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“Zu wenig Plättchen”
11. Schwyzer Symposium für Innere Medizin
26.10.2017
Dr. med. Sabine Ruosch-Girsberger
Zu wenig Plättchen
Wie gehe ich vor??
Schlüsselfragen
1. Liegt tatsächlich eine Tc-Penie vor?• Definition Tc-Penie, “Falsche” Thrombopenie
• Erste diagnostische Schritte
2. Was ist die Ursache der Tc-Penie?• Peripherer Verbrauch vs. Bildungsstörung
• Diagnostische Schritte und Hints mit Fallbeispiel
3. Notfallmässiger Handlungsbedarf? • Einschätzung des Blutungsrisiko
• Situationen mit akutem Handlungsbedarf
Thrombopenie
Definition Thrombopenie: Tc < 150G/l• mild: Tc 100-150G/l
• moderat: Tc 50-100G/l
• schwer: Tc < 50G/l
• Normwerte = Mittelwert Gesunder +/- 2SD 2.5%
Gesunder haben per definitionem erniedrigten Wert
• Tiefere Referenzwerte bei nicht kaukasischen Ethnien(100 G/l – 150 G/l kann normal sein)
Neunert C, et al. Blood 2011;117: 4190-4207
“Falsche” Thrombopenie
American Society of Hematology et. al. Blood 2011
Tc-Aggregate
Pseudothrombopenie
• Aggregatbildung in vitro,
EDTA-induziert
• 0.1% - 2% aller Blutbilder
• kein Krankheitswert
• Messung der Tc mit
ThromboExact-Monovette
oder im Citratmilieu
Bobba RK, et. al. Blood 2012
Satelliten Phänomen
“Falsche” Thrombopenie
Abnorm grosse Tc
Geronnenes Blut
Sysmex academy
“Echte” Thrombopenie?
Blutbild mit manueller Beurteilung
Bestimmung Tc-Zahl mittels
ThromboExact Monovette oder Citratblut
Erster diagnostischer Schritt
Schlüsselfragen
1. Liegt tatsächlich eine Tc-Penie vor?• Definition Tc-Penie, “Falsche” Thrombopenie
• Erste diagnostische Schritte
2. Was ist die Ursache der Tc-Penie?• Peripherer Verbrauch vs. Bildungsstörung
• Diagnostische Schritte und Hints mit Fallbeispiel
3. Notfallmässiger Handlungsbedarf? • Einschätzung des Blutungsrisiko
• Situationen mit akutem Handlungsbedarf
Ursachen einer Tc-Penie
Peripherer Verbrauch Bildungsstörung
Zahlreiche Megakaryozyten im
KM “Megakaryozytäre Tc-Penie”Keine Megakaryozyten KM
“Amegakaryozytärer Tc-Penie”
Peripherer Verbrauch
Häufige Ursachen:
• Immunthrombopenie (ITP)
• Medikamente
• Disseminierte intravasale Gerinnung (DIC)
• Infekte, Sepsis
• Grosser operativer Eingriff
• Chronische Lebererkrankung
Peripherer Verbrauch
Splenisches Pooling bei
portaler Hypertonie
Verminderte
TPO-Produktion
Bildungsstörung
Tc-Penie bei chronischer
Hepatopathie
Mitchell O, et al. Hepat. Med. 2016;Apr15;8:39-50
Klassische Verteilungsstörung,
aber nicht nur….!
Peripherer Verbrauch
Häufige Auslöser immunologischer Tc-Penien
• Chinidin/Chinin (CAVE: Schweppes) • Carbamazepin, Valproinsäure
• TMP/SMZ • Rifampicin
• Aciclovir • Ranitidin
• Diclofenac, Ibuprofen • Paracetamol
• Thiazide • Heparine
• Furosemid • GPIIbIIIa-AntagonistenModifiziert nach Bartels M., et.al. Das Gerinnungskompendium, 2013
Medikamenten-induzierte Thrombopenie
Aber auch zahlreiche andere AB: Vancomycin, Pip/Tazo, Levofloxacin, Cephalosporine,
Amoxicillin, Ciprofloxacin, Metronidazol uvw.
• Zeitpunkt: i.d.R. 1-3 Wochen nach Therapiebeginn
• schwere Tc-Penie möglich
Bildungsstörung
Verdrängung• Leukämie
• Lymphom
• Tumor
Fehlende Produktion• Aplastische Anämie
• Chemotherapie
Ineffektive Produktion• Myelodysplastisches Syndrom
(MDS)
• Vitamin B12/Folsäure-Mangel
Knochenmarksfibrose• Primäre Myelofibrose
meist KEINE isolierte Tc-Penie
Diagnostische Hints
• Blutbildbeurteilung
• Zusatzlabor
• Anamnese/Status
• Klinischer Kontext
• Timing
Fallbeispiel26-jähriger Mann, bisher gesund, seit wenigen Tagen
Petechien an den Beinen und rez. Epistaxisepisoden, fühlt
sich ansonsten gut. Tc 7 G/l.
• Keine Vorgeschichte
• Bis auf Blutungszeichen unauffälliger Status
• Keine Medikamente
• Blutbild: Isolierte Tc-Penie (mittels ThromboExact bestätigt)
Immunthrombopenie (ITP)
Parameter Resultat
Hämoglobin 141 g/l
Reticulozyten 68 x 109 /l
Thrombozyten 7 x 109 /l
Leukozyten 7.5 x 109 /l
Neutrophile 4.0 x x 109 /l
Lymphozyten 2.1 x 109 /l
Monozyten 0.8 x 109 /l
Fallbeispiel41-jährige Frau, bisher gesund, seit ca. 4 Wochen
zunehmend müde und abgeschlagen, seit wenigen Tagen
Zahnfleischbluten und Epistaxis, neu auch Fieber. Tc 23G/l
• Keine Vorgeschichte
• Blutungszeichen + Zusatzbeschwerden
• Unauffälliger Status
• Keine Medikamente
Parameter Resultat
Hämoglobin 91 g/l
Hkt 0.22 l/l
Erythrozyten 2.74 x 1012/l
Thrombozyten 23 x 109 /l
Leukozyten 8.8 x 109 /l
Reticulozyten 43 x 109 /l
Parameter Resultat
Neutrophile 0.35 x 109 /l
Lymphozyten 1.1 x 109 /l
Monozyten 0.35 x 109 /l
Blasten 77 %
Akute Leukämie
Hints des Blutbildes
• Weitere Zytopenien
– spricht gegen ITP, mikrozytäre hypochrome Anämie einzig
akzeptierte zusätzliche Blutbildveränderung bei ITP
– ABER: mutlifaktorielle Genese der BB-Veränderung möglich!
• Lymphozytose
– reifzellige lymphoide Neoplasie
– Virale Infektion
• Makrozytose
– Myelodysplastisches Syndrom
– Vitamin B12/FS-Mangel
– Hepatopathie
Morphologische Hints
ASH, Image bank
Fragmentozyten, typischerweise bei TTP/HUSauch: DIC, maligne HT, dysfunktionale Herzklappen (Tc oft normal) , HELLP
metastasierendes Karzinom
Morphologische Hints
Dysplasie bei MDS
ASH, Image bank
Morphologische Hints
kleine, schmalzytoplasmatische
Lymphozyten mit marmoriertem
Kern bei CLL
Morphologische Hints
Riesenthrombozyt und Doehle-Körperchen bei
May-Hegglin-Anomalie
ASH, Image bank
Anamnestische Hints
Fragen Information
B-Symptome Zugrundeliegende Neoplasie
Blutungsanamnese Neue Veränderung vs. vorbestehend
Vorwerte des Blutbildes
Vorausgehender viraler Infekt (GI, respir.) Assoziation mit ITP
Neue Medikamente (auch pflanzliche!) Medikamentöse Thrombopenie
Autoimmunerkrankungen ITP
Ernährungsgewohnheit Alkohol? Quinine? Substratmangel?
Familienanamnese betr. Blutung/ Tc-
Penie
Kongenital
KG-Durchsicht Heparine? Antibiotika? Neue
Medikamente?
Reiseanamnese Malaria, Dengue, HIV, Hepatitis
Adaptiert nach Alberio L. Hämostaseologie 02/2013
Hints klinischer Kontext
Szenario Häufigste Ursachen DD
Ambulanter Patient ITP, medikamentös Infektion (HIV, HCV, CMV, EBV), Hypersplenismus/Hepatopathie, primäre KM-Erkrankung
Akut kranker Patient DIC, Sepsis, HIT, medikamentös TTP/HUS, Post-Transfusions-Purpura, Makrophagen-aktivierungssyndrom
Patient mit Thrombose HIT, Antiphospholipid-Syndrom PNH
Kardiale Patienten Operation, HIT, medikamentös(GpIIb-IIIa-Antagonisten)
TTP (Clopidogrel), andereMedikamente
Schwangerschaft SS-assoziierte Tc-Penie, ITP Präeklampsie, HELLP, TTP
Adaptiert nach Alberio L. Hämostaseologie 02/2013
• Medikamentös-induzierte Tc-Penie bei bis zu 25% der akut kranken Patienten!• Bei IPS-Patienten häufig multifaktorielle Genese: Medikamente, DIC, Sepsis,
chirurgische Eingriffe, vorbestehende Produktionsstörung
Klinische Hints
• Typische Klinik bei Tc-Penie:
– Haut- und Schleimhautblutungen
• Petechien und Ekchymosen
• Schleimhautblutungen: Epistaxis,
Menorrhagie
• GI- oder UGT-Blutung
• Selten ZNS Blutung
• Grosse Hämatome, Gelenkblutungen nicht typisch an (zusätzliche) Koagulopathie denken
Klinische Hints• Hautnekrose, Extremitätenischämie: es muss
nicht immer bluten!– HIT
• Nachblutung aus Punktionsstelle– DIC
• Lymphadenopathie/Splenonegalie– Lymphom
• Splenomegalie, Teleangiektasien, Ikterus, Palmarerythem– Leberzirrhose
• Typischer Nadir: Tc 40-80G/l
Hints bezüglich Timing
• Nach grossen Operationen: rascher Tc-Abfall, Nadir d1-4
(Verbrauch, Dilution)
• Nach Massentransfusion: sofortiger Abfall (Werte bis
50G/l möglich!)
• HIT: typischerweise d5-10 nach Beginn Heparin
• Medikamentös-induzierte Tc-Penie: meist innert 1-3
Wochen nach Beginn oder innert 2-3d bei Vorexposition
– GPIIbIIIa-Antagonist: Abfall meist innert Stunden
– Normalisierung nach 5-10d nach Sistieren des Medikamentes
Hints Labor
Ergänzendes Basis-Labor
Gerinnungsstatus inkl. D-
Dimere
DIC? Hepatopathie? HIT?
Hämolyseparameter, Creatinin TTP, Evans-Syndrom?
Leberwerte Hepatopathie?
Allfällige Zusatzuntersuchungen
Vitamin B12, Folsäure Substratmangel ?
ev. Serologie: HIV, HCV, CMV,
EBV, weiteres nach Klinik
Infektiöse/virale Genese
ev. ANA, Anti-ds-DNA Kollagenose?
ev. HIT-Ak HIT?
ev. Antiphospholipid-Ak Antiphospholipid-Syndrom?
Ursache ?
Blutbildbeurteilung und ergänzendes
Basislabor (Gerinnungsstatus inkl. D-Dimere,
Creatinin, LDH, Bili, GGT, ASAT, ALAT)
Anamnese/Status
Klinsicher Kontext
Timing
Ggf. weitere Zusatzuntersuchungen
Schlüsselfragen
1. Liegt tatsächlich eine Tc-Penie vor?• Definition Tc-Penie, “Falsche” Thrombopenie
• Erste diagnostische Schritte
2. Was ist die Ursache der Tc-Penie?• Peripherer Verbrauch vs. Bildungsstörung
• Diagnostische Schritte und Hints mit Fallbeispiel
3. Notfallmässiger Handlungsbedarf? • Einschätzung des Blutungsrisiko
• Situationen mit akutem Handlungsbedarf
Blutungsrisiko
• Risiko für Spontanblutung: Tc < 50 G/l
• Risiko lebensbedrohliche Blutung: Tc < 10-20 G/l
Blutungsrisiko bei Chemotherapie-induzierter Thrombopenie
Elting L, et.al. JCO 2001;19-1137-1146
Häufigste Todesursache:
zerebrale Blutung
Blutungsrisiko• Vorhersage alleine anhand Tc-Zahl aber
unmöglich!
• Blutungsrisiko ebenso abhängig von:
– Ursache der Tc-Penie• junge Tc bei ITP sind hämostatisch effizienter wie Tc in
hyporegenerativen Situationen wie z.B. bei MDS
– Funktion der Thrombozyten• Zusätzliche Thrombopathie (Medikamente wie ASS, NSAR
usw.; MDS)
– Komorbiditäten mit Blutungsrisiko
– Alter• Signifikanter Anstieg fataler Blutungen bei Alter > 60 Jahre
Unheil im Anzug
Hinweise auf mögliche Gefahrensituationen
• Tc-Penie und Anämie:– Mikroangiopathische Hämolyse, z.B. bei TTP
– Evans-Syndrom (Autoimmune Tc-Penie und AIHA)
Hämolysezeichen? Fragmentozyten?
• Tc-Penie und Gerinnungsstörung:– Disseminierte intravaskuläre Gerinnung (DIC)
– Koagulopathie bei akuter Leukämie, insbesonderePromyelozytenleukämie
Blasten? Klinsiche Auslöser für allfällige DIC?
• Tc-Penie (Tc-Abfall) unter Heparin– HIT
4-T-Score, falls 4-T-Score ≥ 4 HIT-Test
Notfallmässige Behandlung
• Thrombopenie mit lebensbedrohlicher Blutung
(meist anämisierend GI, zerebral)
• TTP
• Akute Leukämie, insbesondere Typ
Promyelozytenleukämie
• DIC mit Blutung
• HIT
“ Da steh ich nun, ich armerTor, und bin so klug als wie
zuvor ”
Vielen Dank
Transfusionstrigger
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