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Aus der Klinik für Diabetes und Stoffwechselkrankheiten
(Direktor: Prof. Dr. med. W. Kerner)
des Klinikum Karlsburg, Herz- und Diabeteszentrum Mecklenburg Vorpommern und
Akademisches Lehrkrankenhaus der Medizinischen Fakultät der
Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald
Thema: „Der Einfluss des Diagnosealters und weiterer Risikofaktoren auf die
Entwicklung der diabetischen Retinopathie beim Typ 1 und 2 Diabetes.“
Inaugural-Dissertation
zur
Erlangung des akademischen
Grades
Doktor der Medizin
(Dr. med.)
der
Medizinischen Fakultät
der
Ernst-Moritz-Arndt-Universität
Greifswald
2003
vorgelegt von:
Dipl.-Med. Verena Brux-Lischke
geb. am 15.02.1964
in Cottbus
Dekan: Prof. Dr. rer. nat. Kroemer
1. Gutachter: Pro. Dr. St. Clemens
2. Gutachter: Pro. Dr. W. Kerner
3. Gutachter: Pro. Dr. H. Laqua
Ort, Raum: Hörsaal der Universitäts-Augenklinik Greifswald
Tag der Disputation: 19. November 2003
Inhaltsverzeichnis
Seite
1. Einleitung 1
1.1. Häufigkeit und Ursachen der Erblindungen 1 1.2. Epidemiologie der Retinopathie beim Typ 1 und 2 Diabetes 4
1.3. Pathogenese 7
1.4. Stadieneinteilung der Retinopathie 11
1.5. Risikofaktoren 15
1.6. Prävention und Therapie 20
2. Zielstellungen der Studie 34
3. Material und Methoden 35
3.1. Patientengut 35 3.2. Parameter 36
3.3. Studiendesign 39 3.4. Statistik 40
4. Ergebnisse 42
4.1. Frequenz der Retinopathie beim Typ 1 und 2 Diabetes in Abhängigkeit
vom Manifestationsalter und von der Diabetesdauer 42
4.2. Einfluss von Manifestationsalter und Diabetesdauer auf die Retinopathie- frequenz, analysiert mittels logistischer Regression 46
4.3. Frequenz von kardiovaskulären Risikofaktoren sowie mikro- und makroangiopathischen Komplikationen in Relation zum Diabetestyp 47
4.4. Resultate der Cox-Regressionsanalyse zum Einfluß von Risikovariablen auf die Erkrankungswahrscheinlichkeit an Retinopathie 49
4.5. Ergebnisse der Fall-Kontroll-Studie 57
5. Diskussion 58
5.1. Studiendesign 58
5.2. Rolle und Einfluss der Risikovariablen auf die Inzidenz und Prävalenz der diabetischen Retinopathie 59
6. Zusammenfassung 65
7. Anhang 68
8. Literaturverzeichnis 77
1
1. Einleitung
Diabetes mellitus stellt nach wie vor die am häufigsten zur Erblindung führende
Systemerkrankung und die häufigste Erblindungsursache bei Patienten im
erwerbsfähigen Alter zwischen 25 und 65 Jahren dar. Die zunehmende
Erblindungsinzidenz beruht auf der höheren Lebenserwartung der Patienten und der
häufigen Vererbung der Erkrankung (Thompson [111]). Trotz der Fortschritte in der
Therapie der Typ 1 und 2 Diabetiker ist die Prognose dieser Patienten immer noch
durch eine gesteigerte Morbidität und Mortalität durch das Auftreten
mikroangiopathischer Komplikationen an den Nieren, der Retina und dem
Nervensystem gekennzeichnet. Eine primäre Prävention impliziert die lebenslange
Beseitigung der Hyperglykämie bzw. die Erfassung des beginnenden
Entwicklungsprozesses der Mikroangiopathie vor dem "point of no return" der
strukturellen Veränderungen an den Kapillaren und Nervenfasern. Dies ist heute
weder therapeutisch noch diagnostisch realisierbar. Die sekundäre Intervention bei
klinisch manifesten Stadien der Mikroangiopathie ist Realität.
1.1. Häufigkeit und Ursachen der Erblindungen
Die diabetische Retinopathie steht in den Industrieländern an der Spitze der
Blindenstatistiken und ist der weitaus häufigste Grund für eine Erblindung im Alter
zwischen 20 und 65 Jahren (Kahn and Bradley [50]). Im Jahr 1999 startete die
Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine weltumspannende Initiative zur
Bekämpfung vermeidbarer Erblindungen. Im Zuge ihrer Kampagne Vision 2020:
„The Right to Sight“ nimmt die WHO das wachsende Problem von Erblindung und
Sehbeeinträchtigung weltweit in Angriff. Laut WHO können 80% der Erblindungen
durch Vorbeugung, Kontrolle und geeignete Behandlungsstrategien verhindert
2
werden (Anthony [4]). Die von der WHO ermittelten und publizierten Daten zeigen
einen Anstieg der Blindheit global von unter 30 Millionen im Jahr 1978 auf über 40
Millionen im Jahr 1998, und ein weiterer jährlicher Anstieg um 1 bis 2 Millionen ist
prognostiziert. Für alle Menschen besteht das Risiko zu erblinden, unabhängig von
ihrem Wohlstand, ihrer genetischen Vorbelastung oder ihrem Wohnort. Vision 2020
hat fünf Erkrankungen die höchste Prioritätsstufe zuerkannt (s. Abb. 1).
Abb. 1: Erblindungsursachen (weltweit nach WHO-Bericht 1998, Anthony [4]).
Die angegebenen Daten beziehen sich auf eine Sehschärfe von weniger als 0,05 am
besseren Auge (WHO-Kategorie der Blindheit).
Die diabetische Retinopathie steht in den Industrieländern an der Spitze der
Blindenstatistiken. Das Erblindungsrisiko ist bei Diabetikern 25mal höher als bei
Nichtdiabetikern und schätzungsweise 40.000 Patienten weltweit erblinden jährlich
durch diabetesbedingte Augenveränderungen (Krumpaszky et Klauß [71]).
3
Im deutschsprachigen Raum wurden von staatlicher Seite schon Mitte des letzten
Jahrhunderts erste Blindenzählungen durchgeführt. Diese lange Tradition ermöglicht
es, mit Einschränkungen, eine Entwicklung der Erblindungshäufigkeit in der
Bevölkerung über 100 Jahre für Deutschland darzustellen (s. Abb.2).
Abb. 2: Prävalenz von Blindheit pro 100 000 Einwohner in Deutschland
(Krumpaszky et Klauß [72]).
Tab. 1 demonstriert den Anteil der wichtigsten Erblindungsursachen in Deutschland
(Erb und Flammer [28]).
Tab. 1: Erblindungsursachen in Deutschland.
Ursache Deutschland in %
Katarakt <5
Glaukom 15
Diabetische Retinopathie 5-7
Makuladegeneration 15-20
Trauma 1
4
Der Schweregrad der diabetischen Retinopathie ist auch signifikanter Risikoindikator
für den Tod, denn bei Blindheit im Sinne des Gesetzes überleben nur 18% der
Patienten fünf Jahre (Klein et al [59]).
1.2. Epidemiologie der Retinopathie beim Typ 1 und 2 Diabetes
Die Überprüfung des in der St.-Vincent-Declaration der WHO (Braun et al [10])
formulierten Ziels, in den nächsten Jahren die Inzidenz diabetischer
Folgekomplikationen an Auge, Niere und Gefäßsystem wesentlich zu verringern,
setzt eine kontinuierliche Datenerhebung voraus. Neben populationsbezogenen
epidemiologischen Untersuchungen gewinnen hierbei auch lokale,
zentrumsbezogene Datenerhebungen für die interne Qualitätssicherung eines
Zentrums Bedeutung. Bei der größten zu dieser Thematik durchgeführten
Populationsuntersuchung in Wisconsin betrug der Prozentsatz visuseingeschränkter
Patienten (20/40 oder schlechter im besseren Auge) bei Typ 2 Diabetikern mit
Insulinbehandlung 18,4%, bei Typ 2 Diabetikern ohne Insulinbehandlung 12,5% und
bei Typ 1 Diabetikern 7,9%. Die Prävalenz für Blindheit im Sinne des Gesetzes
(20/200 oder schlechter im besseren Auge) lag bei 3,2% für Typ 1 Diabetiker, bei
2,7% für Typ 2 Diabetiker mit Insulinbehandlung und bei 2,3% für Typ 2 Diabetiker
ohne Insulinbehandlung (Klein and Moss [55]). Von den ca. 4,6 Mio.
Diabeteserkrankten in der Bundesrepublik Deutschland weisen ca. 30-35% eine
klinisch nachgewiesene Retinopathie auf (Hövener [45]). Mit zunehmend
verbesserter Lebenserwartung steigt für Typ 1 und 2 Diabetiker das Risiko, an einer
diabetischen Retinopathie zu erkranken. Nach 20-jähriger Diabetesdauer haben 90%
aller Patienten eine Retinopathie.
Es kann deshalb heute nicht mehr in Frage gestellt werden, ob zur Prävention einer
diabetischen Retinopathie eine bestmögliche Stoffwechseleinstellung angestrebt
5
werden muss. Die Wisconsin Epidemiologic Study on Diabetic Retinopathy
(WESDR) hat ausführliche Daten zum Auftreten der Retinopathie bei Diabetikern
geliefert (Klein et al [57], [61], [63] ). Hierbei zeigen sich Unterschiede zwischen
Typ 1 und 2 Diabetikern in der Häufigkeit des Vorliegens irgendeiner Form der
diabetischen Retinopathie, einer proliferativen Retinopathie und eines Makulaödems
in Abhängigkeit von der Diabetesdauer (s. Abb.3).
Die Schwierigkeiten der Stoffwechseleinstellung bestehen bei Typ 1 Diabetikern
nach dem Auftreten des absoluten endogenen Insulindefizits, d.h. im Abbruch der
initialen Besserungsphase. Bekanntermaßen markiert die Diabetes Control and
Complications Trial (DCCT) einen Meilenstein in der Geschichte der
Diabetesforschung, da erstmals für den Typ 1 Diabetes der Nachweis geführt wurde,
dass eine intensivierte Insulintherapie (HBA1c 7,2%; Therapiedauer im
Mittel 6,5 Jahre) die Entstehung mikrovaskulärer Komplikationen hinausgezögert
bzw. deren Progression verlangsamt (Hammes [37]).
Beim Typ 2 Diabetes bestehen die Probleme bzw. Schwierigkeiten zum einen in der
verspäteten Diagnosestellung infolge Symptomarmut der Manifestation, zum
anderen in der Zunahme der Insulinresistenz infolge der schlechten metabolischen
Kontrolle in den ersten Jahren der Erkrankung, dem Versagen der Therapie mit
oralen Antidiabetika und der verspäteten Umstellung auf Insulin.
Die UKPDS lehrt nicht nur, dass Blutglukose- und Blutdruckkontrolle für den Erhalt
des Augenlichtes von herausragender Bedeutung bei Typ 2 Diabetikern sind, sondern
dass auch bei Diagnosestellung bereits mehr als ein Drittel der Patienten
Augenveränderungen haben. Im Sinne einer frühzeitigen Erkennung
behandlungsbedürftiger Augenveränderungen ergibt sich demnach die Pflicht, jeden
Typ 2 Diabetiker bei Diagnosestellung ophthalmologisch untersuchen zu lassen
(Hammes et Pfeiffer [38]). Nach 20jähriger Dauer eines Typ 1 Diabetes beträgt die
Prävalenz einer diabetischen Retinopathie 90-100%, bei insulinabhängigem Typ 2
Diabetes ca. 80% (Klein et al [61].
6
% der Diabetiker mit Retinophatie
Diabetiker mit Erkrankungsbeginn unter
30 Jahre (Typ 1)
Diabetiker mit Erkrankungsbeginn über
30 Jahre (Typ 2) mit Insulintherapie
Diabetiker mit Erkrankungsbeginn über
30 Jahre (Typ 2) ohne Insulintherapie
Diabetesdauer (Jahre)
Abb. 3: Häufigkeit des Vorliegens irgendeiner Form der diabetischen und
proliferativen Retinopathie, eines Makulaödems in Abhängigkeit von der
Diabetesdauer.
Die Retinopathiefrequenz bei Typ 1 Diabetikern mit Manifestation im kindlichen
und jugendlichen Alter ist gekennzeichnet durch eine Latenz von 6-10 Jahren
zwischen Manifestation und Auftreten von Veränderungen. Mit steigendem
Manifestationsalter kommt es zu einer Abnahme der retinopathiefreien Zeit (Murphy
et al [87]). Die proliferative Retinopathie bevorzugt im Kindes- und Jugendalter
manifestierte Typ 1 Diabetiker (Klein et al [61]), ihre Progredienz kann durch eine
normnahe Blutzuckereinstellung offenbar gebremst werden. Der Schweregrad der
7
Retinopathie ist streng mit der Diabetesdauer korreliert. Insgesamt 90% der Typ 1
Diabetiker und 40-60% der Typ 2 Diabetiker weisen in diesem Zeitraum die
nichtproliferative Form der diabetischen Retinopathie auf. Insulinpflichtige Typ 2
Diabetiker haben ein größeres Erkrankungsrisiko als nichtinsulinpflichtige und eine
höhere Frequenz der Retinopathie als diätetisch geführte. Typ 2 Diabetiker sind im
Vergleich zu Typ 1 Diabetikern durch eine erhöhte Mikroalbuminurieprävalenz und
die Beziehungen zu den mikroangiopathischen Komplikationen gekennzeichnet
(Zander et al [120]). Makulaödeme treten nach bisher vorliegenden Studien bei
Typ 1 und 2 Diabetikern bei identischer Diabetesdauer gleich häufig auf (Kuck [74]).
Ein Makulaödem kommt häufiger als eine proliferative Retinopathie vor.
1.3. Pathogenese
Voraussetzung der Prävention der mikroangiopathischen Entwicklung beim Typ 1
und 2 Diabetes ist die Kenntnis ihrer Pathogenese. Das Wissen um die Pathogenese
der Mikroangiopathie ist in den zurückliegenden Jahren deutlich vertieft worden. Es
gibt zahlreiche Gründe anzunehmen, dass sich die eigentliche pathologisch und
anatomisch fassbare Mikroangiopathie des Diabetikers erst nach einer längeren
Periode aus früheren, variablen und reversiblen Prozessen entwickelt, die in der
Zirkulation der kleinen Gefäße auftreten (Standl [105]). Diese repräsentieren eine
echte funktionelle diabetische Mikroangiopathie, die in der Regel zu keinen
manifesten klinischen Symptomen führt, aber durch spezielle Funktionstests in allen
Teilen des Körpers identifiziert werden kann. Im Frühstadium des manifesten
Diabetes mellitus wurden u.a. eine erhöhte kapilläre Durchlässigkeit,
Basalmembranverdickungen, Veränderungen des Erythrozytenstoffwechsels mit
Beeinträchtigung der Sauerstoffabgabe, gesteigerte Thrombozytenaggregation und
veränderte rheologische Parameter, Hormonsekretionsanomalien und
8
immunologische Phänomene gesehen (Raskin und Rosenstock [96], Krzywanek
[73]). Eine Verminderung der Progression der Mikroangiopathie ist nachgewiesen,
aber die Verhinderung des Auftretens nicht. Einige Autoren betrachten einzelne
Störungen als die Hauptfaktoren für die Entstehung der diabetischen
Mikroangiopathie und leiten daraus pathogenetische Konzepte und Theorien ab
(s. Tab. 2).
Die Ätiologie der pathologisch anatomischen Veränderungen an den kleinsten
Gefäßen bleibt jedoch weiterhin ungeklärt. Die Beobachtung aber, dass bei sehr guter
Stoffwechseleinstellung die meisten der frühen, funktionellen Veränderungen
Tab. 2: Pathobiologische Mechanismen, die im Zusammenhang mit der Pathogenese
der diabetischen Mikroangiopathie diskutiert werden.
- Vermehrte intrazelluläre Aktivierung der Aldose-Reduktase des Polyol-
Stoffwechselwegs, z.B. in der Retina oder im Nierenmesangium
- Vermehrte nichtenzymatische Glykierung von Proteinen, z.B. der
Basalmembran oder von Lipoproteinen einschließlich der Bildung von
Advanced Glycosylated Endproducts (AGEs)
- Erhöhte Extravasion von Plasmaproteinen und ihre Ablagerung in der
Gefäßwand
- Veränderung der Hämorheologie, z.B. erhöhte Viskosität
- Hyperkoagulabilität des Blutes, u.a. veränderte Thrombozytenfunktion
- Verminderte Sauerstoffversorgung der Gefäßwand infolge einer gestörten
Sauerstofftransportfunktion der Erythrozyten (hypoxische Theorie)
- Überschuss von Hormonen, z.B. von Wachstumshormon, einer Vielzahl von
Wachstumsfaktoren und von Sexualhormonen
behandelbar sind, rückt die metabolische Theorie in den Vordergrund der
pathogenetischen Betrachtungen (Standl et al [106]). Trotz zahlreicher ungeklärter
9
pathophysiologischer Mechanismen kennen wir heute eine Reihe von
Risikovariablen, die den Entwicklungsprozess der Mikroangiopathie initiieren bzw.
dessen progressives Verlaufsverhalten bestimmen.
Der Entwicklung der diabetischen Retinopathie liegt ein komplexes Geschehen
zugrunde, in welches zahlreiche Faktoren und Mechanismen involviert sind, die sich
auch untereinander beeinflussen (s. Abb. 4).
Wenn auch z.T. noch hypothetisch, so lässt sich doch die Pathogenese der
Mikroangiopathie an bestimmten Fixpunkten definieren. Zu Recht wird die
Hyperglykämie (bzw. das Insulindefizit) an den Anfang des Geschehens
verschiedener biochemischer, funktioneller und struktureller Veränderungen gesetzt.
Abb. 4: Wesentliche Kettenglieder der Pathogenese der diabetischen
Mikroangiopathie.
Erhöhte Blutglukosespiegel führen zu einer verstärkten nichtenzymatischen Gly-
kosylierung sowie zu einer gesteigerten Zuckeralkoholbildung.
Hyperglykämie /
Insulindefizit
Endothelzellschädigung,
Basalmembranverdickung
Erhöhte Thrombozytenaggreagation,
Gewebeischämie
Mikroangiopathie
Genetische
Suszeptiabilität
Veränderte
Hämodynamik
Wachstumsfaktoren,
Hormone
10
Glykosylierungsendprodukte der langlebigen Zellproteine, die sich entweder spontan
oder durch ein Überangebot an freien Radikalen bilden (Jennings and Barnett [48]),
sind in der Lage, Immunglobuline und Komplementfaktoren zu binden.
Funktionsstörungen der Endothelzellen und die erhöhte Thrombozytenaggregation
setzen einen Prozess in Gang, der letztlich zur Basalmembranverdickung,
Mikrothrombenbildung und Gewebeischämie führt. Zusammen mit anderen
hämodynamischen Veränderungen (z.B. Hypertonus) und unter dem Einfluss
bestimmter Wachstumsfaktoren - bei vorhandener, aber noch nicht klar definierbarer
genetischen Suszeptibilität - entwickeln sich dann in den entsprechenden
Gefäßprovinzen mikrovaskuläre Veränderungen im Sinne einer in hohem Maße
diabetesspezifischen Angiopathie (Schulz und Zander [100]). Als Folgen der
genannten Störungen kommt es zu Veränderungen in der Netzhautzirkulation, die in
der Frühphase Permeabilitätsstörungen im Bereich der inneren und äußeren Blut-
Retina-Schranke nach sich ziehen. Im Fortschreiten des Prozesses kann es zu
Kapillarocclusion kommen. In diesen Arealen wird die Bildung eines
vasoproliferativen Faktors, des sogenannten "Ischämiefaktors" angenommen, der
einen proliferativen Verlauf der Retinopathie auslöst. Die vermehrte Glykolisierung
und der Sorbitol-Stoffwechselweg sind daher wahrscheinlich verantwortlich für die
anfänglichen Läsionen der diabetischen Mikroangiopathie, wie Perizytenschwund,
Basalmembranverdickung und Mikroaneurysmen. Langzeitige optimale
metabolische Kontrollen der DCCT-Studie [21] untermauern die Vorstellungen der
pathogenetischen Mechanismen.
Durch Senkung der Blutglukose bzw. des HBA1c durch Intensivierung der
Insulintherapie entsteht bei prädisponierten Patienten (mit längerer Diabetesdauer
und beginnender Mikroangiopathie sowie mit starker Absenkung des HBA1c) ein
hohes Risiko für die vorzeitige Retinopathieverschlechterung (VRV). Die VRV wird
wahrscheinlich ausgelöst durch überschießende Normalisierung des
Wachstumsfaktors IGF-1; sie kann sich teilweise wieder zurückbilden und kann an
11
der bleibenden Retinopathieverschlechterung zu 12-68% beteiligt sein. Frühzeitige
Laserkoagulation, orientiert an der Fluoreszenzangiographie (FA), scheint zur Zeit
bei der VRV die einzige Option zur Verhinderung von visusbedrohender
Retinopathie (i.S. des Makulaödems und der proliferativen Retinopathie) zu sein
(Chantelau [12]). Letzteres scheint die Wirksamkeit der Laserkoagulation zur
Therapie der VRV zu beeinträchtigen (Ballegoie et al [6]).
1.4. Stadieneinteilung der Retinopathie
Die Vielfalt und Wechselhaftigkeit der Symptome der diabetischen Retinopathie sind
ein Grund für die Entwicklung verschiedener Stadieneinteilungen. Ältere
Klassifikationen haben sich als weitgehend unbrauchbar erwiesen. Erst in jüngster
Zeit ist im Rahmen der großen klinischen Therapiestudien eine neue
Stadieneinteilung entwickelt worden. Sie basiert auf rein morphologischen Kriterien
und arbeitet mit Standardphotos. Für die Dokumentation und Übermittlung der
diagnostischen Befunde ist eine Klassifikation unerlässlich. In der internationalen
Literatur existiert eine Vielzahl von Gliederungen, die vornehmlich der Bearbeitung
wissenschaftlicher Fragestellungen dienen (Davis et al [19]). Im Ergebnis eigener
Auswertungen wird eine Klassifikation genutzt, die einerseits auf der
Ophthalmoskopie basiert und somit für die tägliche Praxis geeignet ist. Andererseits
erlaubt sie eine weiterführende fluoreszenzangiographische Differenzierung, die
international gefordert wird, um die Indikation zur Fotokoagulation stellen zu können
(s. Tab. 3). Die Einstufung sollte immer nach dem schwerwiegendsten Merkmal
vorgenommen werden, d.h. wenn diffuse Leckstellen und avaskuläre Areale parallel
vorkommen, handelt es sich trotzdem um eine ischämische Makulopathie (Herfurth
et al [44]). Die nichtproliferative Retinopathie ist die häufigste der diabetischen
Retinopathien.
12
Tab. 3: Klassifikation diabetischer Netzhautveränderungen nach ophthalmoskopischen
Gesichtspunkten (R und Rp.=Retinopathie, MA=Manifestationsalter,
MP=Makulopathie, GK=Glaskörper).
Stadium Diagnosekriterium Zuordnung
R 0 keine pathologischen
Veränderungen
subklinische diabetische Retino-
pathie, nichtproliferativ
R I vereinzelt MA, punktförmige
Sanguinationen
beginnende nichtproliferative
diab.Rp.
R II MA, vereinzelt intraretinale
Sanguinationen, harte Exsu-
date, venöse Kaliberschan-
kungen, Netzhautödem
mäßige nichtproliferative Back-
ground-Rp.
R II MP MA, intraretinale Sanguina-
tionen in allen 4 Quadranten,
Cotton-wool-Herde, IRMA,
perlschnurartige venöse Ge-
fäße, ausgedehnte Gruppen
harter Exsudate, generalisier-
tes Netzhautödem
schwere nichtproliferative
präproliferative Rp.
R III MP alle o.g. Veränderungen, in-
traretinale Proliferationen
ohne GK-und Papillenbetei-
ligung
proliferative Rp. ohne Optico-
Vitreopathie
R IV MP alle Veränderungen bei R III
mit GK-Beteiligung, papil-
läre Proliferationen, Rubeosis
proliferative diabetische Uveo-
Vitreopathie
Es ist wichtig, die verschiedenen Formen zu erkennen, da sie sich auch in Therapie
und Prognose unterscheiden. Die nichtproliferative Form zeigt sich durch Punkt- und
13
Fleckblutungen und durch Mikroaneurysmen. Die proliferative Retinopathie ist
gekennzeichnet durch Gefäßneubildungen an der Papille, der Netzhaut und der Iris,
die zu Blutungen führen. Im fortgeschrittenen Stadium können präretinale Blutungen
auftreten. Diese Blutungen sind vor der Netzhaut, aber hinter der
Glaskörpergrenzmembran lokalisiert. Durchdringen diese Blutungen den Glaskörper,
so spricht man von einer Glaskörperblutung. Unbehandelt führt eine proliferative
diabetische Retinopathie in über 50% der Fälle innerhalb von zwei Jahren zur
Erblindung durch traktive Netzhautablösung.
Tab. 4: Stadieneinteilung der diabetischen Makulopathie.
Stadium Zuordnung Diagnosekriterium
A keine Makulopathie
a1 Prädisposition zur Makulopathie Areale mit Hyperpermeabilität
temporal der Makula, Defekte im
Makulakapillarkranz
a2 präproliferative Retinopathie avaskuläre Areale in der mittleren
Netzhautperipherie
a3 nichtproliferative Retinopathie ohne spezielle Prädisposition
B Makulopathie vorhanden
b1 fokale Makulopathie Leckstellen am hinteren Pol
b2 diffuse Makulopathie Leakagen am hinteren Pol
b3 ischämische Makulopathie avaskuläre Areale am hinteren Pol
Bei der diabetischen Makulopathie entsteht in Verbindung mit den diabetischen
Veränderungen ein Ödem am hinteren Augenpol unter Einbeziehung der Makula, der
14
Stelle des schärfsten Sehens. Die Einteilung der diabetischen Makulopathie innerhalb
der Retinopathiestadien II-IV zeigt Tab. 4. Die diabetische Makulopathie ist
besonders bei älteren Typ 2 Diabetikern Ursache einer Visusminderung, die bis zur
Leseunfähigkeit führen kann.
In schweren Fällen der nicht behandelten diabetischen Retinopathie sind
Netzhautablösung durch Traktionen und Erblindung die Folge ( s. Abb. 5).
Abb. 5: Netzhautveränderungen bei proliferativer und nichtproliferativer diabetischer
Retinopathie.
Background- Retinopathie Mikroaneurysmen, Punktblutungen, Venenverdichtung
Periphere Proliferationen, Papillenproliferationen (mit und ohne Glaskörper- blutungen)
Glaskörperblutung, Traktionsablatio der Netzhaut Rubeosis iridis
hämorrhagisches Sekundärglaukom, Erblindung, Verlust des Auges
prä-proliferative Retinopathie Venöse Veränderungen, Intraretinal mikrovascular Abnormality (IRMA), cooton-wool Herde
Makulopathie Netzhautödem Exsudate
15
1.5. Risikofaktoren
Therapeutisch unbeeinflussbare Risikofaktoren sind die Diabetesdauer, das
Manifestationsalter und die genetische Disposition. Zu den beeinflussbaren gehören
die metabolische Kontrolle, Hypertonie, Hyperlipoproteinämie, Proteinzufuhr,
Nikotin und Begleit- bzw. Folgeerkrankungen des Diabetes (z.B. diabetische Neuro-
und Nephropathie). Hypertonie, Rauchen, genetische und hormonelle Faktoren
werden als zusätzliches Risiko für das Auftreten und die Entwicklung auch
hinsichtlich des Schweregrades der diabetischen Retinopathie angesehen ( Klein et al
[58]) (s. Abb. 6 und Tab. 5).
Abb. 6: Risikofaktoren der diabetischen Mikroangiopathie.
Genetische Disposition
Diabetesdauer
Manifestationsalter
Mikroangiopathie
Metabolische Kontrolle > AGE-Formation > Sorbital Pathway Aktiv
Rheologische + Hämostase- faktoren
Wachstumsfaktoren - STH, IGF1, FGF etc.
Nikotinabusus
Hyperlipidämie
Proteinzufuhr
Hypertonie
16
In den letzten 20 Jahren konnten die Zusammenhänge zwischen Diabetesdauer sowie
Güte der metabolischen Kontrolle und Entwicklung der diabetischen Retinopathie
gut definiert werden (Klein et al [56]). Da die Retinopathie vor der Pubertät äußerst
selten auftritt, gilt das Manifestationsalter als Risikofaktor für die
Retinopathieentwicklung.
Tab. 5: Risikofaktoren für die Entwicklung einer diabetischen Retinopathie
(erhöhtes Risiko 9��HUQLHGULJWHV�5LVLNR�;��
Risikofaktoren
Okulär Extraokulär
Glaukom 999 Hyperglykämie 999
Partiell abgehobener GK 99 Alter bei Erkrankungsbeginn 99
Komplett abgehobener GK ;;; Dauer der Erkrankung 999
Myopie > 4 dptr ;; Urämie-Hämodialyse 99
Vitrektomie ;; Nikotin 9
Vitrektomie mit Silkonöl 99
Opticusatrophie ;;
Rubeosis iridis 99
Der Einfluss des Manifestationsalters auf die Progression der Retinopathie wird in
der Literatur kontrovers diskutiert (Kalter-Leibovici et al [51]). Über Beziehungen
zwischen Geschlecht und Retinopathiestadium wird selten berichtet. Während
Bodansky et al [9] eine signifikante Häufung der proliferativen Retinopathie beim
männlichen Geschlecht sehen, finden Klein et al [62] eine Bevorzugung des
weiblichen Geschlechts, sofern die Diabetesdauer mehr als 10 Jahre beträgt.
17
Nielsen [88], der seine Angaben gleichzeitig auf den Diabetestyp bezieht, gibt für die
insulinabhängigen Patienten ein Überwiegen der männlichen Personen an, während
die Typ 2 Diabetiker zu gleichen Teilen eine proliferative Retinopathie aufweisen.
Janert et al [47] stellten fest, dass die diabetische Retinopathie bei männlichen wie
weiblichen Patienten gleich häufig auftritt. Die Retinopathiefrequenz lag bis zum
30.ten Lebensjahr bei weiblichen, zwischen diesem Zeitpunkt und dem 50.ten
Lebensjahr bei männlichen Patienten gering höher. In einer Studie zur Mortalität bei
Typ 1 Diabetikern wurde die Abhängigkeit vom Geschlecht, Manifestationsalter und
Diabetesdauer von Lehsten et al [76] untersucht. Insulinpflichtige Diabetiker hatten
eine deutlich höhere Mortalität im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung, wobei
Männer gegenüber Frauen und ältere Patienten gegenüber jüngeren eine schlechtere
Prognose haben, während das Alter der Patienten bei Diagnosestellung weniger
bedeutungsvoll ist. Chase et al [13] stellten fest, dass die Diabetesdauer,
Mikroalbuminurie, der HBA1c-Spiegel und die Schwere der diabetischen
Retinopathie miteinander korrelieren. Für die Mikroangiopathie ist die Höhe der
Blutglukose der entscheidende Faktor. Seit langem ist ein Zusammenhang zwischen
der Blutglukoseeinstellung bei Diabetes mellitus und dem Auftreten von einer
Retinopathie bekannt. Es sei hier lediglich auf die Arbeiten von Pirart [95] und
Constam [16] hingewiesen. Diese Autoren konnten zeigen, dass bei hoher Güte der
metabolischen Kontrolle die diabetische Retinopathie weniger auftritt, als bei
schlechter. In zahlreichen Studien, vor allem auch in der DCCT-Studie [109], wurde
eine vorübergehende Akzentuierung der diabetischen Retinopathie festgestellt, wenn
ein schlechter Grad der Güte der metabolischen Kontrolle bestand, d.h. hohe
HBA1c-Werte plötzlich in einen nahen normoglykämischen Bereich gesenkt wurden.
Ausmaß und Geschwindigkeit der Blutglukoseeinstellung spielen dabei eine
entscheidende Rolle. Des weiteren wird die Verschlechterung der Retinopathie auch
deutlich in der Schwangerschaft. Dabei sind die Veränderungen in der
Schwangerschaft vor allem auch abhängig vom Retinopathiestatus vor der
18
Schwangerschaft und von der Höhe des HBA1c (Hellstedt et al [43]). Ein
ausgesprochener Schwellenwert, unterhalb dessen keine weitere Risikominderung zu
beobachten ist, existiert für den HBA1c nicht. Für Typ 1 und 2 Diabetiker sollten auf
jeden Fall HBA1c-Werte unter 7,5% angestrebt werden. Eine weitere Senkung unter
7% ist vorteilhaft, wenn dies toleriert wird. Dabei muss berücksichtigt werden, dass
es hierbei häufiger zu hypoglykämischen Episoden kommen kann (Schäfers et al
[98]). Seitens der Risikofaktoren, die eine Entwicklung bzw. den progressiven
Verlauf der Retinopathie begünstigen, sind insbesondere die Hypertonie und
Hyperlipidämie zu nennen. Der systolische Blutdruck ist bei jungen Diabetikern
(Diagnose unter 30 Jahren) ein signifikanter prognostischer Faktor. Auch der
diastolische Blutdruck korreliert mit der Progredienz der diabetischen Retinopathie.
Bei älteren Patienten (Diagnose im Alter über 30 Jahre, mit und ohne Insulin) findet
man keinen Einfluss des Blutdrucks auf die diabetische Retinopathie (Klein et al
[61]). Aus den bekannten epidemiologischen Studien geht klar hervor, dass das
Risiko durch den erhöhten Blutdruck noch größer wird, wenn zusätzlich noch
weitere kardiovaskuläre Risikofaktoren vorhanden sind (Epstein [27], Garcia et al
[32], Kannel [52], Trocha et al [112]). Viele Studien zeigen den Zusammenhang
zwischen Hyperglykämie und diabetischer Retinopathie (Kostraba et al [69]). Es
besteht eine starke und konsistente Relation zwischen Hyperglykämie, Inzidenz und
Progression der diabetischen Retinopathie. Frühere klinische Studien haben belegt,
dass die Typ 1 Diabetiker in nur sehr geringem Grade Störungen im
Lipoproteinstoffwechsel aufweisen. Die Veränderungen stehen in direkter Beziehung
zur Qualität der diabetischen Stoffwechselführung. Gut kompensierte Patienten mit
Typ 1 Diabetes hatten ähnliche Lipoproteinkonzentrationen wie vergleichbare
nichtdiabetische Kontrollpersonen (Gonen et al [33], Lopes-Virella et al [79],
Nikkilae [89], Vlachaskosta et al [115]). Eine Hyperglykämie ist auch ein
signifikanter Risikofaktor für das Makulaödem (Klein et al [61]. Die Inzidenz des
Sehverlustes ist assoziiert mit dem Alter, dem Stadium der Retinopathie und der
19
Ausprägung des Makulaödems (Moss et al [86]). Rauchen ist ein fragliches Risiko
für eine diabetische Retinopathie (Moss et al [85]), denn der einzige signifikante
Zusammenhang besteht zwischen der Anzahl der Zigarettenpackungen, die in einem
bestimmten Zeitraum geraucht werden kann und dem Fortschreiten der Krankheit zur
proliferativen Retinopathie bei Altersdiabetikern. In einer Studie zur prospektiven
Wertigkeit von Risikofaktoren für die Entwicklung der diabetischen Retinopathie bei
Typ 1 Diabetikern konnten von Lehsten et al [75] nach > 24 Jahren Diabetesdauer
keine signifikanten Unterschiede bezüglich der Häufigkeit und Schwere der
Retinopathieprävalenz bei Nichtrauchern und Rauchern festgestellt werden (Rauchen
wurde definiert als regelmäßiger Gebrauch von mehr als 3 Zigaretten / Tag für mehr
als 1 Jahr). Gries [34] stellte fest, dass die Prävalenz der Neuropathie mit steigendem
Alter, zunehmender Diabetesdauer und bei langfristig unzureichender Güte der
metabolischen Kontrolle signifikant zunimmt, wo er als klinisches Korrelat
mikrovaskuläre Komplikationen (Retino- und Neuropathie) nannte. Mit Fortschreiten
einer diabetischen Nephropathie erhöht sich die Gefahr einer Progredienz der
Retinopathie zum proliferativen Stadium (Klein et al [60], Hasslacher et al [41]), die
beim Typ 1 Diabetes nach 10 Jahren über 20%, beim Typ 2 Diabetes 5 - 10% der
Patienten betrifft. Okuläre Faktoren, die die Manifestation einer diabetischen
Retinopathie beeinflussen, sind das Glaukom, die Myopie und chorioretinitische
Narben. Diese Veränderungen vermindern durch Nervenfaserschicht-, Ganglienzell-
und Netzhautatrophie Inzidenz und Ausprägung der Retinopathie.
20
1.6. Prävention und Therapie
Über Jahre bestand eine Kontroverse darüber, inwieweit es möglich ist, durch eine
bessere Stoffwechseleinstellung das Auftreten und die Progredienz einer
Retinopathie zu beeinflussen. In den achtziger Jahren konnte durch
Interventionsstudien eindeutig der Nachweis erbracht werden, dass durch eine
Verbesserung der Blutglukoseeinstellung die Entwicklung der diabetischen
Retinopathie entscheidend beeinflusst werden kann (Reichard et al [97]). Offen ist
die Frage, ob grundsätzlich eine nahe normoglykämische
Stoffwechseldekompensation zur Verhinderung der Mikroangiopathieentwicklung
bestehen muss (Engermann et Kern [26]). Die Ergebnisse der UKPDS- und DCCT-
Studien bestätigen die Ergebnisse kleinerer früherer Studien über die Bedeutung der
optimalen metabolischen Kontrolle für die signifikante Reduktion der Inzidenz und
Progression der diabetischen Mikroangiopathie (Reichard et al [97], Kroc
Collaborative Study Group [110]). Es kann heute nicht mehr in Frage gestellt
werden, ob zur Prävention einer diabetischen Retinopathie eine bestmögliche Güte
der metabolischen Kontrolle angestrebt werden muss. Eine hohe Güte der
metabolischen Kontrolle vermag die Retinopathie stationär zu halten bzw. den
Beginn einer solchen zu verzögern oder bei beginnenden Stadien die Progression zu
verhindern. Die Therapie von diabetischen Augenerkrankungen besteht in der
sorgfältigen Überwachung der Diabeteseinstellung, beginnend mit dem Zeitpunkt der
Diagnose. Wegen des progredienten Charakters der Erkrankung ist der Zeitpunkt, zu
dem die Behandlung einsetzt, von entscheidender Bedeutung. Die Güte der
Betreuung des Diabetikers hängt stark von der Compliance des Patienten ab. Daher
ist die Aufklärung über Natur, Behandlung und Folgen des Diabetes von essentieller
Bedeutung. Hier liegt eine Herausforderung für die Zusammenarbeit von Hausarzt,
Internist, Augenarzt und Klinik in der Betreuung und Führung der Patienten. Die
Prävention der Retinopathie hinsichtlich ihrer Inzidenz und Progression wird durch
21
eine hausärztliche und internistische fachkompetente Betreuung und Beeinflussung
der Risikofaktoren geprägt (s. Tab. 6).
Tab. 6: Screening-Untersuchungen von Hauptrisikofaktoren.
Untersuchung Häufigkeit
Blutdruck bei jeder Arztkonsultation, 1x im Quartal
(Minimum: 2x im Jahr bei konstanter
guter metabolischer Kontrolle
HBA1c 1x im Quartal
Cholesterin, Triglyzeride mindestens 1x im Jahr
Mikroalbuminurie, Kreatinin mindestens 1x im Jahr, häufiger bei
diabetischer Nephropathie
Augenarztuntersuchung mindestens 1x im Jahr, häufiger bei
Diabetesdauer>10 Jahre und diabetischer
Retinopathie
Gefäßstatus, EKG mindestens 1x im Jahr, häufiger bei
älteren Patienten und bestehenden
Risikofaktoren
Dazu gehört eine optimale Kontrolle des Kohlenhydrat- und Lipidstoffwechsels
(Fiedler [30]). Die Senkung des Körpergewichts ist die wichtigste
Therapiemaßnahme bei übergewichtigen Diabetikern. Schon eine geringe
Gewichtsabnahme kann eine deutliche Verbesserung der Güte der metabolischen
Kontrolle und des Blutdruck bewirken (Stammler et al [104]). Bei der Analyse der
22
verschiedenen mit der Retinopathie assoziierten Faktoren (s. Tab. 7) ist auch der
Blutdruck von vorrangiger Bedeutung, d.h. die Gewährleistung der Normotonie.
Tab. 7: Bewertung und Ziele wichtiger Kontrollparameter bei der Behandlung des
Diabetes mellitus.
Parameter Behandlung
gut akzeptabel ungenügend
Blutglukose (mmol/l)
nüchtern, vor Bettruhe und
Mahlzeiten postprandial
5-6,7
5-8
6,7-7,8
8-10
>7,8
>10
HBA1c (%) <6,5 6,5-7,5 >7,5
Die Ziele müssen nach allgemeiner Übereinkunft Blutdruckwerte unter
140/90 mm Hg sein, bei jüngeren Diabetikern möglichst eine vollständige
Normalisierung (<130/80 mm Hg). Bei älteren Patienten sollten in jedem Fall die
Grenzwerte von 140/90 mm Hg angestrebt werden. Bei grenzgestörten und
hypertonen Blutdruckwerten sollte auf den additiven, stabilisierenden Effekt der
Antihypertensionsbehandlung nicht verzichtet werden, um die Progressionstendenz
der Retinopathie zu verhindern. Ergänzend zu den Empfehlungen der
Basisdiagnostik des Hochdrucks sollten bei Diabetikern folgende Untersuchungen
durchgeführt werden: Mikroalbuminuriemessung, Abdomensonographie,
Belastungs-EKG und Vibrationsmessung.
Entscheidend ist auch die Diagnostik des Typ 2 Diabetes zum Zeitpunkt der
Manifestation. Regelmäßige Routineuntersuchungen zur Erfassung von Risikoprofil
und Folgekrankheiten und Vorsorgeuntersuchungen gemäß Diabetesgesundheitspaß
23
der DDG gehören dazu. Ein wesentliche Erleichterung in der Durchführung der
Verlaufskontrollen stellt die Führung des "Gesundheitspaß Diabetes DDG" durch
den Patienten dar (Schäfers et al [98]). Eine strukturierte Betreuung von Patienten
auf der Grundlage des Gesundheitspasses mit Prozeß- und Ergebnisdokumentation in
der Routineversorgung ist möglich. Allein durch die Einführung der Dokumentation
lässt sich eine Qualitätsverbesserung der Diabetesbetreuung erzielen. Ein Programm
zur Qualitätssicherung ist entwickelt worden, das die Stellung der Diabetiker
verbessern soll (patient empowerment). Es reicht vom "Gesundheits-Pass Diabetes",
"Ihrem Wegweiser zur besseren Diabetesbehandlung, Ihre Rechte und Pflichten",
Dokumentationsbögen, die von gesundheitlichen Grunddaten bis zu Augenbefunden
alle wesentlichen Angaben über den Versorgungsgrad der Diabetiker erfassen, bis zu
dem vom Bundesministerium für Forschung geförderten DIADOQ-Projekt, der
wissenbasierten Qualitätssicherung in der Diabetologie (Gries [35]). Voraussetzung
für den erfolgreichen Interventionseffekt ist der Therapiebeginn in einem frühen
Entwickungsstadium, was wiederum dessen Diagnostik durch regelmäßige follow-
up-Kontrollen des metabolischen Status, der Nierenfunktion, des Blutdrucks, der
Retina und der Nervenfunktion zur Bedingung hat. Die Beurteilung der Qualität der
Behandlungsergebnisse des Kohlenhydrat- und Lipidstoffwechsels, des Blutdruck,
der Mikroalbuminurie und kardiovaskulärer Risikofaktoren ist entscheidend über das
Beibehalten oder eine Intensivierung des individuellen Therapieregimes. Die
Ergebnisqualität wird an internationalen Standards für Typ 1 und 2 Diabetiker
(IDDM und NIDDM Policy Group) gemessen. Regelmäßige Untersuchungen und
eine stadiengerechte Behandlung des Ist-Zustandes der Diabetiker hinsichtlich der im
Gesundheitspass geforderten Parameter ist wichtig. Nach diesen Leitlinien
zur Betreuung von Typ 1 und 2 Diabetikern (IDF [20], [46]) sollte ein Abrufsystem
organisiert werden, um sicherzustellen, dass die Untersuchungen regelmäßig
stattfinden zur Kontrolle der im Gesundheitspass geforderten Parameter. Die
diagnostischen Kontrollen des neurologischen, kardiovaskulären und angiologischen
24
Status sollten bei fehlender Symptomatik unter dem 40.Lebensjahr alle 2 Jahre, bei
älteren Diabetikern jährlich erfolgen. Alle 6 Monate muss eine Kontrolle der Füße
durchgeführt werden, die des nephrologischen Status und des Augenhintergrundes
grundsätzlich jährlich. Dazu gehören auch die Untersuchung auf weitere
Risikofaktoren, wie die Bestimmung der Blutfette, des Körpergewichtes, und das
Nachfragen nach den Risiken Rauchen und Alkohol (Schäfers et al [98]).
Das Risiko einer Erblindung von Diabetikern wird durch eine rechtzeitig eingesetzte
ophthalmologische Therapie erheblich vermindert. Diabetologisch versierte
Ophthalmologen sollten in die Betreuung, Kontrolle und Therapie von Anbeginn der
Erkrankung in die ärztliche Versorgung des Diabetikers einbezogen werden. Bei
jedem Diabetiker muss unmittelbar nach der Manifestation bzw. Diagnosestellung
die ophthalmologische Untersuchung erfolgen. Die Frequenz der Kontrollen bei der
Langzeitbetreuung beim Retinopathiestadium 0 und I beträgt 1x/Jahr.
Mehrmals/Jahr sollten Kontrollen bei fortgeschrittenen Stadien, insbesondere bei der
prä- und proliferativen Retinopathie und nach Einleiten einer ophthalmologischen
Therapie erfolgen. Sondersituationen entstehen bei der präkonzeptionellen
Diabeteseinstellung und während der Gravidität (s. Tab. 8).
Indikationen für eine sofortige bzw. baldmöglichste ophthalmologische
Untersuchung zwecks Einleiten einer Therapie ergeben sich aus
Netzhautveränderungen (s. Tab. 9).
Antihypertensivbehandlung, eiweißreduzierte Diät und Laserkoagulation können die
Progression der Retinopathie in ihren Endstadien verhindern bzw. zumindest
verzögern (s. Tab. 10).
Es gibt bisher kein Medikament, das die diabetische Retinopathie sicher positiv
beeinflusst. Eine Reihe von medikamentösen Behandlungsversuchen existiert, von
denen nur der Wirkstoff Calciumdobesilat erwähnenswert ist. Ein gefäßabdichtender
Effekt bei nichtproliferativer Retinopathie wird von verschiedenen Autoren
beschrieben (Adank und Koerner [1]). Weiterhin gelang es durch ACE-Hemmer
25
Tab. 8: Empfehlungen bei Augenuntersuchungen bei Diabetikern (LJ=Lebensjahre).
Diabetiker Untersuchungsempfehlung
Typ 1 Diabetiker
ohne Retinopathie
mit Retinopathie
ab 12.LJ 1x jährlich und
ab dem 5.Erkrankungsjahr
1x im Quartal
Typ 2 Diabetiker
ohne Retinopathie
mit Retinopathie
ab Diagnosestellung
1x jährlich
1x im Quartal
Schwangere
ohne Retinopathie
mit Retinopathie
alle 3 Monate
alle 1-2 Monate
(Lisinopril) die Entwicklung einer Retinopathie signifikant zu verlangsamen
(Chaturvedi et al [14] ).
Bei Diabetespatienten mit persistierender proliferativer diabetischer Retinopathie
nach konventioneller Laserbehandlung wird das Risiko von Glaskörperblutungen
durch Behandlung mit dem langwirksamen Somastotatin-Analogon Octeotid
vermindert. Positive Effekte unter Therapie mit SMS-Analoga konnten für die
fortgeschrittenen Stadien der proliferativen diabetischen Retinopathie und klinisch
signifikanten Makulaödem festgestellt werden (Feldmann et al [29]). Die
Insulinpumpentherapie (ICT) sollte so früh wie möglich eingesetzt werden, um
möglichst durch Blutglukosenormalisierung eine Retinopathie zu verhindern oder in
sehr frühen Stadien zu reduzieren.
Die regelmäßige Bestimmung der Mikroalbuminurie hat sich als weiterer
zusätzlicher Parameter fest etabliert. Zur Primär- und Sekundärprävention der
Mikroangiopathie zählt die HBA1c-Senkung. Ziel ist die möglichst normnahe
26
Tab. 9: Symptome diabetischer Retinopathie und Therapieempfehlung.
Das Sehvermögen bedrohende Veränderungen, die eine sofortige augenärztliche
Untersuchung erfordern:
- proliferative Retinopathie mit Gefäßneubildungen an Papille und Retina,
präretinale Blutungen
- fibröse Stränge und Segel
- Glaskörperblutung
- Netzhautablösung
- Rubeosis iridis
Veränderungen, die baldmöglichst durch einen Augenarzt kontrolliert werden
sollten:
- nichtproliferative Retinopathie mit Makulabeteiligung
- Visusminderung (Makulaödem)
- Blutungen und Exsudate im Makulabereich
- großflächige Exsudate auch außerhalb des zentralen Fundus
- Zustände nach Koagulation und ruhigem Befund
- unklare Befunde
HBA1c-Einstellung, möglichst von Anfang an, mit einem gerade noch akzeptablen
Bereich bis maximal 2% über Norm. Gleichzeitig normalisiert sich in vielen Fällen
durch eine normnahe Einstellung auch die Hämorheologie, nicht aber die gestörte
Hämostaseologie (Voisin et al [116]). Langzeitige Normalisierung der Güte der
metabolischen Kontrolle allein vermag eine bereits bestehende Retinopathie nicht
vollständig zur Rückbildung zu bringen. Wenn die Diabetesdauer 10 Jahre
überschreitet oder die Retinopathie ein fortgeschrittenes Stadium erreicht hat, hat die
Güte der metabolischen Kontrolle kaum noch Einfluß (Bernsmeier und
27
Tab. 10: Retinopathiestadien und Interventionsmaßnahmen.
Stadium Therapie
R0 strikte metabolische Kontrolle (HBA1c<7,5%)
RI strikte metabolische Kontrolle
RII strikte metabolische Kontrolle
Antihypertensiva bei RR>140/90 mm Hg
Focalkoagulation
RIII Focal -oder Pankoagulation
Antihypertensiva bei RR>140/90 mm Hg
gute metabolische Kontrolle ( HBA1c bis <9 %)
RIV Pankoagulation
Sonnenberg [8]). Heute bilden drei wesentliche Fortschritte der letzten Jahrzehnte die
Säulen für die Therapie der diabetischen Retinopathie: 1) die Einführung der
Fotokoagulation durch Meyer-Schwickerath [82], 2) die Enführung der
Glaskörperchirurgie durch Machemer et al [80] und 3) die Erkenntnis, dass eine
möglichst normoglykämische Stoffwechseleinstellung die Entwicklung der
Retinopathie günstig beeinflusst, was die DCCT abschließend beweisen konnte
[109]. Die Therapie der Wahl einer klinisch manifesten diabetischen Retinopathie ist
derzeit die Fotokoagulation. Die Erfolgsaussichten sind ganz wesentlich vom
Netzhautbefund zu Behandlungsbeginn abhängig. Bei frühzeitiger Koagulation
(beginnende R II) betragen sie etwa 90%. Das Prinzip besteht in einer durch den
Laserstrahl provozierten umschriebenen Hyperthermie der Netzhaut (Koagulation).
Durch die Koagulation wird Einfluss auf die Blut-Retina-Schranke und die
Sauerstoffversorgung der Netzhaut genommen. Beiden kommt in der
Ätiopathogenese der Retinopathie eine ursächliche Rolle zu. Die Fotokoagulation
28
wurde in die Behandlung der diabetischen Retinopathie mit dem Ziel eingeführt, eine
wirksame Blutungsprophylaxe zu erhalten (Verschluss von Neovaskularisationen
durch Direktkoagulation). Tab. 11 zeigt einen therapeutischen Stufenplan für die
stadiengerechte Behandlung der diabetischen Retinopathie.
Tab. 11: Therapeutischer Stufenplan.
Retinopathiestadium Therapieempfehlung
milde, mäßige nichtproliferative
Retinopathie
Hyperglykämie und Hypertonie medikamentös
einstellen, 2x im Jahr Augenarztkontrolle
schwere nichtproliferative Reti-
nopathie ohne Makulaödem
wie oben, 4x im Jahr Augenarztkontrolle
nichtproliferative Retinopatie
mit Makulaödem
fokale- oder grid-Laserkoagulation
proliferative Retinopathie ohne
Makulaödem
disseminierte Laserkoagulation, ggf. Kryobe-
handlung
proliferative Retinopathie mit
Makulaödem
erste fokale oder grid, dann disseminierte
Laserkoagulation
Traktionsablatio, Glaskörper-
Blutung
Glaskörperchirurgie
Die fortgeschrittenen Stadien der proliferativen Retinopathie werden mit der
Vitrektomie und Kryokoagulation behandelt.
29
Die Laserkoagulation kann das Risiko eines schweren Visusverlustes bei
proliferativer diabetischer Retinopathie verringern. Die DRS konnte dies in
beeindruckender Weise nachweisen (DRS [22]) (s. Abb. 7). Dies betrifft vor allem
jugendliche Diabetiker, die häufiger als Typ 2 Diabetiker Proliferationen entwickeln.
Bei leichter und mäßiger nichtproliferativer Retinopathie (ohne Makulaödem) muss
sicher noch nicht behandelt werden. Bei der schweren nichtproliferativen
Retinopathie ist die Situation nicht eindeutig und andere Faktoren müssen
berücksichtigt werden. Wenn der bisherige Verlauf, insbesondere bei Typ 1
Diabetikern, rasch progredient war, wenn das Angiogramm ausgedehnte
Kapillarverschlussgebiete zeigt oder künftige engmaschige Kontrollen nicht
gewährleistet sind, dann kann auch schon bei schwerer präproliferativer Retinopathie
behandelt werden.
In anderen Fällen von schwerer nichtproliferativer Retinopathie sind engmaschige
Kontrollen vorzuziehen. Der Übergang zur proliferativen diabetischen Retinopathie
stellt dann eine eindeutige Indikation zur disseminierten peripheren Laserbehandlung
dar. Mit der angewandten Technik wird die ischämische Netzhaut disseminiert
koaguliert und damit ausgeschaltet. Dazu müssen abhängig vom Befund ca. 20 bis
>50% der gesamten Netzhautfläche unter Aussparung der zentralen Netzhaut mit
dem Laser koaguliert werden. Durch die Koagulation werden die Fotorezeptoren mit
ihrem hohen Sauerstoff- und Energieverbrauch ausgeschaltet, und die Versorgung
der verbliebenen Netz haut wird verbessert (Meyer-Schwickerath et Schott [83]).
Außerdem kann durch die Lasernarben vermehrt Sauerstoff aus der Aderhaut zu den
inneren Netzhautschichten diffundieren und hier zu einer besseren Oxygenierung
führen (Wolbarsht et Landers [119]. Ein weiterer möglicher Wirkmechanismus ist
die Induktion einer hinteren Glaskörperabhebung durch die Koagulation. Bei
abgehobenem Glaskörper fehlt die mechanische Leitschiene für Proliferationen
(Helbig et Bornfeld [42]). Die Fotokoagulation ist wie jede invasive Therapie nicht
frei von Komplikationen. Ihre Häufigkeit und der Schweregrad der
30
Netzhautveränderungen korrelieren positiv miteinander. Schwerwiegende
Komplikationen der Laserkoagulation sind glücklicherweise selten, und die Furcht
davor sollte eine Behandlung nicht verzögern. Wegen der Nebenwirkungen und
Komplikationen sollte eine Laserkoagulation nicht zu früh durchgeführt werden,
sondern erst dann, wenn der Nutzen die Nachteile eindeutig überwiegt. Durch die
Ausschaltung von Fotorezeptoren entsteht eine Reduktion der Empfindlichkeit im
peripheren Gesichtsfeld und das Dämmerungssehen wird herabgesetzt. Diese
funktionellen Veränderungen lassen sich in sensiblen Tests nachweisen, werden aber
vom Patienten selten bemerkt. Nach ausgedehnter Koagulation kann es zu einem
vorübergehenden Visusabfall durch eine Zunahme des Makulaödems kommen.
Abb. 7: Erblindungsrisiko bei Patienten mit proliferativer Retinopathie mit und ohne
Lasertherapie.
Gelegentlich kann eine induzierte Laserbehandlung (z.B. durch Linsentrübungen)
nicht durchgeführt werden. In diesen Fällen kann die Ausschaltung der peripheren,
ischämischen Netzhaut durch eine Kältebehandlung erfolgen. Besonders bei
Rubeosis der Iris ist die periphere Netzhautkryobehandlung eine wichtige Ergänzung
des therapeutischen Repertoires (Benedett et al [7]). Da der Typ 2 Diabetes
31
wesentlich häufiger ist als der Typ 1 Diabetes und bei Typ 2 Diabetikern das
Makulaödem im Vordergrund steht, stellt das Makulaödem quantitativ die häufigere
Komplikation der diabetischen Retinopathie dar. Ca. drei Viertel der schweren
Sehbehinderungen durch die diabetische Retinopathie sind durch ein Makulaödem,
nur ein Viertel durch eine proliferative Retinopathie bedingt (Clark et al [15]).
Die diabetische Makulopathie ist besonders bei älteren Typ 2 Diabetikern Ursache
einer Visusminderung, die bis zur Leseunfähigkeit führen kann. Durch eine
rechtzeitig einsetzende Laserkoagulation kann die Makulopathie erfolgreich
behandelt werden. Voraussetzung ist jedoch ein Ausgangsvisus von mindestens 0,3
oder besser. Nur durch rechtzeitige Koagulation (relatives kurzes Bestehen und
geringer Ausprägungsgrad der Veränderungen) können irreversible morphologische
Ausfälle vermieden werden. Die Perfusion der Makulakapillaren ist ein
determinierender Faktor für die Visusprognose (Seidlein et Herfurth [101]).
Hypertonie, Arteriosklerose und hohes Alter sind prognostisch ungünstige
Voraussetzungen für die Laserbehandlung einer diabetischen Makulopathie (Körner
et Pournaras [67]). Die Schwellung der Makula entsteht durch Schrankenstörungen
im Bereich der Netzhautkapillaren. Nicht jedes Netzhautödem muss behandelt
werden, aber jedes Makulaödem mit Verdickung der Netzhaut oder harten Exsudaten
im Umkreis von 500µm vom Zentrum unabhängig von der Größe. Ödembereiche,
die mehr als 1PD messen (PD, ca. 1500 µm), sollten behandelt werden, wenn sie im
Umkreis von 1PD vom Zentrum der Netzhaut liegen (ETDRS [24]). Die ETDRS hat
Kriterien für ein sogenanntes "klinisch signifikantes Makulaödem" erarbeitet. Ziel
der Koagulationsbehandlung beim diabetischen Makulaödem ist die Verödung der
leckenden Kapillaren und Mikroaneurysmen. Dies kann dann zu einer Rückbildung
des umgebenden Ödems führen. Eine Verbesserung der Netzhautfunktion ist dabei
möglich, allerdings kann die Netzhaut durch ein länger bestehendes Ödem
irreversibel geschädigt werden, so dass keine Erholung der Netzhautfunktion mehr
möglich ist. Die Ausschaltung avaskulärer Areale in der Netzhautperipherie führt
32
zu einer Verbesserung insbesondere der Makulaversorgung (Sigelman [102]). Bei
unterschiedlichen Formen des Makulaödems sind unterschiedliche
Koagulationstechniken indiziert (Hamilton et al [36], Olk et Lee [91]) (s. Tab.12).
Durch Produktion von Wachstumsfaktoren durch die ischämische Netzhaut entsteht
eine Rubeosis iridis. Zu deren Behandlung erfolgt eine Laserkoagulation oder
Kryotherapie (Benedett et al [7], Panleihoff et Gerke [93]). Sollte dies zur
Regulierung des Augendruckes nicht ausreichen, kommen Maßnahmen zur
Reduktion des Kammerwassers in Betracht.
Tab. 12: Makulaödemformen und ihre Therapie.
Makulaödemform Koagulationstechnik
fokal gezielt gelasert
diffus gleichmäßiges Raster von zarten Laserherden in der
Makula unter Aussparung des Zentrums = grid laser
zystoid grid laser
exsudativ begrenzte Lasertherapie
ischämisch keine Lasertherapie
bei proliferativer Rp. zentrale vor peripherer Lasertherapie
Mischform Kombination aus fokaler und modifizierter "grid laser"-
Behandlung
In den meisten Fällen der proliferativen diabetischen Retinoapthie können die
Gefäßneubildungen durch eine Koagulationsbehandlung in Regression gebracht
werden.
33
In einigen Fällen gelingt dies jedoch nicht, sei es weil die Behandlung zu spät oder
inadäquat durchgeführt wurde. Aber auch eine zeitgerechte, adäquate Behandlung
kann weitere Komplikationen nicht immer verhindern. Die häufigste Komplikation
sind Blutungen aus den Gefäßneubildungen in den Glaskörperraum und die
Traktionsablatio. Damit ist ein massiver Visusverlust verbunden. Die
Glaskörperchirurgie wirkt sich positiv auf den weiteren Verlauf der Erkrankung aus,
da die Proliferationsneigung nach Vitrektomie gering ist. Die Vitrektomie erlaubt
intraoperativ eine Laserkoagulation und die Diffusion von Sauerstoff zu den inneren
Netzhautschichten ist erleichtert. Funktionell bleiben die Ergebnisse enttäuschend, da
die Netzhaut schwer geschädigt ist.
Als letzte Maßnahme bei schmerzhafter Erblindung (Phthisis bulbi) bleibt die
Enukleation. Trotz der Fortschritte in der Therapie des Diabetes ist die Prognose der
Patienten immer noch durch eine relativ hohe Exzessmortalität getrübt. Eine
moderne Therapie zielt dabei nicht nur auf die Verbesserung der Lebenserwartung
sondern genauso auf die Lebensqualität der Betroffenen. Die Therapie des Diabetes
mellitus muss in das medizinische Gesamtkonzept für jeden einzelnen Patienten
eingefügt werden. Auch nach volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten werden die
Kosten der Diagnostik und Therapie der diabetischen Retinopathie durch die
eingesparten Folgekosten der Erblindung mehr als ausgeglichen. Diese ökonomische
Betrachtungsweise ist der Medizin eigentlich fremd, aber angesichts der massiv
gestiegenen Kosten des Gesundheitswesens werden wir uns diesem Aspekt
zunehmend stellen müssen (Helbig et Bornfeld [42]). Es bedarf unverminderter
Anstrengungen, neue Ansätze für die Behandlung der Retinopathie zu finden. Aber
mindestens genauso wichtig und schwierig ist die Umsetzung des vorhandenen
Wissens in die Praxis.
34
2. Zielstellungen der Studie
Die Retinopathia diabetica stellt die häufigste Erblindungsursache im
Erwachsenenalter in den Industrienationen dar. Dabei ist die Mikroangiopathie eine
der häufigsten Komplikationen des Diabetes mellitus. Für eine Prävention,
Diagnostik und Therapie sind genaue Kenntnisse über die Prävalenz der Erkrankung
notwendig. Während die nichtproliferative Retinopathie sich bei ca. 90% aller
insulinpflichtigen Diabetiker nach einer Diabetesdauer von 15 bis 20 Jahren findet,
tritt die proliferative nach adäquater Diabetesdauer mit einer Prävalenz von 25% auf
(Klein et al [62]). Da die Retinopathie beim Typ 1 Diabetes vor der Pubertät äußerst
selten ist, die Latenzzeit zwischen Manifestation und Inzidenz der Retinopathie
6-8 Jahre beträgt, wird letztere auf den Typ 1 und 2 Diabetes mit Erkrankung im
mittleren und höheren Lebensalter übertragen, ohne dass basierte Daten zum
Ausschluss des steigenden Manifestationsalter als möglicher Risikofaktor für die
Retinopathieentwicklung erhoben wurden. Demzufolge wird der Einfluss des
Manifestationsalters auf die Inzidenz und Progression der Retinopathie in der
Literatur kontrovers diskutiert (Weber et al [117], Joner et al [49], Kalter-Leibovici
et al [51], Kostraba et al [68], Mc Nally et al [81]). Nachgewiesen werden soll der
Einfluss des Diagnosealters auf die Entwicklung der Retinopathie unter
Berücksichtigung der bekannten Risikofaktoren, d.h. trägt der physiologische
Alterungsprozess zum frühzeitigeren Auftreten der Retinopathie bei oder ist mit
steigendem Manifestationsalter die Frequenz und/oder der Grad der Ausprägung der
Risikofaktoren erhöht und die Prävalenz der Retinopathie ? Zeichnen sich
hinsichtlich der Retinopathieentwicklung Differenzen zwischen Typ 1 und 2
Diabetikern ab? Als Risikofaktoren sind die Diabetesdauer (0-10, 10-15, >15 Jahre),
HBA1c Konzentration (>9%, <9%) und die Hypertonie (>140 systolisch und/oder
90 mm Hg diastolisch) zu berücksichtigen. Weiterhin erfolgt eine Überprüfung, ob
durch die zusätzliche Existenz der Hypertriglyzerid-, Hypercholesterin-, der Hypo-
35
HDL-Cholesterinämie sowie der persistierenden Mikroalbuminurie ein additiver
Effekt auf die Retinopathieentwicklung nachzuweisen ist.
3. Material und Methoden
3.1. Patientengut
Basis der vorliegenden Analyse sind Diabetespatienten vom Typ 1 und 2 der Klinik
für Diabetes und Stoffwechselerkrankungen des Klinikums Karlsburg innerhalb des
Zeitraumes von 1989-1997, die zwischen dem 30. und 60. Lebensjahr an Diabetes
erkrankt waren. Von den erfassten 758 Patienten hatten 249 Patienten einen Typ 1
und 509 einen Typ 2 Diabetes. Von den letzteren wurden 97,5% mit Insulin
behandelt (s. Tab. 13).
Tab. 13: Klinische Charakteristika der Patienten (Mittelwert + Standardabweichung).
36
3.2. Parameter
Aus der im Klinikum Karlsburg vorhandenen computergestützten
diabetesspezifischen Datenbank wurden alle Patienten herausgefiltert, die einen
Aufenthalt im geforderten Zeitraum hatten und die zwischen dem 30. und 60.
Lebensjahr an Diabetes erkrankt waren. Über die Krankenakten der Patienten wurden
dann die Patienten herausgesucht, bei denen mindestens 3 Aufenthalte dokumentiert
und bei denen Angaben zur Retinopathie und deren zeitlicher Entwicklung
vorhanden waren. In die eigentliche Auswertung wurde nur der letzte Aufenthalt
einbezogen. Die vorherigen dienten dazu, die Zeit des ersten Auftretens einer
Retinopathie und von Stadienwechseln zu bestimmen. Gleichzeitig wurden die der
Datenbank entnommenen Parameter überprüft und ergänzt. Erfasst wurden
Parameter zu Anamnese, Therapie und Verlauf mikro-, makro- und neuropathischer
Komplikationen sowie Begleiterkrankungen.
Als Kriterien für die Klassifikation des Typ 1 und 2 Diabetes galten:
Diabetessymptomatik, ketoazidotische Stoffwechselentgleisung bei der
Manifestation, Insulinbedürftigkeit bei Diagnosestellung oder im ersten Jahr der
Erkrankung, C-Peptidnachweis und von ICA und/oder GAD-Antikörper.
Als Definition für Sekundärkomplikationen liegt für die Nephropathie eine konstante
Proteinurie (>500 mg/d) nach Mogensen (Mogensen et Christiansen [84]) zugrunde.
Die Diagnostik der Neuropathie erfolgte klinisch. Zu den erfassten Daten gehörten:
Körpergröße, -gewicht, BMI, HBA1, HBA1c, Triglyzeride, Cholesterol, HDL, AER,
minimaler und maximaler systolischer und diastolischer Blutdruck, Visus beider
Augen, Retinopathiestadien, Laserzeitpunkt und makroangiopathische
Komplikationen (z.B. Amputation, Infarkt). Die ophthalmoskopischen
Untersuchungen führten Fachophthalmologen der Greifswalder
Universitätsaugenklinik in Mydriasis durch. Abgesehen von wenigen Ausnahmen
erfolgten alle Untersuchungen durch den gleichen Untersucher. In die Auswertungen
37
gingen die Befunde des am stärksten von der Retinopathie betroffenen Auges ein.
Veränderungen des Augenhintergrundes im Sinne einer diabetischen Retinopathie
wurden anhand von Fundusuntersuchungen bei dilatierter Pupille durch
Ophthalmologen unter partiellem Einschluss der Fluoreszenzangiographie (FA) nach
den folgenden diagnostischen Kriterien ausgewertet (Seidlein et Herfurth [101]):
R0 opthalmologisch kein pathologischer Befund
RI vereinzelt MA und Sanguinationen
RII harte bzw. weiche Exsudate, geringe Blutaustritte, Makulopathie
RIII Gefäßneubildungen und/oder proliferative
Augenhintergrundsveränderungen ohne Einbeziehung des GK
RIV proliferative Uveo-Vitreo-Optikopathie
RV Erblindung
Die Untersuchung der Laborparameter wurde im klinisch-chemischen Labor des
Klinikums Karlsburg, Zentrum für Diabetes und Stoffwechselkrankheiten,
durchgeführt. Bis 1990 erfolgte die Bestimmung der Parameter Cholesterol, HDL-
Cholesterol, Triglyzeride und Serum-Kreatinin nach dem Arzneimittelbuch der DDR
(DAB 7 [17]). Ab 1990 wurden das Serum-Cholesterol mit dem Chol-PAP-
Monotest, die Triglyzeride mit dem GPO-PAP-Monotest und das Serum-Kreatinin
am Cobas Miras-Roche-Instrumental Basel bestimmt. Die HDL-Cholesterin-
bestimmungen wurden nach Präzipitation von VLDL- und LDL-Cholesterin mittels
Natriumphosphowolframat und Magnesiumchlorid im Überstand (Normbereich:
<50 mg/dl Männer; > 50 mg/dl Frauen) gemessen. Die Bestimmung der Blutglukose
erfolgte enzymatisch mit Hilfe der Enzymelektroden-Methode ESAT 66602. Die
Bestimmung des HBA1 wurde säulenchromatographisch am Diamat Bio-Rad
München durchgeführt. Die HBA1-Werte wurden bei der Aufnahme in die Klinik
zur Bewertung der ambulanten Stoffwechselsituation bestimmt. Das glykosylierte
38
Hämoglobin (HBA1c) war mit Hilfe der HPLC-Methode bestimmt worden
(DIAMAT, Bio-Rad-Laboratories; Normwerte<6,4%; 6,5 bis 8% gute
Stoffwechselkompensation). Die Normwerte der angewandten Methoden sind
identisch. Die Messung der Albuminexkretionsrate (AER) erfolgte mittels
Enzymimmunoassay. Im Verlauf der stationären Behandlung wurden wenigstens in
drei Urinproben die Mikroalbuminausscheidung in nächtlichen Urinsammelperioden
zwischen 22.00 und 6.00 Uhr bestimmt. Als Mikroalbuminurie wurden Messwerte
von 20 bis 200 µg/min bei wiederholten Messungen und nach Ausschluß eines
Harnwegsinfektes definiert. Die Einteilung der AER erfolgte auf Basis der
Mittelwerte von 3 nächtlichen Urinsammelproben zwischen 22.00 bis 6.00 Uhr.
Normoalbuminurie: <19,9 µg/min
Mikroalbuminurie: 20-199 µg/min
manifeste Nephropathie: > 200 µg/min
Die Auswertungen beziehen sich auf den höchsten Wert aller während des jeweiligen
stationären Aufenthaltes gemessenen Laborparameter.
Die Regeldiagnostik der arteriellen Hypertonie umfasst drei tägliche
Blutdruckmessungen mit adäquater Manschettenbreite durch das Pflegepersonal. Die
Messung des Blutdrucks wurde am sitzenden Patienten nach 15 Minuten Ruhe
vorgenommen. Das Ablesen des diastolischen Wertes erfolgte beim völligen
Verschwinden der Korotkoff-Geräusche. Die Blutdruckwerte des Aufnahmetages
wurden nicht berücksichtigt. In die Subgruppe der Hypertoniker wurden alle
Patienten mit einem Blutdruck >140/90 mm Hg bzw. alle Patienten mit der
klinischen Diagnose Hypertonie unabhängig von deren Kompensation durch
Antihypertensiva eingeordnet.
39
3.3. Studiendesign
Die Studienkohorte (758 Patienten) ist durch folgende Merkmale charakterisiert:
• Mindestens 3 Aufenthalte im Klinikum Karlsburg innerhalb des Zeitraums
1989-1997.
• Diabetesmanifestation erfolgte zwischen dem 30. und 60. Lebensjahr.
• Es sind eindeutige Befunde zur Entwicklung des Diabetes und der
Retinopathie sowie von Laborbefunden vorhanden.
Für diese Kohorte wurde der Morbiditätsstatus der diabetischen Komplikationen per
letztem Aufenthalt aus den Krankenakten bestimmt. Erfasst wurden neben den
Stammdaten die zeitliche Abfolge für das Auftreten der Retinopathiestadien,
Parameter zur Beurteilung der Stoffwechselgüte und des Lipidstoffwechsels sowie zu
mikro- und makroangiopathischen diabetischen Komplikationen.
Aus der Kenntnis der berechneten Prävalenzen und der empirischen Vorgabe, ein
erhöhtes relatives Risiko für die Entwicklung der Retinopathie nachweisen zu
wollen, wurde eine Stichprobengröße von je 202 Probanden für eine in die Kohorte
eingebettete Fall-Kontroll-Studie kalkuliert. Zu 202 randomisierten, völlig
komplikationsfreien insulinpflichtigen Diabetikern (Kontrollen) wurden aus der
Gesamtkohorte 202 retinopathiebehafteten Patienten (Fälle) mit gleichem
Manifestationsalter, Diabetesdauer, Geschlecht und dem Diabetestyp randomisiert
gematcht. Von diesen Fällen wurden aus den Krankenhausakten der
Risikofaktorenstatus, d.h. die Höhe der paraklinischen Werte zum Glukose- und
Lipidstoffwechsel, sowie der Blutdruck zum Zeitpunkt ihrer Komplikationsfreiheit
bestimmt. In die Risikoanalyse des Fall-Kontroll-Designs wurden alle Parameter
involviert, die im Querschnitt eine signifikante Assoziation zur Zielerkrankung
Retinopathie lieferten (Hypertonie, Cholesterol, Triglyzeride) und die in ihrem
pathogenetischen Einfluß auf die Retinopathie als kausal belegt gelten (HBA1).
40
3.4. Statistik
Die statistischen Berechnungen erfolgten mit dem Programmpaket SPSS für
Windows. Die beschreibenden Statistiken beinhalten in den einzelnen Gruppen für
die metrischen Variablen die Berechnung von Mittelwert und Standardabweichung
(SD). Da die AER nicht normal verteilt ist, wurde hier das geometrische Mittel mit
dem zugehörigen Bereich des Standardfehlers (SEM) angegeben. Die Parameter
BMI, AER, HBA1, Triglyzerid, Cholesterol und HDL-Cholesterol wurden
entsprechender Normwerte klassifiziert. Unterschiede zweier Gruppen wurden mit
dem t-Test bzw. bei der AER mit dem U-Test von Mann-Whitney auf Signifikanz
geprüft. Ein Vergleich mehrerer Gruppen erfolgte über die Varianzanalyse
(ANOVA). Bei signifikanten Unterschieden wurden die Differenzen zwischen den
einzelnen Gruppen mittels multipler Vergleiche festgestellt. Dabei wurde das
Signifikanzniveau mittels der Bonferroni-Korrektur an die mehrfachen Vergleiche
angepasst. Der Vergleich von Häufigkeiten kategorialer Daten erfolgte mit dem Chi-
Quadrat-Test. Bei den durchgeführten Testen wurde ein p-Wert<0,05 als signifikant
angesehen.
Zur Aufdeckung von Zusammenhängen des Auftretens einer Retinopathie mit
Einfluss- und Assoziationsfaktoren wurden logistische Regressionen und die Cox-
Regression durchgeführt.
Die multiple logistische Regression findet bei dichotomen Zielvariablen
Anwendung. Zielvariable oder abhängige Variable ist die Retinopathie mit den
Ausprägungen nicht vorhanden bzw. vorhanden. Als Einflussfaktoren werden
Manifestationsalter (MA) in 10-Jahresklassen (30-39, 40-49, 50-60 Jahre), die
Diabetesdauer (DD) nach einer Zehner- in 5-Jahresklassen (0-9, 10-14, 15-19, 20
und mehr Jahre) eingeteilt, um entsprechende relative Risiken (Odds Ratios) für die
gebildeten Klassen zu erhalten. Eine Klassifizierung der Patienten nach
Manifestationsalter und Diabetesdauer wird in Tab. 14 dargestellt:
41
Tab. 14: Klassifikation der Patienten nach Manifestationsalter und Diabetesdauer.
Vergleichsgruppen sind jeweils die Klassen mit den niedrigsten Manifestationsalter
bzw. der niedrigsten Diabetesdauer. Die Analysen werden für die beiden
Diabetestypen getrennt durchgeführt. Ziel ist die Schätzung der Wahrscheinlichkeit p
für die Zuordnung zu einer der beiden Kategorien der abhängigen Variablen. Sie
wird berechnet mit: p = 1/( 1+ e-z
) mit z = b0 + b1 * MA + b2 * DD.
Die unbekannten Regressionskoeffizienten b0, b1 und b2 werden bei der Regression
geschätzt. Vorteil der logistischen Regression ist zum einen, dass keine Annahmen
über die Verteilung der Einflussfaktoren notwendig sind, und zum anderen, dass die
Regressionskoeffizienten als relatives Risiko oder Odds Ratio interpretiert werden
können: log odds = log ( p/1-p) = b0 + b1 * MA + b2 * DD
d.h. wenn die Einflußvariable um eine Einheit wächst, wächst der Logarithmus des
Odds Ratio um den zugehörigen Regressionskoeffizienten.
Zur weiteren Analyse der Abhängigkeit des Auftretens einer Retinopathie von MA
und DD wird die Cox-Regressionsanalyse durchgeführt, die zu den Survival- oder
Lebensdaueranalysen gehört. Zielvariable ist wieder das Auftreten einer Retinopathie
bzw. das Auftreten eines bestimmten Retinopathiestadiums, das in seinem zeitlichen
Ablauf dokumentiert wurde. Dazu sind von allen Patienten die Zeitintervalle von der
Manifestation des Diabetes bis zum Auftreten des definierten Retinopathiestadiums
bestimmt worden. Für Patienten, bei denen das Ergebnis nicht auftritt, ist das
zugrunde gelegte Zeitintervall die Beobachtungszeit, d.h. die Dauer der bisherigen
Erkrankung (Diabetesdauer). Bei der Analyse ist der Einbezug mehrerer
Einflussvariablen (Kovariaten) möglich. Als Einflussvariablen werden neben
Manifestationsalter und Diabetesdauer die Albuminurie, Body Mass Index (BMI),
42
HBA1c, Hypertonie, Cholesterol, Geschlecht und die Neuropathie verwendet. Die
stetigen Variablen Manifestationsalter, Diabetesdauer, AER und BMI sind vorher
entsprechend von Normwerten klassifiziert und anschließend als Dummy- oder
indikatorkodierte Variablen verwendet worden. Dadurch wird die Zugehörigkeit oder
Nichtzugehörigkeit zu einer Kategorie definiert. Als Referenzkategorie wird jeweils
die niedrigste Klasse der Variablen gewählt. So gibt es z.B. beim Manifestationsalter
die beiden Dummyvariablen 40-49 und 50-59 Jahre, Referenz- oder
Vergleichskategorie ist die Klasse 30-39 Jahre. Das Verfahren wird mit
Rückwärtsselektion durchgeführt, welches zunächst den Einschluss aller
Einflussvariablen bedeutet. Die Variablen werden so lange eliminiert, bis eine
signifikante Verschlechterung der Modellgüte eintritt. Die Berechnungen wurden
zunächst nur mit Einschluss von Manifestationsalter und Diabetesdauer
durchgeführt, die eine prospektive Voraussage ermöglichen. Der weitere Einschluss
der übrigen Einflussvariablen, die aus der Querschnittsstudie stammen und daher
nicht zum Manifestationsbeginn gehören, liefert daher keine prospektiven
Schätzungen sondern nur Hinweise zur bestehenden Assoziation. Die zugrunde
gelegten Retinopathiestadien bei der logistischen- und Cox-Regression bedeuten das
entsprechende Stadium und die darüber liegenden. Das Erreichen des Stadiums RII
schließt so die Stadien RII, RIII und RIV ein.
4. Ergebnisse
4.1. Frequenz der Retinopathie beim Typ 1 und 2 Diabetes in Abhängigkeit
vom Manifestationsalter und von der Diabetesdauer
Die klinischen Erfahrungen vermitteln häufig den Eindruck, dass bei Patienten mit
Diabetes mellitus Typ 2 nach einer kürzeren Krankheitsdauer bereits einschneidende
Veränderungen am Augenhintergrund sicher diagnostizierbar sind. Der Abb. 8 und
den Tab. 1a und 2a sind die Verteilungen der Retinopathiestadien in Abhängigkeit
vom Manifestationsalter zu entnehmen.
43
Abb. 8: Frequenz der Retinopathiestadien beim Typ 1 (A) und 2 (B) Diabetes in
Relation zum Manifestationsalter (* p<0,05; ** p<0,01 im Vergleich zur
MAK 50-59 J.).
Beim Typ 1 Diabetes unterscheiden sich in allen Klassen des Manifestationsalters die
Verteilungen der Retinopathie nicht. Im Gegensatz dazu vermindert sich beim Typ 2
Diabetes mit steigendem Manifestationsalter die Prävalenz der Retinopathie.
Dieses gilt auch für die proliferative Retinopathie. Die proliferativen
Retinopathiestadien nehmen mit zunehmendem Manifestationsalter tendentiell ab.
Die Prävalenz der Retinopathie steigt mit wachsender Diabetesdauer signifikant an
(siehe Abb. 9, Tab. 3a und 4a). Nach über 15 Jahren währender Erkrankung beträgt
sie beim Typ 1 85,8% und beim Typ 2 81,5%. Dabei steigt die Prävalenz von
Klasse zu Klasse beim Typ 1 signifikant an. Beim Typ 2 ist ein Anstieg erst nach
über 15 Jahren nachweisbar, wobei berücksichtigt werden muss, dass die Prävalenz
bei einer Diabetesdauer von 0-9 Jahren beim Typ 2 im Vergleich zum Typ 1
signifikant erhöht ist (35,6% bzw. 14,1%; p<0,01).
44
Abb. 9: Frequenz der Retinopathiestadien beim Typ 1 (A) und 2 (B) Diabetes in
Abhängigkeit von der Diabetesdauer. °° p<0,01 vs. DDK 10-14 J.,
** p<0,01 vs. DDK 15+ J.).
Die unterschiedliche Abhängigkeit der Retinopathieprävalenz von
Manifestationsalter und Diabetesdauer ist gut aus Abb. 10 zu ersehen. Beim
Manifestationsalter scheinen die Unterschiede nur zufällig zu sein im Gegensatz zur
Diabetesdauer, bei der mit längerer Erkrankung die Prävalenz signifikant ansteigt.
45
Abb. 10: Prävalenz der Retinopathie in Relation zum Manifestationsalter und zur
Diabetesdauer beim Typ 1 (A) und 2 (B) Diabetes.
46
4.2. Einfluss von Manifestationsalter und Diabetesdauer auf die
Retinopathiefrequenz, analysiert mittels logistischer Regression
Die Ergebnisse der logistischen Regression zur Abhängigkeit von
Manifestationsalter und Diabetesdauer auf das Vorhandensein einer Retinopathie
sind in den Abb. 11 und 12 als Odds Ratios graphisch dargestellt.
Abb. 11: Odds Ratio für eine Retinopathie bei Typ 1 und 2 Diabetikern in
Abhängigkeit vom Manifestationsalter, analysiert mittels logistischer
Regression.
Bei beiden Diabetestypen hat eine Manifestation in den 3 gebildeten Klassen
zwischen dem 30. und 60. Lebensjahr keinen Einfluss auf die Entwicklung einer
diabetischen Retinopathie. Das Risiko steigt nicht an. Anders ist es hinsichtlich der
Diabetesdauer. Im Vergleich zu 0-9 Jahren besteht bei den Typ 1 Diabetikern ein
erhöhtes Risiko bereits nach 10-14 Jahren der Erkrankung (OR=3,91; p<0,01) und
steigt bei einer Krankheitsdauer von über 20 Jahren auf 71,2 (p<0,01) an.
Beim Typ 2 tritt ein erhöhtes Risiko erst nach 15-19 Jahren der Erkrankung
(OR=6,6; p<0,01) auf und steigt nach über 20 Jahren auf 8,81 (p<0,01) an.
47
Abb. 12: Odds Ratio für eine Retinopathie bei Typ 1 und 2 Diabetikern in
Abhängigkeit von der Diabetesdauer, analysiert mittels logistischer
Regression, ** p<0,01 vs. Diabetesdauer-Klasse 0-9 J.
4.3. Frequenz von kardiovaskulären Risikofaktoren sowie mikro- und
makroangiopathischen Komplikationen in Relation zum Diabetestyp
Zwecks Beantwortung der Frage, welche Risikofaktoren in die Cox-
Regressionsanalyse neben dem Manifestationsalter und der Diabetesdauer
einbezogen werden sollten, wurde deren Häufigkeit bei beiden Diabetestypen
bestimmt.
Die bei einer gleichen mittleren Diabetesdauer von 16,1 Jahren ermittelten
Frequenzen von retinopathieassoziierten Einflussgrößen sind der Tab. 5a zu
entnehmen. Im Vergleich zu den Typ 1 Diabetikern haben Typ 2 Diabetiker eine
signifikant erhöhte Prävalenz an Hypertonie, Adipositas und pathologischen
Lipidparametern. Eine Ausnahme ist nur die Frequenz der schlechten metabolischen
Kontrolle (HBA1c-Wert), erklärbar als dominierender Einweisungsgrund bei beiden
48
Diabetestypen zur Stoffwechseloptimierung. Dieses Ergebnis steht in Einklang mit
der Prävalenz der mikroangiopathischen Komplikationen und der Neuropathie (siehe
Abb. 13). Alle Formen der Mikroangio- und Neuropathie sind im Vergleich zum
Typ 1 Diabetes beim Typ 2 Diabetes in signifikant höherer Frequenz präsent. Bei
beiden Diabetestypen dominiert die Neuropathie (mit 74% beim Typ 2 und 62%
beim Typ 1), gefolgt von der Retinopathie (mit 65% und 56%), Mikro- (31% und
22%) und Makroalbuminurie ( 22% und 8%).
Abb. 13: Frequenz der autonomen und peripheren Neuro- und Retinopathie, Mikro-
(AER 20-200 µg/min) und Makroalbuminurie (AER>200 µg/min) beim
Typ 1 und 2 Diabetes ( * p<0,05, ** p<0,01 vs. Typ 1 Diabetes).
Eindrucksvoll wiederspiegeln Abb. 14 und Tab. 6a die höhere Frequenz der
diabetischen Folgeerkrankungen und kardiovaskulären Risikofaktoren beim Typ 2
Diabetes. Bei einer gleichen mittleren Diabetesdauer von 16 Jahren sind bei den
Typ 2 Diabetikern auch die makroangiopathischen Komplikationen signifikant
stärker ausgeprägt als bei Typ 1 Diabetikern.
49
Abb. 14: Frequenz der makroangiopathischen Komplikationen bei Typ 1 und Typ 2
Diabetikern nach einer mittleren Diabetesdauer von 16 Jahren;
* p<0,05; ** p<0,01 vs. Typ 1 Diabetes.
4.4. Resultate der Cox-Regressionsanalyse zum Einfluss von Risikovariablen auf
die Erkrankungswahrscheinlichkeit an Retinopathie
Die Entwicklung der Retinopathie unter Berücksichtigung seines zeitlichen
Auftretens wird mit dem Cox-Regressionsmodell untersucht. Die Ergebnisse sind in
den Tab. 7a-12a und den Abb. 15-26 zu entnehmen.
Zunächst wurde die Abhängigkeit vom Manifestationsalter untersucht, welches eine
prospektive Schlussfolgerung zulässt. Sowohl beim Typ 1 als auch beim Typ 2 lässt
sich mit wachsendem Manifestationsalter ein signifikant höheres Risiko der
Retinopathieerkrankung nachweisen. Dieses gilt sowohl für das Auftreten einer
Retinopathie überhaupt und für das Stadium R II (s. Abb. 15 – 20, Tab. 7a und
50
10a). Das Stadium R III brachte wegen der geringen Prävalenz keine signifikanten
Ergebnisse.
Abb. 15: Lebenszeitanalyse des kumulativen Risikos der R I bei Typ 1 Diabetikern
in Abhängigkeit vom Manifestationsalter.
Abb. 16: Lebenszeitkurven der kumulativen Erkrankungswahrscheinlichkeit an R II
bei Typ 1 Diabetikern in Relation zum MA.
51
Abb. 17: Lebenszeitanalyse zum kumulativen Risiko des Auftretens der R I bei
Typ 2 Diabetikern in Relation zum MA.
Abb. 18: Lebenszeitkurven der kumulativen Erkrankungswahrscheinlichkeit an R II
bei Typ 2 Diabetikern in Abhängigkeit vom MA.
52
Abb. 19: Odds Ratio (OR) der Erkrankungswahrscheinlichkeit an Retinopathie in
Relation zum Manifestationsalter bei Typ 1 (A) und 2 (B) Diabetikern.
Die Erkrankungswahrscheinlichkeit an Retinopathie in Relation zum
Manifestationsalter bei Typ 1 und 2 Diabetikern zeigt die Abb. 19.
Vergleichskategorie ist jeweils die Manifestationsalterklasse 30-39 Jahre mit einem
Vergleichsrisiko von 1. Beim Typ 2 Diabetes steigt das Risiko für eine R I und R II
gleichmäßig auf 1,57 ( p<0,01) an. Dagegen wächst das Risiko beim Typ 1 Diabetes
ungleichmäßig, bei der R I über 1,49 (p<0,05) auf 1,43 (n.s.) und bei der R II über
1,79 (p<0,01) auf 2,10 (p<0,01) (s. Tab. 7a und 10a).
Die Ergebnisse der Cox-Regression werden durch die retinopathiefreie Zeit, d.h. der
Zeit von der Manifestation des Diabetes bis zum Auftreten der Retinopathie,
bestätigt. Mit wachsendem Manifestationsalter wird diese Zeit immer geringer. Beim
53
Typ 1 ist die Abhängigkeit nur tendentiell, beim Typ 2 verringert sich diese von 15,5
auf 11,6 Jahre ( p<0,01) (s. Tab. 13a).
Der Einschluss weiterer Einflussfaktoren in die Cox-Regression dient zum Nachweis
von Assoziationen mit dem Retinopathiestadium. Dabei haben Hypertonie, HBA1c,
Neuropathie, Cholesterol und das Geschlecht neben dem Manifestationsalter keine
signifikante Beziehung zur Entwicklung einer Retinopathie. Dieses gilt für beide
Diabetestypen. Anders sieht es mit dem Einfluss von der AER und dem BMI aus.
Der Typ 1 Diabetes ist assoziiert mit der AER (s. Abb. 20-23 und Tab.9a).
Abb. 20: Lebenszeitkurve zum kumulativen Erkrankungsrisiko an R I bei
Typ 1 Diabetikern in Abhängigkeit von der Existenz einer Mikro-
(AER 20-200µg/min) bzw. Makroalbuminurie (AER>200µg/min).
Im Vergleich zur Normoalbuminurie steigt das Risiko bis zur Gruppe der
Makroalbuminurie für eine R I auf 1,82 (p<0,05), für eine R II auf 2,28 (p<0,01) und
für eine R III auf 3,38 (p<0,05) an. Dafür bleibt nur für das Retinopathiestadium II
die gleichzeitige Beziehung zum Manifestationsalter erhalten, während in den
anderen die Beziehung des Manifestationsalters auf Grund des größeren Einflusses
der AER wegfällt .
54
Abb. 21: Lebenszeitkurven der kumulativen Erkrankungswahrscheinlichkeit an R II
bei Typ 1 Diabetikern in Relation zur Normo-, Mikro- und Makro-
albuminurie.
Abb. 22: Lebenszeitanalyse zum Einfluss der Mikro- (AER 20-200 µg/min) und
Makroalbuminurie (AER>200µg/min) auf das Erkrankungsrisiko an
R III / IV bei Typ 1 Diabetikern.
55
Abb. 23: Effekt der Mikro- (AER 20-200µg/min) und Makroalbuminurie
(AER>200 µg/min) auf das Erkrankungsrisiko an R III/IV beim
Typ 2 Diabetes.
Beim Typ 2 Diabetes besteht eine gleichzeitige Assoziation von Manifestationsalter
und BMI zu den Retinopathiestadien R I und R II (s. Abb.24 und Tab. 12a).
Abb. 24: Lebenszeitanalyse zum kumulativen Erkrankungsrisiko an einer R I bei
Typ 2 Diabetikern in Abhängigkeit vom BMI.
56
Abb. 25: Überlebenszeitanalyse zur Erkrankungswahrscheinlichkeit an R II bei
Typ 2 Diabetikern in Relation zum BMI.
Abb. 26: Einfluß von BMI und Manifestationsalter auf die Lebenszeitkurven des
kumulativen Erkrankungsrisikos an R I bei Typ 2 Diabetikern.
Die Risiken sind für beide Stadien in der Höhe vergleichbar. Sie steigen im
Vergleich zur Gruppe mit einem BMI<25 in der Gruppe mit einem BMI>30 auf 1,56
57
(p<0,05) bei der R I und auf 1,67 (p<0,01) bei der R II an (s. Tab. 12a).
Bei Typ 1 Diabetikern lassen sich zusätzlich zu Manifestationsalter und AER keine
Beziehungen zu HBA1c, Hypertonie und BMI nachweisen (s. Tab. 8a und 11a).
Demgegenüber ist beim Typ 2 Diabetes der hypertone diastolische Blutdruck zu den
Retinopathiestadien R I und R II (OR=1,02; p<0,01; s. Tab. 12a), und die
Makroalbuminurie zu R III (OR=2,75; p<0,01; s. Tab. 12a) assoziiert.
4.5. Ergebnisse der Fall-Kontroll-Studie
Fälle und Kontrollen sind nach Alter, Manifestationsalter, Diabetesdauer und
Geschlecht gematched, so dass in diesen Parametern keine Unterschiede vorhanden
sind.
Bei den Typ 1 Diabetikern betrug das Alter mit und ohne Retinopathie 53 und bei
den Typ 2 Diabetikern 59 Jahre. Das Manifestationsalter lag bei den
Typ 1 Diabetikern bei 39 und den Typ 2 Diabetikern bei 45 mit und ohne
Retinopathie. Die Diabetesdauer bei Typ 1 und 2 Diabetikern umfasste ca. 14 Jahre
bei retinopathiefreien Diabetikern und bei Diabetikern mit Retinopathie. Dabei
waren die Männer von Typ 1 Diabetikern in den genannten Gruppen zu 49%
betroffen und die Frauen zu 51%. Bei Typ 2 Diabetikern waren 38% Männer und
61% Frauen.
Das Risikofaktorenprofil bei den Patienten mit und ohne Retinopathie ist in den
Tab. 14a und 15a zu erkennen. Erstuntersuchungen erfolgten im retinopathiefreien
Stadium bei der Erfassung des Risikofaktorenprofils. Für die Diabetestypen wurden
unterschiedlich signifikante Risikofaktoren nachgewiesen. Bei der Bestimmung des
Zeitpunkts der Komplikationsfreiheit zum Risikofaktor Retinopathie erwies sich die
Sehschärfenentwicklung (Visus) bei Typ 2 Diabetikern (p<0,01) mehr als bei
Typ 1 Diabetikern (p<0,05) am bedeutungsvollsten. Eine Assoziation mit der
58
Retinopathie bei Typ 1 Diabetikern besteht zum Zeitpunkt der Insulinierung (p<0,05)
und der Hyper-Triglyzeridämie (p<0,05).
Die Signifikanz des Zeitpunktes der Insulinierung beim Typ 1 Diabetes ist ein
fraglich prognostischer Indikator für eine spätere Retinopathieentwicklung. Es ist
nicht erklärbar, dass die Insulinierung zum Zeitpunkt der Manifestation eine
pathogenetische Rolle für die Retinopathieentwicklung spielen soll. Die mittlere
Zeitdifferenzierung der Insulinierung zwischen beiden Gruppen des Typ 1 Diabetes
beträgt lediglich 0,27 Jahre (3,2 Monate), zwischen der retinopathiefreien
und –positiven Gruppe des Typ 2 Diabetes dagegen 0,72 Jahre (8,6 Monate) ohne
nachweisbare statistische Signifikanz der Differenz. Man könnte annehmen, dass
die sofortige Insulinierung zum Zeitpunkt der Manifestation Typ 1
Diabetiker betrifft, die ein stärker ausgeprägtes endogenes Insulindefizit besitzen und
dadurch bei diesen Patienten von Beginn der Erkrankung eine schlechtere
metabolische Kontrolle zu prognostizieren ist.
Neben dem Visus konnten beim Typ 2 Diabetes signifikante Unterschiede
nachgewiesen werden bei der AER, dem BMI und dem Gewicht (p<0,01).
Insgesamt ergab die Fall-Kontrollstudie eine signifikante Assoziation zur
Retinopathieentwicklung bei den kardiovaskulären Risikofaktoren Adipositas und
Hyper-Triglyzeridämie, der Makroalbuminurie, dem Zeitpunkt der Insulinierung und
der Visusentwicklung.
5. Diskussion
5.1. Studiendesign
Zwecks Erhalt von Beweisen für die Hypothese, gemäß der neben den etablierten
Risikofaktoren das Manifestationsalter und andere nicht gesicherte Risikovariablen
einen determinierenden Einfluss auf die Retinopathieentwicklung ausüben, wurden
59
an einem repräsentativen Krankengut entsprechende Daten analysiert. Die Erhebung
der Daten bei Typ 1 und Typ 2 Diabetikern erfolgte während der klinischen
Aufenthalte der Patienten im Zeitraum von 1989-1997, die mindestens 3 Mal in
dieser Zeit stattfanden. Ein Mangel der Patientenanalyse besteht darin, dass nach der
Wende bei einigen Parametern eine Umstellung der Labormethoden erfolgte,
demzufolge auf Querschnittsanalysen nach Konstanz der Bestimmungsmethoden
zurückgegriffen werden musste. Andererseits konnte, insbesondere im Hinblick auf
die Zielvariablen, eine Auswertung mit differenten statistischen Verfahren im Sinne
einer retrospektiven Follow-up-Studie erfolgen. Kritisch muss weiterhin erwähnt
werden, dass klinisch behandelte Patienten generell ein selektiertes Krankengut
darstellen. Die Aufnahmeindikationen waren vordergründig die
Stoffwechseldekompensation und/oder die Behandlung der mikro- und
makroangiopathischen Komplikationen. Das Krankengut spiegelt mit den
Prävalenzen der mikro-und makroangiopathischen Komplikationen und deren
Risikofaktoren nur bedingt die epidemiologische Situation in der Diabetespopulation
wider. Demzufolge ist bei der Interpretation der Resultate von einzelnen
Risikovariablen hinsichtlich ihres Effekts auf die Retinopathieentwicklung deren
überproportionale Präsenz im pathologischen Bereich zu berücksichtigen.
Zusammenfassend ist zu konstatieren, dass das Studiendesign Rückschlüsse auf die
Rolle einzelner Risikofaktoren bei der Inzidenz und Progression der Retinopathie des
Typ 1 und 2 Diabetes erlaubt, jedoch nicht die Aussagekraft einer prospektiven
Longitudinalstudie mit definierten Endpunkten unter Integration einer
Kontrollgruppe besitzt.
5.2. Rolle und Einfluss der Risikovariablen auf die Inzidenz und Prävalenz der
diabetischen Retinopathie
Nach 20jähriger Diabetesdauer weisen fast 100% der Patienten mikroangiopathische
Veränderungen der Retina auf (Burger [11]). Nach über 15 Jahren Diabetesdauer tritt
bei Typ 1 Diabetikern zu 86% und bei Typ 2 Diabetikern zu 82 % in unserer Studie
60
eine Retinopathie auf. In der Wisconsin-Studie (Klein et al [62]) wiesen nach über
20jähriger Diabetesdauer 71% der Patienten eine Retinopathie auf, bei 41% lag eine
proliferative Retinopathie vor. Die kumulative Häufigkeit der Retinopathie steigt bei
Typ 1 Diabetikern auf 90% nach 15 Diabetesjahren. Bei Typ 2 Diabetikern zeigt sich
die Häufigkeit der Retinopathie in unterschiedlicher Ausprägung, je nachdem, ob die
Patienten einer Insulintherapie bedurften oder nicht. Unsere Annahme des Einfluss
der Diabetesdauer auf die Prävalenz mikroangiopathischer Komplikationen zeigt sich
bestätigt. Die geringe Frequenz der Retinopathie bei diätetisch behandelten
Diabetikern im Vergleich zu insulinierten Typ 2 Diabetikern konnte bei unseren
Untersuchungen wegen des geringen Patientenanteils nicht nachgewiesen werden.
Die Prävalenz der Retinopathie steigt mit wachsender Diabetesdauer signifikant an.
Beim Typ 1 steigt die Prävalenz mit der Dauer der Erkrankung bis auf 85,9%
signifikant an. Die Prävalenz bei 0-9 Jahren Diabetes ist bei Typ 2 Diabetikern im
Vergleich zu Typ 1 Diabetikern signifikant erhöht. Dies könnte ein Hinweis auf die
zu späte Entdeckung des Typ 2 Diabetes sein. Übereinstimmend mit
Literaturangaben (Danielsen et al [18], Dwyer et al [23], Klein et al [55], Krolewski
et al [70], Lestradet et al [77] und Braun et al [10]) zeigen die Studienergebnisse bei
Typ 1 Diabetikern eine markante Zunahme der Prävalenz der nichtproliferativen
Retinopathie nach 10 Jahren sowie der proliferativen Retinopathie nach 15 Jahren
Diabetesdauer. Kollarits et al [66] nahm als Ursache für eine signifikant erhöhte
Retinopathie eine Unterschätzung der tatsächlichen Diabetesdauer durch ein
unbekanntes Intervall zwischen Erstmanifestation und -diagnose bei Typ 2
Diabetikern an, wobei in der Studie ein selektiertes Krankengut zur Verfügung stand.
Übereinstimmend mit Literaturangaben (Ballard et al [5], Dwyer et al [23], Nielsen
[88]) kommt es auch bei Typ 2 Diabetikern zu einem Anstieg der präproliferativen
Retinopathieprävalenz mit steigender Diabetesdauer. Die Prävalenz der
nichtproliferativen Retinopathie erreicht bis zu 15 Jahren Diabetesdauer nicht die
Vergleichswerte von Typ 1 Diabetikern. Aus diesem Befund lässt sich allerdings
61
kein im Vergleich zu Typ 1 Diabetikern geringeres Retinopathierisiko bei Typ 2
Diabetikern ableiten. Eher ist anzunehmen, dass die altersbedingte Mortalität
besonders bei Typ 2 Diabetikern Patienten mit fortgeschrittenen mikro- und
makroangiopathischen diabetischen Komplikationen sich unseren Untersuchungen
entzieht. Dadurch entstanden auch die Unterschiede in der Entwicklung der Odds
Ratios infolge der unterschiedlichen Prävalenz der untersten Klasse. Eine Analyse
höherer Retinopathiestadien mittels logistischer Regression waren wegen der
geringen Fallzahl und den relativ vielen Einflussklassen nicht möglich. Die
Retinopathie entwickelt sich bis zu einer Diabetesdauer von 15 Jahren
gleichläufig zum Manifestationsalter, d.h. je älter die Patienten bei
Diabetesmanifestation sind, desto größer ist die Prävalenz der Retinopathie nach
15 Jahren Diabetesdauer. Mit fortschreitender Erkrankungsdauer sind die Patienten
um so häufiger von proliferativen Retinopathieformen betroffen, je jünger sie bei der
Diabetesmanifestation waren. Demzufolge wächst das Retinopathierisiko mit
steigendem Manifestationsalter. Bei beiden Diabetestypen hat eine Manifestation in
den 3 gebildeten Klassen zwischen dem 30. und 60. Lebensjahr einen Einfluss auf
die Entwicklung einer diabetischen Retinopathie. Das Risiko steigt. Bei der
Beurteilung der Diabetesdauer zeigte sich im Vergleich zu 0-9 Jahren bei den Typ 1
Diabetikern ein erhöhtes Risiko bereits nach 10-14 Jahren der Erkrankung und bei
über 20 Jahren auf das 71,2-fache. Bei den Typ 2 Diabetikern tritt ein erhöhtes
Risiko erst nach 15-19 Jahren der Erkrankung auf und steigt nach über 20
Jahren auf 8,81 an.
Assoziationen von Retinopathie und Hypertonus wurden von verschiedenen Autoren
beschrieben. Klein et al [62], Bodansky et al [9], Hanna et al [40], Agardh et al [2],
Lewis et al [78] berichteten über eine positive Korrelation von Hypertonie und
proliferativer Retinopathie. Teuscher et al [108] und West et al [118] fanden den
systolischen Blutdruck als Risikofaktor für die Inzidenz der nichtproliferativen
Retinopathie. In einer Studie zur prospektiven Wertigkeit von Manifestationsalter,
62
Stoffwechsellage und Hypertonie für die Entwicklung der diabetischen Retinopathie
bei Typ 1 Diabetikern (Lehsten et al [75]) ergaben die Ergebnisse der logistischen
Regression aus der Fall-Kontroll-Stu die für hypertone Patienten ein um 64% höheres
Retinopathierisiko gegenüber normotonen Diabetikern. Die Ergebnisse der Cox-
Regression zeigen bei der Hypertonie keine signifikante Beziehung zur Entwicklung
der Retinopathie. Die Prävalenz der arteriellen Hypertonie unserer Studie beträgt
56% bei Typ 1 Diabetikern und 83% bei Typ 2 Diabetikern und bei anderen
Untersuchungen konnten 15-17% der Typ 1 Diabetiker (Kelleher et al [54], Norgaard
et al [90], Tarn et Drury [107]) bzw. 38-60% der Typ 2 Diabetiker (Kelleher et al
[54], Knuiman et al [64], Schmitz et Vaeth [99], Sprafka et al [103] eine arterielle
Hypertonie nachweisen. Grundlegende Unterschiede finden sich bei Typ 1 und 2
Diabetikern in der Vorkommenshäufigkeit der arteriellen Hypertonie in
Abhängigkeit von der Diabetesdauer. Während die Prävalenz der arteriellen
Hypertonie bei Typ 1 Diabetikern von 2,7% bei Diabetesmanifestation auf 34,9%
nach mehr als 29 Jahren ansteigt, beträgt die Hypertonieprävalenz bei Typ 2
Diabetikern bereits bei Erstdiagnose des Diabetes 50,6% und erhöht sich mit Alter
und Diabetesdauer auf 72% (Braun et al [10]). Die Prävalenz der arteriellen
Hypertonie steigt bei Typ 1 und 2 Diabetikern mit dem Auftreten von
Mikroalbuminurie und Proteinurie signifikant an (Braun et al [10]). Hanefeld et
Leonhardt [39] beschrieben bereits 1981 das metabolische Syndrom als ein Cluster
von Risikofaktoren, das die Atherogenese induziert.
Die Bedeutung des Risikofaktors Hyperglykämie ist in zahlreichen Untersuchungen
dokumentiert (Engerman et al [25], Engerman et Kern [26], Klein et al [55], Klein et
al [60], Kostraba et al [69], Pirart [95]) und schließlich durch die DCCT-Studie[109]
gesichert worden. Nach Untersuchungen von Kaplan [53] ist eine
Hypertriglyzeridämie besonders bei Vorliegen einer Hypertonie oder in Verbindung
mit Insulinresistenz und Hyperinsulinismus ein schwerwiegender Risikofaktor. In der
Fall-Kontrollstudie von Lehsten et al [75] konnte festgestellt werden, dass die
63
Erhöhung des HBA1 um 1% das Retinopathierisiko um 33% steigert. Wir konnten in
unserer Studie keinen signifikanten Effekt des HBA1c auf die
Retinopathieentwicklung nachweisen, da die Frequenz der schlechten metabolischen
Kontrolle (HBA1c) ein dominierender Einweisungsgrund bei beiden Diabetestypen
zur Stoffwechseloptimierung war. Die Befunde von Fischer et al [31] wie auch die
Beziehungen zwischen erhöhtem Cholesterinwert und Nüchternblutzucker
demonstrieren die Gefährdung der Patienten mit erhöhten Lipiden und haben
unmittelbare Praxisrelevanz. Typ 2 Diabetiker unserer Studie hatten zu 49% eine
Adipositas im Vergleich zu Typ 1 Diabetikern mit 15% und im Auftreten der
Hypertriglyzeridämie und der Hypo-HDL-Cholesterinämie ein doppelt so hohen
kardiovaskulären Risikoanteil. Die Frequenz des Auftretens der
Hypercholesterinämie zwischen Typ 1 und 2 Diabetikern war im Bereich von ca.
70-80% gleich hoch. Bei der Cox-Regression zeigten Hypertonie, HBA1c,
Neuropathie, Cholesterol und das Geschlecht neben dem Manifestationsalter keine
signifikante Beziehung zur Entwicklung der Retinopathie bei beiden Diabetestypen.
Die Frequenz der schlechten metabolischen Kontrolle (HBA1c) ist als dominierender
Einweisungsgrund bei beiden Diabetestypen zur Stoffwechseloptimierung erklärbar.
In unserer Fall-Kontroll-Studie erwies sich die Sehschärfenentwicklung bei Typ 2
Diabetikern mehr als bei Typ 1 Diabetikern als wichtigster Risikofaktor für die
Retinopathieentwicklung. Dabei war der Zeitpunkt der Insulinierung bei Typ 1
Diabetikern zum Manifestationszeitpunkt ein neuer Indikator für ein
Retinopathierisiko. Visusminderungen traten bei beiden Diabetestypen auf. Die
Zeitdifferenzierung der Insulinierung hat keinen pathogenetischen Effekt auf die
Retinopathieentwicklung. Aus ophthalmologischer Sicht gibt es keine Erklärung für
eine Retinopathiegefährdung bei Visusreduktion. Es zeigt sich eine signifikante
Assoziation zur Retinopathieentwicklung bei den kardiovaskulären Risikofaktoren
Adipositas und Hyper-Triglyzeridämie, der Makroalbuminurie, dem Zeitpunkt der
Insulinierung und der Visusentwicklung.
64
Literaturangaben zur Häufigkeit der diabetischen Nephropathie variieren in einem
weiten Bereich. Die Prävalenz der Mikroalbuminurie wird bei Typ 1 und 2
Diabetikern mit 12-40% angegeben (Norgaard et al [90], Parving et al [94], Tung et
Levin [113]). Eine Proteinurie ist bei 14-50% der Typ 1 Diabetiker (Andersen et al
[3], Danielsen et al [18] Kofoed-Enevoldsen [65], Parving et al [94], Tung et Levin
[113], West et al [118] und 19-30% der Typ 2 Diabetiker zu erwarten (Tung et Levin
[113], Uusitupa et al [114]). Die Prävalenz der Mikroalbuminurie beträgt bei den von
uns untersuchten Typ 1 Diabetikern 22% und bei Typ 2 Diabetikern 31%,
übereinstimmend mit Literaturangaben (Orchard et al [92]). Die Daten lassen eine
kausale Analyse möglicher Einflussfaktoren wie die Selektion durch kardiovaskuläre
Mortalität, den Übergang von einer inzipienten in eine Overt-Nephropathie bei einem
Teil der Patienten bzw. eine Abnahme der Inzidenz der Mikroalbuminurie nicht zu.
Übereinstimmend mit den Ergebnissen früherer Studien (Danielsen et al [18],
Kofoed-Enevoldsen [65], Krolewski et al [70], Orchard et al [92], Parving et al [94]
steigt die Prävalenz der persistierenden Proteinurie bei Typ 1 Diabetikern nach einer
Diabetesdauer von 15-19 Jahren deutlich an. Im Literaturvergleich ist die Prävalenz
der Proteinurie in den ersten 20 Jahren nach Diabeteserstdiagnose niedriger, nähert
sich aber nach mehr als 20 Jahren Diabetesdauer den Ergebnissen anderer
Untersucher an (Andersen et al [3], Danielsen et al [18], Parving [94]). Gries [34]
stellte fest, dass die Prävalenz der Neuropathie mit steigendem Alter, zunehmender
Diabetesdauer und bei langfristig unzureichender Güte der metabolischen Kontrolle
signifikant zunimmt, wo er als Korrelat mikrovaskuläre Komplikationen (Retino-
und Nephropathie) nannte. In unserer Studie ist die Neuropathie vergleichsweise zum
Typ 1 Diabetes beim Typ 2 Diabetes in signifikant höherer Frequenz präsent. Bei
beiden Diabetestypen dominiert die Neuropathie, gefolgt von der Retinopathie,
Mikro- und Makroalbuminurie. Aussagen zur Visusminderung und Makulopathie
sind in unserer Studie aus Mangel an einer nicht verfügbaren Dokumentation nicht
möglich.
65
6. Zusammenfassung
Nachgewiesen werden soll der Einfluss des Diagnosealters auf die Entwicklung der
Retinopathie unter Berücksichtigung der bekannten Risikofaktoren, d.h. trägt der
physiologische Alterungsprozess zum frühzeitigeren Auftreten der Retinopathie bei
oder ist mit steigendem Manifestationsalter die Frequenz und/oder der Grad der
Ausprägung der Risikofaktoren erhöht und die höhere Prävalenz der Retinopathie auf
das zunehmende Manifestationsalter zurückzuführen? Zeichnen sich hinsichtlich der
Retinopathieentwicklung Differenzen zwischen Typ 1 und 2 Diabetikern ab? Als
Risikovariablen wurden die Diabetesdauer (0-10, 10-15, >15 Jahre), die HBA1c-
Konzentration und die Hypertonie berücksichtigt. Weiterhin erfolgte eine
Überprüfung, ob durch die zusätzliche Existenz der Hypertriglyzerid-,
Hypercholesterin-, der Hypo-HDL-Cholesterinämie sowie der persistierenden
Mikroalbuminurie ein additiver Effekt auf die Retinopathieentwicklung
nachzuweisen ist.
Basis der Analyse sind Diabetespatienten vom Typ 1 und 2 der Klinik für Diabetes
und Stoffwechselerkrankungen des Klinikums Karlsburg. Durch ein
computergestütztes Datenerfassungssystem zur Dokumentation diabetologischer
Kenndaten aller von 1989-1997 behandelten Patienten wurden Parameter zu
Anamnese, Therapie und Verlauf mikro-, makroangio- und neuropathischer
Komplikationen sowie Begleiterkrankungen dokumentiert. Von den erfassten 758
Patienten waren 249 Patienten Typ 1- und 509 Typ 2 Diabetiker. Auf der Basis
dieser Daten wurden die Prävalenz der Retinopathie in der Kohorte sowie die
Prävalenzen der assoziierten Faktoren wie hyperglykämische Stoffwechsellage,
Hyperlipoproteinämie, Hypertonie etc. auch innerhalb der retinopathiefreien
Patientengruppe berechnet. Im Hinblick auf die Zielvariablen erfolgte eine
Auswertung mit differenten statistischen Verfahren im Sinne einer retrospektiven
Follow-up-Studie. Das Studiendesign erlaubt Rückschlüsse auf die Rolle einzelner
66
Risikofaktoren bei der Inzidenz und Progression der Retinopathie des Typ 1 und 2
Diabetes. Aus unserer Studie ergaben sich zusammengefasst folgende Ergebnisse:
• Im untersuchten Klientel betrug die Prävalenz der Retinopathie 62% nach
einer mittleren Diabetesdauer von 16 Jahren. Dabei überwogen die
präproliferativen (84%) gegenüber den proliferativen Stadien (16%). Typ 2
Diabetiker wiesen mit 65% im Vergleich zu Typ 1 Diabetikern (56%) eine
signifikant höhere Frequenz der Retinopathie auf.
• Auch alle anderen Formen der Mikroangiopathie und Neuropathie waren
beim Typ 2 Diabetes vergleichsweise zum Typ 1 Diabetes in signifikant
höherer Frequenz präsent. Bei beiden Diabetestypen dominierte die
Neuropathie, gefolgt von der Retinopathie, Mikro- und Makroalbuminurie.
• Als vorherrschender Risikofaktor für die Entwicklung der Retinopathie
konnte die Diabetesdauer bestätigt werden. Bei der prozentualen
Frequenzanalyse nach Diabetesdauerklassen stieg die Prävalenz beim Typ 1
Diabetes von Klasse zu Klasse kontinuierlich bis auf 85,8 % nach > 15-
jähriger Diabetesdauer an. Beim Typ 2 Diabetes war ein signifikanter
Anstieg erst nach > 15-jähriger Erkrankungsdauer auf 81,5 % zu
verzeichnen, wobei allerdings bereits in den ersten 9 Jahren nach der
Diabetesdiagnose eine signifikant höhere Retinopathiefreqenz von 28,8 %
im Vergleich zum Typ 1 Diabetes (14,1 %) nachgewiesen wurde.
• Gemäß den Ergebnissen der logistischen Regressionsanalyse stieg das
Erkrankungsrisiko an Retinopathie beim Typ 1 Diabetes auf 3,91 nach 10-
14-jähriger, auf 71,2 nach > 20-jähriger Diabetesdauer an. Bei Typ 2
Diabetikern betrug die Odds Ratio 6,6 nach 15-19-jähriger, 8,81 nach > 20-
jähriger Erkrankungsdauer.
• Entgegen den Resultaten der logistischen Regressionsanalyse konnte mittels
der Cox-Regressionsanalyse ein signifikant höheres Risiko zur
Retinopathieerkrankung mit ansteigendem Manifestationsalter bei beiden
67
Diabetestypen nachgewiesen werden. Dieses Ergebnis beinhaltet die
Verkürzung des Zeitintervalls zwischen der Manifestation bzw.
Diagnosestellung und der Inzidenz der Retinopathie mit zunehmendem
Alter.
•• Neben dem Manifestationsalter besteht beim Typ 1 Diabetes eine
Assoziation der Retinopathiestadien I-III zur Mikro- und
Makroalbuminurie, beim Typ 2 Diabetes zum diastolischen Blutdruck, BMI
und zur Makroalbuminurie. Keine signifikanten Beziehungen zur
Entwicklung der Retinopathie konnten für das HBA1c, die Neuropathie, das
Cholesterin und Geschlecht nachgewiesen werden.
•• Die Fall-Kontrollstudie zeigte beim Typ 1 Diabetes signifikante
Assoziationen der Retinopathieentwicklung zum verminderten Visus, zur
Hypertriglyzeridämie und zum Zeitpunkt der Insulinierung, wobei letzterer
als fragwürdiger prognostischer Indikator einer späteren
Retinopathieentwicklung beurteilt wird. Außer mit einem reduzierten Visus
war beim Typ 2 Diabetes die retinopathiepositive Gruppe der Fall-
Kontrollstudie mit einer signifikant höheren Mikroalbuminurie, einem
höheren Körpergewicht und BMI assoziiert.
Auch wenn noch einige Probleme einer Untersuchung bedürfen, weisen die hier
dargestellten und diskutierten Ergebnisse darauf hin, dass der physiologische
Alterungsprozess zum Auftreten der Retinopathie bei steigendem Manifestationsalter
beiträgt. Eine ernst zu nehmende Rolle bei der Entwicklung der Retinopathie haben
die Diabetesdauer und alle Formen der Mikroangio- und Neuropathie, die
kardiovaskulären Risikofaktoren, Adipositas und Hypertriglyzeridämie, die
Makroalbuminurie und der Insulinierungszeitpunkt. Hinsichtlich der Diagnostik
sollten der Visusentwicklung im Rahmen der Retinopathiebeurteilung Beachtung
geschenkt werden und der Optimierung der Stoffwechselparameter der ermittelten
Risikofaktoren.
68
7. Anhang
Tab. 1a und 2a:
Retinopathie in Abhängigkeit vom MA bei Typ 1 und 2 Diabetikern.
*p<0,05; **p<0,01 vs. MA 50-59 J.
Typ 1 Diabetes
absolut prozentual
R0 RI/2 R3/4 Gesamt R0 R1/2 R3/4
MA 30-39J. 66 67 19 152 43,4% 44,1% 12,5%
MA 40-49J. 23 34 4 61 37,7% 55,7% 6,6%
MA 50-59J. 20 12 4 36 55,6% 33,3% 11,1%
Typ 2 Diabetes
absolut prozentual
R0 R1/2 R3/4 Gesamt R0 R1/2 R3/4
MA 30-39J. 44 74 20 138* 31,9% 53,6% 14,5%
MA 40-49J. 72 145 18 235** 30,6% 61,7% 7,7%
MA 50-59J. 64 61 11 136 47,1% 44,8% 8,1%
69
Tab. 3a und 4a:
Retinopathie in Abhängigkeit von der Diabetesdauer bei Typ 1 und 2 Diabetikern.
°° p<0,01 vs. DDK 10-14J., ** p<0,01 vs. DDK 15+J.
Typ 1 Diabetes
absolut prozentual
R0 R1/2 R3/4 Gesamt R0 R1/2 R3/4
DD 0- 9J. 61 10 0 71**°° 85,9% 14,1% -
DD 10-14J. 30 20 1 51** 58,8% 39,2% 2,0%
DD 15+J.
18 83**
26**°°
127 14,2% 65,3% 20,5%
Typ 2 Diabetes
absolut prozentual
R0 R1/2 R3/4 Gesamt R0 R1/2 R3/4
DD 0-9J. 58 26 6 90** 64,4% 28,9% 6,7%
DD 10-14J. 68 50 9 127** 53,5% 39,4% 7,1%
DD 15+J. 54 204 34 292 18,5% 69,9% 11,6%
70
Tab. 5a:
Frequenz der kardiovaskulären Risikofaktoren(*p<0,05, **p<0,01).
Typ 1 Diabetes Typ 2 Diabetes Signifikanz
Hypertonie
(RR>140/90 mm Hg)
56%
83%
**
Adipositas
(BMI>30kg/m²)
15%
49%
**
Hypertriglyzeridämie
(>1,70 mmol/l)
38%
73%
**
Hypercholesterinämie
(>5,20 mmol/l)
68%
75%
*
Hypo-HDL-Cholesterinämie
(m.<0,9; w. <1,2mmol/l)
31%
60%
**
HBA1c
(>7,5%)
78%
84%
n.s.
Tab. 6a:
Prävalenz der Makroangiopathie(*p<0,05, **p<0,01).
Typ 1 Diabetes Typ 2 Diabetes Signifikanz
Diabetisches Fußsyndrom 8,0% 14,0% *
PAVK, KHK, Apoplexie 12,0% 18,5% *
Infarkt 6,0% 12,5% **
71
Tab. 7a:
Odds Ratio (OR) für das Auftreten der Retinopathiestadien in Abhängigkeit vom
Manifestationsalter bei Typ 1 Diabetikern(*p<0,05, **p<0,01 vs. MA 30-39J.).
Variable R I R II R III/IV
MA 30-39 J. 1,0 1,0 1,0
MA 40-49 J. 1,49* 1,79** 1,12 n.s.
MA 50-59 J. 1,43 n.s. 2,10** 2,17 n.s.
Tab. 8a:
Odds Ratio für das Auftreten der Retinopathiestadien in Abhängigkeit von
Manifestationsalter, HBA1c und Hypertonie bei Typ 1 Diabetikern (*p<0,05,
**p<0,01 vs. MA 30-39J.).
Variable R I R II R III/IV
MA 30-39 J. 1,0 1,0 -
MA 40-49 J. 1,49* 1,79** -
MA 50-59 J. 1,43 n.s. 2,09** -
Normotonie - - 1,0
Hypertonie - - 2,77 n.s.
72
Tab. 9a:
OR für das Auftreten der Retinopathiestadien in Abhängigkeit von
Manifestationsalter, BMI und AER bei Typ 1 Diabetikern(*p<0,05 vs. MA 30-39 J.,
+p<0,05, ++p<0,01 vs. AER<20µg/min).
Variable R I R II R III/IV
AER < 20µg/min 1,00 1,00 1,00
AER 20-200µg/min 1,24 n.s 1,33 n.s. 0,98
AER > 200µg/min 1,82+ 2,28++ 3,38+
MA 30-39 J. - 1,00 -
MA 40-49 J. - 1,78* -
MA 50-59 J. - 2,03* -
Tab. 10a:
OR für das Auftreten der Retinopathiestadien in Abhängigkeit vom
Manifestationsalter bei Typ 2 Diabetikern(*p<0,05, **p<0,01 vs. MA 30-39J.).
Variable R I R II R III/IV
MA 30-39 J. 1,00 1,00 1,00
MA 40-49 J. 1,33* 1,25 n.s. 0,64 n.s.
MA 50-59 J. 1,57** 1,57** 1,31 n.s.
73
Tab. 11a:
OR für das Auftreten der Retinopathiestadien in Abhängigkeit von
Manifestationsalter, HBA1c, Hypertonie, RR syst. und diast. bei Typ 2 Diabetikern
(*p<0,05, **p<0,01 vs. MA 30-39J., ++p<0,01 vs. RR diast. normoton).
Variable R I R II R III/V
MA 30-39 J. 1,00 1,00 1,00
MA 40-49 J. 1,35* 1,27 n.s. 0,62 n.s.
MA 50-59 J. 1,82** 1,83** 1,47 n.s.
RR diast. normoton 1,00 1,00 1,00
RR diast. hyperton 1,02++ 1,02++ 1,02 n.s.
HBA1c < 7,5% - - 1,00
HBA1c > 7,5% - - 1,12 n.s.
74
Tab. 12a:
OR für das Auftreten der Retinopathiestadien in Abhängigkeit von
Manifestationsalter, BMI und AER bei Typ 2 Diabetikern (*p<0,05; **p<0,01;
vs. MA 30-39J., +p<0,05; ++p<0,01; vs. BMI<25; °°p<0,01; vs. AER<20µg/min).
Variable R I R II R III/IV
MA 30-39 J. 1,00 1,00 -
MA 40-49 J. 1,38* 1,29 n.s. -
MA 50-59 J. 1,71** 1,72** -
BMI < 25 1,00 1,00 -
BMI 25-30 1,38 n.s. 1,45 n.s. -
BMI > 30 1,56+ 1,67++ -
AER < 20µg/min - - 1,00
AER 20-200µg/min - - 1,93 n.s.
AER > 200µg/min - - 2,75°°
Tab. 13a:
Retinopathiefreie Zeit bei Typ 1 und Typ 2 Diabetikern in Abhängigkeit vom
Manifestationsalter (* p<0,05, ** p<0,01 vs. MA 30-39 J.).
Typ 1 Typ 2
N Mittelwert + SD N Mittelwert + SD
MA 30-39 86 14,85 + 9,27 94 15,48 + 6,60
MA 40-49 38 12,13 + 5,01 n.s. 163 13,56 + 5,36*
MA 50-59 86 13,06 + 5,88 n.s. 72 11,60 + 5,76**
Gesamt 140 13,91 + 8,03 329 13,68 + 5,97
75
Tab. 14a:
Risikofaktorenprofil bei Patienten mit und ohne Retinopathie in der Fall-Kontroll-
Studie bei Typ 1 Diabetikern ( Mw + SD).
Typ 1 Diabetes
mit Retinopathie
(n=51)
ohne Retinopathie
(n=51)
p
Gewicht 77,30 ( + 15,0) 75,10 ( + 10,7) n.s.
BMI 26,40 ( + 4,2) 26,10 ( + 3,6) n.s.
RR syst. 131,80 ( + 11,8) 129,10 ( + 11,9) n.s.
RR diast. 81,50 ( + 8,4) 80,80 ( + 10,9) n.s.
Visus rechts 0,68 ( + 0,30) 0,80 ( + 0,27) < 0,05
Visus links 0,65 ( + 0,30) 0,79 ( + 0,29) < 0,05
HBA1 10,20 ( + 1,82) 9,90 ( + 1,61) n.s.
HBA1c 8,80 ( + 1,78) 8,40 ( + 1,39) n.s.
AER 22,1 (16,4-33,7) 13,1 (11,3-15,5) n.s.
TG 1,96 ( + 1,37) 1,42 ( + 1,26) < 0,05
HDL-Cholesterol 1,39 ( + 0,56) 1,47 ( + 0,51) n.s.
Insulinierung 0,18 ( + 0,52) 0,45 ( + 0,83) < 0,05
Cholesterol 5,83 (+ 1,69) 5,24 ( + 1,65) n.s.
76
Tab. 15a:
Risikofaktorenprofil bei Patienten mit und ohne Retinopathie in der Fall-Kontroll-
Studie bei Typ 2 Diabetikern (Mw + SD).
Typ 2 Diabetes
mit Retinopathie
(n=151)
ohne Retinopathie
(n=151)
P
Gewicht 87,50 ( + 14,20) 82,50 ( + 15,70) < 0,01
BMI 31,50 ( + 5,21) 29,60 ( + 5,10) < 0,01
RR syst. 135,30 ( + 9,40) 133,00 ( + 11,20) n.s.
RR diast. 84,70 ( + 9,80) 84,00 ( + 9,40) n.s.
Visus rechts 0,59 ( + 0,28) 0,75 ( + 0,24) < 0,01
Visus links 0,61 ( + 0,28) 0,73 ( + 0,27) < 0,01
HBA1 11,00 ( + 1,90) 10,60 ( + 1,95) n.s.
HBA1c 9,20 ( + 1,77) 8,90 ( + 1,78) n.s.
AER 45,10 (36,6-58,9) 20,9 (18,1-24,6) < 0,01
TG 3,18 ( + 2,62) 3,25 ( + 2,83) n.s.
HDL-Cholesterol 1,09 ( + 0,50) 1,07 ( + 0,41) n.s.
Insulinierung 6,70 ( + 4,32) 7,41 ( + 5,48) n.s.
Cholesterol 6,31 ( + 1,97) 6,14 ( + 1,81) n.s.
77
8. Literaturverzeichnis
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Eidesstattliche Erklärung
Hiermit erkläre ich, dass ich die vorliegende Dissertation selbständig und keine
anderen als die angegebenen Hilfsmittel benutzt habe.
Die Dissertation ist bisher keiner anderen Fakultät vorgelegt worden.
Ich erkläre, dass ich bisher kein Promotionsverfahren erfolglos beendet habe und
dass eine Aberkennung eines bereits erworbenen Doktorgrades nicht vorliegt.
Spremberg, März 2003
Lebenslauf
Persönliche Daten
Name Brux-Lischke Vorname Verena Geboren am 15.02.1964 Geburtsort Cottbus Familienstand verheiratet, 2 Kinder Nationalität deutsch Schulausbildung
1970-1978 Polytechnische Oberschule Welzow 1978-1982 Erweiterte Oberschule Spremberg /Abitur Berufsausbildung
1982-1983 Vorpraktikum im Krankenhaus Spremberg 1983-1988 Studium der Humanmedizin an der Universität Leipzig 1988-1989 Pflichtassistenz im Krankenhaus Spremberg 1989 Abschluss des Studiums als Diplommediziner 1990-1994 Facharztausbildung im Klinikum Hoyerswerda und
Görlitz 1994 Facharzt für Augenheilkunde 1994-1996 Dauerassistentin für belegärztliche Tätigkeiten bei
Herrn Dr. med. U. Sachsenweger seit 1996 Niederlassung als Augenärztin in Spremberg Spremberg, den 30.03.2003