ausgezeichnet!

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146 | Pharm. Unserer Zeit | 33. Jahrgang 2004 | Nr. 2 FORUM | Bundesweit wurden im Jahr 2001 mehr als zwei Millionen Tiere für Ver- suchszwecke in Laboren benutzt.1,5 %, also ca. 34.000, davon wurden allein in Schleswig-Holstein durchgeführt. Zu- viel, wie man in der Landesregierung meinte,zumal man sich vorgenommen hatte, Tierversuche auf das unerläss- liche Maß zu beschränken und die Zahl der für einen Versuch benötigten Tiere und deren Belastung zu vermin- dern. Der Schwerpunkt lag dabei im so genannten „3R-Prinzip“. Diese drei „R“ stehen für: REPLACE (ersetzen) – Tierversuche sollen nach Möglichkeit durch alternative Methoden ersetzt werden. REDUCE (reduzieren) – Die Zahl der Tiere pro Versuch und die Zahl der Versuche soll auf ein Mini- mum reduziert werden. REFINE (ver- bessern) – Die Methodik von Tierver- suchen soll so verbessert werden,dass die Belastung für die Tiere verringert und nach Möglichkeit eliminiert wird und gleichzeitig sichergestellt wird, dass die Forschung hohen wissen- schaftlichen Qualitätsstandards ent- spricht. Um dieses Ziehl zu erreichen, such- te das nördlichste Bundesland nach Alternativen und schrieb den Tier- schutzpreis 2003 des Ministers für Um- welt, Naturschutz und Landwirtschaft entsprechend aus: Gefragt waren For- scherinnen und Forscher, die Metho- den mit alternativen Stoffen oder am Computer entwickelt haben. Prof. Dr. B. Clement und seine Mit- arbeiter aus dem Pharmazeutischen In- stitut hatten In-vitro-Methoden zur Analyse des Fremdstoffmetabolismus entwickelt, die Verwendbarkeit von Enzymquellen aus dem Schwein vo- rangetrieben und die Vergleichbarkeit mit den entsprechenden humanen En- zymsystemen gezeigt. Dadurch kön- nen Versuchsratten durch Schweine- lebern ersetzt und so die Zahl der Ver- suchstiere bundesweit um mehrere Tausend reduziert werden: Im Jahre 2001 wurden in Deutschland insge- samt 232.930 Ratten eingesetzt für die Erforschung und Entwicklung sowie für die toxikologischen und anderen Sicherheitsprüfungen von Produkten und Geräten für Human-, Zahn- und Veterinärmedizin; weitere 7.604 für sonstige toxikologische Untersuchun- gen oder Sicherheitsprüfungen – also auch Biotransformationsstudien. Prof. Clement und sein Forschungsteam etablierten Schweinehepatozyten als Modell für den Nachweis bestimmter Fremdstoff-Metaboliten. Darüber hin- aus sind inzwischen Testsysteme mit Schweinelebermikrosomen und -mito- chondrien sowie Schweinenieren- mikrosomen und -mitochondrien rou- tinemäßig zum Studium des Fremd- stoffmetabolismuses im Einsatz. Inter- essanterweise waren in diesen Mo- dellsystemen durchaus Übereinstim- mungen mit den entsprechenden Enzymquellen des Menschen feststell- bar. Die Biowissenschaften haben sich in den letzten Jahrzehnten rasend schnell entwickelt und das Verständnis biologischer Zusammenhänge revolu- tioniert. Nachdem das menschliche Genom bekannt ist, stellen die im Genom codierten und in den ver- schiedenen Zelltypen exprimierten Proteine – in ihrer Gesamtheit das so genannte Proteom – eine neue Her- ausforderung dar. Aus diesem Wissen erhoffen sich die Wissenschaftler Hin- weise auf neue Zielstrukturen für die Arzneimitteltherapie verschiedenster Krankheiten. Bereits seit den 70er Jahren wurde versucht, die Massenspektrometrie zur Peptid- und Proteinanalyse einzuset- zen. Die ersten Massenspektren zeig- ten jedoch geringe Signalintensitäten und eine ausgeprägte Fragmentierung der Probenmoleküle, weshalb diese Techniken zunächst wenig Bedeutung für die Bionanalytik hatten. Erst gegen Ende der 80er Jahre entdeckten Prof. Hillenkamp und Prof. Karas, dass durch das Einbetten der Probe in eine geeig- nete Matrix, bestehend aus kleinen organischen Molekülen, die bei der eingestrahlten Laserwellenlänge eine hohe Absorption zeigen, nicht nur höhere Intensitäten der Analytmolekül- Ionen erhalten wurden, sondern auch fast keine Fragment-Ionen mehr auf- traten. Mit dieser als Matrix-unter- stützte Laserdesorptions/Ionisa- tions-Massenspektrometrie (MAL- DI-MS) bezeichneten Methode kön- PREISVERLEIHUNGEN | Ausgezeichnet! Gleich zwei pharmazeutische Hochschullehrer wurden Ende 2003 mit hoch-dotierten Preisen ausgezeichnet: Prof. Dr. Bernd Clement aus Kiel erhielt für sein In-vitro-Modell zum Fremdstoffmetabolismus den mit 10.000 B dotierten Tierschutzpreis Schleswig-Holstein und Prof. Dr. Michael Karas, Frankfurt, wurde zusammen mit Prof. Dr. Franz Hillenhamp, Münster, der mit 30.000 B dotierte Beckurts-Preis für ihre revolutionierenden Arbeiten auf dem Gebiet der Massenspektrometrie verliehen. Der Preis in Höhe von 10.000 b wurde Herrn Prof. Dr. B. Clement (links) von Klaus Müller, Minister für Umwelt, Natur- schutz und Landwirtschaft des Landes Schleswig-Holstein (rechts) überreicht.

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Page 1: Ausgezeichnet!

146 | Pharm. Unserer Zeit | 33. Jahrgang 2004 | Nr. 2

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Bundesweit wurden im Jahr 2001mehr als zwei Millionen Tiere für Ver-suchszwecke in Laboren benutzt.1,5 %,also ca.34.000,davon wurden allein inSchleswig-Holstein durchgeführt. Zu-viel, wie man in der Landesregierungmeinte,zumal man sich vorgenommenhatte, Tierversuche auf das unerläss-liche Maß zu beschränken und dieZahl der für einen Versuch benötigtenTiere und deren Belastung zu vermin-dern. Der Schwerpunkt lag dabei imso genannten „3R-Prinzip“. Diese drei„R“ stehen für: REPLACE (ersetzen) –Tierversuche sollen nach Möglichkeit

durch alternative Methoden ersetztwerden. REDUCE (reduzieren) – DieZahl der Tiere pro Versuch und dieZahl der Versuche soll auf ein Mini-mum reduziert werden. REFINE (ver-bessern) – Die Methodik von Tierver-suchen soll so verbessert werden,dassdie Belastung für die Tiere verringertund nach Möglichkeit eliminiert wirdund gleichzeitig sichergestellt wird,dass die Forschung hohen wissen-schaftlichen Qualitätsstandards ent-spricht.

Um dieses Ziehl zu erreichen,such-te das nördlichste Bundesland nach Alternativen und schrieb den Tier-schutzpreis 2003 des Ministers für Um-welt, Naturschutz und Landwirtschaftentsprechend aus: Gefragt waren For-scherinnen und Forscher, die Metho-den mit alternativen Stoffen oder amComputer entwickelt haben.

Prof. Dr. B. Clement und seine Mit-arbeiter aus dem Pharmazeutischen In-stitut hatten In-vitro-Methoden zurAnalyse des Fremdstoffmetabolismusentwickelt, die Verwendbarkeit vonEnzymquellen aus dem Schwein vo-rangetrieben und die Vergleichbarkeitmit den entsprechenden humanen En-zymsystemen gezeigt. Dadurch kön-nen Versuchsratten durch Schweine-lebern ersetzt und so die Zahl der Ver-suchstiere bundesweit um mehrereTausend reduziert werden: Im Jahre2001 wurden in Deutschland insge-samt 232.930 Ratten eingesetzt für dieErforschung und Entwicklung sowiefür die toxikologischen und anderenSicherheitsprüfungen von Produktenund Geräten für Human-, Zahn- undVeterinärmedizin; weitere 7.604 für

sonstige toxikologische Untersuchun-gen oder Sicherheitsprüfungen – alsoauch Biotransformationsstudien. Prof.Clement und sein Forschungsteam etablierten Schweinehepatozyten alsModell für den Nachweis bestimmterFremdstoff-Metaboliten. Darüber hin-aus sind inzwischen Testsysteme mitSchweinelebermikrosomen und -mito-chondrien sowie Schweinenieren-mikrosomen und -mitochondrien rou-tinemäßig zum Studium des Fremd-stoffmetabolismuses im Einsatz. Inter-essanterweise waren in diesen Mo-dellsystemen durchaus Übereinstim-mungen mit den entsprechendenEnzymquellen des Menschen feststell-bar.

Die Biowissenschaften haben sichin den letzten Jahrzehnten rasendschnell entwickelt und das Verständnisbiologischer Zusammenhänge revolu-tioniert. Nachdem das menschlicheGenom bekannt ist, stellen die im Genom codierten und in den ver-schiedenen Zelltypen exprimiertenProteine – in ihrer Gesamtheit das sogenannte Proteom – eine neue Her-ausforderung dar. Aus diesem Wissenerhoffen sich die Wissenschaftler Hin-weise auf neue Zielstrukturen für dieArzneimitteltherapie verschiedensterKrankheiten.

Bereits seit den 70er Jahren wurdeversucht,die Massenspektrometrie zurPeptid- und Proteinanalyse einzuset-zen. Die ersten Massenspektren zeig-ten jedoch geringe Signalintensitätenund eine ausgeprägte Fragmentierungder Probenmoleküle, weshalb dieseTechniken zunächst wenig Bedeutungfür die Bionanalytik hatten. Erst gegenEnde der 80er Jahre entdeckten Prof.Hillenkamp und Prof.Karas,dass durchdas Einbetten der Probe in eine geeig-nete Matrix, bestehend aus kleinen organischen Molekülen, die bei dereingestrahlten Laserwellenlänge einehohe Absorption zeigen, nicht nur höhere Intensitäten der Analytmolekül-Ionen erhalten wurden, sondern auchfast keine Fragment-Ionen mehr auf-traten. Mit dieser als Matrix-unter-stützte Laserdesorptions/Ionisa-tions-Massenspektrometrie (MAL-DI-MS) bezeichneten Methode kön-

PR E I S V E R L E I H U N G E N |Ausgezeichnet!Gleich zwei pharmazeutische Hochschullehrer wurden Ende 2003 mithoch-dotierten Preisen ausgezeichnet: Prof. Dr. Bernd Clement aus Kiel erhielt für sein In-vitro-Modell zum Fremdstoffmetabolismus denmit 10.000 B dotierten Tierschutzpreis Schleswig-Holstein und Prof. Dr. Michael Karas, Frankfurt, wurde zusammen mit Prof. Dr. Franz Hillenhamp, Münster, der mit 30.000 B dotierte Beckurts-Preis für ihrerevolutionierenden Arbeiten auf dem Gebiet der Massenspektrometrieverliehen.

Der Preis in Höhe von 10.000 b wurde Herrn Prof. Dr. B. Clement (links) von Klaus Müller, Minister für Umwelt, Natur-schutz und Landwirtschaft des Landes Schleswig-Holstein(rechts) überreicht.

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nen nun auch biologisch relevanteMakromoleküle wie Proteine, Oligo-nukleotide und Nukleinsäuren bis zueinem Molekulargewicht von 300.000Dalton fragmentationsfrei in die Gas-phase übergeführt und analysiert wer-den. Damit entwickelte sich plötzlichdie Massenspektrometrie zu einer derwichtigsten Analysenmethoden für die Peptid- und Proteinanalytik. DieseTechniken erlauben es nun,z.B.bei be-

Patienten mit HAE Typ 1 und 2 soltennach Ansicht der Mitglieder der DGAdas C1-Esterase-Inhibitor-Konzentratvorrätig haben, um bei einem plötz-lich auftretenden Larynxödem Zeit zusparen – Zeit, die lebensrettend seinkann, da das C1-Esterase-Inhibitor-Konzentrat nicht Teil der notärzt-lichen Ausrüstung ist. Bei unverzüg-licher intravenöser Applikation kanndas Präparat den Patienten vor demErstickungstod bewahren. Es ist an-erkanntermaßen die medikamentöseTherapie der Wahl bei einem solchenNotfall. Weitere Maßnahmen zum Offenhalten der oberen Luftwegekönnen zusätzlich notwendig wer-den.

Das HAE ist eine seltene, aberschwerwiegende Erkrankung undwird mit einem 50 %igen Risiko ver-erbt.Bislang sind in Deutschland etwa600 Patienten bekannt; es ist jedochanzunehmen, dass weitaus mehr Men-schen (um ein Mehrfaches mehr) aneinem bislang nicht diagnostiziertenHAE leiden. Noch immer ist diesesKrankheitsbild wenig bekannt undviele Patienten wissen jahrzehntelangnicht, dass ihre Beschwerden dieSymptome eines HAE sind. Die ersteDiagnose lautet oft „allergischeSchwellungen“ oder „allergischesQuincke-Ödem“. Die akuten Sympto-me des HAE treten unvorhergesehenauf und dauern meist 2 bis 4 Tage. Essind rezidivierende Hautschwellun-

gen (Extremitäten und Gesicht) ohneUrtikaria, Bauchattacken mit starkenkolikartigen Schmerzen mit und ohneErbrechen und Diarrhö sowie Larynx-ödeme.

Am gefährlichsten sind Schwel-lungen im Bereich der oberen Atem-wege, die zwar selten sind, aber miteiner nicht unerheblichen Mortalitäteinhergehen. Atemnot und schlimm-stenfalls Tod durch Ersticken könnendie Folge eines Larynxödems sein.Eine falsche Diagnose gefährdet unterUmständen das Leben des Patienten,da Arzneimittel wie beispielsweiseCortison, die bei schweren allergi-schen Reaktionen eingesetzt werden,beim HAE nicht wirksam sind.

WEITERE INFORMATIONEN … |… finden Sie auf der Internetseite

www.angioedema.de

Kontakt:Prof. Dr. med. K. BorkHautklinik des Johannes Gutenberg-Universität MainzLangenbeckstr. 155101 MainzFax: 06131/176614email: [email protected]

PR E SS E M I T T E I LU N G |Empfehlung der DGABei der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Angioödeme e.V.(DGA) wurde die Empfehlung ausgesprochen, dass Patienten mit einem Hereditären Angioödem (HAE) das Notfallpräparat C1-Esterase-Inhibitor-Konzentrat zu Hause vorrätig haben sollten.

Die beiden Preisträger Prof. Dr. MichaelKaras und Prof. Dr. Franz Hillenkamp(Vordergrund, von links) und alsHintergrundprojektion der Vorsitzendeder Karl Heinz Beckurts-Stiftung, Prof. Dr. Manfred Popp bei der Ver-leihung des Beckurts-Preises in derMünchner Residenz.

Der Beckurts-Preis wird von derKarl Heinz Beckurts-Stiftung verliehen,die 1987 zu Ehren des 1986 bei einemTerroranschlag ums Leben gekomme-nen Physikers Karl Heinz Beckurts ge-

gründet wurde. Das Ziel der Stiftungist die Zusammenarbeit von Wirtschaftund Wissenschaft zu fördern und zuvertiefen.

TD, IZ

kannter Aminosäuresequenz aus derDifferenz der theoretischen Masse undder Masse des maturen Proteins direktauf die posttranslationale Modifika-tionen, wie z.B. Phosphorylierung,Glykosylierung und Sulfatierung ge-schlossen werden. MALDI gehört,ebenso wie die Elektronenspray-Ionisa-tionsmethode (ESI) zu den fundamen-talen, methodischen Entwicklungender Bioanalytik und wird weltweit inForschungs- und Industrielaboratoreneingesetzt.