arbeiten in der klinischen forschung festangestellt freiberuflich

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Health & Medicine


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Page 1: Arbeiten in der klinischen Forschung Festangestellt Freiberuflich

Autor: Jorge Garcia

ie Unruhe in der Pharmabranche ist struk-turell bedingt und eigentlich bereits seitmehreren Jahren eine konstante Erschei-

nung. Die zahlreichen „Mergers and Acquisitions“,die unzähligen in Wellen immer wiederkehrendenUmstrukturierungen und leider auch einige Insol-venzen (insbesondere in den Sparten Biotechnolo-gie und Medizinprodukte) haben tiefe Spuren hin-terlassen. Galt es in der klinischen Forschung früherals normal 20 - 35 Jahre für ein und dasselbe Unter-nehmen zu arbeiten, wechseln Mitarbeiter in derPharmaindustrie mittlerweile im Schnitt alle 3 – 4Jahre (Tendenz sinkend) das Unternehmen. In den

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Das Jahr 2003 zeichnet sich durch verschie-

dene widersprüchliche Trends aus. Die kon-

junkturelle Schwäche in der Wirtschaft hat –

teilweise national verstärkt durch politische

Entscheidungen im Bereich Gesundheit –

auch die Pharmaindustrie und deren Dienst-

leistungsbereich erfasst. Eine Reihe von

Unternehmen melden Einstellungsstopp,

betreiben Personalabbau oder fahren die

Ausbildungsprogramme herunter. Parallel

hierzu berichten nicht wenige CROs auf-

grund sinkender Anzahl von Aufträgen über

einen Umsatzeinbruch in den ersten beiden

Quartalen 2003. Auf der anderen Seite

erhöht sich die Anzahl der Überstunden

sowohl in Pharmaunternehmen als auch in

CROs dramatisch, und – weit gravierender –

zeichnet sich in 2003 ein Engpass an quali-

fizierten Fachkräften ab.

Arbeiten in der klini

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Festangestellt –

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CROs ist die Fluktuationsrate entsprechend höher.Als Folge dieser Entwicklung stehen immer mehrFestangestellte irgendwann vor der Entscheidung,wieder einmal zu einem anderen Unternehmen alsFestangestellter zu wechseln oder aber doch einenNeustart in die Selbstständigkeit zu wagen.

Zu diesem Schritt entscheiden sich immer mehr„Clinical Research Professionals“ – auch in Deutsch-land. Die Entwicklung in diesem Bereich ist rasantund dynamisch mit positiven Vorzeichen. Das liegtzum größten Teil an der ansetzenden Verknappungder menschlichen Ressourcen. Die Nachlässigkeitder Industrie bei der Ausbildung ihrer Fachkräftewird durch den Faktor Demographie erheblich ver-stärkt. In einem Beitrag des Magazins Stern vom 28.Mai 2003 wird unter der Schlagzeile „Graue Haare,große Zukunft“ konstatiert: „Spätestens 2020 ist (inDeutschland) nur noch jeder fünfte Erwerbstätigeunter 30. Mehr als ein Drittel der Arbeitnehmer wirdüber 50 sein“. Bisherige Strategien von Personalab-teilungen können mit dieser Entwicklung nichtSchritt halten. Die aktive Suche nach qualifiziertenund „jungen“ Fachkräften erweist sich immer mehrals eine Suche nach der „Nadel im Heuhaufen“ – vonder Zeit, die dabei vergeht, ganz zu schweigen (mitt-lerweile sechs Monate und mehr).

Diejenigen, die nach reiflicher und sehr indivi-dueller Überlegung den Schritt in die Selbstständig-keit gewagt haben, bereuen diesen Schritt in derRegel nicht. In einer internen Marktstudie übereinen Zeitraum von zwei Jahren haben wir festge-stellt, dass nur ca. 5 Prozent der Freiberufler wiedereine Festanstellung angenommen haben. Und vie-les deutet daraufhin, dass die Pharmabranche undspeziell der Bereich klinische Forschung zukünftigmehr denn je auf die Hilfe und Unterstützung derFreiberufler angewiesen sein wird.

Allerdings gibt es seit 1992 parallel zu einemAnstieg der Ausgaben für Forschung & Entwicklungeinen leichten Abwärtstrend bei den „New DrugLaunches“. Betrachtet man aber die Neueinführun-gen von Medikamenten über einen längeren Zeit-raum (seit 1970), stellt man fest, dass die Pipelinesder Pharmaunternehmen relativ konstant gebliebensind, und damit auch der Faktor Arbeit. Es gibt sogar

schen Forschung

– Freiberuflich

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Anzeichen dafür, dass in den nächsten Jahren einerneuter leichter Anstieg an „New Drugs“ zu erwar-ten ist. Das Phänomen steigender Überstunden lässtsich teilweise somit erklären, dass durch die Abnah-me des Pools an qualifizierten Fachkräften, die anste-hende Arbeit auf weniger Schultern verteilt wird.

Die Bereitschaft zum Outsourcing wächst

Der Trend zu mehr Arbeit wird auch durch das Ver-hältnis zwischen Pharmaunternehmen und Auf-tragsforschungsinstituten (CROs) bestätigt. DieBereitschaft zum Outsourcing bzw. zur Herausgabevon Aufträgen steigt ständig, weltweit. In einemBericht von CenterWatch wird eine jährlicheZunahme von ca. 30 Prozent beschrieben. Paral-lel hierzu erfolgt zurzeit eine Umverteilung derAufträge weg von den großen CROs hin zukleineren bzw. mittelständischen Anbie-tern. Kleinere Dienstleister konnten durchSpezialisierungen und flexiblere Strukturengegenüber den eher starren großen Gebil-den punkten und an Boden gewinnen. Die-ser Trend, gepaart mit einer durch die aktu-elle Konjunkturlage bedingte Zurückhal-tung der großen Pharmaunternehmen beider Vergabe von internationalen Studien,hat in der ersten Jahreshälfte 2003 die ein-gangs erwähnten Einbrüche vorwiegend bei großenCROs (mit über 1.000 Mitarbeitern) verursacht.

Im Bereich klinische Forschung, also dem Teil,der mit der Entwicklung von Arzneimitteln bis zurMarkteinführung befasst ist (Prüfstudien der PhasenI - III), aber auch darüber hinaus (Marketingstudi-en, Anwendungsbeobachtungen) gibt es starkeUnterschiede bezüglich derjenigen Arbeitsbereichebzw. Arbeiten, die an Dienstleister herausgegebenwerden. Man unterscheidet hier grob zwischenKnow-how relevanten Teilen, die essenziell für diePharmafirma und das zu entwickelnde Produkt sind(Wettbewerbsvorteile, Betriebsgeheimnisse etc.),und technischen Arbeitsschritten, die in der Regelohne große Bedenken outgesourcst werden können.So haben in der Vergangenheit die meisten Phar-maunternehmen ihre zum Unternehmen gehören-den Zentrallabors entweder geschlossen oder in dieUnabhängigkeit entlassen. Die Messung von Blut-

proben und die damit verbundene Generierung vonDaten sind rein technische Vorgänge, die nichtunbedingt an das unternehmensspezifische Know-how gebunden sein müssen.

Ganz anders sieht es bei den Abteilungen aus,welche die Prüfstudien planen, managen und kont-rollieren. Betrachtet man das Berufsfeld Monitorbzw. Clinical Research Associate (CRA) näher, sowird es in der Regel – nicht zu unrecht – als zumKnow-how-Potenzial des jeweiligen Unternehmensgehörig eingeordnet. Auf der anderen Seite warenund sind die Monitore/CRAs oft die ersten, die vomPersonalabbau betroffen sind. Bedingt durch äuße-re Faktoren ist die Arbeit des Monitors/CRA geprägt

durch wechselnde Auslastungen, d. h., es gibtarbeitsintensive Phasen, aber auch Zeiten, wo

eher wenig bis keine Arbeit anfällt. Sokommt es, dass man bezüglich des Monito-rings sowohl in Pharmaunternehmen alsauch bei ihren Dienstleistern paralleleStrukturen vorfindet. Und dieser Umstanderklärt auch zum Teil die Reibungsverluste,die sich in der Zusammenarbeit Pharma-unternehmen und CRO immer wiedermanifestieren. Nicht unerwähnt sollte indiesem Zusammenhang bleiben, dass dergrößte Teil der Freiberufler in der klinischen

Forschung aus Monitoren/CRAs besteht. Interessant für Leser aus anderen Fachbereichen

ist, dass der „Beruf“ Monitor/CRA einer intensivenAusbildung entweder in einem Pharmaunterneh-men oder aber in einem CRO bedarf. Vor ca. 30 Jah-ren war dies die alleinige Aufgabe der Pharmaun-ternehmen. Nach und nach übernahmen Dienst-leistungsunternehmen diese Aufgabe, und heutestehen wir vor der Situation, dass immer wenigerPharmaunternehmen CRAs ausbilden und dies denCROs überlassen. Die Personen, die zum Moni-tor/CRA ausgebildet werden, kommen aus völligunterschiedlichen Bereichen. Man findet Akademi-ker (Biologen, Chemiker, Ökothrophologen, Medi-ziner), Mitarbeiter aus technischen Berufen (PTA,BTA, MTA, Med. Dokumentar) aber auch Physio-therapeuten, Krankenschwestern oder Krankenpfle-ger. Die Jahreseinkommen für den Monitor/CRA lie-gen in der Pharmaindustrie zwischen 35.000 und

65.000 Euro, bei CROs zwischen 25.000und 50.000 Euro (CenterWatch; eigeneMarktbeobachtungen).

Als selbstständiger Monitor/CRA be-stimmt man seinen Preis mit, der aber injedem Fall von den verlangten Tätigkeiten,den Erfahrungen und Qualifikationen starkabhängt. Eine interne Umfrage bei 167 Free-

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Zum Autor

Dr. Jorge Garcia ist Biochemiker und seit 2001 als Director

Business Development für die Geelen & Geelen GmbH tätig. Zuvor

war er bei den Unternehmen Staticon International (2000 - 2001)

und Interlab (1995 - 2000) beschäftigt.

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lance Monitoren/CRAs aus Deutschland, mit durch-schnittlich sieben Jahre Industrieerfahrung und sehrhohen Qualifikationen, ergab einen durchschnittli-chen Stundensatz von 45 Euro. Da wir nur Freibe-rufler aus dem Pool der Hochqualifizierten befragthaben, wird dieser Stundensatz in der Realität eherniedriger liegen. Aber nimmt man diesen Stundensatzals Berechnungsgrundlage und legt 220 Arbeitstageim Jahr zugrunde, so käme der Freiberufler auf einendurchschnittlichen Jahresumsatz von ca. 80.000 Euro.

Aus Sicht der Freiberufler arbeitet die Zeit für sie.Sie können sich zukünftig selbst aussuchen, ob siedirekt an die Pharmafirmen herantreten, den Wegüber ein CRO gehen oder aber sich einer neuen Artvon Dienstleistungsunternehmen anschlie-ßen, den so genannten „Staffing Com-panies“. Diese gibt es bereits seit ca. zehnJahren, aber erst in den letzten eineinhalbJahren wächst ihre Bedeutung kontinuier-lich. Dies geht einher mit dem Phänomen,dass innerhalb des Outsourcings das sogenannte Insourcen in Mode gekommenist. Damit ist der temporäre Verleih vonqualifizierten Fachkräften an Pharmaunter-nehmen gemeint. In diesem Jahr habeneinige CROs aufgrund wachsender Nach-frage aus der Industrie eigene „StaffingAbteilungen“ gebildet. Die Zunahme des Insour-cings geht auf eine wachsende allgemeine Unzu-friedenheit der Pharmafirmen beim Outsourcingzurück. Gefragt nach den Quellen des Unmuts undden Nachteilen des Outsourcings werden von Ver-tretern aus Pharmaunternehmen folgende Punkteimmer wieder aufgezählt: Eingeschränkte Kontrolleund Steuerung, Qualitätsprobleme, Abhängigkeitvon der CRO, Verlust der Identifikation und Verlustvon Know-how.

Festangestellter oder Freiberufler

Beim temporären Verleih von Fachpersonal gibt esgrundsätzlich zwei Modelle: Leasing von Festange-stellten und Leasing von Freiberuflern. Die Unter-schiede sind beachtlich – nicht nur in den Ver-tragsformen (Arbeitnehmerüberlassung versusDienstleistungs- bzw. Beratungsvertrag). Für dieCROs hat dieser neue Markt ein neues Spannungs-feld geschaffen: Die von den Pharmafirmen begehr-ten qualifizierten Fachkräfte eines CROs arbeiten inder Regel für verschiedene Kunden. Bedient manden einen, verprellt man die anderen. Der Festan-gestellte wiederum hat sich bei seiner Festeinstel-lung mit Sicherheit etwas anderes vorgestellt als beiwechselnden Pharmaunternehmen eingesetzt (ver-liehen) zu werden. Das Dilemma wird leider manch-

mal durch den Verleih von „weniger qualifiziertem“Fachpersonal gelöst – mit den entsprechenden Fol-gen für das Image dieses Segments.

Die andere Variante mit Freiberuflern funktio-niert grundsätzlich nur, wenn alle drei Beteiligten,Pharmaunternehmen, „Staffing Company“ und Fre-elancer, die Kooperation wünschen. Der Vorteil derZusammenarbeit mit Freiberuflern ist, dass siezusätzlich zu ihrer meist langjährigen Industrieer-fahrung und ihrer Flexibilität, ein hohes Maß ansozialer Kompetenz und Selbstmotivation einbrin-gen. Und dies fördert das Arbeitsklima. Natürlichhängt die erfolgreiche Zusammenarbeit auch vonder Selektion der Freiberufler ab. Da hat jedes Unter-

nehmen sein eigenes Verfahren. Die wach-sende Anzahl an Aufträgen mit Selbststän-digen und eine erstaunliche Stabilität beiden projektbezogenen Einsätzen sprechenfür sich.

Bedingt durch die Harmonisierung derProzeduren und Gesetze im Rahmen derArzneimittelentwicklung bzw. die Imple-mentierung der ICH/GCP-Richtlinien innationale Gesetzgebung werden die Anfor-derungen und damit auch das Arbeitsange-bot in der klinischen Forschung ab 2004zunehmen. Auf der anderen Seite spricht

alles dafür, das der Stellenabbau im großen Stil fort-gesetzt wird. Der Anteil an Festangestellten in derPharmaindustrie wird weiter abnehmen. Gleichzei-tig wird der Anteil an Selbstständigen wachsen. AusSicht der Freiberufler ein interessanter „Buyer-Mar-ket“ mit freier Auswahl (Projekte, Entlohnung,Arbeitsverhältnis). Vor allem die AbteilungenHuman Resources der Pharmafirmen werden radikalumdenken, denn das Tätigkeitsalter wird sich auf-grund der Demographie stark erhöhen. Und, ummit einer provokativen These zu Enden, vielleichtwird man in gar nicht so langer Zeit über jeden 65-jährigen froh sein, der das entsprechende Know-how mitbringt und so den Fortbestand eines Unter-nehmens sichern hilft. �

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Quellen:� Trends in R&D expenditure, sales and number of new drug

launches (1992 - 2002) IMS Helath, CMR International� CMR International, Compendium 2000� Center Watch September 2001, Vol. 8, Issue 9� Center Watch July 2002, Vol. 9, Issue 7

Kontakt:Dr. Jorge Garcia, Geelen & Geelen GmbHGut Keferloh 1c, D-85630 Grasbrunn b. MünchenTel.: +49 89 45 67 29 15, Fax: +49 89 45 67 29 [email protected]