesse zeigt dabei eine Façade, wenn die tragenden, rahmenden, krönenden, gürtenden Theile, die aus
festerem Materiale bestehen als das übrige Mauerwerk, einen hellen, zarten Farbenton haben, das übrige
Mauerwerk hingegen einen dunkleren, vielleicht andersfarbigen, aber immerhin freundlichen Ton. Zeigt das
festere Material einen dunkleren, kräftigeren Ton als das übrige, so bekommt das Gebäude dadurch mehr
Derbheit, Monumentalität, Würde. Bei diesen Gebäudegattungen darf jedoch das Holz nie als sichtbarer
Konstruktionstheil mitauftreten, da derselbe der Eigenart, der Struktur nach nie eine Noblesse, Würde,
Derbheit u. s. w. ausdrücken kann, sondern nur das Zierliche, Leichte, Freundliche vertritt. Hier lässt sich
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gegebenen Falls durch Glanz auf den vorliegenden Theilen und matten Rücklagen unter Zuhülfenahme von
Gold reichere Wirkung erzielen, desgleichen auch durch Anwendung verschiedener Holzarten, die
verschieden an Farbe und Härte sind, verschiedenartige Aderung zur Belebung der Flächen zeigen u. s. w.
Die härteren Holzarten werden dabei für die Einrahmungen, die weicheren für die Füllung verwendet.
Besonders reizende Einzelwirkungen lassen sich noch erzielen durch die Farben der Metalle, z. B. bronzene
Ornamente, Thür- und Fensterbeschläge, Rosetten, Tafeln mit Inschriften u. s. w. auf Granit, Marmor,
polirtem Holze u. s. w. Diese bilden zusammen bei richtiger Wahl angenehme Gegensätze; geht dann später
die rothgelbe Bronzefarbe in die schwarzdunkelgrüne über, so wird die Wirkung des Gegensatzes meist
noch erhöht. Aber auch jedes andere glänzende Metall gibt bei richtiger Wahl auf Holz oder auf polirtem
Stein einen angenehmen Gegensatz.
Der Gegensatz von Matt und Glanz bei d e n s e l b e n oder bei v e r s c h i e d e n e n Materialien kann
überhaupt, wie schon angedeutet, von grosser Wirkung sein. Soll dabei das ganze Werk einen heiteren
Anblick gewähren, so muss der glänzende Theil an Masse überwiegen, soll dagegen der Ernst
vorherrschen, so muss der mattere Theil an Masse überwiegen.
Nach obigen kurzen Andeutungen, die sich freilich noch weiter ausspinnen liessen, die aber in dieser Weise
sich dem allgemeinen, vergleichenden Wesen dieser Abhandlung besser anpassen - später werden noch
speziellere Abhandlungen folgen - nach diesen Andeutungen beruht die ästhetische Wirkung des lediglich
durch die konstruktiven Baustoffe gebildeten Gegensatzes auf dem Wohlgefallen, welches durch die
Vertrauen hervorrufende Konstruktion, durch die dem Stoffe angepasste Form, durch eine harmonische
Abwechselung der Stofffarben geweckt wird und schliesslich durch die Belebung, welche durch den
Wechsel des Matten und Glänzenden erzeugt wird.
Nicht die Naturfarben allein tragen aber zur Erhöhung der Wirkung bei, sondern auch künstlich aufgetragene
Farben. Diese Art der Farbenwirkung findet sich freilich mehr im Innern der Gebäude vor, doch zeigen auch
äussere Ansichten oft reich bemalte Wandflächen, Gesimsflächen u. s. w.
Steht zunächst die Farbe des Steinmaterials in angenehmem, wirkungsvollem Gegensatze zur Farbe der
Umgebung, stimmt sie weder mit derselben überein, noch tritt sie mit derselben in Disharmonie, was stets
der Fall sein sollte, so kann schon durch eine ungünstige Wahl der Holzfarbe für die Fenster- und
Thürrahmen im Aeussern die Wirkung beeinträchtigt werden. So wichtig also schon die richtige Wahl der
Farbe der Fenster- und Thürrahmen ist, so ist sie bei der Anbringung grösserer Malereien noch wichtiger,
weil dann die Farben sich beim Betrachten des Gebäudes noch mehr bemerkbar machen und dadurch zum
Vergleiche mit den übrigen Veranlassung geben. Ja, da diese Malereien nur an durch die ganze Anlage
bevorzugten Theilen eines Gebäudes sich zu befinden pflegen oder wenigstens befinden sollten, so ziehen
sie umsomehr das Auge auf sich und bedürfen umsomehr der vorsichtigen Auswahl, um keine
unangenehmen Gegensätze zu erzeugen. Die Wirkung derselben auf den Beschauer muss der Lage und
dem Zwecke der Malerei entsprechen, damit sie nicht die Wirkung der konstruktiven Bestandtheile des
Bauwerkes beeinträchtige, das heisst dass diese nicht in gehöriger Weise auf den Beschauer wirken.
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Wenn also im Früheren hauptsächlich die nothwendige Harmonie der Farben hervorgehoben wurde, so
muss hier noch besonders auf die mehr oder minder grosse Wirkung, die Schicklichkeit der Anbringung der
Farben hingewiesen werden, welche letztere nicht allein darin besteht, dass jedes Material seine natürliche
Farbe beibehalten oder als Schutz gegen Witterungseinflüsse durch einen Anstrich bekommen soll, sondern
auch darin, dass durch die Farben die betreffenden Gegenstände oder Theile derselben ihrem Zwecke und
ihrer Lage entsprechend in richtiger Weise hervorgehoben werden und in die Erscheinung treten. Besonders
schön wirken Malereien an Gesimsen, sowohl von Fenstern und Thüren, als auch von ganzen Gebäuden,
und der Reiz liegt hier darin, dass durch die Malerei die an und für sich in dekorativer Hinsicht naturgemäss
zu bevorzugenden Bekrönungen noch umsomehr aus der Gesammtheit hervortreten. Hier sucht man aber
bei der Farbenwahl eine ruhige Gesammtwirkung zu erzielen, denn die matten Reflexe eines Brokatkleides
sind schöner, wirkungsvoller, edler, als der Farbenreichthum eines indischen Shawls.
Der Hauptfarbenreiz liegt bei einem Gebäude jedoch noch mehr im Innern desselben, als im Aeussern. Hier
ist man nicht hinsichtlich der Farbe des Anstriches an das Material unbedingt gebunden, sondern man kann
hier meist frei wählen, je nach der beabsichtigten Wirkung.
Die Wahl der Farben ist hier von Vielem abhängig, zunächst von dem Zwecke, dem der Raum dienen und
den die Farbe so weit als ihrerseits möglich ist, fördern soll; ausserdem von der Art und Güte der
Beleuchtung, vor Allem aber auch davon, dass Alles: Decke, Wände, Fussboden, Möbel u. s. w., so weit als
durchführbar, zu einer Gesammtwirkung auch durch die Farbe vereinigt werde; denn hier bildet jeder Raum
eine kleine Welt für sich und muss deshalb sich auch als eine solche durch eine fühlbare
Zusammengehörigkeit dem Auge des Beschauers aufdrängen. Wenn auch hier jeder einzelne Gegenstand
durch seine Form, Farbe, Stellung u. s. w. auf sich selbst hinweist, so sollen sie doch auch, vom
künstlerischen Standpunkte aus betrachtet, dem Beschauer auf ihre Zusammengehörigkeit hinweisen und
dazu können auch die Farben durch harmonisches Zusammengehen mit einander hinwirken.
Der Gesammteindruck, der bei einem Familienzimmer ein anderer sein muss als bei einem
Gesellschaftszimmer, dort ein anderer als bei einem Esszimmer, Schlafzimmer u. s. w. muss sich dem
Beschauer sofort beim Eintritt bemerkbar machen. Einzelnes kann zuweilen sehr schön sein, aber im
Ganzen kann das Zimmer doch unruhig, unbestimmt wirken. Ein Grundton muss allen Einzelheiten
gleichsam aufgeprägt sein, wenn auch in verschiedener Weise; nirgends darf sich ein Misston geltend
machen. Das Erste aber, was einem Zimmer beim Eintritte in dasselbe eine gewisse Weihe verleiht, ist der
Farben t o n; er ist es, der dem Beschauer gleich beim Eintritte fröhlich oder gemüthlich, behaglich oder
erregt stimmen kann; zu ersterem gehören die lichten, freundlichen Farben, zu letzterem die düsteren,
stumpferen Farben. Im Allgemeinen deutet hier die Mattheit der Farben auf Ruhe, Gemüthlichkeit,
Abgeschlossenheit, Erhabenheit, Würde u. s. w. hin, der Glanz auf Heiterkeit, Frohsinn, Prunk, Reichthum u.
s. w.
Roth passt nicht für einen Raum, der traurig stimmen, schwarz nicht für einen Raum, der ein heiteres
Aussehen haben soll; Blau weitet einen Raum, macht aber ungemüthlich, kalt, desgleichen Weiss; dagegen
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geben Weiss und Gold zusammen einem Raume ein würdevolles, erhabenes, heiliges Aussehen u. s. w.
Der Ton der Wand ist bestimmend für die Färbung der Decke, des Fussbodens, der Möbel u. s. w. Die
Flächenmuster der Wände müssen sich der Raumgrösse anpassen u. s. w. Ganze oder theilweise
Wandverkleidungen mit Holzvertäfelungen, Holzschnitzerei oder gar Marmorverkleidungen u. s. w.,
besonders wenn mit Malerei verbunden, geben einem Zimmer einen gediegenen Ausdruck. Hierbei sind
dann gemalte Decken in mehr oder minder lichten Farbentönen eher am Platze, als solche mit
Holzvertäfelungen, besonders aber dann, wenn die Raumhöhe im Vergleiche zu den wagerechten
Abmessungen gering ist.
Wer kennt aber nicht den Reiz, den schön farbig gehaltene Wandgesimse in unseren Wohnräumen auf den
Beschauer ausüben; sie bilden einen reizvollen Abschluss für die Wand und vermitteln in schöner Weise
den Uebergang der Wand zur farbigen Decke. Durch Malerei dargestellte Wand- und Deckengesimse
wirken hingegen stets unangenehm, da bei bester Durchführung derselben der Betrug sofort bemerkt wird
bei verschiedener Stellung des Beschauers im Zimmer.
Sollen werthvolle Bilder besonders gut wirken, so muss die Wand ruhig im Ton gehalten werden. Fenster-
und Thürvorhänge dürfen sich durch Farbe und Ausführung nicht zu sehr hervorthun, sondern sie müssen
dienend auftreten. Der Fussboden muss in seiner Behandlung sich ebenfalls als dienend darstellen und in
seiner Wirkung zurücktreten gegen alles Uebrige, dessen Wirkung erhöhen. Jedenfalls muss er ruhig
wirken, was besonders dann zu beachten ist, wenn er aus verschiedenfarbigem Holze hergestellt werden
soll. Man sieht nämlich öfter die sogenannten Parquettmuster derart angeordnet, dass die Fläche nicht eben
erscheint, sondern scheinbar Erhöhungen und Vertiefungen zeigt, indem die dunkleren Holztheile so gelegt
sind, als ob sie die Schattirung der helleren Theile seien; dadurch erwecken sie in dem Beschauer die
unangenehm berührende Vorstellung der Unebenheit. Je freundlicher der Raum scheinen soll, desto
freundlicher muss auch die Farbe des Fussbodens sein und umgekehrt.
Im Allgemeinen ist noch zu beachten, dass an den Wandflächen, soweit dieselben durch Malerei oder durch
Verkleidungen der Höhe nach getheilt werden, unten die dunkleren, kräftigen Farben als Hauptfarben
auftreten sollen und oben die lichteren, helleren, da für den Beschauer die dunkleren Farben immer kräftiger
und das damit verkleidete Material somit tragfähiger erscheint, als die helleren, luftigeren. Diese
Andeutungen mögen an dieser Stelle genügen.
Der Gegensatz durch das Gebäude mit seiner Umgebung
Der ästhetische Ausdruck eines Gebäudes im Aeussern kann wesentlich gefördert und auch gemindert
werden durch seine Umgebung, weil dasselbe beim Betrachten mit seiner nächsten Umgebung zu einem
Gesammtbilde zusammentritt. Es ist deshalb durchaus nicht so unwichtig, wenn man vor der Durchbildung
des Aeussern eines Gebäudes, soll dasselbe überhaupt künstlerischen Werth haben - und das sollte doch
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jedes architektonisch durchgebildete Gebäude - sich ein Bild von der nächsten Umgebung desselben macht.
Sowohl in der Ebene wie im Gebirge, in der Stadt oder auf dem Lande, am Meere oder an einem Flusse,
überall findet man Anhaltspunkte, die ihre speziellen Eigenthümlichkeiten haben und daher beachtenswerth
sind.
Wenn wir zunächst die freie Lage eines Gebäudes, wie sie das flache Land und das Gebirge bieten, in
Betracht ziehen, so ist darüber Folgendes zu bemerken:
Wo das Auge die freie Natur in allen ihren Abwechselungen zu erblicken vermag, wo sich die
verschiedenartigsten Bewegungen und Formen in Thälern, Flüssen, See'n, auf hohen Bergrücken in fernen
Gebirgsketten, schroffen Felsen, in unendlichen Ebenen dem Auge darbieten, da sind die Erscheinungen so
verschiedenartig und mächtig in ihren Wirkungen auf das Gefühl, dass dasselbe unbedingt eine
Berücksichtigung derselben bei der Formung, dem Aufbau eines Gebäudes im Aeussern bedarf. Das
einfache, glatte Gebäude steht als Kunstprodukt h i e r in einem angenehmen Gegensatze zur Umgebung,
d o r t bedarf es noch der Ergänzung, der Vervollkommnung um mit der freibewegten Natur in angenehmen
Gegensatz zu treten, als zu ihr gehörig zu erscheinen. Es muss sich gleichsam organisch mit der Umgebung
verschmelzen.
Landschlösser und Villen haben sich in ihren Linien denen der Umgebung anzuschliessen, so dass z. B. die
geraden Linien, Flächen und Körper des Gebäudes durch Gruppirung so gestaltet werden, dass deren
Formen mit den Naturgebilden in eine ähnliche Erscheinung treten. Bei mehr kuppigen und spitzen
Bodenformen muss am Gebäude eine mehr zackige, gruppirte, bei mehr sanfthügeliger Landschaft oder
wellenförmiger Gestalt muss am Gebäude eine sanft abstufende, weniger unterbrochene Form sichtbar
sein. Im ersten Falle muss demnach die Höhengruppirung markirter, kräftiger, eine, häufigen Formwechsel
zeigende, sein, im zweiten Falle muss die Höhengruppirung sanfter sein, der Formwechsel nicht überhäuft.
Auf felsige Abhänge und hohe Bergrücken gehören emporstrebende, stark gruppirte Gebäude, auf sanfte
Anhöhen und ebene Flächen gehören wiederum flach gruppirte Gebäude.
Harmonisch mit der Umgebung muss das stark Gruppirte des Gebäudes mit dem stark Gruppirten der
Umgebung zusammengehen, wie das schwach Gruppirte, das Niedere und Einfache, mit sanften und
niederen Flächen zusammengeht. Die schon mehrfach erwähnten Säulengänge, Balkons, Veranden,
Terrassen u. s. w. vermitteln dabei den allmäligen Uebergang vom massigen Gebäude zur freien Natur.
Somit ist auch die Höhenform des Gebäudes wegen der hohen und niederen Lagen in der Landschaft nicht
gleichgültig in Bezug auf die Erreichung eines harmonischen Gegensatzes. Die niedere Gestalt eines
Gebäudes auf hohem Berge lässt dasselbe gedrückt erscheinen, die hohe Gestalt auf flacher Ebene
hingegen zu grell gegensätzlich, unharmonisch. Im ersten Falle sollte der Wirkung wegen die Höhe des
Gebäudes mit seiner Höhenlage zugleich zunehmen, ja den Vortheil dieser Lage in Bezug auf schöne
Fernsicht dadurch mehr hervorheben, dass gerade hier einzelne hochstrebende Gebäudetheile, als:
Thürme, Erker u. s. w. vorhanden wären. Je mächtiger, grossartiger und zugleich getheilter die Bergpartien
sind und je höher das Gebäude für den Beschauer liegt, desto mächtiger muss der Wechsel in den Höhen
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der einzelnen Gebäudetheile sein. Terrassen, Vorsprünge, Säulenhallen u. s. w., u. s. w. sind hier sehr am
Platze.
Die Lage des Gebäudes muss dabei möglichst eine solche sein, dass es von mehreren günstig gelegenen
Standpunkten aus bequem gesehen werden kann und zugleich von da aus gesehen einen für seine Wirkung
günstigen Hintergrund erhält.
Grosse Landschlösser und Villen werden freilich selten so hoch gelegen erbaut, sondern man sucht hierbei
besonders auch die Bequemlichkeit der Benützung, die Beschaffung von Lebensmitteln u. s. w. in's Auge zu
fassen. Auch das mühelose Bewegen in den, das Gebäude umgebenden Gartenanlagen kommt dabei in
Betracht. Ein sanft ansteigender Platz auf einer Felsmasse an einer höheren Gebirgslehne sich hinziehend,
ist ein günstiger Ort für solche Bauwerke. Ein solches Gebäude dehnt sich dann mehr in die Breite aus. Hier
sind dann der Säulenbau, die Lauben, Terrassen, Kaskaden, Statuen, Springbrunnen u. s. w., u. s. w. sehr
am Platze; künstliche Grotten, Alleen, Brücken, abwechselnd mit Felsen, Hügeln, Teichen, Baumgruppen u.
s. w. geben für's Auge wohlgefällige Gegensätze. Abstufende Gartenpartien an der Rückseite des
Gebäudes nach der Berglehne zu geben einen reizvollen Hintergrund und deuten auf die Beziehung, den
Zusammenhang des Gebäudes mit den Bergpartien, hin.
Auf niederen Anhöhen und sanften Berglehnen zu errichtende Gebäude sind in ähnlicher aber milderer
Weise zu gestalten und man muss hier bei der Anlage mehr auf ein elegantes, würdevolles Ansehen
hinauszielen, als auf ein massiges, groteskes, himmelanstrebendes, wie vorhin.
Auf dem flachen Lande muss das Gebäude niedrig gehalten werden, soll anders es nicht zu hart mit der
Umgebung im Gegensatze stehen. Fernsicht wird hier auch bei niedrigen Gebäuden geboten. Lange
Säulengänge, bequeme Freitreppen, Balkons und Veranden sind auch hier am Platze.
Ist ein Teich vorhanden, so wähle man den Bauplatz in dessen Nähe; noch schöner wird die Anlage, wenn
es sich erreichen lässt, dass das Gebäude eine Gebirgskette im Rücken erhält und dabei vor sich einen See
oder einen Fluss hat. Derartige Gewässer in der Nähe verschaffen dem Bewohner mannigfaltigste Genüsse.
Diese verschiedenen, der Umgebung sich anpassenden Gebäudeformen laden oft zu bestimmten Baustylen
ein, die sich speziell zu der betreffenden Formung eignen. So passt z. B. der gothische Styl ganz besonders
für emporstrebende, schlanke Gebäude auf hohen Bergen mit einer Umgebung von hohen Gebirgskuppen
und spitzen Felsmassen; die gerade bei diesem Style so beliebten Thürmchen, Erker, schlanken Giebel u. s.
w. vermitteln hier den harmonischen Zusammenhang zwischen Kunst und Natur.
Ganz anders liegt aber die Sache, wenn ein Gebäude in einer Stadt errichtet werden soll. Sind die in
nächster Nähe des Bauplatzes vorhandenen Gebäude einfach und glatt gehalten, ohne bestimmte
Ausdrucksweise, so lassen sich schwer Anhaltspunkte für Kontraste finden, aber dennoch kann ein
derartiger Sachverhalt günstig sein, wenn auf einer solchen Baustelle ein monumental gruppirter Kunstbau
ausgeführt werden soll. Das Einfache und die kleinen Verhältnisse treten dabei in angenehmem Gegensatze
zu der reichen Gruppirung und dem grossen Verhältniss des Monumentalbaues. Grosse Verhältnisse,
kräftige, harmonische Verzierungen, Eleganz in der Ausführung sind hier diejenigen Mittel, welche in diesem
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Falle schönen Gegensatz und besonderen Reiz hervorrufen können. Ein zu sehr gruppirtes und zu reich
verziertes Gebäude würde die Harmonie stören und den Zusammenhang mit der Umgebung verlieren.
Sind hingegen die Nachbargebäude reicher gestaltet, so ist der Gegensatz zwischen ihnen und dem neu zu
errichtenden Gebäude auf anderen Prinzipien zu gründen, besonders aber, wenn die Nachbargebäude in
einem bestimmt ausgesprochenen Style erbaut sind. Ist dieser Styl rechts und links des Bauplatzes
derselbe, dann ist es unter Umständen schon leichter, harmonischen Gegensatz und somit Wirkung zu
erzielen, indem das neue Gebäude entweder höher, imposanter, reicher als die Nachbargebäude gehalten
wird, oder indem es in einer den Nachbargebäuden ganz fremdartigen Durchführung desselben Styles
gehalten wird. In diesem Falle einen ganz anderen Styl beim neuen Bauwerke in Anwendung zu bringen, ist
meist sehr gewagt und hängt von Umständen ab. Gewöhnlich reisst man dadurch das Gebäude zu sehr von
seiner Umgebung los, behält keine Beziehungen zu derselben und stört die Harmonie, wodurch
Strassenfronten einen unruhigen Anblick gewähren.
Soll das Gebäude auf einem freien Platze innerhalb einer Stadt erbaut werden, und zwar zwischen
Parkanlagen, so ist die Durchführung der Architektur in Bezug auf die Umgebung weit einfacher als vorhin,
sobald die den Platz umgebenden Gebäude so weit entfernt liegen, dass sie nicht direkt mit dem Gebäude
in Beziehung treten können. Rücken die Gebäude näher zusammen, so ist die Entwickelung der
Gebäudeansichten meist eine schwere Aufgabe, will man Harmonie hervorbringen und doch das neue
Gebäude von seiner Umgebung abheben. Meist geschieht es am leichtesten dadurch, dass man grössere
Höhen wählt und je nach der Durchbildung der umliegenden Bauwerke entweder dem Neubau mehr
Gruppirung und Massentheilung gibt oder weniger Gruppirung und grosse zusammenhängende
Mauermassen. Man hat in einem solchen Falle besonders zu berücksichtigen, dass man hier durch
Kleinigkeiten in dem grossen Gesammtbilde nichts erreichen kann, sondern nur im Wechsel des Grossen;
allenfalls kann man hier auch durch entgegengesetzte Farben Wirkung erzielen.
Sollen derartige Bauwerke, besonders wenn sie monumentaler Art sind, eine angenehme Wirkung auf den
Beschauer ausüben, so muss es selbstverständlich möglich sein, dass derselbe vor dem Bauwerke eine
solche Stellung annehmen kann, von der er ungestört das Gesammtbild desselben nebst Umgebung in sich
aufzunehmen vermag, andernfalls ist jede künstlerische Durchbildung des Bauwerkes nutzlos. Grosse
Monumentalbauten erfordern deshalb, sollen sie ihrer Grösse und Ausführung entsprechend wirken, grosse,
freie Plätze, breite Strassen, Gartenanlagen u. s. w. Je näher dabei die Gartenanlagen dem Monumentalbau
rücken, je grösser und höher die Baumgruppen derselben sind, desto mehr wird das Bauwerk von den
umliegenden Bauten losgetrennt und braucht weniger auf dieselben bezogen zu werden, muss dann aber
umsomehr Gruppirung zeigen, wenn auch in grossen Massen.
Jeder einzelne Fall erfordert dabei ein Sonderstudium seitens des Entwerfenden, das umso eingehender
durchgeführt werden muss, je grossartiger das zu errichtende Gebäude werden soll. Hier muss aber der
Meister zeigen, dass er s i c h zu bemeistern versteht, das heisst, dass er sich nicht durch Formgebilde, die
ihm an einem bestimmten Platze gefallen, verleiten lasse, sie um ihrer selbst willen an Stellen anzubringen,
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wo sie nicht hingehören: er soll stets selbstschöpferisch vorgehen.
Solche Sonderstudien zu machen ist ja freilich heutzutage oft eine schwierige Arbeit, besonders für
Anfänger, für Kunstjünger, auf die die mannigfaltigen Architekturen verwirrend einwirken; sie lassen den
Kunstjünger nicht zum verständnissvollen Gefühlsbewusstsein des Gesehenen kommen, sondern regen
jede in ihrer Eigenart an, ohne ein bestimmtes, geklärtes Gefühl zu hinterlassen. Ich sehe hierbei ganz
davon ab, dass die Architekturen sich überdies in gute, künstlerisch durchgeführte und in solche, die mit der
wahren Kunst nichts gemein haben, unterscheiden.
Man könnte fast versucht sein, dieses Chaos architektonischer Leistungen als eine Folge unserer Kultur -
um nicht zu sagen »Ueberkultur« - aufzufassen, die von masslosen Tendenzen begleitet ist, masslos
insofern, dass sie mit falschen Mitteln dort Kunstprodukte schaffen lassen will, wo dem Gehirne des
Menschen jedwede Saite fehlt, deren Klang mit der beabsichtigten Kunstleistung harmonisch
zusammengeht. Möchte man doch stets eingedenk sein, dass wir wohl von unseren Vorfahren und ihren
Kunsterzeugnissen lernen können, sie bewundern und studiren sollen, aber dass ihr Kunstvermächtniss uns
doch nur vorwiegend ein leuchtend und mahnend Vorbild sein soll, zu schaffen, wie sie schafften, zu
denken, wie sie dachten, und dennoch anders, selbstständig und im Geiste unserer Zeit.
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