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Personalplanung
Lerneinheit 3
Fernkurs HR-Management
Autorin: Prof. Dr. Silke Wickel-Kirsch
Zertifiziert durch die Technische Hochschule
Deggendorf
Der Lehrgang wurde von der Hochschule Deggendorf hin-
sichtlich der fachlichen und didaktischen Qualität geprüft
und zertifiziert. Die Hochschule Deggendorf, University of Applied Sciences, wird in Hoch-
schulrankings regelmäßig als innovative Hochschule ausgezeichnet.
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Diese Lerneinheit ist Teil
eines zertifizierten
Lehrganges
LERNEINHEIT 3 PERSONALPLANUNG 2
0. Personalplanung
Autorin
Prof. Dr. Silke Wickel-Kirsch
Professorin für Personalwirtschaft und Organisation an der HS RheinMain Wiesbaden.
Langjährige Leiterin Personalcontrolling und strategische Planung in Großunternehmen.
Betriebswirtschaftlerin. Fachautorin.
LERNEINHEIT 3 PERSONALPLANUNG 3
0. Personalplanung
Inhaltsverzeichnis
Personalplanung 4
1. Grundlagen und Grundsätze der Personalplanung 5
1.1 Grundlagen zur Personalplanung 5
1.2 Rechtliche Rahmenbedingungen bzw. Mitbestimmung 6
1.3 Organisation der Personalplanung 7
1.4 Empirie zur Personalplanung in Deutschland und Österreich 9
2. Strategische Personalplanung und Szenarioplanung 12
2.1 Grundlagen zur strategischen Personalplanung 12
2.2 Szenarioplanung 14
2.3 Praxisbeispiel Szenarioplanung bei den Stadtwerken München 16 2.4 Personalportfolioanalyse und Nachfolgeplanung 20
3. Operative Personalplanung 23
3.1 Grundlagen der operativen Personalplanung 23
3.2 Bestandsprognose (Ist-Bestandsentwicklung) 25
3.3 Sollbedarfsplanung (Bedarfsprognose) 28
3.4 Qualitative Personalplanung 33
4. Personalkosten- und Personalaufwandsplanung 35
4.1 Personalkosten und -aufwand 35
4.2 Verfahren der Personalkostenplanung 36 4.3 Möglichkeiten der Beeinflussung der Personalkosten 37
5. Personal-Forecast 45
6. Personalmaßnahmenplanungen 48
6.1 Personalbeschaffungsplanung 48
6.2 Personaleinsatzplanung 49
6.3 Personalentwicklungsplanung 51
6.4 Personalfreistellungsplanung 53
7. Fazit 58
Literaturverzeichnis 59
In dieser Lerneinheit wird bei der Bezeichnung von Personen die männliche Form verwen-
det, um die Lesbarkeit zu erleichtern. Wir bitten dafür um Verständnis. Selbstverständlich
sind stets weibliche und männliche Personen gleichermaßen gemeint.
LERNEINHEIT 3 PERSONALPLANUNG 12
2. Strategische Personalplanung und Szenarioplanung
2. Strategische Personalplanung und
Szenarioplanung
Ziel der strategischen Personalplanung ist das aktive Steuern von Personalrisiken (bzw. Chancen) und von Personalstrukturen sowie die Vernetzung der wesentlichen Einfluss-
größen der Personalarbeit unter besonderer Berücksichtigung von zukünftigen
Anforderungen an die Qualifikationsstruktur der Organisation. Ziel hierbei ist es, die
bestehenden personellen Erfolgspotenziale bestmöglich zu nutzen und neue aufzubauen
(vgl. Schmitz, 2013, S. 65 ff.). In diesem Kapitel werden zunächst die Grundlagen der
strategischen Personalplanung erläutert (2.1). Im Anschluss wird der Sonderfall der
Szenarioplanung dargestellt und schließlich in 2.3 ein Praxisbeispiel zu eben dieser
Szenarioplanung aufgeführt. In 2.4 wird die Nachfolgeplanung als Teil der strategischen
Personalplanung dargestellt.
2.1 Grundlagen zur strategischen Personalplanung
Die strategische Personalplanung legt den grundsätzlichen Orientierungsrahmen für
zentrale Unternehmensentscheidungen bezüglich der Anzahl der Mitarbeiter und der
Mitarbeiterstruktur fest. Sie definiert Ziele und Maßnahmen und trifft Festlegungen zu
wesentlichen Personalthemen. Hierbei orientiert sie sich immer an den unternehmens-
politischen Festlegungen. Gegenstände der strategischen Personalplanung sind u.a. Personalportfolios, Wettbewerb auf dem Arbeitsmarkt, Innovationen, Technologie,
Kernkompetenzen, Ressourcen (vgl. hierzu und dzu den folgenden Ausführungen zur
strategischen Planung Niedermayr-Kruse/Wanicek/Wickel-Kirsch, 2014, S. 26 ff., und
Wickel-Kirsch, 2016, S. 12 ff.).
Im Rahmen der strategischen Personalplanung übernimmt entweder der Controller oder
der Personalcontroller – falls diese Rolle im Unternehmen verankert ist – eine Moderato-
renrolle. Das Personalcontrolling respektive das Controlling bestimmen weder die strate-
gische Ausrichtung noch die Inhalte der strategischen Personalplanung. Vielmehr unter-
stützt der Personalcontroller die Führungskräfte indirekt, während der Business-Partner als Bindeglied als unmittelbarer Ansprechpartner der Führungskräfte fungiert. Der Perso-
nalcontroller moderiert den gesamten Prozess und kommuniziert an die Controller und an
die Unternehmensleitung.
Die strategische Personalplanung beginnt mit der Vorbereitungsphase des Prozesses, den
strategischen Analysen (vgl. bspw. IGC (Hrsg.), 2011, S. 23 f.). In dieser Vorbereitungsphase
müssen die Verantwortlichen ebenso bestimmt werden wie die Inhalte der strategischen
Planung und die unternehmensspezifischen Rahmenbedingungen. Gegebenenfalls müs-
sen die Methoden der strategischen Personalplanung und die IT, die zur Unterstützung
eingesetzt werden soll, implementiert werden. Außerdem muss der Zeithorizont der stra-
tegischen Personalplanung definiert werden.
In den meisten Fällen wird ein Zeitraum von drei bis fünf Jahren betrachtet, allerdings ist
gerade im Bereich der Kompetenz- und Qualifikationsplanung eine längere Frist von 10
oder sogar 15 Jahren sinnvoll. Eine Festlegung, für welchen Zeithorizont eine strategische
Personalplanung erfolgen soll, setzt zugleich den Rahmen für die operative Personalpla-
nung. Hier ist insbesondere darauf zu achten, dass ein Schnittstellenmanagement genau
LERNEINHEIT 3 PERSONALPLANUNG 13
2. Strategische Personalplanung und Szenarioplanung
definiert wird, das die Verknüpfung mit der operativen Personalplanung später sicherstellt
(vgl. Wickel-Kirsch et al., 2008, S. 9 ff.).
Die langfristige Personalplanung sollte im Sinne einer Szenarioplanung durchgeführt
werden. Die Szenarioplanung wird im Detail in 2.2 erläutert.
Auf die strategische Analyse folgt die Überprüfung der Personalstrategie mit einer
eventuellen Anpassung. Wichtig sind hier vor allem eine realistische Selbsteinschätzung
bezüglich der Stärken und Schwächen des Mitarbeiterportfolios sowie Qualifikations-,
Altersstruktur- und Kapazitätsanalysen. Dabei muss zunächst abstrakt die Frage
beantwortet werden, welche Kompetenzen und Qualifikationen langfristig benötigt
werden.
Erst im nächsten Schritt ergeben sich aus der Kombination von internen Gegebenheiten
hinsichtlich der verfügbaren Mitarbeiter und den externen Rahmenbedingungen des Arbeitsmarkts sowie der geplanten strategischen Ausrichtung des Unternehmens
qualitative und quantitative strategische Lücken aus personalwirtschaftlicher Sicht (vgl.
Sattelberger/Strack, 2009, S. 54 ff.).
Auf Basis der strategischen Lücken wird der Veränderungsbedarf festgestellt. Vision, Mis-
sion, Strategie und insbesondere Personalstrategie und Geschäftsmodell müssen hinsicht-
lich der notwendigen Kernkompetenzen der Mitarbeiter, bezogen auf Realisierbarkeit und
Markterfolg, überprüft und gegebenenfalls angepasst werden. Aus den aktualisierten stra-
tegischen Stoßrichtungen sind Auswirkungen auf die Qualität und Quantität der Mitarbei-
ter sowie konkrete personalwirtschaftliche strategische Ziele abzuleiten und in einer Stra-tegy Map mithilfe von Ursache-Wirkungs-Ketten darzustellen. Für jedes strategische Ziel
müssen personalwirtschaftliche Messgrößen mit konkreten Zielwerten definiert werden.
Im Anschluss daran sind Maßnahmen zur Erreichung der strategischen Ziele mit konkretem
Zeitbezug zu definieren. Die geplanten Maßnahmen sind mit ihren finanziellen Auswirkun-
gen zu bewerten. Das heißt, hier ist eine Personalkostenplanung bzw. eine Bewertung der
Maßnahmen auf das Personalbudget durchzuführen.
Nach Abstimmung der Personalstrategie mit den Führungskräften und der Geschäftsfüh-
rung muss die verabschiedete Strategie dokumentiert und kommuniziert werden. Hierfür
hat sich das Konzept der Balanced Scorecard bewährt, dessen großer Vorteil in der Integra-tion verschiedener Perspektiven und der Verknüpfung personalwirtschaftlicher Ziele mit
Kennzahlen und damit in der Messbarkeit der Zielerreichung liegt (vgl. Wickel-Kirsch,
2001, S. 277 ff.).
Die Messung der Umsetzung der strategischen Planung schließlich muss laufend durchge-
führt werden und sollte mithilfe eines Performance-Measurement-Systems erfolgen. Die
Leistungsmessung gibt Aufschluss darüber, ob die strategischen Ziele erreicht werden und
die Maßnahmen erfolgreich sind. Hierfür sind Key-Performance-Indikatoren (KPIs) erfor-
derlich. Durch eine permanente Überwachung und regelmäßige Feedback-Runden mit den operativ und strategisch tätigen Führungskräften können Abweichungen frühzeitig
aufgedeckt und Gegensteuerungsmaßnahmen eingeleitet werden.
LERNEINHEIT 3 PERSONALPLANUNG 14
2. Strategische Personalplanung und Szenarioplanung
2.2 Szenarioplanung
Ein Sonderfall der strategischen Personalplanung ist die sogenannte Szenarioplanung. Sie
gehört zu dem statistischen Prognoseverfahren und zerlegt eine Zeitreihe basierend auf
Vergangenheitswerten in Trend-, Saison- und Zufallseinflüsse. Dadurch lassen sich Aussa-
gen über die Zukunft treffen. Mehrwert einer solchen Szenarioplanung ist die Berücksich-
tigung qualitativer Elemente und die Möglichkeit, eine Auswertung nach verschiedenen
Ausprägungen durchzuführen (vgl. Armutat, 2013, S. 37).
Sie findet insbesondere im Bereich der langfristigen Personalplanung Anwendung, das
heißt, für den Zeitraum von 10 bis 20 Jahren. Sie kann EDV-gestützt oder heuristisch durch-
geführt werden, wobei eine Vielzahl von Unternehmen heute die EDV-gestützte Variante
anwenden. Als Beispiele seien RWE AG, Daimler AG, Deutsche Telekom AG, Deutsche Bank
AG und Gothaer Versicherungen genannt.
Die beiden bekanntesten EDV-Tools zur Unterstützung der Szenarioplanung stammen von
der Boston Consulting Group und von Dynaplan (mit Namen Dynaplan Smia). Unabhängig
von den eingesetzten Tools findet eine Szenarioplanung nicht auf der Ebene von Stellen statt, sondern stützt sich auf sogenannte Job Families, Jobfamilien oder Job-Funktionen.
Hierbei werden gleichartige Stellen zusammengefasst. Wie das Ergebnis einer solchen Sze-
narioplanung auf Basis von Job-Funktionen aussehen kann, zeigt die folgende Abbildung.
LERNEINHEIT 3 PERSONALPLANUNG 15
2. Strategische Personalplanung und Szenarioplanung
Abbildung 6: Personalplanung auf Basis von Jobfamilien (Sattelberger/Strack, 2009, S. 55)
Neben der EDV-gestützten Variante kann ein Szenario auch heuristisch erstellt werden.
Dann bedarf es der Zusammenarbeit von Personalplanern und Führungskräften, die ge-
meinsam die Entwicklung des Unternehmens prognostizieren, diskutieren und „festlegen“
müssen.
Beispiel
Am besten lässt sich das Thema am Praxisbeispiel verdeutlichen. Für diese Lernein-
heit wird das Praxisbeispiel Stadtwerke München gewählt, das im Folgenden aus-führlich die Vorgehensweise bei der Szenarioplanung darstellt.
LERNEINHEIT 3 PERSONALPLANUNG 16
2. Strategische Personalplanung und Szenarioplanung
2.3 Praxisbeispiel Szenarioplanung bei den
Stadtwerken München1
Ziele: Im Sinne eines ganzheitlichen Talentmanagements gibt die strategische Personal-
planung den Orientierungsrahmen für das Personalmanagement vor. In der Umsetzung
des Leitgedankens „Der richtige Mitarbeiter zur richtigen Zeit mit der richtigen Qualifika-
tion an der richtigen Stelle“ leistet der Personalbereich seinen Beitrag zur Wertschöpfung
im Unternehmen. Sie ermöglicht dem Personalbereich und dem Management eine zielge-
rechte Bewertung unternehmerischer bzw. strategischer Personalentscheidungen.
Mittels Szenarien und Simulationstechniken werden die (langfristige) personalwirtschaft-
liche Ausrichtung und die damit zusammenhängenden Entscheidungen unterstützt und
vorbereitet. Es werden Chancen und Risiken abgeleitet, Handlungsfelder identifiziert und
adäquate Maßnahmen festgelegt.
Zukünftige Auswirkungen personalpolitischer Entscheidungen werden dargestellt und die
Entscheidungsvarianten dadurch vergleichbar.
Qualifizierte und leistungsbereite Mitarbeiter sind ein wettbewerbsrelevanter Erfolgsfak-
tor. Es müssen langfristig die richtigen Mitarbeiter identifiziert, rekrutiert, weiterentwi-ckelt und nicht strategiekonform nutzbare Ressourcen freigesetzt werden. Die strategi-
sche Personalplanung beantwortet deshalb auch die Frage, ob ein in der Zukunft identifi-
zierter Personalbedarf kostengünstiger intern durch Ausbildung bzw. Qualifizierung oder
durch externe Beschaffung gedeckt werden kann (make or buy?). So können Rekrutie-
rungskosten minimiert, Mittel für Personalmarketing zielgerichtet eingesetzt oder die Per-
sonalentwicklung zielgruppengerechter ausgerichtet werden. Darüber hinaus liefert sie
einen Beitrag zur Risikominimierung, indem Qualifikationsdefizite frühzeitig erkannt wer-
den.
Die Betrachtung kritischer und nicht-kritischer Mitarbeitergruppen bildet die Grundlage für eine aktive Steuerung von Mengen, Kosten und Qualifizierung/Kompetenzen. Daraus
resultieren auch Vorgaben für die operative Mehrjahresplanung. Darüber hinaus dient die
strategische Personalplanung der Überprüfung der Personalstrategie in Bezug auf Ausrich-
tung und Umsetzung.
Die strategische Personalplanung orientiert die Personalarbeit also darauf, Lücken bei Be-
darfen zu schließen, die momentan noch nicht existieren, mit Qualifikationen, die erst spä-
ter benötigt werden, damit strategische Ziele erreicht werden können, die noch nicht kom-
muniziert wurden (vgl. Kannisto/Kamahele, 2011, S. 6: „Using data already in existence,
tomorrow’s staffing leader can use college recruiting to fill openings that don’t currently exist, with skills that will be important at a later time, to meet strategic objectives that
have not yet been communicated.“).
Prozess: Der Prozess besteht aus drei Phasen:
In der ersten Phase wird der strategische Rahmen konzipiert, und Planungsprämissen wer-
den festgelegt, wobei dem Strategiebereich die moderierende und koordinierende Rolle
1 von Marina Münch und Martin Gassner; komplett entnommen aus Niedermayr-Kruse et al., 2013,
S. 29-33
LERNEINHEIT 3 PERSONALPLANUNG 17
2. Strategische Personalplanung und Szenarioplanung
zufällt. Es gilt, die zahlreichen internen und externen Einflussfaktoren zu benennen, zu
analysieren und Auswirkungen auf die Personalarbeit oder eine konkrete personalpoliti-
sche Fragestellung abzuleiten. Hierzu gehören insbesondere die Abbildung der strategi-
schen Bedarfsentwicklung der Bereiche, die Abstimmung über die strategischen Planungs-
prämissen sowie die Bewertung externer Einflussfaktoren wie Arbeitsmarkt, Politik, recht-liche Gegebenheiten, gesellschaftlicher Wertewandel usw.
In der zweiten Prozessphase werden Szenarien auf Basis der in Phase 1 bestimmten Rah-
menbedingungen simuliert und Maßnahmen bewertet. Zur weiteren Konkretisierung wer-
den verschiedene Szenarien „nebeneinandergelegt“. Dabei empfiehlt sich stets die Ermitt-
lung eines „0-Szenarios“, in dem zunächst keine Maßnahme angenommen wird. Erst da-
nach sollten weitere Szenarien mit konkreten Maßnahmen gebildet und dem „0-Szenario“
gegenübergestellt werden.
Abbildung 7: Ablauf der strategischen Personalplanung bei den Stadtwerken München (vgl. Niedermayr-
Kruse et al., 2014, S. 30)
In einer dritten Phase folgen die Maßnahmenplanungen. Auf Basis der in Phase 2 erlang-
ten Erkenntnisse werden konkrete Maßnahmen geplant. Dies sind innerhalb der strategi-
schen Personalplanung die Personalentwicklungs- und Ausbildungsplanung, die Beschaf-
fungsplanung und gegebenenfalls auch eine Abbauplanung.
Parallel sollte in allen Phasen stets auch eine kontinuierliche Rückkopplung neuer Erkennt-
nisse in den strategischen Planungsprozess gewährleistet sein, sodass strategische
Planung und Strategiefindung Hand in Hand gehen.
Im Ergebnis können so z. B. Abgangswellen sichtbar gemacht oder die Auswirkungen des
demografischen Wandels bei einer alterszentrierten Belegschaft abgemildert werden,
indem gezielt interne Personalentwicklungs- und Nachfolgeprogramme initiiert werden
oder eine Feinplanung bei der internen Ausbildungsübernahme möglich wird. Für die Per-
LERNEINHEIT 3 PERSONALPLANUNG 18
2. Strategische Personalplanung und Szenarioplanung
sonalbeschaffung können gezielt Rekrutierungskanäle ausgebaut oder neu geöffnet wer-
den, sodass eine frühzeitige Kontaktaufnahme mit externen Fachkräften erfolgen kann.
Zudem können auch die strategischen Instrumente des Personalmarketings zielgruppen-
spezifisch etabliert werden. Darüber hinaus ermöglicht die strategische Personalplanung
über die Untersuchung von Altersstrukturen und gesundheitlichen Ausfallrisiken strategi-sche Aussagen für das Gesundheitsmanagement, sodass diese Risiken durch spezifische
längerfristige Maßnahmen reduziert werden können. Über die Abbildung der Entwick-
lungspfade und der abgeleiteten Personalentwicklungsmaßnahmen kann Erfahrungswis-
sen im Unternehmen gehalten werden, weil sich dem Talentmanagement die künftig be-
nötigten Qualifikationsprofile für einen längeren Zeitraum darstellen lassen.
Umsetzung: Auf der Basis der Unternehmensstrategie bzw. der daraus abgeleiteten Per-
sonalstrategie fokussiert die strategische Personalplanung über einen längerfristigen Zeit-
raum von mindestens zehn Jahren auf die erfolgskritischen Faktoren (Fluktuation, Alters-
struktur, Potenziale etc.) und Qualifikationen. Sie setzt auf zwei Kernelementen auf: dem (aktuellen) Personalbestand und dem (künftigen) Personalbedarf, der sich aus der in der
Unternehmensstrategie beschriebenen Geschäftsentwicklung, technologischen Entwick-
lungen, Projekten usw. unter den in Phase 1 beschriebenen Prämissen absehen lässt.
Sowohl die heutigen als auch die künftigen Personalkapazitäten werden auf relativ hoher
Aggregationsebene ermittelt und bewertet. Dabei werden neben quantitativen auch qua-
litative Aspekte erkennbar; d. h., außer Kosten und Kapazitäten werden auch Qualifikati-
ons- und Altersrisiken deutlich. Für verschiedene Bereiche oder Geschäftsfelder können
unterschiedliche Simulationen erstellt (z. B. auf Geschäftsfeldebene) und diese anschlie-
ßend in einem Konzernszenario zusammengefasst werden.
Geplant bzw. simuliert wird innerhalb von Jobfamilien. Jobfamilien sind gleichartige Funk-
tionen (gleichartige Tätigkeitsgruppen) innerhalb des Unternehmens, die über Bereichs-
grenzen hinweg zusammengefasst werden. Diese Jobfamilien sind untereinander mit
typischen Karriere- oder Entwicklungspfaden verknüpft, sodass Bewegungen zwischen
den Familien dargestellt werden können (z. B. Auszubildender → Facharbeiter → Meister).
So können neben den quantitativen Aussagen gleichzeitig auch immer qualitative Aussa-
gen innerhalb der Simulationen getätigt werden.
Hinzu kommen Simulationsprämissen innerhalb der Jobfamilien wie z. B. Fluktuations-
raten, Krankheits- oder Fortbildungsquoten. Dies dient der Präzisierung der Kapazitäten
und ermöglicht eine Simulation des Personalstands über mehrere Jahre.
Arbeitshilfe
In Ihrer Lernumgebung finden Sie eine Übersicht der unterschiedlichen Kostenarten
bei Mitarbeiterfluktuation inkl. eines Berechnungsschemas.
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2. Strategische Personalplanung und Szenarioplanung
Abbildung 8: Beispiel für ein Jobfamilienmodell der Stadtwerke München (vgl. Niedermayr-Kruse et al., 2014,
S. 32)
Die strategische Planung zeigt auf, ob mit den vorhandenen Personalkapazitäten (quanti-
tativ und qualitativ) die Umsetzung der Unternehmensstrategie möglich ist bzw. welche
Personalressourcen dafür (nicht mehr) notwendig sind. Dieser in die Zukunft projizierte
Personalstand stellt planerisch das „Angebot“ an Fachkräften innerhalb des Unterneh-
mens dar.
Parallel dazu muss auch die Nachfrage nach Arbeitskräften (Bruttobedarf) aus den Unter-
nehmensbereichen betrachtet werden. Diese ergibt sich aus der Unternehmensstrategie und wird ebenfalls innerhalb der Jobfamiliensystematik abgebildet.
So ergibt eine Gegenüberstellung des simulierten Personalbestands und des Bruttobe-
darfs den Nettobedarf, der die Grundlage für eine sich anschließende Personalentwick-
lungs-, Personalbeschaffungs- und Ausbildungsplanung sowie einer Personalkosten- und
Personalanpassungsplanung (auf strategischer Ebene) bildet oder Auslöser für personal-
politische Maßnahmen oder Programme, wie Nachfolgeplanung, interne Qualifikations-
maßnahmen oder Aufbau neuer externer Rekrutierungskanäle, ist. Ein integriertes Be-
richtswesen fasst alle Planungsaspekte von Bestands-, Bedarfs-, Kosten-, Entwicklungs-,
Beschaffungs-, Ausbildungs- und Anpassungsplanung zusammen.
Im Ergebnis werden z. B. auf der Basis eines Basisszenarios, eines Best-Case-Szenarios und
eines Worst-Case-Szenarios Detailplanungen wie Ausbildungsplanung, Rekrutierungspla-
nung, Personalmarketingplanung, Personalentwicklungsplanung, Nachfolgeplanung etc.
aufgesetzt und abgestimmt, damit die operative Personalarbeit flexibel auf veränderte An-
forderungen reagieren kann.
LERNEINHEIT 3 PERSONALPLANUNG 20
2. Strategische Personalplanung und Szenarioplanung
2.4 Personalportfolioanalyse und Nachfolgeplanung
Im qualitativen Bereich der langfristigen Personalplanung bzw. der Talententwicklung
spielt die Nachfolgeplanung eine entscheidende Rolle. Da die Zuständigkeit für Personal-
planung auch unter qualitativen Aspekten häufig in der Organisationseinheit „Personal-
controlling“ verankert ist, wird das Thema hier behandelt.
Basis für eine erfolgreiche Nachfolgeplanung ist die Auswahl derjenigen, die im Unterneh-men als Talente bzw. Nachfolger angesehen werden. Um diese zu identifizieren, kommt
häufig die sogenannte Personalportfolioanalyse zum Einsatz.
Die in der Personalbeurteilung ermittelten aktuellen Leistungen und Fähigkeiten der Mit-
arbeitenden können mithilfe des Personalportfolios mit dem zukünftig zu erwartenden
Potenzial für eine Zielposition verknüpft werden (siehe Abbildung). Das Personalportfolio
gibt einerseits Auskunft über Qualität und Ausgewogenheit der Mitarbeitenden im Unter-
nehmen. Andererseits kann es (neben der Basis für Beschaffungs-, Anreiz- und Entwick-
lungsstrategien) für die Nachfolgeplanung herangezogen werden.
Das Personal-Portfolio besteht im Allgemeinen aus einer Vier-Felder-Matrix, in der die Mit-
arbeiter in den entsprechenden Feldern positioniert werden (vgl. Kosub, 2013, S. 112 f.).
Abbildung 9: Personalportfolio (nach Odiorne, 1984, S. 66)
Auf Basis dieses Portfolios lassen sich diejenigen Mitarbeiter identifizieren, die in die Nachfolgeplanung aufgenommen werden sollen bzw. können. Es handelt sich hierbei um
die Gruppe der „Stars“ bzw. Spitzenkräfte, die primär als Nachfolger für Schlüsselpositio-
nen in Frage kommen. Wichtig für das Unternehmen ist zum einen, festzustellen, ob aus-
reichend Nachfolger zur Verfügung stehen.
Hier muss die sogenannte Potenzialträgerquote (auch „Goldfischquote“ genannt) ermit-
telt werden. Sie ergibt sich aus dem Verhältnis von Potenzialträgern zum Personalbestand.
Daneben spielt die sogenannte Nachfolgerquote eine wesentliche Rolle. Hier wird das Ver-
hältnis aus Schlüsselpositionen und Potenzialträgern gebildet.
LERNEINHEIT 3 PERSONALPLANUNG 21
2. Strategische Personalplanung und Szenarioplanung
Schließlich wird eine Nachfolgeplanung erstellt. Einer einzelnen Stelle werden mehrere
(idealerweise drei) in Frage kommende Nachfolger zugeordnet (siehe als Beispiel die Ab-
bildung, wobei hier pro Stelle nur zwei Nachfolger aufgelistet werden).
Der Vorteil liegt darin, dass bei der Notwendigkeit der Besetzung schnell klar ist, wer in Frage kommt, und dass geprüft werden kann, ob eine ausreichende Anzahl von Nachfol-
gern existiert. Zudem wirkt es aus Sicht des Mitarbeiters motivierend, wenn er weiß, dass
er als Nachfolger vorgesehen ist.
Abbildung 10: Beispiel für einen Nachfolgeplan (entnommen aus: Wegerich, 2007, S. 123 f.)
Neben der Nachfolgeplanung mit Plänen auf Einzelstellenebene, wie in dieser Abbildung
dargestellt, kann auch mit Hilfe von Organigrammen oder Stellenplänen Nachfolgepla-
nung unterstützt werden. Hier werden in einer Übersicht die Kandidaten Stellen bzw.
Positionen im Organigramm zugeordnet (siehe folgende Abbildung).
LERNEINHEIT 3 PERSONALPLANUNG 22
2. Strategische Personalplanung und Szenarioplanung
Abbildung 11: Nachfolgeplanung mit Hilfe von Organigrammen (vgl. Binder, 2009, S. 145)
Fazit
Strategische Personalplanung erfordert eine noch engere Abstimmung mit der stra-
tegischen Planung als die operative Personalplanung. Sie wird zukünftig immer
wichtiger werden. Vor allem die Szenarioplanung mit EDV-Unterstützung ist ein hilf-reiches Instrument für die rechtzeitige Vorbereitung auf kommende Veränderun-
gen. Ebenso sollte ein Unternehmen immer in der Lage sein, über potenzielle Nach-
folger Auskunft zu geben, um das Überleben des Unternehmens sicherzustellen.
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