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„Traumatische Querschnittlähmung: Der verletzte Mensch zwischen versicherungstechnischem „Total-schaden“, medizinisch-technischen Möglichkeiten und tatsächlichen Bedürfnissen“

Antrittsvorlesung von Prof. Dr. med. Robert Flieger

Querschnittlähmung

Aus einer Schädigung des

Rückenmarksquerschnitts

resultierendes Lähmungsbild

mit Ausfall

• motorischer,

• sensibler und

• vegetativer Funktionen

„Wundenbuch“ des Imhotep (ca. 1550 v. Chr., Papyrus Edwin Smith)

Fall Nr. 33 (11,9 – 11,17) Heilkunde für eine Quetschung (= Kompressionsfraktur) an einem Wirbel seines Nackens:

Wenn Du untersuchst einen Mann mit einer Quetschung an einem Wirbel {11, 10} seines Nackens, Du findest ihn, indem gefallen ist ein Wirbel in seinen zweiten. Außerdem ist er bewusstlos, nicht spricht {11, 11} er (mehr). Es ist sein Fall mit dem Kopf nach unten, der verursacht hat das Zerquetschen des Wirbels an seinem zweiten, und Du findest (ihn), {11, 12} indem er nicht mächtig ist seiner beiden Arme und seiner beiden Beine deswegen.Dann musst Du sagen dazu: Einer mit einer Quetschung an einem Wirbel seines Nackens, {11, 13} nicht ist er mächtig seiner beiden Arme und seiner beiden Beine, er ist bewusstlos; eine Krankheit, die man nicht behandeln kann.

1884: Errichtung

der Gesetzlichen Unfallversicherung

in Deutschlandim Rahmen der Bismarck‘schen

Sozialgesetzgebung

Lebensbegrenzend für den Querschnitt-gelähmten waren seinerzeit• Atemstörung bis hin zur völligen Atemlähmung

• Harnblasenfunktionsstörung mit Folge des Nierenversagens

• Darmfunktionsstörung mit Folge des Darmverschlusses

• Druckgeschwüre (Dekubitus) mit Folge der Sepsis

• Begleitverletzungen der traumatischen Querschnittlähmung wie z. B. offene Extremitätenfrakturen

• allgemeine Komplikationen wie Thrombose, Lungenembolie etc.

• Patienten wurden wegen des absehbaren Todes zumeist separat in Kliniken untergebracht und nur minimal versorgt, da ein wie auch immer gearteter Behandlungserfolg nicht erwartet wurde

Ludwig Guttmann* 03.07.1899 † 18.03.1980

1924 – 1939 Breslau1943 – 1967 Stoke Mandeville Hospital, Aylesbury, GB

Comprehensive Care• Ärzte (Chirurgen, Orthopäden, Urologen)

• Pflege

• Physiotherapeuten

• Ergotherapeuten

• Psychologen

• Sozialarbeiter

• Orthopädietechniker

• Sportlehrer bzw. -Therapeuten

Stand der Querschnittgelähmtenbehandlung durch die Arbeit von GUTTMANN ab 1943 bis 1960er Jahre• der eigentliche Strukturschaden am Rückenmark ist nach wie vor nicht

heilbar, Behandlungsziel ist die Kompensation der hierdurch bedingten Funktionsausfälle

• Aufhebung der „Isolierung“ der betroffenen Patienten

• konservative Behandlung der Wirbelsäulenverletzung

• Abwendung des Nierenversagens durch Blasenkatheterismus

• Abwendung des Darmverschlusses durch „bowel program“

• standardisierte Lagerung zur Dekubitusprophylaxe und spezifische Therapie

• Mobilisierung und Aktivierung der Patienten durch das ganze Therapieteam gemäß „comprehensive care“ unter Einbeziehung des sportlichen Wettbewerbs; ggf. berufliche Eingliederung

Derzeitiger Stand der Behandlung Querschnittgelähmter (bis 2014)• der Strukturschaden am Rückenmark ist weiterhin nicht heilbar,

Behandlungsziel ist immer noch die Kompensation der hierdurch bedingten Funktionsausfälle

• operative Behandlung der Wirbelsäulenverletzung mit weitestgehender Wiederherstellung von Form und Funktion

• Weiterentwicklung der Hilfsmittel zur Dekubitusprophylaxe und der spezifische Therapien, insb. Operationen

• Verbesserung der Mobilität und Aktivität der Betroffenen durch weiterentwickelte Hilfsmittel vom Spezialrollstuhl über das „Exoskelett“ bis zur EDV-gestützten Kommunikation und zu querschnittlähmungsspezifischen Sportgeräten und Sportarten

• urologischerseits ist die Problematik des Nierenversagens, der Kontinenz und sogar der Fortpflanzung weitgehend beherrscht

• Abwendung des Darmverschlusses durch „bowel program“

Probleme der Darmlähmung bei Querschnittlähmung:• Unkontrollierte Spontanentleerung (Hygieneproblem,

Hautschädigungsrisiko, soziale Ausgrenzung)

• verzögerte Stuhlpassage/-entleerung (Dickdarmverlängerung, Darmverschlussrisiko)

• typische Analerkrankungen (Fissuren, Abszesse, Fisteln, Hämorroiden usw.)

Darmmanagement (bowel program):Gewinn der Kontrolle über die Stuhlentleerung durch

• Aufrechterhaltung einer kontinuierlichen Passage, Vermeidung von Stuhlverhalt

• Einleitung der Stuhlentleerung unter kontrollierten Bedingungen zu einem selbst gewählten Zeitpunkt

Darmmanagement: Die RealitätEin Drittel der Betroffenen ist mit dem Abführregime unzufrieden, ein weiterer großer Teil „findet sich mit dem Unabänderlichen ab“. Beklagt werden:

• Inkontinenzzwischenfälle

• Dauer des Abführvorganges (bis 12 Std., bei zu frühem Abbruch „Nachkleckern“)

• Umstände des Abführens (Hilfe, Lagerung)

• vegetative Begleitreaktionen

Alternative ?

Colostomie ?

Fußball-WM 2014

https://www.youtube.com/watch?v=iC0LbBQunjY

2014 - Wird die Rückenmarkverletzung heilbar?

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