axiomatische beschreibung der euklidischen geometrie · sches system darzustellen. das werk zeigt...
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Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung 3
1.1 Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
1.2 Grundaussagen Euklids für alle Wissenschaften . . . . . . . . 4
1.3 Der Punktbegri� . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
1.4 Die geometrische Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
1.5 Schreibweise der Zwischenrelation . . . . . . . . . . . . . . . . 6
2 Die Anordnungsaxiome 8
2.1 Axiom A1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
Die unabhängige Zwischenrelation . . . . . . . . . . . . . . . 8
2.2 Axiom A2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
2.3 Axiom A3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
2.4 Axiom A4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
2.5 Axiom A5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
2.6 Axiom A6 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
2.7 De�nition: Strecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
2.8 De�nition: Gerade . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
2.9 Bemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
2.10 De�nition: Parallelität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
2.11 Axiom A7 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
2.12 Axiom A8 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
2.13 Bemerkung und De�nitionen: . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
2.13.1 De�nition: Halbgerade . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
2.13.2 De�nition: Halbebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
2.13.3 De�nition: Dreieck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
3 Kongruenzaxiome 18
3.1 De�nition: Distanzfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
3.2 Axiom M1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
3.3 Axiom M2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
3.4 Axiom M3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
3.5 Axiom M4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
3.6 De�nitionen: Isometrie und Kongruenz . . . . . . . . . . . . . 22
3.7 Bemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
3.8 Axiom M5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
3.9 Axiom M6 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
3.10 Satz: Zwischenrelation des Mittelpunkts . . . . . . . . . . . . 24
3.11 De�nitionen: Winkel und -kongruenz . . . . . . . . . . . . . . 25
3.12 Kongruenzsatz: SWS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
3.13 De�nition: Nebenwinkel und rechter Winkel . . . . . . . . . . 27
3.14 De�nition: Lot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
3.15 De�nition: Gegenwinkel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
1
3.16 Satz: Gegenwinkelkongruenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
3.17 Satz: Parallelenexistenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
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1 Einleitung
1.1 Hintergrund
Bereits sehr früh in ihrer Entwicklungsgeschichte haben sich die Menschen
mit Geometrie beschäftigt. Bereits in alten ägyptischen Aufzeichnungen wer-
den Fragen zu Dreiecken und Kreisen behandelt. Die ersten Versuche bekann-
te, intuitiv gefundene Zusammenhänge zu beweisen, machte der griechische
Philosoph Thales von Milet (etwa 624 - 547 v. Chr.). Er bewies meh-
rere geometrische Sätze, wobei es vielmehr wichtig ist zu beachten, dass er
erstmals eine Methode des Beweisens entwickelte.
Beim beweisen mathematischer Sätze nutzt man vorher bewiesene oder
getro�ene Aussagen aus denen man Neues ableitet. Auf diese Aussagen lassen
sich die Sätze dann auch zurückführen. Die Beweisnotwendigkeit der Sätze
besteht in der Selbstverständlichkeit, die für jede Person unterschiedlich ist
und hinterfragt werden kann. Somit sind aber bestimmte Aussagen nötig,
die zu Beginn bestehen und auf denen die Beweise fuÿen. Diese nennt man
auch Grundaussagen (Axiome) . Sie werden als gegeben angesehen und aus
ihnen sind die anderen geometrischen Eigenschaften und Sätze ableitbar.
Viele Jahre später schrieb der griechische Mathematiker Euklid von
Alexandria (ca. 365 - 300 v. Chr.) sein berühmtes Werk Elemente ,
welches das Wissen der damaligen griechischen Mathematik zusammenfasst.
Man sagt, die Elemente seien neben der Bibel das am zweithäu�gsten ge-
druckte Buch mit mehr als 1000 Au�agen. Sie bestehen aus 13 Büchern,
welche mitunter den ersten Versuch beinhalten, die Geometrie als theoreti-
sches System darzustellen. Das Werk zeigt erstmals den Aufbau der gesamten
Mathematik der Zeit, wobei die Aussagen aus einem begrenzten Vorrat von
De�nitionen, Postulaten und Axiomen hergeleitet und bewiesen werden.
Die Grundlagen lassen sich so auch in diese drei Kategorien aufteilen, wo-
bei De�nitionen die Erklärungen der auftretenden Begri�e, Axiome Grund-
aussagen aller Wissenschaften und die Postulate Grundaussagen auf die spe-
zielle Geometrie sind.
Ebenfalls wichtig zu beachten ist der signi�kante Unterschied zur ana-
lytischen Darstellung von geometrischen Elementen. Diese ist hauptsächlich
bekannt, da sie in den Schulen den Groÿteil der Unterrichtszeit genutzt wird.
Schülerinnen und Schüler lernen den axiomatischen Aufbau der Geometrie
selten bis gar nicht kennen und lassen sich im Allgemeinen von dem Glau-
ben leiten, die Geometrie sie der leichteste Bereich der Mathematik, da man
sich hierzu alles genau vorstellen und aufmalen kann. Dabei fördert gerade
die algebraische Herangehensweise an die Geometrie das Verständnis, was
überhaupt z.B. eine Strecke oder Gerade ist und stellt grundlegende Fragen,
wie z.B. ob es wirklich immer eine Parallele zu einer Geraden gibt oder was
überhaupt �gerade� bedeutet.
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In den folgenden Kapiteln geht es um diesen systematisierenden Aufbau
der euklidischen Geometrie. Dabei treten die eigentlichen Axiome Euklids
nur zu Beginn zusammengefasst auf und die Postulate, welche ja den Bezug
zur Geometrie ziehen, werden hier als Axiome bezeichnet. Diese Vorstel-
lung zeigt nur ein mögliches Axiomensystem für eine absolute geometrische
Ebene, es existieren viele unterschiedliche, jedoch äquivalente Zugänge. Un-
terschiede �nden sich beispielsweise darin, ob zuerst eine Zwischenrelation
oder die Begri�e Punkt und Gerade eingeführt werden. Danach folgen die
Anordnungsaxiome .
Das Parallelenaxiom ist kein Teil der absoluten Geometrie, es zeichnet
euklidische Ebene unter den geometrischen Ebenen aus. Seine Modi�kati-
on führt zur nichteuklidischen Elementargeometrie und ist somit nicht hier
enthalten.
1.2 Grundaussagen Euklids für alle Wissenschaften
Die hier aufgeführten Aussagen sind, wie oben erwähnt, die eigentlich als
Axiome bezeichneten:
1. Dinge, die demselben Ding gleich sind, sind einander gleich.
2. Fügt man zu Gleichem Gleiches hinzu, so sind die Summen gleich.
3. Nimmt man von Gleichem Gleiches hinweg, so sind die Reste gleich.
4. Was zur Deckung miteinander gebracht werden kann, ist einander gleich.
5. Das Ganze ist gröÿer als sein Teil.
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1.3 Der Punktbegri�
Geschichtliche gesehen gab es viele unterschiedliche Punktbegri�e und Ver-
suche diesen zu de�nieren. Um dies zu zeigen sind hier einige aufgeführt:
Plato (ca. 380 v. Chr.): Ein Punkt ist der Anfang einer Linie.
Aristoteles (ca. 340 v. Chr.): Ein Punkt ist eine unteilbare Einheit,
die eine Position besitzt.
Euklid (ca. 325 v. Chr.): Was keine Teile hat, ist ein Punkt.
Heron (ca. 50 n. Chr.): Ein Punkt ist, was keine Teile hat oder eine
Begrenzung ohne Dimension oder die Grenze einer Linie.
Simplicus (ca. 6. Jh. n. Chr.): Punkte sind Anfänge von Gröÿen
und das, woraus diese erwachsen. Weiterhin sind Punkte die einzigen
Objekte, die über eine Position verfügen.
Wenn man die letzte Bezeichnung genauer betrachtet, fällt schnell der vor-
her noch nicht erschienene Begri� der �Position� auf. Dieser deutet schon auf
eine analytische Beschreibung der Objekte, was unterstützt wird durch die
zeitliche Entfernung zu den anderen Versuchen.
Ebenso zeigt sich, dass keine exakte De�nition möglich ist, eher nur eine
Beschreibung. Das liegt daran, das man an dieser Stelle noch keine weiteren
Oberbegri�e oder Eigenschaften hat, um das Objekt zu beschreiben. Hier
tri�t die Beschreibung �aus dem Nichts de�nieren� zu, die Eigenschaft wird
also gefordert.
Neben diesen Punktbeschreibungen wird eine Linie beschrieben mit:
Eine Länge ohne Breite ist eine Linie.
1.4 Die geometrische Ebene
Bevor wir beginnen uns mit dem ersten Axiomen auseinanderzusetzen, muss
die Ebene auf der wir uns dabei be�nden beschrieben werden.
Die geometrische Ebene besteht aus:
• einer Menge P, deren Elemente wir Punkte nennen.
• einer Menge Z ⊂ P × P × P. Liegt das Tripel (A,B,C) von Punkten
aus P in Z, so werden wir davon sprechen, dass der Punkt B zwischen
den Punkten A und C liegt.
Letzteres Teil (Z) wird auch als Zwischenrelation bezeichnet.
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1.5 Schreibweise der Zwischenrelation
Nach der Einführung der Zwischenrelation oben, folgt hier kurz die später
genutzte mathematische Schreibweise:
Ist das Tripel (A,B,C) mit A,B,C ∈ P in Z enthalten, schreiben kann man
auch schreiben:
(A,B,C) ∈ Z
In Abb. 1 und 2 werden beispielhaft die Punkte A,B,C ∈ (P ) auf der Ebeneund in Z dargestellt.
[Abb.1]
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2 Die Anordnungsaxiome
Die erste Axiomgruppe, die sog. Anordnungsaxiome �xiert die Eigenschaft
der Teilmenge (Z) (der Zwischenrelation ). Es wird also der Begri� �zwi-
schen� erstmalig de�niert als Beziehung zwischen drei Punkten. Die Axiome
sind unabhängig voneinander, wobei nicht immer alle gelten.
2.1 Axiom A1
Es existieren drei verschiedene Punkte A0, B0, C0 ∈ P welche in keiner An-
ordnung in der Zwischenrelation Z liegen.
Dieses Axiom drückt aus, dass die �Dimension� von P mindestens zwei beträgt.(Siehe auch [Abb.1])
Wie vorher erwähnt setzen wir hier nun eine Bezeichnung zur weiteren Schreib-
weise der Zwischenrelation ein:
Die unabhängige Zwischenrelation
Es seien A,B,C ∈ P Punkte so, dass sie in einer beliebigen Anordnung in
der Zwischenrelation Z stehen. Somit liegt einer der Punkte zwischen den
anderen. Das nennt man die unabhängige Zwischenrelation . Diese kann man
schreiben als:
[A,B,C] ∈ Z
Analog dazu gilt:
[A,B,C] /∈ Z,
wobei hier keine Anordnung der Punkte A,B,C in der Zwischenrelation Zsteht.
2.2 Axiom A2
Liegt einer der Punkte A,B,C zwischen den anderen, so sind die drei Punkte
verschieden.
∀A,B,C ∈ P :
[A,B,C] ∈ Z ⇒ A 6= B 6= C 6= A
Wenn zwei Punkte nicht verschieden sind, sind sie gleich.
8
2.3 Axiom A3
Zu je zwei verschiedenen Punkten A und B, existiert ein Punkt C derart,
dass B zwischen A und C liegt.
∀A,B ∈ P ∃C ∈ P : (A,B,C) ∈ Z
Es existiert eine Zwischenrelation.Es existiert sogar mindestens ein Punkt. (Eigentlich ist es je nach Punktmengesogar nicht unwahrscheinlich, dass unendlich viele Punkte existieren, die in Zwi-schenrelation stehen zu zwei anderen beliebigen Punkten.)
[Abb.3]
2.4 Axiom A4
Liegt B zwischen A und C, so liegt B gleichfalls zwischen C und A.
Dies ist vergleichbar mit einer Symmetrie der Relation Z, hier mit den äuÿe-ren Punkten im Tripel der Zwischenrelation.
[Abb.4]
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2.5 Axiom A5
Sind A,B,C drei Punkte aus P, so liegt höchstens einer dieser Punkte zwi-
schen den anderen.
∀A,B,C ∈ P:
[A,B,C] /∈ Z ∨̄(A,B,C) ∈ Z ∨̄ (B,A,C) ∈ Z ∨̄ (A,C,B) ∈ Z
Es existiert also höchstens eine Zwischenrelation zwischen drei Punkten (unterBeachtung der Symmetrie).Dieses Axiom gilt aber vor allem, weil erst drei Punkte benötigt werden, damiteiner zwischen den anderen liegen kann.
2.6 Axiom A6
Liegt einer der Punkte A,B,C zwischen den beiden anderen und einer der
Punkte A,B,D auch zwischen den beiden anderen (A,B,C,D∈ P), so liegt
einer der Punkte B,C,D gleichfalls zwischen den beiden anderen.
∀A,B,C,D ∈ P :
[A,B,C] ∈ Z ∧ [A,B,D] ∈ Z ⇒ [B,C,D] ∈ Z
Dabei gilt A2 (Symmetrie).
[Abb.5] als BeispielAusgehend von diesen Axiomen wird de�niert:
2.7 De�nition: Strecke
Seien A,B ∈ P zwei verschiedene Punkte. Die Strecke AB besteht aus A,B
und allen zwischen A und B liegenden Punkten.
∀A,B ∈ P :
AB := {A,B} ∪ {C ∈ P|(A,C,B) ∈ Z}
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In Bezug zu A3:Angenommen wir be�nden uns im R2, dann existieren unendliche viele Punktein AB, also zwischen A und B.
[Abb.6]
2.8 De�nition: Gerade
Seien A,B ∈ P zwei verschiedene Punkte. Die Gerade G(A,B) besteht aus
A,B und allen Punkten C ∈ P mit der Eigenschaft, dass unter den Punkten
A,B,C einer zwischen den beiden anderen liegt.
∀A,B ∈ P :
G(A,B) := {C ∈ P|[A,B,C] ∈ Z} ∪ {A,B}
G(A,B) besteht also aus allen Punkten auf der Strecke AB, sowie den Punktendie auf den Verlängerungen der Strecke über A und B hinaus liegen.
[Abb.7]
Sowohl Strecke als auch Gerade sind Mengen von Punkten.Auÿerdem ist in der De�nition der Gerade enthalten, dass Punkte in Zwischen-relation auch auf einer gemeinsamen Geraden liegen.
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2.9 Bemerkung
Aus A3 und A6 lässt sich folgern:
• Durch je zwei verschiedene Punkte verläuft genau eine Gerade.
• Zwei Geraden schneiden sich höchstens in einem Punkt, sonst sind sie
identisch.
2.10 De�nition: Parallelität
Zwei Geraden G und G′ heiÿen parallel , falls sie gleich sind oder einen leeren
Durchschnitt haben, also G ∩ G′ = ∅.
[Abb.8]
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2.11 Axiom A7
Sind A,B,C ∈ P drei verschiedene, in keiner Zwischenrelation stehende Punk-
te und sind S ∈ P ein Punkt der Strecke AB, sowie T ein Punkt der Geraden
G(A,C), welcher nicht in der Strecke AC liegt, so enthält die Gerade G(S, T )mindestens einen Punkt der Strecke BC.
∀A,B,C ∈ P, [A,B,C] /∈ Z, S ∈ AB, T ∈ G(A,C) \AC :
∃R ∈ G(S, T ) : R ∈ BC
[Abb.9]
[Abb.10]
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2.12 Axiom A8
Sind A,B,C ∈ P drei in keiner Zwischenrelation stehende, verschiedene Punk-
te, so ist die Vereinigung aller Geraden, welche eine Ecke des Dreiecks4(A,B,C)und einen Punkt der zugehörigen Gegenseite enthalten, gleich der Ebene P.
∀A,B,C ∈ P, [A,B,C] /∈ Z :
P =⋃
S∈BC
G(A,S) ∪⋃
T∈AC
G(B, T ) ∪⋃
U∈AB
G(C,U)
[Abb.11]Mit A1 (�dim P ≤ 2�) zeigt A8, dass �dim P = 2�.
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2.13 Bemerkung und De�nitionen:
Mit den Anordnungsaxiomen lassen sich die Begri�e �Halbgerade�, �Halb-
ebene� und �Dreieck� de�nieren.
2.13.1 De�nition: Halbgerade
Eine Gerade wird durch jeden ihrer Punkte in zwei Halbgeraden geteilt.
Sei G eine Gerade in P, dann existiert ein beliebiger Punkt P ∈ G, der dieGerade teilt und ein weiterer, fester Punkt B ∈ G \ {B} (welcher eine Seiteidenti�zieren wird) so, dass für alle weiteren Punkte A ∈ G \ {P,B} genaueine der folgenden Zwischenrelationen gilt:
(P,A,B) ∈ Z ∨̄ (P,B,A) ∈ Z ∨̄ (A,P,B) ∈ Z
Das A in einer Zwischenrelation steht folgt aus der Geradende�nition 2.8.
Die Eindeutigkeit gilt nach A5.
[Abb.12]
Man kann sagen: �B liegt auf der einen Seite der Gerade�, somit auf einer
der Halbgeraden. So kann man die Halbgeraden de�nieren als:
~PB := {A ∈ G | (P,A,B) ∈ Z ∨ (P,B,A) ∈ Z} ∪ {B}~PB′ := {A ∈ G | (A,P,B) ∈ Z}.
Dabei liegt B in ~PB.
[Abb.12.1]Je nach Ansicht kann man mit kleiner Änderung P den Halbgeraden hinzufügen.
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2.13.2 De�nition: Halbebene
Jede Gerade zerlegt die Ebene P in zwei Halbebenen .
Für eine Gerade G kann man die Seiten (wie bei den Halbgeraden) mit einem
beliebigen, fest gewählten Punkt P ∈ P identi�zieren. Bezeichnet werden die
Halbebenen dann mit χ(G, P ) und χ′(G, P ), wobei P auf der Halbebene
χ′(G, P ) liegen soll. Folgend können die Halbebenen de�niert werden:
χ(G, P ) := {A ∈ P | ∃R ∈ G : (A,R, P ) ∈ Z},χ′(G, P ) := P \ [χ(G, P ) ∪ G].
[Abb.13]
Ob die Gerade selbst zu den Halbebenen gehört ist wieder Ansichtssache undkann schnell geändert werden.
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2.13.3 De�nition: Dreieck
Sind A,B,C ∈ P drei nicht auf einer Gerade liegende Punkte, so heiÿen die
Strecken AB, BC, AC die Seiten des Dreiecks . Die im Dreieck liegenden
Punkte sind diejenigen Punkte der geometrischen Ebene, welche auf einer
Strecke von einem Eckpunkt A zu einem Punkt P ∈ BC der Gegenseite
liegen.
Somit wird erst einmal ausgesagt:
∀A,B,C ∈ P, [A,B,C] /∈ Z :
∃4(A,B,C), wobei A,B,C vertauschbar
Das Dreieck de�nieren wird dann als alle Punkte, die innerhalb der Strecken
zwischen den Eckpunkten liegen:
4(A,B,C) := AB ∪ BC ∪ AC
[Abb.14]
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3 Kongruenzaxiome
Die folgende Axiomgruppe, die sog. Kongruenzaxiome, sind die Axiome des
Messens und der Stetigkeit . Dabei bedienen wir uns der Sprache der
metrischen Topologie . Es gilt ab hier die De�nition der Halbgerade mit dem
vorher die Gerade teilenden Punkt enthalten. Die Axiome sind ebenfalls
unabhängig voneinander, wobei nicht immer alle gelten.
3.1 De�nition: Distanzfunktion
Um die Ebene metrisch betrachten zu können benötigen wir zuerst die Di-
stanzfunktion, die den Abstand zweier Punkte ausgibt:
d : P × P −→ R1+ = [0,∞)
Die Zahl d(A,B) nennen wir den Abstand des Punktes A zum Punkt B . Die
Funktion wird weiterhin durch 3 Forderungen de�niert, die nun folgen.
Der Abstand d(A,B) verschwindet genau dann, falls die Punkte A = B gleich
sind.
∀A,B ∈ P : d(A,B) = 0 ⇔ A = B
Weiterhin sei der Abstand symmetrisch , d(A,B) = d(B,A) und genüge
der Dreiecksungleichung :
∀A,B,C ∈ P : d(A,B) ≤ d(A,C) + d(C,B)
[Abb.15]Die längste Seite eines Dreiecks ist kürzer oder gleichlang als die Summe deranderen beiden Seiten.
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3.2 Axiom M1
∀A,B,C ∈ P : Der Punkt C liegt in Strecke AB genau dann, wenn:
C ∈ AB ⇔ d(A,B) = d(A,C) + d(C,B)
[Abb.16]
Jeder Punkt auf der Strecke teilt diese in Teilstrecken, somit lässt sich jedeStrecke in Teilstrecken zerlegen, die Summe der Teilstrecken ergibt dann wiederdie Strecke. Es gilt auch:
(A,C,B) ∈ Z ⇔ d(A,B) = d(A,C) + d(C,B).
3.3 Axiom M2
Das Paar (P,d) ist ein vollständiger metrischer Raum .
D.h., dass jede Cauchy-Folge in P gegen einen bestimmten Punkt in P konver-giert. Somit gibt es keine �Löcher� im metrischen Raum. Das wird nach M6 auchnoch klarer weitergeführt.
3.4 Axiom M3
Seien G und G′ zwei sich in einem Punkt P schneidende Geraden. Weiterhin
seien A,A1 ∈ G und B,B1 ∈ G′ jeweils zwei Punkte auf diesen Geraden
derart, dass P zwischen A, A1 auf G und B,B1 auf G′ liegt. Gilt d(P,A) =d(P,A1) und d(P,B) = d(P,B1), so folgt d(A,B) = d(A1, B1).
G,G′ ⊂ P Geraden, G ∩G′ = P ∈ P,A,A1 ∈ G, B,B1 ∈ G′, (A,P,A1), (B,P,B1) ∈ Z:
d(P,A) = d(P,A1) ∧ d(P,B) = d(P,B1)⇒ d(A,B) = d(A1, B1)
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3.5 Axiom M4
Sind A,B,C ∈ P drei verschiedene, nicht in Zwischenrelation stehende Punkte
und A1, B1 ∈ P zwei weitere Punkte mit d(A,B) = d(A1, B1), so existiert ein
weiterer Punkt C1 ∈ P mit d(A,C) = d(A1, C1) und d(B,C) = d(B1, C1).
∀A,B,C,A1, B1 ∈ P, [A,B,C] /∈ Z, d(A,B) = d(A1, B1):
∃C1 ∈ P : d(A,C) = d(A1, C1) ∧ d(B,C) = d(B1, C1)
[Abb.18]
Mithilfe vor allem des letzten Axioms lässt sich nun eine bestimmte Art
Abbildungen beschreiben, die Abstände zwischen mehreren Punkten erhält.
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3.6 De�nitionen: Isometrie und Kongruenz
Eine Isometrie der geometrischen Ebene P ist eine bijektive Abbildung
f : P → P, die den Abstand zwischen den Punkten enthält, d.h.:
∀A,B ∈ P:
d(f (A),f (B)) = d(A,B)
f ∈ Iso(P), der Menge aller Isometrien über P
Zwei Teilmengen von P heiÿen kongruent , falls eine Isometrie existiert, die
diese Mengen bijektiv aufeinander abbildet.
M,M ′ ⊆ P kongruent ⇔ ∃f ∈ Iso(P) : f (M) = M ′
3.7 Bemerkung
Neben der Abstandserhaltung gilt für Isometrien auch die Erhaltung der
Zwischenrelation Z.
∀A,B,C ∈ P, f ∈ Isom(P) :
(A,B,C) ∈ Z ⇔ (f (A), f (B), f (C)) ∈ Z
3.8 Axiom M5
Sind A,B,C und A1, B1, C1 jeweils drei Punkte aus P und es gilt d(A,B)
= d(A1, B1), d(A,C) = d(A1, C1) und d(B,C) = d(B1, C1), so existiert ein
Isometrie f ∈ Iso(P) mit f (A)=A1, f (B)=B1 und f (C)=C1.
∀A,B,C,A1, B1, C1 ∈ P,d(A,B) = d(A1, B1), d(A,C) = d(A1, C1), d(B,C) = d(B1, C1) :
∃f ∈ Iso(P) : f (A) = A1, f (B) = B1, f (C) = C1
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[Abb.19]Dieses Axiom ist äquivalent zum Kongruenzsatz �SSS�. Der Kongruenzsatz erhältalso das Dreieck:
f (4(A,B,C)) = 41(A1, B1, C1).
3.9 Axiom M6
Für die Gerade G, Punkt P ∈ G und t∈ R>0 gibt es genau zwei Punkte
A1, A2 ∈ G so, dass d(P,A1) = d(P,A2) = t.
Gerade G ⊂ P:
∀P ∈ G ∀t ∈ R>0 ∃!A1, A2 ∈ G : d(P,Ai) = t
Den Punkt P nennt man so auch Mittelpunkt von A1A2 (Strecke).
[Abb.20]
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3.10 Satz: Zwischenrelation des Mittelpunkts
Zu zwei Punkten A1, A2 auf Gerade G ⊂ P gilt für den Mittelpunkt P die
Zwischenrelation so, dass (A1, P,A2) ∈ Z.
Beweis: Der Beweis kann sich alleine durch die Tatsache ergeben, dass P
auf der Strecke zwischen A1 und A2 liegen sollte (P ist schlieÿlich Mittel-
punkt dieser Strecke).
Da die zwei Punkte A1, A2 und der Punkt P auf G liegen, muss nach der
Geradende�nition 2.8 eine der folgenden Zwischenrelationen gelten:
(A1, P,A2) ∈ Z ∨̄ (P,A1, A2) ∈ Z ∨̄ (P,A2, A1) ∈ Z
Nach M1 gilt dabei:
(P,A1, A2) ∈ Z ⇔ d(P,A2) = d(P,A1) + d(A1, A2), bzw.(P,A2, A1) ∈ Z ⇔ d(P,A1) = d(P,A2) + d(A2, A1).
Hier folgt ein Widerspruch für (P,A1, A2) ∈ Z und (P,A2, A1) ∈ Z, danach M6 schon gilt d(P,A1) = d(P,A2), aber zusätzlich 3.1 besagt, dass
d(A1, A2) 6= 0, wegen der Verschiedenheit von A1 und A2.
�
Beweis (math. Schreibweise):
P,A1, A2 ∈ G, 2.8:
⇒ (A1, P,A2) ∈ Z ∨̄ (P,A1, A2) ∈ Z ∨̄ (P,A2, A1) ∈ Z
M1:
(P,A1, A2) ∈ Z ⇔ d(P,A2) = d(P,A1) + d(A1, A2), bzw.(P,A2, A1) ∈ Z ⇔ d(P,A1) = d(P,A2) + d(A2, A1).
M6: d(P,A1) = d(P,A2) 3.1: A1 6= A2 ⇔ d(A1, A2) 6= 0
�
Hierauf folgend kann man sagen, dass in jedem vollständigen metrischen
Raum ein Mittelpunkt zwischen zwei beliebigen Punkten existiert mit den
Eigenschaften aus M6 und dem letztem Satz.
24
3.11 De�nitionen: Winkel und -kongruenz
Ein sog. Winkel ](h, k) besteht aus einem Scheitelpunkt S ∈ P, sowie zweiaus ihm herauslaufenden Halbgeraden h und k .[h, k ⊂ P, h ∩ k = {S}]
[Abb.21]
Schreibweise: Wählt man beliebige Punkte A∈ h und B∈ k auf den
Halbgeraden, kann man Winkel auch umschreiben:
](h, k) = ](A,S,B) = ](B,S,A).
25
Zwei Winkel ](h, k) und ](h ′, k ′) sind kongruent , falls eine Isometrie
existiert, welche h in h ′ und k in k ′ überführt.
[Abb.22]
3.12 Kongruenzsatz: SWS
Seien4(A,B,C) und41(A1, B1, C1) zwei Dreiecke mit d(A,B) = d(A1, B1),d(A,C) = d(A1, C1) und ](B,A,C) = ](B1, A1, C1).Dann ist auch: d(B,C) = d(B1, C1) und somit nach SSS 4(A,B,C) kon-gruent zu 41(A1, B1, C1).
Beweis: Man lege 4(A,B,C) auf 41(A1, B1, C1) ab, dass A auf A1 liegt
und AB auf A1B1.
Da d(A,B) = d(A1, B1), muss auch B auf B1 liegen.
Mit ](B,A,C) = ](B1, A1, C1) liegt entweder AC auf A1C1 oder AC ist
A1C1 anA1B1 gespiegelt. Wir legen AC aufA1C1, sodass mit d(A,C) = d(A1, C1)auch C auf C1 liegt.
So ist auch d(B,C) = d(B1, C1), also4(A,B,C) kongruent zu41(A1, B1, C1).
26
3.13 De�nition: Nebenwinkel und rechter Winkel
Es sei ](h, k) ein Winkel. Wird die Halbgerade h durch h1 zu einer Geraden
ergänzt, nennt man ](k , h1 ) auch einen Nebenwinkel zu ](h, k).
[Abb.23]Ein rechter Winkel ist derjenige Winkel, der kongruent zu seinem Neben-
winkel ist.
[Abb.24]
27
3.14 De�nition: Lot
Aus der De�nition des rechten Winkels folgt:
Zu jedem Punkt P ∈ P auf einer Gerade G ⊂ P existiert eine Gerade L 6= G,die den Punkt P enthält und deren (von P ausgehenden Halbgeraden) l1, l2im rechten Winkel zu G stehen. Man nennt ein l auch Lot von G auf P.
Es gilt, dass alle (kleinsten) Winkel zwischen G und L rechte Winkel sind.
[Abb.Lot]
3.15 De�nition: Gegenwinkel
Es sei ](h, k) ein Winkel. Werden beide Halbgeraden h,k durch h1 und k1zu Geraden ergänzt, nennt man ](h1, k1) auch den Gegenwinkel zu ](h, k).
[Abb.25]
28
3.16 Satz: Gegenwinkelkongruenz
Es sei ](h, k) ein Winkel und ](h1, k1) sein Gegenwinkel. Dann gilt Kon-
gruenz zwischen den Winkeln.
Beweis: Die Halbgeraden h, h1; k, k1 bilden zusammen die Geraden H,Kmit Schnittpunkt H ∩K = {P}.Wir wählen Punkte A ∈ h ⊂ H, A1 ∈ h1 ⊂ H, B ∈ k ⊂ K, B1 ∈ k1 ⊂ Kso, dass: d(P,A) = d(P,A1) und d(P,B) = d(P,B1).
Dann gilt nach M3 :
d(A,B) = d(A1, B1).
Dabei sind die Winkel nach ihrer De�nition jetzt auch schreibbar als:
](h, k) = ](A,P,B), ](h1, k1) = ](A1, P,B1).Nach M5 sind dann die Dreiecke 4(P,A,B) und 4(P,A1, B1) kongruent
und somit auch die Winkel ](A,P,B), ](A1, P,B1).
�
Beweis (math. Schreibweise):
h ∪ h1 ∪ {P} = H, k ∪ k1 ∪ {P} = K, H ∩K = {P};Wähle A ∈ h ⊂ H, A1 ∈ h1 ⊂ H, B ∈ k ⊂ K, B1 ∈ k1 ⊂ K so,
dass: d(P,A) = d(P,A1) und d(P,B) = d(P,B1).
M3: d(A,B) = d(A1, B1),
M5: 4(P,A,B), 4(P,A1, B1) kongruent.⇒ ](A,P,B), ](A1, P,B1) (Schreibweise: s. Winkeldef.).
�
[Abb.26]
29
3.17 Satz: Parallelenexistenz
Zu jeder Geraden G und jedem nicht auf ihr liegenden Punkt A ∈ P existiert
mindestens eine zu G parallele Gerade durch den Punkt A.
Beweis: Wir de�nieren eine Lotgerade L = G(A,B′) von G durch einen
Punkt B'∈ G so, dass A∈ L.
Lotdef.: ](B′, B,A) kongruent zu ](N,B,A), ∀N ∈ G,2.9.2: G ∩ G(A,B′) = {B′},A3: ∃C ∈ G(A,B′)\{B′}: d(A,B′) = d(A,C) ∧ (B′, A,C) ∈ Z,⇒ ∃f ∈ Iso(P) : f (B′) = A, f (A) = C.Wir de�nieren: f (G) = G′ (G′ ∩ L = {A}).zz.: G ∩ G′ = ∅.
Annahme: G ∩ G′ = {D} ⇒ D ∈ G ⇒ f (D) ∈ G′.M5: ⇒41(A,B
′, D) kongruent zu 42(A,C, f (D)).M6: ∃E ∈ G′ : d(A,E) = d(B′, D) ∧ (E,A,D) ∈ Z.Nach Lotdef. sind die Winkel zw. G,L rechte und diese bleiben
beim abbilden mit f auf G′ erhalten. Mit ](C,A, f (D)) kongru-ent zu ](B′, A,E) folgt:SWS: 42(A,C, f (D)) kongruent zu 43(A,B
′, E). (Die Seiten-
gleichheit folgt aus Def. von E und AB' ist gleich.)
⇒ 41(A,B′, D) kongruent zu 43(A,B
′, E).M1 und Gleichheit Dreiecksseiten:
d(D,E) = d(D,A) + d(A,E) = d(D,B′) + d(B′, E)B,D ∈ G:⇒ E ∈ G⇒ G ∩ G′ = {D,E}2.9.2: G = G′ ! A /∈ G
�
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