anhang 54: pascal-dreieck unterrichtseinheit variieren mit...

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227 Anhang 54: Pascal-Dreieck Unterrichtseinheit Variieren mit dem Pascal-Dreieck durchgeführt von StD Annelies Paulitsch (Hamburg) Lerngruppe: Klasse 5 am Gymnasium Zeit: 2-3 Stunden 1. Einbettung in den Unterricht - Verlauf Im vergangenen Schuljahr führte ich in einer 5. Klasse kurz vor den Sommerfe- rien eine Unterrichtseinheit ‘Rund ums Pascal-Dreieck’ durch. Während einer Unterrichtsstunde kam mir spontan die Idee, die Schüler ihr ei- genes ‘Pascal-Dreieck’ erfinden zu lassen. Jeder sollte sich zwei Regeln bzw. Vorschriften ausdenken (eine für die Bildung der Zahlen am Rand und eine für die Berechnung der ‘inneren’ Zahlen) und nach seinen Regeln die Zahlen der ersten Reihen berechnen. Mit Eifer gingen die Schüler ans Werk und präsen- tierten mir stolz ‘ihre’ Dreiecke. Die Idee, die anderen Schüler die eigenen Vor- schriften herausfinden zu lassen, kam von den Schülern. Drei Schüler - für mehr reichte die Zeit in dieser Stunde nicht - schrieben ihre ersten Reihen an die Ta- fel; die Klasse musste die Regeln erraten. In der nächsten Stunde ging es weiter mit dem Erfinden von eigenen Zahlen- dreiecken, nun erleichtert durch einen von mir erstellten Übungsbogen (s. An- hang). Die folgende Stunde war dem Erraten von Vorschriften vorbehalten. Die Ideenvielfalt war überwältigend (s. nächster Abschnitt). 2. Schülervorschläge: Variationen des Pascal-Dreiecks Im folgenden fasse ich die Vorschläge der Schüler in Auszügen in einer Tabelle zusammen (ich zitiere wörtlich). Einige Vorschläge können hier nicht wiederge- geben werden, weil zu ihrem Verständnis Skizzen oder verschiedene Farben vonnöten sind. Vorschrift zur Bestimmung der Randzahlen inneren Zahlen An den Rändern sind natürliche Zahlen. Die Summe aus den beiden oberen Zahlen! Man muss an den Rändern zweimal die gleiche Zahl der Reihe nach schreiben. Man muss die Zahlen über einem Kästchen addieren. Am Rand stehen nur Fünfen. Man addiert. An den Rändern: 1. Rand gerade, 2. Rand ungerade Zahlen Die Zahlen über einem Kästchen werden addiert.

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Anhang 54: Pascal-Dreieck

Unterrichtseinheit Variieren mit dem Pascal-Dreieck

durchgeführt von StD Annelies Paulitsch (Hamburg)

Lerngruppe: Klasse 5 am Gymnasium

Zeit: 2-3 Stunden

1. Einbettung in den Unterricht - Verlauf

Im vergangenen Schuljahr führte ich in einer 5. Klasse kurz vor den Sommerfe-rien eine Unterrichtseinheit ‘Rund ums Pascal-Dreieck’ durch.Während einer Unterrichtsstunde kam mir spontan die Idee, die Schüler ihr ei-genes ‘Pascal-Dreieck’ erfinden zu lassen. Jeder sollte sich zwei Regeln bzw.Vorschriften ausdenken (eine für die Bildung der Zahlen am Rand und eine fürdie Berechnung der ‘inneren’ Zahlen) und nach seinen Regeln die Zahlen derersten Reihen berechnen. Mit Eifer gingen die Schüler ans Werk und präsen-tierten mir stolz ‘ihre’ Dreiecke. Die Idee, die anderen Schüler die eigenen Vor-schriften herausfinden zu lassen, kam von den Schülern. Drei Schüler - für mehrreichte die Zeit in dieser Stunde nicht - schrieben ihre ersten Reihen an die Ta-fel; die Klasse musste die Regeln erraten.In der nächsten Stunde ging es weiter mit dem Erfinden von eigenen Zahlen-dreiecken, nun erleichtert durch einen von mir erstellten Übungsbogen (s. An-hang). Die folgende Stunde war dem Erraten von Vorschriften vorbehalten.Die Ideenvielfalt war überwältigend (s. nächster Abschnitt).

2. Schülervorschläge: Variationen des Pascal-Dreiecks

Im folgenden fasse ich die Vorschläge der Schüler in Auszügen in einer Tabellezusammen (ich zitiere wörtlich). Einige Vorschläge können hier nicht wiederge-geben werden, weil zu ihrem Verständnis Skizzen oder verschiedene Farbenvonnöten sind.

Vorschrift zur Bestimmung der

Randzahlen inneren Zahlen

An den Rändern sind natürliche Zahlen. Die Summe aus den beiden oberen Zahlen!

Man muss an den Rändern zweimal die gleicheZahl der Reihe nach schreiben.

Man muss die Zahlen über einem Kästchen addieren.

Am Rand stehen nur Fünfen. Man addiert.

An den Rändern: 1. Rand gerade, 2. Randungerade Zahlen

Die Zahlen über einem Kästchen werden addiert.

228

An den Rändern stehen die natürlichen Zahlen. Man nimmt das 3-fache der Zahl und addiert es mit demanderen 3-fachen.

Am Rand steht nur die Zahl 4. Es funktioniert alles wie im normalen Pascaldreieck.

Außen stehen die geraden Zahlen Man rechnet drei Zahlen zusammen: die beiden Zahlenüber dem Kästchen und die Zahl über diesen beiden.

Außen stehen alle ungeraden Zahlen der Reihenach.

Wenn man von zwei Zahlen die kleinere von der größerenabzieht, kommt als Ergebnis die darunterstehende Zahlheraus.

An den Rändern stehen die natürlichen Zahlender Reihe nach.

Es wird immer die Quersumme addiert.

Am Rand stehen ungerade Zahlen. Man nimmt die Zahlen mal. Das Ergebnis wird durch 2geteilt. Den Rest schreibst du in das nächste Kästchen.

Außen stehen die Primzahlen. Man muß die Quersumme zweier Zahlen zusammenzählen.

Am Rand steht das 1x2. In den anderen Feldern steht immer das kgV der darüber-stehenden Zahlen.

Am Rand stehen die natürlichen Zahlen. Man addiert die Zahlen und schreibt die nächst kleinerePrimzahl in das Kästchen.

Am Rand stehen Einsen. Man addiert und schreibt in das Kästchen, wieweit es nochbis zur nächsten Zehnerzahl ist.

Am Rand stehen die Zahlen der Reihe nach. Man addiert und schreibt die Quersumme davon ins Käst-chen.

Die Versuche der Schüler, die ‘zu nichts’, bzw. zu einem ‘langweiligen’ Dreieckführten, sind hier nicht aufgeführt, da die Schüler die zugehörigen Zettel nichtabgegeben haben. Sie haben aber gemerkt - und darüber wurde gesprochen - ,dass z. B. die Bildung des ggT anstelle des kgV sehr bald nur noch Einsen lie-fert, dass man die Ränder des ursprünglichen Pascaldreiecks verändern muss,wenn man die Multiplikation oder die Division ins Spiel bringen will.

3. Fazit

Die Schüler waren vom Anfang bis zum Ende mit Eifer am Werk. Es machteihnen großen Spaß, das Pascaldreieck ganz nach ihren Wünschen und Vorstel-lungen abändern zu dürfen. Besonders spannend war es für sie, ihre Ideen dannauch vorführen zu können und die Mitschüler knobeln zu sehen! (Sie durftenübrigens ‘ihren’ Dreiecken auch einen Namen geben.)Für mich als Lehrerin war es vor allem wichtig, das Maß an Phantasie, das beidieser Aufgabenstellung zu Tage trat, zu erleben. Daneben habe ich erfreut zurKenntnis genommen, dass ein Großteil der Klasse sicher mit Begriffen wie ge-rade Zahlen, ungerade Zahlen, Primzahlen, Quersumme , ggT und kgV umzu-gehen in der Lage war.Das oben beschriebene Variieren am Pascal-Dreieck war mit Sicherheit einelohnende Sache! Ich kann es zur Nachahmung empfehlen.

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ArbeitsblattMein eigenes „Pascaldreieck“

Ich nenne es

Regeln zum Bestimmen der Zahlen:

1)

2)

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Anhang 55: Addition von Nachbarzahlen

Unterrichtseinheit Variation einer Arithmetik-Aufgabe

durchgeführt von OStR Wilhelm Hein und OStR Hans Knichel (Saarbrücken)

Lerngruppen: eine Klasse 5 und zwei Klassen 6

Zeit: je 4 Schulstunden

Im Folgenden beschreiben wir einen Unterrichtsversuch, bei dem Schüler einevon uns gestellte Aufgabe eigenständig abgewandelt, die Varianten untersuchtund ihre Arbeit abschließend bewertet haben.

Unsere Planung ...

An unserem Versuch waren die Klasse 5d4 (Gymnasium am Rotenbühl, Saar-brücken), sowie die Klassen 6r und 6e (Marienschule, Saarbrücken) mit insge-samt 95 Schülern beteiligt.

Als Initialaufgabe wählten wir:

Nimm zwei aufeinanderfolgende natürliche Zahlen und addieresie.

Der sich an die Aufgabenstellung anschließende fragend-erörternde Unterrichtsollte folgende Phasen umfassen:

1. Sammeln von Beispielen

2. Aufstellen der Vermutung „Wir erhalten stets eine ungerade Zahl.“ durch

3. Kontrollieren, Plausibel machen und Sichern durch

• Nachrechnen am Beispiel

4 + 5 = 4 + (4 + 1) = (4 + 4) + 1 = 2⋅4 + 1

• Allgemeines Nachrechnen

n + (n + 1) = (n + n) + 1 = 2⋅n + 1

231

• Bauklötze zum Be-greifen

• Bildhafte Darstellung

Uns war wichtig, dass die Schüler die Lösung auf allen Darstellungsebenenverinnerlichen sollten. Für die Umsetzung unseres Plans war eine Unterrichts-stunde vorgesehen.

... und was die Schüler daraus machten

In allen drei Klassen verlief der Unterricht zunächst nach Plan. Als neuartigeAufgabe formulierten wir:

Nimm die Aufgabe und ändere sie ab.

Wir erklärten mündlich: “Ihr baut euch damit zum ersten Mal selbst Aufgaben.Bisher habt ihr immer nur die Aufgaben gelöst, die der Lehrer euch vorgegebenhat, oder die im Buch, so wie sie da stehen.”

Alle Vorschläge der Schüler wurden vom Lehrer ohne Kommentar (!) an dieTafel geschrieben. Jede Klasse sammelte etwa 20 Aufgaben. Die folgende Ta-belle enthält von den Schülern der drei Klassen erzeugte Aufgabenvariationen(AV), wobei wir die meisten inhaltsgleichen und einige von denen, die offen-sichtlich keine Ergebnisse liefern, weggelassen haben.

+ 1

ungerade

gerade

+ =

232

AV 1 Addiere eine Zahl und ihren Vor-gänger.

AV 15 Nimm zwei aufeinanderfolgendeganze Zahlen, multipliziere sie undbilde ihre Quersumme

AV 2 Addiere zwei aufeinanderfolgendenegative Zahlen.

AV 16 Nimm zwei aufeinanderfolgendenatürliche Zahlen und dividiere sie.

AV 3 Nimm zwei negative ganze Zahlenund addiere sie.

AV 17 Nimm eine Zahl, ihren Nachfolgerund ihren Vorgänger und addieresie.Nimm drei aufeinanderfolgendeZahlen und addiere sie.

AV 4 Nimm zwei Zahlen, die 2 ausein-ander liegen und addiere sie.

AV 18 Nimm zwei aufeinanderfolgendenatürliche Zahlen, addiere sie undziehe den Vorgänger der Zahl, dierauskommt, ab.

AV 5 Nimm zwei Zahlen im Dreierschrittund addiere sie.

AV 19 Multipliziere drei aufeinanderfol-gende Primzahlen.

AV 6 Nimm zwei Zahlen im Fünfer-schritt und addiere sie.

AV 20 Nimm vier aufeinanderfolgendeZahlen und addiere sie.

AV 7 Nimm eine Zahl aus − und eineaus + und addiere sie.

AV 21 Multipliziere vier aufeinanderfol-gende Zahlen , ziehe die Zahl 2 abund multipliziere das Ergebnis mitsich selbst.

AV 8 Nimm eine Zahl aus + und ihreGegenzahl und addiere sie.

AV 22 Nimm fünf Zahlen aus + , addierezwei davon und ziehe die anderendrei von der Summe ab.

AV 9 Bilde das Quadrat einer Zahl undaddiere dazu den Nachfolger derZahl.

AV 23 Multipliziere fünf aufeinanderfol-gende Fünferpotenzen.

AV 10 Nimm zwei aufeinanderfolgendenatürliche Zahlen und subtrahieresie.

AV 24 Multipliziere alle negativen Zahlenbis (–100).

AV 11 Nimm zwei aufeinanderfolgendeZahlen und multipliziere sie.

AV 25 Nimm die Zahl 56, dividiere siedurch 6 und multipliziere den Restmit deiner Lieblingszahl.

AV 12 Multipliziere zwei aufeinanderfol-gende gerade Zahlen.

AV 26 Nimm eine Zahl und ihre Schnaps-zahl* und multipliziere sie.

AV 13 Multipliziere zwei aufeinanderfol-gende Potenzen, z. B. 2 22 3und .

AV 27 Addiere die erste und die letzte Zahlder Fünferreihe.**

AV 14 Nimm zwei Quadratzahlen undmultipliziere sie.

* Schülererklärung: “14 hat als Schnapszahl 141414, denn Betrunkene sehen alles dreifach.”** Einige Schüler protestierten sofort.

Nun teilten wir die Bearbeitung der Vorschläge als Hausaufgabe unter denSchülern auf. In den beiden folgenden Stunden stellten sie ihre Ergebnisse zuden einzelnen Variationen (AV) vor. Sie sind nachfolgend aufgelistet, so wie dieSchüler sie formuliert haben.

233

AV 1 Das ist dasselbe wie in der Ausgangsaufgabe.AV 2 ---AV 3 Es kommt immer eine negative Zahl raus.AV 4 1. Das Ergebnis ist immer eine gerade Zahl.

2. Für alle a ∈ ZZ+ gilt a + (a+2) = 2⋅a +2 .*AV 5 Es kommt immer eine ungerade Zahl heraus.AV 6 Kein Ergebnis gefunden.AV 7 Wenn der Betrag der negativen Zahl größer ist als der Betrag der positiven, so

kommt eine negative Zahl raus; im umgekehrten Fall eine positive.AV 8 1. Das Ergebnis ist immer 0.

2. Für alle a ∈ ZZ+ gilt a + (−a) = a − a = 0 .*AV 9 Kein Ergebnis gefunden.AV 10 1. Wenn man von einer Zahl ihren Nachfolger subtrahiert, kommt (–1) raus.

2. Es kommt immer 1 oder (–1) heraus. 3. Für alle a ∈ IN gilt: a − (a+1)* = a − a − 1 = −1 . *

AV 11 4. Da kommt das Quadrat der Zahl plus die Zahl raus. 5. Da kommt immer eine gerade Zahl heraus. 6. Es kommen nur die Endziffern 0, 2 und 6 vor.

AV 12 Das Ergebnis ist eine gerade Zahl.AV 13 ---AV 14 Das Ergebnis ist wieder eine Quadratzahl.AV 15 Es fällt nichts Besonderes auf.AV 16 Für b ∈ IN*\{1} gilt (b+1) : b = 1 Rest 1 .*AV 17 1. Die Summe von 3 aufeinanderfolgenden Zahlen ist stets ein Vielfaches von 3.

2. a + (a + 1) + (a + 2) = 3⋅a + 3 = 3⋅(a+1) * 3. Z. B. 253 + 254 + 255 . 253 ist 1 weniger als 254, aber 255 ist 1 mehr als 254.

Diese 1 addieren wir zu 253 und erhalten: 254 + 254 + 254=3 254.4.

AV 18 1. Es kommt immer 1 heraus.

2. Für alle a ∈ IN gilt [a + (a+1)] − [a + (a+1) − 1] = 1 . *AV 19 ---AV 20 1. Es kommt stets eine gerade Zahl heraus.

2. Die Summe ist kein Vielfaches von 4, denn es gibt keine Mitte.Bei 5 Zahlen geht es wieder.

AV 21 ---AV 22 Es fällt nichts Besonderes auf.AV 23 ---AV 24 ---AV 25 Es kommt die doppelte Lieblingszahl raus.AV 26 Kein besonderes Ergebnis.AV 27 Nicht machbar!

* Laut saarländischem Lehrplan werden Gesetzmäßigkeiten bereits ab Klassenstufe 5 mit

234

Quantoren und Variablen formuliert.Am Ende dieses Unterrichtsversuchs kommentierten die Schüler:

• “Man kann unendlich viele Beispiele machen.”• “Es ist schön, mit vielen Beispielen rumzubasteln.”• “Es gab langweilige Aufgaben.”• “Manchmal war es zu leicht.”• “Das Ganze war harte Arbeit.”• “Es war viel zu schreiben.”• “Manche Probleme sind interessant.”• “Der Unterricht war abwechslungsreich.”• “Ich fand es gut, dass man Aufgaben selbst machen darf.” *

* In diesem Sinne äußerten sich viele Schüler.

Wir stellen fest ...

Die Schüler haben alle kennzeichnenden Elemente der Aufgabe erkannt und siesystematisch einzeln oder kombiniert abgewandelt. Hier eine Übersicht:

Nimm zwei aufeinanderfolgende natürliche Zahlen und addiere sie.AV: AV: AV: AV:

drei 17,18,19 im 2er Schritt 4,12 gerade Zahlen 12 subtrahiere 10vier 20,21 im 3er Schritt 5 Primzahlen 19 multipliziere 11,12,13

14,19,2324,26

fünf 22,23 im 5er Schritt 6 Quadratzahlen 14 dividiere 16viele 24 beliebige 3 Potenzen 13,23 mehrere Re-

chenopera-tionen

9,15,1821,22,25

ganze Zahlen 7,815

negative Zahlen 2,324

Schnapszahlen 26

Die Schüler haben erfahren, dass das Ändern auch nur eines einzigen Worteseiner Aufgabe dazu führen kann, dass unlösbare oder unsinnige Probleme ent-stehen, dass leichte Probleme zu schwierigen werden und umgekehrt.

Das Erzeugen neuer Aufgaben aus einer vorgegebenen Initialaufgabe führte zueiner längeren kreativen Phase in unserem Unterricht, in die alle Schüler einge-bunden waren. Gerade leistungsschwächere und sonst eher demotivierte Schülerzeigten Interesse und arbeiteten rege mit. Dies bezieht auch die häusliche Bear-beitung der selbsterfundenen Aufgaben ein.

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Beim Erzeugen der Aufgaben war niemand ausgeschlossen und es gab auch kei-ne Inhalte und Methoden, die nicht zugelassen waren. So entstand ein vielfälti-ges Angebot von Aufgaben unterschiedlichen Anspruchs, darunter auch Aufga-ben zum Wiederholen länger zurückliegender Stoffe. Die Schüler lösten dieProbleme auf verschiedenen Niveaus und Darstellungsebenen. Die Ergebnissewurden im Unterricht vorgestellt, einige vertieft oder verglichen. “Besonders imVergleich qualitativ unterschiedlicher Lösungswege, ihrer Begründungen undProbleme kann sich Verständnis entfalten”. (BLK, S.89)

... und meinen

Schüler, die mit der Methode der Aufgabenvariation vertraut sind, gehen be-wusst mit Aufgabenstellungen um; sie wissen, dass es hier auf jedes Wort an-kommen kann. Hausaufgaben werden nicht so schnell als nicht gekonnt beiseitegelegt, vielmehr ist zu erwarten, dass sich Schüler aufmerksam und intensiv mitder eigentlichen Aufgabenstellung beschäftigen. Sie sind eher in der Lage, diewichtigen Elemente der gestellten Aufgabe zu erkennen. Dies führt in vielenFällen zum Auffinden einer Lösung. Zumindest sind die Schüler für den Lö-sungsvorschlag eines Mitschülers oder des Lehrers besser vorbereitet.

Für uns ist Aufgabenvariation eine Methode, den Mathematikunterricht andersund lebendig zu gestalten und vielleicht auch wesentlich zu machen. Bleibt zuhoffen, dass unsere Schüler auch von sich aus hin und wieder Aufgaben variie-ren.

Übrigens

Im Anschluss an unseren Unterrichtsversuch stellte einer von uns folgende Auf-gabe (als Umkehrung von AV 17) in einer Klassenarbeit (5d4):

Lässt sich die Zahl 1000 als Summe dreier aufeinanderfolgenderZahlen schreiben? Begründe Deine Antwort.

Die Aufgabe wurde von der Hälfte der Schüler richtig bearbeitet. Hier die Lö-sung einer Schülerin:

Es geht nicht. Begründung: Denn 1000 durch 3 das geht nicht undman muss die Zahl erst durch drei teilen können. Dann hat man dreigleiche Zahlen. Man nimmt von der einen Zahl, die der Vorgängersein soll, eine 1 weg und gibt sie dem Nachfolger dazu. Also hätteman drei aufeinanderfolgende Zahlen.

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Anhang 56: Kreise im Dreieck

Unterrichtseinheit Kreise im Dreieck

durchgeführt von OStR Hans Knichel (Saarbrücken)

Lerngruppe: Klasse 10

Zeit: 3 Schulstunden

Das Problem

In ein gleichschenkliges Dreieck mitder Basis c = 8 cm und den Seiten a =b = 12 cm werden fortwährend Kreisemit möglichst großen Radien so einbe-schrieben, dass der nächstkleinereKreis die Seiten a und b und den vor-hergehenden Kreis berührt.

Welchen Flächeninhalt haben alleKreise zusammen?

Zunächst die Lösung eines Schülers

Wir betrachten das Ausgangsdreieck und den ersten einbeschriebenen Kreis.

Kongruenz- und Ähnlichkeitsuntersu-chungen und die Nutzung des Satzesvon Pythagoras liefern:

h = 8 2

r h= =2 2 4/

x = 2

Und damit ergeben sich die Flächenin-halte vom ersten Kreis und seinemumbeschriebenen Trapez:

A A1.Kreis 1.Trapezund= =8 24 2π

Und nun zur Strategie: Der Flächeninhalt des ersten Kreises verhält sich zumFlächeninhalt des ersten Trapezes (aufgrund der Ähnlichkeit) wie der Flächenin-halt des zweiten Kreises zum Flächeninhalt des zweiten Trapezes und damit wieder Flächeninhalt des dritten Kreises zum Flächeninhalt des dritten Trapezes undso weiter. Also gilt:

hxx

r

r

4 4

8

4

237

A

A

A

A

A

A

A

A

1.Kreis

1.Trapez

alle Kreise

alle Trapeze

alle Kreise

Dreieck

alle Kreise

alle Kreise

32 2

= = =

=

=

8

24 2

2

6

32

3

π

π

π

Das entspricht etwa 75% der gesamten Dreiecksfläche.

Und jetzt der alternative (direkte )Weg des Lehrers

Die Kreise gehen jeweils durch Streckung mit dem Faktor k = 1

2 aus ihren Vor-

gängern hervor:

A

A k A

A

1

22

1

2

2 4 6

2 3

8

1

28

81

28

1

28

1

28

8 11

4

1

4

1

4

.Kreis

.Kreis .Kreis

alle Kreise

Herleitung wie oben=

= ⋅ = FHIK⋅

= +FHIK⋅ +FHIK⋅ +FHIK⋅ +

= + +FHIK+FHIK+FHG

IKJ

π

π

π π π π

π

a f

?

Da Folgen und Reihen in den Lehrplänen für normale1 Gymnasien im Saarlandnicht vorkommen, steht hier keine Formel zur Bestimmung der geometrischenReihe zur Verfügung. Eine der üblichen Herleitungen liefert:

11

4

1

4

1

4

1

114

4

3

2 3

+ +FHIK+FHIK+ =−

=

und somit:

Aalle Kreise = 32

1 Geometrische Folgen und Reihen können an mathematisch-naturwissenschaftlichen Zwei-gen als Zusatzthema behandelt werden.

238

Die Schüler variieren die Aufgabe1

1. Das Dreieck wird an der Basis gespiegelt.

2. Das Ausgangsdreieck soll gleichseitig oder rechtwinklig sein.

3. Statt Kreise werden “auf dem Kopfstehende” gleichseitige Dreieckeeinbeschrieben.

4. Welchen Umfang haben alle Kreise zusammen?

5. Es werden nur die ersten drei Kreise betrachtet.

6. Welchen Inhalt hat die Ergänzungs- fläche zu den ersten drei Kreisen?

7. Bestimme das Verhältnis der Flä-cheninhalte von Inkreis (ersterKreis) und Dreieck.

8. Berechne den Flächeninhalt desUmkreises.

9. Wann hat ein Viereck einen Um-kreis?2

10. Statt Kreise werden Quadrate ein-beschrieben. Welchen Flächenin-halt und welchen Umfang habenalle Quadrate zusammen?

Die Bearbeitung der Vorschläge wirdals schriftliche Hausaufgabe unter denSchülern aufgeteilt.

1 Die Klasse hat Erfahrung mit dem Variieren von Aufgaben; es gibt keine Lenkung seitensdes Lehrers.2 Diese Frage stellte sich den Schülern wohl beim Versuch, in der Variante 8 das Dreieckdurch ein Viereck zu ersetzen.

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Die Meinung des Lehrers

Das am Anfang stehende Problem “Kreise im Dreieck” ist für alle Beteiligten(Lehrer wie Schüler) eine anspruchsvolle Aufgabe. Für den Mathematikunter-richt in Klassenstufe 10 bietet es vielfältige Aktivitäten (Skizzieren, Konstruie-ren, Schätzen, Messen, Rechnen, ...), eine gute Möglichkeit zum Aufgreifen be-reits behandelter Inhalte (Kongruenz- und Ähnlichkeitsbetrachtungen, Flächen-inhalte, Satz des Pythagoras, trigonometrische Beziehungen, ...) in neuem Zu-sammenhang und ist Ausgangspunkt für die Entwicklung neuer Verfahren (Ver-hältnisbetrachtungen, Berechnung unendlicher Summen, ...). Hinzu kommt diestets verblüffende (anschauliche und rechnerische) Betrachtung unendlich vielerKreise mit insgesamt doch nur endlichem Flächeninhalt (und Umfang).

Es geht auch einfach

Der folgende Lösungsweg (Vorschlageiner Schülerin) zur Variation Nr.4überraschte die Schüler und - einigeWochen vorher - auch den Lehrer:

U U U U

d d d

d d d

h

= + + += + + += + + +=

=

1 2 3.

1 2 3

1 2 3

8 2

. . ...

...

( ...)

Kreis Kreis Kreis

π π πππ

π

Hier noch weitere Varianten: Dreiecke im Kreis, Kreise im Quadrat, Quadrateim Kreis, Kugeln im Tetraeder, Kugeln im Kegel, andere Dreiecke mit der Um-fangssumme U = 8 2 π , ... .

h

d1

d2

d3

.

.

.

240

Anhang 57: Rösselsprung

Unterrichtseinheit Variation des Rösselsprungproblems

durchgeführt von StR Matthias Heidenreich (Calw)

Lerngruppe: Leistungskurs 12

Zeit: 2 Schulstunden

1. Das Initialproblem

Eines der ältesten und berühmtesten Probleme aus den Bereich „Schach undMathematik“ ist die Forderung an den Springer, nacheinander alle Felder desSchachbretts zu durchlaufen, so daß jedes Feld genau einmal betreten wird. DieUrsprünge dieses Problems liegen rund 1000 Jahre zurück; die erste mathemati-sche Darstellung sowie Ansätze zur Lösung lieferte Euler 1759. Das Problem isterschöpfend gelöst; es existieren etliche Lösungsmethoden basierend auf geeig-neten Zerlegungen und Zusammensetzungen.

Die bedeutendste empirische Regel zur Erzeugung eines vollständigen Rössel-sprungs stammt von Warnsdorf 1823:

a) Bei jedem Zug wählt man das Feld, von welchem unter den zur Wahl stehen-den Feldern die wenigsten Springerzüge nach anderen, noch unbesetzten Feldernmöglich sind.

b) Ergeben sich mehrere Felder mit gleichen Minimalzahlen, so ist die Wahlunter ihnen frei.

Beispiel eines Rösselsprungs nach dieser Regel:

48 19 42 5 50 9 40 7

43 4 49 20 41 6 51 10

18 47 44 61 52 59 8 39

3 54 21 56 45 62 11 58

22 17 46 53 60 57 38 29

35 2 55 26 37 30 63 12

16 23 36 33 14 25 28 31

1 34 15 24 27 32 13 64

241

Seit jeher wurde die Aufgabenstellung variiert. Die Brettgröße und -form wurdeverändert, der Springer wurde zum Koch, Janus oder zu einem anderen Phanta-siegebilde transformiert. An den Rösselsprung wurden Zusatzbedingungen ge-stellt oder die Forderungen der ursprünglichen Aufgabe wurden abgeschwächt.Jede einzelne Veränderung läßt sich mit anderen kombinieren, so daß der Auf-gabenreichtum fast unerschöpflich ist. Viele der neue entstandenen Problemesind ungelöst bzw. wurden noch nicht näher untersucht.

2. Warum das Rösselsprungproblem?

Warum gerade die Variation eines klassischen Problems der Unterhaltungsma-thematik? Schon der Begriff „Unterhaltungsmathematik“ bewirkte bei einigenSchülern (und vielleicht auch Mathematikern) staunendes Kopfschütteln. Wiekann ein theoretisches und nüchternes, teilweise sogar sprödes Fach (so diemeist einhellige Meinung) gleichzeitig unterhaltend sein?

Die gewählte Aufgabe verbindet beides: Gleichzeitig unterhaltend und dochreich an mathematischen Inhalten. Zudem: Nicht der Stoff, sondern die Methodebestimmt, was Inhalt ist.

Die Aufgabe umgeht ein Problem, mit dem sich der Mathematikunterricht vonjeher auseinandersetzen muß. Durch Erfahrung bedingte und sich verstärkendeLeistungsunterschiede sind hier nahezu ausgeschaltet. Aktiver Schachspieleroder Regelunkundiger - sie alle starten an der gleichen Linie, da die Zugregel fürden Springer auch einem völligen Laien sofort zu erklären ist.

Neben den o.a. Argumenten für die Aufgabenvariation bestechen bei diesem In-itialproblem vor allem die schier unerschöpfliche Anzahl von möglichen Varia-tionen. Zugleich unterscheiden sich die Anschlußprobleme nach Neuigkeits- undSchwierigkeitsgrad beträchtlich vom Original.

3. Rahmenbedingungen und Einführungsstunde

Als Versuchsklasse wurde ein Leistungskurs 12 ausgewählt. Mit 16 (weiblichenund männlichen) Schülern besaß er fast ideale Größe. Neben „Sprachflücht-lingen“ befanden sich auch solche Schüler in dem Kurs, die schon an mathemti-schen Wettbewerben teilgenommen hatten. Es konnte also von einer inhomoge-nen Zusammensetzung gesprochen werden.

Zu Beginn der Stunde wurden die Schüler über die Ziele der Unterrichtseinheitinformiert. Anhand eines einfacheren Beispiels sollten sie Grundtechniken desVariierens kennenlernen. Hier bot sich das Initialproblem aus Anhang 11 an.Auf eine genauere Darstellung des zugehörigen Unterrichtsgeschehens soll hierverzichtet werden.

Im zweiten Abschnitt der Stunde wurde die Rösselsprungaufgabe vorgestellt (s.Arbeitsblatt auf der nächsten Seite).

242

243

Einzelne Schüler erinnerten sich an die Aufgabe, ohne jedoch die genaue For-mulierung zu kennen. Nachdem das Problem dargestellt war, folgte ein kurzerhistorischer Abriß. Nun sollte jeder Schüler durch Probieren versuchen, einenvollständigen Rösselsprung zu finden.

Schon nach dieser kurzen Berührungsphase machten die Schüler erste Vorüber-legungen zu Lösungsstrategien oder Lösbarkeitsbedingungen Bereits hier wurde(unbewußt oder bewußt?) variiert:

- Hängt die Lösbarkeit von dem Anfangs- und Endfeld ab?- Gibt es eine Lösung für das 4×4-Brett? Wenn ja, läßt sich daraus eine Lösung für das Schachfeld konstruieren?- Wie kann man aus einem festgefahrenen Versuch durch Rücknahme von Zü-gen eine Lösung gewinnen (also ein Backtracking-Verfahren)?

Hier läßt sich die These formulieren, daß gerade die Variation des Initialpro-blems - also das Wenden, Begreifen, Hindurchschauen, Umzentrieren usw. - einwesentlicher Bestandteil einer Lösungsstrategie sein kann. Schon bei der Lösungeines Problems kann also dessen Veränderung Wesentliches beitragen. Etwasmutiger formuliert: Variation ist Problemlösen.

Der Gong beendete die erste kreative Phase und ließ die Schüler mit einer Reiheoffener Fragen zurück. Sie hatten nun die Aufgabe, sich bis zur nächsten Stundemit dem Problem auseinanderzusetzen. Hierzu sollte weiter eifrig gerösselt undüber mindestens eine Variation des Originals nachgedacht werden. Eine Bege-benheit am Rand: Schon auf dem Nachhauseweg überraschte mich eine Schüle-rin freudig damit, sie habe die langweilige Englischstunde mit dem Problemverbracht und sei immerhin auf 62 Züge gekommen.

4. Variationen

Zu Beginn der nächsten Stunde berichteten die Schüler von ihren Ergebnissen.Eine Schülerin hatte durch Backtracking (Sackgassen werden bis zur nächstenVerzweigung gestrichen) und einer Art Warnsdorf-Regel relativ schnell eineLösung gefunden. Eine andere Schülerin fand durch geeignete Klasseneinteilun-gen der Felder auf konstruktive Weise einen vollständigen Rösselweg.

Nach diesen ermutigenden Resultaten wurde den Schülern jetzt die Warnsdorf-sche Regel vorgestellt und plausibel gemacht. Es war für sie nun ein Leichtes,eine vollständige Lösung zu erzielen.

Jetzt folgte die eigentliche Variationsphase. Geplant war zunächst ein Sammelnvon Vorschlägen an der Tafel. Erst danach sollten sich die Schüler über Konse-quenzen, mehr oder minder sinnvolle Variationen, Niveau und Schwierigkeit,Lösbarkeit, Beweisskizzen etc. Gedanken machen. Tatsächlich lief der Unter-

244

richt anders. Meist wurden die Variationen direkt nach Vorschlag diskutiert, alsunsinnig verworfen, als schwierig oder trivial bewertet oder abermals variiert.

Ich mochte hier nicht steuernd eingreifen, weil es möglicherweise der Motivati-on geschadet hätte. Zudem bringt die Diskussion über die Konsequenzen einerAbänderung neue Spielarten hervor.

Unerwartet waren bereits die ersten Vorschläge von gewagtem Ausmaß: In An-lehnung an die in der vorangegangenen Stunde gelernte Strategie, jedes Wortabzuändern bzw. zu negieren, veränderten die Schüler folgerichtig zunächst denSpringer, d.h. seine „Gangart“:

Analogisieren 1 Ersetze den (1;2)-Springer durch den (1;3)-Springer.

Nach kurzer Zeit kam der Hinweis, daß die neue Aufgabe nicht lösbar sei, da derSpringer dabei nur gleichgefärbte Felder besetzen kann. Als nächster Vorschlagkam ein naheliegendes

Abschwächen Ersetze den (1;2)-Springer durch den (1;3)-Springer und mache alle Felder gleichfarbig.

Jetzt lagen die nächsten Abänderungen auf der Hand: (2;3)-Springer; (5;5)-Springer usw.. Also:

Verallgemeinern 1 Ersetze den (1;2)-Springer durch den (n;m)-Springer.

Weiter wurde eifrig die Gangart des Springers manipuliert.

Verallgemeinern 2 Ersetze den Springer durch 2 (n) abwechselnd ziehendeSpringer.

Hier erkannte ein Schüler unmittelbar, daß diese Variante trivial ist, da zu einerLösung lediglich die Mitte eines vollständigen Rösselweges aufgesucht und vondort aus gegenläufig gewandert werden muß (bei den Springern analog).

Der nächste Vorschlag der Schüler war für mich Neuland:

Verschärfen Überlaufene Felder (Rechtecke) gelten als besetzt.

Wir erkannten schnell, daß diese Aufgabe für das herkömmliche Brett nicht lös-bar ist. So gelangte man zur Frage nach Form und Größe des Bretts:

Analogisieren 2 Ersetze das quadratische Brett durch ein rechteckiges.

Analogisieren 3 Ersetze das quadratische Brett durch ein nichtrechteckiges.

Verallgemeinern 3 Ersetze das quadratische Brett durch ein m×n-Brett.

Die Lösung dieser Aufgaben ist nicht leicht. Jedoch erkannten die Schüler be-reits, daß das Rösselsprungproblem für bestimmte Brettformen nicht lösbar ist(z.B. nicht für das 3×3-Brett und für das 2×n-Brett). Hier ließ ich jedoch nichtlocker, da kurz zuvor das Beweisprinzip der vollständigen Induktion mit ihnenbehandelt worden war. Tatsächlich äußerte eine Schülerin nach einigermaßen

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gezielter Fraugestellung, daß ein Nachweis für beliebige quadratische Bretter sovielleicht möglich sei.

Durch den Hinweis, daß die Brettform frei von jeglicher Konvention sei, faßteneinige Schüler neuen Mut:

Verallgemeinern 4 Ersetze das (zweidimensionale) Brett durch ein dreidimen- sionales Brett.

Hier wich der Kurs ein wenig vom Thema ab. Es wurde hitzig debattiert, wiedenn die Schachregeln für den dreidimensionalen Fall im Sinne eines Perma-nenzprinzips analogisiert werden könnten.

Nach meinem Vorschlag:

Verallgemeinern 5 Ersetze das (zweidimensionale) Brett durch ein n-dimensi- onales Brett.

war die Konfusion zunächst groß. Hier waren einige Schüler dankbar, daß zu-nächst nur variiert und nicht gelöst werden mußte.

Nun wurde in einer anderen Richtung fortgeschritten.

Analogisieren 4 Ersetze den Springer durch eine andere Figur.

Das Ausgangsproblem ist für den Bauer nicht sinnvoll. Für die Figuren Läufer,Turm, Dame und König ist es trivial.

Die Frage nach einem vollständigen Rösselweg bei vorgegebenem Anfangs- undEndfeld tauchte kurz auf, wurde aber nicht näher erfolgt. Solche Variationenkönnten lauten:

Geringfügiges Das Startfeld soll vom Endfeld direkt erreichbar seinÄndern 1 (geschlossener Rösselsprung).

Geringfügiges Das Startfeld (Endfeld, Start- und Endfeld) ist vorgegeben.Ändern 2

Den Schülern gingen nun langsam die Ideen aus. Daher ein erneuter Impuls:Existiert so etwas wie eine inverse Aufgabe? Darauf folgender Vorschlag:

Umzentrieren Nach wie vielen Feldern hat sich der Springer frühestens festgefahren?

Hier beendete der unbarmherzige Gong eine interessante Stunde. Trotz der gro-ßen Ausbeute sind noch weitere Variationen möglich und lohnend:

Verstärken 1 In der Matrixschreibweise soll der vollständige Rösselweg

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zusätzlich ein magisches Quadrat bilden.

Verstärken 2 Der geometrische Kantenzug soll punktsymmetrisch sein.

Abschwächen Der Springer soll möglichst viele Felder erreichen.

Iterieren Wie läßt sich durch Umbilden eines Rösselweges ein neuer Rösselweg ergeben?

Reagieren Wie viele verschiedene Lösungen gibt es? usw.

5. Nachbetrachtung, Ausblick

Auch wenn viele Fragen offen blieben und der geplante Unterrichtsverlauf nichtzustande kam - den Schülern und mir hat diese Einheit viel Spaß gemacht.Vielleicht sind wir etwas weiter mit der Frage: Was ist Mathematik?

Gerade nach dem langen und steinigen Weg durch die Unebenheiten der Epsi-lontik war die Unterrichtseinheit eine erfrischende Abwechslung. PositiveRückmeldung erhielt ich auch von den Schülern: Neben Anfragen zu einerFacharbeit über das Thema und zu weiterführender Literatur wünschten sichviele Schüler eine Wiederholung solcher Einheiten.

Bei aller Freude müssen jedoch auch kritische Anmerkungen gemacht werden.Gerade die schwächeren Schüler konnten dem Tempo und den sich fortgesetztändernden Fragen teilweise nicht mehr folgen. Um auch ihnen gerecht zu wer-den, hätte man für den gleichen Stoff wohl die doppelte Zeit benötigt. Zudemfiel auf, daß die im sonstigen Unterricht aktiven und motivierten Schüler auchhier die meisten Beiträge beisteuerten.

Angesichts der geringen Erfahrungen mit Variationstechniken gab es erstaunlichviele und vielfältige Vorschläge. Weitergehende Variationen (z.B. magische Ei-genschaft) sind wohl nur bei größerer Vertrautheut mit dem Thema zu erwarten.Je öfter die Schüler jedoch variierten, desto mehr erkannten sie, daß jede zu-nächst noch so abwegig erscheinende Idee einer näheren Untersuchung wert ist.Hier hängt viel vom Umgang mit falschen Antworten bzw. unsinnigen (gibt esdie überhaupt?) Vorschlägen ab.

Die Stunde wäre sicherlich anders verlaufen, wenn ich mich nicht selbst schonmit dem Thema Rösselsprung auseinandergesetzt hätte. Ein Lehrer auf demWissensstand der Schüler läßt ihnen vielleicht noch mehr Freiraum, obgleichnatürlich auch die Risiken zunehmen (Aber was riskiert man schon?). Auch hierstellt sich die sicherlich nicht neue Frage, wieviel der Lehrer zum Unterrichts-verlauf beisteuern sollte. Ideal ist sicher eine Funktion als Moderator, welchernur Impulse gibt. Tatsächlich sind die Schüler (zumindest die meines Kurses)jedoch noch stark auf den Lehrer fixiert. Das muß indessen kein durchgehenderNachteil sein. Am Ende der Stunde war es durchaus angebracht, selbst Variatio-nen vorzuschlagen und damit für neue Anstöße zu sorgen.

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Anschließen sollte sich nun eine metakognitive Betrachtung. Dabei sollte deut-lich werden, daß es sich beim Variieren nicht um einen Pausenfüller, sondernum ernsthafte mathematische Arbeit handelt.

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