schulische vorbereitung und ausbildungsreife ein bericht von verena eberhard und joachim gerd ulrich...
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Schulische Vorbereitung und Ausbildungsreife
Ein Bericht von Verena Eberhard und Joachim Gerd Ulrich
S. 35-56 aus: Mangelware Lehrstelle – Zur aktuellen Lage der Ausbildungsplatzbewerber in DeutschlandVerena Eberhard, Andreas Krewerth, Joachim Gerd Ulrich (Hrsg.)Bertelsmann Verlag, 2006, zusammengestellt von Carolin Wollnik, stud. Hilfskraft, Did. d. AL, Univ. Würzburg
Gliederung
1. Zum Konzept der Ausbildungsreife
2. Überprüfung der Ausbildungsreife in der Beratungspraxis
3. Ausbildungsreife aus der Sicht der Ausbildungsstellenbewerber
4. „Ausbildungsreife ist eine Bringschuld der Schule“
5. Fazit zur Qualität der schulischen Vorbereitung und Ausbildungsreife
1. Zum Konzept der Ausbildungsreife
verschärfte Probleme auf dem Ausbildungsstellenmarkt:
• Zahl der Ausbildungsplätze suchenden Jugendlichen steigen aus
demografischen Gründen stark an
• Ausbildungsstellenangebote nehmen ab
Aus Sicht der Arbeitgeber:
• Bewerber mit unzureichender Ausbildungsreife
große Anzahl an unbesetzten Lehrstellen
• große Unsicherheit darüber, wie „Ausbildungsreife“ zu definieren und
zu prüfen sei (keine einheitliche Definition!)
Ausbildungsreife:
ein formaler Definitionsvorschlag der Bundesagentur für Arbeit 2005
„Unter ‚Ausbildungsreife’ seien allgemeine ‚Merkmale der Bildungs- und
Arbeitsfähigkeit‘ zu verstehen, die einen jungen Menschen dazu in die Lage
versetzen, ohne Hilfen eine duale oder schulische Ausbildung (zumindest auf
der untersten beruflichen Niveau-Ebene) erfolgreich zu absolvieren‘.“
„Vom Begriff der ‚Ausbildungsreife‘ sei das Konzept der berufsspezifischen
Eignung (‚Berufseignung‘) abzugrenzen.“
Zwei Aspekte der Berufseignung:
1.Person ist für einen Beruf geeignet, wenn sie über Merkmale verfügt,
die Voraussetzung für die jeweils geforderte berufliche Leistungshöhe
sind‘.
2.Beruf bzw. berufliche Tätigkeit / Position sollte Merkmale aufweisen,
die Voraussetzung für die berufliche Zufriedenheit der Person darstellen
Die erforderliche „Bewerberqualifikation“ setzt sich aus diesen beiden
Komponenten zusammen!
Zudem müssen spezifische Bedingungen der „Vermittelbarkeit“
gegeben sein!
Übersicht 1: „Ausbildungsreife“: ein formaler Definitionsvorschlag
Ausbildungsreife:
inhaltliche Definitionsvorschläge
1.siehe Übersicht 2 (S.8-13):
Merkmale, die für alle Berufe bereits zu Beginn einer Ausbildung
in zumindest durchschnittlicher Ausprägung vorhanden sein sollten
- Expertenbefragung von 2005 des Bundesinstituts für
Berufsbildung (BIBB)
Zu beachten ist, dass hier die Standardabweichung nicht angegeben ist; so können bei Merkmalen, die insgesamt nicht stark nachgefragt sind, durchaus berufsspezifisch höhere / niedrige Erwartungen im Vergleich zum Durchschnittswert gegeben sein!
Übersicht 2
Ausbildungsreife:
inhaltliche Definitionsvorschläge
2.Definitionsvorschlag der Arbeitsgruppe des Ausbildungspaktes 2005/06
Ausbildungsreife setzt sich zusammen aus:
• Psychologischen Merkmalen des Arbeitsverhaltens und der Persönlichkeit
• Psychologischen Leistungsmerkmalen
• Physischen Merkmalen
• Berufswahlreife
• Schulischen Basiskenntnissen
2. Überprüfung der Ausbildungsreife in der Beratungspraxis
• Bundesagentur für Arbeit (BA) ist nach § 30 und 35 des
Sozialgesetzbuchs III (SGB III) verpflichtet, festzustellen, ob Lehrstellen-
suchender fähig ist, eine Ausbildung zu durchlaufen
• „ Als ‚Ausbildungsstellenbewerber‘ werden dementsprechend ‚nur
jene Jugendlichen geführt und Betrieben vorgeschlagen, die über die Eignung
für den jeweiligen Beruf verfügen. Liegt Eignung für einen Beruf vor, so ist
immer auch Ausbildungsreife gegeben.“
3. Ausbildungsreife aus der Sicht der Ausbildungsstellenbewerber
Grundannahmen:
• Befragten Personen ist grundsätzlich ein ausreichendes Maß
an Ausbildungsreife zu unterstellen.
• Bewerber befinden sich zum Untersuchungszeitpunkt nicht mehr in
einer allgemein bildenden Schule
(dies trifft auf hochgerechnet 707.700 bzw. 96% der insgesamt
740.200 Bewerber zu)
Wie viele Jugendliche fühlen sich genügend „ausbildungsreif“?
• „Ich verfüge über alle wichtigen Voraussetzungen für eine erfolgreiche
Erstausbildung“: 78%
• „Ich fühle mich zurzeit noch nicht genügend ‚ausbildungsreif‘“: 10%
• „Ich will oder kann hierzu keine Aussage treffen“: 11%
(Geschlecht hat keinen nennenswerten Einfluss auf Selbsteinschätzung)
Selbsteinstufung gleicht weitgehend der Eignungsüberprüfung der BA
Einschätzung der eigenen Kompetenten als relevantes Reifekriterium
Welche Jugendliche fühlen sich nicht ausbildungsreif?
Folgende Bereiche wurden hinsichtlich
ihres Einflusses auf die Bewerber überprüft:
1.Schulabschluss
• signifikanter Einfluss
• Schüler, die maximal über Hauptschulabschluss verfügen,
urteilen skeptischer
2. Lehre
• Lehre als äußere Bestätigung für Ausbildungsreife
• Aber: nicht alle Auszubildenden betrachten sich selbst als
„ausbildungsreif“
Mögliche Gründe: - betont selbstkritische Haltung oder
- hohe Belastung durch Anforderungen in
Ausbildung,
- Versagensängste
3. Altbewerber
• überraschend: gerade Altbewerber neigen dazu, sich ausbildungsreif zu
fühlen
Möglicher Grund: vorangeschrittenes Alter
4. Schulische Vorbereitung
• die in der Schule vermittelten sozialen Kompetenzen und das
fachliche Wissen korrelieren mit der selbst wahrgenommenen
Ausbildungsreife
→ Jugendliche konzentrieren sich eher auf Merkmale, die Ihnen im
Laufe der Ausbildung hilfreich sein könnten (z.B. soz. Kompetenzen)
als auf die, die im Vorfeld des Berufseinstiegs wichtig sind (z.B. eine
Bewerbung fehlerfrei schreiben)
5. Bewertung der Zeit der Lehrstellensuche:
„ich habe mich zu wenig bemüht“
• 25% der Jugendlichen die meinen, sie hätten sich nicht ausreichend
bemüht, fühlen sich nicht ausbildungsreif
• Nur 9%, die ihr eigenes Bemühen positiver sehen, fühlen sich nicht
ausbildungsreif
• Bewerber, die sich noch nicht reif fühlen, treten am Ausbildungsmarkt
nicht mit derselben Intensität auf (betrifft z.B. Anzahl der
Bewerbungen), wie Bewerber, die sich als ausbildungsreif einschätzen
4. „Ausbildungsreife ist eine Bringschuld der Schule“
Kritik der Arbeitgeber:
• Ungenügende schulische Vorbereitung der Schüler auf die spätere Berufswelt
• viele Probleme der Berufsausbildung beginnen in Schule
Befragung des Expertenmonitors Berufliche Bildung (2005):
• 93% der 482 befragten Berufsbildungsfachleute waren der Ansicht, die
Schule habe die grundsätzliche Aufgabe, die Jugendlichen zur
Ausbildungsreife zu führen
Befragung des Expertenmonitors Berufliche Bildung (2005):
• mehr als 50%: Ausmaß, in dem die Schule Werte und Kulturtechniken
vermittelt, sei in letzten 15 Jahren gesunken
• Mehrheit geht davon aus, dass vermitteltes Wissen sinkt:
87% im Hinblick auf Rechtschreibung
85% im Hinblick auf die schriftliche Ausdrucksfähigkeit
84% im Hinblick auf das einfache Kopfrechnen …
• kritisch betrachtet: Anwendbarkeit des schulisch vermittelten Wissens in
der Praxis
• 48%: Schulen greifen verstärkt Fragen der Berufswahl auf
Fragen an die Bewerber (615.600 Personen) zur schulischen Vorbereitung
(in Anlehnung an die von Kiepe 2002 als relevant erachteten Wissens- und Kompetenzbereiche)
• „Wir wurden sehr gut auf die Zeit der Lehrstellensuche und Berufswahl
vorbereitet: 28%
• „Die Themen ‚Berufswahl‘ und ‚Ausbildungssuche‘ wurden viel zu wenig
behandelt: 39% (davon 65% Gymnasiasten!)
• „Das uns in der Schule vermittelte Wissen reicht für einen erfolgreichen
Einstieg in die Lehre aus“: 20%
• „Wir haben gelernt, wie man Bewerbungen korrekt und fehlerfrei
schreibt“: 69%
•„Uns wurde viel zu wenig beigebracht, mit anderen Menschen
klarzukommen und zusammenzuarbeiten“: 19%
• „Nichts davon trifft zu“: 2%
• keine Angaben: 2%
Bewertung der schulischen Vorbereitung wird hauptsächlich durch
das Alter und durch die Höhe des Schulabschlusses beeinflusst
Das heißt:
• Je älter die Bewerber sind, desto defizitärer nehmen sie die schulische
Vorarbeit wahr.
• Je höher der Schulabschluss ist, desto eher sehen sie die Mängel in
der Arbeit der Schulen
Erhöht eine gute schulische Vorbereitung die Chancen auf eine Lehrstelle ?
Abhängigkeiten in zwei Richtungen denkbar:
• Gut auf die Lehrstellensuche vorbereitete Jugendliche müssen weniger
Anstrengungen auf sich nehmen, bis sie erfolgreich in die Lehre einmünden.
• Jugendliche mit einer guten schulischen Vorbereitung zeigen ein stärkeres
Engagement, um eine Lehrstelle zu erhalten.
→ Ergebnisse aus Zusammenhangsanalysen:
Keinerlei Beziehung zwischen der Qualität der schulischen Vorbereitung
und dem Bewerbungsverhalten der Jugendlichen!
5. Fazit zur Qualität der schulischen Vor-bereitung und Ausbildungsreife
Resultate des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) 1996:
• die Mehrheit der Schülerinnen und Schüler gaben an „dass sie in der
Schule gerne mehr über berufliche Möglichkeiten erfahren möchten als
sie tatsächlich erfahren“
• vor allem Gymnasiasten beklagten sich am stärksten und wünschen sich
eine bessere schulische Vorarbeit
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