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BEGLEITFORSCHUNG LEBENSMITTELKLARHEIT.DE
Studienvorstellung anlässlich des Pressehintergrundgesprächs am 18.04.2012 in Berlin
Trends in der Lebensmittelvermarktung: Marketingtheoretische Einordnung praktischer Erscheinungsformen und verbraucherpolitische Bewertung
18.04.2012
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Dr. Anke Zühlsdorf
BEGLEITFORSCHUNG LEBENSMITTELKLARHEIT.DE
I. Ziele und Studiendesign
II. Studienergebnisse: Kurzdarstellung der wichtigsten Ergebnisse
III. Nachfragen
Agenda
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18.04.2012 Dr. Anke Zühlsdorf
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I. Ziele und Studiendesign
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18.04.2012 Dr. Anke Zühlsdorf
Die Studie wurde im Auftrag des Verbraucherzentrale Bundesverbandes e.V. im Rahmen des Projektes Lebensmittelklarheit, welches im Rahmen der Initiative „Klarheit und Wahrheit bei der Kennzeichnung und Aufmachung von Lebensmitteln“ durch das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz auf Grund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert wurde, erstellt.
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Das Internetportal lebensmittelklarheit.de wurde aufgrund des Unmutes von Verbrauchern ins Leben gerufen, die sich beim Lebensmittelkauf durch die Produktaufmachung oder Werbung über die ausgelobten Produkteigenschaften getäuscht fühlen.
Die vorliegende Studie systematisiert die praktischen Erscheinungsformen der Lebensmittelvermarktung und untersucht die Grauzone „unklarer“ Kommunikation aus marketingtheoretischer Perspektive.
Die Studie erklärt die Ursache von Konflikten und Mißverständnissen zwischen Anbietern und Nachfragern als Symptome eines Marktversagen im Qualitätswettbewerb.
Projekthintergrund und Studiendesign
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18.04.2012 Dr. Anke Zühlsdorf
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Lebensmittelvermarktung heute: Zwischen Vertrauens- und Aufmerksamkeitsökonomie
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Vertrauen Aufmerksamkeit
Glaubwürdigkeit, Eindeutigkeit und Verlässlichkeit von Qualitätsinformationen
Informationsökonomische Analyse: Funktionsfähigkeit des Qualitätswettbewerbs
Werbepsychologische Analyse: Gestaltungsanforderungen an Marktkommunikation
• Wahrnehmbarkeit und (Wieder-)Erkennbarkeit • Kreativität und Prägnanz von Werbung und Produktaufmachung
Dr. Anke Zühlsdorf
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II. Studienergebnisse: Kurzdarstellung der wichtigsten Ergebnisse
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Im Rahmen gesellschaftlicher Entwicklungsprozesse hat sich das Anforderungsprofil an Lebensmittel verändert und die Kommunikation in der Ernährungsbranche gewandelt.
Trendsegmente im Qualitätswettbewerb beziehen sich auf
einen veränderten Ernährungsalltag bei vielen Konsumenten (Zeitknappheit vs. Genuss)
soziodemographische Entwicklungen (Diversität)
das wachsende Bewusstsein für die gesundheitlichen (Gesundheit, Schlankheit und Wohlfühlen), sozialen und ökologischen Effekte (Nachhaltigkeit, Herkunft u. Transparenz) des Ernährungshandelns.
Diese grundsätzlichen Treiber (Megatrends) haben unterschiedliche Ausformungen im Markt (vgl. LM-Trendrad).
Trends bei der Vermarktung von Lebensmitteln
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LM-Trendrad: Kaufmotive jenseits des Preises
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LM-Konsum
Gesundheit
Schlankheit+ Wohlfühlen
Herkunft
Halal
Koscher Altersgerecht
Personalisiert
Vollkorn
Gluten-/ Lactosefrei
Functional Food Health Claims
Wellness
Slim Food
Diät Linien Zeitknapp-
heit
Diversität
Chilled Food
Fresh Casual
Convenience Food
Snacking
Nach-haltigkeit
Trans- parenz
Low Meat
Bio
Fairtrade
Animal Welfare
GVO-frei
CO2-Footprint
Short Labelling
Clean Labelling
Natural Food
Rückverfolgbarkeit
Genuss
Feinkost
Delikatessen
Sophisticated Consumption
Regionalität
Geschichte/ Authentizität
Handwerk
Bäuerliche Produkte
g.g.A./g.U.
Slow Food selber kochen
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Veggi
Ethno-Food
Variety Seeking
Food Trucks
Call Food
Designer Food
Mood Food
New Fusion
Trusted Food
Pleasure Food
Femal Shift
Fruits to go
MyFood
Social Dining
Food-Prosuming
DomesticFairtrade
Urban Gardening
•Vertrauens- und Prozess- eigenschaften werden für viele Verbraucher immer wichtiger. •Vermarktungsargumente, die auf Qualitätsmerkmalen basieren, die schwierig nachzuprüfen sind, nehmen im LM-Markt deutlich zu.
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Informationsökonomische Betrachtung der Qualitätskommunikation: Auf die Glaubwürdigkeit kommt es an
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Sucheigenschaften
• Eigenschaften durch Inspektion vor dem Kauf überprüfbar, z. B. Preis, Frische von Obst und Gemüse
• Setzt teilweise Produktwissen der Kunden voraus
• Suchindikatoren können technologisch relativ leicht manipuliert werden (z. B. durch Farbstoffe)
Erfahrungseigenschaften
• Beim Verbrauch zeigt sich die tatsächliche Qualität, z. B. Geschmack, Einfachheit der Zubereitung
• Verbraucher als "Prosument"
• Grenzen der sensorischen Fähigkeiten des Menschen
• Substitution von Qualitätselementen durch Zusatzstoffe und Technologien
Vertrauenseigenschaften
• Verborgene Eigen-schaften, die am Endprodukt noch nachgeprüft werden können
• Informationskosten einer Kontrolle der zugesicherten Eigenschaften für einzelne Käufer sind zu hoch, z. B. Schadstoff-gehalt von Lebensmitteln
• Drittinstitutionen können das Endprodukt prüfen
• Ergebnisse der Prüfungen müssen durch Medien kommuniziert werden
Potemkinsche Eigenschaften
• Prozessqualitäten, die am Endprodukt nicht mehr nachkontrolliert werden können, z. B. artgerechte Tierhaltung oder der Nachweis des ökologischen Anbaus, Herkunft, Fair Trade
• Label zur Kennzeichnung notwendig
• Überwachung durch Zertifizierungssysteme mit unabhängigen Kontrollen durch neutralen Prüfer (Zertifizierer) nötig
zunehmende Informationsasymmetrie
Dr. Anke Zühlsdorf
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Die Klarheit des Informationswettbewerbs (eindeutig und glaub-würdig) ist zentral für die Funktionsfähigkeit des Qualitätswettbewerbs im Lebensmittelmarkt.
Die Zukunftssegmente im Lebensmittelmarkt sind immer mehr durch Merkmale charakterisiert, die
sinnlich nicht wahrnehmbar sind,
bei denen lange Time-lags zwischen Konsum und erhoffter Wirkung bestehen und
beachtliche Preisdifferenzen zum Standardmarkt vorhanden sind.
Die Gefahr des Marktversagens ist angestiegen, da für Verbraucher die Überprüfung der ausgelobten Eigenschaften nur eingeschränkt bzw. gar nicht möglich ist.
Zwischenfazit I (Informationsökonomie)
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Der Lebensmittelmarkt ist durch hohe Informationskonkurrenz bei geringem Involvement der Nachfrager charakterisiert.
Notwendigkeit zur Informationsverdichtung und zur aufmerksamkeits-erzeugenden Gestaltung der Qualitätskommunikation z. B. durch
physisch starke,
emotional berührende oder
kognitiv überraschende Reize Beim Lebensmitteleinkauf werden viele Entscheidungen erst am Regal
getroffen. Die optische Aufmachung eines Produkt ist ein zentrales Instrument zur Aktivierung von Impulskäufen; die Produktvorderseite prägt die Wahrnehmung wesentlich (front-of-package labelling).
Lebensmittelvermarktung aus werbepsychologischer Sicht: Aufmerksamkeit zählt
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18.04.2012 Dr. Anke Zühlsdorf
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Große Vielfalt von Kommunikationsinhalten und Werbestilen. In den letzten Jahren sind rationale Nutzenkategorien wichtiger geworden und eine gemischte Positionierung mit emotionalen und informativen Elementen hat an Bedeutung gewonnen.
Emotionale Positionierungen knüpfen psychologisch häufig daran an, dass
die Ernährungsrealität heute bei vielen Verbrauchern vom gesellschaftlich anerkannten Ernährungsideal abweicht (z. B. bei Slice of life- und Lifestyle-Werbung) oder
angesichts zunehmender Entfremdung von der Nahrungsmittel-produktion das Wissen über die Lebensmittelproduktion abnimmt (Werbung mit idyllischen Produktionsszenarien).
Aufmerksamkeitserzeugende Signale: Bilder, Symbole, stereotype verbale Aussagen, Testimonials, Label
Kommunikationssinhalte bei der LM-Vermarktung
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02.03.2012 Dr. Anke Zühlsdorf
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Werbeszenario Produktversprechen Beispiele
Produktionsidylle Landwirtschaft
Abgrenzung gegenüber modernen landwirtschaftlichen Produktionsformen durch die Darstellung früherer, ursprünglicher ländlicher Erzeugerszenarien
Sicherheit und Vertrauen Heimat Regionale Authentizität Natürlichkeit Überlegener Geschmack
Bildliche Darstellung von Tieren auf der Weide Abbildung von Höfen und Landschaften Claims rund um den Begriff Heimat und Natur Regionale Bezüge Landwirte als Werbe-figuren
Produktionsidylle Ernährungs-industrie
Abgrenzung gegenüber einer industriellen Lebensmittel-produktion durch Bezüge auf Handwerkstraditionen und Traditionen der privaten Küche
Sicherheit und Vertrauen Natürlichkeit Produktkompetenz Wertigkeit („wie selbst zubereitet“)
Verweis auf das Gründungsjahr des Unternehmens Claims rund um die Begriffe Handwerk, Tradition, Natürlichkeit und frische Zutaten Darstellung von Köchen (häufig auch: internationaler Herkunft) bei der Arbeit in einer kleinen „Versuchsküche“
Produktionsidyllen als Kommunikationsmuster
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Qualität der verarbeiteten Zutaten (Ingredient Marketing): besonders hochwertige Rohstoffe (Sortenmarketing), ein regionaler Rohwarenbezug oder der Verzicht auf umstrittene Zutaten (Clean Labelling) wird ausgelobt.
Prozessqualität der Vorlieferanten: Bestimmte Verarbeitungsmerkmale der Vorlieferanten (z. B. Alpenmilch, Weidemilch, biologischer Landbau etc.) sollen für die Güte des Endproduktes stehen.
Qualität durch ein bestimmtes Herstellungsverfahren: In Abgrenzung zur industriellen Massenproduktion dient der Verweis auf die Art der Herstellung (z. B. handwerklich, handgeformt, native Pressung etc.) als Qualitätskriterium.
Große Interpretationsspielräume bei den mit den Themen Heimat, Tradition, Handwerk und Natur/Natürlichkeit assoziierten Begriffen
Idyllische Produktwelt schafft den emotionalen Rahmen für die Auslobung prozessorientierter Eigenschaften:
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Entwicklungsmodell der Lebensmittelvermarktung
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Die Marktkommunikation über Lebensmittel unterliegt den Restriktionen der Aufmerksamkeitsökonomie.
Mit dem Bedeutungszuwachs von Prozesseigenschaften in der Qualitätskommunikation hat der Anteil informativer Elemente im Kommunikationsauftritt zugenommen.
Zentrale Qualitätseigenschaften sind erklärungsbedürftig, gleichzeitig aber schwierig zu vermitteln.
Die kommunikativen Gestaltungsregeln können opportunistisches Anbieterverhalten und adverse Selektionsprozesse (Qualitätsdumping) verstärken.
Zunehmende Missverständnisse und Konflikte zwischen Anbietern und Nachfragern bei der Marktkommunikation sind Symptome eines Marktversagens im Qualitätswettbewerb.
Zwischenfazit II (Werbepsychologie)
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Beispiel Milch: Prozessmerkmal Grünlandwirtschaft
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Der zunehmende Grünlandumbruch in der LW gilt aus ökologischer Sicht als problematisch.
Anteile der Weidehaltung in der Landwirtschaft :
Milchviehbetriebe < 50 Kühe: 42%
Milchviehbetriebe 50-99 Kühe : 51%
Milchviehbetriebe >100 Kühe: 33 % (Quelle: Landwirtschaftszählung 2010)
Bei den kleinen Betrieben (oft im süddeutschen Raum)
gibt es noch viel Anbindehaltung.
Bei den großen Betrieben ist der Weidegang arbeitswirt-schaftlich schwierig (Melkaufwand, räumliche Entfernung
zur Weide).
Weidehaltung gilt aus ökologischen und
Tierschutzerwägungen als vorteilhaft.
Die Milch weist besondere ernährungs- physiologische und geschmackliche Eigenschaften auf.
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Hinter dem Vermarktungsstrend „Weidemilch” stehen deutlich unterschiedliche Definitionen und Produktkonzepte
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18.04.2012 Dr. Anke Zühlsdorf
„Weidemilch stammt von Kühen, die an mindestens 120 Tagen im Jahr für je sechs Stunden Weidegang haben.“
„Die Milch stammt von Familienbauernhöfen, die einen Weidegang
von Frühjahr bis Herbst sowie eine natürliche
Futtergrundlage gewährleisten. “
„Die Milch stammt aus norddeutschen
Grünlandregionen.“
„Milch, die ohne Futter aus Silage (vergorene Futtermittel)
erzeugt wird. Im Sommer stehen die Kühe auf Wiesen, Weiden und Almen; im Winter werden sie mit Heu und Getreideschrot
gefüttert.“
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Fazit
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Die Grauzone „unklarer” Kommunikation ist kein Randphänomen einer kleiner Gruppe überkritischer Verbraucher.
Täuschungspotenziale resultieren aus den Charakteristika des Qualitätswettbewerbs im Lebensmittelmarkt und entstehen aus der doppelten Herausforderung von erweiterten Qualitätsanforderungen und den kommunikativen Gestaltungsregeln.
Sich wandelnde Verbraucherpräferenzen und sich verändernde Erzeugungs- und Produktionsmethoden werden immer wieder zu „unklaren” Kommunikationsfeldern führen.
Handlungsbedarf besteht aus verbraucher- und wettbewerbspolitischer Perspektive.
Kernergebnisse
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18.04.2012 Dr. Anke Zühlsdorf
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Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Dr. Anke Zühlsdorf
Gründungsgesellschafterin
Spiller, Zühlsdorf + Voss Agrifood Consulting GmbH
Weender Landstr. 6
37073 Göttingen
Fon: 0551-79 77 45-16
Mail: azu@agrifood-consulting.de
www.agrifood-consulting.de
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18.04.2012
Spiller, Zühlsdorf + Voss Agrifood Consulting GmbH
Spin-off des Lehrstuhls Marketing für Lebensmittel- und Agrarprodukte an der Universität Göttingen (Prof. Dr. Achim Spiller)
Privates Forschungsinstitut und Unternehmensberatung mit dem Themenfokus Marketing, Vertrieb und Marktforschung für Kunden aus der Agrar- und Ernährungswirtschaft
Dr. Anke Zühlsdorf
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