wie aus zeitgenössischen quellen moderne karten entstehen
Post on 29-Nov-2021
0 Views
Preview:
TRANSCRIPT
Die aktuelle Karte
2.
4.
9.
2. A.
H.Gr. Mitte
3. Pz.A.
16. A.
16.
H.Gr. Nord
3.
4. A.
H.Gr. Mitte
9. A.
H.Gr. Nordukraine
XXXXX
XXXXX
XXXXX
XXXXX
H.Gr.Nord
4.
XXXXX
XXXXX
3. Balt.Front
1. Balt.Front
6. Gde. 43.
39.
5.
5. Gde.
11. Gde.
31.
33.
49.
50.
3.
48.
65.
28.
61.
70.
69.
1. Stoß
10. Gde.
3. Stoß
22.
47. 8. Gde.
2.
XXXXX
XXXXX
XXXXX
XXXXX
VII. Gde.Kav.K.
XI. Pz.K.
II. Gde.Kav.K.
K.mech.Gr.
I. Gde.Pz.K.
IX. Pz.K.
II. Gde.Pz.K.
K.mech.K.
I. Pz.K.
2. Balt.Front
3. Weißruss.Front
2. Weißruss.Front
1. Weißruss.Front
1. Ukrain. Front
4. Stoß
22.6.
22.6.
22.6.
28.6.
28.6.
4.7.
4.7.
17.7.
17.7.
17.7.
31.7.
31.7.
31.7.
29.8.
29.8.
29.8.
Berezina
Dnepr
Volga
Pripjat’
Neman
Dvina
Sluč
Weichsel
Warthe
Bug
Pripjat’
Desna
Lovat’
Velikaja
Bug
Memel
DorogobužDnepr
Narew
Neris
Berezina
Des
na
Dv
ina
Windau(Ventspils)
Tuckum(Tukums)
Cholm
Mitau (Jelgava)
Memel
Kreuzburg(Krustpils)
Toropec
Tilsit
Insterburg
Wilkomir(Ukmerge)
Polock
Lepel’
Marijam- polé
Rastenburg
Lyck
Vjaz’ma
El’nja
Novogrodek
Slonim
Berezino StaryiBychov
Roslavl’
Klincy
Luninec
Kobrin
Garwolin
Molodečno
Minsk
Orša
Smolensk
Vitebsk
Wilna(Vilnius)
Grodno
Brest-Litovsk
Pinsk
Sarny
Mozyr’
Gomel’
BobrujskRogačev
Sluck
Petrikov
Mogilev
Borisov
Dünaburg(Daugavpils)
Nevel’
Velikie Luki
RIGA
Königsberg
WARSCHAU
Kowno (Kaunas)
Ulla
Radom
Tannenberg
ElbingDanzig
Marienburg
GraudenzKulm
Thorn
Hohensalza
Kutno
BielskPodlaski
Siedlce
Modlin
WarkaKalisz
WieluńKorosten’
Kovel’LublinPriluki
Kiev
O S T S E E
( L i t a u e n )
( L e t t l a n d )
S O W J E T U N I O N
( P o l e n )
D E U T S C H E S
R E I C H
Veliž
Opočka
Ržev
Rositten(Rēzekne)
Wenden(Cēsis)
Libau (Liepāja)
Schaulen(Šiauliai)
Schirwindt
Ostrów
Ciechanów
Černobyl’
Černigov
Nežin
Kričev
Baranoviči
Pružany Quelle: OKH, Lagekarten 22.6.,17.7., 31.7., 29.8.1944,BA-MA, Kart RH 2057/1064,1089, 1104, 1140.
0 20 40 100 km60 80 ZMSBw04489-24©
Operation „Bagration“ - Die sowjetische Offensive gegen die Heeresgruppe Mitte (22. Juni bis 29. August 1944)
Abb. 1
Wie aus zeitgenössischen Quellen moderne Karten entstehen:Die sowjetische Operation „Bagration“ im Zweiten Weltkrieg
In der heutigen Ausgabe der „aktuellen Karte“ steht der Herstellungsweg einer komplexen thema-tischen Karte mit militärhistorischem Inhalt im Mittelpunkt. Wir haben deswegen ein anschauliches Beispiel aus unserem umfangreichen Veröffentlichungskatalog ausgewählt, um den überaus inter-essanten Herstellungsprozess zu erläutern.
Zum Verständnis der auf der Karte dargestellten Zusammenhänge ist es zunächst hilfreich, sich einwenig mit der Thematik Operation „Bagration“ vertraut zu machen. Diese nach dem russischen Ge-neral Pjotr. I. Bagration (1765 –1812) benannte sowjetische Offensive gilt als die schwerste und ver-lustreichste Niederlage der deutschen Militärgeschichte. Anfänglich am 22. Juni 1944 nur mit demZiel der Rückeroberung der weißrussischen Hauptstadt Minsk begonnen, entwickelte sich daraus einumfassender operativer Erfolg der sowjetischen Streitkräfte, der zum vollständigen Zusammenbruchder deutschen Heeresgruppe Mitte führte. Erst Ende August 1944 konnte die sowjetische Offensivean der Weichsel, an den Grenzen Ostpreußens und bei Riga vorläufig aufgehalten werden, doch
1
Die aktuelle Karte
die während dieser Kämpfe erlittenen Verluste vermochte die Wehrmacht nicht mehr auszugleichen.Somit hatte die Operation „Bagration“ – zusammen mit der zeitgleichen Niederlage in der Normandie –einen nachhaltigen Einfluss auf die weiteren militärischen und politischen Entwicklungen, denn nunwar die totale deutsche Niederlage endgültig unausweichlich geworden. Der Aufstand der polnischenHeimatarmee vom 1. August bis 2. Oktober 1944, der Umsturzversuch vom 20. Juli und die Befreiungder ersten Konzentrations- und Vernichtungslager sind indirekte Folgen dieser entscheidendenKampfhandlungen gewesen.
Die vorliegende Karte ist in Band 8 unseres Reihenwerks „Das Deutsche Reich und der Zweite Welt-krieg“ 2007 erschienen und bietet als Klappkarte eine Gesamtübersicht zur Operation „Bagration“.Hierbei steht die geografische Verortung von zeitdynamischen Abläufen im Vordergrund. Wie bei ei-nem Trickfilm soll der Nutzer anhand mehrerer Zeitschnitte die Entwicklung der Frontlinie und die Be-wegung der militärischen Einheiten nachvollziehen können (siehe Abbildung 1). Deswegen sind, wiein den militärischenDarstellungen weithin üblich, die Kontrahenten erst einmal mit unterschiedlichen Far-ben versehen worden (deutsche Einheiten blau, sowjetische Einheiten rot). Um den Vormarsch der sow-jetischen Verbände zu illustrieren, wurde die Flächenfarbe rot von der Ausgangslage (22.6.1944) biszur Endlage (29.8.1944) aufgehellt. In diesem Zwischenbereich werden vier weitere Frontlinien dar-gestellt (28.6.1944, 4.7.1944, 17.7.1944 und 31.7.1944) wobei die zugehörigen Bewegungspfeile inder Helligkeitsabstufung korrespondieren. Die Darstellung der Einheiten und der Armeegrenzen orien-tiert sich am Duktus der damals in der Wehrmacht genutzten Zeichen. Hierbei ist es wichtig, die un-terschiedliche Kampfkraft von sowjetischen und deutschen Armeen zu kennen, da eine Armee derWehrmacht in diesem Zeitraum eine größere Kampfstärke gegenüber einer sowjetischen Armee hatte.
Die Grafik wurde damals digital mit dem Zeichenprogramm Freehand hergestellt. Als Vorlage fürdie geografisch und thematischen Inhalte diente die deutsche Lagekarte 1:1 Million vom 29.8.1944,welche um die weiteren Inhalte aus den Lagekarten vom 22.6., 4.7., 17.7., 31.7. ergänzt wurde(siehe Abbildung 2). Dieser Maßstab bietet einen Überblick über fast die gesamte Ostfront und kamim Oberkommando des Heeres als eine wichtige Entscheidungsgrundlage zur Anwendung. Die vielenuntergeordneten Einheiten lieferten damals beständig Informationen an die höhergestellten Truppen-teile, die dann mit hohem Aufwand täglich neu Eingang in die Darstellung der Gesamtlage fanden.Auf niedrigerer Heeresgruppen-Ebene war eine Darstellung im Maßstab 1:300 000 üblich, die mehrDetails aufnehmen konnte.
Je nach Maßstab und Zweck ergab sich damals eine herstellerisch anspruchsvolle Aufgabe, da dieExemplare für die Endfassung der Lagekarten aus zusammen geklebten und thematisch bedrucktentopografischen Einzelkarten bestanden, die dann fertig montiert ungewöhnliche Größen und Formenannehmen konnten. Manche dieser Karten sind deswegen bis zu neun Quadratmeter groß, besitzenKlappelemente und sind für den Transport individuell gefaltet worden. Anhand der unterschiedlichenPapierqualitäten kann man auch die verschiedenen Phasen der Kriegsmangelwirtschaft gut erken-nen. Aufgrund der zeitweilig kritischen Sicherheitslage wurde die Herstellung mitunter in mobilenEinheiten auf die Schiene verlegt (siehe Abbildungen 3 und 4).
2
Die aktuelle Karte
Lagekarten wurden also in der Wehrmacht für verschiedene Entscheidungsebenen in unterschied-lichen Maßstäben hergestellt und stellen somit ein Zeugnis des damaligen Lageüberblicks dar,allerdings konnten verschiedene Faktoren (wie zum Beispiel die unklare Aufklärungslage) zu einerverzerrten Darstellung der Realität führen. Deswegen ist es wichtig, die Inhalte der deutschen Lage-karten mit Hilfe anderer historischer Dokumente (wie zum Beispiel Kriegstagebücher oder auchLagekarten der Kriegsgegner) zu überprüfen.
Ein Teil der deutschen Lagekarten des Zweiten Weltkrieges hat den Krieg mehr oder weniger gutüberstanden. Diese Lagekarten werden im Bundesarchiv, Abt. Militärarchiv in Freiburg i. Br. aufbe-wahrt und können unter bestimmten Voraussetzungen für die zeitgeschichtliche Forschung genutztwerden. Die digitale Aufbereitung für die interessierte Öffentlichkeit wird zur Zeit durchgeführt undwird noch einige Zeit beanspruchen. Durch die Unhandlichkeit und Größe dieser Karten ergebensich für die Rahmenbedingungen einer Digitalisierung erhebliche Abweichungen zu anderenhistorischen Quellen. Darüberhinaus befinden sich auch einzelne Exemplare in Privatbesitz oderwerden von anderen staatlichen Institutionen (z.B. ZMSBw) gesammelt.
Um eine wissenschaftlich fundierte, thematische Karte herzustellen sind Informationen zur zeitge-nössischen Topografie ebenso notwendig wie solche zu den themenbasierten Eintragungen (meistmilitärtaktischer Natur). Beide Arbeitsfelder verlangen belastbare, wissenschaftlich verwertbareQuellen, die aus zeitgenössischen Lagekarten und/oder anderen zeitgenössischen Quellen bestehenkönnen. Anhand dieser Quellen wird zunächst eine neue topografische Kartengrundlage erarbeitet,deren Inhalt und Detaillierung an den thematischen Karteninhalt und das Kartenformat für die je-weilige Veröffentlichung angepasst wird. In dieser Phase (Generalisierung) wird beispielsweise fest-gelegt, ob das gesamte Straßennetz dargestellt wird oder ob nur bestimmte, für den thematischenInhalt wichtige Hauptstraßen eingezeichnet werden.
Nach der Fertigstellung der neuen topografischen Kartengrundlage erfolgen dann die thematischenEintragungen. Dabei ist es entscheidend, ob es sich um eine Karte mit einer statischen Darstellunghandelt, die einen bestimmten Zeitpunkt darstellt, oder um eine Karte mit einer dynamischen Dar-stellung, welche die Lage zu einem bestimmten komplexen militärischen Vorgang über einen länge-ren Zeitraum vermitteln soll. Bedingt durch das gewählte Kartenformat muss auch hier eine Gene-ralisierung stattfinden, um die Thematik möglichst genau, jedoch in lesbarer und verständlicher Formdarzustellen (siehe Abbildung 5 und 6).
Aus diesem Grund kann es auch notwendig sein, militärische Einheiten/Verbände und deren Bewe-gungen, die in der Quelle sehr detailliert dargestellt werden, in der neuen Karte hierarchisch zusam-menzufassen. Ist in der Quellenkarte beispielsweise eine Division mit ihren drei bzw. zwei Regimen-tern und den jeweiligen Bewegungen eingezeichnet, kann es sein, dass es zum besseren Verständ-nis der Gesamtage notwendig ist, nur die Division selbst und deren Bewegungen vereinfacht darzu-stellen. Die Herstellung einer solchen Karte erfordert also immer wieder das Abwägen zwischenDetailtiefe und Lesbarkeit unter gleichzeitiger und ständiger Beachtung der zeitgenössischen Quellen
3
Die aktuelle Karte
sowie der wissenschaftlichen Forschungsergebnisse der Fachautoren.Die Herstellung von themati-schen Karten, die sich mit historischen Ereignissen befassen, verursacht nicht selten einen erhöhtenAufwand im Hinblick auf die Verwendung geografischer Bezeichnungen. Geografische Namensollten sich im Haupttext und in der begleitenden Karte nicht unterscheiden, um Verständnisproble-men vorzubeugen. Da in den zeitgenössischen Quellen die damals gebräuchlichen Benennungenverwendet wurden, muss ein Abgleich mit einer für die jeweilige Publikation vorher festgelegtenRegelung erfolgen (siehe Abbildung 5 und 6).Hierbei sind für die Schreibweisen grundsätzliche Entscheidungen zu fällen (zum Beispiel wissen-schaftlicheTransliteration oder Transkription- in der obigen Karte wurde die Transliteration verwendet).Die grafische Darstellung zeithistorischer Prozesse kann in dieser Hinsicht kuriose Lösungen erfor-dern, da Ereignisse die das Staatsgebiet verändern auch (unter Umständen mehrfache) Auswir-kungen auf die Schreibweisen von geografischen Bezeichnungen haben können.
Bernd Nogli
Die Erstveröffentlichung der Karte und weitere Informationen finden Sie in: Das Deutsche Reichund der Zweite Weltkrieg, Bd 8: Die Ostfront 1943/44. Der Krieg im Osten und an den Nebenfronten. Mit Beitr. von Karl-Heinz Frieser, Klaus Schmieder, Klaus Schönherr [u.a.]. Im Auftrag des Militär-geschichtlichen Forschungsamtes hrsg. von Karl-Heinz Frieser, München 2007
4
top related