taste! spotlight #9: das bessere ich!
Post on 13-Apr-2017
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taste! Spotlight #9: Das bessere Ich.
Über den Trend zur Selbstoptimierung und dessen Auswirkungen auf Werte, Lebenswandel und Markenwahl der Deutschen.
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Schon seit Längerem lässt sich beobachten, dass ein Teil der Gesellschaft immer extremer nach
Perfektion strebt – und zwar in allen Lebensbereichen. Dabei steht die Kreation des
(vermeintlich) makellosen Ichs im Mittelpunkt allen Handelns und das Erreichte wird in den
sozialen Medien detailliert dokumentiert, stolz präsentiert und heiß diskutiert.
Fakt ist: der Begriff Selbstoptimierung ist aktuell in aller Munde, dabei wussten laut der GfK im
September 2014 gerade mal 39% der Deutschen etwas damit anzufangen.
Was ist also in der Zwischenzeit passiert? Wieso nehmen die Deutschen es plötzlich mit der
Perfektion so genau? Und welchen Einfluss hat dieser Trend auf den Lebenswandel der
Deutschen? Eine Spurensuche.
Gesünder, schlanker, fitter.
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Was bedeutet Selbstoptimierung?
Unter dem Begriff Selbstoptimierung
versteht man die Verbesserung des aktuellen
Zustands bzw. das Streben nach
größtmöglicher Perfektion oder
Vollkommenheit des eigenen Ichs unter
gegebenen Voraus- und Zielsetzungen.
Auf dem Weg zum tolleren Ich.
Selbstoptimierung ist ein ambivalenter Begriff: es geht um Leistungszuwachs, aber auch um Selbstfindung.
Quelle: GfK Verein, Studie „Das optimierte Selbst“, September 2014
Neben dem Thema
Work-Life-Balance sehen die
Deutschen vor allem in
Bezug auf den Körper, die
Gesundheit und ihre Fitness
einen Selbstoptimierungs-
bedarf!
Die Auswirkungen der Selbstoptimierung beschäftigen Mediziner und Philosophen genauso wie Zukunftsforscher.
Quelle: Neue Zürcher Zeitung und www.treibstoff.de
Giovanni Maio, Arzt, Philosoph, Professor der Medizinethik
„Unsere Gesellschaft will Sieger sehen und duldet keine Schwäche. Wir suchen unablässig nach Anerkennung im Außen.
Es geht nur um die Fassade.“
„Immer mehr Menschen verbinden Gesundheit längst nicht mehr nur mit Abwesenheit von Krankheit, sondern auch mit persönlichem
Wohlbefinden, Fitness, Leistungsfähigkeit, Schönheit und Glück.“
Corinna Mühlhausen, Journalistin und Trendforscherin
Wen betrifft der Selbstoptimierungstrend?
Es gibt bislang kaum fundierte Studien zu den sogenannten Selbstoptimierern, obwohl das Zielgruppenpotenzial groß ist.
Quelle: best for planning 2015
Grundgesamtheit = deutschsprachige Wohnbevölkerung ab 14 Jahren in Deutschland
Selbstoptimierer = 13% der Bevölkerung
Extreme Selbstoptimierer= 0,6 % der Bevölkerung 0,39 Mio. 9,38 Mio. 69,24 Mio.
• Sie haben ehrgeizige Pläne und Ziele, wollen im Leben weiterkommen
• Sie sind diszipliniert und pflichtbewusst
• Sie glauben, dass man durch Anstrengung auch etwas erreichen kann
• Es ist ihnen wichtig, etwas für ihr körperliches und seelisches Wohlbefinden zu tun
• Sie haben eine hohe Affinität zu den Themen Sport und Ernährung
• Sie möchten an dem teilhaben, was im Internet passiert und nutzen Soziale Netzwerke, sowie Fitness- und Ernährungs-Apps überdurchschnittlich häufig.
Was die Zielgruppe der Selbstoptimierer eint:
Quelle: best for planning 2015
Die Zielgruppe: Soziodemographie
Selbstoptimierer Extreme
Selbstoptimierer
Tendenziell Männer & Frauen
(57,6 % männl., 42,4% weibl.)
22 Jahre Durchschnittsalter
9,38 Mio. Zielgruppenotenzial
0,39 Mio. Zielgruppenotenzial
27 Jahre Durchschnittsalter
Schwerpunkt Männer
(75,7 %)
Quelle: b4p 2015
Ein Leben rundum
Fitness, Food und Follower.
Internet & Social Media
54,6 % verbringen
viel und gerne Zeit in
den sozialen Netzwerken
75,2 % ist es
wichtig, etwas für
ihre Gesundheit
zu tun
29,1 % lassen sich
beim Kochen vom
Internet inspirieren
34,5 % gehören zu
den ernährungs-bewussten
Bio-Liebhabern
Überwiegende App-Nutzung: Gesundheit & Fitness, Sport, Social Media
20 % joggen oder
walken regelmäßig
27 % fahren
regelmäßig Rad
Fitnessstudios: werden vergleichsweise wenig besucht (13%)
Quelle: b4p 2015
Selbstoptimierer sind glücklicher, gesünder und sich ihrer selbst bewusst.
Florian Schumacher, Gründer der Quantified-Self Bewegung
„Wenn sie also joggen gehen und eine App verwenden und das Smartphone ihnen anzeigt, wie weit sie schon gelaufen sind, dann macht sie das einfach
glücklicher, als einfach nur so zu laufen.“
„Mehr und besser arbeiten, gesünder sein und glücklicher, eine gute Beziehung führen und die Zeit besser verbringen.
Kurz: Ich will mir bewusst sein, wie ich lebe.“
Brian Fabian Crain, Selbstoptimierer
"Ich bin eine Top-Kandidatin für permanente Selbstoptimierung. In der Schule habe ich es gelernt und war als Wettbewerbstierchen ziemlich gut darin.“
Jasmin, Buchautorin „Healthy Habits“
Männer und Frauen sind grundverschieden. Das gilt auch in Sachen Selbstoptimierung.
Frauen suchen eher den Wettbewerb mit sich selbst: „Schaut her, ich habe meinen Schweinehund besiegt und meine Ziele erreicht.“
Hauptbereiche: Fitness, Ernährung, Wohlbefinden
Es geht darum ! schlanker ! fitter ! besser in Form ! schöner ! ausgeglichener zu sein.
Männer suchen eher den Wettbewerb mit anderen:
„Schaut her, ich bin erfolg- reicher / schneller / stärker /
fitter als XY.“
Hauptbereiche: Job, Fitness
Hohe App & Tracking-Affinität!
Es geht darum ! erfolgreicher
! stärker ! schneller ! besser in Form
zu sein.
Wie und wo wird die Selbstoptimierung in der Praxis gelebt?
77
48 47
32
Selbstoptimierung spielt neben dem Berufsleben mit 77%
vor allem in den Bereichen Gesundheit (48%), Sport &
Fitness (47%) und Ernährung (32%) eine wichtige Rolle.
Während früher der gesundheitliche Aspekt und die eigene
Lebenszeit dem „Schicksal“ oder den „Genen“
zugeschrieben wurden, wächst heutzutage zunehmend die
Einstellung, dass der persönliche Erfolg bzw. Misserfolg in
den eigenen Händen liegt.
Auch das wachsende Bewusstsein und Wissen über
Lebensmittel und deren Wirkungen auf Geist & Körper
machen Ernährung zu einem optimierbaren Dauerprojekt.
Die Selbstoptimierung hält in vielen relevanten Lebens-bereichen Einzug.
Quelle: GfK Verein, Studie „Das optimierte Selbst“, September 2014
Mit welchen Lebensbereichen verbinden Sie Selbstoptimierung?
Beitragszahlen zu verschiedenen Hashtags
aus der „Selbstoptimierungswelt“
verdeutlichen die Tragweite der Thematik.
#foodporn generierte fast 90 Mio. Beiträge.
Unter diesem Hashtag werden „lediglich“
Bilder mit schön inszenierten Gerichten &
Mahlzeiten gepostet und diskutiert.
Aber auch unter den fitnessorientierten
Hashtags – wie #healthyhabits oder
#youcandoit – generieren Instagramer
Beiträge, die in die Millionen gehen.
Der kommunikative Austausch auf Instagram & Co. ist ebenso entscheidend, wie die Selbstoptimierung selbst.
Abonnentenzahlen von 18.000 Followern
sind keine Seltenheit.
Immer größer werdende Beitrags- und
Followerzahlen lassen sich auf Instagram
und anderen Netzwerken verzeichnen.
Der Mensch macht sich selbst zu seinem
Projekt, holt sich Inspiration aus fernen
Ländern und Kulturen (Yoga, Ayurveda,
Pilates usw.) und inspiriert wiederum Andere.
Gesundheit & Wohlbefinden sind eine treibende Kraft in der Selbstoptimierungsszene.
Sport- und Fitnessthemen generieren in den
sozialen Netzwerken mit die größten
Beitrags- und Followerzahlen.
Instagram, als foto- & videobasierte
Plattform, bietet eine perfekte Bühne für
gegenseitige Motivation, Selbstdarstellung
und Anerkennung.
Bedürfnisse die im realen Leben eine immer
größere Rolle einnehmen, werden durch die
sozialen Netzwerke verstärkt.
Instagram & Co. befeuern die sportliche Aktivität in der „realen Welt“.
Die reine Nahrungsaufnahme durch
Lebensmittel ist Geschichte. Heute geht es
um die Darstellung eigener Werte, Vorlieben
und der eigenen Kreativität.
Die User glauben ihre Individualität
auszudrücken – und realisieren selten, dass
sie immer austauschbarer werden.
Food-Posts wecken Gelüste, inspirieren und sind Ausdruck von Individualität.
Zeit ist in unserer Gesellschaft ein
kostbares Gut, daher ist es für viele
Blogger und Instagramer das
Hauptargument ihren Followern zu zeigen,
dass man auch mit wenig Zeit viel
erreichen kann.
Doch: Auch Instagramer brauchen mal
„offline“-Zeit. Immer häufiger finden sich
Posts, die voller Rechtfertigung und
Entschuldigung auf ein „nicht so schönes“
Foto Bezug nehmen.
Aber: Die Pflege eines Instagram-Accounts kostet auch Zeit!
Woher kommt der Trend und was gibt er den Menschen?
Die Anforderungen von Außen haben sich geändert – für Frauen wie auch für Männer.
Partnerschaft Äußere Attrakt iv i tät Jobchancen
Chancengleichheit Karr iere Mutter- / Vaterrol le
Kinderbetreuung Schönheitsideale
Hinzu kommt: Werte und Wünsche haben sich weiterentwickelt.
1950 1960
1970 1980
1990 2000
2010 2016
Pfl ich takzeptanz
Sta tus Bes i tz
F re ihe i t Se lbs tverw i rk l i chung
Genuss Ind iv idua l i s ie rung
Mu l t i - Opt iona l i tä t
Re-Ground ing Neuor ien t ie rung
Quelle: anglehnt an www.sinus-institut.de
- Angst vor Haltlosigkeit („Ich weiß nicht genug.“)
- Angst vor Wertlosigkeit („Ich bin nicht attraktiv / schlank / muskulös / schön genug.“)
- Angst vor Unzulänglichkeit („Ich bin schlechter als andere.“)
- Angst vor Kontrollverlust („Ich bin nicht perfekt genug, um mein Glück zu halten.“)
- Angst vor Sinnlosigkeit („Ich finde keinen Sinn in meinem Tun.“)
Die Folge: steigende Erwartungen und Multioptionalität haben die Menschen überfordert. So sind Ängste entstanden.
Quelle: Monika Mahr „Gesellschaftlicher Wandel durch individuelle Transformation“
Heute suchen die Menschen Wege, um ihre Ängste in den Griff zu kriegen. Ein Ansatzpunkt für viele: Selbstoptimierung.
Quelle: Monika Mahr „Gesellschaftlicher Wandel durch individuelle Transformation“ und www.treibstoff.de
Monika Mahr, Autorin von „Gesellschaftlicher Wandel durch individuelle Transformation“
„Wenn sich Menschen von ihren Ängsten ablenken wollen, wenden sie sich gern Ideologien der Selbstoptimierung zu, denn sie
versprechen Lösungen durch den Einsatz von Willenskraft.“
„Sich selbst zu messen kann motivieren. Denn Erfolge spornen an und machen glücklich. (...) Selbstoptimierung kann uns auch zu
Selbstdisziplin erziehen. Das hilft (...) uns in der heutigen Überfülle der Angebote zu kontrollieren und zu strukturieren.“
Corinna Mühlhausen, Journalistin und Trendforscherin
Experten warnen jedoch vor den extremen Auswirkungen, die der Selbstoptimierungstrend annehmen kann.
Quelle: Neue Zürcher Zeitung und www.treibstoff.de
Giovanni Maio, Arzt, Philosoph, Professor der Medizinethik
„Man verbringt seine Zeit damit, den Körper zu maximieren, und vergisst dabei zu leben. (...) der Körper wird nach
Normkriterien modelliert. Dabei geht es nicht um Ästhetik, sondern um den Körper als Symbol der Produktivität.“
Es wird „suggeriert, dass nicht Talent oder Glück entscheidend“ ist – „sondern einzig der Wille.“
„Das Problem: Wenn alle sich perfektionieren, erreicht keiner mehr sein Ziel – nämlich aus der Masse
herauszuragen.“
Klaus Werle, Autor „Die Perfektionierer“
Übereifrige Selbstoptimierer kommen schnell zu dem Schluss: nur wenn ich perfekt bin, darf ich glücklich sein.
Quelle: Monika Mahr „Gesellschaftlicher Wandel durch individuelle Transformation“
Monika Mahr, Autorin von „Gesellschaftlicher Wandel durch individuelle Transformation“
Die Gesellschaft suggeriert uns: „Nur wer optimal fit, schön, leistungsstark und anpassungsfähig ist, kann glücklich
werden.“ aber:
„Weil die Aufmerksamkeit stets auf einen Mangel gerichtet ist, der scheinbar erst behoben werden muss,
ehe man für das Glück „reif“ ist, bleibt für das Glück selbst keine Aufmerksamkeit mehr übrig.“
In der Folge entsteht ein Teufelskreis aus unkontrollierbaren Ansprüchen gegenüber sich selbst und der Welt.
Ängste und Orientierungs
losigkeit
Wunsch nach Sicherheit / Geborgenheit / Zugehörigkeit / Bestätigung / Anerkennung / Besonderheit
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Wunsch zur Selbst-
optimierung
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Sinnsuche
Gefühl von Sicherheit
und Fortschritt
Sturz ins Bodenlose
Erkenntnis, dass Selbstoptimierung nicht zum gewünschten Ziel führt
Bewusstwerden
Stre
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Wie
derke
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enheit / sc
hle
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m
Gew
issen / Ä
ngste
n / O
rientie
rungslo
sigke
it
Wie stehen Experten zum Selbstoptimierungstrend?
Wir haben uns mal umgehört ...
Username: fitnhangry
Followerzahl: 2.061
Schwerpunkt: Fitness & Food
Beruf: Account Managerin
Unsere Instagram-Experten:
Username: thepatrickbuchinger
Followerzahl: 615
Schwerpunkt: Fitness
Beruf: Fitness Coach
Username: annekaffeekanne
Followerzahl: 23.800
Schwerpunkt: Food
Beruf: Rechtsreferendarin
Anne Patrick Antje
2_Titelfolie
Fazit:
Selbstoptimierung ist kein Nischenthema!
Unter dem Motto „Sei deines eigenen Glückes Schmied“ findet eine Neuorientierung innerhalb unserer Gesellschaft statt.
Die entsprechende Zielgruppe ist sowohl männlich als auch weiblich.
Zeit ist der wichtigste Faktor: Einerseits deren effiziente Nutzung, andererseits als Komponente im Umgang mit den sozialen Medien.
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