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Arbeitsgruppe Emissionshandel zur Bekämpfung des Treibhauseffektes Jahresbericht der Unterarbeitsgruppe 3 (UAG 3) Rechtliche und institutionelle Fragen Stand Januar 2007 Teilnehmer der Unterarbeitsgruppe 3 der AGE Vorsitzender: Hr. Dr. Schmalholz (AGE Sekretariat) Sekretariat: Fr. Meinel (AGE Sekretariat), Hr. Dr. Kobes (AGE Sekretariat) Hr. Bornkamm (BMWi), Hr. Dr. Brandis (BP AG), Fr. Erdle (VCI), Hr. Habich (VCI), Herr Lemp (Hessisches Ministerium für Umwelt, ländlichen Raum und Verbraucherschutz), Hr. Dr. Neuser (BMU), Hr. Dr. Poesche (Myllykoski Continental GmbH), Hr. Sahm (VDEW e.V.), Hr. Dr. Stevens (Vattenfall Europe Generation AG & Co. KG), Hr. Stransky (INEOS Köln GmbH), Hr. Dr. Waskow (BMU), Frau Dr. Weber (VkU), Hr. Dr. Weinreich (BMU), Hr. Wolke (DEHSt)

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Arbeitsgruppe

Emissionshandel zur Bekämpfung des Treibhauseffektes

Jahresbericht der Unterarbeitsgruppe 3 (UAG 3)

Rechtliche und institutionelle Fragen

Stand Januar 2007

Teilnehmer der Unterarbeitsgruppe 3 der AGE

Vorsitzender: Hr. Dr. Schmalholz (AGE Sekretariat)

Sekretariat: Fr. Meinel (AGE Sekretariat), Hr. Dr. Kobes (AGE Sekretariat)

Hr. Bornkamm (BMWi), Hr. Dr. Brandis (BP AG), Fr. Erdle (VCI), Hr. Habich (VCI),

Herr Lemp (Hessisches Ministerium für Umwelt, ländlichen Raum und Verbraucherschutz),

Hr. Dr. Neuser (BMU), Hr. Dr. Poesche (Myllykoski Continental GmbH), Hr. Sahm (VDEW

e.V.), Hr. Dr. Stevens (Vattenfall Europe Generation AG & Co. KG), Hr. Stransky (INEOS

Köln GmbH), Hr. Dr. Waskow (BMU), Frau Dr. Weber (VkU), Hr. Dr. Weinreich (BMU),

Hr. Wolke (DEHSt)

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Jahresbericht der UAG 3 - 2006: Rechtliche und institutionelle Fragen

© AGE: Arbeitsgruppe Emissionshandel zur Bekämpfung des Treibhauseffektes Berlin, Januar 2007

Erstellt von den Mitgliedern der Unterarbeitsgruppe 3 Bericht der Beratungen in der UAG 3 in 2006

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Inhalt

I. ANLAGENBEGRIFF NACH EMISSIONSHANDELSRECHT (TEHG/ZUG) UND BIMSCHG 3

II. CRACKERANLAGEN UND EMISSIONSHANDEL 6

III. RECHTLICHE ECKPUNKTE EINER VERSTEIGERUNG VON EMISSIONSBERECHTIGUNGEN 9

1. EUROPARECHTLICHE VORGABEN 9 2. VERFASSUNGSRECHTLICHE ZULÄSSIGKEIT - GRUNDGESETZ ALS PRÜFUNGSMAßSTAB 10 3. FINANZVERFASSUNGSRECHTLICHE VORGABEN 10 4. GRUNDRECHTE DER ANLAGENBETREIBER 11 5. ZULÄSSIGKEIT EINER SEKTORALEN DIFFERENZIERUNG 12

IV. ZULÄSSIGKEIT VON EX-POST-ANPASSUNGEN NACH DER EMISSIONSHANDELSRICHTLINIE (2003/87/EG) 13

V. SEKTORSPEZIFISCHER ERFÜLLUNGSFAKTOR, VERZICHT AUF ANTEILIGE KÜRZUNG (ZUG 2012) SOWIE WACHSTUM BEI BESTANDSANLAGEN 16

1. SEKTORSPEZIFISCHE ERFÜLLUNGSFAKTOREN 16 2. VERZICHT AUF ANTEILIGE KÜRZUNG IM ZUG 2012 18 3. BERÜCKSICHTIGUNG VON WACHSTUM BEI BESTANDSANLAGEN 18

VI. AKTUELLE RECHTSFRAGEN ZUM NAP II 20

1. ERFÜLLUNGSFAKTOR 20 2. FORTFÜHRUNG VON ZUTEILUNGSREGELN 21 3. EINSTELLUNG DES ANLAGENBETRIEBS 23 4. RESERVEREGELUNG 23

VII. ZUTEILUNG FÜR NEUANLAGEN UND VERTRAUENSSCHUTZ 24

VIII. THEMENAUSBLICK FÜR 2007 25

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I. Anlagenbegriff nach Emissionshandelsrecht (TEHG/ZuG) und BImSchG

Die Unterarbeitsgruppe 1/2 der AGE hatte auf der Grundlage von Fragen aus dem

Vollzug die Unterarbeitsgruppe 3 um eine rechtliche Stellungnahme zum

Anlagenbegriff nach dem TEHG gebeten, insbesondere zum Verhältnis des

Anlagenbegriffs des TEHG zu dem des BImSchG. Nachfolgend ist dargestellt, wie

die UAG 3 gegenüber der UAG 1/2 den Anlagenbegriff nach TEHG/ZuG einerseits

und dem BImSchG andererseits bewertet hat.

Emissionshandelspflichtig sind die Anlagenarten nach § 2 Abs. 1 Satz 1 i.V.m.

Anhang I TEHG.

Maßgeblich für den Umfang der emissionshandelspflichtigen Anlage sind § 2

Absätze 2 und 3 TEHG. § 2 Abs. 2 TEHG bestimmt, welche Anlagenteile und

Nebeneinrichtung(en) zur Anlage gehören. Durch die in § 2 Abs. 3 TEHG getroffene

Kumulationsregelung werden mehrere Anlagen zusammen betrachtet, wenn sie in

einem engen räumlichen und betrieblichen Zusammenhang stehen. Damit folgen die

Regelungen des TEHG zum Anlagenumfang den Regelungen des

Immissionsschutzrechts, sie sind den Regelungen in § 1 Abs. 2 und 3 der 4.

BImSchV nachgebildet. Dass der Anlagenbegriff im Emissionshandelsrecht an den

Anlagenbegriff des BImSchG anknüpft, ergibt sich auch aus § 4 Abs. 6 TEHG,

wonach bei genehmigungsbedürftigen Anlagen nach dem BImSchG die

immissionsschutzrechtliche Genehmigung zugleich die TEHG-Genehmigung ist.

Damit kommt im TEHG der Anlagenbegriff nach dem BImSchG zum Zuge.

Aus § 4 Abs. 6 TEHG ergibt sich zugleich, dass es emissionshandelsrechtlich auf

den immissionsschutzrechtlich tatsächlich genehmigten Anlagenumfang ankommt.

Soweit historisch gewachsene Genehmigungen den Anforderungen der 4. BImSchV

nicht entsprechen, stellt sich die Frage, ob es in diesem Fall bei dem Primat der

immissionsschutzrechtlichen Genehmigung bleiben soll oder ob die abstrakte

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emissionshandelsrechtliche Lage maßgeblich zu sein hat. Auch in diesem Fall gilt

aber § 4 Abs. 6 TEHG, wonach die immissionsschutzrechtliche Genehmigung die

Genehmigung nach Absatz 1, d. h. die emissionshandelsrechtliche Genehmigung ist.

In diesen Fällen wäre allerdings die immissionsschutzrechtliche

Genehmigungssituation (von Amts wegen oder auf Antrag des Betreibers) zu

bereinigen.

Davon abweichend stellt § 2 Abs. 1 Satz 2 TEHG auf die

Genehmigungsbedürftigkeit ab. Hiermit wird sichergestellt, dass bei der nach § 1

Abs. 4 der 4. BImSchV erfolgenden gemeinsamen Genehmigung von Anlagen, die

nicht derselben Art sind, die Emissionshandelspflicht nur für die nach Anhang I

TEHG emissionshandelspflichtige(n) Anlage(nteile) gilt. Für Anlagen derselben Art ist

eine Aufteilung in Einzelgenehmigungen nach § 1 Abs. 3 der 4. BImSchV unzulässig,

da es sich hierbei nur um eine (gemeinsame) Anlage handelt. Im Gegensatz dazu

können zu einer Anlage gehörende (auch emissionshandelspflichtige) Anlagenteile

oder Nebeneinrichtungen, die je gesondert genehmigungsbedürftig wären, nach § 1

Abs. 4 der 4. BImSchV mit der Hauptanlage in einer Genehmigung

zusammengefasst werden. Hier kommt es also nicht auf die der Hauptanlage erteilte

Genehmigung, sondern auf die Genehmigungsbedürftigkeit der Nebenanlage an.

Bei Raffinerien, Kokereien und Anlagen der Eisenmetallerzeugung und -verarbeitung

hat der Gesetzgeber eine „Glockenlösung“ eingeführt (§ 25 TEHG). Diese Regelung

hat keinen Bezug zu der Kumulationsregelung in § 2 Abs. 3 und zur Regelung über

die Einbeziehung von Anlagenteilen und Nebeneinrichtungen in § 2 Abs. 2 TEHG,

sondern bezieht sich auf die gemeinsame Berichterstattung für mehrere selbständig

genehmigungsbedürftige und emissionshandelspflichtige Anlagen.

Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass der an das BImSchG angelehnte

Anlagenbegriff des Emissionshandelsrechts (TEHG/ZuG) klar ist und keiner Revision

bedarf. Bislang in der Praxis aufgetretene Schwierigkeiten und Unzulänglichkeiten

bei der Anwendung des Anlagenbegriffes in der ersten Zuteilungsperiode sind zum

überwiegenden Teil auf Unterschiede bei der Anwendung des

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immissionsschutzrechtlichen Anlagenbegriffes zurückzuführen, nicht dagegen auf

etwaige Unzulänglichkeiten des Emissionshandelsregimes an sich. Im Ergebnis

identifiziert die UAG 3 nach weit überwiegender Auffassung daher keinen

zwingenden Handlungs-, Klarstellungs- oder Änderungsbedarf im Hinblick auf den

Anlagenbegriff nach dem TEHG und dem BImSchG, da die Rechtslage mittlerweile

hinreichend geklärt ist bzw. Unstimmigkeiten im Zusammenspiel zwischen BImSchG

und TEHG weitgehend bereinigt sind.

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II. Crackeranlagen und Emissionshandel

Basierend auf Forderungen der EU-Kommission erfolgt in der zweiten

Handelsperiode eine Erweiterung des Kataloges der Anlagen, die dem System des

Emissionshandels unterworfen werden. Dies betrifft neben Rußanlagen vor allem

Anlagen aus dem Bereich der chemischen Industrie, in denen Kohlenwasserstoffe

aus Mineralölkomponenten zur weiteren Erzeugung von Ethylen oder Propylen

thermisch gespalten werden (so genannte Cracker).

Bei Crackeranlagen fallen neben der verfahrenstechnisch bedingten Emission von

CO2 auch Emissionen an, die sich aus dem Betrieb von Sicherheitseinrichtungen

dieser Anlagen (Fackeln) ergeben. Der Betrieb dieser Fackeln ist nicht originär

erforderlich zur Herstellung der Kohlenwasserstoffe, sondern resultiert unter

anderem aus dem gesetzlich vorgegebenen Sicherheitserfordernis für diese

Anlagen. Aus Gründen der Anlagensicherheit und des Immissionsschutzes müssen

bei einer Abstellung der Anlagen aus Instandhaltungsgründen oder im Rahmen einer

Notabstellung zur Verhinderung schwerer Betriebstörungen die in den

verfahrenstechnischen Einheiten vorhandenen Gase gefahrlos abgeleitet werden.

Dies kann nur durch eine Verbrennung dieser Gase mittels Fackeln erfolgen. Die

daraus entstehenden CO2-Emissionen sind, zumindest was den Bereich der

Notabstellung angeht, nicht planbar und generell nur schwer quantifizierbar und

haben dementsprechend kein Minderungspotential. Zudem ist der Einsatz der

Fackeln ordnungsrechtlich zwingend geboten, so dass auch insoweit kein

Minderungspotential besteht.

Verfahrensgleiche Anlagen werden auch im Bereich der Mineralölindustrie innerhalb

von Raffineriestandorten betrieben. Da Raffinieren mit allen dazugehörenden

Betriebseinheiten bereits im System des Emissionshandels in der ersten

Handelsperiode erfasst sind, sind auch die an diesen Standorten betriebenen

Cracker Bestandteil des Emissionshandelssystems. In § 25 TEHG hat der

Gesetzgeber für Raffineriestandorte eine so genannte Glockenlösung ermöglicht, die

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eine Erfassung der Emissionen nicht nur anlagenscharf, sondern optional Standort

bezogen ermöglicht. So kann das Fehlen von Minderungspotentialen bei bestimmten

Anlagenteilen durch Einsparungen von Emissionen an Betriebseinheiten mit

Minderungsmöglichkeiten im Rahmen der Standortbetrachtung ausgeglichen

werden. Diese Möglichkeit existiert für andere dem Emissionshandelssystem

unterliegende Anlagentypen nicht.

Es stellt sich somit das Problem, dass in diesem Fall auf der Basis von anderen

Rechtsvorschriften determinierte CO2-Emissionen in das Emissionshandelssystem

eingebunden werden. Zur Lösung dieses Problems sind verschiedene

Vorgehensweisen denkbar.

Denkbar wäre zum einen CO2-Emissionen beim Crackerbetrieb, die aus der Funktion

von Fackeln resultieren, nicht in das Emissionshandelsregime einzubeziehen, indem

diese Emissionsquelle aus dem Anlagenbezug herausgenommen würde. Als

Hindernis für diesen Weg stellt sich allerdings der Anlagenbegriff gemäß

Immissionsschutzrecht dar, nach dem der im Rahmen einer Genehmigung

genehmigte Anlagenbestand als eine Anlage i. S. d. Emissionshandels zu sehen ist.

Damit sind dann auch alle Emissionsquellen einer Anlage zu berücksichtigen.

Konkrete Umsetzung findet diese Rechtsnorm auch im § 2 Abs. 2 TEHG, wo alle

zum Betrieb notwendigen Anlagenteile und Nebeneinrichtungen zu berücksichtigen

sind (s. bereits Kap. 1). Unterschieden wird dabei nicht, ob CO2-Emissionen

verfahrenstechnisch bedingt entstehen oder aus den Vorgaben des Ordnungsrechtes

resultieren. Mit einer Konkretisierung des TEHG könnten diese Emissionen aus dem

Geltungsbereich des Emissionshandelssystems herausgenommen werden. Denkbar

wäre eine Anpassung des TEHG, vergleichbar der Ausnahmeregelung, wie sie

schon für Notstromaggregate getroffen worden ist (vgl. Anhang 1 Nr. 2 TEHG letzter

Halbsatz: ausgenommen Verbrennungsmotoranlagen für Bohranlagen und

Notstromaggregate).

Ein anderer Ansatz zur Berücksichtigung dieser besonderen Situation könnte eine

Regelung im Zuteilungsgesetz (ZuG) sein. Dabei könnten Emissionen aus dem

Fackelbetrieb zwar erfasst, aber von einer Minderungsverpflichtung ausgenommen

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werden. Entweder würden dabei diese Emissionen im Rahmen des

Emissionsberichtes dargestellt, aber keine Zertifikate dafür zurückgegeben werden

müssen, oder auf der Basis einer Abschätzung von Emissionen aus historischer Zeit

würden die zu erwartenden Fackelemissionen mit einer ausreichenden Anzahl von

Zertifikaten ausgestattet werden.

Monitoring Ein weiteres Problem bei den Fackelemissionen stellen die Gegebenheiten zum

Monitoring derselben dar. Die beim Abstellung von Crackern anfallenden Gasströme

sind nicht eindeutig qualifizierbar, da sie aus einem Gemisch verschiedener

Komponenten mit einer in Abhängigkeit von der Fahrweise der Anlage

unterschiedlichen Zusammensetzung anfallen. Ein qualitatives Reporting dieser

Gasströme auf Basis der geltenden Monitoring-Leitlinien ist daher nicht darstellbar.

Das Gleiche gilt für die messtechnische Erfassung der Menge solcher anfallenden

Gasströme, die zu einer Fackel abzuleiten wären. Aus Sicherheitsgründen verbietet

es sich, in Fackelgasleitungen Messsysteme einzubauen, die auf der Basis von

Strömungsparametern arbeiten und somit Strömungshindernisse in den Zuleitungen

zur Fackel bilden, denn im Anforderungsfall einer Notabstellung sind die Gasmengen

ungehindert möglichst schnell der Fackel zuzuführen. Andere Verfahren benötigen

dagegen zur Erfassung von Mengen physikalische Parameter wie

Zusammensetzung und Dichte des zu erfassenden Stoffes. Diese Aussagen können,

wie oben dargestellt, nur unzureichend getroffen werden. Vor diesem Hintergrund ist

eine Erfassung von CO2-Mengen für Emissionen aus Fackelgasen nur im Rahmen

einer Gesamtbilanz möglich.

Explizite Vorgaben für die Erfassung von Emissionen aus Crackern in der

chemischen Industrie gibt es in den derzeit geltenden Monitoring-Leitlinien nicht, so

dass die Art der Erfassung im Rahmen einer Einzelfallfestlegung zwischen

Anlagenbetreiber und zuständiger Behörde zu regeln wäre. Im Falle einer zentralen

Festlegung auf der Basis der Leitlinien müsste dann auf jeden Fall die Möglichkeit

der Bilanzierung festgeschrieben werden.

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III. Rechtliche Eckpunkte einer Versteigerung von Emissionsberechtigungen

1. Europarechtliche Vorgaben

Artikel 10 der Emissionshandelsrichtlinie bestimmt: „Für den am 1. Januar 2005

beginnenden Dreijahreszeitraum teilen die Mitgliedsstaaten mindestens 95 % der

Zertifikate kostenlos zu. Für den am 1. Januar 2008 beginnenden Fünfjahreszeitraum

teilen die Mitgliedsstaaten mindestens 90 % der Zertifikate kostenlos zu.“

Nach diesen Vorgaben ist es also den Mitgliedsstaaten freigestellt, ein gewisses

Quantum an Emissionsberechtigungen entgeltlich, z. B. im Wege eines Verkaufs

oder einer Versteigerung, zuzuteilen. Deutschland hat in der ersten

Zuteilungsperiode 2005 bis 2007 alle Emissionsberechtigungen kostenlos zugeteilt.

Inzwischen werden verstärkt Forderungen laut, in der zweiten Handelsperiode 2008

bis 2012 10 % der Emissionsberechtigungen entgeltlich im Wege einer

Versteigerung an die Anlagenbetreiber zuzuteilen.

Eine Versteigerung von bis zu 10 % der zuzuteilenden Emissionsberechtigungen

wäre nach den Vorgaben der Emissionshandelsrichtlinie zunächst generell zulässig.

Die Mitglieder der UAG 3 sind dabei der Auffassung, dass sich - orientiert am

Wortlaut der Richtlinie, der einen Gesamtmengenbezug nahe legt - der entgeltliche

Anteil von bis zu 10 % auf die staatliche Gesamtzuteilung, und nicht auf die

Einzelzuteilung an die Anlagenbetreiber bezieht. Der Anteil zu ersteigernder

Zertifikate für Anlagentypen oder Sektoren könnte dementsprechend höher als 10 %

ausfallen. In diesem Zusammenhang nicht vertieft diskutiert haben die Mitglieder der

UAG 3 die Frage nach der Vereinbarkeit einer teilweisen Versteigerung mit

europäischen Grundrechten der Anlagenbetreiber.

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2. Verfassungsrechtliche Zulässigkeit - Grundgesetz als

Prüfungsmaßstab

Wie dargelegt, überlässt die Emissionshandelsrichtlinie den Mitgliedsstaaten die

Entscheidung, einen Teil der zuzuteilenden Emissionsberechtigungen entgeltlich

zuzuteilen. Eine entgeltliche Zuteilung würde also nicht auf zwingenden

gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben beruhen, sondern auf einer autonomen

Entscheidung des deutschen Gesetzgebers. Dies führt dazu, dass diese

Entscheidung des deutschen Gesetzgebers für eine teilentgeltliche Zuteilung im

vollen Umfang den Vorgaben des Grundgesetzes unterworfen ist.

3. Finanzverfassungsrechtliche Vorgaben

Bei einer entgeltlichen Zuteilung im Wege der Versteigerung würde der Staat

Einnahmen erzielen. Bereits die staatliche Entgelterhebung und Einnahmeerzielung

an sich werfen juristische Grundsatzprobleme auf. So stellt sich die Frage, ob die

Entgelterhebung mit der daraus entstehenden Einnahme- und Abschöpfungswirkung

mit den finanzverfassungsrechtlichen Vorgaben des Grundgesetzes vereinbar ist.

Sollte es sich bei den Versteigerungsentgelten um öffentliche Abgaben

nichtsteuerlicher Art handeln, müssten diese, um das verfassungsrechtlich

determinierte Prinzip vom Vorrang des Steuerstaates (Art. 105 ff. GG) nicht zu

verletzen, sachlich gerechtfertigt sein.

Bundesverfassungsgericht und Bundesverwaltungsgericht haben in vielfältiger

Rechtsprechung (etwa zur Zulässigkeit der Versteigerung von UMTS-Lizenzen, von

Spielbankerlaubnissen oder zur Erhebung des sog. „Wasserpfennigs“) Grundsätze

aufgestellt, an denen die sachliche Rechtfertigung der Erhebung einer Abgabe für die

Bereitstellung und Nutzung eines öffentlichen Gutes genügen muss. Hierbei stehen

Aspekte einer „Vorteilsabschöpfung“ im Vordergrund.

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4. Grundrechte der Anlagenbetreiber

Neben der generellen Vereinbarkeit mit den (finanz-)verfassungsrechtlichen

Vorgaben des Grundgesetzes muss die Erhebung von öffentlichen Abgaben, etwa in

Form von Versteigerungsentgelten, auch mit den Grundrechten der betroffenen

Anlagenbetreiber (Art. 3, 12 und 14 GG) vereinbar sein. Hierbei ist zunächst

festzuhalten, dass der Eingriff in diese Grundrechte nicht in der Versteigerung an

sich zu sehen ist, sondern in der Pflicht zur Abgabe der (ersteigerten)

Emissionsberechtigungen am gesetzlich festgelegten Stichtag. Der Eingriff liegt also

darin, dass Anlagenbetreiber durch die Einführung einer (teil-)entgeltlichen Zuteilung

im Wege einer Versteigerung gezwungen werden, neben bereits bisher

erforderlichen Zukäufen einen weiteren Teil ihrer am Stichtag abzugebenden

Berechtigungen nunmehr entgeltlich zu erwerben.

Dieser (zusätzliche) Eingriff in die Grundrechte der Anlagenbetreiber muss

verfassungsrechtlich gerechtfertigt, insbesondere verhältnismäßig sein. Hierbei sind

vielfältige Aspekte zu berücksichtigen, die von den Mitgliedern der UAG 3 zum Teil

kontrovers diskutiert wurden, insbesondere:

• Klimaschutz als Rechtfertigungsgrund? Führt eine Entgelterhebung/Versteigerung

zu mehr Klimaschutz? Andere Rechtfertigungsgründe?

• Ist das Emissionshandelssystem -jedenfalls für Betreiber von Bestandsanlagen-

nur bei gänzlich kostenloser Zuteilung verhältnismäßig?

• Mehrfachbelastung der Anlagenbetreiber durch 1. Erfüllungsfaktor, 2. anteilige

Kürzung und 3. entgeltlichen Erwerb (Kauf oder Ersteigern) noch zumutbar?

• Möglichkeiten der Kostenwälzung (Kostenweitergabe)? Keine Belastung, wenn

Kosten am Markt (zulässigerweise) weitergegeben werden können?

• Abschätzbarkeit der wirtschaftlichen Auswirkungen einer Versteigerung?

Kommen nur die wirtschaftlich potentesten Auktionsteilnehmer zum Zuge (vgl. die

wirtschaftlichen Auswirkungen der Versteigerung von UMTS-Lizenzen)?

• Erforderlichkeit einer Differenzierung zwischen Altanlagen und Neuanlagen?

Bestands- und Vertrauensschutz insbesondere für Altanlagen?

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5. Zulässigkeit einer sektoralen Differenzierung

Schließlich widmeten sich die Mitglieder der UAG 3 der Frage, ob eine sektorale

Differenzierung bei einer Versteigerung zulässig wäre. Z.B. wäre ein

Zuteilungssystem denkbar (oder vielleicht sogar geboten), in dem nur die

Anlagenbetreiber der Energiewirtschaft teilweise ersteigern müssten?

Ein solches Zuteilungssystem würde zu einer Ungleichbehandlung der

Anlagenbetreiber der Energiewirtschaft mit anderen Anlagenbetreibern führen. Um

nicht willkürlich zu sein, bedürfte diese Ungleichbehandlung gem. Art. 3 GG

wiederum einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung.

Als Kriterien für die Rechtfertigung einer sektoralen Differenzierung haben die

Mitglieder der UAG 3 insbesondere diskutiert:

• Tatsächliche Möglichkeiten weiterer Effizienzverbesserungen und damit

Emissionsverminderungen nach dem Stand der Technik (vgl. Anhang 3 Nr. 3

Emissionshandelsrichtlinie)?

• Möglichkeiten einer (zulässigen) Kostenwälzung am Markt? Berücksichtigung der

jeweiligen Wettbewerbssituation (vgl. Anhang 3 Nr. 11

Emissionshandelsrichtlinie)?

• Gleiche Zuteilungsregeln für gleiche/gleichartige Anlagen und/oder Produkte?

• Differenzierung zwischen Alt- und Neuanlagen innerhalb eines Sektors (vgl.

Anhang 3 Nr. 8 Emissionshandelsrichtlinie)?

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IV. Zulässigkeit von ex-post-Anpassungen nach der Emissionshandelsrichtlinie (2003/87/EG)

Der nationale Allokationsplan für den Zeitraum 2005 – 2007 (NAP I) sowie das

Zuteilungsgesetz 2007 (ZuG 2007) enthalten an verschiedenen Stellen die

Möglichkeit zur nachträglichen Korrektur der Zuteilungsentscheidung (§ 9 Abs. 1 und

4; § 7 Abs. 9; §11 Abs. 5 i.V.m. § 8 Abs. 4; §14 Abs. 5 ZuG 2007). Diese ex-post

Korrekturen wurden von der EU-Kommission in Ihrer Entscheidung über den NAP I

nicht akzeptiert. In Ihrer Mitteilung vom 7. Juli 2004 führt die Kommission aus: „Laut

Kriterium 10 muss die Gesamtmenge der zuzuteilenden Zertifikate an bestehende

Anlagen in dem Plan vor Beginn des Handels festgelegt werden.“ Die Richtlinie sehe

lediglich eine einzige Ausnahme für eine nachträgliche Zuteilung vor (ex-post-

Anpassungen „nach oben“), nämlich im Falle höherer Gewalt (Artikel 29).

Die Deutsche Bundesregierung wehrt sich gegen die Entscheidung der EU-

Kommission mit einem anhängigen Verfahren vor dem Europäischen Gericht 1.

Instanz (EuG) und vertritt die Auffassung, dass die im ZuG 2007 enthaltenen ex-post

Anpassungen zulässig seien. Trotzdem wurde in den bislang vorliegenden

Regelungsentwürfen für die 2. Handelsperiode auf den Gebrauch von nachträglichen

Zuteilungskorrekturen verzichtet.

Vor diesem Hintergrund stellt sich für die UAG 3 die Frage nach der Vereinbarkeit

von ex-post Anpassungen mit der EU-Emissionshandelsrichtlinie und der möglichen

Anwendung dieses Instruments in der 2. Handelsperiode. Hierüber wurde in der Juni-

Sitzung 2006 ausführlich diskutiert.

Die EU-Emissionshandelsrichtlinie trifft keine eindeutige Aussage über die

Zulässigkeit von nachträglichen Korrekturen der Zuteilung. Vielmehr ist dies eine

Frage der Auslegung, insbesondere von Kriterium 10 im Anhang III der

Emissionshandels-Richtlinie. Kriterium 10 bestimmt, dass der Allokationsplan eine

Liste der unter diese Richtlinie fallenden Anlagen unter Angabe der Anzahl der

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Zertifikate enthalten muss, die den einzelnen Anlagen zugeteilt werden sollen. Ein

Vergleich mit der englischen Sprachfassung des Richtlinientextes macht deutlich,

dass damit nur die beabsichtigte und nicht die letzt verbindliche Zuteilung gemeint

sein kann. Außerdem spricht auch Art. 9 Abs. 1 S. 1 der Richtlinie, wonach aus dem

NAP hervorzugehen hat, wie viele Zertifikate die Mitgliedsstaaten insgesamt

zuzuteilen beabsichtigen und wie sie dies zu tun gedenken, für diese Auslegung. Der

Wortlaut der Richtlinie ist insofern offen gegenüber ex-post Anpassungen.

Die EU-Kommission erachtet demgegenüber ex-post Korrekturen insgesamt für nicht

richtlinienkonform, weil dies Kriterium 10 des Anhangs III widerspreche, wonach die

Zahl der Zertifikate für die einzelnen Anlagen im nationalen Zuteilungsplan für den in

Artikel 11 Absatz 1 der Richtlinie genannten Zeitraum ex-ante festzulegen seien.

Diese Entscheidung könne später nicht mehr revidiert werden, und daher sei eine

Neuzuteilung von Zertifikaten nicht möglich.

Über die Frage, ob ex-post Korrekturen nach oben und nach unten zulässig seien,

herrschten in der UAG 3 verschiedene Auffassungen.

Zum einen wurde vorgebracht, dass Sinn und Zweck des Emissionshandels einer

Anpassung in beide Richtungen nicht entgegenstehen würde. Mit dem System soll

der Ausstoß von CO2 verringert werden, damit im Sinne der Klimarahmenkonvention

und des Kyoto-Protokolls eine vom Menschen verursachte Beeinflussung des

Klimasystems verhindert wird. Um dies zu erreichen, müsse aber nur die

Gesamtmenge verfügbarer Zertifikate begrenzt werden. Nachträgliche

Mehrzuteilungen bei einzelnen Anlagen würden die Zielerreichung nicht behindern,

solange sie sich innerhalb der Gesamtmenge halten.

Nach anderer Ansicht seien ex-post Korrekturen ausschließlich nach unten zulässig.

Ex-post Korrekturen „nach oben“ seien bereits nach den Vorgaben der

Emissionshandelsrichtlinie (EH-RL) ausschließlich in den Ausnahmefällen des

Art. 29 EH-RL (höhere Gewalt) zulässig. Darüber hinaus stünden ex-post

Anpassungen im Widerspruch zur möglichst effizienten Emissionsminderung als

wesentlichem Funktionselement des Emissionshandels, da eine permanente

Nachallokation die erwünschten Produktionsverlagerungen auf effizientere Anlagen

verhindere.

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Überwiegend wurde dagegen das von der EU-Kommission postulierte, aus Kriterium

10 abgeleitete absolute Korrekturverbot (mit Ausnahme bei Stilllegungen von

Anlagen) abgelehnt.

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V. Sektorspezifischer Erfüllungsfaktor, Verzicht auf anteilige Kürzung (ZuG 2012) sowie Wachstum bei

Bestandsanlagen

1. Sektorspezifische Erfüllungsfaktoren

Hintergrund der Diskussionen bildeten Überlegungen des Bundesministeriums für

Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU), differenzierte Erfüllungsfaktoren

für Anlagen der öffentlichen Strom- und Wärmeversorgung sowie für Anlagen aus

anderen Sektoren einzuführen. Diesem Ansatz ist das BMU zwischenzeitlich in dem

Nationalen Allokationsplan 2008-2012 vom 28. Juli 2006 gefolgt, indem für die

Tätigkeitsbereiche der Energieumwandlung und -umformung ein Erfüllungsfaktor von

85 % sowie für die Tätigkeitsbereiche der Industrie ein Erfüllungsfaktor von 98,75 %

festgelegt wurde. Diese Differenzierung wurde durch das Zuteilungsgesetz 2012

(Entwurf vom 16.10.2006) in § 5 Absatz 1 übernommen.

Die vorgenommene Differenzierung ruft den allgemeinen Gleichheitssatz des

Artikel 3 Absatz 1 GG auf den Prüfstand. Nach dem Grundsatz der

Rechtssetzungsgleichheit, die aus der allgemeinen Grundrechtsbindung in Artikel 1

Absatz 3 GG folgt, ist auch der Gesetzgeber an den Gleichheitssatz gebunden.

Insofern ist die Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem als Eingriff rechtlich

relevant. Eine wesentliche Gleichheit der unterschiedlich behandelten Sektoren kann

aus dem gemeinsamen Oberbegriff der emissionshandelspflichtigen Tätigkeit im

Sinne des TEHG hergeleitet werden.

Im Weiteren kommt es darauf an, inwieweit die Ungleichbehandlung

verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden kann. Nach den Vorgaben des

Bundesverfassungsgerichts ist Artikel 3 Absatz 1 GG dann verletzt, wenn zwischen

den Vergleichsgruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht

bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten. Insoweit kommt

es darauf an, ob ein Differenzierungsgrund vorhanden ist, der geeignet ist, die

Ungleichbehandlung zu rechtfertigen. Auszugehen ist von einem

Differenzierungsziel, welches als solches verfassungsgemäß sein muss, woran bei

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der vorliegenden Thematik mit dem Ziel des Klimaschutzes kein Zweifel bestehen

kann.

Der Nationale Allokationsplan 2008 bis 2012 sowie die Begründung des

Zuteilungsgesetzes 2012 (Entwurf) führen im Wesentlichen zwei Gründe für die

vorgenommene Differenzierung auf:

• Die unterschiedlichen Erfüllungsfaktoren werden zum einen mit der

Möglichkeit der Stromversorger begründet, die Kosten für den zusätzlichen

Bedarf an Berechtigungen über den Strompreis auf die Stromabnehmer

abzuwälzen. Dies sei gegenüber den Sektoren der Industrie aufgrund des

internationalen Wettbewerbes nicht möglich.

• Des Weiteren bestünden größere technische Minderungspotentiale in der

Energiewirtschaft.

Die Frage, ob die aufgeführten Gründe (bei deren Vorliegen) zur Rechtfertigung der

differenzierten Erfüllungsfaktoren ausreichend sind, wird von der UAG 3 mehrheitlich

bejaht. Dies könne jedoch nur für eine verhältnismäßige Spreizung der in Rede

stehenden Erfüllungsfaktoren gelten. Liegen die beiden Erfüllungsfaktoren daher weit

auseinander, könne die Begründung für eine derart massive Ungleichbehandlung

ungenügend sein.

Die UAG 3 diskutierte des Weiteren die Sonderproblematik von Industriekraftwerken,

die nach den Plänen des BMU ebenfalls dem anspruchsvolleren Erfüllungsfaktor

unterliegen sollen. Dies könne ungerechtfertigt sein, da die Industriekraftwerke zum

Teil ausschließlich der Versorgung unternehmensidentischer Anlagen dienten und

somit das Argument der Möglichkeit einer Einpreisung der Zertifikatepreise nicht

verfange. Andererseits bestünden vergleichbare Minderungspotentiale wie bei

Kraftwerken der öffentlichen Strom- und Wärmeversorgung. Insofern wäre also eine

Anwendung des strengen Erfüllungsfaktors auf industrielle Kraftwerke allenfalls

politisch, nicht aber rechtlich zu kritisieren.

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2. Verzicht auf anteilige Kürzung im ZuG 2012

Den aktuellen Anlass für die Diskussion bildeten Verfahren vor dem

Verwaltungsgericht Berlin, in denen die Zulässigkeit und Höhe der „anteiligen

Kürzung“ des § 4 Absatz 4 ZuG 2007 Verhandlungsgegenstand waren und zu einem

Auflagenbeschluss an die DEHSt führten, gemäß dessen eine Bilanz abgehender

und eingehender Zertifikate zu ziehen sei.

Um zukünftig mehr Rechtssicherheit zu gewährleisten, könne es opportun sein, in

der zweiten Zuteilungsperiode auf das Instrument der anteiligen Kürzung zu

verzichten.

Voraussetzung eines Verzichts auf die anteilige Kürzung sei eine ausreichende

Datengrundlage. Die Daten der Jahre 2000 bis 2002 seien mit Ausnahme solcher für

in das Emissionshandelssystem neu aufzunehmende Tätigkeiten (z.B. „Cracker“)

vorhanden; die Jahre 2003 und 2004 würden durch die zum Zeitpunkt der Sitzung

geplante Datenerhebungsverordnung 2012 erfasst; das Jahr 2005 werde durch die

Berichtspflichten des § 5 TEHG zum 31. März 2006 informatorisch abgedeckt.

Die UAG 3 kommt nach alledem zu dem Ergebnis, dass der Gesetzgeber bei

ausreichender Datenbasis auf die anteilige Kürzung verzichten könnte. Dies sei im

Sinne der Rechtssicherheit begrüßenswert.

Anmerkung: Das ZuG 2012 (Entwurf) enthält keine anteilige Kürzung. Der Verzicht

auf dieses Instrument wird neben der ausreichenden Datenbasis u. a. durch die

Verwendung fixer Benchmarks und Standardauslastungsfaktoren erreicht.

3. Berücksichtigung von Wachstum bei Bestandsanlagen

Das System der historischen Zuteilung bei Bestandsanlagen berücksichtigt bislang

lediglich die historischen Emissionen der für die jeweilige Anlage maßgeblichen

Basisperiode. Ein mögliches Produktionswachstum der Anlage nach der

Basisperiode wird demgegenüber nicht berücksichtigt. Diese Systematik geht auf die

Auffassung der Europäischen Kommission zurück, derzufolge stets eine strenge ex-

ante Betrachtung für die Zuteilung maßgeblich sei. Die Kommission begründet ihre

Sichtweise mit dem in Anhang III der Emissionshandelsrichtlinie aufgeführten

Kriterium, welches dem Plan eine Liste der Anlagen unter Angabe der Anzahl der

Zertifikate, die den einzelnen Anlagen zugeteilt werden sollen, abverlangt.

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Die UAG 3 diskutierte die Frage, ob es dennoch möglich sei, eine Erweiterung der

Produktion zu berücksichtigen, etwa unter dem Gesichtspunkt des Begriffs „neuer

Marktteilnehmer“ über eine Berücksichtigung als „Anlagenerweiterung“. Artikel 3 h)

der Emissionshandelsrichtlinie, in dem der Begriff des neuen Marktteilnehmers

definiert wird, enthält insoweit die Formulierung der „Änderung der Art oder

Funktionsweise oder einer Erweiterung der Anlage“. Der in Rede stehende Fall

lediglich der Produktionserweiterung sei von dieser Formulierung allerdings wohl

nicht erfasst.

Die insoweit unterschiedliche Behandlung von Produktionserweiterung und

Kapazitätserweiterung, welche in § 11 Absatz 6 ZuG 2007 Berücksichtigung findet,

sei im Übrigen dadurch zu rechtfertigen, dass mit einer Kapazitätserweiterung

regelmäßig die Verbesserung der Effizienz einhergehe; des Weiteren solle sie den

Marktzugang gewährleisten – dieses Argument stehe bei der reinen

Produktionsausweitung nicht im Vordergrund.

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VI. Aktuelle Rechtsfragen zum NAP II

Im April 2006 wurde seitens des BMU ein erster NAP II-Entwurf veröffentlicht. Die

UAG 3 hat in ihrer Sitzung im Mai 2006 verschiedene Rechtsfragen erörtert, die sich

aus diesem Entwurf ergeben.

1. Erfüllungsfaktor

Der NAP-Entwurf sah unterschiedliche Erfüllungsfaktoren vor. Für Anlagen der

Energiewirtschaft war ein Erfüllungsfaktor von 0,85 vorgegeben, für Industrieanlagen

sowie Anlagen, die Strom im KWK-Betrieb produzieren einen Erfüllungsfaktor von

0,9875. Der geringe Erfüllungsfaktor für den Industriebereich erfolgte vor dem

Hintergrund des hohen Anteils der prozessbedingten Emissionen im produzierenden

Gewerbe. Die prozessbedingten Emissionen im Industriebereich sollten folglich

durch Anwendung eines niedrigen und pauschalen Erfüllungsfaktors privilegiert

werden, im Gegenzug fiele dafür eine Sonderzuteilungsregel für prozessbedingte

Emissionen weg.

Der NAP II-Entwurf verwies allerdings auch darauf, dass erst nach Vorlage aller

erforderlichen Daten eine endgültige Berechnung des Faktors erfolgen kann.

Die UAG 3 diskutierte in diesem Zusammenhang die Zuordnung von Anlagen zu den

verschiedenen Erfüllungsfaktoren. Im Blick waren dabei insbesondere Kraftwerke,

die hauptsächlich Industrieanlagen dienen. In Fortführung der Vollzugspraxis der

DEHSt dürfte auch die Zuordnung zu den Erfüllungsfaktoren von der jeweiligen

immissionsschutzrechtlichen Genehmigungslage abhängen. Das bedeutet, dass

selbstständig genehmigte Kraftwerke, die Industrieanlagen zuliefern, gleichwohl

einen strengen Erfüllungsfaktor von 85 % erhalten werden. Wenn sie dagegen als

Nebeneinrichtung einer Industrieanlage mitgenehmigt sind, teilen sie das Schicksal

dieser Hauptanlage und unterliegen dann dem günstigeren Erfüllungsfaktor für

Industrieanlagen. Insofern konnte hier auf die Ergebnisse einer früheren Sitzung der

UAG 3 zum Anlagenbegriff im Emissionshandel Bezug genommen werden (Kap. 1).

Danach knüpft der Anlagenbegriff im Emissionshandelsrecht an den Anlagenbegriff

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des BImSchG an. Diese Rechtslage erscheint als hinreichend geklärt,

Unstimmigkeiten im Einzelfall sind im Zusammenspiel zwischen BImSchG und TEHG

weitgehend bereinigt. Fortbestehende Vollzugsprobleme können und sollten von den

zuständigen Behörden durch eine entsprechende Anpassung der

immissionsschutzrechtlichen Genehmigung gelöst werden. Daher besteht auch

hinsichtlich der Anwendung unterschiedlicher Erfüllungsfaktoren für die Betreiber die

Möglichkeit, die Genehmigungssituation zu bereinigen, sofern Kraftwerke

entsprechend der Vorgaben der 4. BImSchV eine Nebeneinrichtung der Hauptanlage

darstellen. Die Anlagenbetreiber dürften für diese genehmigungsrechtliche

Bereinigung hinreichend Zeit haben. Dies gilt allerdings nicht, sofern die industrielle

Haupttätigkeit selbst nicht emissionshandelspflichtig ist.

Für die Fälle, in denen die selbstständige Genehmigung eines Kraftwerkes Ausfluss

der rechtlichen Vorgaben des BImSchG ist, stellte sich der UAG 3 allerdings

weiterhin die Frage der Zweckmäßigkeit und Sinn einer Differenzierung der

Erfüllungsfaktoren insbesondere für Dampferzeugungsanlagen. So wurden bei

Dampfkesseln für die Verwertung von Reststoffen und zur Erzeugung von

Prozessdampf für die Produktion kaum Emissionsminderungspotenziale erkannt, die

mit einem strengen Erfüllungsfaktor erreicht würden. Auch greife hier, anders als bei

großen Energieanlagen, die Debatte hinsichtlich der Einpreisung des Wertes der

Berechtigungen als Opportunitätskosten nicht im gleichen Maße durch. Daher wurde

diskutiert, zumindest bei Kraftwerken zur Erzeugung von Prozessdampf ähnlich wie

bei Anlagen im KWK-Betrieb den reduzierten Erfüllungsfaktor für Industrieanlagen

anzuwenden.

2. Fortführung von Zuteilungsregeln

Die im NAP II-Entwurf vorgesehenen Zuteilungsregeln für die nächste

Zuteilungsperiode formulieren im Vergleich zu alten Zuteilungsregeln teilweise

andere Tatbestandsmerkmale. Insbesondere ist für Anlagen nach § 8 ZuG 2007

(Inbetriebnahme 2003/2004) sowie für Neuanlagen nach § 11 ZuG 2007 keine

individuelle Auslastungsprognose mehr vorgesehen, stattdessen gibt der NAP II-

Entwurf standardisierte Auslastungsfaktoren vor. Fraglich war hierbei, ob diese

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Abweichung vor dem Hintergrund eines etwaigen Vertrauensschutzes rechtlich

zulässig ist. Relevant wird diese Frage bei Bestandsanlagen mit Inbetriebnahme ab

2003, bei denen durch den Standardauslastungsfaktor eine niedrigere Auslastung

bei der Zuteilung zu Grunde gelegt wird als im Rahmen der bereits erfolgten

Zuteilung.

In Bezug auf die Zuteilung nach § 11 ZuG 2007 ging es dem Gesetzgeber um

Investitionssicherheit für neue Anlagen. Da keine belastbaren Auslastungszahlen für

Neuanlagen vorhanden waren, hatte § 11 ZuG 2007 in Verbindung mit § 12 Abs. 5

und 6 ZuV 2007 eine vom Betreiber abzugebende individuelle Prognose für die

Anlage vorgesehen. Daraus muss sich allerdings nicht zwangsläufig ein Vertrauen

auf Aufrechterhaltung dieser Prognose ergeben, da der Gesetzgeber mit § 11 Abs. 5

i.V.m. § 8 Abs. 4 ZuG 2007 die nachträgliche Überprüfung und Anpassung der

Prognose vorsieht (sog. ex-post Kontrolle). Ein Vertrauen auf Zuteilung von

Berechtigungen auf Basis bloßer Auslastungsprognosen ergibt sich daraus jedenfalls

nicht zwangsläufig. Im Übrigen würde sich das Problem lediglich dann stellen, wenn

im Einzelfall tatsächlich die Standardauslastung geringer ist als die tatsächliche

Auslastung. Auch dann wäre fraglich, ob in Bezug auf die gegenwärtigen

Zuteilungsregeln ein schutzwürdiges Vertrauen bei den Betreibern vorhanden ist, da

dieses nicht nur eine individuelle Erwartungshaltung, sondern tatsächlich im

Vertrauen vollzogene Dispositionen voraussetzt.

In Bezug auf Anlagen nach § 8 ZuG 2007 spricht gegen einen Vertrauensschutz,

dass hier lediglich die Nichtanwendung eines Erfüllungsfaktors in Aussicht gestellt

wurde, nicht aber eine Zuteilung auf Grund bestimmter Auslastungszahlen. Es ist

daher fraglich, ob sich daraus in genereller Weise ein Vertrauen auf eine bestimmte

Zuteilungsmenge ableiten lässt.

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3. Einstellung des Anlagenbetriebs

Immissionsschutzrechtlich genehmigte Anlagen dürfen im Regelfall auch nach

vorübergehender Betriebseinstellung weiter betrieben werden. § 18 Abs. 1 Nr. 2

BImSchG sieht vor, dass die Genehmigung erst dann erlischt, wenn eine Anlage

während eines Zeitraumes von mehr als 3 Jahren nicht mehr betrieben wurde.

Dieser „Scheinbetrieb (faktische Stilllegung“) kann vor Ablauf der drei Jahre dazu

führen, dass auch nicht mehr betriebene Anlagen eine Zuteilung erhalten und

dadurch Überallokationen hervorgerufen werden. Um dem zu entgegnen, sah der

NAP II-Entwurf vor, dass Anlagen keine Zuteilung erhalten, wenn sie im Durchschnitt

der Jahre 2005 und 2006 produktionsbedingt weniger als 20 % der

durchschnittlichen Emissionsmenge der Jahre 2000 - 2004 emittiert haben. Dies

könnte bei Anlagen, die nicht gewollt in Kaltreserve gestellt sind, sondern lediglich

konjunkturbedingt oder aus sonstigen Gründen eine geringe Produktionsmenge in

den letzten 2 Jahren aufweisen, zu teils erheblichen Nachteilen führen, wenn die

Anlage in Zukunft wieder den vollen Betrieb aufnimmt. Diese Anlage würde dann

keine Zuteilung erhalten, obwohl sie weiterhin abgabepflichtig bliebe. Zum Auffangen

derartiger Einzelfälle schlug die UAG 3 eine entsprechende Härtefallklausel vor.

4. Reserveregelung

Der NAP II-Entwurf sah ferner vor, dass ein Anteil an der Reserve der Abdeckung

der durch die Administration des Emissionshandels entstehenden Systemkosten

vorbehalten bleibt. In diesem Zusammenhang wurde von der UAG 3 die Frage der

möglichen Reichweite einer Auktion vor dem Hintergrund dieses Zieles diskutiert.

Allerdings war der NAP II-Entwurf zu pauschal, um hier bereits konkrete rechtliche

Fragestellungen zu erörtern.

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VII. Zuteilung für Neuanlagen und Vertrauensschutz

Im Rahmen der November-Sitzung 2006 thematisierte die UAG 3 die Zuteilung für

Neuanlagen und Vertrauensschutz. Die Neuanlagenregelung des ZuG-Entwurf 2012

sieht eine kostenlose Zuteilung ohne Erfüllungsfaktor aufgrund von Benchmarks über

14 Jahre vor. Rechtlich zu bewerten war die Frage, inwiefern die Zuteilung ohne

Erfüllungsfaktor einer Veränderung der Zuteilungssystematik, zum Beispiel

„Zuteilung“ durch Versteigerung, besonders aus Sicht des Vertrauensschutzes

entgegensteht.

Da ein Erfüllungsfaktor nur im Falle einer kostenlosen Zuteilung in einer späteren

Zuteilungsperiode, beispielsweise im ZuG 2017, sinnvoll ist, würde eine Umstellung

auf eine vollständige Versteigerung bedeuten, dass diese Zusage keine Rechte

begründen würde.

Zusätzlich stellt § 14 ZuG-Entwurf 2012 klar, dass einem zukünftigen Wechsel der

Zuteilungsmethode nichts entgegensteht. Da der Begriff der Zuteilungsmethode offen

ist, hat der Gesetzgeber einen großen Spielraum die Zusage in §11 ZuG-Entwurf

2012 auszuhebeln. Demzufolge gibt es für die Anlagenbetreiber keinen echten

Vertrauensschutz aufgrund § 11 ZuG-Entwurf 2012.

Anders verhält es sich bei § 11 ZuG 2007, weil eine Zuteilung gemäß diesen

Vorschriften ggf. einen weiterreichenden Vertrauensschutz bietet.

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VIII. Themenausblick für 2007

Durch die UAG 3 als zu begeleitende und bearbeitende Themen für 2007 wurden

folgende Bereiche herausgestellt:

• Gesetzgebungsverfahrens des ZuG 2012,

• TEHG- Änderungen sowie die der ZuV 2012,

• Begleitung der Umsetzung des ZuG 2012 und der ZuV 2012,

• Begleitung des Zuteilungsverfahrens für 2008-2012,

• Begleitung des EuG-Urteils zur Zulässigkeit der ex-post Korrektur (aus der

Handelsperiode 2005-2007),

• Überleitung von Periodenübergreifenden Zuteilungsregeln von der 2. auf die

3. Handelsperiode,

• Einfluss des Umweltgesetzbuchs auf den Emissionshandel,

• finanzverfassungsrechtliche Anforderungen an die Ausgestaltung einer

Versteigerung,

• Vorschläge der EU- Kommission zur Weiterentwicklung des Emissionshandels

und zur Emissionshandelsrichtlinienrevision.

UAG 3 im Januar 2007