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GfA (Hrsg.) 2012, Gestaltung nachhaltiger Arbeitssysteme 455 Auswirkungen unterschiedlicher Ladehilfsmittel beim Be- und Entladen von Verkehrsflugzeugen Claus BACKHAUS 1 , Karl-Heinz JUBT 1 , Markus POST 2 , Rolf ELLEGAST 2 und Christian FELTEN 1 1 Berufsgenossenschaft für Transport und Verkehrswirtschaft, Geschäftsbereich Prävention, Referat Ergonomie, Ottenser Hauptstraße 54, D-22765 Hamburg 2 Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen, Unfallversicherung, Referat Arbeitswissenschaft und Ergonomie, Alte Heerstraße 111, D-53757 St. Augustin Kurzfassung: Die Studie vergleicht die Arbeitsbelastung von 10 Flugzeugabfertigern beim Be- und Entladen von Verkehrsflugzeugen mit und ohne Ladehilfsmittel. Als Indikatoren für die Arbeitsbelastung wird der mittlere Arbeitspuls, die mittlere Handhabungszeit pro Ge- päckstück und die gemittelte Rumpfneigung der Abfertiger erfasst. Die Ergebnisse zeigen eine signifikante Verringerung des mittleren Ar- beitspulses beim Arbeiten mit Ladehilfsmitteln sowohl für das Be- als auch für das Entladen. Für die mittlere Handhabungszeit und die ge- mittelte Rumpfneigung ergaben sich keine signifikanten Verbesserun- gen. Der Einsatz von Ladehilfsmitteln führt zu einer Verringerung der physischen Arbeitsbelastung der Mitarbeiter und wird aus präventiver Sicht empfohlen. Schlüsselwörter: Be- und Entladen, Hilfsmittel, Flugzeugabfertiger. 1. Einleitung Beim manuellen Be- und Entladen von Verkehrsflugzeugen wird Luftfracht oder Flugreisegepäck mit Hilfe eines mobilen Förderbandes an die Ladeluke des Flug- zeuges befördert, dort von einem Mitarbeiter in kniender oder sitzender Körperhal- tung weiter geschoben oder geworfen und von einem weiteren Mitarbeiter im Lade- raum der Maschine gestapelt (vgl. Abbildung 1). Flugzeugabfertiger sind bei dieser Tätigkeit hohen Belastungen durch das manuel- le Handhaben von Gepäckstücken ausgesetzt. Zur Verringerung der Belastung wer- den unterschiedliche Ladehilfsmittel angeboten. In der Praxis haben sich besonders längenverstellbare Frachtraumförderbänder (z.B. Power-stow) (vgl. Abbildung 1) oder automatisch nachführbare Frachtraumböden (Sliding Carpet) etabliert. Die Studie analysiert Belastungen von Flugzeugabfertigern auf dem Flughafen Düsseldorf International, die beim Be- und Entladen mit und ohne die Ladehilfsmittel Power-stow und Sliding Carpet auftreten. Ziel der durchgeführten Felduntersuchung ist es, vorhandenen Unterschied zu erkennen und quantitativ zu bestimmen. 2. Methode Es werden 10 Probanden jeweils einmal beim Be- und Entladen mit und ohne La- dehilfen beobachtet. Als Indikatoren für die Arbeitsschwere werden der mittlere Ar-

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GfA (Hrsg.) 2012, Gestaltung nachhaltiger Arbeitssysteme 455

Auswirkungen unterschiedlicher Ladehilfsmittel beim Be- und Entladen von Verkehrsflugzeugen

Claus BACKHAUS1, Karl-Heinz JUBT1, Markus POST2, Rolf ELLEGAST2 und Christian FELTEN1

1 Berufsgenossenschaft für Transport und Verkehrswirtschaft, Geschäftsbereich Prävention, Referat Ergonomie,

Ottenser Hauptstraße 54, D-22765 Hamburg 2 Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen, Unfallversicherung,

Referat Arbeitswissenschaft und Ergonomie, Alte Heerstraße 111, D-53757 St. Augustin

Kurzfassung: Die Studie vergleicht die Arbeitsbelastung von 10 Flugzeugabfertigern beim Be- und Entladen von Verkehrsflugzeugen mit und ohne Ladehilfsmittel. Als Indikatoren für die Arbeitsbelastung wird der mittlere Arbeitspuls, die mittlere Handhabungszeit pro Ge-päckstück und die gemittelte Rumpfneigung der Abfertiger erfasst. Die Ergebnisse zeigen eine signifikante Verringerung des mittleren Ar-beitspulses beim Arbeiten mit Ladehilfsmitteln sowohl für das Be- als auch für das Entladen. Für die mittlere Handhabungszeit und die ge-mittelte Rumpfneigung ergaben sich keine signifikanten Verbesserun-gen. Der Einsatz von Ladehilfsmitteln führt zu einer Verringerung der physischen Arbeitsbelastung der Mitarbeiter und wird aus präventiver Sicht empfohlen. Schlüsselwörter: Be- und Entladen, Hilfsmittel, Flugzeugabfertiger.

1. Einleitung Beim manuellen Be- und Entladen von Verkehrsflugzeugen wird Luftfracht oder

Flugreisegepäck mit Hilfe eines mobilen Förderbandes an die Ladeluke des Flug-zeuges befördert, dort von einem Mitarbeiter in kniender oder sitzender Körperhal-tung weiter geschoben oder geworfen und von einem weiteren Mitarbeiter im Lade-raum der Maschine gestapelt (vgl. Abbildung 1).

Flugzeugabfertiger sind bei dieser Tätigkeit hohen Belastungen durch das manuel-le Handhaben von Gepäckstücken ausgesetzt. Zur Verringerung der Belastung wer-den unterschiedliche Ladehilfsmittel angeboten. In der Praxis haben sich besonders längenverstellbare Frachtraumförderbänder (z.B. Power-stow) (vgl. Abbildung 1) oder automatisch nachführbare Frachtraumböden (Sliding Carpet) etabliert.

Die Studie analysiert Belastungen von Flugzeugabfertigern auf dem Flughafen Düsseldorf International, die beim Be- und Entladen mit und ohne die Ladehilfsmittel Power-stow und Sliding Carpet auftreten. Ziel der durchgeführten Felduntersuchung ist es, vorhandenen Unterschied zu erkennen und quantitativ zu bestimmen.

2. Methode Es werden 10 Probanden jeweils einmal beim Be- und Entladen mit und ohne La-

dehilfen beobachtet. Als Indikatoren für die Arbeitsschwere werden der mittlere Ar-

bolz.margret
Schreibmaschinentext
Nachdruck mit freundlicher Genehmigung der GfA-Press aus: Gesellschaft für Arbeitswissenschaft (Hrsg.) 2012, Gestaltung nachhaltiger Arbeitssysteme - Wege zur gesunden, effizienten und sicheren Arbeit. Dortmund: GfA-Press, S. 455-458 [ISBN: 978-3-936804-12-6]

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beitspuls, die mittlere Handhabungsdauer der Gepäckstücke und die gemittelte Rumpfneigung der Flugzeugabfertiger beim Stapeln von Gepäckstücken im Lade-raum der Flugzeuge bestimmt.

Abbildung 1: Beladen eines Frachtraumes mit der Ladehilfe Power-stow (links) und ohne Ladehilfe

mit zwei Flugzeugabfertigern (rechts) Ein Merkmal für die Beanspruchung durch die Arbeit ist der Arbeitspuls (Frauen-

dorf et al. 2005). Er ergibt sich aus der Differenz zwischen der Herzfrequenz wäh-rend der Arbeitstätigkeit und der Herzfrequenz in Ruhe (Ruhepuls). Anhand der phy-siologischen Beanspruchung des Mitarbeiters kann auf die Arbeitsbelastung ge-schlossen werden. Die Herzfrequenz der Probanden wird mit Hilfe einer Pulsuhr (Fa. POLAR, Modell RS800sd) gemessen. Der Ruhepuls der Mitarbeiter wird zuvor in sit-zender Körperhaltung bestimmt.

Ein Bewertungskriterium ist die Zeit, in der ein Gepäckstück manuell gehandhabt wird. Zur Bestimmung der Handhabungszeiten wird die Arbeitstätigkeit der Flugzeu-gabfertiger auf Video dokumentiert und anschließend die Dauer vom Anfassen bis zum Loslassen eines Gepäckstückes ermittelt.

Die Körperhaltung und insbesondere die Rumpfneigung, die während der Ladear-beit eingenommen wird, ist zusätzlich ein wichtiger Aspekt zum Beurteilen der Ar-beitssituation. Mit zunehmender Rumpfneigung nimmt auch der Druck auf die Band-scheiben der Lendenwirbelsäule zu, selbst wenn noch keine Last gehandhabt wird. Es wird die Rumpfneigung in der Sagitalebene (Extension, Flexion) mit Hilfe des biomechanischen Bewegungsanalysesystems CUELA (Computerunterstützte Erfas-sung und Langzeitanalyse) aufgezeichnet. CUELA arbeitet personengebunden und wird über der Arbeitskleidung der Flugzeugabfertiger befestigt. Mit einer Frequenz von 50 Hz wird die Position der unteren Extremitäten und des Rückens kontinuierlich erfasst (Ellegast et al. 2010).

Die Daten werden deskriptiv ausgewertet und - bei ausreichender Stichproben-größe - in Paarvergleichen einem t-Test für unabhängige Stichproben unterzogen.

3. Ergebnis

3.1 mittlerer Arbeitspuls Abbildung 2 zeigt, dass der Arbeitspuls beim Arbeiten mit Ladehilfsmitteln ab-

nimmt. Der erfasste Mittelwertsunterschied beim Arbeiten ohne Hilfsmittel und dem

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Arbeiten mit dem Hilfsmittel Power-stow ist sowohl für das Be- als auch das Entladen statistisch signifikant (t-Test, p < 0.05). Für das Ladehilfsmittel Sliding Carpet wurden nur vier Messungen durchgeführt, so dass kein Signifikanztest durchgeführt wurde.

Abbildung 2: Mittlere Arbeitspulse (± SD) in Schlägen pro Minute

3.2 mittlere Handhabungszeit

Für die Handhabungszeit ergaben sich keine praxisrelevanten Verbesserungen

der mittleren Handhabungsdauern pro Gepäckstück bzw. keine signifikanten Mittel-wertsunterschiede (vgl. Abbildung 3).

Abbildung 3: Mittlere Handhabungsdauer pro Gepäckstück (± SD) in Sekunden

3.3 mittlere Rumpfneigung in Sagitalebene

Abbildung 4 zeigt, dass praktisch keine Unterschiede (Entladen) bzw. keine statis-

tisch signifikanten Unterschiede (Beladen) der Rumpfneigung aufgetreten sind (auf-grund der geringen Stichprobengröße von n = 4 wurde beim Hilfsmittel Sliding Carpet kein Signifikanztest durchgeführt).

4. Zusammenfassende Darstellung und Schlussfolgerung Die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung zeigen eine signifikante Verringe-

rung des Arbeitspulses beim Arbeiten mit Ladehilfsmitteln sowohl für das Be- als auch für das Entladen. Diese Verringerung ergibt sich mit hoher Wahrscheinlichkeit

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aus der verringerten Transportarbeit, da die Gepäckstücke nicht mehr über den Bo-den des Frachtraumes zum Flugzeugabfertiger an der Ladeluke geschoben werden müssen. Durch die automatische Beförderung des Gepäcks aus dem Frachtraum (Power-stow) bzw. die variabel einstellbare Gepäckraumtiefe (Sliding Carpet) entfällt dieser Arbeitsvorgang ebenso wie der benötigte Mitarbeiter an der Ladeluke.

Abbildung 4: Mittlere Rumpfneigung nach vorn [°]

Für die Handhabungszeit und die Rumpfneigung der Ladearbeiter ergaben sich

ebenfalls geringfügige Verbesserungen, die aber - wahrscheinlich aufgrund der ge-ringen Stichprobengröße und der sehr eingeschränkten Standardisierbarkeit der durchgeführten Felduntersuchung - nicht statistisch signifikant waren.

Beobachtet wurde, dass beim Einsatz der verwendeten Ladehilfe Power-stow die Laderampe am Kopf des Gerätes, die den Mitarbeiter vom Anheben des Gepäckstü-ckes befreit, häufig nicht eingesetzt wurde. Als Gründe wurden hierfür die Unkenntnis der sachgerechten Bedienung der Ladehilfe aber auch häufig auftretende technische Defekte der Laderampe benannt. Dadurch wird der Einsatz der Ladehilfe erschwert und die Effektivität des Gesamtsystems beinträchtigen. Durch eine Schulung der Mitarbeiter und eine weitere Verbesserung der technischen Verfügbarkeit der Lade-rampe können diese Defizite in Zukunft relativ einfach überwunden werden.

5. Literatur

1. Frauendorf, H., Pfister, E., Ulmer, H.V. & Wirth, D. 2000, Nutzung der Herzschlagfrequenz bei ar-beitswissenschaftlichen Untersuchungen, Leitlinien der Deutsche Gesellschaft für Arbeits und Umweltmedizin (DGAUM). Internet verfügbar unter: http://www.dgaum.de/index.php/publikationen/leitlinien/ leitlinienarbeitsmedizin/91-herzschlagfrequenz (letzter Zugriff: 24.11.2011).

2. Ellegast, R., Hermanns, I. & Schiefer, C. 2010, Feldmesssystem CUELA zur Langzeiterfassung und -analyse von Bewegungen an Arbeitsplätzen, Zeitschrift für Arbeitswissenschaft, 64, 101-110.