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Arbeitstechnik Kontrolle
schul-management (21. Jg.) H. 2/1990
Kontrolle ist zuerst und zuletzt eine Sache der Einstellung. Daher ist es
mit Arbeitstechniken allein nicht getan. Denn Kontrolle gilt als Reizwort für
jeden selbständig denkenden und arbeitenden Menschen. Das trifft auch
für Lehrer zu, die im Laufe einer einzigen Unterrichtsstunde ca. 150
pädagogische Entscheidungen selbständig und ohne Kontrolle fallen
müssen. Schulleiter und Lehrer gehören zu den Führungskräften der
Gesellschaft. Wie soll man also gerade bei ihnen Kontrolle für sinnvoll
halten können? Wer soll sie kompetent kontrollieren können? Und was
wäre hier zu kontrollieren? Gibt es demnach überhaupt „eine"
Arbeitstechnik der Kontrolle? Wissen Lehrer nicht selbst, was notwendig
ist, was sie tun und lassen müssen?
Sie wissen es. Zudem ist die Schule einem lebendigen Organismus
vergleichbar, der sich nach immanenten Gesetzen selbst kontrolliert, wie
der menschliche Körper mit seinen Gliedern.
Nun ist die Schule aber zugleich auch eine Organisation. Anders als ein
Organismus braucht und besitzt die Organisation nicht nur natürliche bzw.
individuelle, sondern rationalisierte Kontrollfunktionen; sie werden von
Gremien oder einzelnen Personen (z.B. Schulleiter, Fachleiter) ausgeübt.
Jede der beiden „Bedeutungen" von Schule - Organismus und Organisation
- schließt ein, daß Gesetzmäßigkeiten gelten. Die (Mit)Glieder unterliegen
Regeln — und folgen ihnen.
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Zu den Organisationsregeln gehört die Kontrolle als dem letzten Schritt im
Management-Kreis, der zugleich wieder den Anfang neuer
Kommunikationen ermöglicht (vgl. Abb. 1).
Organisationen dienen bestimmten Zielen; ein Organismus genügt sich
selbst und will allenfalls überleben. Gilt das vielleicht auch für diese oder
jene Schule - nur überleben?
Zur Schule gehörte schon immer auch Kontrolle. Das praktizieren alle
Lehrer tagtäglich: als Verstehenskontrolle, als Aufgabenkontrolle, als
Verhaltenskontrolle usw. Lehrer kontrollieren nicht etwa deswegen, weil
sie sich nicht auf Schüler verlassen könnten, sondern weil auch ihr
Unterricht bestimmte Ziele erreichen soll: Kognitive Ziele, Handlungsziele,
Verhaltensziele, Erziehungsziele usw. Wer sich etwas vornimmt, schaut
auch nach, was er denn wirklich erreicht hat.
Es bedarf also keiner weiteren ausdrücklichen Begründung der
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Notwendigkeit von Kontrolle. Sie versteht sich von selbst, ist
„selbstverständlich". Immer wenn Ziele erreicht werden sollen, gehört
die Zwillingsschwester der Zielsetzung — die Kontrolle — dazu. Um so
aufmerksamer sind die Abwehrreaktionen von Kolleginnen/Kollegen
gegen jede Art von Kontrolle zu beachten: Sie kontrollieren zwar
selbst, wollen aber nicht kontrolliert werden. Wie kommt das?
Mancherlei Gründe rechtfertigen das Mißtrauen gegen Kontrolle: es
liegen beispielsweise häufig Erfahrungen mit Fehlformen der
Kontrolle vor; oder die Kontrollierenden kennen nicht
Voraussetzungen und Instrumente einer vernünftigen und ange-
messenen Kontrolle; oder es wurden persönliche und sachliche
Kontrolle vermischt. Der Widerstand gegen Kontrolle kann viele
Gründe haben; gewiß zählen auch eigene Schwächen dazu.
Daher gehört ein Grundsatz an den Anfang der Arbeitstechnik Kontrolle:
Wenn Kontrollen an einer Schule systematisch und effektiv
durchgeführt werden sollen, dann müssen ihre Formen und Methoden
allen Kollegen bekannt sein. Außerdem muß der Nutzen jeglicher
Kontrolle einsichtig gemacht worden sein. Gerade weil Kontrolle nicht
begründet wurde, weil ihr Sinn nicht einsichtig ist, weil ihr Nutzen
unklar blieb, kommt es zu menschlichen und sachlichen Pannen bei
der Arbeitstechnik Kontrolle in der Schule.
Zunächst ist eine Unterscheidung zwischen Qualitätskontrolle und
Organisationskontrolle am Platze: Eine Art Qualitätskontrolle
beaufsichtigt den regulären Unterricht sowie die Erziehungsarbeit des
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Lehrers. Regelmäßige Unterrichtsbesuche gehören zu den Aufgaben
jedes Schulleiters. Zur Beobachtung und Bewertung von
Unterrichtsstunden gibt es ausreichend Hinweise oder „Richtlinien"1
,
so daß wir hier nicht näher darauf eingehen müssen.
Daneben steht die Organisationskontrolle, die sich als Teil des
Schulmanagements auf organisatorische Arbeits-Abläufe richtet. Jeder
Lehrer ist ja auch Mitglied der Organisation Schule: zum Beispiel erfüllt
er Sonderfunktionen als Fachberater, Seminarleiter, Sammlungsverwal-
ter, bei der Vertretungsorganisation, Stundenplan-kontrolle oder -
revision usw.; er ist Mitglied des Kollegiums, das heißt zum Beispiel,
Teilnehmer an einer Schulkonferenz; außerdem vertritt er die Schule bei
Elternabenden auch nach außen.
Mit der Organisationskontrolle wollen wir uns hier beschäftigen.
Allerdings ist es nicht möglich, allgemeingültige Rezepte zu empfehlen;
denn Kontrolle berührt in besonderer Weise menschliche Eigenheiten
von Führungskräften. Ziel dieses Beitrages ist daher eher, einen
Orientierungsrahmen abzustecken.
In allen Arten und Formen der Kontrolle sind sensible Fragen der
Personalführung angesprochen. Das macht Kontrolle schwierig;
anregende Arbeitstechniken sind gefragt. Weil Kontrolle sinnvoll und in
einer Organisation auch notwendig ist - denn es geht um die Realisation
von Zielen - , kann sich kein Schulleiter aus der Verantwortung für
Kontrolle davonstehlen und es einfach so laufen lassen wie es gerade
kommt.
Beispiel aus einem Schulmanagement-Seminar
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sehr gut: Schulleiter-Handbuch Band 31: Der Schulleiter als didaktisch-pädagogischer Berater. SL Verlag Braunschweig 1984
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Ein Kollege berichtet: An einer großen Schule werde ich mit der
Fachbetreuung betraut. Eine Kollegin meines Faches ist häufig krank,
kommt gewohnheitsmäßig zu spät, erledigt nicht termingerecht ihre
Aufgaben (z. B. größte Verzögerungen bei der Vorlage der S. A.). Ich habe
die Aufgabe, auf Ordnung in meinem Fach zu schauen. Es kommt zu
erregten Reaktionen bei „Ermahnungen", große Heftigkeit. Andererseits
leidet sie unter dem Mangel an Anerkennung, es schmerzt sie die
Tüchtigkeit anderer Mitglieder der Fachschaft. An „guten" Tagen ist sie
dann wieder aufdringlich „süß, liebevoll und zärtlich".
Das Beispiel zeigt: Ohne Kontrolle wären die Mängel nicht erkennbar
geworden. Der Fachbetreuer nimmt seine Sache menschlich ernst, das ist
eine wichtige Voraussetzung jeder, Kontrolle. Er kontrolliert Sachverhalte,
Verhalten und Ereignisse, nicht einen Menschen mit seinem Charakter, für den
er ja nichts kann.
Mit der Fallbeschreibung war auch ein Lösungsvorschlag gefordert; er lautete:
„Ertragen (bis Ende der Dienstzeit!)." Der Kollege hat also resigniert. Warum?
Es fehlten ihm Arbeitstechniken der Kontrolle, deshalb lief der „Fall" auch
emotional aus dem Ruder.
Mit der Kollegin sollten überschaubare, für sie kurzfristig erreichbare Ziele
vereinbart werden, beispielsweise die Übernahme kleinerer Aufgaben für die
Fachgruppe. Ein Einstieg in eine konsequente Kontrolle ist Lob, auch wenn es
nur kleinere Erfolge sind, die beobachtet werden können. Die häufige
Krankheit der Kollegin hat offensichtlich auch psychosoziale Gründe (z. B. der
Mangel an Anerkennung). Dabei gibt es bei jedem Menschen etwas zu loben,
eine alte, noch immer richtige Regel auch in der Führungspraxis eines
Fachleiters.
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Arbeitstechniken für die Kontrolle
Kontrolle nur mit klaren Zielvereinbarungen!
Der berichtende Kollege hatte nur einen Teil der Erfahrungen wiedergegeben.
Es waren Mängel auf sehr verschiedenen Tätigkeitsfeldern der Kollegin
auszumachen: Krankheit, Unpünktlichkeit, Verzögerungen... Hier hilft: Eins
nach dem ändern angehen. Sie muß wissen:
O Was soll ich zunächst zu ändern versuchen?
O Wieviel soll ich im einzelnen tun?
O Wann oder in welcher Zeit soll ich es tun?
Also: Ziele unbedingt vereinbaren!
Was wollen und was können wir erreichen? Nicht alles auf einmal! Das Drin-
gendste zuerst, also hier die Schularbeiten, danach Pünktlichkeit usw. Wer
Kontrolle ohne Ziele ausübt, kommt zu keinem Erfolg, dem wird Anerkennung
versagt, der versagt auch in seiner Führungsfunktion als Schulleiter.
Aber über die Ziele muß man reden, man muß sie auch werten, ihren Sinn
bzw. ihre Notwendigkeit einsehen können. Es gibt Ziele, die nur gemeinsam
gefunden werden können. Es gibt aber auch Ziele, die um eines geordneten
Schulbetriebs willen einfach erfüllt werden müssen, dazu gehört die
Pünktlichkeit von Schülern und (!) Lehrern.
Es gibt individuelle Ziele für einzelne Kollegen wie in unserem Beispiel. Das re-
gelmäßige Mitarbeitergespräch legt dann die Ziele fest, und in einem Vier-
Augen-Gespräch werden diese Ziele auch kontrolliert. Außerdem lassen sich
Ziele für Lehrergruppen vereinbaren (z. B. alle Bio-Lehrer). Solche Ziele werden
gemeinsam festgelegt, aber von einem kontrolliert. Gruppenkontrollen
gelingen zu selten, als daß man sie empfehlen könnte.
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Denn jeder Kontrollvorgang besteht aus drei Schritten:
Erster Schritt: Ergebnisse feststellen; dafür muß eine Zielsetzung die Kriterien
enthalten.
Zweiter Schritt: Ergebnisse mit dem Ziel vergleichen. Was wurde erreicht?
Dritter Schritt: Defizite ermitteln und daraus neue Ziele ableiten.
Kontrolle bedeutet also nichts andere als der Vergleich eines Solls mit einem Ist.
Das ist ein durch und durch sachlicher Vorgang, der allerdings leicht ins
Persönliche umschlagen kann.
Der Kontrollierende muß daher auf unbedingte Sachlichkeit drängen, denn es
geht nicht um persönliches Versagen, sondern um das nur teilweise Erreichen
von Zielen. Alles Emotionale wird durch ständige Hinweise auf neue
Möglichkeiten und Chancen aufgefangen. Dabei ist der Schulleiter durchaus
beratender Pädagoge; er leitet dazu an, Ziele zu erreichen, eröffnet Chancen,
zeigt Wege, empfiehlt Mittel und stellt unter anderem fest, was schon gut
gelungen ist und dann erst, was noch verbessert werden soll.
Bei der Zielsetzung Kontrolltermine vereinbaren!
So kann sich die Kollegin kleine Schritte vornehmen und weiß auch, wann sie
dran ist. Denn Kontrolle darf nicht beliebig, nicht „spontan" oder willkürlich
erfolgen, heute wird dies ein andermal anderes kontrolliert.
Kontrollmethoden vorher klären!
Die Kollegin muß wissen, mit welchem Mittel sie kontrolliert wird (z. B. Vorlage
der Arbeiten selbst oder nur der Notenlisten oder schriftliche und mündliche
Noten oder nur eins von beiden usw.). Für die Pünktlichkeit der Kollegin dürfte
die Uhr der Schule das einfachste Mittel sein.
Zusammenhang der Kontrollbereiche herstellen!
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Man muß zwar bei der Kontrolle individuell nach den vereinbarten Zielen verfah-
ren. Aber kein Kollege darf das Gefühl bekommen: „... der hat mich
besonders im Visier, während er bei dem Kollegen XY alles durchgehen läßt."
Gerechtigkeit ist also ebenso wichtig wie Klarheit der Methoden und der Ziele.
Zwar soll jede Kontrolle das Ganze im Auge haben, aber Vergleiche sind
unbedingt zu vermeiden. „Der Kollege XY macht das aber viel besser und
hat schon das und das geschafft..."
Solch ein Satz motiviert nicht, sondern ruft Ärger hervor, und der ist die schlech-
teste Voraussetzung für neue Aktivitäten. Es ist wie im Unterricht: der
schwächere Schüler braucht besonders sensible Berater.
Kontrolle läßt sich nicht delegieren
Wer die Ziele vereinbart hat, der soll auch die Soll-Ist-Vergleiche durchführen.
Sonst kommt es leicht zu Mißverständnissen über das, was man sich
vorgenommen hatte. Der Vorwurf der Inkompetenz ist dann berechtigt. In
größeren Schulsystemen lassen sich die Kontrollbereiche auf verschiedene
Personen verteilen, in kleinen Kollegien ist der Schulleiter mit Kontrolle und
Zielvereinbarung allein verantwortlich.
Wer andere kontrolliert, muß auch sich selbst kontrollieren.
Nur eine systematische Selbstkontrolle verhindert psychologische Fixierungen.
Wer seine Arbeit ernst nimmt, gerät leicht in die Gefahr von Ticks, auf die er
sich festgelegt fühlt. Kontrolle soll menschlich sein, das bedeutet: sie soll flexibel
gehandhabt werden und stets auf die Sache und auf die Kollegin bzw. den
Kollegen bezogen sein. Hierbei hilft das in Abb. 2 vorgestellte Merkblatt.
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Hilfsmittel der Kontrolle - Kontrollfunktionen klären!
Der Schulleiter kann und muß nicht alles selbst kontrollieren. Helfen können
Konrektor, Fachberater, Fachleiter usw. Aber es muß eine Übersicht über die zu
kontrollierenden Bereiche vorliegen.
Kontrolle läßt sich nur im Zusammenhang mit der vereinbarten Zielsetzung
durchführen. Deshalb: Wer kontrolliert, soll zuvor die Ziele vereinbart haben
und umgekehrt: Wer Ziele vereinbart, muß auch kontrollieren. Hier hilft eine
Tabelle, die wie Abbildung 3 aussehen könnte.
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Kontrolle stets vorbereiten!
Zu einer guten Kontrolle gehört eine sorgsame Vorbereitung: Was hatten wir
vereinbart, ist der Termin für die Kontrolle richtig gewählt? Sind die Mittel der
Kontrolle klar usw. Es helfen dabei
Der Terminkalender:
Damit man jederzeit eine Übersicht über die zu kontrollierenden Bereiche hat,
sind im Terminkalender für ein Jahr im voraus die vereinbarten Zeitpunkte
vermerkt.
Geordnete Notizen:
Sie sollen für den Kontrollierten (jederzeit) einsehbar sein. Nach
Sachgebieten oder Personen gegliedert. Nicht „Geheimakten" führen, das
würde Kontrolle nur verdächtig machen, als ob es lediglich um Machtausübung
ginge, was nicht im Interesse eines Schulleiters liegen kann.
Zusammenfassung
O Kontrolle ist eine Sache der Einstellung zu Kollegen.
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O Kontrolle setzt Ziele voraus, sonst ist sie beliebig.
O Kontrolle dient Menschen, nicht der Machtausübung.
O Kontrolle ist Hilfe.
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Dr. Dietrich von Heymann (Jg. 1935)
ist Professor an der PH in Freiburg;
aus seiner Tätigkeit als Leiter einer
Internatsschule kennt er die Probleme der Schule.