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Univ.-Prof. Dr. Dr. h. c. Peter OberenderUniversität Bayreuth

Forschungsstelle für Sozialrecht und Gesundheitsökonomie

16. Dezember 2009

Ist der medizinische Fortschritt noch finanzierbar?

Gliederung

1. Ausgangssituation

2. Zukünftige Herausforderungen

3. Wachstumsmarkt Gesundheit

4. Innovation und Ökonomie: Ambivalenz des medizinischen Fortschritts

5. Innovation und Notwendigkeit in einem veränderten Gesundheitswesen

6. Ein Institut für Innovation (IfI)

7. Resümee

2© Univ.-Prof. Dr. Dr. h.c. Peter Oberender

3

1. Ausgangssituation

Ausgabenstruktur der Gesetzlichen Krankenversicherung 1960 (alte Bundesländer) und 2007 (gesamtes Bundesgebiet) in Milliarden Euro

1960 1960 2007 2007Zunahme 1960-2007Euro

absolutRelativ

Euro absolut

Relativ

Bruttosozialprodukt 150 2.423 16,1-fache

Gesamtausgaben 4,9 100% 153,5 100% 31,3-fache

Darunter: Verwaltungskosten 0,3 6,3% 8,1 5,3% 27-fache

Leistungsausgaben 4,6 100% 144,3 100% 31,4-fache

Darunter:

Ärztliche Behandlung 1,0 21,1% 23,1 16% 23,1-fache

Zahnärztliche Behandlung 0,4 8,9% 10,7 7,4% 26,8-fache

Arzneimittel 0,6 12,2% 27,8 19,2% 46,3-fache

Heil- und Hilfsmittel 0,1 17,8% 8,6 6,0% 86,3-fache

Krankenhaus 0,8 18,8% 51,0 35,3% 63,8-fache

Krankengeld 1,4 30% 6,0 4,1% 4,3-fache

© Univ.-Prof. Dr. Dr. h.c. Peter Oberender

1. Ausgangssituation

4

Gesundheitsmarkt 2008 insgesamt: ca. 300 Mrd. € (12,5 % des BSP)

BSP: 2,4 Bill. €

8-10%p.a.

8-10%p.a.

Freier Gesundheitsmarkt 150- 180 Mrd. €

Medizinisch sinnvoll Machbares 1,0 – 1,2 Bill. €= ca. 50-60% des BSP

0,64 % 0,64 %

GKV ca.

€ 167Mrd.

(2009)

© Univ.-Prof. Dr. Dr. h.c. Peter Oberender

Gliederung

1. Ausgangssituation

2. Zukünftige Herausforderungen

3. Wachstumsmarkt Gesundheit

4. Innovation und Ökonomie: Ambivalenz des medizinischen Fortschritts

5. Innovation und Notwendigkeit in einem veränderten Gesundheitswesen

6. Ein Institut für Innovation (IfI)

7. Resümee

5© Univ.-Prof. Dr. Dr. h.c. Peter Oberender

2. Zukünftige Herausforderungen

6

Demographie• Altenquotient steigt von heute 40 auf 80 in 2050• „Demokratiefalle“: Politik gegen die Interessen der

älteren Generation wird zunehmend undurchsetzbar

Europa• Wettbewerb der Sozialsysteme• EU-Osterweiterung

TechnischerFortschritt

• Add-on-Technologien• Halfway-Technologien

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2. Zukünftige Herausforderungen

7

Die Altersgruppe der über 60-Jährigen wird in Zukunft deutlich ansteigen, während die Gruppe der unter 20-Jährigen abnimmt

Bevölkerungsentwicklung nach Altersstruktur 2006 - 2050

Quelle: Destatis, 2006 - 11. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung (Basisjahr 2006)

0-20 20-60 60+ 0-20 20-60 60+ 0-20 20-60 60+

2006 2020 2050

16,2

45,5

20,6

13,7

43,0

24,6

11,4

33,8

28,8

82.3 Mio. Einwohner

81.3 Mio.Einwohner

74.0 Mio.Einwohner

-15,4 %

-5,5%

-29,6%

-25,7%

+19,4%

+39,8%Entwicklung in Mio. Einwohner

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2. Zukünftige Herausforderungen

8

Quelle: Oberender & Partner, Kieler Institut für Gesundheits-System-Forschung (2009)1Absolute Werte jeweils über den Säulen, alle Angaben pro 100.000 Einwohner

„Altersrelevante Krankheitsbilder“ werden nach dem heutigen Stand der Prognosen drastisch zunehmen

bis 2020bis 2050

47% 139%

Myokardinfarkt

492797

43% 121%

Apoplex

284438 70%32%

Neoplasien

662857

Zunahme von Erkrankungen auf Basis von 20001

26%

55%

Diabetes mellitus

5.845

7.185

56%

235%

Pneumonie

1.955

4.197

3.117

198%

60%

1.674

Demenz

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Ausgaben €

Alter

Versteilerung von Ausgabenprofilen Normalterungsgruppen 30 bis 79jährige

1979 20202000

(1)

(2)

(3)

2. Zukünftige Herausforderungen

9© Univ.-Prof. Dr. Dr. h.c. Peter Oberender

(1) Demographie

Altenquotient Vergreisung

1990 2010 2030 32 48 79

Multimorbidität chronische Krankheiten Pflegefälle

Single-Haushalte

10

100ER

2. Zukünftige Herausforderungen

© Univ.-Prof. Dr. Dr. h.c. Peter Oberender

11

Quelle: DIW-Wochenbericht

195,3 195,4 238,2 225,7166,3 228,8 198,9 222,2271,9 304,4 340,9 415,3254,4

455,7658,5

921,5406,4

498,6611,1

1311,5

286,5

357,7

559,1

1390,9

1999 2010 2020 2050

90 und älter 85 bis 90 80 bis 85 75 bis 80 70 bis 75 60 bis 70

Entwicklung der Zahl Pflegebedürftiger (in Tausend)

1929,3

2382,3

2935,7

4728,0

2. Zukünftige Herausforderungen

Die enorme Zunahme der Pflegefälle in Deutschland

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Bilanz der Generationen

-40200-12400

30300

76200

117800 13280012560091200

38000

-24700

-97000

-161400

-217900 -228400-206400

-177600-145500

-116200-89900

-63500

-21500

-250000

-200000

-150000

-100000

-50000

0

50000

100000

150000

Generationen-konto in Euro

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

Alter in Jahren

12

Quelle: Forschungszentrum Generationenverträge, Stand 2003

44 % derWahlberechtigten

56 % derWahlberechtigten

2. Zukünftige Herausforderungen

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(2) Medizinischer Fortschritt

Explosion des Machbaren!Das medizinisch Mögliche und Sinnvolle wächst rasanter als die finanziellen Ressourcen!

„Halfway“-Technologie

Verlängerung der Zeitspanne zwischen dem Zeitpunkt der Diagnose einer Erkrankung und dem des Todes!

„Add-on“-Technologie

neue zusätzliche Diagnose- und Therapieverfahren führen zu einem wachsenden Bedarf!

13

2. Zukünftige Herausforderungen

© Univ.-Prof. Dr. Dr. h.c. Peter Oberender

14

2. Zukünftige Herausforderungen

Die Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben wird sich noch weiter vergrößern

Determinanten zwischen Einnahmen und Ausgaben im Gesundheitssystem

Grundlohn-summe Sozialsteuerpflichtige

Einkommen

Erwerbstätige Steuer-zuschüsse

QuerverschiebungenSozialversicherungen

Patientenzahl

Medizinisch-technische Entwicklung

Morbiditäts-entwicklung

Inflation

Einnahmen

Ausgaben

Differenz zwischen

Ausgaben /Einnahmen

Preisanstieg

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(3) Arbeitslosigkeit- Beitragsausfälle- Soziale Kosten

Kosten 2008: 190 Mrd. €

(4) EU- vier Grundfreiheiten- Binnenmarkt- Ursprungslandprinzip Wettbewerb der Systeme

Osterweiterung

(5) Globalisierung

15

2. Zukünftige Herausforderungen

© Univ.-Prof. Dr. Dr. h.c. Peter Oberender

Gliederung

1. Ausgangssituation

2. Zukünftige Herausforderungen

3. Wachstumsmarkt Gesundheit

4. Innovation und Ökonomie: Ambivalenz des medizinischen Fortschritts

5. Innovation und Notwendigkeit in einem veränderten Gesundheitswesen

6. Ein Institut für Innovation (IfI)

7. Resümee

16© Univ.-Prof. Dr. Dr. h.c. Peter Oberender

17

3. Wachstumsmarkt Gesundheit

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Gesundheitsbewusstsein zunehmender Aktivitätswille im Alter

Vergreisung Seniorenmarkt

Zahlungsbereitschaft

Zahlungsfähigkeit – 4 Bill. € Geldvermögen!

– 25 – 30 Mrd. € p. a. Rentnereinkommen

– 200 Mrd. € p. a. vererbtes Vermögen

Nachfrage nach Gesundheitsleistungen

Wachstumsbranche Gesundheit par excellence!

18

3. Wachstumsmarkt Gesundheit

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2003 Bewusstsein für

Gesundheit

Med-tech. Fortschritt

Demografie Lohnfort-zahlung &Verwaltung

Total

30034

16329 14 540

Bei fortbestehenden Trends wird bis zum Jahr 2020der deutsche Gesundheitsmarkt voraussichtlich um 80 %auf 540 Mrd. € und einen BIP-Anteil von 17 % wachsen.

Quelle: eigene Berechnung in Anlehnung an Kartte, J., Innovation und Wachstum im Gesundheitswesen, Roland Berger, 2005.

Gliederung

1. Ausgangssituation

2. Zukünftige Herausforderungen

3. Wachstumsmarkt Gesundheit

4. Innovation und Ökonomie: Ambivalenz des medizinischen Fortschritts

5. Innovation und Notwendigkeit in einem veränderten Gesundheitswesen

6. Ein Institut für Innovation (IfI)

7. Resümee

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4. Innovation und Ökonomie

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Qualität

AusgabenAA

AA < Kostensenker

Ambivalenz des medizinischen Fortschritts

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4. Innovation und Ökonomie

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Lebensqualität

Kosten

Restlebenszeit

Kostentreiber

Ambivalenz des medizinischen Fortschritts

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4. Innovation und Ökonomie

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Halbwertszeit des medizinischen Wissens (3 – 4 Jahre)

Lebenszyklus

Abschreibung der I

Investitionen

(Innovation)

Amortisation der Investition in einer immer kürzeren Zeit

Schöpferische Zerstörung

Obsoleszenz Innovation

Fortschrittszyklus

Gliederung

1. Ausgangssituation

2. Zukünftige Herausforderungen

3. Wachstumsmarkt Gesundheit

4. Innovation und Ökonomie: Ambivalenz des medizinischen Fortschritts

5. Innovation und Notwendigkeit in einem veränderten Gesundheitswesen

6. Ein Institut für Innovation (IfI)

7. Resümee

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5. Innovation und Notwendigkeit

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1. Umfang der Solidarität

2. Förderung von Innovationen

3. Gewährleistung des Übergangs

Herausforderung der Ordnungspolitik

„Agenda einer Diskussion der Notwendigkeit“

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5. Innovation und Notwendigkeit

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Nachhaltige Finanzierung von Innovationen

Finanzierung von Innovationen

durch Dritte durch Konsumenten

Staat GKV Privatvers. Patientenhaushalt

Steuern Beiträge Prämien Marktpreise, Kostenbe-teiligung, Gebühren

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5. Innovation und Notwendigkeit

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Entscheidungsprioritäten

+

+-

-

x

x

Medizinisch unterlegen und teurer!

INNOVATION

Medizinisch überlegen, aber teuerer!

Medizinisch unterlegen, aber billiger!

Kostenveränderung

Nutzen-veränderung

INNOVATION

Medizinisch überlegenund billiger!

Individualisierung der Therapie

(1) Soll

N

Ktan

Gliederung

1. Ausgangssituation

2. Zukünftige Herausforderungen

3. Wachstumsmarkt Gesundheit

4. Innovation und Ökonomie: Ambivalenz des medizinischen Fortschritts

5. Innovation und Notwendigkeit in einem veränderten Gesundheitswesen

6. Ein Institut für Innovation (IfI)

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6. Ein Institut für Innovation (IfI)

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Neben der Industrie sitzen Kassen, Leistungserbringer und Patienten mit am Tisch des IfI, der Vorsitz ist unparteiisch

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6. Ein Institut für Innovation (IfI)

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Im Innovationskatalog wird festgelegt, welche Maßnahme bei welcher Indikationbei welchem Patienten von wem erbracht wird.

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6. Ein Institut für Innovation (IfI)

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Das IfI zeichnet sich durch einen zeitnahen, transparenten undanfechtbaren Entscheidungsprozess aus.

IfI

• Mitglieder des Gremiums nicht fest beim IfI angestellt Vertreter der beteiligten Institutionen

• Beteiligte Institutionen tragen Kosten

• Keine Einschränkung der Antragsberechtigten

• Nutzenbewertung nicht an evidenzbasierte Studien / Längsschnittbetrachtungen gebunden

• Klage vor Sozialgericht gegen Entscheidung möglich

IQWIG

• Interne Mitarbeiter in 8 Ressorts und erweiterter Kreis unabhängiger Experten

• Keine Beteiligung der Medizinprodukteindustrie

• Finanzierung durch Zuschläge• Auftragserteilung durch G-BA

oder BMG• Keine Abgabe von Beschlüssen,

nur Empfehlungen für G-BA• Anforderungen der

evidenzbasierten Medizin• Kein Einspruch gegen Entscheid

möglich

Gliederung

1. Ausgangssituation

2. Zukünftige Herausforderungen

3. Wachstumsmarkt Gesundheit

4. Innovation und Ökonomie: Ambivalenz des medizinischen Fortschritts

5. Innovation und Notwendigkeit in einem veränderten Gesundheitswesen

6. Ein Institut für Innovation (IfI)

7. Resümee

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7. Resümee

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• Sollen in Zukunft Innovationen jedem Patienten zugänglich sein, so bedarf es freiheitlicher Lösungen:

• Notwendig:– Ordnungspolitische Neuorientierung

• Indikative und keine imperative Planung• Dezentrale Leistungsplanung

– Privatisierung der Daseinsvorsorge durch Kapitaldeckungsmodelle

– Aber: Schutz ökonomischer Schwacher (Versicherungsgeld)

Ordnungspolitische Innovation erforderlich!

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7. Resümee

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