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Post on 06-Apr-2015
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Was ist Terrorismus? – Zur Historischen Einordnung politisch motivierter Gewalt
Thomas Kolnberger
RV Fundamentalismus und Terrorismus – Zur Geschichte und Gegenwart radikalisierter Religion WS 2007/08, 2. Vorlesung
DER SPIEGEL Nr. 28, 9.7.07, S.21
TERROR = „Angst und Schrecken bereitendes Geschehen“
terrorisieren = „Terror ausüben, rücksichtsloses Vorgehen“
K a m p f b e g r i f f
Terrorismus
polemischer Allerweltsbegriff
Schlagwort für Agitation u. Denunziation
Übertreibungs-kategorisierung
Staatsterror
Wissenschaftliche Kategorisierung, Definitionsversuch
jeweils spezielle politische Strategie
STAATSTERRORForm der Herrschaftssicherung unter Missachtung internationaler Gepflogenheiten, Menschenrechtsstandards und der staatlichen Schutzfunktion gegenüber den BürgerInnen, das Rechtstaatlichkeitsprinzip wird ausgesetzt
TERRORISMUSForm der politischen Aufmerksamkeitserregung
asymmetrischen Machtverhältnis
konträre Zielsetzung
Eigene Exekutivorgane
A g e n t e n
Paramilitärs / Kontras
Geheimdienst
„staatl. geförderter Terrorismus“ als Form von verdeckter Außenpolitik
„von oben, direkt gegen Individuen und Gruppen der eigenen (oder fremden) Zivilbevölkerung aus politischen Gründen“
„von unten, direkt gegen Individuen/Gruppen aus politischen Gründen“ um eine Reaktion der Staatsseite zu erwirken“
Attentat - der „Versuch“ (von lat. attemptare / tempare) ist die primäre Öffentlichkeitsarbeit des Terroristen
„Es ist der von Einzelnen oder Verschwörergruppen mit geringen Mitteln unternommene,durch Geheimhaltung, List und Überraschung aussichtsreiche und dennoch unkalkulierbare Anschlag auf eine führende Persönlichkeit oder eine Versammlung, auf ein repräsentativesBauwerk oder Fahrzeug, meist mit Tötungsabsicht, selten ohne Todesfolgen. Das Motiv ist gewöhnlich im weiteren Sinne politisch, bisweilen Ruhmsucht oder einfach Rache. (...)Das Attentat ist formlos, widerrechtlich und hinterhältig, anders als die konventionalisiertenKonflikte des vereinbarten Duells oder des erklärten Kriegs. Wenn Privatleute AttentateVerüben, reflektieren sie auf ein »höheres Recht«, sehen sich im Dienste einer »Idee«.Scheitern sie für eine gute Sache, so werden sie Märtyrer; haben sie Erfolg, so werden sie Helden; beidesmal erhalten sie Standbilder. War das Opfer unschuldig, wird dieses verklärt.Sein Tod wird zum Fanal.Das Attentat liegt auf der Grenze zwischen Politik und Kriminalität und ist auf der Skala zwischen Heimtücke und Notwehr, zwischen Abscheu und Bewunderung unterschiedlichsten Deutungen ausgesetzt.”
Alexander Demandt: Das Attentat als Ereignis, in: derselbe (Hg.) Das Attentat in der Geschichte, Erfstadt 2003, 449.
t e r r o r indirekte Wirkung
violentia direkte
Wirkung
G r o ß e s W e l t t h e a t e r
K l e i n e B ü h n e
Eifersuchtsmord
Mafiamorde gegen Richter in Palermo
München 1972
Gangmorde in L.A.
RAF
Rote Brigaden u.a.
„9/11“
Das Attentat als Öffentlichkeitsarbeit zwischen ...
„Was heißt Terrorismus
Unser Definitionsvorschlag lautet: Unter Terrorismus sind planmäßig vorbereitete,schockierende Gewaltanschläge gegen eine politische Ordnung aus dem Untergrund zu verstehen. Sie sollen vor allem Unsicherheit und Schrecken verbreiten, daneben aber auch Sympathie und Unterschützungsbereitschaft erzeugen.“
Peter Waldmann: Terrorismus - Provokation der Macht, Hamburg² 2005, 12.
Arbeitshypothese / Idealtypus zum Terrorismus
Peden M., McGee K., Krug E. (Eds). Injury: A leading cause of the global burden of disease, 2000. Geneva, WHO (World Health Organization), 2002.
Terrorismus ist ein politisches Phänomen der Moderne
S e i t w a n n i s t T e r r o r i s m u s m ö g l i c h ?
Fragen zur „hardware & software“ des Terroristen:
- seit wann können einige wenige großen Sach- u. Personenschaden anrichten? (technische Schlagkraft konspirativer Gruppen)
- seit wann gibt es Mittel und Wege der Publizität, um den „interessierten Dritten“ im großen Umfang zu erreichen? (Reichweite über die vormodernen regionalen und „face-to-face-societies“ hinaus)
- seit wann sind die technischen Voraussetzung für hohe räumliche Mobilität gegeben? (Transport, neue „Frei- u. Rückzugsräume“ bei gleichzeitiger „Schrumpfung der Welt“)
Die große Transformation in die „Moderne“
Mitte 18. Jahrhundert
Mitte 19. Jahrhundert
Französische Revolution 1789
Aufklärung / Enlightenment
Industrialisierung
Fortschrittsglaube – Individualisierung – Rationalität – Säkularisierung - Autonomie
„S A T T E L Z E I T“
nach Reinhart Koselleck
Vormoderne Widerstandsphänomene
Revolten
Prozesse
Attentate
K o l l
e k t i
v e
E b
e n e
Aufruhr
Aufstände
I n d
i v i d
u e l
l e
E b
e n e
anarchistisch anti-kolonial marxistisch religiös
19. Jahrhundert bis 1. Weltkrieg Nach 2. Weltkrieg 1960/70/Mitte 80er-Jahre
1990er-Jahre
Die vier Wellen des modernen Terrorismus
1 2 3 4
sozial-revolutionär
ethnisch-nationalistischreligiöser rechtsradikal
separatistischlinksradikal fundamentalistisch
nach: David C. Rapoport (Hg.): Terrorism - Critical Concepts in Political Science, London - New York 2006Volume I - The First or Anarchist WaveVolume II - The Second or Anti-Colonial WaveVolume III - The Third or New Left WaveVolume IV - The Fourth or Relitious Wave
Spielarten und Kategorien
„Propaganda der Tat“ (Piotr Kropotkin)
„Goldene Zeitalter“ des Attentates
„1890er - das Jahrzehnt der Bomben“
„revolutionärer Katechismus“ + terroristische Handbücher („La salute è in voi“)
„Stellvertreterkrieg“: Staatsmacht – Intelligentsia
16. September 1920 - Anschlag auf die Wallstreet
Vom Einzelattentat zu Massenanschlägen + Symbolorten
Die erste oder anarchistische Welle
Die zweite oder ethno-nationale Welle
Die zäheste und „traditionellste“ Form
Meist ein „Zweifrontenkrieg“: Terrorismus + Guerilla bzw. politische Arm der Gruppe
Teil antikolonialer Befreiung- / Unabhängigkeitsbewegungen
Politische Lösung nur in Rahmen einer symmetrischen / anerkannten Partnerschaft zum Frieden
„klassische“ / idealtypische Terrorismus
Gründerzeit zwischen 1965 – 1975
Sehr selektive Anschläge (Personen – Symbolorte)
Der „interessierte Dritte“ ist meist ratlos
Die Weltöffentlichkeit als Ressource
Die dritte oder linke/marxistische Welle
- uneingeschränkte Großanschläge / nie da gewesene Kollateralschäden
- interpretative Leerstelle / Bekennerschreiben
- fehlende staatliche „Tauschgut“ (Jean Baudrillard)
- globale, „atmosphärische Veränderung“ (C. Six) für die Provokation einer (überzogenen) Gegenreaktion
Die vierte oder religiöse Welle
P o l i t i k
I l l e g a l i t ä t
Terrorismus als zentraler Link und „transitorisches Wesen“
Politik
Illegialität
Das Attentat in der Vormoderne ist „legitimierter Hochverrat“
(Sven Felix Kellerhoff)
- Der Staat beansprucht das Gewaltmonopol im Rahmen der Gewaltenteilung in Exekutive, Legislative und Judikative
- In repräsentativen Demokratien ist die friedliche Abwahl / Bestätigung der Regierung in periodischen Abständen möglich
- Mittel der direkten und indirekten Demokratie (Volksabstimmung, Streik usw.)
- Gründung politischer Parteien, Interessenvertretungen, Gewerkschaften
„Terror ist nichts anderes als strenge und unbeugsame Gerechtigkeit. Er ist eine Offenbarung der Tugend. Der Terror ist nicht ein besonderes Prinzip der Demokratie, sondern er ergibt sich aus ihren Grundsätzen, welche dem Vaterland als dringendste Sorge am Herzen liegen muss.“
(Maximilien Robespierre vor dem Nationalkonvent 1794)
- Historische ist Staatsterror(ismus) / Regimeterror das ältere Phänomen
- gezielte Unterdrückungsmaßnahmen von Regimegegnern „Terror von oben“
- der Ressourcenstarke (Staat) bekämpft Schwächere
- Den Schergen des Regimes/Staats erwachsen unmittelbar keine rechtlichen Konsequenzen
-die Aktionen sind direkt, d.h. wollen die Gegner neutralisieren, die daraus erwachsenden abschreckende Wirkung ist sekundär
- Staatsterrorismus dient der Aufrechterhaltung / Schaffung einer gesellschaftlichen „Ordnung“ als systematisches, aber außerordentliches Mittel („vigilantistisch“)
„Dem einen ein Terroristen, dem anderen ein Freiheitskämpfer“
(geflügeltes Wort)
- der terroristische Akt ist im Gegensatz zum einer kriminellen Gewalttat niemals banal (abgesehen von terroristischer „Beschaffungskriminalität“)
- Terrororganisationen haben in der Regel keine erkennbaren, dauerhaft stabilen „Herrschaftsstrukturen“
- organisiertes Verbrechen ist ein Schmarotzer legaler Strukturen, es versucht sich zu arrangieren oder seine Lage gezielt zu verbessern
- es gibt keinen „interessierten Dritten“
-- Wahlverwandtschaft vor allem in der Bekämpfung (Terrorismus als Strafverfolgung, nicht als „Krieg“)
„Guerillas wollen den Raum, Terroristen das Denken besetzen“
(Franz Wördemann)
- Die Guerilla (der „kleine Krieg“) versucht sich den Status eines regulären Kombattanten zu geben (offenes Tragen der Waffen, rudimentäre Uniformierung)
- Die Guerilla (als politische Einheit) ist nicht mit Guerilla-Taktik / -Strategie zu verwechseln (Übergang „Regulär“ zu „Irregulär“
- Ziel sind die gegnerischen Truppen, militärische / para-militärische Einheiten und Einrichtungen, nicht Zivilisten
- Mittel: direkte Aktion & Anerkennung durch die Zivilbevölkerung
- aus eigner Kraft soll der Machtwechsel auf Staatsebene vollzogen werden
„Zur Kriegführung braucht man dreierlei: ersten Geld; zweitens Geld und drittens Geld.“
(Feldmarschall Maurice Comte de Saxe, 1696-1750)
- Der Warlord ist ein moderner Kriegsunternehmer, er zieht die Ressourcen eines / mehrerer Landesteile eines / mehrer Staaten auf sich.
- Die Übernahme des Staates / der Staatsmacht ist kein primäres Ziel.
- Selbsterhalt und Einkommenssicherung als Selbstzweck – das politische Ziel wird dem Existenziellen untergeordnet
Das Erregen von Aufmerksamkeit: Schock, Horror, Angst oder Abscheu
Die Botschaft verstehen, was wollen die Terroristen?
Kampf oder Flucht?
Die Reaktion
Der terroristische Prozess
nach: Charles Townshend: Terrorism. A very short introduction, Oxford 2002.
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