von allen welten, die der mensch erschaffen hat, ist die ... · liebe schüler, liebe eltern, liebe...
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1 | S e i t e
Literaturempfehlungen zur Weihnachtszeit 2017 CoJoBo
„Von allen Welten, die der Mensch erschaffen hat, ist die der Bücher die Gewaltigste“
(Heinrich Heine)
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Liebe Schüler, liebe Eltern, liebe Kollegen, liebe Freunde und liebe Interessierte,
auch 2017 haben Schüler, Kollegen und Freunde wieder Bücher aus unterschiedlichsten
Gründen empfohlen, die sie im Laufe des Jahres mit großer Freude gelesen haben.
Lassen Sie sich davon inspirieren – für ruhige Abende in der Adventszeit, für ein Geschenk zu
Weihnachten oder für einen schönen Start in das Jahr 2018.
Vielen Dank an alle fleißigen Schreiber, die diese Empfehlungen so reichhaltig machen.
Die Auflistung ist der Einfachheit halber nach Altersstufen sortiert.
Ihnen und Euch eine besinnliche und belesene Weihnachtszeit,
Raphael Zepp im Namen der Fachschaft Deutsch
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Ulla Klopp, Dietmar Brück: Tom und der Zauberfußball (Carlsen 2008, 272 S., ab Kl. 5)
In dem Roman geht es darum, dass Tom eines Tages auf dem Dachboden einen alten Fußball
findet. Zuerst denkt er, dass das nur ein alter, vermoderter Ball ist, doch der Ball rollte ihm
immer von alleine hinterher. Entnervt gibt Tom es schließlich auf, vor dem Ball fliehen, und
er fängt an, obwohl er eigentlich gar nicht Fußball spielen kann, mit dem Ball zu kicken.
Plötzlich kann er die schwierigsten Fußballtricks. Und das ist längst noch nicht alles, denn
dieser Ball geht um die Welt und bringt nicht nur Tom zum Staunen!
Ich fand an diesem Buch gut, dass die Handlung nicht nur in einem Land spielt und dass die
Geschichte aus der Perspektive der Kinder geschrieben wurde, zu denen der Ball kommt. Das
Buch ist nicht nur für fußballbegeisterte Kinder geeignet, außerdem erschwinglich und damit
ein spannendes Schnäppchen.
(Sebastian Schmidt, G6a)
Raquel J. Palacio: Wunder (dtv-Verlag 2012, 382 S., ab Kl. 5)
In dem Jugendbuch Wunder beschreibt die amerikanische Schriftstellerin Raquel J. Palacio
sehr amüsant, kurzweilig, aber auch sehr anschaulich das Leben eines zehnjährigen Jungen,
dessen Gesicht durch ein Gendefekt sehr stark entstellt ist. Sein Name ist August und er wird
von seinen Freunden Auggie genannt. Eine Freundin sagt z.B. über ihn: „Das Universum ist
nicht gut gewesen zu Auggie Pullmann.“
Nachdem er zehn Jahre zu Hause von der Mutter betreut und unterrichtet wurde, soll er nun in
eine normale öffentliche Schule wechseln. Natürlich hat er ein wenig Angst vor diesem
Wechsel. Anfangs wird er von allen komisch angeguckt. Dennoch entwickelt er sich zu einem
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Literaturempfehlungen zur Weihnachtszeit 2017 CoJoBo
guten und in die Gemeinschaft integrierten Schüler. Aber von einigen Mitschülern wird er
auch gemobbt. So wird er von einem Jungen mit Namen Julian ständig geärgert. Sogar dessen
Eltern regen sich über Auggie auf und wollen, dass Auggie die Schule verlassen muss. Am
Ende ist es jedoch Julian, der die Schule verlässt.
Doch Auggie findet auch schnell Freunde, mit denen er viele Abenteuer erlebt und am Ende
stellt sich heraus, dass er sehr charakterstark ist. Dafür wird er geachtet und bekommt sogar
einen Preis.
Die Geschichte macht Hoffnung auf das Zusammenleben mit Menschen, die anders sind und
berührt die Seele. Sie macht Hoffnung bzgl. Inklusion an Schulen.
(Leonard Thiele, G7a)
Scott O´Dell: Die Insel der blauen Delfine (DTV 1977, 192 S., ab Kl. 5)
Ich empfehle dieses Buch für Kinder, die gerne Abenteuergeschichten lesen und auch mal
etwas Trauriges vertragen können.
Karana ist ein zwölf Jahre altes Indianermädchen, das seinen Stamm auf einer Insel im Pazifik
verloren hat. Deswegen lebt sie zuerst mit ihrem Bruder und nach dessen Tod dann alleine auf
der Insel. Sie baut sich mehrere Unterschlüpfe und findet neue tierische Freunde. Karana
erlebt viele Abenteuer und erst nach langer Zeit kommen Menschen auf die Insel. Am Ende
geht sogar ihr größter Wunsch in Erfüllung.
Der Roman ist besonders deshalb empfehlenswert, weil man sieht, dass man nicht aufgeben
muss, wenn etwas Schlimmes passiert. Man erfährt außerdem auch, dass Tiere gute Freunde
sein können, z.B. Rontu, Won-a-nee, Tainor und Runtu-aru (Sohn des Rontu). Zwar hätten
manche Szenen durchaus noch ausführlicher ausgestaltet werden können, aber ansonsten ist
dieser Jugendbuchklassiker wirklich gelungen!
(Kristian Brune, G6a)
Andreas Steinhöfel: Rico, Oskar und der Diebstahlstein (Carlsen-Verlag 2014, 336 S., ab
Kl. 5)
Rico, Oskar und der Diebstahlstein ist der dritte Band aus der Buchreihe Rico und Oskar. Die
Reihe erschien im Carlsen Verlag. Im Buch geht es um die Jungen Rico und Oskar, die
gemeinsam in einem Mehrfamilienhaus aufwachsen und schon lange dicke Freunde sind.
Rico leidet unter einer Lernstörung, was aber der Freundschaft keinen Abbruch tut. Im
Treppenhaus ihres Zuhauses finden sie eines Tages ihren Nachbarn Fitzke tot auf. Im Laufe
der Handlung wird erzählt, wie sie einen wertvollen Stein der Steinesammlung von Herrn
Fitzke suchen, der womöglich verschwunden ist. Die Spuren führen sie bis an die Ostsee, wo
sie verdächtige Leute verfolgen. Die Folgen sind ein Einbruch und sie machen manche Dinge,
die nicht erlaubt sind, was das Buch aber zu einem echten Abenteuer macht.
Öfters ist die Handlung sehr lustig erzählt. Im Mittelpunkt stehen die beiden Freunde Rico
und Oskar, die außerhalb von Berlin einmal etwas anderes erleben, nämlich spannende
Abenteuer an der Ostsee. Das Buch wird für Kinder ab 10 Jahren empfohlen, da von einem
Toten die Rede ist und die beiden Jungen auch unerlaubte Dinge tun.
(Luis Witzler, G7b)
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Anthony Horowitz: Die fünf Tore – Todeskreis (Loewe 2012, 304 S., ab Kl. 6)
Nach dem Unfalltod seiner Eltern gerät der 14-jährige Matt zunehmend auf die falsche Bahn.
Nach einem Einbruch in ein Lagerhaus, bei dem um ein Haar ein Wachmann getötet worden
wäre, muss er sich vor Gericht verantworten. Statt eine Jugendhaftstrafe anzutreten, erklärt
Matt sich bereit am FED-Programm (Freizeit-Erziehung-Disziplin), einem staatlichen
Resozialisierungsprojekt, teilzunehmen. Er kommt zu Mrs. Deverlill, die gemeinsam mit
ihrem Knecht Noah auf einem vereinsamten Hof in der tiefsten englischen Provinz lebt. Doch
die „Pflegemutter“ entpuppt sich mehr und mehr als bösartige Tyrannin und zunehmend
ereignen sich unheimliche Dinge rund um den Hof. Matt will nur noch weg, doch jeder
Fluchtversuch scheitert auf mysteriöse Weise, und wer ihm helfen möchte, bezahlt dafür mit
dem Leben. Matts Situation scheint ausweglos zu sein, bis er den Journalisten Richard Cole
kennenlernt und sich der Geheimbund Nexus einschaltet.
Dass der Roman zu den „Bestsellern“ unserer Schulbibliothek gehört, hat mich nicht
verwundert, denn er bietet vieles, was ein unterhaltsamer Jugendroman für Jungen benötigt:
Spannung, Mystery, eine schnörkellose Sprache und zahlreiche Handlungsmomente.
„Todeskreis“ ist der erste von insgesamt fünf Bänden der Reihe, und wer den ersten Teil
gelesen hat, wird sicher auch wissen wollen, wie es weitergeht.
Auch andere Werke des Autors sind übrigens ausgesprochen empfehlenswert für Jugendliche.
Vor allem die populäre Agentenreihe Alex Rider (sie befindet sich ebenfalls in unserer
Bibliothek) vermag tatsächlich so manchen Literaturmuffel zum Lesen zu animieren, was
auch für das oben besprochene Buch gilt.
(Thomas Wilbert)
Rick Riordan: Percy Jackson erzählt griechische Heldensagen (Carlson Verlag 2016, 640
S., ab Kl. 7)
In dem Roman geht es um Percy Jackson, der die griechischen Heldensagen locker aus seiner
Sicht neu aufschreibt und manchmal auch etwas dazu erfindet.
Er - als Sohn des Poseidon - erzählt aber auch fast nur von den bekannten Helden/Heldinnen
z.B.: Herakles (Herkules), Perseus, Theseus und Jason.
Der Roman ist lustig und urkomisch für jeden, der Spaß an der griechischen Mythologie hat,
aber auch manchmal traurig, da in den einzelnen Geschichten meist auch Verschwörungen,
Morde oder Folterungen vorkommen. Ein Beispiel dafür ist Psyche, die von Aphrodite (die
Göttin der Liebe) gefoltert wurde, weil sie wunderschön war und manche Leute sie deswegen
für eine Göttin hielten.
(Maximilian Thiele, G7a)
Ursula Poznanski: Elanus (Loewe 2016, 416 S., ab Kl. 7)
In dem Buch geht es um Drohnen, Überwachung, Manipulation und andere aktuelle Themen.
Die Hauptfigur ist Jona Wolfram, der bereits mit siebzehn Jahren an der Victor-Hess
Universität studiert, da er seinen Altersgenossen ein Stück voraus ist. Er besitzt eine
selbstentwickelte Drohne, womit er andere mit Hilfe einer Spyware ausspionieren kann. Das
ist möglich, weil seine Spyware ohne das Wissen anderer auf den Handys installiert wurde,
als diese eine SMS Nachricht verschickten. Doch nicht nur er spioniert, sondern er wird auch
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Literaturempfehlungen zur Weihnachtszeit 2017 CoJoBo
ausspioniert. Daraus entsteht eine mitreißende Handlung aus Machenschaften, in denen selbst
die Polizei verwickelt ist.
Ich finde das Buch, das für das Alter zwischen 14 und 17 Jahren empfohlen wird, gut, weil es
um aktuelle Themen geht und Ursula Poznanski sehr spannend schreibt. Nur sehr schlecht
konnte ich das Buch aus der Hand legen, da ich mich intensiv in die Figuren einfühlen konnte
und unbedingt wissen wollte, was mit ihnen passiert.
(Lennart Müller, G7b)
Mary Anne Shaffer, Annie Barrows: Deine Juliet (btb-Verlag 2015, 304 Seiten, ab Kl. 8)
Dieser Briefroman spielt in der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg auf der britischen Kanalinsel
Guernsey. Die Schriftstellerin Juliet, die in London lebt, erhält einen geheimnisvollen Brief
von der Insel Guernsey. Ein Bauer, Dawsey Adams, schreibt ihr, weil er antiquarisch ein
Buch erstanden hat, das zuvor scheinbar ihr gehört hat. Die entstehende Brieffreundschaft gibt
Juliet Einblick in die "The Guernsey Literary and Potato Peel Society", die "Guernseyer
Freunde von Dichtung und Kartoffelschalenauflauf", eine Guppe literarisch interessierter, die
mit Hilfe von literarischen Treffen die Kriegsjahre überstanden haben.
Kurzum: Juliet will mehr über die "Society" und Dawsey Adams erfahren, so dass sie sich auf
den Weg nach Guernesey macht. Dort stößt sie auf die Geschichte von Elizabeth,
verschollenes Mitglied ebendieser "Society", und ihrer großen Liebe zu einem deutschen
Offizier.
Der Roman ist ausschließlich in Briefwechseln geschrieben und dabei so unglaublich
spannend, dass man ihn nicht mehr aus der Hand legen kann.
Jeder Briefwechsel wird zwar fortgesetzt, aber nicht unmittelbar, so dass der Leser einfach
weiterlesen MUSS, um den Anschluss der Geschichte zu bekommen, bis die Geschichte zu
Ende erzählt ist. Rührend, fesseln, anders. Sehr zu empfehlen!
(Thomas Braunsfeld)
Martin Suter: Elefant (Diogenes 2017, 352 S., ab Kl. 8)
„Elefant“ ist eine Mischung aus Märchen, Thriller und Abenteuerroman. Schoch, ein
Obdachloser glaubt zu halluzinieren, als er nach einer Alkohol schweren Nacht in seiner
Höhle aufwacht und einen winzigen, rosa leuchtenden Elefanten vor sich findet. Allmählich
wird Schoch klar, dass dieses seltsame Wesen wirklich existiert. Er begreift, dass der Elefant
ein Produkt der Gentechnologie ist, mit dem zweifelhafte Wissenschaftler das große Geld
machen wollen. In Sorge um den kleinen Elefanten und aus einer ethischen Verantwortung
heraus, versucht Schoch mit Hilfe einer Tierärztin und einem Elefantenpfleger das
zerbrechliche Tier vor den gierigen und skrupellosen Geschäftemachern zu retten.
(Matthias Schöndube)
Ben Aaronovitch: Die Flüsse von London (dtv-Verlag 2012, 488 S., ab Kl. 8)
Die Flüsse von London ist ein Fantasy-Roman, welcher im heutigen London spielt. Es geht
um einen schwarzen Polizisten, Peter Grant, welcher gerade seine Polizistenausbildung
geschafft hat und jetzt versetzt werden soll. An seinem vorletzten Abend als Polizeischüler
muss er einen Platz bewachen, wo kurz zuvor jemand ermordet wurde. Plötzlich spricht ein
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Geist zu ihm und sagt, dass er wisse, wie der Mord abgelaufen ist. Erst will er dem Geist nicht
glauben und hört ihm nicht weiter zu, doch nachdem er wieder auf der Polizeistation ist, denkt
er sich, er könne den Geist in der nächsten Nacht doch noch einmal fragen. Nach
Dienstschluss geht er also wieder zu dem Platz und sucht den Geist. Nach einer Weile kommt
ein etwas älterer Herr auf ihn zu und fragt was er mache, Peter antwortet, dass er Geister
suche. Am nächsten Morgen heißt es, dass ihn der Kommissar für magische Angelegenheiten
sprechen wolle, …
Ich finde das Buch gut, weil es magisch, gruselig, eklig und spannend geschrieben ist.
(Johannes Platz, G8a)
Shlomo Graber: Der Junge, der nicht hassen wollte (Riverfield Verlag 2017, 221 S., ab Kl.
9)
Wie ist es möglich, mehrere KZ zu überleben? Der 1926 geborene Autor, der nach seinem
jüdischen Großvater, aber auch nach dem alttestamentarischen, weisen König Salomo (=
Shlomo) benannt ist, schildert in ebenso eindringlicher wie klarer Sprache, wie er in
Südosteuropa (damals Ungarn, heute Teil der Ukraine) aufwuchs, mehrfach deportiert wurde
und schließlich drei Konzentrationslager überlebte. Später lebte er lange in Israel und in der
Schweiz. – Shlomo wächst bei seinem gütigen und hoch angesehenen Großvater in ländlicher
Idylle auf. Von ihm lernt er bereits als Dreijähriger, dass man Risse in einer Mauer nicht
vergrößert, sondern repariert. Dieses scheinbar banale Ereignis erhält seine besondere
Bedeutung dadurch, dass der Großvater den Riss mit beginnendem Hass vergleicht. Auch
Shlomos Mutter ist sehr liebevoll und fürsorglich. Er wird sie – wie alle seine Geschwister –
im Jahr 1944 in der Hölle auf Erden, an der berüchtigten Selektionsrampe von Auschwitz,
zum letzten Mal sehen.
Der über 90-jährige Autor versteht es, dem Leser einen rührenden Eindruck seiner frühen
Kindheit zu vermitteln. Im krassen Gegensatz dazu stehen die unmenschlichen Erfahrungen,
die der erst 14-Jährige während des Zweiten Weltkriegs erlebt. Erst am letzten Kriegstag (8.
Mai 1945) wird er endlich aus einem KZ bei Görlitz befreit. Gerade weil er den Holocaust
überlebte, ist es ihm ein besonderes Anliegen, sich gegen Hass, Gewalt, Fanatismus oder
Intoleranz zu engagieren. Fazit: absolut spannend, bewegend und lesenswert!
(Georg Vollmer)
Ajahn Brahm: Der Elefant, der das Glück vergaß (Lotos Verlag 2015, 238 S., ab Kl. 9)
Dieses Buch ist ebenso außergewöhnlich und interessant wie sein Autor, der 1951 als Peter
Betts in London geboren wurde, an der rennomierten Cambirdge-Universität ein Physik-
Studium abschloss und heute als Abt ein buddhistisches Kloster in Westaustralien leitet. Er
gehört zu den bekanntesten Buddhisten überhaupt – auch wegen des Welterfolgs seines Buchs
„Die Kuh, die weinte“.
Das vorliegende ‘Elefanten’-Buch enthält ganz viele kleine, gut lesbare „buddhistische
Geschichten, um Freude in jedem Moment zu finden“ – so der Untertitel. Schon das nur
halbseitige Vorwort ist so originell, dass man unbedingt weiterlesen möchte – und man wird
nicht enttäuscht: Ajahn Brahm ist ein brillanter Erzähler ebenso witzig-unterhaltsamer wie
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Literaturempfehlungen zur Weihnachtszeit 2017 CoJoBo
lehrhafter Geschichten. Sie helfen uns, „achtsamer zu werden und uns selbst und unseren
Mitmenschen mit Respekt, Liebe und Toleranz zu begegnen“ (Klappentext).
(Georg Vollmer)
Jenny Erpenbeck: Gehen, ging, gegangen (Penguin 2017, 303 S., ab Jg. EF)
Auch wenn sich der Titel des Buches eher nach deutschem Grammatikunterricht anhört, steht
im Zentrum des Geschehens die aktuelle Flüchtlingssituation: Richard, ein emeritierter
Professor, weiß nicht so recht, was er mit sich und seinem Ruhestand anfangen soll. Mehr
oder weniger zufällig kommt er mit der Problematik der Asylbewerber in Berührung. Anfangs
eher von naiver Neugier und Nichtwissen getrieben, setzt sich Richard im Verlauf des
Romans mit der Thematik der Flüchtlingsdebatte immer intensiver auseinander und versucht
mit den Betroffenen in Kontakt zu kommen, sie kennen zu lernen, sie zu verstehen, ihnen zu
helfen …
Mag der Roman nicht frei von manch einem Klischee sein, ist er doch in politischer Hinsicht
ein wichtiger Beitrag in der gegenwärtigen Flüchtlingssituation.
(Matthias Schöndube)
Joachim Meyerhoff: Alle Toten fliegen hoch: Amerika (Kiepenheuer und Witsch 2013, 336
S., ab Jg.EF)
In seinem Debutroman erzählt Joachim Meyerhoff von seinem Auslandsjahr, das er als
Schülerstipendiat in Amerika verbracht hat. Soweit, so einfach. Meyerhoff wächst in einer
"normalen" dörflichen Umgebung auf und dabei zugleich in skurrilsten Umständen: sein
Vater war der ärztliche Direktor der größten psychiatrischen Klinik in Deutschland und die
Familie wohnte in der Villa auf dem Klinikgelände. Mit 17 will er nur noch dem Dorfmief
entfliehen und geht nach Hamburg zu den Auswahlgesprächen für ein Stipendium. Allein
diese Hamburg-Episode wäre den Kauf des Romans wert, bewegt sich der Autor hier
zwischen tragikomischer Realsatire und Autobiographie. Danach entfaltet Meyerhoff ein Bild
seiner Amerikareise nach Wyoming, das den Leser nicht mehr loslässt.
Der Roman ist alles zur gleichen Zeit: witzig und traurig, skurril und real, wild- abgedreht und
ruhig-tiefgehend. Ein Iniationsroman, der den Weg ins Erwachsenwerden beschreibt und
keine der Klippen auslässt, eine Hommage an Amerika und zugleich die erbarmungslose
Entlarvung des Landes der doch nicht ganz so unbegrenzten Möglichkeiten.
Wenn der Roman einmal Fahrt aufgenommen hat, kann man ihn nicht mehr weglegen und
liest im Rausch zuende!
(Thomas Braunsfeld)
Joachim Meyerhoff: Ach diese Lücke, diese entsetzliche Lücke (KiWi-Verlag 2017, 352 S.
ab Jg. EF)
Der Roman von Joachim Meyerhoff, der zugleich Autor und ein bekannter Schauspieler des
Wiener Burgtheaters ist, ist der dritte Teil aus einer Trilogie, die stark autobiographisch
ausgerichtet ist.
Joachim Meyerhoff erzählt in diesem Buch von seiner Zeit als Anfang Zwanzigjähriger, als er
in München seine Ausbildung auf einer Schauspielschule absolviert, während er anfänglich
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aus Wohnungsnot, später jedoch für drei Jahre bis zum Ende der Ausbildung bei seinen
Großeltern lebt. Es ist eine Zeit, die aufgrund gegensätzlicher Eindrücke und Erlebnisse
unterschiedlicher nicht sein könnte: Tagsüber in der Schauspielschule erlebt er eine Zeit
größter Selbstzweifel, die durch zahlreiche Übungen im Bereich der Stimmbildung und
Körpererfahrung, aber auch durch extensive Proben in ihm ausgelöst werden und die die
Frage aufwerfen, ob er für den Beruf des Schauspielers überhaupt geeignet ist. Abends
empfängt ihn in einer alten herrschaftlichen Villa die stark ritualisierte, ihm liebevoll
zugewandte Welt der Großeltern. Ihr Alltag wird durch die Einnahme unterschiedlichster
alkoholischer Getränke strukturiert und sie wirken im Umgang miteinander recht schrullig
und aus der Zeit gefallen. Vor allem das Leben bei den Großeltern scheint dem jungen Ich-
Erzähler die nötige Sicherheit und Stabilität zu geben. Beide Welten betrachtet der Ich-
Erzähler mit wahnsinnig viel Humor (habe selten beim Lesen eines Buches so viel gelacht)
und seine ganz intensiven Beobachtungen der Menschen und Umstände werden äußerst
wortgewaltig dargestellt. Alles in allem: Dringend lesen!!!
(Ute Spiegelmacher)
Michael Köhlmeier: Abendland (DTV 2008, 784 S., ab Jg. Q1)
Dieser Roman ist der grandiose und in jeder Hinsicht gelungene Versuch, anhand zweier
Familien das 20. Jahrhundert in nahezu allen Facetten Revue passieren zu lassen: Am Ende
seines erfüllten und schillernden Lebens angekommen, bittet der erfolgreiche
Mathematikprofessor, Jazzkenner und Kosmopolit Carl Jakob Candoris seinen Ziehsohn, den
Schriftsteller Sebastian Lukasser, seine Biographie niederzuschreiben. Der Leser wird in die
Weltgeschichte eintauchen, die wichtigsten geschichtlichen, politischen, ideologischen und
kulturellen Episoden des vergangenen Jahrhunderts erleben, sein Interesse für die Mathematik
entdecken, den Jazz lieben lernen, zwischen Lissabon, New York, Wien oder Moskau reisen,
aber auch von Liebe und Hass, von Hoffnungen und Enttäuschungen, von Intrigen, Verrat,
Mord und Suizid, von Sucht, Krankheit und Tod lesen. Dabei mischen sich die Romanfiguren
wie selbstverständlich unter reale Personen, ihr Leben ist verquickt mit den Großen der Zeit,
den prägenden Figuren aus Politik, Musik und Wissenschaft. „Ein großer Wurf, ein
Meisterstück, ein monumentales Jahrhundertepos, ein Welt- und Jahrhundertpanorama, wie
man es lange nicht gesehen hat,“ heißt es nicht zu Unrecht in den Fachkreisen der
Literaturkritik.
(Matthias Schöndube)
Mischa Naue: Gefangen mit Buddha (Selbstverlag 2015, 224 S., ab Jg. Q1)
Zum eindrucksvollsten Programmpunkt einer Kursfahrt nach Berlin im Herbst 2016 gehörte
für die Schüler des Deutsch-Leistungskurses von Herrn Vollmer der Besuch im ehemaligen
Stasi-Gefängnis Hohenschönhausen: Wir hatten nämlich das große Glück, dass uns der
ehemaligen Häftling Mischa Naue (geb. 1963; 1983 – 84 politischer Gefangener der DDR)
durch nahezu die gesamte Gedenkstätte im Berliner Nordosten führte. Dieser brachte uns
durch Erfahrungsberichte aus seiner Zeit in Hohenschönhausen und im Gefängnis in
Naumburg (in Sachsen-Anhalt) die psychologisch geschickten, aber brutalen und
menschenverachtenden Verhörmethoden der Gefängniswärter und Staatssicherheitsleute nahe.
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In seiner aufgrund der einfachen Sprache gut verständlichen Autobiographie erzählt Mischa
Naue, wie er bei seiner liebe- und verständnisvollen Großmutter in einfachsten Verhältnissen
nahe Berlin aufgewachsen ist und dann (mit 14) eine harte Lehre als Gleisbauer absolvierte.
Sein aufgrund der Beschäftigung mit dem Buddhismus immer ausgeprägterer Freiheitsdrang
gipfelte in zwei Fluchtversuchen, die er knapp überlebte. Dadurch geriet er ins Visier der
Staatsicherheit, die ihn bald darauf brutal überfiel und nach Hohenschönhausen verschleppte.
Die dortigen Erlebnisse beschreibt Naue in seinem spannenden Buch mit ebenso
schonungsloser wie eindrucksvoller Offenheit ...
Weitere, sehr empfehlenswerte Informationen hierzu im Internet unter: http://berlin-
excursion.de/ sowie http://www.mischa-naue.de/
(Georg Vollmer)
Julian Barnes: Der Lärm der Zeit (Kiepenheuer & Witsch 2017, 256 S., ab Jg. Q1)
Im Zentrum des Buches steht der russische Komponist Dimitri Schostakowitsch. Sein Leben
gerät aus den Fugen, als Stalin während einer seiner Aufführungen die Oper verlässt und
damit droht, den großen Künstler fallen zu lassen. In ständiger Angst, ein Opfer der
stalinistischen Säuberung zu werden, unternimmt Schostakowitsch einen Balanceakt zwischen
Unterwerfung und Selbstbehauptung.
(Matthias Schöndube)
Marie Darrieussecq: Etre ici est une splendeur. Vie de Paula M. Becker (P.O.L. 2017, 146
S.); englische Übersetzung: Being here. The Life of Paula Modersohn Becker (Turnaround
2017, 368 S., ab Jg. Q1)
Wer sich für Kunst interessiert, wer Paula Modersohn-Becker (1876-1907), eine unglaublich
spannende und mutige junge Frau, die sich als Malerin in einer Männerdomäne zu behaupten
versucht, kennen lernen möchte, wer Darrieussecqs einfühlsame Sprache im Einklang mit der
Bewunderung für diese außergewöhnliche Frau erfahren möchte und sich zutraut, dieses
wertvolle Büchlein auf Französisch zu genießen (leider gibt es noch keine deutsche, lediglich
eine englische Übersetzung), der wird bestimmt nicht enttäuscht werden, sondern ganz gewiss
bereichert sein.
(Matthias Schöndube)
Pierre Jarawan: Am Ende bleiben die Zedern (Berlin Verlag 2016, 448 S., ab Jg. Q1)
Pierre Jarawan ist eigentlich aus dem Poetry Slam bekannt, wo er 2012 sogar Deutscher
Meister werden konnte. Letztes Jahr dann wagte er den Sprung und veröffentlichte seinen
Erstling: Am Ende bleiben die Zedern. Es geht um eine libanesische Familie, die aus dem
Libanon nach Deutschland geflohen ist. Als der Vater spurlos verschwindet, ist der Sohn 8
Jahre alt. 20 Jahre später fliegt dieser in den Libanon, um dem Verschwinden auf die Spur zu
kommen. Der Leser erliest sich die zwei Facetten der umfangreichen Geschichte parallel.
Das Buch ist aus unterschiedlichen Gründen wirklich zu empfehlen. Pierre Jarawan schreibt
so wortgewaltig und bildlich stark, dass sich im Kopf neue Welten eröffnen. Die
Familiengeschichte ist verwoben und authentisch und macht Spaß zu entdecken. Der Libanon
ist dabei ein Schauplatz, der den meisten Menschen aus unserem Kulturkreis gar nicht so
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vertraut ist - aber es lohnt. Die Liebe zum Detail, zur Schönheit und der Kultur des Landes
machen dieses Werk für mich so lesenswert. Das Leben und die Integration einer
Flüchtlingsfamilie sind dabei Themen, die aktueller nicht sein könnten.
Nicht umsonst wurde Pierre Jarawans Erstling unter anderem mit dem Literaturstipendium der
Stadt München, dem Bayerischen Kunstförderpreis und dem AZ-Literaturstern des Jahres
ausgezeichnet und als bestes deutschsprachiges Debüt beim Festival du Premier Roman in
Chambéry vorgestellt. Ein ehrlicher und sympathischer Autor, den es zu unterstützen lohnt.
(Raphael Zepp)
Joachim Bauer: Selbststeuerung (Blessing Verlag 2015, 238 S., ab Jg. Q1)
Der bekannte Freiburger Neurobiologe, Arzt und Psychotherapeut Joachim Bauer schreibt
ebenso interessante wie empfehlenswerte Sachbücher wie „Lob der Schule“ und „Das
kooperative Gen“. Sie sind auch für Laien gut verständlich, weil er seine Ausführungen an
nachvollziehbaren Beispielen veranschaulicht und eine ganzheitliche Sicht auf den Menschen
hat. Dabei ist er alles andere als populistisch, denn vermeintliche Mainstream-Ratschläge wie
„Folge deinem Bauchgefühl“ werden kritisch hinterfragt.
Zu den Grundfragen der Philosophie gehört seit der Antike die Frage, ob der Mensch ein
Spielball äußerer Kräfte (z.B. Umwelt, Herrscher, Götter) oder unbewusster innerer ‘Triebe’
ist (bei denen u.a. Stress und Belohnung eine wichtige Rolle spielen), oder ob er im Leben
tatsächlich freie Entscheidungen treffen kann. Bekanntlich definierte schon 1784 Immanuel
Kant einen aufgeklärten Menschen als jemand, der nicht nur in der Lage ist, sich seines
eigenen Verstandes zu bedienen, sondern auch den Mut dazu hat.
Bauer plädiert in seinem Werk für „[d]ie Wiederentdeckung des freien Willens“ (so der
Untertitel) und erläutert überzeugend, warum es sich lohnt, Energie in längerfristige, aber
hochwertige Ziele zu investieren, anstatt den unmittelbaren, aber kurzlebigen Verlockungen
des Alltags zu erliegen. Wer nämlich seine oft impulsiven Wünsche bzw. Affekte
kontrollieren kann, lebt gesünder und glücklicher. Dabei ist es keineswegs so, dass das
Unbewusste ein Gegenspieler des freien Willens wäre. Unser Gehirn lässt sich nämlich
funktionell in zwei grundlegende Systeme gliedern, die sich gegenseitig beeinflussen: Das
Trieb- oder Basissystem, welches große Bedeutung für Gefühle und Stimmungen hat, und das
Aufbau- oder Kontrollsystem, welches für die Selbststeuerung von entscheidender Bedeutung
ist. Es ist über den Augen in der Großhirnrinde lokalisiert; dieser Bereich des Stirnhirns ist
der sog. Präfrontale Cortex.
Die Grundlagen für Selbststeuerung werden in Kindheit und Jugend gelegt, wobei Erziehung
und Bildung eine entscheidende Rolle spielen. Das bedeutet auch, dass traumatische
Erfahrungen in der frühen Kindheit die Gehirnentwicklung nachhaltig beeinflussen können.
Dabei ist die Selbststeuerung des Basissystems keineswegs eine lebens- oder genussfeindliche
Selbstkasteiung (man denke an die „Schwarze Pädagogik“ vor hundert Jahren), sondern
ausbalancierte Selbstfürsorge für Körper und Seele.
Bauer weist wiederholt auf die Gefahr der Manipulation des Unterbewusstseins durch
Werbung und Medien hin, denn die Verlockungen des digitalisierten Alltags weisen ein hohes
Suchtpotential auf. Entsprechend seiner Fachrichtung betont er im Schlussteil den Stellenwert
persönlicher Gesundheit, auch durch gute Medizin, für die der „Innere Arzt“ von zentraler
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Bedeutung ist. Wer sich vertiefend mit dem Thema beschäftigen möchte, kann auf
umfangreiche Anmerkungen und ein ausführliches Literaturverzeichnis zurückgreifen.
Fazit: Wer den Präfrontalen Cortex aktiviert, hat mehr vom Leben!
(Georg Vollmer)
Joachim Bauer: Schmerzgrenze (Blessing Verlag 2011, 285 S., ab Jg. Q1)
Bereits vor einigen Jahren veröffentlichte Joachim Bauer dieses nach wie vor sehr aktuelle
Sachbuch „[v]om Ursprung alltäglicher und globaler Gewalt“ (so der Untertitel). Zunächst
entmythologisiert der Neurobiologe, Arzt und Psychotherapeut die heute überholte
Vorstellung von einem „Aggressionstrieb“, wie Sigmund Freud ihn aufgrund der Ereignisse
im Ersten Weltkrieg 1920 postulierte. Diese Vorstellung wurde 1963 durch das Buch „Das
sogenannte Böse“ des Verhaltensforschers Konrad Lorenz erst richtig populär. Moderne
Forschungsmethoden, insbesondere bildgebende Verfahren in der Gehirnforschung wie die
„funktionelle Magnetresonanztomographie“ (fMRT oder fMRI), zeigen jedoch, dass es in
bestimmten Gehirnbereichen zu komplexen Interaktionen kommt, die Joachim Bauer auf
verständliche Weise erläutert. Von entscheidender Bedeutung sind hierbei das Motivations-
bzw. Belohnungssystem (ein neuronales Nervennetz im sog. Limbischen System, in denen
auch Emotionen verarbeitet werden) aus Teilen des Groß- und Zwischenhirns sowie der
Präfrontale Cortex im Stirnhirn (Erläuterungen s.o. in der Rezension zu „Selbststeuerung“).
Dabei spielen Botenstoffe (Transmitter) wie das „Glückshormon“ Dopamin oder das
„Kuschelhormon“ Oxytozin eine wichtige Rolle.
Bauers zentrale und ebenso interessante wie einleuchtende These: Es gibt keine dunkle
„Macht des Bösen“ in uns, sondern ein natürliches Grundbedürfnis des Menschen, sich wohl
zu fühlen. Der stärkste Gegenpol hierzu ist das Zufügen körperlicher Gewalt, was wir deshalb
zu vermeiden suchen. Nun haben neurobiologische Studien aber nachgewiesen, dass
Ausgrenzung, Diskriminierung, Mobbing und Demütigung im Gehirn dieselbe Reaktion
hervorrufen wie das Zufügen körperlicher Gewalt. Diese Erfahrungen können dann zu
Gegengewalt oder Depression führen. Eine Erkenntnis, die nicht nur für die Schule, sondern
für die gesamte Gesellschaft ausgesprochen bedeutsam ist …
(Georg Vollmer)
Takis Würger: Der Club (Kein & Aber-Verlag 2017, 240 S., ab Jg. Q1)
Hans Stichler stammt aus einfachen Verhältnissen. Nachdem er seine Eltern auf tragische
Weise verloren hat, rettet auf dem Internat den zum Waisen gewordenen Hans eigentlich nur
das Boxen. Seine Tante Alex bietet ihm schließlich nach der Schule ein Stipendium für die
Eliteuniversität Cambridge an, verbindet dies allerdings mit einer Bedingung: Hans soll für
seine Tante ein Verbrechen aufklären. Um was für eine Art von Verbrechen es sich handeln
soll, dies bleibt zunächst völlig rätselhaft. Hans geht nach Cambridge und schafft es, im
elitären Pitt Club aufgenommen zu werden. Dort verliebt er sich in Charlotte. Diese weiht ihn
in die Gepflogenheiten und Bräuche der Snobs ein. Bald merkt Hans, dass hinter den alten
Mauern der britischen Mauern Oberschicht Geheimnisse verborgen sind, über die keiner
sprechen kann. Und auch Charlotte hat etwas zu verbergen.
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Literaturempfehlungen zur Weihnachtszeit 2017 CoJoBo
Wie weit zu gehen ist Hans bereit, um dazuzugehören? Wird er das Verbrechen auflösen?
Muss er selbst das Falsche tun, um das Richtige zu erzielen und die Wahrheit aufzudecken?
Wie nah liegen Gerechtigkeit und Rache beieinander?
Zunächst erschien mir die Figur Hans Stichler fremd und die Geschichte rätselhaft. Doch
schon nach wenigen Seiten ging ein so starker Sog von dem kleinen Büchlein aus, dem
zumindest ich mich nicht entziehen konnte. Einerseits liest sich die Geschichte wie ein
hochspannender Krimi. Andererseits entfaltet Takis Würgers Sprache eine bezaubernd-zarte,
bisweilen melancholische Poesie.
Es handelt sich bei dem Roman „Der Club“ um Takis Würgers Erstlingswerk. Damit erzielte
der junge Autor Würger - meiner Ansicht nach absolut berechtigt - den Debütpreis auf dem
internationalen Literaturfestival „lit.cologne“ 2017 im März diesen Jahres. (Noch etwas
anders liest sich die Liebesgeschichte zwischen Hans und Charlotte, wenn man berücksichtigt,
dass der Autor sich an der Universität Cambridge selbst in ein Mädchen verliebt hat und dass
diese tragisch geendete Begegnung möglicherweise diesen Roman hervorgebracht hat …)
(Lena Maué)
Rüdiger Safranski: Zeit (Carl Hanser Verlag 2015, 270 S., ab Jg. Q2)
Wir leben ständig mit ihr, und manchmal scheint sie uns verloren zu gehen: die Zeit. Schon
um 400 n. Chr. fragte sich der Heilige Augustinus in seinen Bekenntnissen: „Was also ist die
Zeit? Wenn mich niemand danach fragt, so weiß ich es; wenn ich es aber jemandem auf seine
Frage erklären möchte, so weiß ich es nicht.“
Der Philosoph und Schriftsteller Rüdiger Safranski sinniert in seinem jüngsten Werk über das
Phänomen Zeit und „was sie mit uns macht und was wir aus ihr machen“ – so der Untertitel.
Die Zeit wird in ihren unterschiedlichsten Erscheinungsformen analysiert, z.B. die Zeit der
Langeweile oder des Anfangens, Lebenszeit, Weltraumzeit, Ewigkeit und vieles mehr. Wer
sich die Zeit nimmt, auf das Thema einzulassen, bekommt ein vertieftes Zeitgefühl und kann
zu interessanten Erkenntnissen gelangen. Das Buch ist allerdings nicht für Leseanfänger
geeignet, sondern eher für Erwachsene geschrieben, denn der Autor gibt seinen Überlegungen
auch innerhalb der einzelnen Kapitel gern eine neue Richtung, und die vielfältigen Bezüge
sind z.T. nur mit einem fundierten Hintergrundwissen verständlich.
(Georg Vollmer)
Haim Omer und Philip Streit: Neue Autorität: Das Geheimnis starker Eltern (Verlag
Vandenhoeck & Ruprecht 2016, 145 S.)
Die im 20. Jh. dominierenden Erziehungskonzepte einer Überbetonung elterlicher Autorität
(in Kaiserzeit und Nationalsozialismus) und der daraus entstandenen Gegenbewegung einer
antiautoritären Erziehung (das vermeintliche Ideal der 1968er Jahre) werden im 21. Jh. als
gescheitert angesehen, weil sie inhuman bzw. dem Kindeswohl nicht dienlich waren. Der sich
aus dieser Erkenntnis ergebende moderate Mittelweg für ein allgemeines Erziehungsprinzip
von Kindern und Jugendlichen ist die „Neue Autorität“ der Eltern.
Die beiden promovierten Autoren sind sehr erfahrene klinische Psychologen und systemische
Familientherapeuten. Professor Omer hat das Konzept der „Neuen Autorität“ entwickelt, bei
dem Eltern dazu angeleitet werden, problematisches Erziehungsverhalten wie Härte,
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Literaturempfehlungen zur Weihnachtszeit 2017 CoJoBo
Kontrolle, Strafe und unmittelbares Reagieren in Stresssituationen zu hinterfragen und durch
erfolgreichere Strategien wie Transparenz, Präsenz, Selbstkontrolle und Beharrlichkeit zu
ersetzen.
Wie Erziehung gelingen kann, wird im Hauptteil in sieben Kapiteln entfaltet, in denen vor
allem die Ankerfunktion als Grundprinzip betont wird. Es umfasst Aspekte wie: klare
Strukturen, Präsenz, wachsame Sorge, Selbststeuerung, Deeskalation, Wiedergutmachung,
Unterstützung durch andere und Widerstand statt Strafe.
Zielgruppe dieses Erziehungsratgebers sind natürlich Eltern von Kleinkindern und
Jugendlichen; er könnte sich vor allem für Alleinerziehende und Eltern in schwierigen
Erziehungssituationen (z. B. potentielle ‘Helikoptermütter‘ oder Kinder mit
Aufmerksamkeitsdefiziten) als hilfreich erweisen. Gelingt der komplexe und gewiss nicht
immer einfache Erziehungsprozess, dürfen sich starke Eltern jedenfalls über das freuen, was
ihnen am meisten am Herzen liegt: starke Kinder!
(Georg Vollmer)
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