strafprozessuale vernehmungslehre riag gernot hermann 2010

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Strafprozessuale Vernehmungslehre

RiAG Gernot Hermann 2010

RiAG Gernot Hermann 2010

Literaturhinweise

• Advocom, Praxisseminar Fragen und Vernehmen (Grünwald o.J.)

• Arntzen, Psychologie der Zeugenaussage (4. Auflage, München 2007)

• Bender, Nack, Treuer, Tatsachenfeststellung vor Gericht (3. Auflage, München 2007)

• Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung (6. Auflage, München 2008)

• Meyer-Goßner, Strafprozessordnung (52. Auflage, München 2009)

• Schulz von Thun, Miteinander Reden (3 Bände, Reinbek

1981)

RiAG Gernot Hermann 2010

Gliederung

1. Kommunikation2. Wahrnehmung, Speicherung, Wieder-

gabe3. Rechtliche Grenze: Täuschung4. Durchführung einer Vernehmung5. Glaubwürdigkeitsbeurteilung6. Geständnis7. Beweiskraft

RiAG Gernot Hermann 2010

1. Kommunikation

Man kann nicht nicht kommunizieren.

(Paul Watzlawick)

RiAG Gernot Hermann 2010

1. Kommunikation

Communicare

= etwas gemeinschaftlich machen / etwas mit jemandem teilen (Mitteilen)

=> Verbales / Nonverbales Miteinander-in-Beziehung-Treten von Menschen zum Austausch von Informationen

RiAG Gernot Hermann 2010

1. Kommunikation

Mündliche Kommunikation:

- Das wechselseitige- aufeinander bezogene - Sprechen und Hören- von mindestens zwei Menschen,- die gemeinsam versuchen,- sich über etwas zu verständigen.

RiAG Gernot Hermann 2010

1. Kommunikation

„Es steht ja gar keine Milch auf dem Tisch.“

Sache: „Auf dem Tisch steht keine Milch.“

Person: „Ich mag keinen schwarzen Kaffee.“

Beziehung: „Wir sind jetzt seit fünf Jahren verheiratet, und du weißt das immer noch nicht!“

Appell: „Hol bitte die Milch!“

Jede Nachricht hat vier Seiten- für den Sprecher- und für den Hörer

RiAG Gernot Hermann 2010

1. Kommunikation

Wer gut zuhört,

- signalisiert Interesse und Wertschätzung- ist besser und schneller über die Sache und die Denkweisen und Bedürfnisse des

Gesprächspartners informiert- kann damit strategisch geschickter handeln

RiAG Gernot Hermann 2010

1. Kommunikation

Verständlichkeit- zeigt Kompetenz- führt zur Überzeugung

erreicht man durch- Struktur- Prägnanz- Einfachheit im Ausdruck- Stimulanz

Holen Sie Ihren Gesprächspartner dort ab, wo er steht!

RiAG Gernot Hermann 2010

1. Kommunikation

Professionelle Kommunikation

- ist zielgerichtet,- rollenbewusst und- situationsangemessen- und setzt unterschiedliche Mittel- überlegt ein.

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1. Kommunikation

Kommunikationsfähigkeit ist ein Schlüssel zum beruflichen und privaten Erfolg.

RiAG Gernot Hermann 2010

2. Wahrnehmung, Speicherung, Wiedergabe

Der größte Feind der Wahrheit ist

nicht die Lüge,

sondern der Irrtum.

RiAG Gernot Hermann 2010

2. Wahrnehmung, Speicherung, Wiedergabe

Irrtumsquellen:

• Wahrnehmung

• Speicherung

• Erinnerung

• Wiedergabe

RiAG Gernot Hermann 2010

2. Wahrnehmung, Speicherung, Wiedergabe

Wahrnehmung:Sinnesreize -> Sinnesorgane

Webersches Gesetz

Die „Tatsache“ als solche gibt es nicht.

RiAG Gernot Hermann 2010

2. Wahrnehmung, Speicherung, Wiedergabe

Wahrnehmungsprobleme:

• Körperliche VerfassungAuge

Ohr

Tastsinn

Geruchs- und Geschmackssinn

• Seelische VerfassungWahrgenommen / gespeichert wird (nur), was sich lohnt, behalten zu werden.

• Geistige Verfassung-> Auswahl

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2. Wahrnehmung, Speicherung, Wiedergabe

Sinngebung:

• Ausfüllungsneigung• Schlussfolgerung• Gesetze der Gestaltpsychologie• Hofeffekt• Erwartungshorizont• Beeinflussung

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2. Wahrnehmung, Speicherung, Wiedergabe

Speicherung

• Angleichung / Nivellierung• Verfestigung• Verbindung• Ausfüllung• Zeitfolge

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2. Wahrnehmung, Speicherung, Wiedergabe

Erinnerung

• Ultra-Kurzzeitgedächtnis• Kurzzeitgedächtnis• Langzeitgedächtnis

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2. Wahrnehmung, Speicherung, Wiedergabe

• Keine Erinnerung an Reflexe / Sofortreaktionen• Verblassung• Anreicherungstendenzen• Verfälschung zum Zweckmäßigen• Verschmelzung• Retrograde Amnesie• Fixierung im Langzeitgedächtnis• Abwehrmechanismen

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2. Wahrnehmung, Speicherung, Wiedergabe

Das habe ich getan, sagt mein Gedächtnis.

Das kann ich nicht getan haben, sagt mein Stolz und bleibt unerbittlich.

Endlich – gibt das Gedächtnis nach.

(Friedrich Nietzsche)

RiAG Gernot Hermann 2010

2. Wahrnehmung, Speicherung, Wiedergabe

Wiedergabe:

• Verfälschungen• Schätzungen

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2. Wahrnehmung, Speicherung, Wiedergabe

„Mit welcher Geschwindigkeit sind / haben die Autos …?“

„zusammengekracht (smashed)“ 40,8 m/h„kollidiert (collided)“ 39,3 m/h„aufeinander gefahren (bumped)“ 38,1 m/h„zusammengestoßen (hit)“ 34,0 m/h„sich berührt (contacted)“ 31,8 m/h

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3. Rechtliche Grenze: Täuschung

• Begriff der „Täuschung“ i.S.d. § 136 a StPO ist zu weit gefasst und wird einschränkend ausgelegt.

• Abgrenzung: (zulässige) kriminalistische List <-> (unzulässige) Lüge

• Maßgeblich: Beeinträchtigung der Freiheit der Willensentschließung und –betätigung des Vernommenen, der sich auf Grund falscher Vorstellungen zur Aussage entschließt

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3. Rechtliche Grenze: Täuschung

Unzulässig:

- Bewusstes Vorspiegeln / Entstellen von Tatsachen (erdrückende Beweislage, Aussage werde nicht zum Nachteil des Beschuldigten verwertet)

- Täuschung über Rechtsfragen (Vorspiegelung einer Zeugenvernehmung, Pflicht zur Aussage)

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3. Rechtliche Grenze: Täuschung

Keine Täuschung:

- Vorspiegeln freundschaftlicher Gesinnung- Verschweigen bestimmter Punkte / den Beschuldigten über den eigenen

Kenntnisstand im Ungewissen Lassen- Ausnutzen vorhandener Irrtümer (nicht: Hervorrufen, Aufrechterhalten, Verstärken)- Unterlassen der Belehrung nach § 136 StPO- Fahrlässigkeit (str., soweit es um Rechtsfragen geht)- Fangfragen- Suggestivfragen?

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4. Durchführung einer Vernehmung

Acht Regeln für den Vernehmer:

1. Kontaktsuche

2. Freundlichkeit

3. Interesse

4. Lob

5. Selbsteröffnung

6. Geduld

7. Verständlichkeit

8. Kompetenz

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4. Durchführung einer Vernehmung

Der Bericht:

-> Filterfrage

-> offene Fragen

-> Tendenz der Auskunftsperson gegenüber anderen Beteiligten erkennen

-> Klare Angaben oder Floskeln?

-> Auffällige Lücken?

-> Fragen für das Verhör vormerken

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4. Durchführung einer Vernehmung

Das Verhör:

-> erbringt die noch fehlenden Details

-> enthält weniger Lücken, aber mehr Fantasie als der Bericht

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4. Durchführung einer Vernehmung

Probleme:

- Pygmalioneffekt- Gedächtnisverschluss- Beharrungstendenz- Othello-Effekt

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4. Durchführung einer Vernehmung

Fragetechnik:

- Verständlich- Eindeutig- Personenbezogen fragen- Nur eine Frage zur Zeit stellen- Verschnörkelte Einleitungen vermeiden- Abmildernd (nicht provozieren)- Den Eindruck vermeiden, die Auskunftsperson müsste die Antwort

wissen- Unnötige Assoziationen vermeiden- Negative Ansprachen vermeiden- Vorwürfe nur in der Schlussphase (mit „Brücke zur Wahrheit“)

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4. Durchführung einer Vernehmung

Fragetaktik:

Nicht zu früh offenbaren,

welche Antwort man erwartet /

was man selbst schon weiß!

RiAG Gernot Hermann 2010

4. Durchführung einer Vernehmung

Fragetypen (I):

- Filterfrage -> Kann die Auskunftsperson aussagen? Hat sie eigene Wahrnehmungen gemacht?

- Offene Fragen -> i.d.R. „W-Fragen“, grds. vorzuziehen, da sie suggestionsfrei sind und eine eigene Aussage ermöglichen

(-> Leerfrage, Anstoßfrage, Auswahlfrage)

- Geschlossene Fragen -> sollten grds. nicht gestellt werden

(-> Alternativfrage, Ja-/Nein-Frage, Suggestivfrage, Gegensatzfrage, Unmöglichkeitsfrage)

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4. Durchführung einer Vernehmung

Fragetypen (II):

- Herausforderungsfrage -> soll die Auskunftsperson, die ihr Wissen bewusst zurückhält, aus der Reserve locken (Gefahr: „Totstellreflex“)

- Sondierungsfrage -> soll Unklarheiten beseitigen- Testfragen -> betreffen nicht das Aussagethema selbst, schaffen aber eine

Grundlage für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit)

(-> Situationsfragen, Thema-Wechsel-Frage, Überprüfung der Wahrheitswilligkeit, Vorurteilsfreiheit oder Aussagetüchtigkeit)

- Lenkungsfragen -> lenken die Vernehmung in eine bestimmte Richtung

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4. Durchführung einer Vernehmung

Besondere Vernehmungsmethoden:

- Mehrkanalmethode- Kognitives Interview- Zick-Zack-Verhör

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4. Durchführung einer Vernehmung

Die Beschuldigtenvernehmung:

Ablauf:

- Kontaktgespräch- Vernehmung zur Person- Eröffnung des Tatvorwurfs- Belehrungen- Vernehmung zur Sache

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4. Durchführung einer Vernehmung

Die Beschuldigtenvernehmung:

Grundsätze:

- Vernehmungsort / -situation- Person des Vernehmenden- Rasche und gründliche Vernehmung- Gefährlichste Fehlerquelle ist die „eingleisige Anfangshypothese“.- Auch Unschuldige können lügen.- Gemeinsamer Rekonstruktionsprozess („Aushandeln“ / „Kampf“)- Geständnis- „Alles verstehen heißt nicht alles verzeihen.“

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5. Glaubwürdigkeitsbeurteilung

Der Aussagende:

Nicht maßgeblich für die Beurteilung sind:

- Prozessuale Stellung der Person (Beschuldigter, Zeuge)- „allgemeine Glaubwürdigkeit“ der Person

Maßgeblich ist allein die Qualität der Aussage.

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5. Glaubwürdigkeitsbeurteilung

Nullhypothese:

Jede Aussage gilt solange als unwahr, bis diese Vermutung sich angesichts der Zahl und der Qualität der Realitätskriterien in der Aussage nicht mehr aufrechterhalten lässt.

(BGHSt 45, 164 = NJW 1999, 2746)

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5. Glaubwürdigkeitsbeurteilung

Widerlegung der Nullhypothese:

- Subjektiv: Der Richter hält die Aussage für zuverlässig.- Objektiv: Für diese Bewertung existiert eine hinreichende Tatsachengrundlage.

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5. Glaubwürdigkeitsbeurteilung

Gefährlichkeitskalkül:

Je geringer die Gefahr der Aufdeckung ist, desto leichter fällt die Lüge.

-> War das Geschehen heimlich oder öffentlich wahrnehmbar?

-> War es dauerhaft bzw. hat es Spuren hinterlassen oder war es flüchtig?

-> Sind andere Zeugen bzw. Beweismittel vorhanden oder nicht?

-> Ist das Geschehen komplex und schwer überschaubar oder einfach zu verstehen? Kennt sich der Vernehmer auf dem Gebiet aus oder nicht?

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5. Glaubwürdigkeitsbeurteilung

Lügner-Dilemma:

- Glaubwürdigkeit erfordert: Details, Spontaneität

- Gefährlichkeitskalkül und Mangel an Kompetenz bewirken: Detailarmut, Verzögerung bei Ergänzungen

RiAG Gernot Hermann 2010

5. Glaubwürdigkeitsbeurteilung

Ausgangspunkt der Glaubwürdigkeitsbeurteilung:

Denken in Alternativen

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5. Glaubwürdigkeitsbeurteilung

Notwendige Bedingungen:

- Logische Konsistenz (nicht „logisches Verhalten“)- Zahlreiche (qualitativ hochrangige) Details

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5. Glaubwürdigkeitsbeurteilung

Detailreichtum:

- Wieviel bleibt übrig, wenn man alle Details streicht, die nicht unmittelbar mit dem Kerngeschehen zusammenhängen?

- Wechselseitige Gespräche (außer das Gespräch ist selbst das Beweisthema)- Nebensächlichkeiten- Komplikationen- Nicht allgemein bekannte Deliktstypik

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5. Glaubwürdigkeitsbeurteilung

Originalität(insbesondere bzgl. Nebensächlichkeiten)

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5. Glaubwürdigkeitsbeurteilung

Gefühlefür Echtheit spricht:

- Originalität- Ambivalenz- Differenzierung

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5. Glaubwürdigkeitsbeurteilung

GefühleLügensignale:

- Ausweichen von Fakten- Gefühlsschilderungen, die zielgerichtet das Beweisthema abstützen oder mögliche

Ungereimtheiten nicht erklären können- Stimmungsmache- Übersteigerter Gefühlsausdruck ohne Differenzierung („Eintönigkeit“)

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5. Glaubwürdigkeitsbeurteilung

Strukturelle Kriterien:

- Gleichgewicht zwischen den für die „Partei“ günstigen und ungünstigen Teilen der Aussage

- Gleiche sprachliche Struktur zwischen relevanten und unerheblichen Teilen der Aussage

- Gleiche Struktur wie frühere Aussagen der Auskunftsperson, von denen man weiß, ob sie wahr oder falsch waren

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5. Glaubwürdigkeitsbeurteilung

Nichtsteuerung:

- Nebensächlichkeiten- Schnelle, spontane Ergänzungen- Inversion (Umkehrung)

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5. Glaubwürdigkeitsbeurteilung

Homogenität:

- Keine (unauflösbaren) Widersprüche- Psychologische Stimmigkeit- Gegenseitige Bestätigung der Vorgangsschilderung durch Einzelheiten- Es bleiben keine wesentlichen Teile unerklärt.- Schilderung von Eindrücken aus verschiedenen Sinneskanälen

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5. Glaubwürdigkeitsbeurteilung

Weitere Kriterien:

- Assoziationen- Unverständnis- Schilderung von Missverständnissen, Wiedergabe mehrdeutiger Äußerungen - Selbstbelastung- Entlastung des Gegners- Widerlegung der „Rachehypothese“

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5. Glaubwürdigkeitsbeurteilung

Fantasiesignale:

- Schwarz-Weiß-Malerei- „Verarmung“- Flucht

Problematisch:

- Übertragung- Einbettung in ein (reales) Gesamterlebnis

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5. Glaubwürdigkeitsbeurteilung

Konstanzanalyse:

- Hinsichtlich des relevanten Kerngeschehens- Eher bedenklich bzgl. (fast) aller Nebensächlichkeiten- Insbesondere wenn die Auskunftsperson (auf Nachfrage) nicht in der Lage ist,

weitere Lücken zu füllen. - Erweiterungen, Verbesserungen, Präzisierungen sprechen für die Wahrheit.

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5. Glaubwürdigkeitsbeurteilung

Kompetenzanalyse:

Ist die Auskunftsperson fähig, sich den geschilderten Sachverhalt auszudenken?

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5. Glaubwürdigkeitsbeurteilung

Motivationsanalyse:

Motive zur Falschaussage:

- Wunsch, jemandem helfen zu wollen- „selbstlose Lüge“- Arbeitsverhältnis- „Bier ist dicker als Blut.“ (§ 68 Abs. 4 StPO)- Völlige Neutralität gibt es praktisch nicht.- Unangenehme Folgen für den Zeugen

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5. Glaubwürdigkeitsbeurteilung

Fehlerquellenanalyse:

- Anamnese- Suggestion

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5. Glaubwürdigkeitsbeurteilung

Gesamtschau:

- Einfügung in ein Koordinatensystem- Alternativkriterium

- Feststehende Tatsachen- Andere Aussagen

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6. Geständnis

- Inhalt: Täterschaft, subjektive Tatseite, Schuldfähigkeit, eigene Worte des Beschuldigten

- Beweismittel wie jedes andere auch -> Beweiswürdigung nach § 261 StPO- Abstützung der Glaubwürdigkeit

-> Motiv, überprüfbares Täterwissen, Dokumentation der Öffentlichkeitsarbeit, gezielte Nachermittlungen (möglichst Sachbeweise)

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6. Geständnis

Hauptmotive für echte Geständnisse:

- Strafmilderung- Reue- Pflichtbewusstsein

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6. Geständnis

Hauptmotive für falsche Geständnisse: - Psychische Krankheiten, Depressionen

- Schock

- Druck (Untersuchungshaft)

- Suggestion

- Erschöpfung / Resignation

- Renommiersucht, Wichtigtuerei

- Verdeckung

- Ablenkung

- Begünstigung

- Rache

- Kronzeugen-Geständnis (§ 31 BtmG)

- Vorteile

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6. Geständnis

Widerruf eines Geständnisses:

- Keine Vermutung der Wahrheit oder Unwahrheit- Hinterfragung- Faustregel:

-> Kurzes Geständnis und ausführlicher Widerruf sprechen für die Richtigkeit des Widerrufs.

-> Umfangreiches Geständnis und knapper Widerruf sprechen für die Richtigkeit des Geständnisses.

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6. Geständnis

Dokumentation eines falschen

Geständnisses:

Bender, Nack, Treuer, Rdnr. 1124 ff.

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7. Beweiskraft

- Haupttatsache = zu beweisende rechtserhebliche Tatsache

- Indiztatsache = Tatsache, von der auf die Haupttatsache geschlossen wird

Beispiel Alcotest:

Wenn 100 Probanden mit einer BAK von mehr als 1,1 %o in das Teströhrchen blasen, verfärbt es sich 95 mal. 5 mal zeigt es keine Reaktion.

Wenn 100 nüchterne Personen in das Teströhrchen blasen, zeigt es 99 mal keine Reaktion. 1 mal verfärbt es sich.

Im Rahmen einer Kontrolle bläst ein Autofahrer ins Röhrchen. Dieses verfärbt sich. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Autofahrer eine BAK von mehr als 1,1 %o hat?

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7. Beweiskraft

- Wie häufig kommt das Indiz (Verfärbung des Teströhrchens) bei der Haupttatsache (BAK von mehr als 1,1 %o) vor?

- Wie häufig kommt das Indiz (Verfärbung des Teströhrchens) bei der Nicht-Haupttatsache (Nüchternheit) vor?

- Wo kommt das Indiz häufiger vor?

abstrakte Beweiskraft = Verhältnis, wie viel mal häufiger oder seltener das Indiz bei der Haupttatsache als bei der Nicht-Haupttatsache vorkommt

hier -> 95 : 1

Entscheidend ist aber, wie wahrscheinlich die Haupttatsache ist, nachdem das Indiz vorliegt (Belastungswahrscheinlichkeit).

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7. Beweiskraft

Fortsetzung des Beispiels Alcotest:

Z. Zt. der Kontrolle kommt auf 1.000 Autofahrer 1 Autofahrer mit einer BAK von mehr als 1,1 %o.

Die Kontrolle der 1.000 Autofahrer ergibt:- 989 nüchterne Autofahrer -> keine Verfärbung des Teströhrchens- 10 nüchterne Autofahrer -> Verfärbung des Teströhrchens- 1 alkoholisierter Autofahrer -> Verfärbung des Teströhrchens

Ergebnis: Die Wahrscheinlichkeit, dass der Autofahrer, bei dem sich das Röhrchen verfärbt, eine BAK von mehr als 1,1 %o hat, beträgt ca. 9 %.

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7. Beweiskraft

Eine Mehrzahl von Belastungsindizien kann den notwendigen Beweis erbringen, auch wenn ein Indiz allein für den Beweis noch nicht ausreicht.

Beweisring: Mehrere voneinander unabhängige Indizien sprechen für die Haupttatsache.

-> Die Gesamtbeweiskraft erhöht sich auf das Produkt der Beweiskraft der einzelnen Indizien.

Beweiskette: Mehrere hintereinander geschaltete Indizien sprechen für die Haupttatsache.

-> Die Wahrscheinlichkeit der Beweistatsache reduziert sich auf das Produkt der Wahrscheinlichkeiten der einzelnen Beweistatsachen.

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7. Beweiskraft

Zur Belastungswahrscheinlichkeit bei der DNA-Analyse vgl. BGHSt 38, 320.

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Verständigung im Strafverfahren

Was spricht dagegen?

• Legalitätsprinzip• Amtsermittlungsgrundsatz• Schuldgrundsatz

Das (deutsche) Strafrecht ist grds. „vergleichsfeindlich“.

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Verständigung im Strafverfahren

Was spricht dafür?

• Arbeitsbelastung der Gerichte; Kosten

• Interesse der Verteidigung am Ergebnis

• Opfer- / Zeugenschutz

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Verständigung im Strafverfahren

Grundlegende Entscheidungen:

BGH, NJW 1998, 86 = BGHSt 43, 195

BGH (GS), NJW 2005, 1440 = BGHSt 50, 40

Fazit: Verständigung im Strafverfahren ist grds. zulässig,

bedarf aber bestimmter Einschränkungen

und sollte gesetzlich geregelt werden.

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Verständigung im Strafverfahren

Einschränkungen:

• Mitwirkung aller Verfahrensbeteiligten und Öffentlichkeit • Protokollierung• Keine bestimmte Strafe, nur Obergrenze• Keine Bindung bei Änderung der Umstände• Ein Geständnis muss überprüft werden.

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Verständigung im Strafverfahren

Gegenstand darf nicht sein:

• Schuldspruch• Maßregeln der Besserung und Sicherung• Rechtsfolgen, auf die das Gericht keinen Einfluss hat

(Strafvollstreckung)• Vereinbarung eines Rechtsmittelverzichts vor Urteils-

verkündung

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Verständigung im Strafverfahren

Seit 04.08.2009 gesetzliche Regelung durch das

Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren

-> „Verständigung“ statt „Absprache“

-> keine „vertragliche“ Bindung

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Verständigung im Strafverfahren

Regelungsinhalte:

§§ 160 b, 202 a, 212, 243 IV, 257 b, 257 c, 273 I 2, I a,

267 III 5 StPO

-> Erörterungen in allen Verfahrensabschnitten

-> Mitteilung in der Hauptverhandlung

-> Protokollierung

-> Angabe in den Urteilsgründen

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Verständigung im Strafverfahren

Regelungsinhalte:

§ 257 c StPO

Abs. 1: Verständigung <-> Untersuchungsgrundsatz

Abs. 2: Gegenstände der Verständigung:

Rechtsfolgen, Maßnahmen im zu Grunde liegenden Erkenntnisverfahren, Prozessverhalten -> ja

Geständnis -> soll

Schuldspruch, Maßregeln, Rechtsmittel -> nein

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Verständigung im Strafverfahren

Regelungsinhalte:

§ 257 c StPO

Abs. 3: Zustandekommen

Abs. 4: Bindungswirkung

Problem: Fernwirkung des Verwertungsverbots?

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Verständigung im Strafverfahren

Regelungsinhalte:

§ 273 I a StPO

-> Protokollierung

-> Negativattest (§ 273 I a 3 StPO)

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Verständigung im Strafverfahren

Regelungsinhalte:

§ 267 III 5 StPO

-> Urteilsgründe

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Verständigung im Strafverfahren

Regelungsinhalte:

§ 302 I 2 StPO

-> kein Rechtsmittelverzicht

-> Belehrung (§ 35 a S. 2 StPO)

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Vielen Dank für Ihre

Aufmerksamkeit!

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