theorie & praxis: mbs-ratings gefälligkeits- aaas
Post on 10-Feb-2022
1 Views
Preview:
TRANSCRIPT
Gerüchte gab es schon lange
im Markt, nachdem sich die
„AAAs“ vieler Mortgage
Backed Securities (MBS) im
Zuge der US-Immobilienkrise in Rauch
auflösten. Die „Großen Drei“ S&P, Moo-
dy’s und Fitch hätten nicht sauber gearbei-
tet, seien unheilige Allianzen mit den Struk-
turierern in den Investmentbanken einge-
gangen, hätten den großen
Playern eine Vorzugsbe-
handlung eingeräumt, ge-
meinsam diesen Topra-
tings suchenden Kunden
so lange am Collateral her-
umgeschraubt, bis die Rea-
lität der Modellwirklich-
keit entsprach und bei der
Erstellung von Gefällig-
keitsgutachten dann in der
Erwartung von noch mehr Geschäft bombig
verdient. Es sollte also sowohl im Interesse
der Agenturen selbst, die strafrechtliche
Vorwürfe immer bestritten haben, als auch
ihrer Kritiker sein, die Anwürfe wissen-
schaftlich zu untersuchen. Klarheit ist ge-
fragt, ob hier die AAA-Erteilung einen ob-
jektiv nicht zu rechtfertigenden Bias
in Richtung großer Kunden zeigte.
Neben den gerupften Investoren
trat auch immer stärker die Politik
als Kritiker auf den Plan, die jenen,
die sich im Vertrauen auf AAA-Ra-
tings den Bauch mit MBS vollge-
stopft hatten, mit Milliardenbeträgen
unter die Arme greifen musste, um
einen Kollaps des Finanzsystems zu
verhindern. Dabei muss man aber im
Auge behalten, dass eine Diskre -
ditierung der Ratingagenturen den
Regierenden der westlichen Welt ge-
rade recht käme, sind sie doch selbst
aufgrund hoher Staatsverschuldungs-
levels, gepaart mit schwachem
Wachstum, mit Herabstufungen der
Staatsbonitäten konfrontiert. Ein
Nachweis unsauberen Arbeitens bei
der Beurteilung verbriefter Immobi-
lienkredite durch Interessenkonflikte könnte
Entlastungsangriffe der unter Druck stehen-
den Politik provozieren.
Im Juli 2011 war es dann so weit: Die
drei Autoren Jie He von der Universität von
Georgia, Jun „QJ“ Qian und Philip Strahan,
beide vom Boston College, wobei Letzterer
auch noch für das National Bureau of Eco-
nomic Research (NBER) tätig ist, traten mit
den Ergebnissen ihrer Untersuchung an die
Öffentlichkeit. Sie untersuchten mithilfe
von Regressionsanalysen, ob zwischen dem
Marktanteil eines privaten Emittenten einer-
seits und der Kurshistorie, der Startrendite
von MBS und dem Ratingurteil der Big
Three in den Jahren 2000 bis 2006 als er-
klärenden Variablen andererseits ein statis -
tisch signifikanter Zusammenhang bestand.
Die Untersuchung bezog sich also nur auf
Emittenten des privaten Sektors, GME-
(Government Sponsored Enterprises)-Emis-
sionen der Regierungsagenturen wie Ginnie
Mae, Fannie Mae und Freddie Mac blieben
außen vor. Die Wissenschaftler konnten auf
Informationen zu den einzelnen Tranchen
wie Größe der Emission, gewichtete durch-
schnittliche Laufzeit, geografische Vertei-
lung der der Struktur zugrundeliegenden
Hypotheken, aber auch die Charakteristika
der Emittenten (Emissionstyp, Rating zum
Ausgabedatum) zugreifen. Ihre Tests basier-
ten auf den Unterschieden in den Quer-
schnittsanalysen betreffend Tranchen
großer versus kleinerer Emittenten,
wobei dessen Größe durch den
Marktanteil des Jahres vor der Aus-
gabe (Timelag also ein Jahr) be-
stimmt wird. Man differenzierte
auch nach den Boomjahren des Ver-
briefungsmarktes, da man erwartete,
dass in den Boomphasen die Diffe-
renzen zwischen großen und kleinen
Emittenten im Schnitt am größten
sein würden.
schwankender AAA-Anteil
Eingangs verglichen die Forscher
den AAA-Anteil eines Deals bei
großen und kleinen Emittenten. Ein
höherer Anteil mit Toprating an
einer solchen MBS-Struktur impli-
ziert auch einen höheren Anteil der
84 No. 3/2011 | www.institutional-money.com
T h e o r i e & P r A x i s : mbs - rAT i n g s
Drei Forscher traten an, den Beweis zu führen, dass die großen Ratingagenturen bei der Vergabe ihrer
Topratings für Mortgage Backed Securities Großkunden ungerechtfertigterweise bevorzugt haben.
Gefälligkeits-AAAs?
Während bei kleineren Emittenten der Anteil der „AAA“-Tranchen amHöhepunkt des Emissionsexzesses von Mortgage Backed Securities deutlichsank, konnten die Big Player deren Anteil nicht zuletzt aufgrund ihrer Ver-handlungsmacht den Agenturen gegenüber hochhalten. Unter dem Begriff„Großemittenten“, „Big Player“ und anderen Synonymen sind jene des erstenDezils in der Verteilung der Marktanteile des betreffenden Emissionsjahrgangs,unter dem Begriff der kleineren Emittenten ist der Rest zu subsumieren.
Triple-A-Tranchen-Anteil an den MBS-DealsProzentsatz des Nennwertes der topgerateten Tranchen am gesamten
Transaktionsnennwert.
»Der Markt hatte offensichtlich das Risiko inflationierter Ratings bereits
über Renditespreads eingepreist.«Jie (Jack) He, PhD, Assistant Professor of Finance am Terry College of Business, University of Georgia
Fo
to
: ©
un
ive
rs
ity
oF
ge
or
gia
, g
mF
IM_3_2011_Rating_XXXkg 18.09.2011 17:47 Seite 84
Finanzierung des Deals oben in der
Hierarchie, was ein Mehr an Leve -
rage und damit Risiko über alle ande-
ren Tranchen eines Deals bedeutet.
2000 war der Medianwert der Finan-
zierung der AAA-Tranchen bei gro-
ßen und kleinen Emittenten noch sehr
ähnlich, nämlich bei ein wenig über
96 Prozent, mit dem Wachstum des
Hypotheken- und des MBS-Marktes
sank dieser Anteil aber in beiden
Gruppen. Noch wichtiger war aller-
dings die Beobachtung einer Diver-
genz beim Ausmaß der Nachrangig-
keit: Die Deals der großen Emittenten
wiesen einen höheren Triple-A-Anteil
auf als Emissionen kleinerer Emitten-
ten. Dieses Gap stieg über die Jahre
bis 2006 an, dem Jahr, als der Ver-
briefungswahnsinn seinen Höhepunkt
erreichte (siehe Grafik Triple-A-Tran -
chen-Anteil an den MBS-Deals“).
Eine Fülle von indizien
„Obwohl wir viele Kontrollvaria-
blen in die Rechnung einbezogen,
konnten wir nicht jeden Aspekt der
Qualität des Collaterals beobachten“,
sagt He. „Wenn große Emittenten auf-
geblasene Ratings erhielten, könnten
sie eher dazu tendiert haben, minder-
wertiges Collateral in der MBS-Struk-
tur zu platzieren“. Die Autoren vergli-
chen die Startrenditen der Tranchen großer
und kleiner Emittenten als Maß für die Ex-
ante-Kreditqualität in Abhängigkeit vom
Kreditrating. Dabei zeigte sich, dass
der Renditeaufschlag der Tranchen,
die von großen Emittenten verkauft
wurden, um zirka zehn Prozent über
jenem vergleichbarer Tranchen klei-
nerer Emittenten lag. Dieser Effekt
war bei AAA-gerateten und bei
schwächer eingestuften Tranchen
ähnlich, was ein Indiz dafür sein
könnte, dass die Investoren den Ra-
tings eine gehörige Portion Skepsis
entgegenbrachten – sogar in den Fäl-
len, in denen die Agenturen die Best-
note vergeben hatten. Die Transfor-
mation der Koeffizienten aus der
Analyse in Renditebasispunkte be-
deutet, dass bei einem durchschnitt-
lichen Ren dite spread von 147 Basis-
punkten die Extrarendite für
Tranchen großer Emittenten bei 15
Basispunkten liegt (siehe Grafik „Rendite-
spread bei MBS-Transaktionen“). Eine si-
gnifikante Differenz in den Renditespreads
fand sich in den Nichtboomjahren jedenfalls
nicht. Dieses übrigens sehr robuste Ergebnis
reflektiert die Tatsache, dass die Investoren
den Inter es senkonflikt in den Boom-
jahren sehr wohl erkannt haben
müssen, der zu Kompromissen im
Rating prozess geführt hatte, und sie
verlangten im Einklang mit diesem
Wissen einen höheren Discount im
Falle der Zeichnung von Tranchen
großer Emittenten.
ratingshoppen eingepreist
Interessant waren auch die Resul-
tate auf die Frage, wie der Markt
MBS-Tranchen preist. So führen
mehrere Ratings zu niedrigeren Ren-
diten. Beispielsweise haben Tranchen
abseits von AAA mit nur einem
Rating einen Renditespread, der
neun Prozent über jenem von den
Tranchen liegt, die von allen drei
Es gibt indizien dafür, dass die investoren den ratings eine gehörige Portion skepsis entgegenbrachten – sogar in denFällen, in denen die Agenturen die Bestnote vergeben hatten.
No. 3/2011 | www.institutional-money.com 85
T h e o r i e & P r A x i s : mbs - rAT i n g s
Die Entwicklung des medians der Renditespreads zum Start der Transak -tion zeigte über alle Tranchen (Qualitäten) das gleiche Bild: Große Emittentenzahlten im Schnitt über alle Emissionsjahrgänge 15 Basispunkte p.a. mehr.Nach 2003 setzte dann die Gier bei den Investoren ein und trieb die Spreadsgenerell im Heißhunger nach ein wenig Yield-Pick-up südwärts. Quelle: studie
Renditespread bei MBS-TransaktionenEmittenten des größenmäßigen Topdezils zahlten im Schnitt über alle
Tranchen 15 Basispunkte mehr Rendite.
IM_3_2011_Rating_XXXkg 18.09.2011 17:47 Seite 85
Agenturen begutachtet wurden. Solche mit
zwei Ratings zahlten vier Prozent mehr
Renditespread. Das „Shopping fort the best
Rating“ scheint daher eingepreist gewesen
zu sein, wenn Tranchen weniger als drei
Ratings besaßen. Konsistent mit diesen Er-
gebnissen fanden die Kapitalmarktforscher
auch heraus, dass im Falle von unterschied-
lichen Ratings ein- und derselben Tranche
die Uneinigkeit der Agenturen zehn Prozent
höhere Renditespreads brachte als im Fall
eines einheitlichen Ratingurteils.
Verhängnisvoller Juli 2004
Der Kreditratingprozess könnte
nicht nur durch die Tatsache, dass
die Ratings von den Emittenten be-
zahlt wurden, Verwerfungen ausge-
setzt gewesen sein, sondern auch
durch eine gewisse regulatorische
Arbitrage, mutmaßen die Autoren.
So konnten etwa Banken ihr Kapitalerfor-
dernis für Hypotheken reduzieren, wenn sie
diese, statt sie im Bankbuch zu halten, in
MBS-Strukturen verbrieften und dann diese
MBS im Handelsbuch hielten. Dazu kam
noch, dass im Juli 2004 der US-Bankregu-
lator Depositare von der FASB-Regel „Fin
46“ befreite, die eine Konsolidierung der
verbrieften Assets in der Bilanz vorsah. Die-
se Bestimmung war im Zuge der Aufarbei-
tung des Enron-Skandals eingeführt wor-
den. Somit konnten die Depositare ein
Schattenbankensystem mit Conduits schaf-
fen, die außerhalb der Bankbilanz langfris -
tige verbriefte Assets hielten und diese kurz-
fristig mit Asset Backed Commercial Papers
(ABCPs) refinanzierten. Damit wurde die
Kapitalunterlegung auf null reduziert, die
Risiken blieben bei den emittierenden Ban-
ken, die die Conduits mit Liquiditätsgaran-
tien versahen, um den ABCP-Verkauf zu er-
leichtern. Daraufhin gewann der ABCP-
Markt weiter an Fahrt, stieg doch das Volu-
men von 600 Milliarden im Juli 2004 auf
1,2 Billionen US-Dollar im Sommer 2007.
Die Forscher fanden heraus, dass MBS-
Emissionen, die nach der Entscheidung
vom Juli 2004 begeben wurden, im Schnitt
um 15 Prozent höhere Renditespreads lie-
ferten. Komplexere Deals wurden im AAA-
Bereich ebenfalls mit höheren Renditen
ausgestattet, die Hand in Hand mit der hö-
heren Anzahl an Tranchen ging. Zudem gab
es in den Jahren 2004 bis 2006 einen Trend
zu komplexeren Geschäften. Dies führte zu-
sammen mit regulatorischer Arbitrage zu
Verzerrungen im Ratingprozess und in den
Märkten. Wenn man nun diese beiden Ef-
fekte in den Analysen einer Kontrolle unter-
zieht, ändert das weder an der Größe noch
an der Signifikanz der Auswirkungen der
Emittentengröße auf Renditespreads etwas.
Zu guter Letzt untersuchten die Forscher
die Ex-post-Performance der MBS, indem
man die Kursveränderungen zwischen der
Generierung (Origination) der MBS und
April 2009 verglich (siehe Grafik „Monat-
liche Kurscharts über alle privat generier-
ten MBS-Tranchen“). Dabei zeigte sich,
dass sowohl die AAA- als auch die schlech-
teren Tranchen der großen Emittenten in
den Boomjahren schlechter performten als
jene der kleinen. Während des Booms san-
ken die Preise der MBS-Tranchen großer
Emittenten um zirka zehn Prozent stärker
als jene der kleinen. Weiter fand die Troika
heraus, dass die Preisveränderungen sich
leicht abschwächen, wenn man eine Kon-
trolle der Startrenditen einführt, was den
Schluss nahelegt, dass die Märkte rationale
Befürchtungen bezüglich des Ratingprozes-
ses in das Ex-ante-Pricing einfließen ließen.
Erdrückende beweislage
Bei Durchsicht der Ergebnisse fällt auf,
dass die Frage, ob ein Interessenkonflikt
MBS-Ratings beeinflusst hat, wohl mit Ja
zu beantworten ist. Die geschilderte Indi-
zienlage scheint zu erdrückend. Analysemo-
delle, die die Agenturen zur Ratingermitt-
lung bei MB herangezogen hatten, waren
fehlerhaft. Viele erfahrene Investoren und
86 No. 3/2011 | www.institutional-money.com
T h e o r i e & P r A x i s : mbs - rAT i n g s
»Die Kurse der MBS großer Originatoren sanken stärker als jene der kleineren.«
Jun „QJ“ Qian, Associate Professor an der Carroll school of Management, Boston College
Fo
to
: ©
Ca
rr
oll s
Ch
oo
l o
F m
an
ag
em
en
t,
Bo
st
on
Co
lle
ge
Während sich die Kurse der in den Anfangsjahren bis inkl. 2003 begebenen Mortgage Backed Securities, die von kleinen und großen Emittenten als Originator generiert wurden, im Absturznoch ähnlich verhielten, wird das Qualitätsproblem – besonders bei den Emissionen großer Emittenten – in der Kohorte der Jahrgänge 2004 bis 2006 manifest. Hier schmieren alle früher ab,die von Dickschiffen begebenen Tranchen noch dazu wesentlich kräftiger. Dies sind Indizien für die Marktmacht und Shopping des besten Ratings durch die Big Player der Verbriefungen. Nichtenthalten in der Untersuchung sind MBS-Emissionen der Government-Sponsored Enterprises (GMEs), also der Regierungsagenturen wie Ginnie Mae, Fannie Mae und Freddie Mac.
Monatliche Kurscharts über alle privat generierten MBS-TranchenMedianwerte der Emissionsjahrgänge 2000 bis 2003 und 2004 bis 2006 im Vergleich
IM_3_2011_Rating_XXXkg 18.09.2011 17:47 Seite 86
Verantwortliche für das Regelwerk unter-
schätzten das Ausfallrisiko im Hypotheken-
markt systematisch, insbesondere auch im
Hinblick auf Korrelationsannahmen betref-
fend die einzelnen regionalen Immobilien-
märkte. Die Annahme, dass diese simultan
fallen könnten, hatte man nicht ausreichend
gewichtet auf der Rechnung.
Als Quintessenz ergibt sich, dass jeden-
falls die Fehler systematisch mit der Größe
des Emittenten und den Marktbedingungen
korreliert waren. Alle drei Agenturen waren
optimistischer für Papiere, die große Emit-
tenten im Boom anboten. Aus dem großen
untersuchten Sample von MBS-Tranchen
lässt sich ableiten, dass die Deals der Groß -
emittenten aggressiver strukturiert waren,
sodass ein größerer Anteil als „AAA“ am
Markt untergebracht werden konnte. Dieses
Muster lässt vermuten, dass die Königsklas-
se der Emittenten ihre Verhandlungsmacht
gegenüber den Agenturen voll ausgespielt
hat. Investoren hatten aber ein Sensorium,
das sie höhere Renditen für komplexe Deals
solch großer Adressen verlangen ließ, je-
doch erwiesen sich diese in der Ex-post-
Betrachtung als zu niedrig, um für heftige
Zusatzrisiken zu entschädigen.
Schlussendlich formulieren die Autoren,
ihre Arbeit lasse auf eine robuste Beziehung
zwischen der Emittentengröße und den Kur-
sen der MBS, abhängig von Ratings, schlie-
ßen, wobei Interessenkonflikte zwischen je-
nen, die für die Ratings bezahlten (Emitten-
ten) und jenen, die sie konsumierten (Inves -
toren), diese Beziehung erklären dürfte. An
den Aufsichten wird es liegen, Regulie-
rungs-Arbitrage in Hinkunft auszuschließen.
Man sollte zudem Marktanteile der Emit-
tenten beschränken, um deren Verhand-
lungsmacht zu limitieren. Die Investoren
von morgen würden es danken.
88 No. 3/2011 | www.institutional-money.com
T h e o r i e & P r A x i s : mbs - rAT i n g s
Von der Universität zur New Yorker Federal Reserve und wieder zurück
Koautor Strahan verfügt nicht nurüber eine akademische Karriere alsInhaber des Lehrstuhls für Finanzen
an der Carroll School of Management amBoston College, sondern war auch achtJahre lang als Research Economist an derNew Yorker Fed tätig. Zudem ist er Re-search Associate am National Bureau ofEconomic Research (NBER). Ihre Studie hat mächtig Staub aufge-
wirbelt. Was waren die Reaktionen auf
Ihre Arbeit?
Philip strahan: Unser Papier hat eine MengeInteresse der Akademiker auf sich gezo-gen, auch in der Finanzpresse gab es einige Resonanz.
Haben die großen Ratingagenturen
auf Ihr Paper reagiert?
Philip strahan: Ja, es gab Diskussionen mitden Researchern der Ratingagenturen. Sieschienen Interesse daran zu haben, ausden Fehlern der Vergangenheit im MBS-Umfeld zu lernen, um Ähnliches in Zukunftzu vermeiden.
Glauben Sie, dass Ihre Erkenntnisse
den Gesetzgebungsprozess in Richtung
strengerer Regeln für Ratingagenturen
beeinflussen werden? Denken Sie,
dass es eine gute Idee ist, dass das
neue Regelwerk für Banken (Basel III)
und Versicherungen in Europa (Solv -
ency II) stark auf Ratings abstellt?
Philip strahan: Wahrscheinlich würde eseiner seits Sinn machen, sich von Rege -lungen wegzubewegen, die zu starr an
Kreditratings orientiert sind, da solche Vor-schriften den Konflikt innerhalb der Rating-häuser nur verschlimmern. Das würde die
Inte grität der Bonitätsbeurteilungen verrin-gern und den Informationsgehalt der Ratings. Zusätzlich könnte es ein „Race tothe Bottom“, also einen Abwärtswettlaufbei der Jagd nach den geringsten Anfor-derungen für eine Bonitätsnote, geben.Andererseits ist es sehr schwer vorstellbar,einen kosteneffizienten Weg unter Verzichtauf Ratings als Grundlage für die risiko-basierten Kapi talunterlegungsvorschriftenfür den Finanzsektor zu finden.
Sollte man an der Art der Vergütung
für Ratings etwas ändern – dass etwa
nicht der Geratete bezahlt, um Interes-
senkonflikte auszuschließen?
Philip strahan: Es ist wert, festgehalten zuwerden, dass die Kompromittierung derQualität der Ratings bei MBS hauptsäch-lich während des Booms zwischen 2004und 2006 einsetzte. Wir interpretieren diesim Übrigen so, dass der Markt hier bereitsVerdachtsmomente wegen potenzieller In -
ter essenkonflikte der Ratingagenturen heg-te und höhere Spreads verlangte. Dem Issuer-Pay-Modell ist zugute zu halten,
dass es seit vielen Jahren am Sektor derUnternehmensanleihen gut funktioniert.Daher sollte man mit Vorsicht an Maßnah-men bezüglich eines besseren Monitoringsder Agenturen im Lichte von Interessen -kon flikten herangehen. Vielleicht sollte sichdie intensivere Überwachung vor allemauf Phasen konzentrieren, in denen Märk-te heißlaufen und die Verdienstmöglichkei-ten der Agenturen stark steigen.
Sollte die Gelegenheit nicht genutzt
werden, alternative Entlohnungsmo-
delle zu befördern?
Philip strahan: In Ansätzen gibt es so etwasschon, mir fällt hier zumindest eine Rating-agentur in den Vereinigten Staaten ein,nämlich Egan-Jones, die nicht nach demIssuer-Pay-Modell vorgeht. Laut deren Ge-bührenmodell zahlen die Investoren fürunabhängiges Research und Ratings.
Vielen Dank für das Gespräch.
Studien-Koautor Philip Strahan im Kurz-Talk
»Die MBS-Jahrgänge 2000 bis 2003 zeigten bessere Qualität
als in den Folgejahren.«Philip E. strahan, John L. Collins Chair in Finance
an der Carroll school of Management, Boston College
Fo
to
: ©
Ca
rr
oll s
Ch
oo
l o
F m
an
ag
em
en
t,
Bo
st
on
Co
lle
ge
IM_3_2011_Rating_XXXkg 18.09.2011 17:47 Seite 88
top related