analyse des suchthilfesystems für substituierte mit ... · soziotherapie- richtlinien richtlinien...
TRANSCRIPT
KATHOLISCHE HOCHSCHULE NORDRHEIN-WESTFALEN,
ABTEILUNG KÖLN
Masterstudiengang (M.Sc.)
Analyse des Suchthilfesystems für Substituierte mit
Doppeldiagnosen und Beigebrauch im Hinblick auf die
Akzeptanzorientierung
– Handlungsempfehlungen für die fachtherapeutische und
sozialarbeiterische Praxis und die strukturellen Rahmenbedingungen. –
vorgelegt von:
Student: Susanne Miller
Studiengang: Master of science of addiction prevention and treatment
Fachsemester: 6.Semester
Matrikelnummer: 507468
Geburtsdatum: 15.01.1985
1. Prüfer: Prof. Dr Wolfgang Schneider
2. Prüfer: Prof. Dr Wolfgang Schwarzer
E-Mail: [email protected]
Berlin, den 12. Mai 2014
Inhalt
1 Einleitung................................................................................................................6
2 Opiatsubstitution...................................................................................................9
2.1 Definition und Klassifikation Opioidabhängigkeit............................................9
2.1.1 Epidemiologie.....................................................................................................10
2.2 Definition und Zielsetzung der Substitution.....................................................10
2.3 Substitutionsmittel.............................................................................................11
2.3.1 Methadon (Racemat) und Levomethadon(L-Polamidon)....................................12
2.3.2 Buprenorphin (Subutex)......................................................................................12
2.4 Rechtliche Rahmenbedingungen.......................................................................13
2.4.1 Betäubungsmittelgesetz und Betäubungsmittelverschreibungsverordnung ........13
2.4.2 Richtlinien Methoden vertragsärztlicher Versorgung .........................................14
2.4.3 BÄK-Richtlinien.................................................................................................14
2.4.4 Sonstige relevante Gesetze und Verordnungen....................................................15
2.5 Spannungsfelder durch die bestehenden Rahmenbedingungen........................15
3 Psychosoziale Betreuung.....................................................................................17
3.1 Definition und Zielsetzung................................................................................17
3.2 Wirksamkeit von PSB.......................................................................................19
3.3 Aktueller Diskurs über PSB als Zwang oder auf Freiwilligkeit .......................21
3.4 Zusammenarbeit zwischen den Beteiligten.......................................................23
3.5 Umgang mit Beigebrauch in der PSB ..............................................................23
3.6 „IMPROVE“ eine Befragung unter den Beteiligten.........................................24
4 Definition der Klientengruppe mit defizitären Behandlungsangeboten.........26
4.1 Beigebrauch.......................................................................................................26
2
4.2 Komorbiditäten ................................................................................................28
4.2.1 Persönlichkeitsstörungen....................................................................................29
4.2.1.1 Dissoziale Persönlichkeitsstörung...............................................................................30
4.2.1.2 Emotional instabile Persönlichkeitsstörung................................................................31
4.2.2 Affektive Störungen............................................................................................31
4.2.3 Neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen.......................................32
4.3 Ätiologische Ansätze für die Komorbiditäten...................................................35
4.4 Selbstmedikationshypothese.............................................................................37
4.5 Zusammenfassung.............................................................................................38
5 Abstinenzorientierte versus Akzeptanzorientierte Suchthilfe..........................39
5.1 Menschenbild....................................................................................................39
5.2 Ethisches Verständnis von Abhängigkeit in der aktuellen Entwicklung...........40
6 Ambulante versus stationäre Rehabilitation und Therapiemöglichkeiten bei Opiatabhängigkeit...............................................................................................46
6.1 Stationäre Rehabilitation...................................................................................48
6.1.1 Schwerpunkt Substitution und Komorbiditäten..................................................49
6.2 Ambulante Rehabilitation................................................................................49
6.2.1 Ambulante Rehabilitation und Substitution.........................................................51
6.3 Soziotherapie.....................................................................................................52
6.4 Psychotherapie..................................................................................................52
6.4.1 Psychotherapie und Substitution.........................................................................55
7 Handlungsempfehlungen innerhalb des bestehenden Suchthilfesystems für Substituierte.........................................................................................................58
7.1 Auf Ebene der Rahmenbedingungen der Substitution .....................................58
7.2 Auf Ebene der psychosozialen Versorgung der Klienten..................................59
7.3 Auf Ebene der Suchthilfeträger.........................................................................59
7.4 Auf Ebene der Kostenträger..............................................................................61
3
7.5 Auf Ebene der psycho- und suchttherapeutischen Versorgung.........................61
8 Ausblick: Ambulante Clearingtherapie bei Substituierten mit Doppeldiagnose unter Beigebrauch ..................................................................63
8.1 Zielsetzung........................................................................................................63
8.2 Zielgruppe.........................................................................................................64
8.3 Setting und Rahmenbedingungen der Clearingtherapie....................................64
8.4 Therapeutische Ausrichtung..............................................................................65
8.5 Einbettung in das bestehende Hilfesystem........................................................65
9 Fazit.......................................................................................................................67
10 Literaturverzeichnis..........................................................................................70
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Verzeichnis der Abbildungen
Abbildung 1: Haltenhof et. al. Übersicht Persönlichkeitsstörungen, 2009, S. 16
Abbildung 2: Fava und Keller, Stufenmodell der Agoraphobie, 1993, S.25
Abbildung 3: Fachverband Sucht e.V, Übersicht Suchthilfesystem,2006, S.3
Verzeichnis der Abkürzungen
PSB Psychosoziale Betreuung/Begleitung/Behandlung
SGT Substitutgestützte Therapie
CMA Chronisch mehrfach Abhängige
ICD 10 International Classification of Desease 10
BÄK-Richtlinien Richtlinien der Bundesärztekammer zur Durchführung der substituti-onsgestützten Behandlung Opiatabhängiger
BtMG Betäubungsmittelgesetz
BtMVV Betäubungsmittelverschreibungsverordnung
BÄK Bundesärztekammer
fdr Fachverband Drogen und Rauschmittel e.V
DHS Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.v
PST Persönlichkeitsstörung
PTBS Posttraumatische Belastungsstörung
BPS Borderline Persönlichkeitsstörung
APS Anti/Dissoziale Persönlichkeitsstörung
F xx Kapitel im ICD, xx Ziffer
SMA Suchtmittelabhängigkeit
Soziotherapie- Richtlinien
Richtlinien des Bundesausschusses über die Durchführung von So-ziotherapie in der vertragsärztlichen Versorgung
Psychotherapie-Richtlinie
Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Durchfüh-rung der Psychotherapie
DGS Deutsche Gesellschaft für Suchtmedizin
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Einleitung
1 Einleitung
In meiner beruflichen Tätigkeit in der Psychosozialen Betreuung von Substituierten
in Berlin und zuvor in der Drogenberatung in Freiburg hatte ich immer wieder Men-
schen in der Beratung, die etwas gemeinsam hatten: Die Betroffenen waren substitu-
iert und konnten, trotz unterschiedlicher Etappen im Suchthilfesystem und dem
Wunsch, ihren Beigebrauch nicht einstellen. Meist waren es Menschen, die eine oder
mehrere diagnostizierte psychische Erkrankungen hatten. Die Betroffenen äußerten
im Verlauf oft den Wunsch nach ambulanter Psychotherapie innerhalb ihres Lebens-
raums. Oft waren sie „therapiemüde“ und angstbesetzt, was die Aufgabe ihres Beige-
brauchs betraf, da dieser häufig für die Symptomlinderung ihrer Erkrankungen eine
Copingstrategie darstellte. Meist bestand der Wunsch entweder auf langfristige Sicht
keine zusätzlichen Substanzen zu konsumieren, bzw. bei Konsum, diesen bewusst
und gelegentlich haben zu können. Diese Wünsche sollten aus meiner Sicht in der
Suchthilfe respektiert und gefördert werden. Die Betroffenen sind die Spezialisten für
ihre Lebensentwicklung und sollten darin bestärkt, unterstützt und gefördert werden.
Wiederkehrend haben Klienten versucht, Psychotherapeuten zu finden, die mit Men-
schen mit Abhängigkeitserkrankungen arbeiten. Bisher ist es nicht gelungen, ein ent-
sprechendes ambulantes Psychotherapieangebot zu finden. Die Substitution stellt ein
Ausschlusskriterium dar, obwohl es seit einigen Jahren möglich ist, unter dieser eine
ambulante Psychotherapie zu beginnen. Sie ist jedoch nur möglich ohne zusätzlichen
Konsum und dem Willen, innerhalb eines vorgegebenen Zeitrahmens, clean zu sein,
also auch ohne Substitut. Diese Menschen konnten sich in ihren Lebenssituationen
nicht vorstellen, ohne Substitut zu sein und/oder ohne Beigebrauch - meist vor dem
Hintergrund vieler Versuche und bestehender psychischer Beeinträchtigungen. Hier
stellt sich die Frage, in wie weit die Vorgabe Abstinenz, die nach wie vor - trotz
großer Entwicklungen - immer am Ende einer Behandlung stehen soll, noch haltbar
ist.
Aufgrund dieser Erfahrungen entstand die Idee für diese Arbeit, in der eine Analyse
des bestehenden Suchthilfesystems vollzogen werden soll. Eine definierte Klienten-
gruppe von Substituierten mit Doppeldiagnosen und bestehendem zusätzlichen Kon-
sum steht im Mittelpunkt, allerdings sind einige Punkte allgemein zu betrachten.
Dazu kommen unterschiedliche Erfahrungen mit Mitarbeitern in der PSB, substituie-
renden Ärzten, Psychotherapeuten und Psychiatern, die immer wieder in unterschied-
6
lichen Kontexten bestätigt haben, dass zum einen Unterstützungsangebote fehlen und
für diese Klientengruppe passenden Therapieangebote innerhalb ihrer Lebenswelten
als defizitär betrachtet werden können.
Zusätzlich ist die Behandlung von Klienten in der Substitution, trotz vieler Gesetze
und Rahmenbedinungen, in der Praxis (auch innerhalb einer Stadt) so unterschied-
lich, dass es teilweise für die Klientengruppe nur mit Glück zu tun hat, ob sie weiter
behandelt werden. Oft ist auch ein regelrechtes „Ärztehopping“ zu beobachten, da
der zusätzliche Konsum, aufgrund der Doppeldiagnosen, nicht überwindbar ist.
Auch Innerhalb meines Teams ist mir wiederholt aufgefallen, wie hoch die Unsicher-
heit selbst bei Sozialarbeitern in der Praxis ist, was Fragen und Umgang mit psychia-
trischen Erkrankungen und konstantem zusätzlichen Konsum betrifft. Weiterhin kom-
men immer wieder z.B Haltungsfragen auf, die es aus meiner Sicht in der Praxis
nicht mehr geben dürfte.
In dieser Arbeit soll versucht werden Teilaspekte, die häufig losgelöst voneinander
betrachtet werden zusammenzuführen und so ein ganzes Bild zu bekommen. Es sol-
len aus der Analyse Handlungsempfehlungen auf unterschiedlichen Ebenen abgeleitet
werden.
Das folgende Kapitel wird sich mit der Opiatsubstitution beschäftigen. Es beinhaltet
eine Definition und Klassifikation von Opiodabhängigkeit, um dann auf die Zielset-
zung von Substitution einzugehen. Es findet eine Beschreibung und Auseinanderset-
zung mit den unterschiedlichen Gesetzen und Rahmenbedingungen statt, um Span-
nungsfelder herauszuarbeiten. Ein Punkt wird auch die Beschreibung der zulässigen
Substitutionsmittel sein, da diese im Kapitel 7 wieder aufgegriffen werden.
Da die Substitution mit einer PSB verbunden ist, und das somit die zwei Bereiche
sind, in denen sich Substitutierte befinden, wird diese im zweiten Kapitel genauer be-
schrieben. Sie wird definiert und auf ihre Wirksamkeit hin überprüft. Um die Hilfsan-
gebote für Substituierte zu ermitteln, ist es nötig zu beschreiben, welche Inhalte sie
mit sich bringen und welcher Diskurs bezüglich des Zwangs zur PSB, des zusätzli-
chen Konsums und der Zufriedenheit der Beteiligten besteht.
In einem nächsten Kapitel wird die betreffende Klientengruppe näher definiert. Hier-
bei sind die Schwerpunkte die bestehenden Doppeldiagnosen mit ihren Krankheits-
bildern und der damit einhergehende zusätzliche Konsum von psychotropen Substan-
7
Einleitung
zen. Um den Zusammenhang deutlich zu machen, wird auf ätiologische Ansätze und
die Selbstmedikationshypothese eingegangen.
In Kapitel 5 liegt der Schwerpunkt auf dem Akteur Soziale Arbeit, von dem die PSB
erbracht wird. Wie ist das Menschenbild im Bereich der Suchthilfe, auf das sich die
Soziale Arbeit bezieht und welches ethische Verständnis von Abhängigkeit besteht
aktuell. Diese Punkte sind für die Kapitel 6 und 7 relevant und werden daher ausge-
führt.
Im nächsten Kapitel geht es um einen Überblick der bestehenden Angebote im Sucht-
hilfesystem, um die Abhängigkeit zu „überwinden“, allerdings werden nur solche
aufgegriffen, die direkt mit der Sucht in Verbindung stehen. Angebote die unterstüt-
zend angenommen werden können, wie Begegnungsstätten, unterschiedliche Wohn-
formen oder arbeitsvermittelnde Maßnahmen werden nicht weiter aufgeführt.
Im 7.Kapitel werden die vorangegangenen Kapitel subsumiert, um Handlungsemp-
fehlungen für die Behandlung von Substituierten auf unterschiedlichen Ebenen zu
formulieren. Die Umsetzung der erarbeiteten Handlungsempfehlungen hätte jedoch
Auswirkungen für alle Substituierten, und somit sind diese nicht mehr nur für die de-
finierte Klientengruppe gültig. Jedoch sind sie aus der ursprünglichen Frage nach
fehlender Unterstützung für die Klientengruppe hervorgegangen.
Es geht um eine kritische Auseinandersetzung der vorhandenen Möglichkeiten, ei-
nem Abgleich mit Interessen der unterschiedlichen Akteure und dem Blickwinkel auf
eine Klientengruppe, bei der oft davon gesprochen wird, sie sei „behandlungsresis-
tent“.
Im vorletzten Kapitel soll ein Utopie-Ausblick auf eine Therapiemöglichkeit gegeben
werden, die denkbar wäre, würden sich die Handlungsempfehlungen umsetzen las-
sen. Dieser wird im Überblick dargestellt, weil es aus meiner Sicht die logische Kon-
sequenz für die Klientengruppe wäre.
Die Arbeit will einen Versuch darstellen, einzelne Bereiche zusammen zu führen, um
unabhängig von Professionen und Interessen, eine Basis zu bilden, einen defizitären
Hilfebereich auszugestalten. Es sollte durchgängig bedacht werden, dass es um eine
bestimmte Klientengruppe geht, die in den einzelnen Settings oft nicht gut ankom-
men kann, weil Überforderung und Unsicherheit bzw. ein Mangel an passenden An-
geboten besteht.
Die vorliegende Arbeit ist für die bessere Lesbarkeit in der männlichen Form ver-
fasst.
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2 Opiatsubstitution
Im folgenden Kapitel wird auf die Theorie zur Opiatabhängigkeit und Substitutions-
behandlung eingegangen. Eine Verortung innerhalb des rechtlichen Rahmens und
eine Herausarbeitung der Spannungsfelder in dessen sich die Substitution befindet.
Diese Grundlagen sind im Bezug auf den Hauptteil der Arbeit, welcher ab Kapitel 7
beginnt, von großer Bedeutung, da die Handlungsempfehlungen für das bestehende
Suchthilfesystem und den Rahmen für eine neue Therapiemöglichkeit daraus resul-
tieren.
2.1 Definition und Klassifikation Opioidabhängigkeit
Die WHO definierte Sucht im Jahr 1957 als einen Zustand periodischer oder chroni-
scher Vergiftungen, die durch den Gebrauch von Drogen hervorgerufen werden. Sie
legte Kriterien fest, die die Sucht genauer beschreiben. Dies sind der innerliche
Zwang eine Droge einnehmen zu „müssen“, eine Dosissteigerung, die aus der entste-
henden Toleranz hervorgeht, die psychische und physische Abhängigkeit und die
Schädlichkeit für das Individuum bzw. für die Gesellschaft. 1963 ersetzte die WHO
den Suchtbegriff durch den der Abhängigkeit. Da diese jedoch nur auf die stoffge-
bundenen Süchte abzielt, definiert Wanke 1985 Sucht folgendermaßen:
„Sucht ist ein unabweisbares Verlangen nach einem bestimmten Ergebniszustand. Diesem Verlangen werden die Kräfte des Verstandes untergeordnet. Es beeinträchtigt die freie Entfaltung der Persönlichkeit und zerstört die sozialen Bedingungen und die sozialen Chancen eines Individuums“ (Tretter, 2001, S. 424).
In Kapitel 5 wird erneut auf den Begriff der Abhängigkeit bzw. Sucht eingegangen,
da dieses auch in Verbindung zu einem vorherrschenden Menschenbild steht.
Substanzbezogene Abhängigkeiten werden im ICD10 (International Classification of
Desease) und im DSM IV definiert. Da im deutschsprachigen Raum meist das ICD
10 benutzt wird, wird es auch in dieser Arbeit als Diagnosegrundlage dienen. Das
ICD 10 definiert eine bestehende Abhängigkeit wie folgt:
„Eine Gruppe von Verhaltens-, kognitiven und körperlichen Phänomenen, die sich nach wiederholtem Substanzgebrauch entwickeln. Typischerweise besteht ein starker Wunsch, die Substanz einzunehmen, Schwierigkeiten, den Konsum zu kontrollieren, und anhaltender Substanzgebrauch trotz schädlicher Folgen. Dem Substanzgebrauch wird Vorrang vor anderen Aktivitäten und Verpflichtungen gegeben. Es entwickelt sich eine Toleranzerhöhung und
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Opiatsubstitution
manchmal ein körperliches Entzugssyndrom. Das Abhängigkeitssyndrom kann sich auf einen einzelnen Stoff beziehen (z.B. Tabak, Alkohol oder Diazepam), auf eine Substanzgruppe (z.B. opiatähnliche Substanzen), oder auch auf ein weites Spektrum pharmakologisch unterschiedlicher Substanzen. In letzterem Fall spricht man dann von Mehrfachabhängigkeit bzw. Polytoxikomanie“ (ICD 10, F 19.2,www.dimdi.de ).
Bei der Diagnose einer Abhängigkeitserkrankung müssen mindesten drei der oben
genannten Kriterien erfüllt sein und über 12 Monate bestehen.
2.1.1 Epidemiologie
Die deutsche Suchthilfestatistik aus dem Jahr 2012 führt 29.415 Personen an, die
sich aufgrund ihres Opiatkonsums in ambulante oder stationäre Behandlung begeben
haben. Somit ist dieser Personenkreis die zweitgrößte Gruppe nach den Cannabiskon-
sumenten, die sich in Behandlung begeben. Das Verhältnis von Männer zu Frauen be-
trägt 1:3,2(vgl. Steppan et al. , 2012).
Die Ginko-Stiftung der Landesstelle für Suchtvorbeugung in NRW geht von 60000-
80000 heroinabhängigen Menschen in Deutschland aus (vgl. Ginko, 2014).
Das deutsche Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMID)
geht 2007 aufgrund unterschiedlicher Datensätze von 92000-182000 Personen aus,
die problematischen Heroinkonsum betreiben(vgl. Busch et al., 2007). Allerdings
muss bedacht werden, dass sich diese Daten aus den unterschiedlichsten Statistiken
ergeben, welche von Polizei, Behandlungsstellen etc. kommen, die jeweils aus eige-
nen Blickwinkeln bzw. Zugangsmöglichkeiten heraus erhoben werden. Zudem ist
„problematischer“ Heroinkonsum nicht weiter definiert.
2.2 Definition und Zielsetzung der Substitution
In der Präambel der Richtlinien der Bundesärztekammer zur Durchführung der sub-
stitutionsgestützten Therapie formuliert diese, dass die Opiatabhängigkeit eine
schwere chronische Krankheit ist, die sich als behandlungsbedürftig darstellt.
Die Substitution soll,
• eine Behandlung darstellen, welche schrittweise zu einer Abstinenz führt und
somit einen verbesserten Gesundheitszustand zur Folge hat,
10
• eine Unterstützung sein, weitere bestehenden Erkrankungen behandeln zu
können, und
• die Risiken verhindern, die aufgrund einer Opiatabhängigkeit bei Schwanger-
schaft und Geburt bestehen können(vgl. Bundesärztekammer, 2010).
Die Umsetzung soll auf unterschiedlichen Ebenen statt finden, oft werden diese als
Zielhierarchie dargestellt.
• Sicherung des Überlebens,
• Reduktion des Beigebrauchs von zusätzlichen Suchtmitteln,
• gesundheitliche Stabilisierung und Behandlung von Begleiterkrankungen,
• Teilhabe am Leben in der Gesellschaft und am Arbeitsleben
• und der Opiatfreiheit(vgl. Bundesärztekammer, 2010).
Auf die einzelnen Punkte wird in der weiteren Arbeit wiederholt Bezug genommen,
da es nach wie vor als Ultimo Ratio gesehen wird, die Opiatfreiheit herzustellen und
es des öfteren so erscheint, als wären die weiteren Ziele weniger relevant und legitim.
Es muss die Frage gestellt werden wie sehr es auf unterschiedlichen gesellschaftli-
chen und politischen Ebenen gewollt ist, auch die anderen Ziele zu unterstützen und
zu fördern; immer auf der ethischen Grundlage, dass der Betroffene diese Unterstüt-
zung freiwillig in Anspruch nimmt. Auf die ethischen Fragen wird in Kapitel 5 diffe-
renzierter eingegangen.
Die deutsche Hauptstelle für Suchtfragen formuliert ethische Prinzipien für die Sub-
stitution, welche den gleichberechtigten Zugang für alle Betroffenen, die individuelle
Hilfeplanung, die vollständige Aufklärung und vor allem das Selbstbestimmungs-
recht der Betroffenen umfassen(vgl. DHS, 2010).
Eine Substitutionsbehandlung ist angezeigt, wenn eine manifeste Opiatabhängigkeit,
wie in Kapitel 2.1 definiert vorliegt.
Das zur Substitution eingesetzte Mittel hat die Funktion eines Heroinersatzstoffes,
und verhindert das Auftreten von Entzugserscheinungen für einen begrenzten Zeit-
raum(vgl. Tretter, 2008, Gschwinde 2007).
2.3 Substitutionsmittel
Es dürfen nur die in der Betäubungsmittelverschreibungsverordnung (BtMVV) zuge-
lassenen Substitutionsmittel eingesetzt werden. Das sind Methadon, Polamidon und
11
Opiatsubstitution
Buprenorphin(vgl. Bundesapothekerkammer, 2011). Seit 2009 ist auch eine Substi-
tution mit Diamorphin möglich. Auf diese wird aber nicht weiter eingegangen, da
sonst der Rahmen der vorliegenden Arbeit überschritten würde. Im folgenden werden
die Charakteristik der benutzten Substitutionsmittel beschrieben, da diese im Verlauf
der Arbeit noch zu bedenken sind (siehe Kapitel 8).
2.3.1 Methadon (Racemat) und Levomethadon(L-Polamidon)
Methadon kommt in 2 Formen vor, als d-Methadon und l-Methadon. Das verwendete
Methadon ist ein Racemat, dass aus 50% l- und 50% d-Methadon besteht. Das Le-
vomethadon besteht nur aus l-Methadon. Levomethadon, abgekürzt Pola hat bei glei-
cher Dosis eine doppelte Wirksamkeit. Zusätzlich ist es meist besser verträglich, da
es hochwertiger ist.
Beide Arten haben eine Halbwertszeit von etwa 24 Stunden, somit muss das Substi-
tutionsmittel täglich eingenommen werden. Es wird oral konsumiert und hat außer
den „klassischen Kick“ und ein abgeschwächtes Gefühl der Gleichgültigkeit die glei-
che Wirkung wie Opiate, dass heißt, es bringt eine schmerzlindernde, sedierende und
angstlösende Wirkweise mit sich. Die häufigsten Nebenwirkungen sind Müdigkeit,
Schwitzen, Schwindel, Libidoverlust, Konzentrationsschwierigkeiten, Schlafstörun-
gen und depressive Verstimmungen(vgl. Gschwinde, 2007).
Von zusätzlichem Gebrauch weiterer atemdepressiv wirkender Substanzen wie Ben-
zodiazepinen oder Alkohol, geht das höchste Gefährdungspotential aus(vgl. Tretter,
2008).
2.3.2 Buprenorphin (Subutex)
Buprenorphin ist in Deutschland seit 2000 als Substitutionsmittel zugelassen und
wird hauptsächlich zur Substitution von Kurzzeitabhängigen verschrieben. Zusätz-
lich können Klienten, die sich in einem niedrigen Dosisbereich von Methadon oder
Polamidon befinden, auf Buprenorphin umgestellt werden, da sich die Abdosierung
einfacher darstellt. Der Handelsname von Buprenorphin ist Subutex, oder als Kom-
binationspräparat mit Nalaxon, Suboxone. Beide Medikamente müssen sublingual
eingenommen werden. Buprenorphin hat je nach Dosierung eine längere Halbwerts-
zeit (1-3Tage), wodurch in gegebenen Fällen keine tägliche Einnahme nötig ist. Ein
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weiterer positiver Aspekt sind die geringeren Nebenwirkungen, Schwitzen, depressi-
ve Verstimmungen, Schlaflosigkeit etc. treten unter Buprenorphin in wesentlich ge-
ringerem Ausmaß auf(vgl. Gschwinde, 2007).
Buprenorphin hat im Gegensatz zu den anderen Substitutionsmitteln keine sedieren-
de Wirkung, somit sind die Betroffenen klarer und können eher ihren Tagesablauf
beibehalten. Allerdings gibt es eine große Gruppe von Klienten, die auf die sedieren-
de Wirkung nicht verzichten wollen bzw. können, da im Bezug auf die Doppeldia-
gnosen, die Dämpfung der Symptome oft als hilfreich empfunden wird(vgl.
Eugen,Gastpar, 2004).
2.4 Rechtliche Rahmenbedingungen
Die Substitutionsbehandlung findet in unterschiedlichen rechtlichen Rahmenbedin-
gungen statt, zwischen denen zum einen Spannungsfelder bestehen, und die zum an-
deren aus suchtpsychologischer Sicht nicht mit dem heutigen Wissensstand zur Ent-
wicklung und Aufrechterhaltung von abhängigem Verhalten konform sind. In einem
späteren Teil der Arbeit wird letzteres genauer dargestellt, zu Beginn liegt der
Schwerpunkt auf dem Spannungsfeld zwischen den Rechtsbereichen und Richtlinien,
da dieses die Praxis der Substitution teilweise erheblich erschwert.
2.4.1 Betäubungsmittelgesetz und Betäubungsmittelverschreibungsverordnung
Das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) ist ein Bundesgesetz, in dem der generelle Um-
gang mit Drogen geregelt ist. Es umfasst den Anbau, die Herstellung und den Handel
mit den dort aufgeführten Substanzen. Die Straftatbestände für diese Taten sind dort
ebenfalls festgelegt. Im Bezug auf die Substitution ist die Anlage III des BtMG, wel-
che die Regelungen für die verkehrsfähigen und verschreibungsfähigen Betäubungs-
mittel beinhaltet, die relevanteste. Im §13 Abs. 3 BtMG ist die Betäubungsmittelver-
schreibungsverordnung (BtMVV) zu finden(vgl. BtMG vom 9.Juli 2013, Weber,
Schröder-Printzen, 2009). Diese regelt die Abgabe und den Verkehr der aufgeführten
Substanzen sowie deren Höchstabgabemengen. Für die Praxis muss der substituie-
rende Arzt diese einhalten, da es sonst zu einem Straftatbestand kommen kann. Es
sind die Voraussetzungen festgelegt unter welchen der Arzt ein Substitutionsmittel
13
Opiatsubstitution
weiter verschreiben darf. Es ist verankert, dass er dieses nicht weiter verschreiben
darf, wenn er davon Wissen hat, dass der Patient
„...Stoffe gebraucht, deren Konsum nach Art und Menge den Zweck der Substitution gefährdet, oder das ihm verschriebene Substitutionsmittel nicht bestimmungsgemäß verwendet“(vgl. §5, Abs. (2), BtMVV).
Weiterhin wird auf die Vergabepraxis und auf die Take-Home-Regelung eingegangen
und diese genau vorgegeben.
Die BtMVV ist vor allem im Bezug auf die Häufigkeit von Beigebrauch und der rea-
listischen Umsetzung in der Praxis von Wichtigkeit. Die rigiden Regelungen des
BtMG stehen im Widerspruch zur Richtlinie der Bundesärztekammer(BÄK). Wie
sollen Ärzte nun in der Praxis verfahren. Diese Diskussion wird zum Ende des Kapi-
tels geführt werden.
2.4.2 Richtlinien Methoden vertragsärztlicher Versorgung
In den Richtlinien der Methoden vertragsärztlicher Versorgung werden Behandlungs-
methoden aufgenommen, die zu den vertragsärztlichen Leistungen zählen. Im 2. Ka-
pitel ist die substitutionsgestützte Behandlung Opiatabhängiger (kurz Substitution)
beschrieben. Die Grundlage ist die BtMVV und somit hat diese direkten Einfluss auf
die Substitutionspraxis. Die Inhalte sind in großen Teilen deckungsgleich mit der
BtMVV, jedoch werden hier Empfehlungen für die Praxis ausgesprochen und es han-
delt sich nicht um ein Gesetz. Jedoch besteht verpflichtender Charakter für die Leis-
tungserbringer der Versorgung(vgl. Gemeinsamer Bundesausschuss, 2013).
2.4.3 BÄK-Richtlinien
Die BÄK legt, anhand des aktuellen wissenschaftlichen Standes, Richtlinien zur Be-
handlung Opiatabhängiger in der Substitution fest. Diese Richtlinien sind für die sub-
stituierenden Ärzte verbindlich und finden ihre Grundlage im §5 Abs. 11 BtMVV.
Die letzte Fassung ist aus dem Jahr 2010, in der einige Punkte verändert wurden. Es
werden alle Rahmenbedingungen und Voraussetzungen für die Aufnahme einer Sub-
stitutionsbehandlung genau definiert. Ebenso die Beendigung und der Abbruch einer
substitutionsgestützten Behandlung.
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„Eine Substitutionstherapie ist zu beenden, wenn sie sich nicht als geeignet erweist, (wenn) sie mit einem fortgesetzten, problematischen Konsum anderer gefährdender Substanzen einhergeht“ (Bundesärztekammer, 2010, S.11).
Die Substitution soll Voraussetzungen für die Behandlung von Begleit- und Folgeer-
krankungen schaffen, welche die Abklärung von weiteren psychischen Erkrankungen
einschließt. Die Erstellung eines individuellen Behandlungskonzepts soll
erfolgen(vgl. Bundesärztekammer, 2010).
Auf weitere Details dieser Richtlinie wird im Verlauf der Arbeit immer wieder Bezug
genommen, um die Spannungsfelder, in denen sich die Behandlung von Substituier-
ten befindet, zu verdeutlichen und zum Schluss Handlungsempfehlungen (Kapitel 7)
daraus ableiten zu können.
2.4.4 Sonstige relevante Gesetze und Verordnungen
Es bestehen weitere relevante Vorschriften und Gesetze, wie die Arzneimittelrichtli-
nien, die Gebührenordnung für Ärzte oder die Regelungen über Weiterbildungen der
Ärzte, die hier der Vollständigkeit halber erwähnt werden sollen, aber keinen direkten
Einfluss auf die Thematik der Arbeit haben.
2.5 Spannungsfelder durch die bestehenden Rahmenbedingungen
Wie bereits erwähnt, steht das BtMG und die BtMVV mit den Richtlinien der BÄK
im Widerspruch. Jellinek beschreibt die Substitutionspraxis als erfolgreich, diese
habe aber ein Problem mit der Gesetzeslage. Im BtMG wird der Beigebrauch nicht
gewertet, in der Praxis müsse aber der Beigebrauch individuell bezogen auf die Be-
handlungsziele unterschiedlich gewertet werden. Ein Behandlungsfehler wird durch
das BtMG zum Straftatbestand, er müsse aber wie in anderen Fachgebieten der Medi-
zin auch „nur“ als ein solcher gewertet werden(vgl. Jellinek, 2012).
Fleischmann führt dieses weiter aus, indem er das strafrechtliche Dilemma wie folgt
formuliert:
„Bei der Substitutionsbehandlung konkurrieren anders als sonst in der Medizin medizinische und strafrechtliche Erfordernisse. Der Schnittstellenprozess zum BtMG und zur BtMVV ist nicht ohne Delikatesse und erfordert vom Arzt Sicherheit im Umgang mit zwei ganz unterschiedlichen Systemen. Die Praxis zeigt, dass es nach wie vor Strafverfahren gegen substituierende Ärzte gibt,
15
Opiatsubstitution
(...)wo sich Ärzte schlicht und einfach in einem Dschungel von Vorschriften und Paragraphen verirrt haben, und zwar in bester Absicht“(vgl. Fleischmann in Bellmann et al., 2000, S. 18).
Der 115. Ärztetag fordert den Gesetzgeber auf, die betäubungsrechtlich relevanten
Vorgaben (BtMG und BtMVV) an den Stand der Wissenschaft anzupassen. Die
Hauptbegründung liegt in der fachlichen Übereinkunft, dass das in der BtMVV fest-
geschriebene Abstinenzparadigma nicht den internationalen Behandlungsstandards
der Opiatabhängigkeit als chronische Krankheit entspricht, die unter anderem auch in
den Behandlungsrichtlinien der WHO festgelegt sind(vgl. WHO, 2009). Für Deutsch-
land bedeutet dies die Anpassung an die BÄK-Richtlinien, da diese neben der Absti-
nenz weitere Zielsetzungen zulassen.
Einzelne Punkte der DGS-Initiative beziehen sich auf
• die Höchstverschreibungsdosis,die erhöht werden müsste,
• die Opiatabhängigkeit müsste durch Opioidabhängigkeit ersetzt werden, da
die Substitution dann auch für eine weiteren Patientengruppe ergänzt werden
könnte,
• die Patientenzahl für Ärzte ohne Weiterbildung sollte von 3 auf 5 erhöht wer-
den, um die Versorgung im ländlichen Gebiet zu verbessern
• und die Vergabe aus der Praxis müsste in bestimmten Situationen erlaubt wer-
den(DGS-Initiative zur Änderung der BtMVV, September 2012, 3.Version
Langfassung).
Der letzte Punkt steht allerdings mit Arzneimittelgesetz und dem Dispensierrecht im
Konflikt(vgl. Deutsches Ärzteblatt, 2010). Hierauf wird nicht eingegangen, da es für
die Arbeit nur von geringfügiger Relevanz ist.
Zusätzlich wird die Anpassung der Richtlinien der vertragsärztlichen Versorgung an
die BÄK-Richtlinien gefordert.
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3 Psychosoziale Betreuung
Im folgenden Kapitel wird die PSB, welche meist im Rahmen der Substitution statt-
findet, vorgestellt und auf ihre Eigenheiten im bestehenden Suchthilfesystem unter-
sucht. Die PSB soll kritisch hinterfragt und analysiert werden im Bezug darauf, in-
wieweit sie für die betroffene Klientengruppe von Relevanz sein kann, unter den ge-
gebenen Besonderheiten, welche diese mit sich bringt. Die Festlegung der Klienten-
gruppe findet im darauf folgenden Kapitel 4 statt.
3.1 Definition und Zielsetzung
Bei dem Versuch die PSB zu definieren, stößt man auf die Unsicherheit, für welchen
Begriff das „B“ steht: für Betreuung, Begleitung, Behandlung oder Beratung? Für
diese Arbeit wurde sich, aufgrund der folgenden Annäherungsversuche, für die Be-
treuung entschieden.
Gerlach beschreibt die „Beratung“ meist als einmalige oder begrenzt thematisch fest-
gelegte Kontaktphase, die „Begleitung“ sei in der Regel offen, wenig verbindlich,
könne aber kurz-, mittel- und langfristig angelegt sein. Die „Betreuung/Begleitbe-
treuung“ und „Behandlung“ sind mittel- und langfristige Unterstützungsangebote, die
sich durch einen zeit- und arbeitsintensiven Charakter auszeichnen. Der Rahmen ist
verbindlich und mit dem Klienten festgelegt(vgl. Gerlach in Gerlach und Stöver,
2005).
Die Unklarheit der Begriffe findet sich auch in den Rahmenbedingungen wieder, die
BtMVV spricht von „psychosozialen Behandlungs- und Betreuungsmaßnahmen“, die
BÄK-Richtlinien von „psychosozialer Betreuung, Begleitung und Begleitbetreuung“
und die Richtlinien vertragsärztlicher Versorgung von „psychosozialen Betreuungs-
maßnahmen“.(vgl. Gerlach in Klee und Stöver, 2005)
Obwohl der Betreuungsbegriff etwas Passives beinhaltet, das nicht mit dem zugrunde
liegenden Menschenbild einhergeht, wird er in der vorliegenden Arbeit unter der Vor-
aussetzung benutzt, dass die betroffene Person sich auf freiwilliger Basis in PSB be-
findet, bzw. die Unterstützung möchte. Weitere Ausführungen dazu folgen im Kapitel
3.3.
17
Psychosoziale Betreuung
Die Inhalte der PSB sind wie die Begrifflichkeit selbst, nicht klar festgelegt, es zeich-
net sich auch bei der
„...Organisation, Finanzierung, Angebotspalette, Arbeitsmethoden und Zielvorgaben bundesweit ein äußerst heterogenes, teils diffuses Bild (…)“(Gerlach in Schneider und Gerlach, 2009, S.41).
ab. Auf der einen Seite wird dieses hinterfragt, auf der anderen Seite besteht die Be-
fürchtung, dass eine gemeinsame Einigung auf PSB-Richtlinien der Sozialen Arbeit
ihre Flexibilität nehmen würde. Diese Flexibilität spiegelt jedoch ein Stück weit die
Diversität wieder, mit der Mitarbeiter in der PSB konfrontiert sind bei der Berück-
sichtigung individueller Entwicklungsverläufe ihrer Klienten.
Die PSB verfügt über eine breite Zielsetzung, die von Überlebenssicherung bis hin
zur Abstinenzerreichung geht. Zwischen diesen beiden „Polen“ lassen sich jedoch
sämtliche Ziele verorten, die sich aufgrund der individuellen Lebenswirklichkeiten
der Betroffenen formulieren lassen. (vgl. Gerlach in Schneider und Gerlach, 2009)
Die Zielsetzung der PSB unterscheidet sich in der Literatur nur geringfügig. Der
Fachverband Drogen und Rauschmittel e.V (fdr) formuliert in seiner Stellungnahme
zur Substitutionsbehandlung aus dem Jahr 2007 allgemein:
„Psychosoziale Begleitung soll demnach die Linderung und Beseitigung der Folgen der Suchterkrankung durch Unterstützung und Mobilisierung der Problemlösungs- und Veränderungsfähigkeit in Multiproblemsituationen und unter systematischem Einbezug personaler und gesellschaftlicher Ressourcen, der sozialen Umwelt und Nutzung der Hilfesysteme umfassen“(FDR, 2007, S.5).
Die PSB hat die Aufgabe, den Betroffenen in seinen psychischen, physischen und so-
zialen Belangen zu unterstützen. Hierzu gehören:
• Sicherung des Überlebens,
• Verhinderung körperlicher Folgeschäden, Verbesserung und Stabilisierung
des Gesundheitsstatuses
• soziale Sicherung der Betroffenen durch Maßnahmen zum Erhalt von Woh-
nung, Arbeit und privater Unterstützungsstrukturen.
• Verhinderung bzw. Milderung sozialer Desintegration, Ausgrenzung und Dis-
kriminierung, (Verminderung der Beschaffungskriminalität und -prostitution
• Vermittlung von Einsichten in Art und Ausmaß der substanzbezogenen Stö-
rungen und Risiken zur Förderung der Veränderungsbereitschaft,
18
• Förderung eines konsumfreien Lebens bzw. konsumfreier Phasen und Redu-
zierung riskanter Konsummuster,
• Behandlungsmotivation und Akzeptanz professioneller Hilfeangebote,
• Erreichen einer verbesserten Lebensqualität, auch durch Bearbeitung von
Rückfällen
• autonome Lebensgestaltung in freier, persönlicher Entscheidung,
• Stabilisierung der Interventionserfolge,
Unterstützung dauerhafter Abstinenz.
Auch im Rahmen der PSB wird immer wieder darüber diskutiert inwieweit die Absti-
nenzerreichung im Vordergrund stehen sollte.
Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V legt in ihrem Positionspapier „Psycho-
sozialer Betreuung Substituierter“ dar, dass die Substitution und somit auch die PSB,
als ein wesentlicher Bestandteil der Überlebenssicherung zu werten ist. Die Betreu-
ung muss dem individuellen Hilfebedarf entsprechen. Sie stellt eine Leistung dar,
„...die dazu dient, Selbstbestimmung und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern, Benachteiligungen zu vermeiden oder ihnen entgegenzuwirken“(DHS,2010).
Diese Selbstbestimmung beinhaltet im Sinne dieser Arbeit auch den Beigebrauch an-
derer Substanzen während der Substitution. Hierauf wird bei der Festlegung der Kli-
entengruppe für die defizitären Angeboten näher eingegangen (siehe Kapitel 4.1 und
4.4)
3.2 Wirksamkeit von PSB
Die Wirksamkeit der PSB genießt keinen großen Stellenwert in Studien erforscht zu
werden, trotz des in Deutschland fast flächendeckend verpflichtenden Charakters.
Die WHO hat 2009 eine Studie veröffentlicht, welche die unterschiedlichen psycho-
sozialen Interventionen gegenüber stellte. Das Fazit hierbei war, dass der zusätzliche
Substanzkonsum leicht zurück geht, die Haltequote in der Substitution verbessert
wird und die gesamte Effektivität gesteigert wird, wenn psychosoziale Interventionen
in Anspruch genommen werden. Ausschlaggebend ist allerdings das individuelle Ein-
gehen auf den Betroffenen.
19
Psychosoziale Betreuung
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO 2009) rät auf der Basis systematischer Über-
sichtsstudien der verfügbaren Literatur und Expertenkonsultationen hinsichtlich der
psychosozialen Behandlung folgendes:
„Psychosoziale Interventionen einschließlich kognitiver und verhaltenstherapeutischer Ansätze sowie Techniken des „Contingency Managements“ (verhaltenstherapeutische Verstärkerstrategien) können die Wirksamkeit der Behandlung erhöhen, wenn sie mit Substitutionsbehandlung (agonist maintenance treatment) oder opioidentzugsbegleitender Medikation kombiniert werden. Psychosoziale Unterstützung sollte allen Patienten zugänglich gemacht werden, wenngleich denjenigen, die solch ein Angebot nicht wahrnehmen, eine effektive pharmakologische Behandlung nicht vorenthalten werden darf.“
In der Heroinstudie in Deutschland wurde die Wirksamkeit von zwei Methoden in-
nerhalb der PSB gegenübergestellt und untersucht. Es stellte sich heraus, dass die
Methode in der PSB keine Unterschiede aufweist, dass alleine die Tatsache der Teil-
nahme positive Effekte auf die Haltequote mit sich bringt.
Umso langfristiger und intensiver die PSB erfolgt, desto höher die Verbesserung des
Gesundheitszustands und der psychosozialen Situation, sowie die Verminderung des
Beigebrauchs. Zusammenfassend sagt Dagkwitz, der positive Effekt der Substitution
kann durch psychosoziale Interventionen verstärkt werden(vgl. Degkwitz, 2009).
Boywitt und Kollegen haben 2012 eine Studie veröffentlicht in der sie die PSB eva-
luieren. Die Teilnehmer der PSB können ihren Gesundheitszustand stärker verbessern
als die Nichtteilnehmer. Bei den Teilnehmern ist wiederum ein Unterschied zwischen
konsumfreien und weitergebrauchenden Teilnehmern zu verzeichnen. Die noch kon-
sumierenden Teilnehmer konnten in höherem Maße von der PSB profitieren. Dies re-
sultiert daraus, dass bestehender Beikonsum wohl eine stärkere Ausgangsbelastung
darstellt.
Die Studie fasst die PSB zusammen, indem sie formuliert, dass sie ein
„...günstiger Bestandteil der Substitutionsbehandlung, der zu einer Stabilisierung der psychosozialen Situation der Klienten beiträgt“(Boywitt, et al.,2012, S.275).
ist. Der Zusammenhang der Wirksamkeit zur bestehenden Beigebrauchsintensität
muss beim nächsten Punkt der Arbeit wieder aufgegriffen werden.
20
3.3 Aktueller Diskurs über PSB als Zwang oder auf Freiwilligkeit
Seit Beginn der Substitutionsbehandlung in Deutschland war die PSB ein Teil des
Behandlungskonzepts, bezüglich des Verpflichtungscharakters gab und gibt es Unter-
schiede, in Bremen war sie ein freiwilliges Angebot, in Berlin wurde sie als ver-
pflichtende Mitbehandlung eingeführt. Heute besteht meist aus rechtlicher und fach-
licher Perspektive deutschlandweit eine Teilnahmeverpflichtung innerhalb der Sub-
stitution. Die Häufigkeit des Gesprächsturnuses hängt von der Region, dem Träger,
der Finanzierung, der Bedürfnisse des Klienten und vielem mehr ab(vgl. Gerlach in
Gerlach und Stöver, 2005).
Die DHS schreibt in ihrem Positionspapier zur Psychsozialen Betreuung aus 2009:
„Unterstützend zur ärztlichen Substitutionsbehandlung soll routinemäßig PSB angeboten werden. (...) Die Mehrheit der in der DHS vertretenen Verbände hält die PSB daher für einen zentralen Bestandteil der Substitutionsbehandlung in Deutschland, auf den nur dann verzichtet werden kann, wenn und solange eine PSB nicht möglich oder nicht notwendig ist. In diesem Fall kann zur Abwehr akuter gesundheitlicher Gefahren die medizinisch pharmakologische Behandlung auch ohne PSB erfolgen“(DHS,2010).
Daraus lässt sich schließen, dass nicht alle Verbände oder Vereine die Ansicht haben,
dass die PSB einem Zwangscharakter unterliegen sollte. Diese unterschiedlichen Po-
sitionen sollen im folgenden erläutert werden. Vor allem in Hinsicht auf die Selbstbe-
stimmung des Klienten (vgl. 5) lässt sich der Zwangscharakter kritisch hinterfragen.
Auch der Gedanke, dass die Substitution ausreichend in der Forschung auf ihre Wirk-
samkeit untersucht wurde und die der PSB, wie in 3.2 beschrieben, nicht, muss die
Frage zulassen, wie kann so sicher die Verpflichtung zur PSB gefordert und durchge-
setzt werden, wenn ihre Wirksamkeit nicht einmal ausreichend evidenzbasiert nach-
gewiesen ist.
Unter anderem äußern sich Gerlach, Stöver und Schneider in unterschiedlichen Ver-
öffentlichungen kritisch gegenüber der Pflicht bzw. dem Zwang zur PSB.
Stöver und Gerlach hinterfragen in ihrem Übersichtbeitrag über die PSB, warum Pa-
tienten erst
„...zu ihrem Glück gezwungen werden müssen, und warum man nicht auf die Notwendigkeit, Bedeutung und Attraktivität der Angebote setzt“(Stöver, Gerlach, 2010, S. 66).
21
Psychosoziale Betreuung
So könnte durch eine Informationsweitergabe den Betroffenen die Entscheidung ge-
geben werden, ob und welche Hilfen sie in Anspruch nehmen wollen. Auch die An-
gebotspalette wäre breiter gestaltbar. Denn die Unterstützungsvielfalt ist so groß, wie
die Vielzahl der Individuen, welche die Hilfestellungen gerne in Anspruch nehmen
möchten. Die Möglichkeit „echte“ individuelle Angebote machen zu können, wäre
inbegriffen. Die Suchthilfe müsste selbstbewusst hinter ihren Angeboten stehen und
nicht über eine Verpflichtung Klienten „an sich binden“.
Laut Buschkamp sollte PSB
„..idealerweise nur auf ausdrücklichen Wunsch der Substituierten als Hilfe zur Bewältigung persönlicher Probleme durchgeführt werden“(Buschkamp nach Gerlach und Stöver, 2010, S. 66).
Nachgewiesener Weise trägt die Substitution allein schon dazu bei, dem Betroffenen
eine verbesserte Lebenssituation zu ermöglichen. Weshalb weiß die Suchthilfe besser
als der in seiner Lebenswirklichkeit Verankerte, was gut für ihn ist? Die Haltungsfra-
ge, die nicht trennbar davon dahinter steht, wird zu einem späteren Zeitpunkt der Ar-
beit thematisiert(siehe Kapitel 5.).
2010 fand in Berlin in Expertentreffen mit dem Arbeitstitel „Strategien zur Sicherung
und Verbesserung der Substitutionsbehandlung Opioidabhängiger“ statt. Ein Punkt
waren die Rahmenbedingungen und Anforderungen an die PSB.
Die aktuelle Diskussion über die frei wählbare Zusatzleistung PSB fand auch dort ih-
ren Raum. Deutschland ist mit Schweden und Norwegen das einzige Land, welches
PSB als verpflichtendes Element in die Substitution integriert hat. Durch die nicht
einheitliche Definition der PSB, hat sich eine große Bandbreite an Leistungen eta-
bliert. Die Arbeitsgruppe übt Kritik daran, dass in manchen Regionen durch das feh-
lende Angebot einer PSB auch keine Substitution aufgenommen werden kann, dass
der „Zwangscharakter“ und die damit einhergehende große ökonomische Bedeutung
keine Offenheit für die individuell benötigten Angebote zulässt, dass die Träger
Angst davor haben, kommunale Finanzierungen zu verlieren, wodurch eine Kreuzfi-
nanzierung anderer Angebote durch die PSB problematisch wird, bis hin zu einigen
Stimmen, die der PSB auf Grund des Zwanges die Legitimation ganz entziehen. Dies
basiert auf der Grundlage, dass die akzeptierenden Haltung in der Suchthilfe sich auf
ein ressourcenorientiertes, selbstbestimmtes Menschenbild bezieht, widerspricht. Ei-
22
nigkeit bestand in dem Punkt, dass Betroffen als Beteiligte gesehen und behandelt
werden müssen und darin, dass Abhängigkeit eine multi-dimensionale Erkrankung
ist, und somit als bio-psycho-soziales Modell zu verstehen ist und dementsprechend
durch integrative Behandlungskonzepte behandelt werden muss. Der erste Arbeits-
schritt wäre allerdings auch hier eine allgemein gültige Definition des Angebots PSB
(vgl. akzept e.v, 2010).
3.4 Zusammenarbeit zwischen den Beteiligten
Gölz beschreibt die Zusammenarbeit zwischen Klient/Patient, Arzt und Berater als
eine besondere auf Grund der unterschiedlichen Professionen und damit verbundenen
Zielsetzungen. Zum einen kann die daraus resultierende Dynamik therapeutisch ge-
nutzt werden, zum anderen kann es aber aufgrund der Persönlichkeitsakzentuierun-
gen der Behandelten leicht zu Rivalitätsproblemen führen. Die Professionen sollten
sich ihrer eigenen und der anderen Kompetenzen bewusst sein. Die eigene Behand-
lungsmotivation muss ständig reflektiert werden und die eigenen suchtmedizinischen
Kenntnisse, therapeutischen Fähigkeiten und das Wissen über psychiatrische und so-
matische Erkrankungen realistisch eingeschätzt werden.
Es müssen regelmäßige Fallbesprechungen und Dreiergespräche stattfinden, um den
Prozess transparent zu gestalten und die Ziele sollten immer wieder neu festgelegt
werden. Es müssen klare Regeln vereinbart sein, über die alle Beteiligten informiert
sind(vgl. Gölz in Gerlach und Stöver 2005).
Ebenso kommt es bei der Zusammenarbeit auf die strukturellen Rahmenbedingungen
an. In ländlichen Regionen gibt es die Substitution meist integriert in die hausärztli-
che Versorgung, während es im städtischen Raum auch integrierte Modelle gibt, in
denen die Substitution und die PSB unter einem Dach sind.
3.5 Umgang mit Beigebrauch in der PSB
Es gibt nur wenig aussagekräftige Literatur bezüglich des Umgangs innerhalb der
PSB mit Beigebrauch. Auf Internetseiten der diversen Suchthilfeträger spiegeln sich
die unterschiedlichsten Ansichten bezüglich des Beigebrauchs wieder. Grundsätzlich
gibt es nur die Richtlinien für die Substitution, in denen der Beigebrauch thematisiert
wird. Es scheint, als wäre der Umgang mit Beigebrauch zum großen Teil von der
Haltung und des Suchtverständnisses der einzelnen Träger abhängig. Es gibt Träger,
23
Psychosoziale Betreuung
die bei Beigebrauch als Bedienung eine Entgiftung fordern als Voraussetzung bzw.
für die Weiterführung einer PSB. Ebenso gibt es PSB-Konzepte, die den Beigebrauch
in die PSB einbeziehen oder spezielle Programme im Sinne einer Beigebrauchskon-
trolle, integrieren. Aus der Praxis wird immer wieder laut, dass sich bei Umgang mit
Beigebrauch sehr schwer getan wird, was auch damit zu tun hat, dass die PSB und
der Klient oft zum Handeln „gezwungen“ werden, da der Arzt die rechtliche Verant-
wortung trägt und daher die nächsten Behandlungsschritte vorgibt.
Auf den Umgang, vor allem im Zusammenhang mit Doppeldiagnosen und weiteren
Abhängigkeitserkrankungen, die eben nicht substituiert werden können, wird in ei-
nem späteren Teil der Arbeit genauer eingegangen(siehe Kapitel 4).
3.6 „IMPROVE“ eine Befragung unter den Beteiligten
Akzept e.V erhob in der Befragung „IMPROVE“ 2009 mit Interviews und Fragebö-
gen Informationen zur aktuellen Substitutionspraxis. Es wurden 200 Konsumenten
die nicht substituiert werden, 200 mit Substitution, 101 Substitutionsärzte und 51
nicht-substituierende Ärzte mit suchtmedizinischer Qualifikation befragt. Bei „IM-
PROVE“ ging es um das Verständnis und die Einstellungen der Ärzte und der
Opioidabhängigen zur Qualität und Versorgungslage der Behandlungsform Substitu-
tion. Die Studie unterteilt nach vier Regionen: Nord, West, Ost und Süd. Patienten
und Ärzte sehen in allen Regionen die soziale Rehabilitation und verminderte Straf-
fälligkeit, den verminderten Konsum und einen verbesserten Gesundheitszustand als
die wichtigsten Aspekte. Die örtliche Versorgung ist aber regional sehr unterschied-
lich. 31% aller Befragten bezeichnen die Versorgungssituation als schwierig bis sehr
schwierig, vor allem im Süden mit 54% sei die Suche nach einem Substitutionsarzt
problematisch. Die schlechte Verfügbarkeit von Ärzten, Wartelisten für die Behand-
lung, das strenge Behandlungsreglement und fehlendes Wissen sind aus Ärztesicht
wichtige Punkte.
Die Gruppe der Nicht-Substituierten begannen unter anderem keine Behandlung,
weil sie Angst hatten, die Regeln nicht einhalten zu können und dadurch der Frustra-
tion eines Behandlungsabbruchs ausgesetzt zu sein werden.
Bei der Gruppe der Ärzte, die substituieren dürfen, aber keine Substitution anbieten,
benennen 37% die Rahmenbedingungen, 18% den organisatorischen Aufwand und
14% die Vergütung als Gründe. 82% dieser Ärzte haben in der Vergangenheit substi-
24
tuiert, aber aus oben genannten Gründen nicht mehr angeboten. Die Verbesserungs-
vorschläge der substituierenden Ärzte unterscheiden sich kaum von den Kollegen,
die nicht substituieren. Hier sind es bspw. 47%, die sich Veränderungen in den poli-
tischen und rechtlichen Rahmenbedingungen wünschen.
Betrachtet man die Wünsche der Patienten differenzierter, so geht es überwiegend
um die Vereinfachung der Take-Home-Regelungen, die Flexibilität der Ausgabezei-
ten und mehr persönlicher Verantwortung.
Die Ärzte sehen die unerlaubte Medikamentenweitergabe innerhalb der Take-Home-
Regelungen mit 49% als ein erhebliches Problem, 17% als ein besonders schweres
Problem. Die Bedenken sind begründet, da 23% der Patienten angeben, ihr Substitut
schon mal verkauft oder weitergegeben zu haben, um anderen eine Eigensubstitution
zu ermöglichen oder den Suchtdruck zu nehmen. Dies würde für einen weiteren Aus-
bau der Therapiemöglichkeit sprechen.
Ein weiterer wichtiger Punkt bei IMPROVE ist die Substitution in der Haft. Darauf
wird in dieser Arbeit nicht eingegangen. Auch die PSB wird als sinnvoll und unter-
stützend bewertet. Der Schwerpunkt der Befragung lag jedoch auf der medizinischen
Behandlung, also auf der Substitution(vgl. akzept e.V, „IMPROVE“, 2010).
25
Definition der Klientengruppe mit defizitären Behandlungsangeboten
4 Definition der Klientengruppe mit defizitären Behandlungsangeboten
In der Praxis der PSB wird man immer wieder mit einer Klientengruppe konfrontiert,
die aufgrund ihrer multiproblematischen Lebenskontexten und ihrer oft jahrelangen
Konfrontation mit dem Suchthilfesystem resigniert haben. Es wird häufig von wie-
derholten Behandlungsabbrüchen auf beiden Seiten gesprochen und davon, dass die-
se Gruppe „behandlungsresistent“ sei. Bei genauerer Betrachtung fallen jedoch einige
Faktoren auf, weshalb es für diese Klienten „keine“ Hilfe geben kann. Sie werden als
„schwerstabhängige“, „behandlungsrestistente“, „durch das Netz gefallene“, „moti-
vationsschwache“, „nicht Wartezimmer taugliche“ Kranke bezeichnet, die bereits
alle Hilfen in Anspruch genommen haben, und sich trotzdem keine Verhaltensände-
rung abzeichne.
Im Bezug auf die Substitution und die PSB geht es um den Kontext Beigebrauch bei
bestehenden Komorbiditäten, im Sinne einer Selbstmedikationshypothese, welche
zum einen, innerhalb der bestehenden Rahmenbedingungen der Substitution, an ihre
Grenzen stößt, zum anderen aber Haltungsfragen in Richtung Akzeptanzorientierung
aufwirft (Kapiel 5.2).
4.1 Beigebrauch
In der Substitutionsbehandlung ist der Beigebrauch von anderen Substanzen von
großer Relevanz. Zum einen durch die gesetzlichen Rahmenbedingungen, zum ande-
ren auf dem „Weg zur Abstinenzerreichung“. Es gibt Untersuchungen zu bestehen-
dem Beigebrauch und wichtige Beiträge aus der Praxis, wie damit umgegangen wird
(bzw. werden sollte).
Zu Beginn werden die Häufigkeiten des Beigebrauchs dargestellt.
Die Premos-Studie aus dem Jahr 2011 zeigt, dass nach 6 Jahren Untersuchungszeit-
raum die häufigsten Beikonsumsubstanzen Cannabis mit 33,4%, Benzodiazepine mit
18,6% und Opioide mit 12,8% waren. Inwieweit die Daten von dem 1-Erhebungs-
zeitpunkt abweichen, kann wegen der Nichtverfügbarkeit eines entsprechenden
Nachweises nicht beurteilt werden(vgl. Wittchen et al., 2011).
Das Zentrum für Interdisziplinäre Suchtforschung (ZIS) Hamburg verweist bezüglich
der 30-Tagesprävalenz in einer Studie zum Gebrauch von Substanzen in der Substitu-
tion bei Heroin auf 31,7%, bei Kokain auf 22,0% und bei Benzodiazepinen auf
23,2%(vgl. ZIS, 2013).
26
Die Zahlen der beiden Studien sind nicht direkt vergleichbar, da die Premos-Studie
nach 6 Jahren Laufzeit die Daten erhoben hat und das ZIS eine Querschnittstudie,
und sich somit die Befragten an unterschiedlichen Punkten ihrer Behandlung befan-
den.
Abschließend kann man sagen, dass Cannabis, Kokain, Opiate und Benzodiazepine
die größte Gruppe der zusätzlich konsumierten Substanzen ausmacht.
Im Bezug auf die Praxis findet man zum thema Beikonsum unterschiedliche Positio-
nen. Stöver formuliert seinen Standpunkt zum Beikonsum 2007 wie folgt:
„Sofern der Beikonsum nicht lebensgefährdend ist, sollte er zunächst nur Anlass sein, im Gespräch gemeinsam die Ursachen zu erforschen und eine allmähliche Verhaltensänderung herbeizuführen. Liegt der Versuch einer Selbsttherapie mit ungeeigneten Mitteln vor, sollte der Arzt den Beikonsum durch eine medizinisch sinnvolle Therapie ersetzen. Vor allem, wenn gleichzeitig eine soziale Reintegration und eine berufliche Rehabilitation gelungen ist, sollte ein fortgesetzter unproblematischer Nebenkonsum nicht mit einem Therapieabbruch geahndet werden“(Stöver, 2007, S.17f).
Auch Küfner und Ridinger sprechen sich dafür aus, dass bei fortlaufendem Konsum
zuerst eine psychiatrische Abklärung stattfinden muss, und die Beendigung der Sub-
stitution keine Alternative darstellt(vgl. Küfner und Ridinger, 2008).
Ganz grundsätzlich sollte nach Schay die Substitution, als Behandlungsform einer
Abhängigkeitserkrankung, der von anderen chronischen Erkrankungen gleichgesetzt
werden. Das bedeutet, sie ist zentraler Bestandteil in der Behandlung Abhängigkeits-
erkrankter und muss im Sinne von harm-reduction statt finden, unabhängig von ei-
nem Abstinenzwillen(vgl. Schay, 2011).
In der Praxis kommt es für Betroffene oft zu Auflagen seitens der Ärzte zur Beige-
brauchsentgiftung. Es werden für die Dokumentationen immer wieder saubere Urin-
kontrollen benötigt, um vor der Kassenärztlichen Vereinigung die Aufrechterhaltung
der Substitution zu legitimieren. Diesen wird meist nachgekommen, da kein Abbruch
der Substitution riskiert wird. Allerdings wird der Beigebrauch meist wieder aufge-
nommen, aufgrund der Selbstmedikation (Kapitel 4.4). Es entsteht oftmals ein Kreis-
lauf zwischen Substitution und gehäuften, „halbfreiwilligen“ Beigebrauchsentgiftun-
gen.
27
Definition der Klientengruppe mit defizitären Behandlungsangeboten
4.2 Komorbiditäten
Als Komorbidität bezeichnet man in der Medizin das Auftreten zusätzlicher Erkran-
kungen im Rahmen einer Grunderkrankung. Die Zusatzerkrankung muss ein eigenes,
diagnostisch abgrenzbares Krankheitsbild aufweisen, das nicht selten kausal mit der
Grunderkrankung zusammenhängt. Es können Doppel- und Mehrfachdiagnosen ge-
stellt werden.
Der Begriff der Doppeldiagnosen bezeichnet die Komorbidität zwischen einer Ab-
hängigkeitserkrankung und einer psychischen Erkrankung. Wenn mehrere Abhängig-
keitserkrankungen bestehen wird von einer Mehrfachabhängigkeit gesprochen. Die
Doppeldiagnose ist somit eine bestimmte Form der Komorbidität(vgl. Moggi, 2007).
In der Arbeit werden die Begriffe Doppeldiagnose und Komorbidität jeweils des ent-
sprechenden Autors benutzt.
Tretter geht von 40-60% der Substituierten aus, die eine psychiatrische Komorbidität
aufweisen(vgl. Tretter,2008). Auf die somatischen Komorbiditäten wird in der vorlie-
genden Arbeit hingewiesen, allerdings nicht vertieft eingegangen. Die höchsten so-
matischen Komorbiditäten bestehen zu Hepatitis, HIV/AIDS und Gefäßerkrankun-
gen.
Wenn unterschiedliche Arbeiten verglichen werden, zeigen sich die häufigsten Ko-
morbiditäten zwischen Abhängigkeit und Persönlichkeitsstörungen(37-79%), affekti-
ven Störungen(31-58%) und Neurotischen-, Belastungs-, und somatoformen Störun-
gen(32-55%).
Krausz et al. erhoben 1998, in Hamburger Drogenhilfeeinrichtungen, Daten zur Ko-
morbidität unter Opiatabhängigen. Die Untersuchung ergab, dass bei 55% der Be-
fragten, mindestens einmal in ihrem Leben, eine weitere ICD 10 Diagnose im Be-
reich psychischer Erkrankungen festgestellt worden war. Hier ergab die Auswertung,
dass mit 43% die Belastungs- oder Transformatoren Erkrankungen die größte Gruppe
bildeten und die affektiven Störungen bei 32% lagen(vgl. Ladewig in Thomasius,
2000).
Die einzelnen Komorbiditäten werden im folgenden sowohl epidemiologisch als
auch inhaltlich genauer beschrieben.
28
4.2.1 Persönlichkeitsstörungen
Von einer Persönlichkeitsstörung(PST) innerhalb der Diagnosesysteme wird gespro-
chen, wenn eine Person Verhaltens-, Gefühls- und Denkmuster aufweist, die von de-
nen der soziokulturellen Umgebung abweichen und somit für den Betroffenen in per-
sönlichen und sozialen Situationen zu „Problemen“ führen. Die Muster innerhalb der
Persönlichkeit sind unangepasst, unflexibel und überdauernd. Beeinträchtigungen
und Leidensdruck entstehen meist in den Bereichen Soziales und Arbeit. Es werden
jedoch auch andere Lebensbereiche tangiert. Es wird von dysfunktionalen Persön-
lichkeits- und Verhaltensstilen gesprochen(vgl. Schmitz et al., 2001).
Frommer definiert Persönlichkeitsstörungen als
„...langjährig persistierende unflexible Charakterzüge und Verhaltensmuster eines Individums, die sich in zahlreichen Situationen manifestieren und zu subjektivem Leiden des Beroffenen und seiner sozialen Umgebung führen“(Frommer in Haltenhof et al. 2009, S.11).
Für die Betroffenen ergeben sich aus einer PST eine Vielzahl von Folgen, z.B Man-
gel an Beziehungsfähigkeit, Isolation, konfliktgeladene und instabile Beziehungs-
muster und/oder einer Diskrepanz von Nähe, Distanz und Autonomie(vgl. Arbeitsge-
meinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V, 2011).
Im ICD 10 gibt es 8 spezifische PST und zwei weitere sonstige nicht weiter beschrie-
bene. Diese lassen sich in drei Gruppen aufteilen.
Abbildung 1: Übersicht der Persönlichkeitsstörungen nach Haltenhof
Frei und Rehm haben in der Schweiz 2002 eine Meta-Analyse von 16 Studien
durchgeführt, in der 3754 opiatabhängige Patienten eingeschlossen waren. Die Le-
benszeitprävalenz für PST betrug 42,2 %, differenziert nach Art der PST ergaben sich
29
Definition der Klientengruppe mit defizitären Behandlungsangeboten
für die dissoziale PST 30,6 % und für die Borderline PST 10,6%(vgl. Haltenhof et al.
2009, Frei und Rehm 2002).
Zu den oben allgemein beschriebenen Kriterien der PST kommen spezifische Dia-
gnosemerkmale hinzu. Im folgenden Abschnitt werden diese beschrieben.
4.2.1.1 Dissoziale Persönlichkeitsstörung
Die Dissoziale PST wird im ICD 10 unter F 60.2 wie folgt festgelegt:
„Eine Persönlichkeitsstörung, die durch eine Missachtung sozialer Verpflichtungen und herzloses Unbeteiligtsein an Gefühlen für andere gekennzeichnet ist. Zwischen dem Verhalten und den herrschenden sozialen Normen besteht eine erhebliche Diskrepanz. Das Verhalten erscheint durch nachteilige Erlebnisse, einschließlich Bestrafung, nicht änderungsfähig. Es besteht eine geringe Frustrationstoleranz und eine niedrige Schwelle für aggressives, auch gewalttätiges Verhalten, eine Neigung, andere zu beschuldigen oder vordergründige Rationalisierungen für das Verhalten anzubieten, durch das der betreffende Patient in einen Konflikt mit der Gesellschaft geraten ist“ (ICD 10, F60.2, www.dimdi.de).
Zarbock beschreibt den Persönlichkeitsstil von Betroffenen als einen, der in Hinsicht
auf die Entstehung dadurch gekennzeichnet ist, früh Gewalterfahrungen gemacht zu
haben und Bindungsunsicherheit erlebt zu haben. Überproportional sind Männer be-
troffen, die sich dann durch ihre Erfahrungen damit abfinden sich mit einer „Täterrol-
le“ zu identifizieren. Das Selbstwertgefühl und die Selbstsicherheit werden durch ein
„sich über den anderen stellen“ erlangt. Dieses geschieht durch Quälen von Mit-
menschen und Verstoßen gegen bestehende Normen(vgl. Zarbock, 2011).
In der Praxis lässt sich bei Klienten mit Abhängigkeitserkrankungen häufig feststel-
len, dass ein solches Verhalten in den Herkunftsfamilien und -milieus erfahren wur-
de(Nachahmungslernen).
Im Bezug auf möglichen Beigebrauch während der Substitution stellt sich die Frage,
ob eine Verbindung zu vermehrtem Kokainkonsum hergestellt werden kann, nämlich
im Sinne einer Steigerung des Kompetenzerlebens durch den Drogeneffekt(vgl.
Barth, 2011).
Im Hinblick auf die Behandlung ist festzustellen, dass Menschen mit Dissozialer PST
oftmals keine Krankheitseinsicht haben und schwer in bestehende Rahmenbehand-
30
lungen passen, im Gegensatz zu anderen psychischen Erkrankungen gibt es bis heute
keine standardisierten Behandlungskonzepte.
4.2.1.2 Emotional instabile Persönlichkeitsstörung
Die Emotional instabile Persönlichkeitsstörung (F60.3) lässt sich in zwei Typen un-
terscheiden, in den Impulsiven Typ (F60.30) und den Borderline-Typ (F60.31). Im
Bezug auf die Komorbiditäten mit Abhängigkeitserkrankungen ist der Borderline-
Typ von größerer Relevanz, daher wird hier auf diesen eingegangen.
Zentral bei der Borderline PST ist die Auffälligkeit der instabilen Stimmungen und
Affekte. Diese führen zu Identitätsproblemen und Impulskontrollstörungen und in
zwischenmenschlichen Beziehungen zu großen Schwierigkeiten. Die Borderlinestö-
rung wird auch als Bindungsstörung interpretiert und bezeichnet. Die extremen Ver-
haltensweisen gehen mit übertriebener Wut und Aggression einher. Unter emotionaler
Belastung führen diese bis zu erheblichen Selbstverletzungen und parasuizidalen
Handlungen. Ebenfalls können sie auch mit affektiven Störungen einhergehen(vgl.
Fiedler, 2007).
Dolz et al. zeigen auf, dass in ihrer Studie 75% der Borderline-Patienten Kriterien für
eine Affektive Störung, 60% für eine Angststörung, 34% für eine Essstörung und
19% für eine Abhängigkeitserkrankung aufweisen(vgl. Dulz et al. 2011).
Wittchen et al. fanden 1992 in einer Follow-Up-Studie zur Prävalenz psychischer
Störungen in Deutschland heraus, dass 69% aller jemals von einer psychischen Er-
krankungen Betroffenen mindestens an zwei psychischen Störungen litten. Die Stu-
die bestätigt, dass die Komorbidität bei Angststörungen, affektiven Störungen und
Abhängigkeitserkrankungen besonders hoch ist. Substanzstörungen sind die
zweithäufigste komorbide Störung(vgl. Lüdecke et al. 2010).
4.2.2 Affektive Störungen
Die Affektiven Störungen (F3) werden in manische, bipolare und depressive Phasen
eingeteilt. Die Diagnose wird nach Art, Häufigkeit und Stärke genauer festgelegt. Bei
Substanzstörungen treten die depressiven Erkrankungen häufiger auf. Damit diese als
Einzeldiagnose gestellt werden kann, muss geklärt sein, dass sie nicht durch eine
Substanz ausgelöst wurde.
31
Definition der Klientengruppe mit defizitären Behandlungsangeboten
Affektive Störungen zeigen generell eine hohe Assoziation für das Vorhandensein
mehrere Komorbiditäten, welche man als Multimorbidität bezeichnen kann.
Es gibt die depressive Episode (F32) und die rezidivierende depressive Störung
(F33). Erstere wird bei erstmaligem Auftreten diagnostiziert. Die rezidivierende de-
pressive Störung, wenn bereits eine depressive Episode in der Vorgeschichte vorlag.
Beide können nach leichte, mitteleren und schweren Grades differenziert werden(vgl.
Schaub et al., 2013).
Zentrale Symptome einer depressiven Episode sind eine gedrückte Stimmung, Inter-
essenverlust und Freudlosigkeit, Verminderung des Antriebs, der Konzentration, des
Selbstwertgefühls, Schuld- und Wertlosigkeitsgefühe, negative Zukunftsgedanken,
Suizidalen, Schlafstörungen und Appetitlosigkeit.
4.2.3 Neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen
Bei diesen Störungsbildern sind für die Komorbiditäten zu Abhängigkeitserkrankun-
gen die Agoraphobie (F40), die Panikstörung (F41), die generalisierte Angststörung
(F41.1) und die Posttraumatische Belastungsstörung(PTBS)(F43.1) von größter Be-
deutung. Daher wird auch nur auf diese im folgenden Abschnitt Bezug genommen.
Nach Barth kann für Opiatabhängige von einer Komorbidität zu Angsterkrankungen
von bis zu 41 % ausgegangen werden(vgl. Barth, 2011). Eine genauere Abgrenzung
der Einzelkrankheitsbilder ist schwierig, da sie oft vermischt auftreten und in einigen
Punkten kaum von einander abzugrenzen sind.
Die Agoraphobie ist eine Angst vor bestimmten Situationen, wie z.B:Menschenmen-
gen, öffentlichen Plätze, alleiniges Reisen oder Reisen mit weiter Entfernung von zu
Hause. Es muss eine deutliche und anhaltende Angst vor zwei der Situationen beste-
hen, und sie darf nicht durch eine andere psychische Erkrankung erklärbar sein und
muss nach Auftreten der Störung mindestens einmal zeitgleich in einer Situation be-
standen haben(vgl. Lang et al, 2012; vgl. ICD 10; vgl. Vogelsang und Schuhler,
2010).
Meistens gehen der Agoraphobie Panikattacken voraus. In oben beschriebenen Situa-
tionen wird versucht, das Auftreten von Panikattacken zu verhindern. Ausschlagge-
bend ist das Gefühl des „ausgeliefert zu sein“ und die Vermeidung von peinlichen Si-
tuationen, in denen keine Flucht möglich ist.
32
Panikstörungen sind wiederkehrende Panikattacken die sich durch intensive Angst
und Unbehagen auszeichnen, plötzlich auftreten und innerhalb von etwa 10 Minuten
ihr Maximum erreichen. Um ein Panikattacke zu definieren müssen vier der folgen-
den Symptome auftreten:
• Palpitationen, Herzklopfen oder beschleunigter Herzschlag
• Schwitzen, Zittern und Beben
• Gefühl der Kurzatmigkeit oder Atemnot und Erstickungsgefühle
• Schmerzen oder Beklemmungsgefühle in der Brust
• Übelkeit und Magen-Darm-Beschwerden
• Schwindel, Unsicherheit, Benommenheit oder der Ohnmacht nahe sein
• Derealisation oder Depersonalisation
• Angst, die Kontrolle zu verlieren oder verrückt zu werden
• Angst zu sterben
• Parästhesien
• Hitzewallungen oder Kälteschauer (vgl. Lang et al, 2013, Vogelsang und
Schuhler, 2010)
Patienten, die unter einer Panikstörung und/oder Agoraphobie leiden, weisen meis-
tens mehrere Verhaltensänderungen auf, die alle das Ziel gemeinsam haben weitere
Attacken zu verhindern. Dadurch können auch andere Angststörungen und Depres-
sionen entwickelt werden. Die Panikstörung tritt kaum als Einzelstörung auf, sondern
komorbid mit depressiven Störungen, Angststörungen, substanzbedingten Störungen,
somatoformen Störungen, und bipolaren Störungen(vgl. Lang et al., 2013).
Oft geht die Panikstörung anderen Störungen voraus.
Fava und Kellner haben ein Stufenmodell entwickelt, anhand dessen der Zusammen-
hang zwischen Agoraphobie und der Entstehung einer rezidivierenden depressiven
Episode erklärt werden soll. Letztere wird im DSM V als Major Depression bezeich-
net, welcher Begriff auch in der folgenden Grafik verwendet wird.
33
Definition der Klientengruppe mit defizitären Behandlungsangeboten
Abbildung 2: Stufenmodell zur Agoraphobie nach Kava und Keller
Die generalisierte Angststörung zeichnet sich durch eine generelle Angst aus, die an-
haltend ist. Sie ist nicht auf bestimmte Situationen oder Umgebungen begrenzt, son-
dern „frei“. Symptome sind: ständige Nervosität, Zittern, Muskelspannung, Schwit-
zen, Benommenheit, Herzklopfen, Schwindelgefühle oder Oberbauchbeschwerden.
Die Patienten sind oft belastet von Katastrophendenken oder der Annahme, sie selbst
oder ein Angehöriger könnte erkranken oder einen Unfall erleiden(vgl. ICD 10).
Sowohl die Agoraphobie mit/ohne Panikstörung, die Panikstörung und die generali-
sierte Angststörung sind Krankheitsbilder, bei denen Benzodiazepine verschrieben
werden können. im Hinblick auf die festgelegte Klientengruppe, sollte es nicht ver-
wundern, dass hier ein Zusammenhang mit dem Beigebrauch in der Substitution be-
steht, vor allem mit angstlösenden Substanzen wie Alkohol, Opiaten und Benzodia-
zepinen.
Die PTBS ist eine verspätete oder protrahierte Reaktion auf ein belastendes Ereignis
oder eine Situation unterschiedlicher Dauer, die mit außergewöhnlicher Bedrohung
oder katastrophenartigem Ausmaß einhergeht. Sie ruft Verzweiflung hervor, und
zeichnet sich durch das
„wiederholte Erleben des Traumas in sich aufdrängenden Erinnerungen (Nachhallerinnerungen, Flashbacks), Träumen oder Alpträumen, die vor dem Hintergrund eines andauernden Gefühls von Betäubtsein und emotionaler Stumpfheit auftreten. Ferner finden sich Gleichgültigkeit gegenüber anderen Menschen, Teilnahmslosigkeit der Umgebung gegenüber, Freudlosigkeit sowie Vermeidung von Aktivitäten und Situationen, die Erinnerungen an das Trauma
34
wachrufen könnten. Meist tritt ein Zustand von vegetativer Übererregtheit mit Vigilanzsteigerung, einer übermäßigen Schreckhaftigkeit und Schlafstörung (auf)“(ICD 10, F43.1, www.dimidi.de).
aus. Damit einher gehen oft Angst und Depression, welche nicht selten Suizidalen
beinhalten.
Lüdecke gibt an, dass 70-90% aller Abhängigkeitserkrankten schwere Traumatisie-
rungen erlitten haben, 40-60% der opiatabhängigen Frauen und 25-40% der Männer
haben sexuelle Missbrauchserfahrungen. Generell sei die Traumatisierungsrate bei
abhängigen Menschen 5-15 fach erhöht. Für die Entstehung einer PTBS sei die
Wahrscheinlichkeit 2-8fach erhöht. Somit ergibt sich aus den unterschiedlichen Stu-
dien Komorbidität zwischen PTBS und Abhängigkeit von 30-50%.
10% der Frauen und 5 % der Männer entwickeln nach einer Traumatisierung eine
PTBS(vgl. Lüdecke, 2010, Najavits 2009).
Alle Erkrankungsformen gehen mit Verhaltensveränderungen und Einschränkungen
im alltäglichen Leben einher und lösen großen Leidensdruck bei den Betroffenen aus.
In Kombination mit der Abhängigkeit bedingen diese sich nach Entstehung gegensei-
tig, jedoch bleibt die Frage nach der primären und sekundären Erkrankung oft unge-
klärt. Auf diesen wichtigen Punkt für die Behandlung wird in 4.4 differenziert einge-
gangen.
4.3 Ätiologische Ansätze für die Komorbiditäten
Die Ätiologiemodelle sind ebenfalls nach Art der psychischen Erkrankung unterteilt.
Bei der Komorbidität von Angst und Abhängigkeit wird sich auf die Angstforschung
gestützt. Es wird davon ausgegangen, dass Angstsymptome den Konsum von Sub-
stanzen aufgrund ihrer pharmakologischen und psychologischen Wirkung bedingen,
und dann - im Sinne eines Verstärkungslernens - beibehalten werden. In diesem Fall
wird von einer unidirektionalen direkten Kausalbeziehung gesprochen, d.h. Störung
A hat Störung B zur Folge. Ein zweites Erklärungsmodell, welches eine bidirektiona-
le direkt Kausalbeziehung umfasst, geht davon aus, dass sich Störung A und Störung
B gegenseitig beeinflussen, im Sinne eines „Teufelskreismodells“ wie von Kushner
et al erarbeitet.
35
Definition der Klientengruppe mit defizitären Behandlungsangeboten
Bei den affektiven Erkrankungen lassen sich die Zusammenhänge nicht so klar er-
kennen, es werden mehrere Ätiologiemodelle diskutiert. Die Depression verursacht
die Abhängigkeitserkrankung, die Abhängigkeitserkrankung verursacht die Depressi-
on, die Depression und die Abhängigkeitserkrankung bedingen sich gegenseitig oder
es gibt einen dritten Faktor, der beide Störungen bedingt. Es können keine klaren
zeitlichen Zusammenhänge aus den unterschiedlichen Studien geschlossen werden
(vgl. Moggi in Moggi, 2007).
Bei den Persönlichkeitsstörungen werden drei Ätiologiemodelle diskutiert. Das Mo-
dell der primären SMA besagt, dass die Abhängigkeit zur Ausbildung einer PST bei-
trägt. Das Modell der primären PST geht davon aus, dass eine PST eine SMA mit be-
dingt, also bestimmte Persönlichkeitsmerkmale Substanzkonsum wahrscheinlicher
machen. Beim Modell gemeinsamer Faktoren sind diese für die Ausbildung der PST
und SMA unabhängig voneinander verantwortlich. Es ist davon auszugehen, dass die
Modelle unterschiedliche Relevanz bezüglich der verschiedenen PST haben. Für die
BPS und die APS scheint dass dritte Modell eine besondere Rolle zu spielen, da bei
Störungsbildern die Genetik oder Traumata in der frühen Kindheit – als gemeinsam
auslösender Faktor – von Bedeutung sind. Auch bei der Enstehung von Abhängigkei-
ten können genetische Faktoren ursächlich sein.
Für die APS, und auch teilweise für die BPS, konnten genetische Determinanten
nachgewiesen werden. Aus psychosozialer Sicht gibt es gemeinsame Faktoren, die
sowohl Risikofaktoren für Abhängigkeits- als auch für Persönlichkeitsstörungen dar-
stellen(vgl. Verheul in Moggi, 2007, Petzold et al., 2007).
„BPS scheint spezifisch mit früher emotionaler Vernachlässigung und sexueller und/oder körperlicher Misshandlung korreliert zu sein (Paris,1994), während APS in Zusammenhang mit verschiedenen unspezifischen frühen Familienfaktoren in Beziehung steht (Dawson&Grounds, 1995)“ (Verheul in Moggi 2007, S.153).
In der Regel treten die komorbiden psychischen Störungen 5-10 Jahre vor der Sub-
stanzstörung erstmalig auf. Bei 91% der Persönlichkeitsstörungen (nicht differenziert
auf BPS und APS) und 84% der Angststörungen ist dies zu beobachten, bei den Af-
fektiven Störungen sind sie primär als auch sekundär einzustufen(vgl. Lieb und Is-
senssee in Moggi 2007).
36
4.4 Selbstmedikationshypothese
Khantzian stellt bereits 1985 die Selbstmedikationshypothese auf, welche besagt,
dass der Substanzkonsum im Zuge von Komorbiditäten ein Copingversuch darstellt,
um auf die Symptome Einfluss zu nehmen. Das bedeutet, Patienten nutzen bestimmte
Substanzen, um gezielt einzelne Symptome zu beeinflussen oder zu mildern. Khant-
zian begann diese Forschung der Komorbidität zwischen Abhängigkeit und Psycho-
sen. So kann der Betroffenen Spannungszustände „lindern“, Emotionen abflachen
oder Trigger „bewältigbar“ machen. Die Selbstmedikationshypothese ist Grundlage
für unterschiedliche Erklärungsmodelle komorbider Angststörungen, affektiver Er-
krankungen und PTBS(vgl. Lüdecke et al. 2010, Dally in Bilitza 2012, Zemke und
Paschke in Hönekopp und Stöver 2011).
Ihren Ursprung hat die Selbstmedikationshypothese in der Spannungsreduktionstheo-
rie nach Conger und dem Modell der Stressreaktionsdämpfung nach Sher&Levenson.
Seit Mitte der 1980er Jahre haben Psychiater, Psychologen und Sozialarbeiter ver-
sucht,
„...have been moved to understand and explain addiction from the point of view of psychological suffering. They have drawn on psychoanalytic theory; examined vulnerability, dependency, attachment, and self-soothing capacities; and have also looked at self-disturbances and emotional dysregulation. They have tried to understand the relationship between widespread contemporary addiction and psychological distress. They all suggest, and in different ways, that people selfmedicate with drugs and alcohol because they are unable to self-care“(Khantzian nach Fetting, 2012, S.93).
Diese Gedanken und die Zusammenhänge verstehen zu wollen war für Khantzian
ausschlaggebend weiter zu forschen. Der Psychiater Dodes formulierte, dass das
„Herz der Sucht“ die fehlende Befriedigung von seelischen Bedarfen ist(vgl. Feeting,
2012).
Die Frage hinter der Selbstmedikationshypothese ist, wie das Wissen darüber in Be-
handlungsangebote einfließen kann und dem Verhalten des Betroffenen entgegen
kommen kann und inwieweit eine Behandlung auf die Sucht bzw. die komorbide Stö-
rung ausgelegt werden muss.
Diese Frage wird zu einem späteren Zeitpunkt erneut aufgegriffen, nachdem in den
folgenden Kapiteln zuerst die Haltung des Suchthilfesystems und die bestehenden
Hilfsangebote mit ihren Zugangsvoraussetzungen erläutert werden.
37
Definition der Klientengruppe mit defizitären Behandlungsangeboten
4.5 Zusammenfassung
Bei der definierten Klientengruppe handelt sich zusammengefasst um Substituierte,
die weiteren Konsum von illegalen psychotropen Substanzen betreiben, meist von
Benzodiazepinen, Cannabis und Opiaten. Diese Substanzen haben in ihrer Wirkweise
gemeinsam, dass sie beruhigend und angstlösend wirken. In Verbindung zu den am
häufigsten vorkommenden Komorbiditäten zwischen Abhängigkeit und Persönlich-
keitsstörungen (37-79%), affektiven Störungen (31-58%) und Neurotischen-, Belas-
tungs-, und somatoformen Störungen (32-55%), liegt oft die beschriebene Selbstme-
dikation vor. Die psychischen Erkrankungen können hohen Leidensdruck und Unsi-
cherheit bei den Klienten auslösen. Die Betroffenen versuchen durch die Einnahme
von Substanzen ihre Symptome zu mindern und für sich erträglich zu machen. Oft-
mals können oder wollen sie sich nicht in psychiatrische Behandlung begeben. Die
beschriebene Klientengruppe unterliegt einer Vielzahl von Beeinträchtigungen krank-
machender und krankheitserhaltender Faktoren.
38
5 Abstinenzorientierte versus Akzeptanzorientierte Suchthilfe
In diesem Kapitel wird die Frage nach einer ethischen Auseinandersetzung und einer
professionellen Haltung hinsichtlich der Menschen mit Abhängigkeiten und dem Ver-
ständnis von Abhängigkeit selbst gestellt. Der Fokus liegt hierbei auf den sozialarbei-
terischen und fachtherapeutischen Akteuren, da diese in der PSB und den therapeuti-
schen Angeboten maßgeblich beteiligt sind. Die vorherrschende Haltung ist eng an
die Frage der Akzeptanzorientierung geknüpft, und wird somit an Hand dieser ge-
führt.
5.1 Menschenbild
Die Soziale Arbeit basiert auf einer eigenen Ethik, welche international von der Fede-
ration of Social Workers (IFSW) definiert wurde. Selbstverständlich gilt diese somit
für den Bereich der Sozialen Arbeit, folglich daraus aber auch für die Suchthilfe. Die
Soziale Arbeit versteht sich als Menschenrechtsprofession, der ein bestimmtes Men-
schenbild zugrunde liegt. Die unterschiedlichen Übereinkommen und Erklärungen,
auf der diese basiert, werden nicht weiter vertieft. Hier sollen nun Haltung und Sicht-
weisen, auf die sich Soziale Arbeit berufen sollte, reflektiert werden.
Die Sozialarbeit hat das Recht und die Pflicht auf Selbstbestimmung zu achten, d.h.
sie soll das Recht der Menschen auf eigene Wahl- und Entscheidungsfreiheit achten
und fördern. Diese Freiheit ist nicht von der eigenen Werte- und Lebensvorstellung
zu bewerten. Weiterhin soll sie das Recht auf Beteiligung fördern und die Menschen
in alle Entscheidungen einbeziehen. Die ganzheitliche Betrachtung und Behandlung
stellt ebenfalls einen wichtigen Wert dar. Dies bedeutet, dass die Soziale Arbeit den
Menschen nicht losgelöst von seinen individuellen Lebensumständen betrachten darf.
Es müssen grundsätzlich alle Aspekte miteinbezogen werden. Schließlich ist es wich-
tig und unerlässlich, die Stärken der Menschen zu erkennen, diese zu fördern und
wachsen zu lassen.
Auch die Wahrung der sozialen Gerechtigkeit darf nicht vergessen werden. Die So-
ziale Arbeit hat die Verpflichtung, diese einzufordern und gegebenenfalls auf Miss-
stände aufmerksam zu machen.
39
Abstinenzorientierte versus Akzeptanzorientierte Suchthilfe
Die wichtigsten Punkte sind: Diskriminierung entgegenzutreten, Verschiedenheiten
anzuerkennen, Mittel gerecht zu verteilen und gegen ungerechte politische Entschei-
dungen und Handhabungen zu agieren(DBSH, 2009, Engelke 2004).
Die Grundlage der Sozialen Arbeit ist ein ganzheitliches, humanistisches Menschen-
bild, das den Menschen als konstruktiv sieht, der danach strebt, sein Leben selbstbe-
stimmt zu gestalten und diesem einen Sinn und ein Ziel zu geben. Er strebt nach Au-
tonomie und ist ganzheitlich als „Trias“, aus Körper-Seele-Geist zu betrachten. Der
Mensch befindet sich dauerhaft in einem Spannungsfeld zwischen Autonomie und
Interdependenz.
Alle Menschen sind gleichwertig und gleichberechtigt und ihre Würde ist unantast-
bar.
Diese Haltung ist Grundlage für die Soziale Arbeit in allen Bereichen. Weiter soll
hierauf nicht im Generellen eingegangen werden, sondern nur im Bezug auf einzelne
Aspekte im Suchthilfebereich.
Im Kontext damit stößt man, im Hinblick auf einzelne Begrifflichkeiten, an Grenzen,
welchen man sich annähern muss, um eine Haltung zu entwickeln.
Die Ermöglichung einer humanistisch-ganzheitlichen Sichtweise hängt ab
• von der Definition von Sucht bzw. Abhängigkeit
• von der Zuschreibung, dass es sich um eine Krankheit handelt
• und vom Grad des Vertrauens auf die Fähigkeiten des Klienten, selbstbe-
stimmt zu entscheiden und zu handeln.
5.2 Ethisches Verständnis von Abhängigkeit in der aktuellen Entwicklung
Die folgende Diskussion der Begriffe und die damit einhergehenden Konsequenzen
für die Praxis, sollten als Annäherung verstanden werden, da eine abschließende Be-
urteilung kaum möglich scheint.
Die WHO verwendete von 1957-1964 den Begriff „Sucht“, der danach von den Be-
griffen „Missbrauch“ und „Abhängigkeit“ abgelöst wurde. In wissenschaftlichen Ar-
beiten wird meist von „Abhängigkeit“ gesprochen. 1968 wurde die Alkoholabhängig-
keit zur Krankheit erklärt. 1971 trat das BtmG in Kraft, welches das Opiumgesetz ab-
löste(lexikon.stangl.eu, 2014).
40
2013 erschien das DSM-5, in welchem der frühere Oberbegriff „Substanzbezogene
Störungen“ durch „Sucht und zugehörige Störungen“ ersetzt wurde. Zusätzlich fiel
die Differenzierung zwischen „Missbrauch“ und „Abhängigkeit“ weg, welche nun
unter „Substanzgebrauchstörung“ subsumiert wird. Somit taucht der Suchtbegriff
wieder auf(Rumpf und Kiefer, 2011, Psychotherapeutenkammer NRW, 2013).
Es bleibt abzuwarten, ob und in welcher Form Änderungen der Begriffe auch im
ICD-11 aufgenommen werden, das für 2015 geplant ist.
Im Kontext der Diagnosekriterien aus DSM und ICD ist Abhängigkeit als Krankheit
zu werten, diese Frage kann auch im Bezug auf die Haltung gestellt werden.
Was bedeutet die Zuschreibung als Krankheit bzw. die Definition als Sucht oder Ab-
hängigkeit für die Betroffenen, das Hilfesystem und die darin Beschäftigten?
Eine Frage ist, ob der Krankheitsbegriff dem der Autonomie bzw. dem des Autono-
miekonstrukts entgegensteht, oder ob eine Verbindung, vor allem im Bezug auf Un-
terstützungsangebote, möglich ist.
Degewitz formuliert darauf bezogen folgendes Problem: Die Autonomie würde be-
deuten, dass der Klient für sich selbst und die daraus resultierende Situation verant-
wortlich ist. Das kann auf der einen Seite ein Anstoß sein, ebenso selbstbestimmt
einen Weg zu entwickeln, die Situation zu verändern. Auf der anderen Seite aber
auch eine große Last und Überforderung darstellen. Es kann keine Entlastung über
die „Label“ Abhängigkeit erreicht werden(vgl. Degewitz in Stöver,1999). Wenn dar-
an angeknüpft der Zustand der Sucht als Abhängigkeit definiert wird, würde es inner-
halb der Autonomiebestrebungen, für die Therapieangebote bedeuten, dass es Konsu-
menten immer frei gestellt sein muss Angebote anzunehmen oder abzulehnen(vgl.
Sansoy, 2006). Hier könnte man erneut die Verpflichtung zur PSB mit einbeziehen.
Auch Ambroselli bezieht sich auf die Teilhabe der Betroffenen im Sinne einer Betei-
ligung an der Auswahl von Angeboten, da sie am besten wissen, welche Unterstüt-
zungsangebote ihnen nützlich sein könnten(vgl. Ambroselli, 2006).
Weiterhin gehen Degewitz und Herwig-Lempp davon aus, dass sich Erklärungsmo-
delle oder Zuschreibungen nicht aufgrund der „objektiven Wahrheit“ durchsetzen
sondern nur wegen des Nutzens, den sie für bestimmte Interessensgruppen von Men-
schen haben. Dadurch können Angebote installiert werden(vgl Degewitz in Stöver,
1999).
41
Abstinenzorientierte versus Akzeptanzorientierte Suchthilfe
Das könnte für den Abhängigkeitsbegriff bedeuten, dass allein die Einstufung als
Krankheit die Legitimation bildet, Unterstützungsangebote zu installieren. Würde
diese entfallen, gäbe es kein Interesse mehr, personelle, finanzielle und staatliche
Mittel zur Unterstützung bereitzustellen. In Verbindung mit dem Ausgangspunkt Au-
tonomie könnte der Staat sich zurückziehen und die Verantwortung komplett an den
Betroffenen zurückgeben.
Degewitz schreibt dazu bereits 1999, dass der medizinische Apparat nur agiert, wenn
übermäßiger Konsum vorhanden ist, die Psychotherapie nur, wenn diagnostizierte
Defizite im intrapsychischen Bereich bestehen, und die Soziale Arbeit zusätzlich,
wenn Probleme innerhalb des Umfeldes vorhanden sind. Wäre also der Konsum im-
mer als selbstbestimmt definiert, hätte kein Bereich die Legitimation bzw. die Moti-
vation zu handeln(vgl. Degewitz in Stöver, 1999).
Übersetzt in die Praxis bedeutet dies eine unabdingbare Diagnose, die für eine Be-
handlung - unabhängig von Anschauungen und individueller Betrachtung - nötig ist.
Auch die Sicht der Sozialarbeiter unterstützt diese Ansicht:
„Die Sozialarbeiter sprechen bei der Beschreibung des Konsums ihrer Klienten in der Regel nicht von kontrollierten Konsumformen, sonder von Sucht. Dabei klassifizieren sie Sucht als Krankheit und kritisieren den gesellschaftlichen Umgang mit Drogen. Im Gegensatz zu anderen Süchten bezeichnen sie Drogenkonsum als in der Gesellschaft nicht anerkannte Krankheit. Dies hat zur Folge, dass weder die Ursachen von Sucht gesellschaftlich verstanden werden noch der Umgang damit den betroffenen Menschen gerecht wird. Statt dessen findet eine Ausgrenzung der Drogenkonsumenten statt“(Unterkofler, 2006, S.81ff).
Doch was sagt dieses System über die Akzeptanz- und Abstinenzorientierte Arbeit
aus? Stößt die Akzeptanzorientierung an dieser Stelle nicht auf ein unüberbrückbares
Hindernis in bestimmten Bereichen, zum Beispiel der Substitution mit PSB?
Die akzeptierende Drogenarbeit muss als Antwort auf die prohibitive Drogenpolitik
und abstinenzorientierte Drogenhilfe gesehen werden(vgl. Stöver, 1999, Unterkofler,
2009).
„Die Abgrenzung zu diesen spiegelt sich in den folgenden Grundannahmen akzeptierender Drogenarbeit wider, die sich mit Rechten und Fähigkeiten der Drogenkonsumenten, mit einem spezifischen Verständnis von Drogenkonsum sowie mit dem gesellschaftlichen Umgang mit dem Drogenproblem beschäftigen“(Unterkofler, 2009, S.73).
42
Unterkofler und Stöver beschreiben 6 Säulen der akzeptierenden Suchthilfe. Erstens
sind Drogenkonsumenten fähig zur Selbstbestimmung. Sie werden nicht als Opfer ih-
rer Sucht gesehen, sondern als Konsumenten unterschiedlicher Substanzen. Auch bei
stärkeren Konsummustern wird diese Sichtweise beibehalten, weil kein sich kein
Konsum sich linear entwickelt sondern dynamisch.
Zweitens werden Konsumenten nicht per se als beratungs- und behandlungsresistent
gesehen, sondern Konsum als ein Lebensentwurf, indem die Vorraussetzung für Hil-
festellungen nur gegeben sind, wenn der eigenen Wunsch besteht etwas ändern zu
wollen. Drittens resultiert daraus unter anderem auch die Festlegung, dass Abstinenz
keine Voraussetzung für eine Hilfe sein darf. Da die Abstinenz nicht für jeden Konsu-
menten erreichenswert, angemessen oder gewollt ist.
Als vierter Punkt werden menschenwürdige Lebensbedienungen für jeden Konsu-
menten gewollt. Fünftens soll der Drogenkonsum als ein komplexes Phänomen ver-
standen werden. Der letzte Punkt besagt, dass der Konsum von Drogen nicht als
Krankheit verstanden werden kann(vgl. Unterfkofler, 2006, Stöver 1999).
„Vielmehr kann Drogenkonsum vielfältige Konsumformen und -muster, Lebensbedingungen, Lebensentwürfe und Persönlichkeiten widerspiegeln. Diese Annahme wird durch kontrollierte Konsumformen und selbst organisierte Ausstiegsverläufe bestärkt. Drogenkonsum kann deshalb nicht als Krankheit angesehen und auch nicht ausschließlich von Therapeuten geheilt werden“ (Unterkofler,2006, S.74).
Hier wird wieder deutlich, dass ein entscheidender Aspekt die Definition als Krank-
heit ist, welche zuvor bereits aufgegriffen wurde.
Der Akzeptanzorientierung steht die Abstinenzorientierung gegenüber, die in Kapitel
3 und 6 genauer beschrieben ist. Es scheint nur das eine oder andere zu geben und
der Bereich „dazwischen“ wird kaum genutzt. Es wäre sinnvoll und erstrebenswert,
dass beide Bereiche ihre Haltung und Arbeitsweise gegenseitig verstehen lernen und
anerkennen. Stöver formuliert die Herangehensweise folgendermaßen:
„Beide Paradigmen schließen sich also nicht aus, sondern sollten sich eigentlich sinnvoll ergänzen, praktisch ineinandergreifen und sich befruchten. Auf der Prioritätenliste tritt die Abstinenz zunächst in den Hintergrund. Sie hat subjektiv für einzelne Drogenkonsumenten/-innen trotzdem noch immer, insbesondere unter den illegalisierten Bedingungen von Drogenkonsum, einen hohen Wert. Beide Ansätze, der mit vorwiegender Abstinenzorientierung und der mit vorwiegender Akzeptanzorientierung, können allerdings nur sinnvoll ineinandergreifen, wenn sie sich über ihr Menschenbild und den individuellen
43
Abstinenzorientierte versus Akzeptanzorientierte Suchthilfe
und gesellschaftlichen Stellenwert von Abstinenz klar werden“(Stöver in Stöver, S.22f,1999).
Weitere wichtige Aspekte im Bezug auf die Haltung sind die der Sozialarbeiter inner-
halb ihrer Stelle. Mitarbeiter in Kontaktläden sind sich meist über die Akzeptanzori-
entierung bewusster und sehen diese als wichtiger an, als zum Beispiel Mitarbeiter in
der PSB. Eine Vermutung ist, dass oftmals fälschlicherweise Akzeptanzorientierung
mit Niederschwelligkeit gleichgesetzt wird, so die Erfahrung aus der Praxis.
Ebenso kann beobachtet werden, dass sich die Mitarbeiter, unabhängig der ideologi-
schen Ausrichtung des Arbeitgebers, sehr unterschiedlich definieren(vgl. Vogt in Stö-
ver, 1999). Ein besserer Austausch innerhalb der Suchthilfe könnte diesen Zustand
positiv beeinflussen, denn in letzter Konsequenz bedeutet es, dass Klienten, die z.B
zur Teilnahme an der PSB verpflichtet werden, je nach „Belieben“ des Mitarbeiters,
nicht entsprechend ihrer Bedürfnisse betreut werden, da diese mit den Ansichten des
Betreuers so stark kollidieren, dass die Betreuung beendet wird. Ein Beispiel aus der
Praxis, ist der Abbruch der PSB durch die Betreuung, aufgrund „riskanten Beige-
brauchs“.
Auf gesellschaftlicher und politischer Ebene muss bei „Antidrogenmaßnahmen“ eine
Bezugnahme auf die wirklichen Bedürfnisse der Drogenkonsumenten vollzogen wer-
den und nicht weiterhin der Drogenkonsum an sich im Mittelpunkt stehen(vgl. Am-
broselli in Blickpunkt Ethik, 2006).
Hoffmann unterstützt diese Aussage, indem sie der Sozialen Arbeit zuspricht, einen
Beitrag leisten zu können zur Entdramatisierung des Umgangs mit Drogen und ihrer
Konsumenten. Das Ziel muss sein, dass das Befinden der Betroffenen im Mittelpunkt
steht(vgl. Hoffmann, 2012).
„Das Selbstbestimmungsprinzip räumt jedem Menschen das Recht zur freien Entscheidung über sein Leben ein, soweit dieses Recht nicht mit dem Selbstbestimmungsrecht anderer Kollidiert“(Svedberg, S.84,2006).
Abschließend stellt die Frage nach der Definition von „Sucht“ und „Abhängigkeit“,
der Einstellung als Krankheit und den ethischen Gesichtspunkten einen großen Feld
dar. In der Theorie ist die Akzeptanzorientierung der ethisch wertvollere Ansatz und
sollte grundsätzlich beibehalten werden. Allerdings stößt er, mit der Ablehnung der
Sucht als Krankheit, in der Praxis an seine Grenzen. Denn damit müsste das System
44
komplett überdacht werden. Wenn Sucht keine Krankheit mehr darstellt, und somit
aus dem Klassifikationssystem raus fällt, wäre es wahrscheinlich nicht mehr möglich,
Hilfeleistungen für die Betroffenen zur Verfügung zu stellen, da sich dann wohl kaum
eine Institution mehr für eine Versorgung einsetzten würde. Die Legitimation und
auch Verpflichtung bzw. der Sicherstellungsauftrag, dass bestimmte Angebote ge-
macht werden müssen, fiele dann weg.
In dieser Arbeit soll nicht über die bestehende Drogenpolitik diskutiert werden. Viel-
mehr will sich diese Arbeit zum Ziel setzen, Veränderungen für eine verbesserte Ver-
sorgung der Klientengruppe vorzuschlagen.
45
Ambulante versus stationäre Rehabilitation und Therapiemöglichkeiten bei Opiatabhängigkeit
6 Ambulante versus stationäre Rehabilitation und Therapiemöglichkeiten bei Opiatabhängigkeit
Im Folgenden soll die ambulante und stationäre Rehabilitation aufgrund unterschied-
licher Eigenschaften betrachtet werden. Indikation, Grenze, Zugang, Zielsetzung und
Finanzierung werden unter Berücksichtigung des vorherigen Kapitels diskutiert. In
einem zweiten Schritt sollen weitere Therapiemöglichkeiten bei bestehender Abhän-
gigkeit beschrieben werden.
Vor ab muss die Abgrenzung zwischen Therapie und Rehabilitation geklärt werden.
Die Definition der WHO, welche sich im Report „ Disability prevention and rehabili-
tation“ aus dem Jahr 1981 wiederfindet, lautet wie folgt:
„Rehabilitation includes all measures aimed at reduving the impact of disabling and handicapping conditions, and at enabling the disabled and handicapped to achieve social integration. Rehabilitation aims not only at training disabled and handicapped persons to adapt to their environment, but also at intervening in their immediate enviroment and society as a whole in order to facilitate their social integration. The disabled and handicapped themselves, their families, and the communities they live in should be involved in the planning and implementation of services to rehabilitation“(WHO, 1981).
Rehabilitation ist somit ein umfangreiches Konzept, welches sich je nach Schwer-
punktsetzung um die betroffenen Bereiche ganzheitlich kümmert. Als Therapie wird
die Behandlung von Krankheiten, im Sinne eines Heilverfahrens, definiert(Pschy-
rembel, 2002). Bei Abhängigkeitserkrankungen zum Beispiel die Psychotherapie,
welche innerhalb der Rehabilitation, eine Säule der Behandlung darstellt. Die Reha-
bilitation kann stationär, ambulant oder teilstationär erfolgen.
Im Jahr 2011 wurden von der Deutschen Rentenversicherung 87.499 Entwöhnungs-
behandlungen bewilligt und 53.965 abgeschlossen. 82% wurden stationär und 18%
ambulant durchgeführt. 63% der bewilligten Leistungen fielen auf Alkoholabhängi-
ge, 1% auf Medikamentenabhängige, 19% auf Drogenabhängige, 9% auf Mehrfach-
abhängige und 8% auf sonstige Eingliederungen(Reha-Qualitätssicherung der Deut-
schen Rentenversicherung, 2013). Im Jahr 2011 machte die Rehabilitation der Ab-
hängigkeitserkrankungen im Gesamtspektrum aller Rehabilitationen insgesamt 6%
aus(Reha-Bericht Update 2012). Das entspricht einer Summe von 595,7 Millionen
Euro(vgl. Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziale Berlin, 2014).
Die gesetzliche Grundlage für die Rehabilitation findet sich im SGB IX.
46
Je nach Ausgangssituation bei Beantragung der Rehabilitation kommen verschiedene
Kostenträger in Frage, die Rentenversicherung, die Krankenkasse oder die Sozialhil-
feträger. Diese Unterscheidung ist für die Kapitel 7 und 8 relevant und wird daher
kurz erläutert.
Die Kosten für die vorangehende Entzugsbehandlung werden grundsätzlich von den
Krankenkassen bezahlt. Die Rehabilitation, insofern es sich um eine Leistung zur
Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit handelt, wird von der Rentenversicherung
übernommen, wenn die Voraussetzungen dafür erfüllt sind. Diese sind mindestens 6
Monatsbeitragszahlungen in die gesetzliche Rentenversicherung innerhalb der letzten
zwei Jahre, oder 12 innerhalb der letzten fünf Jahre. Sind diese nicht erfüllt, erfolgt
eine Finanzierung über die Krankenkasse(Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilita-
tion, 2006 Dieses Verfahren wird in der Vereinbarung „Abhängigkeitserkrankungen“,
die zwischen den Rentenversicherungsträgern und den gesetzlichen Krankenkassen
besteht, geregelt. Weiterhin sind dort die Ziele der medizinischen Rehabilitation, die
Voraussetzungen, das Beantragungsverfahren und der Leistungsumfang festgelegt. In
vier Anlagen werden die Anforderungen für die Leistungserbringer, die Kriterien für
eine Abwägung von ambulanter und stationärer Therapie und die vorübergehende
Substitution zu Beginn einer Rehabilitation geregelt(vgl. Deutsche Rentenversiche-
rung und Deutsche Krankenversicherung, 2001).
Abbildung 3: Das Suchthilfesystem aus Fachverband Sucht e.V
47
Ambulante versus stationäre Rehabilitation und Therapiemöglichkeiten bei Opiatabhängigkeit
6.1 Stationäre Rehabilitation
Die Ziele der medizinischen Rehabilitation sind das Erreichen und die Erhaltung der
Abstinenz, sowie körperliche und seelische Störungen zu behandeln oder auszuglei-
chen und die Eingliederung in Arbeit und Gesellschaft zu erhalten oder zu erreichen
(Deutsche Rentenversicherung und Gesetzliche Krankenkassen 2008, 2011). In Anla-
ge 4 werden erweiterte Ziele bei vorübergehende Substitution definiert. Hierauf wird
am Ende des Abschnitts genauer eingegangen.
Generell wird die stationäre Rehabilitation/ Entwöhnungsbehandlung in spezialisier-
ten Einrichtungen oder Fachabteilungen durchgeführt. In der stationären Rehabilitati-
on sind die Rehabilitanden ganztägig in der Einrichtung. Sie übernachten dort und er-
halten volle Verpflegung. Je nach Schwere und Art der Erkrankung erstreckt sich die
Länge der Behandlung auf 8-15 Wochen. Die Suchtmittelfreiheit ist übergeordnetes
Ziel und soll durch unterschiedliche Behandlungsformen erhalten werden. Erhalten,
weil sie in einer vorhergegangene Entzugsbehandlung hergestellt wurde(vgl. Reha-
Qualitätssicherung der deutschen Rentenversicherung, 2013, DRV-Schriften, 2002,
Tretter 2008 ).
Die Psychotherapie ist zentraler Bestandteil und findet in Einzel- und Gruppenset-
tings statt. Die therapeutischen Verfahren basieren in den meisten Einrichtungen auf
der Anschauung der humanistischen Psychologie(vgl. Friedrichs, 2002, Tretter,
2008).
Hinzu kommen Physiotherapie, Sport- und Bewegungsgruppen, arbeitsplatzbezogene
Leistungen, Informationsveranstaltungen, Schulungen, Beratungen, Entspannungs-
training, Kunst-, Gestalt- und Musiktherapie und soziotherapeutische Angebote. So-
mit wird in der stationären Rehabilitation multimodal und multiprofessionell gearbei-
tet. Zusätzlich ist die Behandlungsdichte wesentliche höher als im ambulanten Be-
reich(vgl. Reha-Qualitätssicherung der deutschen Rentenversicherung, 2013, Tretter
2008, Friedrichs, 2002). Vorteile sind außerdem ein sicheres therapeutisches Milieu
und die Möglichkeit, ein belastendes und für die Abstinenzentwicklung problemati-
sches Umfeld, vorübergehend zu verlassen, sowie die Förderung und Stabilisierung
von Änderungsabsicht und -fähigkeit. Die DHS widerspricht dem allerdings, mit der
Begründung, dies sei ein unnatürliches Umfeld(vgl. DRV-Schriften, 2002).
48
6.1.1 Schwerpunkt Substitution und Komorbiditäten
Die Voraussetzungen für die vorübergehende Substitution innerhalb der stationären
Rehabilitation sind die selben wie die der Ambulanten(siehe 6.2.1).
Wenn über den Fachverband Sucht e.V eine stationäre Therapieeinrichtung gesucht
wird, die substitutionsgestützte Rehabilitation anbietet, werden einem fünf Einrich-
tungen genannt. Bei der Kategorie Doppeldiagnosen bekommt man 45 Ergebnisse,
kombiniert bleiben noch 4 Einrichtungen übrig. Allerdings werden nicht in allen vier
Kliniken Opiatabhängige und bestimmte psychische Störungen behandelt. Für die in
der Arbeit definierte Gruppe bliebe - während laufender Substitution wenigstens am
Beginn der Behandlung - nur eine Klinik übrig(Fachverband Sucht e.V, http://www.-
sucht.de, 2014).
6.2 Ambulante Rehabilitation
Die Ziele der ambulanten Rehabilitation sind identisch mit denen der stationären Re-
habilitation. Diese Ziele sollen durch unterschiedliche Schwerpunkte erreicht wer-
den. Dazu zählen unter anderem: der Aufbau und die Festigung von Krankheits-
einsicht, die Auseinandersetzung mit Wertvorstellungen, die Herstellung der Verände-
rungsmotivation, eine funktionale Affektregulierung, die Bearbeitung der Schädigun-
gen insbesonders psychischer Funktionen, die Entwicklung von Copingstrategien, die
Krankheitsverarbeitung und der Aufbau eines suchtmittelfreien Umfelds.
Die ambulante Rehabilitation wird wohnortnah erbracht, die Rehabilitanden bleiben
somit in ihrem Umfeld. Voraussetzungen sind: die Rehabilitationsbedürftigkeit, be-
stehende Rehabilitationsfähigkeit, eine positiv gestellte Rehabilitationsprognose und
die individuell zu erfüllenden Zugangsvoraussetzungen
Nicht die medizinische Diagnose allein ist Voraussetzung für die ambulante Rehabili-
tation sondern eine
„Analyse und Bewertung von Schädigungen insbesondere psychischer Funktionen, Beeinträchtigungen der Aktivität und Beeinträchtigungen der Teilhabe sowie der Lebenssituation des Rehabilitanden“(DRV-Schriften, 2008, S.3).
In Anlage 1 der Vereinbarung „Abhängigkeitserkrankungen“ werden die Vorausset-
zungen detaillierter definiert. So muss der Rehabilitand über die nötige Mobilität und
49
Ambulante versus stationäre Rehabilitation und Therapiemöglichkeiten bei Opiatabhängigkeit
physische und psychische Belastbarkeit verfügen. Er sollte ein stabiles soziales Um-
feld und eine stabile Wohnsituation haben, die unterstützend wirken, sowie die Fä-
higkeit zur Mitarbeit, zur Teilnahme an regelmäßigen Terminen und zur Abstinenzer-
haltung, welche wie bei der stationären Therapie, durch einen Entzug gewährleistet
sein soll(vgl. DRV, 2008).
Vor allem bei berufsbegleitender Rehabilitation ist die ambulante Rehabilitation indi-
ziert. Jedoch bedeuten Arbeitslosigkeit und Langzeitarbeitsunfähigkeit nicht automa-
tisch den Ausschluss für die ambulante Behandlungsform.
Ausschlusskriterien für die ambulante Rehabilitation sind
„...schwere Störungen auf seelischem, körperlichem oder sozialem Gebiet, die eine ambulante Rehabilitation in Frage stellen, z.B akute Intoxikation, akute Psychose, chronische psychotische Prozesse, manifeste Suizidalität, fremdgefährdendes Verhalten oder erhebliche psychische und körperliche Komorbiditäten, die in einer ambulanten Einrichtung nicht ausreichend mitbehandelt werden können“(DRV, 2008, S.4).
Inhaltlich sind die therapeutischen Einzel- und Gruppengespräche sowie die Einbe-
ziehung von Bezugspersonen, die wesentlichen Kernelemente. Auch hier soll in in-
terdisziplinären Teams gearbeitet werden. Zusätzlich gibt es, je nach Bedarf, unter-
schiedliche Zusatzangebote. Die ambulante Therapie soll nicht nur auf Einzelgesprä-
chen basieren, da der Rehabilitand befähigt sein muss in Gruppen zu arbeiten.
Der Rückfall führt nicht zwangsläufig zum Abbruch der Leistung. Voraussetzung ist
ein konstruktiver und offener Umgang mit der Thematik. Die Bereitschaft zur Rück-
fallbearbeitung muss vorhanden sein. Zusätzlich muss die positive Rehabilitations-
prognose erhalten bleiben(vgl. DRV, 2008).
Aus Sicht der Therapieeinrichtungen wird der Erfolg einer Therapie meist immer
noch daran gemessen, ob diese rückfallfrei beendet wird und ob die Abstinenz auf-
recht erhalten werden kann. Diese Sichtweise muss aber in Frage gestellt werden, da
„...die Entwicklung der Persönlichkeit und die berufiche Entwicklun g außer acht bleiben. Zahlreiche Krankheitsverläufe zeigen, dass ein Rückfall, der nur wenige Tage dauert, weil der Patient frühzeitig therapeutische Hilfe in Anspruch nimmt, einen erfolgreichen Genesungsprozeß kaum schmälert und die Persönlichkeitsnachreifung mit ihren erfreulichen Auswirkungen auf die Beziehungsentwicklung und die berufliche Konsolidierung erneut voranschreitet“ (Büchner in Heigl-Evers et al., 2002, S.49).
50
6.2.1 Ambulante Rehabilitation und Substitution
Seit 2001 ist es möglich, unter laufender Substitution, eine ambulante Rehabilitation
zu beginnen. Die Rahmenbedingungen sind in Anlage 4 zur Vereinbarung „Abhän-
gigkeitserkrankungen“ nachzulesen. Die stabile Dosis in der Substitution und die
Beikonsumfreiheit von vier Wochen vor Beginn, sind obligatorisch. Die Beikonsum-
freiheit muss regelmäßig von dem behandelnden Arzt dokumentiert werden.
Das Ziel ist die vollständige Abstinenz innerhalb eines festgelegten Zeitfensters be-
züglich der Abdosierung und der therapeutischen Maßnahmen, die zur Erreichung
angewandt werden.
Die Einnahme wird als übergangsweise gesehen, da ansonsten die gleichen Bedin-
gungen wie bei der „drogenfreien“ Rehabilitation gelten(vgl. DRV, 2008).
Hier sollte angedacht werden, dass eine Rehabilitation - mit fortlaufender Substituti-
on - genauso ihre Berechtigung erhält. Leider war es nicht möglich, dazu Literatur zu
finden. In der Dokumentation „Substitution und Psychotherapie im stationären und
ambulanten Setting“ von akzept e.V. gibt es einen kurzen Verweis von Heinz.
Zum einen gibt er zu bedenken, dass gerade bei Klienten, die schon lange Zeit substi-
tuiert werden, das Substitut eine eigene Funktionalität hat, welche nicht mehr nur der
Kontrolle von Entzugzsymptomen entspricht(vgl. Heinze, 2011).
„Bei Aufrechterhaltung der Substitution sind die Chancen zur Rehabilitation und Eingliederung in das Erwerbsleben oft aussichtsreicher als bei Durchsetzung einer Abstinenzanforderung“(Heinze, 2011 S.59).
Zum anderen schreibt er innerhalb eines Vortrags von Köhler (Rentenversicherung),
dass - bei Erfüllung der Interessen der Rentenversicherung - schon jetzt eine Substi-
tution bis zum Ende der Rehabilitation theoretisch zugelassen würde.
Vor allem bei psychiatrisch komorbiden Klienten sollte der Einsatz des Substituts,
analog zu Psychopharmaka, während und nach der Rehabilitation zum Einsatz kom-
men(vgl. Heinze, 2011).
6.3 Soziotherapie
Die gesetzliche Grundlage der Soziotherapie ist der §37a SGB V, in Verbindung mit
§92 Abs. 1 Satz 2 Nr 6 SGB V. Soziotherapie soll schwer psychisch kranke Men-
schen befähigen, Leistungen in Anspruch zu nehmen, die ihnen zustehen. Dies Ziel
51
Ambulante versus stationäre Rehabilitation und Therapiemöglichkeiten bei Opiatabhängigkeit
basiert auf der Annahme, dass Menschen - mit bestimmten Erkrankungen - nicht in
der Lage sind, selbstständig medizinische Leistungen zu eruieren, zu beantragen und
auch in Anspruch zu nehmen. Hauptbestandteile der Soziotherapie sind die Motivati-
onsarbeit und strukturierende Trainingsmaßnahmen. Sie hat einen koordinierenden
und begleitenden Charakter eines individuellen Therapieplans. Soziotherapie soll
dazu beitragen, Krankenhausbehandlungen zu verhindern, zu vermindern, oder sie zu
kompensieren, wenn diese zwar angezeigt wären, aber nicht ausführbar sind. Die
Kosten werden, soweit die Indikation besteht, von den Krankenkassen übernommen.
Soziotherapie findet im sozialen Umfeld des Patienten statt und ist eingebettet in
einen ärztlichen Behandlungsplan(vgl. Gemeinsamer Bundesausschuss, 2001, Fach-
ausschuss Soziotherapie, 2000).
Die Krankheitseinsicht soll ermöglicht werden,
„..indem Einsicht, Aufmerksamkeit, Initiative, soziale Kontaktfähigkeit und Kompetenz gefördert wird“(Gemeinsamer Bundesausschuss, 2001, S.1).
Indikation für Soziotherapie stellen schwere psychische Erkrankungen aus den Berei-
chen des schizophrenen Formenkreises und der affektiven Störungen dar. Im ICD 10
sind diese im Kapitel F20.xx-22.xx, F24.xx,F25.xx und F31.5,F32.3,F33.3 definiert.
Auf die einzelnen Diagnosen wird nicht näher eingegangen, da die Soziotherapie in
ihrem bestehenden Rahmen meist nur bei CMA-Patienten von Bedeutung ist(Ge-
meinsamer Bundesausschuss, 2001).
6.4 Psychotherapie
Die Psychotherapie findet ihre rechtliche Grundlage im Psychotherapeutengesetz und
in der Psychotherapie-Richtlinie, die vom Gemeinsamen Bundesausschuss erarbeitet
wurde. Psychotherapie wird von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt, wenn sie
dazu dient, seelische Krankheiten zu erkennen, zu heilen, Verschlimmerung zu ver-
hindern oder Krankheitsbeschwerden zu bessern. Psychotherapie darf nicht aus-
schließlich zur beruflichen Anpassung oder beruflichen Förderung dienen(Gemeinsa-
mer Bundesausschuss, 2009).
Innerhalb dieser Richtlinie wird seelische Krankheit wie folgt definiert:
52
„...als krankhafte Störung der Wahrnehmung, des Verhaltens, der Erlebnisverarbeitung, der sozialen Beziehungen und der Körperfunktionen. Es gehört zum Wesen dieser Störungen, dass sie der willentlichen Steuerung durch die Patientin oder den Patienten nicht mehr oder nur zum Teil zugänglich sind. Krankhafte Störungen können durch seelische und körperliche Faktoren verursacht werden; sie werden in seelischen und körperlichen Symptomen und in krankhaften Verhaltensweisen erkennbar, denen aktuelle Krisen seelischen Geschehens, auch pathologische Veränderungen seelischer Strukturen zugrunde liegen können“(Gemeinsamer Bundesausschuss, 2009, §2).
Psychotherapie findet in einem festen Rahmen von Verfahren, Methoden und Techni-
ken statt. Es ist festgelegt, dass analytische, tiefenpsychologische und verhaltensthe-
rapeutische Verfahren zulässig sind. Psychotherapie kann in Einzel und Gruppenthe-
rapie angeboten werden.
Die Krankheiten, die innerhalb der Psychotherapie behandelt werden können, sind:
• Affektive Störungen: depressive Episoden, rezidivierende depressive Störun-
gen, Dysthymie
• Angst- und Zwangsstörungen
• Somatoforme Störungen und Dissoziative Störungen
• Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen
• Essstörungen
• Nichtorganische Schlafstörungen
• Sexuelle Funktionsstörungen
• Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen
• Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und Ju-
gend(Gemeinsamer Bundesausschuss,2009).
Einschränkungen werden im Bezug auf Psychische und Verhaltensstörungen auf-
grund psychotroper Substanzen gemacht. Psychotherapie ist nur dann zulässig, wenn
die Abstinenz mit der 10. Behandlungsstunde hergestellt ist und von einem unabhän-
gigen Arzt dokumentiert wurde. Kommt es zu einem Rückfall in der Behandlung,
müssen sofort geeignete Maßnahmen ergriffen werden, um die Abstinenz wiederher-
zustellen.
2011 wurde die Psychotherapie-Richtlinie dahingehend geändert, dass eine Psycho-
therapie für Substituierte ermöglicht wurde. Jedoch auch hier ist der zusätzliche Kon-
sum von Substanzen ebenso ein Ausschlusskriterium. Psychotherapie ist nur mög-
lich, wenn eine regelmäßige Zusammenarbeit mit den substituierenden Ärzten und
53
Ambulante versus stationäre Rehabilitation und Therapiemöglichkeiten bei Opiatabhängigkeit
anderen beteiligten Stellen bezüglich der Therapieziele und Behandlungsmaßnahmen
besteht(Gemeinsamer Bundesausschuss, 2009).
Im Jahr 2008 haben die Bundespsychotherapeutenkammer und der Fachverband
Sucht e.V ein gemeinsames Positionspapier erarbeitet, wie eine mögliche Kooperati-
on zwischen Psychotherapie und Suchtbehandlung gestaltet werden könnte. Einige
Punkte sollen hier herausgestellt werden, da sie sich zum Teil in Kapitel 7 wiederfin-
den bzw. aufgegriffen werden.
Grundsätzlich wird der Psychotherapie in der Behandlung von Abhängigkeitserkran-
kungen ein hoher Stellenwert zugesprochen, vor allem aufgrund der häufig auftreten-
den Komorbiditäten. In der stationären Behandlung ist sie bereits fest verankert, im
ambulanten Bereich nimmt sie weiter zu, jedoch überwiegend in der Rehabilitations-
und Nachsorgephase. Allerdings sind die Akteure der Meinung, dass auch in der Vor-
phase ambulante Psychotherapie als Behandlungsmöglichkeit hilfreich wäre. Der An-
teil der Patienten mit Suchterkrankungen ist in der vertragspsychotherapeutischen
Versorgung, gemessen an der hohen Zahl von Abhängigkeitserkrankungen in der All-
gemeinbevölkerung, bisher sehr gering.
Die Frage nach der verbesserten Kooperation beantworten die Beteiligten mit der
Notwendigkeit der Veränderung des §73 Abs. 2 SGB V, d.h. Psychologische Psycho-
therapeuten sollten befähigt werden, medizinische Rehabilitationsleistungen verord-
nen zu dürfen.
Eine weitere Verbesserung wäre die Zulassung der Behandlung von Patienten mit
schädlichem Gebrauch als Neben- oder Hauptdiagnose bei bestehender physischer
Komorbidität(Bundespsychotherapeutenkammer und der Fachverband Sucht e.V,
2008). Allerdings findet in diesem Punkt noch keine Differenzierung statt, bezüglich
des „erlaubten“ Konsums bei laufender Psychotherapie.
6.4.1 Psychotherapie und Substitution
2011 fand in Berlin eine Fachtagung zum Thema Substitution und Psychotherapie
statt. Veranstalter waren akzept e.V. in Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft
für Suchtmedizin und dem Berufsverband Deutscher Psychiater/Nervenärzte.
54
Aus der Dokumentation können einzelne Aspekte für die Behandlung der definierten
Klientengruppe im Sinne dieser Arbeit heraus genommen werden, obwohl sie auch
für das gesamte Suchthilfesystem gelten können.
Stöver formuliert die Wichtigkeit der Verzahnung der zwei großen Ansatzpunkte in
der Suchthilfe im Bezug auf die Psychotherapie. Die Substitution kann nur schwer an
der Überwindung der Ursachen der Sucht arbeiten, da ihr Behandlungsangebote feh-
len, die sich mit den oftmals vielfachen Belastungen beschäftigen. Die Rehabilitation
dagegen sieht nach wie vor die Abstinenz als Ziel und schreckt dadurch viele Betrof-
fene ab. Das bedeutet für ihn, die Substitution müsse um therapeutische Angebote er-
weitert werden und die stationär und ambulante Psychotherapie müsse sich Substitu-
ierten öffnen. Es könnte eine Dynamik innerhalb des Suchthilfesystems entstehen
und damit - der oft klaren Trennung der beiden Richtungen - entgegenwirken.
Schließlich sei in keinem anderen Bereich der psychosozialen Arbeit und des Ge-
sundheitssystems die Trennung so klar, sondern dort herrsche eine Selbstverständ-
lichkeit vor, dass medikamentöse Behandlungen mit psychosozialen Interventionen
und Psychotherapie kombiniert werden(vgl. akzept e.V et al., 2012).
Lüdecke versucht in ihrem Beitrag die Besonderheiten bei der Psychotherapie mit
Substituierten hervorzuheben. Substituierte bringen meist viele unbearbeitete The-
men und Ziele mit, welche ihrer Ansicht nach in äußere und innere Ziele unterteilt
werden können. Die äußeren betreffen das Umfeld und die aktuelle Lebenssituation,
z.B.Wohnraum, Straffälligkeit und drohende Inhaftierung. Innere Ziele betreffen psy-
chische Situation, z.B. gewünschte Verhaltensveränderung, Affektregulierung oder
Überforderung. Das psychotherapeutische Arbeiten sollte sich demnach in zwei Pha-
sen unterteilen: Die erste ist gekennzeichnet durch eine Akzeptanz, die mit der Siche-
rung der Grundbedürfnisse einhergeht. Wenn diese dann hergestellt ist, fängt die Ar-
beit der zweiten Phase an, welche durch die Erreichung der inneren Ziele gekenn-
zeichnet ist. Die Erarbeitung von Veränderungsstrategien, die Verbesserung von In-
trospektionsfähigkeit, Affektregulierung, Selbststeuerung und Copingstrategien im
Mittelpunkt(ebd.).
Täschner et al. beschreiben die Psychotherapie mit Abhängigen als eine schwere Auf-
gabe, da diese nicht monomethodisch stattfinden kann, sondern übergreifend und in-
tegrativ arbeiten muss. Diese Annahme basiert darauf, dass sich psychische Prozesse
nur bearbeiten lassen, wenn die körperlichen und sozialen Faktoren gesichert sind
(vgl. Täschner et al., 2010).
55
Ambulante versus stationäre Rehabilitation und Therapiemöglichkeiten bei Opiatabhängigkeit
In der Psychotherapie sind in Deutschland drei Verfahren zugelassen und abrechen-
bar, dass sind, wie oben beschrieben, die Verhaltenstherapie, die Psychoanalyse und
die tiefenpsychologisch fundierten Verfahren.
Scheiblich formuliert, auf die unterschiedlichen Verfahren, Grenzen bei der Therapie
mit Abhängigen. Die psychoanalytischen Verfahren sind nach seiner Auffassung wir-
kungslos bzw. sogar kontraindiziert, da diese mit der Übertragung auf den Therapeu-
ten arbeiten. Weiterhin ist es nicht förderlich, wenn in Anbetracht der hohen Trauma-
tisierungsraten, diese Menschen innerhalb der Verfahren durch die konfliktaufde-
ckenden Therapiemethoden erneut belastet und destabilisiert werden. Bei Abhängig-
keiten sei der wichtigste Bestandteil die intrapsychische Situation, die sich eher mit
verhaltenstherapeutischen Verfahren bearbeiten ließen(vgl. Scheiblich in Nickolai,
2000).
Um auch für die Erarbeitung der Clearingtherapie in Kapitel 8, zu verstehen, weshalb
eine verhaltenstherapeutische Ausrichtung gewählt wird, sollen im folgenden Ab-
schnitt kurz die wichtigsten Merkmale beschrieben werden.
„Die Verhaltenstherapie ist eine auf der empirischen Psychologie basierende psychotherapeutische Grundorientierung. Sie umfasst störungsspezifische und -unspezifische Therapieverfahren, die aufgrund von möglichst hinreichend überprüftem Störungswissen und psychologischem Änderungswissen eine systematische Besserung der zu behandelnden Problematik anstreben. Die Maßnahmen verfolgen konkrete und operationalisierte Ziele auf den verschiedenen Ebenen des Verhaltens und Erlebens, leiten sich aus einer Störungsdiagnostik und individuellen Problemanalyse ab und setzen an prädisponierenden, auslösenden und/oder aufrechterhaltenden Problembedingungen an. Die in ständiger Entwicklung befindliche Verhaltenstherapie hat den Anspruch, ihre Effektivität empirisch abzusichern“ (Margraf, J., 2009, Seite 6).
Grundsätzlich hat die Verhaltenstherapie 3 Hauptziele: die Reduktion der Krankheits-
symptome und Rezidivprophylaxe, den Aufbau von alternativen, gesundheitsfördern-
der Kompetenzen und die Erhöhung des Selbsthilfepotentials. Letzteres geht mit der
Verbesserung der Selbstwirksamkeit einher.
Die Verhaltenstherapie lässt sich in drei Richtungen unterteilen, einmal die klassische
Verhaltenstherapie, die ihren Schwerpunkt auf das beobachtbare Verhalten legt, und
Veränderungen der Kognitionen dadurch zustande kommen, dass das Verhalten ver-
ändert wird. Als zweites die kognitive Therapie, bei der der Fokus auf der Verände-
56
rung der Denkmuster liegt und die Verhaltensänderung dadurch geschieht. Schließ-
lich die kognitive Verhaltenstherapie die auf beiden Ebenen interveniert. Sie setzt bei
Kognitionen und dem Verhalten an.
Die Techniken sind zum Beispiel die Stimuluskontrolle, Konfrontations- und Bewäl-
tigungsverfahren, die operanten Verfahren, die kognitiven Verfahren, das Training so-
zialer Kompetenzen und Entspannungstechniken.
Die Verhaltenstherapie analysiert auf unterschiedlichen Ebenen das Verhalten. Bei
der Makroanalyse, die als vertikale Verhaltensanalyse gesehen wird, ist der Blickwin-
kel umfassend, die Probleme werden in einem großen Kontext gesehen, dabei werden
Ziele, Pläne, Schemata und Grundannahmen herausgearbeitet. Es entsteht ein hypo-
thetisches Bedingungsmodell, welches die biographische Anamnese und die Sympto-
mentwicklung beinhaltet. Ziel ist, ein Störungsmodell zu formulieren, um das Selbst-
verständnis des Patienten zu fördern.
In der Makroanalyse finden somit die Plan- und Schemaanalyse statt.
In der Mikroanalyse wird das Verhalten in einzelnen Situationen beschrieben. Sie fin-
det auf der somatischen, emotionalen, motorischen und kognitiven Ebene statt.
So erhält man eine genaue Analyse aus unterschiedlichen Perspektiven. Aus diesen
Analysen leitet sich das therapeutische Arbeiten ab(vgl. Margraf, 2009, Linden und
Hautzinger, 1993, Hoffmann, 1990, Bartling et al. 2008, Schermer et al. 2005).
7 Handlungsempfehlungen innerhalb des bestehenden Suchthilfesystems für Substituierte
Im folgenden Kapitel werden die vorangegangenen Inhalte subsumiert und daraus re-
sultierende Handlungsempfehlungen formuliert, um die Versorgung von Substituier-
ten zu verbessern. Diese Handlungsempfehlungen können für die gesamte Substituti-
on gelten, allerdings werden sie hier für die ausgewählte Klientengruppe formuliert.
Bei der Klientengruppe fallen - wie voran beschrieben – einige „Besonderheiten“
auf, vor allem was das fehlende Angebot im bestehenden Suchthilfesystem betrifft.
57
Handlungsempfehlungen innerhalb des bestehenden Suchthilfesystems für Substituierte
7.1 Auf Ebene der Rahmenbedingungen der Substitution
Auf der Ebene der Rahmenbedingungen sollten folgende Veränderungen vorgenom-
men werden.
Wie in 2.5 beschrieben sollten das BtMG und die BtMVV den Richtlinien der BÄK
angepasst werden. Der Beigebrauch sollte daher in diesen gewertet werden, um den
behandelnden Ärzten die Möglichkeit zu geben, individuelle Behandlungspläne mit
den Patienten zu entwerfen. Innerhalb dieser Behandlungspläne wäre es dann mög-
lich, den in der Realität bestehenden Beigebrauch (siehe 4.1) zu akzeptieren und da-
durch keine Sanktionen erteilen zu müssen. Gleichermaßen wäre es den Patienten
möglich, in ihrem Tempo bzw. ihren Zielen entsprechend, an ihrem Konsum zu ar-
beiten, auch wenn diese Ziele nicht immer die Aufgabe allen Konsums darstellen.
Die Übereinkunft, dass die Opiatabhängigkeit eine chronische Erkrankung darstellt,
könnte somit in bestehendes Recht übernommen werden und brächte für alle Betei-
ligten eine Entspannung im Behandlungsprozess mit sich.
Vor allem der Beigebrauch im Zusammenhang mit Komorbiditäten (siehe 4.2), im
Sinne der oben beschriebenen Selbstmedikation (siehe 4.4), würde den nötigen Stel-
lenwert erhalten, um weitere sinnvolle psychiatrische oder psychotherapeutische Be-
handlungen zu ermöglichen, ohne ständig wiederkehrende und nicht zielorientierte
Akutbehandlungen zu „erzwingen“ (siehe 3.6).
Substitution muss, im Sinne von harm-reduction, genauso anerkannt werden, unab-
hängig von der Zielsetzung „Abstinenz“.
Diese Veränderungen könnten auch dazu führen, dass in ländlichen Gebieten sich
Mediziner bereit wären Substitution anzubieten, was zu einer regionalen Verbesse-
rung der Versorgung für Opiatabhängige führen würde. Weiterhin könnte der in 3.6
beschriebenen Angst der Nicht-Substituierten entgegengewirkt werden, die keine Be-
handlung anfangen, aufgrund des immer drohenden Behandlungsabbruchs. Grund-
sätzlich solltedie Versorgung für Opiatabhängige deutschlandweit gleichermaßen ge-
sichert und praktiziert. Es darf keinen Unterschied machen, ob der Betroffene in einer
Großstadt oder in einer ländlichen Region Unterstützung benötigt.
58
7.2 Auf Ebene der psychosozialen Versorgung der Klienten
Die Lebenssituationen und Problemlagen von Menschen mit Opiatabhängigkeiten
sind multidimensional und so vielfältig wie ihre Biographien. Daher sollte die psy-
chosoziale Versorgung sich darauf einlassen und anpassen. Psychosoziale Betreuung
kann keinen verpflichtenden Charakter haben (siehe 3.3), wenn davon ausgegangen
wird, dass die Betroffenen selbstbestimmt sind. Die Substitution darf nicht an Bedin-
gungen einer psychosozialen Betreuung geknüpft sein. Die Substitution allein kann
eine ausreichende Unterstützung darstellen (siehe 2.2).
Eine flächendeckendes Angebot der freiwilligen PSB sollte trotzdem vorhanden sein.
In Brandenburg, zum Beispiel, ist dieses nicht gewährleistet. Die Substituierten müs-
sen oft lange Wege nach Berlin in Kauf nehmen, um sich dort in PSB zu begeben, da
diese Voraussetzung für eine Substitution ist. Dort wiederum müssen sie von den
Suchthilfeträgern oft abgelehnt werden, weil die zuständigen Kostenträger in Bran-
denburg die PSB in Berlin nicht finanzieren.
7.3 Auf Ebene der Suchthilfeträger.
Grundsätzlich müsste ein Selbstverständnis entwickelt werden, was PSB überhaupt
beinhaltet (siehe 3.1), welche Haltung die Mitarbeiter mitbringen sollten, welches
Verständnis von Abhängigkeit und Krankheit vorliegt und welches Menschenbild da-
mit einhergeht (siehe 5.1 und 5.2). Zusätzlich sollten Suchthilfeträger sich politisie-
ren, da sie aufgrund ihrer Profession auch die Zielsetzung haben, sich gegen Soziale
Ungerechtigkeit und damit einhergehender Diskriminierung zu positionieren. Sucht-
hilfeträger haben die Verpflichtung, auf Versorgungsdefizite aufmerksam zu machen
und für einzelne Klientengruppen benötigte Angebote zu entwickeln - auch wenn
dies bedeutet neue Wege zu gehen und dass sie sich damit gegen den immer noch
vorherrschenden Abstinenzgedanken zu stellen.
Im Bezug auf die Rehabilitationsmöglichkeiten sollten die Suchthilfeträger neue
Konzepte entwickeln für Substituierte. Es sollte die Möglichkeit geschaffen werden,
unter durchgängiger Substitution, Rehabilitationsmaßnahmen (siehe 6.1 und 6.2) in
Anspruch zu nehmen. Damit würde der Beobachtung entsprochen werden, dass für
einige Substituierte die Einnahme des Substituts eine lebenslange Behandlung bedeu-
tet, im Sinne einer chronischen Erkrankung (siehe 4.1). Die Betroffenen sollten in
gleichem Maße Zugang zu allen Angeboten erhalten. Es kann auch unter einer Dau-
59
Handlungsempfehlungen innerhalb des bestehenden Suchthilfesystems für Substituierte
ersubstitution die Arbeitsfähigkeit erhalten bzw. wiederhergestellt werden, das hieße,
auch ein Kreislauf zwischen prekären Gelegenheitsarbeiten, Arbeitslosigkeit und
eventueller Kriminalität könnte positiv beeinflusst werden.
Bei Doppeldiagnosen wäre es so zum Beispiel möglich, während fortlaufender Sub-
stitution, erst eine Verbesserung der psychischen Situation zu erreichen und in einem
zweiten Schritt an der Abhängigkeit zu arbeiten. Für die beschriebene Klientengrup-
pe wäre es die kleinere Belastung, eine lebenslange Substitution zu erhalten, als die
oft auftretenden „Drehtüreffekte“ zwischen Psychiatrie, Therapie und Krankenhaus
zu ertragen.
Der Einwand, dass Therapie und Rehabilitation unter Substitution nur eingeschränkt
möglich ist, da der Zugang zu den Emotionen durch das Substitut gedämpft ist, wür-
de an dieser Stelle eine Rolle spielen. Allerdings wäre bei Buprenorphin (siehe 2.3.2)
dieser Effekt nicht vorhanden und bei Methadon und Levomethadon (siehe 2.3.1)
müsste eventuell über eine Höchstdosis diskutiert werden. Es könnte aber auch for-
muliert werden, dass diese nicht notwendig ist, da ja an den vorhandenen Emotionen
und Verhaltensweisen gearbeitet wird und eine Abdosierung automatisch stattfinden
kann, wenn eine Verbesserung bzw. Stabilisierung der psychischen Situation durch
die Behandlung eingetreten ist.
7.4 Auf Ebene der Kostenträger
Die Kostenträger der Rehabilitationen und Therapien sollten sich zum einen im Be-
zug auf die Zielsetzung, als auch auf die Kosten öffnen und diese auch finanzieren
unter Dauersubstitution. Wie in 6.2.1 beschrieben, sei dies theoretisch möglich, je-
doch wird es nicht durchgeführt, weil Bedenken bei den Kostenträgern aufkommen,
inwieweit sich Finanzierungszuständigkeiten dadurch ändern könnten. Diesem könn-
te aber mit einer gemeinsamen Erklärung vorgebeugt werden. Die Tatsache, dass die
Maßnahme unter einer Dauersubstitution absolviert wird, bedeutet nicht unweigerlich
eine veränderte Situation. Würde die berufliche Rehabilitation im Vordergrund ste-
hen, wären weiterhin die Rentenversicherungsträger Kostenträger. Wäre dies nicht
der Fall, wären die Krankenkassen in der Pflicht (siehe 6.). Die Finanzierung des
Substituts würde von den Krankenkassen getragen. Hier könnte der Einwand kom-
men, dass bei einer Cleantherapie diese Kosten wegfallen würden. Jedoch müsste
60
überdacht werden, inwieweit, auf lange Sicht, auch Kosten eingespart würden, z.B
durch den Wegfall immer wieder stattfindender Entzüge und Akutbehandlungen in
Krankenhäusern. Eventuell könnte auch den „Therapieversuchen und Abbrüchen“ ein
Stück weit entgegengetreten werden, indem die unbedingte Abstinenzerreichung
nicht mehr zwingend gefordert ist. Es wäre denkbar, dass sich eine größere Zahl an
Klienten zu einer Rehabilitation entscheiden würden, mit der Sicherheit, dass sie ihre
Substitution nicht unbedingt aufgeben müssen. Auch hinsichtlich der Doppeldiagno-
sen wäre auf diese Weise ein wichtiger Schritt für die Versorgung der Betroffenen ge-
macht. Die Behandlung der Klientengruppe ist oft durch zahlreiche Behandlungsver-
suche in Psychiatrie, Akutmedizin und Rehabilitation gekennzeichnet. Hier könnte
ebenfalls eine bessere Bündelung von Ressourcen auf Seiten der Kostenträger statt-
finden.
7.5 Auf Ebene der psycho- und suchttherapeutischen Versorgung
Die Psychotherapierichtlinien sollten eine Öffnung für Menschen mit Abhängigkei-
ten ermöglichen. Eine ambulante Psychotherapie unter durchgängiger Substitution
sollte ermöglicht werden. Auch hier könnte über eine Höchstdosis des Substituts dis-
kutiert werden. Allerdings müsste eine solche Möglichkeit damit einhergehen, dass
Psychotherapeuten besser geschult werden, was die Thematik von Abhängigkeitser-
krankungen betrifft. In der Praxis kommt häufig die Rückmeldung, dass keine Erfah-
rung mit suchtspezifischen Inhalten besteht.
Eine zweite Möglichkeit wäre die Approbation für Suchttherapeuten zuzulassen, um
somit gezielt Psychotherapie für Menschen mit Abhängigkeiten installieren zu kön-
nen. Natürlich müsste die Ausbildung dann zertifiziert sein und die Berufsbezeich-
nung des Suchttherapeuten geschützt.
8 Ausblick: Ambulante Clearingtherapie bei Substituierten mit Doppeldiagnose unter Beigebrauch
Im folgenden soll ein Ausblick auf ein ambulantes Therapieangebot skizziert werden,
das für die beschriebene Klientengruppe konzeptioniert werden könnte, um in der
Theorie und Praxis eine Lücke im Hilfesystem zu schließen. Allerdings müssten dazu
die vorangegangenen Handlungsempfehlungen umgesetzt werden.
61
Ausblick: Ambulante Clearingtherapie bei Substituierten mit Doppeldiagnose unter Beigebrauch
Es ist nicht das Anliegen der Arbeit, dieses auszuarbeiten. Anliegen der Arbeit ist,
einen Anstoß in Richtung einer Öffnung des bestehenden Suchthilfesystems zu ge-
ben.
Die vorausgehende Analyse des Suchthilfesystems für Substituierte hinsichtlich the-
rapeutische und psychosoziale Angebote war wichtig, um die nachfolgende Skizze
einer Therapiemöglichkeit zu entwickeln.
Es geht um die Behandlung und Unterstützung bei Doppeldiagnosen, auf dem Hin-
tergrund, dass Betroffene sich häufig eine solche Möglichkeit wünschen, ihnen diese
aber verwehrt bleibt.
8.1 Zielsetzung
Die Zielsetzung kann als „Clearingtherapie“ verstehen. Die Klienten sollen innerhalb
eines therapeutischen Konzepts die Möglichkeit haben, für sich eine Krankheitsdefi-
nition und -einsicht zu erarbeiten, welche mit Psychoedukation einhergeht. Eine Erar-
beitung von Akzeptanz der eigenen Situation stünde ebenso am Anfang eines solchen
Prozesses.
Trotz des Wunsches, Therapie zu machen geht diese oft mit einer Ambivalenz und
Angst einher. Es könnte versucht werden, diese zu integrieren. Die Klienten könnten
einen ersten Schritt in Richtung Selbstwirksamkeit gehen. Selbstwirksamkeit im Be-
zug auf ihre Symptomatik sowohl bei den Abhängigkeiten als auch bei den weiteren
psychiatrischen Erkrankungen.
Auch die Funktionalität der einzelnen Substanzen ist ein Hauptbestandteil, durch den
die Klienten auf lange Sicht - bei eigenem Wunsch - ihren Konsum reduzieren kön-
nen.
Die Clearingtherapie hätte zwei Standbeine, das der Psycho- bzw. Suchttherapie und
das der PSB.
Die Zielsetzung wäre, dass sich die PSB, mit dem Klienten zusammen, um die Stabi-
lisierung, das Erreichen oder den Erhalt der sozioökonomischen Faktoren kümmert
und die Therapie mit dem Klienten die intrapsychischen Prozesse bearbeitet.
62
8.2 Zielgruppe
Die Zielgruppe ist identisch mit der Klientengruppe, auf der diese Arbeit basiert. Das
Angebot soll an Substituierte gerichtet sein, die zusätzliche Substanzen konsumieren
und/oder eine Doppeldiagnose haben und gerne ambulant therapeutisch arbeiten
möchten. Die Klienten benutzen Substanzen aufgrund einer Funktionalität, die ihnen
dabei hilft, mit ihren psychischen Situationen umgehen zu können und Symptome zu
lindern. Die Klienten wollen oder können keine Rehabilitation in Anspruch nehmen,
da sie sich nicht vorstellen können, ohne Substitut ihr Leben zu bewältigen.
Über eine Höchstdosis müsste in der Erprobung diskutiert werden.
8.3 Setting und Rahmenbedingungen der Clearingtherapie
Die Therapie sollte von niedergelassenen Psychotherapeuten erbracht werden und-
zwar aufgrund der therapeutischen Ziele, mit verhaltenstherapeutischer Ausrichtung.
Hier wären die oben genannten Suchttherapeuten, mit Recht auf Approbation, mit
festgeschriebenem Ausbildungscurriculum, ideal.
Die Therapie findet in Kombination mit einer PSB statt, was bedeutet, dass es ein
Behandlungsteam aus Psycho- bzw. Suchttherapie und Sozialarbeit gäbe. Die PSB
würde die Behandlung beginnen, um eine erste sozioökonomische Stabilität zu errei-
chen. In dieser Phase würde die Sicherung des Lebensunterhaltes, eine geregelte
Wohnsituation, Schuldenregulierung und medizinische Versorgung eine Rolle spie-
len. Es würden wöchentliche Termine stattfinden. In einer zweiten Phase würde die
Therapie einsteigen und wöchentlich ein Gespräch anbieten. Also hätten die Klienten
jede Woche eine Therapiesitzung und einmal die Möglichkeit die PSB in Anspruch
zu nehmen.
Damit wäre gewährleistet, dass beide Behandelnden ihrem Auftrag entsprechend ar-
beiten könnten und der Klient für sich, an intrapsychischen und sozioökonomischen
Themen.
Die Klienten werden mit bestehendem zusätzlichem Konsum in die Therapie aufge-
nommen und es besteht nicht die Verpflichtung, diesen innerhalb eines Zeitraumes
aufzugeben. Sie sollten es schaffen, Termine einzuhalten und nicht akut intoxikiert zu
sein. Aus der Erfahrung in der PSB ist dies möglich, wenn die Klienten für sich eine
Sinnhaftigkeit dafür entwickeln können.
63
Ausblick: Ambulante Clearingtherapie bei Substituierten mit Doppeldiagnose unter Beigebrauch
Zeitlich müsste die Therapie an das Tempo der Klienten angepasst werden, allerdings
wäre der Richtwert von 40 Sitzungen für eine Erstbeantragung denkbar. Bei einer
verhaltenstherapeutischen Psychotherapie beträgt die Erstbeantragung 25 Sitzungen.
Zu Beginn könnte man als zeitlichen Rahmen für den Klienten, erst mal ein Jahr ein-
planen. Im Verlauf wäre es auch denkbar, die PSB irgendwann nur noch auf Abruf zu
erhalten und/oder als Ansprechpartner für den substituierenden Arzt und den Sucht-
therapeuten.
8.4 Therapeutische Ausrichtung
Da die Verhaltenstherapie unterschiedliche Methoden und Techniken umfasst, die je-
doch gemeinsam haben, dass sie den Klienten zur Selbsthilfe befähigen und das Er-
kennen von Ursachen und die Entstehung von Verhalten fördert, wird diese als die
richtige für die Überlegungen gewählt. Mit den Klienten werden, durch das Erkennen
von bestimmter Verhaltensmuster, Methoden und Techniken erlernt, die diese dazu
befähigen sollen, funktionale Verhaltensweisen zu nutzen. Für den Konsum kann dies
einen Rückgang bedeuten, wenn die Klienten daran arbeiten wollen. Das bedeutet
den Versuch, die Funktionalität der Substanz durch andere Handlungen zu ersetzten.
8.5 Einbettung in das bestehende Hilfesystem
Die Therapie könnte auf zwei Wegen genutzt werden. Zum einen als alleinstehende
Behandlung für Klienten, die in ihrer Lebenssituation verbleiben wollen und, trotz
Substitution, an ihren Mechanismen arbeiten wollen. Sie kann zum anderen aber
auch zur Klärung von Zielen und zum Motivationsausbau für eine weitere Behand-
lung genutzt werden. Sie könnte einen wichtigen Bestandteil an der Schnittstelle zwi-
schen Psychiatrie und Suchthilfe darstellen.
Die Klienten hätten die Möglichkeit, in einem geschützten, aber sehr offenen Rah-
men für sich ihre Ziele therapeutisch zu strukturieren, während sie die Gewissheit ha-
ben, eine Begleitung für alle sozialarbeiterischen Belange zu haben.
Die Zusammenarbeit zwischen PSB, Therapie und Substitution müsste klar und
strukturiert definiert und organisiert sein. Die PSB und die Therapie stünden in stän-
digem Austausch, um sich über gemeinsame Ziele mit dem Klienten zu verständigen.
64
Die Zusammenarbeit mit dem Arzt könnte über die PSB laufen. Die PSB wäre der
Vernetzungspunkt zwischen allen Beteiligten.
9 Fazit
Das Suchthilfesystem in Deutschland hat sich in den letzten Jahrzehnten in großen
Teilen verändert. Die Einführung der Substitution stellt für die Behandlung von
Opiatabhängigen einen großen Schritt dar. Es fand eine Ausdifferenzierung durch un-
terschiedliche Kriterien statt. Die Angebote wurden erweitert und reichen heute von
harm-reduction bis hin zur stationären Therapie. Es kann z.B. eine Unterteilung nach
niedrigschwelligen und hochschwelligeren Angeboten und akzeptanzorientierten und
abstinenzorientierten Angeboten gemacht werden. In der Auseinandersetzung mit der
Akzeptanzorientierung wurde allerdings deutlich, dass der größte Teil der Hilfen im-
mer noch abstinenzorientiert ausgerichtet ist, einerseits durch die Kostenträger, an-
65
Fazit
dererseits aber auch durch die Suchthilfeeinrichtungen selbst. Zur gleichen Zeit wird
aber auch klar, dass das Erfolgsparameter „clean sein“ oftmals nicht hilfreich und le-
bensnah ist. Für die Betroffenen, vor allem für die in dieser Arbeit beschriebene Kli-
entengruppe, wäre wünschenswert, dass sie selbst entscheiden könnten, ob sie durch
ihre Substitution eine hilfreiche, nicht zeitlich begrenzte Medikation, oder einen
Übergang zwischen Konsum und Abstinenz erfahren wollen. Es wäre notwendig, die
Substitution wie in Kapitel 7.1 beschrieben, dahingehend auszuweiten, dass sie ohne
Druck und Richtlinienverstöße auch eine lebenslange Unterstützung sein könnte,
ohne andere Unterstützungs- und Hilfsangebote auszuschließen z.B. betreute Wohn-
formen oder therapeutische Angebote in unterschiedlicher Ausgestaltung. Natürlich
können, durch die Nebenwirkungen der Substitute, therapeutische Prozesse eventuell
verlangsamt und abgeflacht werden. Das darf aber kein Grund sein, am Ziel der Ab-
stinenz festzuhalten und die Hilfen deshalb nicht zu öffnen. Die Substituierten wer-
den zu einer PSB verpflichtet, wobei ihnen zugetraut wird, dass sie in dieser ihre
Themen bearbeiten und ihre Lebensbereiche organisieren und regeln können. Hierfür
scheinen sie die kognitiven und emotionalen Fähigkeiten zu haben. Wenn die Klien-
ten allerdings in einen therapeutischen Prozess einsteigen wollen, wird vorab davon
ausgegangen, dass sie hierfür nicht „klar“ genug sind.
Die Möglichkeit einer wie in Kapitel 8 beschriebenen Clearingtherapie könnte in ei-
nem Manual erarbeitet werden und in der Praxis erprobt werden. Dafür wäre eine Of-
fenheit von Sozialer Arbeit, Medizin und Therapie nötig. Die größte Hürde läge mit
aller Voraussicht bei den Therapeuten. Die Vorbehalte hängen a) mit der mangelhaf-
ten Ausbildung im Bereich der Abhängigkeitserkrankungen und b) mit den Vorgaben
zusammen, die es bis dato noch nicht ermöglichen, eine solche anzubieten. Diesen
Unsicherheiten könnte entgegengetreten werden, indem man die Ausbildung der Psy-
chotherapeuten erweitert, oder den Suchttherapeuten mit VDR-Anerkennung die Ap-
probation für einen bestimmten Personenkreis ermöglicht. Weiterhin wäre es von
großer Relevanz, dass mit dem nötigen Vertrauen in die anderen Professionen, eng in
multiprofessionellen Behandlerteams zusammengearbeitet wird.
Weiter sollten die ethischen Aspekt und die Bedürfnisse der Betroffenen wieder mehr
in den Mittelpunkt der Arbeit gestellt werden. In der Praxis ist es problematisch,
wenn die Suchthilfe eine genaue Vorstellung hat, mit welchen Hilfen der Betroffene
66
unterstützt werden kann, aber zugleich von anderer Seite eine Zuschreibung stattfin-
det, welche davon ausgeht, dass eine verantwortungsvolle Entscheidungsfindung
dem Klienten nicht zugetraut wird. Es wäre eine gute Ausgangslage für die Entwick-
lung von neuen Angeboten, diese zu einem größeren Teil aus der Praxis heraus zu
entwickeln und die Betroffenen bei diesem Prozess mit einzubeziehen. Es sollte
möglich gemacht werden, Angebote zu erproben, da der gängige Weg für viele Kon-
sumenten nicht der „richtige“ zu sein scheint.
In diesem Zusammenhang geht es auch um eine klare und öffentliche Positionierung
der Sozialen Arbeit sowohl der Gesellschaft, als auch den politischen Entscheidungs-
trägern gegenüber. Im Speziellen müsste eine Sensibilisierung für die Lebenssituatio-
nen der Konsumenten stattfinden, um verständlich zu machen, wie Veränderungen in
der Suchthilfe dazu beitragen könnten, die Situation für die Betroffenen zu entspan-
nen. Konsumenten befinden sich gesellschaftlich in einer schwierigen Situation, in
der sie sich oft in unterschiedlichen Kontexten rechtfertigen müssen. Die Soziale Ar-
beit muss sich hier - durch ihre Stellung als Menschenrechtsprofession – für die Be-
dürfnisse und gegen Diskriminierung einsetzen.
Über den verpflichtenden Charakter der Teilnahme an der PSB, sollte sich die Sozia-
le Arbeit Gedanken machen: Ist dieser mit ihrem Menschenbild vereinbar ? Oft be-
steht der Eindruck, dass die Soziale Arbeit nicht das Selbstbewusstsein hat, auf ihre
Angebote zu vertrauen, und davon auszugehen ist, dass Hilfesuchende diesen Bedarf
nicht genügend freiwillig annehmen. Die PSB könnte jedem Substituierten zu Beginn
der Substitution vorgestellt und dann von ihm - bei Bedarf - in Anspruch genommen
werden. Hierfür müsste die Präsentation des Angebotes der PSB anderst gestaltet
werden, z.B durch eine aufsuchende Arbeit vor Ort in den Praxen. Auch auf Seiten
der Mitarbeiter in der PSB würde diese Freiwilligkeit des Angebots zu einer Entspan-
nung führen.
Auf Seiten der Kostenträger sollte darüber nachgedacht werden, wie lange ein Leis-
tungsberechtigter aus der beschriebenen Klientengruppe Leistungen beantragt und
bewilligt bekommt, d.h. Kosten verursacht, und ob diese Kosten durch die Finanzie-
rung innovativer Angebote nicht auch minimiert werden könnten.
Die Klientengruppe befindet sich oft zwischen Akutbehandlungen, Entgiftungsversu-
chen und/ oder Therapieversuchen. Zusätzlich werden häufig weitere Maßnahmen fi-
nanziert.
67
Fazit
Hier muss die Frage gestellt werden ob dieser Kostenkreislauf nicht auch unterbro-
chen werden könnte, wenn z.B. durch eine Clearingtherapie in Kombination mit PSB
und Substitution, schon frühzeitig ein Fundament bzw. eine Stabilität erarbeitet wer-
den könnte und, daraus resultierend, diverse Wiederholungsbehandlungen wegfielen.
Im Bereich der medizinischen Versorgung wäre eine größere Bereitschaft der Ärzte
nötig, Menschen mit Abhängigkeitserkrankungen zu behandeln. Die momentan ge-
ringe Bereitschaft hängt mit den gegebenen Rahmenbedingungen zusammen, aller-
dings nicht ausschließlich. Das Bild des Abhängigen scheint oftmals keinen Platz in
der täglichen Praxis zu haben. Auch im Bereich der psychiatrischen Behandlung be-
gegnet man bei niedergelassenen Ärzten Vorbehalten.
In der beruflichen Tätigkeit der PSB stößt man immer wieder an Grenzen, Klienten
an Psychiater zu vermitteln, die bereit sind, in Kombination mit dem Substitut, eine
Behandlung für bestimmte Krankheitsbilder zu entwickeln und durchzuführen. Oft-
mals scheitert es auch an der Terminvergabe, wenn Klienten in Praxen anrufen.
Kümmert sich ein Mitarbeiter der PSB darum, oder wird erst mal verschwiegen, dass
eine Substitution stattfindet, ist eine Terminvergabe schon eher erfolgreich.
Schlussendlich wäre es wünschenswert, dass auch in der hausärztlichen Versorgung
größere Sicherheit im Umgang mit Abhängigkeiten erlangt wird. Vor allem ältere
Klienten wünschen sich eine ärztliche Betreuung, die von Konstanz und Vertrauen
geprägt ist.
68
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Erklärung
Hiermit erkläre ich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne Benut-
zung anderer als der angegebenen Hilfsmittel angefertigt habe. Alle Stellen, die wört-
lich oder sinngemäß aus veröffentlichten und nicht veröffentlichten Schriften ent-
nommen wurden, sind als solche kenntlich gemacht. Die Arbeit ist in gleicher oder
ähnlicher Form oder auszugsweise im Rahmen einer anderen Prüfung noch nicht vor-
gelegt worden.
Berlin, den 12. Mai 2014
Susanne Miller
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