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Page 1: Bauen in Zeiten der Energiewende

Fachthemen

DOI: 10.1002/dama.201300587

268 © Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Mauerwerk 17 (2013), Heft 5

Die Energiewende in Deutschland ist besonders geprägt durch die Maßnahmen im Gebäudebereich. Die Bundesregierung setzt dabei auf die Fortentwicklung der ordnungsrechtlichen Instrumente, wie der Energieeinsparverordnung (EnEV), finanzielle Anreize zur Sicherung zukunftsfähiger energetischer Standards und die Ent-wicklung von Effizienzhäusern Plus. Die Novelle der EnEV setzt insbesondere die überarbeitete EU-Richtlinie über die Gesamt-energieeffizienz von Gebäuden um. Für den Neubau verschärft die Novelle der EnEV die Anforderungen in zwei Schritten bis 2016 um 25 %. Für den Bestand sind keine Verschärfungen vorge-sehen. Das Effizienzhaus-Programm der Bundesregierung wird derzeit im Rahmen der Forschung um das „Effizienzhaus Plus“ er-weitert. Diese Gebäude können mehr Energie erzeugen als sie unter voller Nutzung verbrauchen. Der Energieüberschuss soll unter anderem für den Ausbau der Elektromobilität oder für die Quartiersversorgung zur Verfügung stehen. Erste Modellprojekte zeigen, dass dieses Konzept in der Praxis funktioniert.

Building at a time when Germany is transforming its energy system. Germany’s new energy strategy is characterized mainly by actions in the buildings sector. The Federal Government’s efforts are focused on evolving regulatory instruments such as the Energy Conservation Regulations (EnEV), on creating financial incentives to guarantee sustainable energy efficiency standards and on de-veloping “efficiency houses plus”. The amendment to the EnEV is in particular the implementation of the recast EC Energy Perfor-mance of Buildings Directive. It tightens energy efficiency require-ments for new buildings in two steps so that by 2016 their energy efficiency is improved by 25 %. It does not provide for stricter re-quirements for the existing building stock. As part of research, the “efficiency house plus” is currently added to the Federal Govern-ment’s efficiency house programme. These buildings are capable of producing more energy than they consume when used at full capac-ity. The surplus energy is to be used, among other things, to improve electric mobility or to supply a neighbourhood. The first pilot projects have already shown that this strategy works in practice.

1 Einführung, Rahmenbedingungen

Der Gebäudebestand ist mit etwas mehr als einem Drittel der größte Energieverbraucher der Volkswirtschaft und damit auch einer der Sektoren, die für den höchsten CO2-Ausstoß verantwortlich sind. Ein besonderer Schwerpunkt der Politik der Europäischen Union und der Bundesregie-

rung liegt deshalb ohne Zweifel auf der Reaktion auf den Klimawandel und der damit verbundenen Verbesserung der Energieeffizienz. Im Energiekonzept vom 28. 09. 2010 formuliert die Bundesregierung deshalb Leitlinien für eine umweltschonende, zuverlässige und bezahlbare Energie-versorgung und beschreibt erstmalig den Weg in das Zeit-alter erneuerbarer Energien. Gegenüber dem Jahre 2008 soll bis 2020 der Primärenergieverbrauch um 20 % und bis 2050 um 50 % sinken, der Anteil erneuerbarer Energien soll bis 2050 auf 60 % erhöht werden. Damit können die Treibhausgasemissionen in Deutschland bis 2050 um min-destens 80 % im Vergleich zum Jahre 1990 gemindert wer-den. Ohne wirkungsvolle Steigerung der Energieeffizienz und die vermehrte Anwendung erneuerbarer Energien im Gebäude- und Verkehrsbereich sind diese ambitionierten Energie- und klimapolitischen Ziele kaum erreichbar, da beide Sektoren 70 % des Gesamtenergieverbrauchs in Deutschland erfordern [1].

Dabei verlangt das Energiekonzept der Bundesregie-rung eine „ambitionierte Erhöhung der Effizienzstandards für Gebäude, soweit dies wirtschaftlich vertretbar ist“. Wirtschaftliche Vertretbarkeit ist seit jeher ein Eckpfeiler des Energieeinsparrechts und wurde – dafür hat sich das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwick-lung (BMVBS) mit Nachdruck eingesetzt – auch im Ener-giekonzept so bestätigt. Die letzte Novelle der Energieein-sparverordnung (EnEV) ist zum 1. 10. 2009 in Kraft getre-ten. Die Märkte haben sich auf diese Regelung eingestellt. Die geplante EnEV 2013 muss deshalb moderat, vernünf-tig und mit Augenmaß realisiert werden. Ein wichtiger Punkt der Weiterentwicklung ist dabei die Umsetzung der EU-Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäu-den.

2 Neue Anforderungen an das energiesparende Bauen durch die EU-Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden

Nachdem die Richtlinie am 18. 06. 2010 im europäischen Amtsblatt veröffentlich wurde, ist sie am 08. 07. 2010 in Kraft getreten [2].

Ein wesentlicher und herausgehobener Punkt in der Richtlinie ist die Definition des Standards „Niedrigstener-giegebäude“ und die Festlegung, diesen Standard verbind-lich für den Neubau in ganz Europa einzuführen. Dazu heißt es in Artikel 9 der Richtlinie:

Bauen in Zeiten der Energiewende

Hans-Dieter Hegner

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H.-D. Hegner · Bauen in Zeiten der Energiewende

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„Die Mitgliedsstaaten gewährleisten, dass a) bis 31. 12. 2020 alle neuen Gebäude Niedrigstenergiege-

bäude sind und b) nach dem 31. 12. 2018 neue Gebäude, die von Behör-

den als Eigentümer genutzt werden, Niedrigstenergie-gebäude sind.

Die Mitgliedsstaaten erstellen nationale Pläne zu Erhöhung der Zahl der Niedrigstenergiegebäude. Diese nationalen Pläne können nach Gebäudekategorien differenzierte Ziel-vorgaben enthalten.“

Dabei definiert Artikel 2 der Richtlinie das Niedrigst-energiegebäude. Es ist „… ein Gebäude, das eine sehr hohe … bestimmte Gesamtenergieeffizienz aufweist. Der fast bei Null liegende oder sehr geringe Energiebedarf sollte zu einem ganz wesentlichen Teil durch Energie aus erneuerbaren Quellen – einschließlich Energie aus erneuer-baren Quellen, die am Standort oder in der Nähe erzeugt wird – gedeckt werden.“ Das bedeutet, dass die berechnete oder gemessene Energiemenge, die benötigt wird, um den Energiebedarf im Rahmen der üblichen Nutzung des Ge-bäudes (Heizung, Kühlung, Lüftung, Warmwasser und Be-leuchtung) zu decken, so gering ist, dass er ohne Probleme durch erneuerbare Quellen am Gebäude gedeckt werden kann.

Die Europäische Union verlangt ihren Mitgliedsstaa-ten ab, dass sie ab 2021 – und bei öffentlichen Gebäuden ab 2019 – de facto nur noch Null- oder Plus-Energie-Häu-ser im Neubau zulassen. Die Neufassung der EU-Richtlinie muss in nationale Rechts- und Verwaltungsvorschriften umgesetzt werden. In Deutschland erfolgt dies auf Bundes-ebene. Betroffen sind dabei das Energieeinspargesetz und die darauf fußende Energieeinsparverordnung. Das bedeu-tet, dass mit der Novelle des Energieeinspargesetzes (EnEG) diese Anforderung bereits langfristig fortzuschreiben war. Der Deutsche Bundestag hat deshalb am 15. 05. 2013 das Vierte Gesetz zur Änderung des Energieeinsparungsgesetzes beschlossen. Das Gesetz passierte am 07. 06. 2013 den Bun-desrat. Der neu eingefügte § 2a gibt dabei im Wesentlichen die EU-Definition wieder. Die Bundesregierung wird wei-terhin ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustim-mung des Bundesrates die Anforderungen an die Gesamt-energieeffizienz von Niedrigstenergiegebäuden zu regeln, denen zu errichtende Gebäude genügen müssen. Investoren und Bauherren einschließlich der öffentlichen Hand haben damit einen klaren Zeitplan, um ihre Technologien und Kon-zepte für die Erfüllung einer derartigen Anforderung anzu-passen. Gleichzeitig muss gemeinsam mit der Wirtschaft erreicht werden, dass durch die Neu- und Fortentwicklung von Produkten solche Konzepte auch unter größtmögli-cher Wirtschaftlichkeit ermöglicht werden können.

Das Instrument des Energieausweises wird in der No-velle der Richtlinie weiter gestärkt. Im Kern geht es darum, dass der Energieausweis besser als Marktinstrument wirk-sam wird und eine größere Verbindlichkeit erhält. In Ver-kaufs- und Vermietungsanzeigen müssen zukünftig die maßgeblichen Energiekennwerte, die die Gesamtenergie-effizienz des Gebäudes beschreiben, angegeben werden. So soll der Focus im Immobilienmarkt stärker auf die Ener-gieeffizienz ausgerichtet werden. Die Akteure werden stär-ker gezwungen, diese Qualität transparent in ihr Marktge-baren einzubeziehen.

Im Zusammenhang mit der Energieausweis-Praxis sol-len auch die öffentlichen Hände weiter Vorbild sein. Sie sollen den im Energieausweis enthaltenen Empfehlungen auch entsprechend nachkommen. In diesem Zusammen-hang wird auch die Aushangpflicht von Energieausweisen für Behördengebäude erweitert. Bisher galt dies nur bei erheblichem Publikumsverkehr und einer Nutzfläche von mehr als 1000 m². Diese Bezugsfläche wird ab 2012 erst auf 500 m² und drei Jahre später auf 250 m² abgesenkt. Darüber hinaus müssen auch andere Gebäude, die einen starken Publikumsverkehr aufweisen, einen Ausweis über die Gesamtenergieeffizienz an einer für die Öffentlichkeit gut sichtbaren Stelle aushängen, sofern dieser Ausweis nach den Regularien der Richtlinie erstellt werden musste.

Auch die Verbesserung der Qualifikation des Personals für die Erstellung von Energieausweisen steht im Focus der Richtlinie. Die entsprechenden Fachleute sollen nach Artikel 17 der Richtlinie nur unter Berücksichtigung der festgelegten Fachkenntnis zugelassen werden. Mitglieds-staaten müssen der Öffentlichkeit Informationen über die Ausbildung und Zulassung geben. Darüber hinaus müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass regelmäßig aktuali-sierte Übersichten über die qualifizierten (oder zugelasse-nen) Fachleute zur Verfügung stehen.

Weiterhin müssen die Mitgliedsstaaten Kontrollsysteme einführen, um die Praxis der Energieausweisausstellung und der Inspektionsberichte für Heizungs- und Klimaanla-gen zu prüfen. Die Mitgliedsstaaten können diese Zustän-digkeit zwar auf unabhängige Einrichtungen delegieren, müssen aber der EU-Kommission regelmäßig über die Er-gebnisse dieser stichprobenartigen Kontrollen berichten.

3 Die Energieeinsparverordnung (EnEV) 2013, Fördermittel

Zum Zeitpunkt der Erstellung des Beitrages war der vom Bundeskabinett bereits im Februar 2013 beschlossene Ent-wurf der EnEV in der abschließenden Beratung im Bun-desrat [3].

Neben den Fragen zur Umsetzung der Richtlinie sind natürlich auch interne nationale Aufgaben zu bearbeiten. Der Kabinettsbeschluss zur Energiewende der Bundesre-gierung enthält einen Prüfauftrag zur Verschärfung von Anforderungen. Gleichzeitig hat die Planungspraxis und der verstärkte Einsatz neuer Technologien zur Fortschrei-bung der entsprechenden Norm DIN V 18599 „Energeti-sche Bewertung von Gebäuden“ geführt. Auch aufgrund der Vollzugspraxis durch die Bauaufsichtsbehörden der Länder war Änderungsbedarf entstanden. Die zahlreichen Erkenntnisse aus den Auslegungen zur Durchführung der Energieeinsparverordnung sollen in die Verordnung einge-arbeitet werden, um einen reibungslosen Vollzug zu ge-währleisten.

Die wichtigsten technischen Umstellungen sind – Verweisung der EnEV auf die Neuausgabe der DIN V

18599 vom Dezember 2011– Inbezugnahme neuer Klimadaten (neues langjähriges

Mittel; Referenzklima Potsdam) – Anpassung der Skalen im Energieausweis für Wohnge-

bäude– Einführung eines „vereinfachten Verfahrens“ für Wohn-

gebäude („EnEV-easy“)

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H.-D. Hegner · Bauen in Zeiten der Energiewende

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Für zu errichtende Nichtwohngebäude verweist die EnEV 2012 generell auf die DIN V 18599:2011-12 als Berech-nungsvorschrift. Die Neufassung der Norm war notwen-dig, um eine bessere praxisgerechte Anwendung zu reali-sieren. Insbesondere der Einsatz von Wärmepumpen bzw. von Systemen zur Nutzung erneuerbarer Energien wurde grundsätzlich überarbeitet. Bei Wohngebäuden bleibt die Dualität der Berechnungsverfahren zunächst noch erhalten. Sowohl die DIN V 18599 als auch die DIN 4108-6/DIN V 4701-10 sind alternativ anwendbar. Dies gilt jedoch nur bei ungekühlten Gebäuden.

Die Anforderungen an die Qualität der Hülle sollen mit der Referenzanforderung verknüpft werden. Der spe-zifische, auf die Wärmeübertragung Umfassungsfläche be-zogene Transmissionswärmeverlust eines zu errichtenden Wohngebäudes wird an den entsprechenden Wert des je-weiligen Referenzgebäudes gekoppelt.

Durch den Deutschen Wetterdienst wurde ein neues Testreferenzjahr zur Verfügung gestellt. Dabei zeigt die Aus-wertung der letzten 20 Jahre, dass die Außenlufttempera-turen zugenommen haben. Das bedeutet gleichermaßen, dass die Nutzenergie für das Heizen abnimmt und für das Kühlen zunimmt. Von den 15 Klimaregionen gilt der Wet-terdatensatz für Potsdam als Referenzklima.

Seit Inkrafttreten der EnEV vor gut zehn Jahren wird über Vereinfachungen für einfache Gebäude diskutiert. Das Land Baden-Württemberg hatte im Vorfeld der Novel-lierung der EnEV einen Vereinfachungsansatz für neue Wohngebäude vorgestellt („EnEV-easy“). Dabei geht es nicht um ein neues Rechenverfahren. Vielmehr wurden lediglich eine Vielzahl von Modellhäusern berechnet und diese Ergebnisse in einer Tabelle zusammengestellt. Ausge-hend von der Gebäudenutzfläche kann man verschiedene einzuhaltende U-Werte der Gebäudehülle mit entsprechen-den Anlagentechniken kombinieren. Die Anlagen sind da-bei so konzipiert, dass sie das EEWärmeG erfüllen. Das heißt, dass EnEV-easy eher eine Rechenerleichterung ist als ein neues Verfahren. Es ist damit durchaus möglich, ohne eigenen rechnerischen Nachweis durch Auffinden der Randbedingungen in der Tabelle eine Einhaltung der Anforderungen der EnEV zu dokumentieren. Das Verfah-ren soll vom BMVBS im Bundesanzeiger bekannt gemacht werden.

Neben den verfahrenstechnischen Veränderungen ist es insbesondere interessant, inwieweit die EnEV verschärft wird. Der Vergleichsmaßstab der Wirtschaftlichkeitsbetrach-tungen ist das Anforderungsniveau der EnEV 2009. Als erster Schritt auf dem Weg zur Einführung des Niedrigst-energiegebäudestandards soll nach dem Kabinettsbeschluss vom Februar 2013 eine in zwei Stufen gestaffelte Erhö-hung der Effizienzstandards für Neubauten nach Maßgabe der wirtschaftlichen Vertretbarkeit vorgenommen werden. In den Jahren 2014 und 2016 werden der erlaubte Jahres-Primärenergiebedarf um etwa 12,5 % und der Wert für die Mindestwärmedämmung (genauer: die Obergrenze des Wär-medurchgangskoeffizienten) der Gebäudehülle um durch-schnittlich 10 % gesenkt.

Im Gebäudebestand ist keine Verschärfung der Anfor-derungen bei Modernisierung von Außenbauteilen vorge-sehen. Die zusätzlichen, nach dem Wirtschaftlichkeits-grundsatz zu beurteilenden Primärenergieeinsparungen im Vergleich zur EnEV 2009 wären nur geringfügig. Es wur-

den keine neuen Nachrüstpflichten in die Verordnung auf-genommen. Die Bundesregierung setzt hier auf Anreize.

Neue Pflichten gibt es allerdings bei der Angabe ener-getischer Kennwerte in Immobilienanzeigen bei Verkauf und Vermietung. Neu ist auch, dass der Energiekennwert bei Wohngebäuden auf die Wohnfläche des Gebäudes bezo-gen werden soll. Weiterhin gibt es eine Pflicht zur Übergabe des Energieausweises an den Käufer oder neuen Mieter.

Der Vollzug der EnEV soll verbessert werden. Dazu werden u. a. Stichprobenkontrollen während der Bau-phase bei Neubauten zur Einhaltung der EnEV-Anforde-rungen vorgesehen. Hinzuweisen ist auch auf die Einfüh-rung eines unabhängigen Stichprobenkontrollsystems für Energieausweise und Berichte über die Inspektion von Klimaanlagen.

Klar ist, dass das Ordnungsrecht allein nicht zum Durch-bruch verhilft. Um die geforderten Effizienzstandards zu erreichen, werden eine zielgerichtete Förderung und eine sachgerechte Innovationspolitik benötigt. Die im Rahmen des Energiekonzepts aufgelegten KfW-Programme zum energieeffizienten Bauen und Sanieren sind dabei eine klima- und wirtschaftspolitische Erfolgsgeschichte.

Das CO2-Gebäudesanierungsprogramm ist der zent-rale Baustein der Energiewende im Gebäudebereich. Seit 2006 wurden mit diesem Programm ca. 2,9 Mio. Wohnun-gen neu errichtet oder energieeffizient saniert. Etwa 50 % der neu errichteten Wohngebäude werden KfW-gefördert und damit nach besserem Standard errichtet als die EnEV 2009 vorschreibt. Damit ist das aus dem CO2-Gebäudesa-nierungsprogramm finanzierte KfW-Programm „Energieef-fizient Bauen“ das wichtigste Neubauförderprogramm des Bundes. Besonders bedeutsam ist dies auch im Hinblick auf die zunehmende Wohnungsknappheit in Wachstums-regionen und Großstädten.

2013 und 2014 sollen (wie 2012) jeweils 1,5 Mrd. € für das CO2-Gebäudesanierungsprogramm zur Verfügung gestellt werden. Hinzu kommen jährlich noch 300 Mio. € zur Verbesserung des Programms, die die Bundesregierung ehemals für steuerliche Verbesserungen eingeplant hatte. Wie bekannt, scheiterte diese Maßnahme im Bundesrat.

Der Sanierungsprozess muss über das Einzelgebäude hinaus auch auf das Quartier ausgeweitet werden. Hierauf setzt das im November 2011 gestartete KfW-Programm „Energetische Stadtsanierung“ an. Durch quartiersbezoge-nen Ansatz wird (neben energetischen Verbesserungen an Gebäuden) vor allem auch eine gemeinsame Wärmever-sorgung mehrerer Gebäude im Quartier möglich. Auf diese Weise lassen sich zusätzliche Energieeinsparpotenziale erschließen. Zudem ist eine zentrale Wärmeversorgung meist einfacher mit erneuerbaren Energien zu betreiben.

Für die Sanierung von Baudenkmälern und Gebäu-den mit besonders erhaltenswerter Bausubstanz steht seit April 2012 zudem der neue Förderbaustein „Effizienzhaus Denkmal“ zur Verfügung.

4 Der Standard „Effizienzhaus Plus“

In der Forschungsinitiative Zukunft Bau des Bundesminis-teriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) wird intensiv an der Entwicklung sog. „Effizienzhäuser Plus“ geforscht. Diese Gebäude können mehr Energie er-zeugen als sie unter voller Nutzung verbrauchen. Der Ener-

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gieüberschuss soll u. a. für den Ausbau der Elektromobili-tät oder für die Quartiersversorgung zur Verfügung stehen (Bild 1). Die neue Marke „Effizienzhaus Plus“ reiht sich in die vom BMVBS/KfW gehaltene Markenreihe der Effizienz-häuser ein (Effizienzhaus 70, Effizienzhaus 55, Effizienz-haus 40). Sie ist im Moment Gegenstand der Forschung und Entwicklung, soll aber Perspektiven für eine zukünf-tige Förderung entwickeln.

Das Effizienzhaus-Plus-Niveau ist erreicht, wenn so-wohl ein negativer Jahres-Primärenergiebedarf (∑Qp < 0 kWh/m²a) als auch ein negativer Jahres-Endenergiebe-darf (∑Qe < 0 kWh/m²a) vorliegen. Alle sonstigen Bedin-gungen der Energieeinsparverordnung 2009 (EnEV 2009), wie z. B. die Anforderungen an den sommerlichen Wärme-schutz, sind einzuhalten. Allein die Primärenergiefaktoren für den nicht erneuerbarer Anteil sind (abweichend von der EnEV 2009) nach der neuen DIN V 18599 (Stand De-zember 2011) zu verwenden. Der netzeingespeiste Strom ist analog dem Verdrängungsstrommix zu bewerten.

In Ergänzung zur Nachweisprozedur der EnEV müssen die End- und Primärenergiebedarfswerte für die Wohnungs-beleuchtung und für die Haushaltsgeräte und -prozesse in der Berechnung mitberücksichtigt werden. Dabei ist ein pau-schaler Wert von 20 kWh/m2a (davon Beleuchtung: 3 kWh/m2a; Haushaltsgeräte: 10 kWh/m2a; Kochen: 3 kWh/m2a; sonstiges: 4 kWh/m2a) jedoch maximal 2500 kWh/a je Wohneinheit anzunehmen. Die Einbeziehung von Haus-haltsstrom und Beleuchtung in die Bilanz erfolgt nur für die Belange der Forschung und Förderung, ist aber völlig sach-gerecht. Die Simulation und die praktische Umsetzung der-artiger Gebäude zeigen, dass der Energieanteil für Licht und Haushaltsstrom etwa gleich groß ist wie der Anteil für die Heizung. Will man also ein auch für den Endverbraucher reales Plus erzielen, muss man diese nicht zum Bilanzbe-reich der EnEV gehörenden Teile mitbilanzieren [4].

Bei einer derartigen Bilanzierungsmethode ist klar, dass das „Effizienzhaus Plus“ sein „Plus“ über eine positive Jahresbilanz erzeugt. Es ist keineswegs autark und es be-stehen keine Erwartungen hinsichtlich einer Netzabkopp-lung. Es ist völlig klar, dass Energieüberschüsse und -be-darfe zu unterschiedlichen Zeiten anfallen, so dass man Ausgleiche über das Netz oder Speicher schaffen muss. Allen Beteiligten an der Erforschung einer derartigen Ge-bäudegeneration ist daran gelegen, den selbst genutzten Anteil an der erzeugten erneuerbaren Energie möglichst hoch zu halten. Deshalb ist ergänzend zum „Jahres-Primär-energiebedarf“ und „Jahres-Endenergiebedarf“ das Verhält-nis von selbstgenutzter zu generierter erneuerbarer Ener-gie innerhalb der Bilanzgrenze auszuweisen. Das soll ins-besondere auch den Einsatz von Speichertechnologien fördern.

5 Das BMVBS-Modellhaus in Berlin

Das BMVBS hatte über seine Forschungsinitiative Zukunft Bau in der Vergangenheit die Entwicklung verschiedener Komponenten für das energiesparende Bauen und die Nut-zung erneuerbarer Energien im Gebäudesektor gefördert. Höhepunkt war die Unterstützung der Modellprojekte für Plusenergiehäuser der TU Darmstadt zur Teilnahme am sog. „Solar-Decathlon“-Wettbewerb in Washington DC in den Jahren 2007 und 2009 [5]. Nunmehr ging es darum, diese Modelle so weiter zu entwickeln, dass sie familien- und praxistauglich umgesetzt werden können. Die Kopp-lung mit der Elektromobilität war ausgehend vom Energie-wendebeschluss, bis 2020 eine Million Elektrofahrzeuge auf die Straße zu bringen, ein besonderes Anliegen. Des-halb hatte das BMVBS im Sommer 2010 einen interdiszi-plinären Wettbewerb zur Errichtung eines Plus-Energie-Hauses mit Elektromobilität ausgelobt. Es war aufzuzei-gen, dass ein Gebäude mit Plus-Energie-Standard in der Lage ist, sich und seine Bewohner sowie mehrere Fahr-zeuge mit in der Jahresbilanz allein aus Umweltenergien zu versorgen. Das Haus sollte für vielfältige Forschungsun-tersuchungen herhalten, ein wahrhaftes „Schaufenster“ für Energieeffizienz und Elektromobilität im Zentrum Berlins sein sowie nachhaltigen Gesichtspunkten umfassend genü-gen (Bild 2).

Der erste Preis ging an die Universität Stuttgart, Insti-tut für Leichtbau Entwerfen und Konstruieren, in Zusam-menarbeit mit Werner Sobek Stuttgart GmbH, Stuttgart. Bis Anfang Juni 2011 waren die Planungen des Teams So-bek abgeschlossen. Die Errichtung erfolgte bis Ende No-vember 2011 durch ein mittelständiges Holzbauunterneh-men. Die Wissenschaftliche Begleitung des Gesamtprojekts übernahm die Fraunhofer-Gesellschaft. Bauherr ist die Bundesrepublik Deutschland. Vom März 2012 bis zum Mai 2013 war das Haus von einer „Testfamilie“ für 15 Mo-nate bewohnt.

Realisiert wurde ein Einfamilien-Wohnhaus für eine vierköpfige Familie von ca. 130 m² Wohnfläche auf zwei Ebenen mit einem vorgelagertem „Schaufenster“ zum Par-ken der Fahrzeuge und zur Unterbringung der Ladeinfra-

Bild 1.  Die Marke Effizienzhaus Plus mit Elektromobilität (Quelle: BMVBS)Fig. 1.  The Efficiency House Plus with Electric Mobility brand (Source: Federal Ministry of Transport, Building and Urban Development – BMVBS)

Bild 2.  Das Effizienzhaus Plus des BMVBS in der Berliner Fasanenstraße (Quelle BMVBS/Foto Schwarz)Fig. 2.  The Federal Ministry of Transport, Building and Ur-ban Development’s Efficiency House Plus on Fasanenstrasse in Berlin (Source: BMVBS/ photo Schwarz)

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struktur für die Elektromobilität. Für die Veranschauli-chung von Mobilitätsanforderungen in einer Familie wur-den zwei Elektrofahrzeuge und zwei Pedelcs zur Verfügung gestellt. Zwischen dem zweigeschossigen Wohnbereich und dem vorgelagerten „Schaufenster“ verläuft der sog. „Energiekern“ des Gebäudes, in dem sich die gesamte Haustechnik aber auch die Nassräume befinden.

Ein wichtiges Anliegen war es, die energiegewinnen-den Anlagen in die Architektur zu integrieren. In der Simu-lation der Planer wurde vorausberechnet, dass das Dach (98 m² monokristalline PV-Module mit einem Wirkungs-grad von ca. 15 %) als auch die Fassade (73 m² Dünn-schichtmodule mit 12 % Wirkungsgrad) vsl. einen Stromer-trag von rund 16 MWh pro Jahr erwirtschaften. Nach der Prognose sollte das Haus davon ca. 10 MWh benötigen und die Fahrzeuge ca. 6 MWh. Das Haus verfügt über eine Zentralheizung mit einer Luft-Wasser-Wärmepumpe. Die Wärmeabgabe erfolgt über ein Fußbodenheizungssystem. Darüber hinaus ist eine Zu- und Abluftanlage eingebaut. Über ein Gebäudeautomatisationssystem, das alle gemes-senen Daten zentral aufbereitet und für ein offen program-mierbares System zur Verfügung stellt, wird ein zielgerich-tetes Energiemanagement betrieben. Die Nutzer können über Touchpads und Smartphones mit dem System kom-munizieren.

Besonders hervorzuheben im Gesamtkonzept ist der Aufbau einer Pufferbatterie. Diese Batterie sorgt dafür, dass der vom Haus gewonnene Strom auch selbst genutzt wer-den kann. Die für das BMVBS-Modellhaus eingesetzte Puf-ferbatterie hat eine Speicherkapazität von ca. 40 kWh. Sie wurde aus gebrauchten Batteriezellen aus der Elektromo-bilität zusammengebaut. Im Fahrzeugbau besteht das Pro-blem, dass ein Absinken der Speicherkapazität der Batterien auf 80 % den Ersatz der Batterie im Fahrzeug erfordert. Diese Batteriezellen sollen im stationären Bereich ein „zweites Leben“ erhalten. Die Batterie im BMVBS-Haus ist deshalb ein Prototyp und wurde aus 7250 gebrauchten Zellen zusammengebaut.

Neben dem energetischen Problem sollte das Projekt aber auch auf Fragen der Nachhaltigkeit eine Antwort ge-ben. Eines der Ziele war z. B. die vollständige Rezyclierbar-keit des Hauses. Aber auch Umnutzungsfähigkeit und Fle-xibilität sollten bei höchstem Wohnkomfort sichergestellt werden. Dies ist gelungen. Falls das Haus im Jahre 2015 zu-rückgebaut werden muss, werden alle Komponenten zur Wiederverwendung zurückgegeben bzw. vollständig recy-celt und gehen damit wieder in den Wirtschaftskreislauf ein.

6 Erste Ergebnisse des Berliner Hauses

Seit dem Einzug der Familie wurde das Haus energetisch „vermessen“. Der Praxistest zeigt, dass sich das Modell-projekt auch im Alltag bewährt. Das Haus liegt in der ers-ten Messperiode von März 2012 bis März 2013 mit über 900 kWh deutlich im „Plus“: Dieser Überschuss konnte genutzt werden, um die Elektrofahrzeuge vor dem Haus zu mindestens anteilig zu betanken (Bild 3). Allerdings war die Erwartung größer gewesen. Nicht alle Annahmen ha-ben sich zu 100 % gleich umsetzen lassen.

Auf der Erzeugerseite war die Ursache dafür die schlechte Witterung. Gegenüber dem Jahresmittel der letz-

ten zehn Jahre, gemäß DIN V 18599 [8], wurde am Stand-ort in Berlin im ersten Betriebsjahr eine um 23 % geringere horizontale solare Strahlungsintensität gemessen. So ergab sich aus diesem nicht beeinflussbaren Umstand ein Fehlbe-darf von etwa 3300 kWh. Die klimabereinigten Werte zei-gen jedoch, dass Prognosen und reale Energiegewinne gut übereinstimmen (Bild 4).

Auf der Verbraucherseite führten verschiedene Pro-bleme im Gesamtsystem der Gebäudebeheizung zu einem ineffizienten Betrieb der Wärmepumpe. Dadurch und durch einen geringfügig höheren Verbrauch im Bereich der Haushaltsgeräte konnte der ursprünglich für die Elektro-mobilität vorgesehene Stromüberschuss nicht vollständig bereitgestellt werden. Trotz normgerechter Auslegung der Heizung musste die Wassertemperatur der Fußbodenhei-

Bild 3.  Endenergie-Daten in der ersten Messperiode (Quelle: Internetseite BMVBS)Fig. 3.  End-use energy data in the first measuring period (Source: BMVBS website)

Bild 4.  Die klimabereinigten Messergebnisse zeigen, dass PV-Ertrag/Berechnung und Messung gut übereinstimmen, der Hausverbrauch/Berechnung und Messung abweicht (Quelle: Fraunhofer-IBP)Fig. 4.  The climate-adjusted measurement results show that PV yield/calculation matches measurement, household  consumption/calculation deviates from measurement (Source: Fraunhofer-Institute for Building Physics)

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zung für eine ausreichende Beheizung des Gebäudes ange-hoben werden. Mit der höheren Vorlauftemperatur war eine deutliche Verschlechterung der Leistungsziffer der Wärmepumpe im realen Betrieb verbunden (2,3 gegenüber dem erwarteten Wert von 3,5).

Ursächlich war offenbar, dass abweichend von den Auslegungsnormen, bei denen davon ausgegangen wird, dass in allen Aufenthaltsbereichen gleiche Temperaturen herrschen, die Familie die Sollwerte in den Räumen des OG gegenüber den Auslegungsbedingungen deutlich redu-ziert (16 bis 17 °C gegenüber 20 °C) und im Wohnbereich des EG leicht erhöht (auf 21 °C). In der Praxis stellten sich die von den Nutzern in den oberen Geschossen gewünsch-ten niedrigen Temperaturen jedoch zu keinem Zeitpunkt ein. Das beruht auf der hohen Wärmedämmung des Ge-bäudes, die ein Auskühlen der Räume verhindert, und der offenen Bauweise dieses Hauses mit der fehlenden Tren-nung zwischen den Geschossen. Zwischen Erd- und Ober-geschoss findet offenbar ein erheblicher Wärmeaustausch statt. Infolgedessen blieben die Heizflächen des OG unge-nutzt und der gesamte Wärmebedarf des Hauses wurde über die Fußbodenheizung des Erdgeschosses eingebracht. Das ist aber nur dadurch möglich, dass die Vorlauftempe-ratur entsprechend angehoben wird. Wärmepumpen reagie-ren aber auf erhöhte Systemtemperaturen extrem sensibel mit höheren Stromverbräuchen. Eine signifikante Erhöhung der erforderlichen Temperaturdifferenz zwischen Ver-dampfer (Außenlufttemperatur) und Kondensator (Heiz-systemtemperatur), wie sie im Mittel während der Heizpe-riode nahezu regelmäßig stattgefunden hat, bewirkte so den Mehrbedarf von etwa 75 %.

Insgesamt bleibt die abgegeben Energie der Wärme-pumpe immer noch im Bereich von Niedrigstenergiehäu-sern. Der Effekt eines ungewollten Wärmestroms im Hause ist erstmals in diesem Forschungsvorhaben dokumentiert. Es ergeben sich daraus Auswirkungen für künftige Planun-gen des Architekten und die Auswahl des Heizungssystems bzw. die Zonierung des Gebäudes.

Die mit diesem Stromspeichersystem erzielten Ergeb-nisse haben hinsichtlich einer Steigerung der Eigenverwen-dung des selbsterzeugten Stroms ihre Erwartungen voll umfänglich erfüllt. Der Anteil des selbstgenutzten Stroms liegt bei weit über 50 %. In einem weiteren projektbeglei-tenden Forschungsvorhaben mit diesem Stromspeichersys-tem wird nun untersucht, inwieweit sich die Batteriekapa-zität zur Netzstabilisierung im Bereich der Minutenreserve einsetzten lässt. Dazu wird dieses Stromspeichersystem als Teil eines virtuellen Kraftwerks mit anderen derartigen Systemen zusammengeschaltet, um bei Bedarf Leistung ins Netz abzugeben oder Überschüsse aufzunehmen (Bild 5).

Nach dem Auszug der „Testfamilie“ steht das Haus seit Anfang Juni 2013 wieder für die Öffentlichkeitsarbeit und als Demonstrationsprojekt zur Verfügung. Es ist ge-plant, im Jahre 2014 einer weiteren Testfamilie das Woh-nen in diesem Gebäude zu ermöglichen. So sollen die vor-gesehenen Verbesserungen zur Effizienzsteigerung bei der Photovoltaik, der Heizungsanlage und dem Stromspei-chersystem erneut unter realen Nutzungsbedingungen eva-luiert werden. Nur dadurch ist es möglich, praxisnahe Er-kenntnisse zu gewinnen, die sich von den Ergebnissen ei-nes „synthetischen“ Laborbetriebs deutlich unterscheiden.

7 Das Netzwerk

Ziel des BMVBS ist es, nicht nur einmalige Leuchtturm-projekte zu realisieren, sondern in einem Netzwerk von unterschiedlichen Lösungen verschiedene Technologien auszuprobieren und weiter zu optimieren. Deshalb fördert BMVBS in einem Forschungsprogramm die „Effizienzhäu-ser Plus“. Gefördert werden mit dem Programm derzeit ausschließlich Wohngebäude (Ein-, Zwei- und Mehrfamili-enhäuser), die in Deutschland errichtet werden. Diese For-schungsförderung kann mit der bekannten KfW-Förderung gekoppelt werden. So sollen viel versprechende Ideen, Technologien und Materialien schneller den Weg in die Praxis finden. Mit den Gebäuden sollen Erfahrungen ge-sammelt und Wirtschaftlichkeitsüberlegungen angestellt werden. Mittelfristig soll es gelingen, Null- und Effizienz-häuser Plus zu attraktiven Preisen zu errichten.

Insgesamt beteiligten sich zum Zeitpunkt der Erstel-lung des Beitrages am neuen Netzwerk bereits 35 Gebäude. Darunter sind auch Wohngebäude, die in privater Initiative entstanden sind, wie das Effizienzhaus Plus von Herrn Prof. Fisch in Leonberg bei Stuttgart oder das VELUX-„Licht-Aktiv-Haus“ in Hamburg. Besonders aktiv bei der Einfüh-rung des neuen Standards war der Bundesverband Deut-scher Fertigbau (BDF). Sechs der insgesamt 20 Häuser des neuen Fertighausparks in Köln-Frechen sind als Effizienz-haus Plus ausgerüstet und werden mit einem Monitoring begleitet. Diese Häuser sind bereits am Markt verfügbare Einfamilienhäuser. Der Aufpreis für den Plusenergie-Stan-dard liegt nach Angaben des Bundesverbandes Deutscher Fertigbau bei ca. 13 %. Es ist erfreulich, dass die Branche bereit ist, Erfahrungen zu sammeln und auszuwerten.

Das Fraunhofer-Institut für Bauphysik führt im Auf-trag des BMVBS eine Begleitforschung durch und kommu-niziert alle Ergebnisse im Internet. Die technischen Steck-briefe und die Messergebnisse aller bereits im Betrieb be-findlichen Gebäude können auf der Web-Seite des BMVBS nachgelesen werde [6].

Bild 5.  Die Batterie des Berliner HausesFig. 5.  The battery of the house in Berlin

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H.-D. Hegner · Bauen in Zeiten der Energiewende

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den Schalen ist bereits werkseitig eine Schicht Multipor-Porenbeton eingefügt. Aufgrund der rohdichteabhängigen wärmetechnischen Eigenschaften des Porenbetons können zusätzliche Dämmmaßnahmen der Außenwand entfallen, der Aufbau bleibt im Kern monolithisch, dampfdiffusions-offen und wärmetechnisch nicht vom Innenraum entkop-pelt.

Am 17. 06. 2013 feierte das erste monolithische Ziegel-haus im Effizienzhaus-Plus-Standard der Fa. Schlagmann-Poroton in Bayern Richtfest. Kooperationspartner ist die BayWa AG. Basis des Energieüberschusses ist neben inno-vativen Energiespeichersystemen die optimale Gebäude-hülle des Hauses, die – in traditioneller, monolithischer Bauweise – aus hochwärmedämmendem Ziegelmauerwerk errichtet wird. Die überschüssige Energie wird in erster Linie für die Elektromobilität zur Verfügung stehen. Die Firma Audi konnte als Partner gewonnen werden. Die Außen-wandkonstruktion des Effizienzhauses Plus bildet ein mo-nolithisches Mauerwerk mit einer Wanddicke von 49 cm. Der verwendete Ziegelstein Poroton-T7 besteht aus einem massiven, stabilen Ziegelgerüst mit einem Kern aus hoch-wärmedämmendem Perlit, einem natürlichen Gestein vul-kanischen Ursprungs. Der Ziegel verfügt über einen Wär-meleitwert (Lambdawert) von 0,07 W/(mK) und erreicht bei der ausgeführten Wandicke einen Wärmedurchgangs-koeffizient von 0,14 W/(m2K). Die Innenwände werden ebenfalls aus speicherfähigem Ziegelmauerwerk errichtet (Bild 7).

Viele Projekte sind gegenwärtig in der Realisierung. Darunter sind auch erste Mehrfamilienhäuser. Das erste Mehrfamilienhaus im Netzwerk konnte am 21. 06. 2013 im Beisein von Bundesminister Dr. Ramsauer in Bischofswie-sen in Bayern eröffnet werden (Bild 8). Weitere entstehen in Berlin-Lichtenberg und Frankfurt am Main. Die Nassau-sche Heimstätte baut ein Mehrfamilien-Effizienzhaus Plus am Riedberg, während die Wohnungsbaugesellschaft ABG ein großes innerstädtisches Wohnhaus als Effizienzhaus Plus errichtet. In beiden Fällen werden den Mietern per Carsharing auch Mobilitätsangebote für die Elektromobi-lität gemacht.

Darunter sind auch einige Ergebnisse von Gebäuden, die bereits eine volle Messperiode begleitet wurden. Das Effizienzhaus Plus von Herrn Prof. Fisch in Leonberg bei Stuttgart konnte dabei mit einem Plus von 4296 kWh und einer Eigennutzungsquote von über 30 % ein besonders gutes Ergebnis erzielen. Auch das Haus der Firma Bien-Zenker kann bereits im ersten Betriebsjahr 1235 kWh Plus vermelden.

Auch erste Mauerwerksbauten befinden sich im Feld der Modellvorhaben. Ende 2012 wurde in der Nähe von der Berlin das Projekt „M1“ der Fa. Elbe-Haus eingeweiht [9]. Es entstand mit Hilfe innovativer Porenbetonelemente der Fa. Xella. Das Haus ist mit massiven Innen- und Außen-wänden errichtet, hat eine massive Bodenplatte und mas-sive Decken und verfügt über die notwendige Anlagentech-nik, um ein „kleines Kraftwerk“ zu sein. Auto und Carport als Bestandteil des Projektes erweitern den Energieeffizi-enz-Ansatz auf die Mobilität (Bild 6). Ähnliches gilt auch für die verwendeten Haushaltsgeräte sowie für die Hei-zungs- und Trinkwarmwassererzeuger. Das Gebäude mit einer Wohnfläche von ca. 130 m² ist für die Nutzung durch eine Familie mit vier Personen ausgelegt. Im Dezember 2012 zog auch hier eine „Testfamilie“ ein.

Die einzelnen Komponenten der opaken Gebäude-hülle verfügen über Wärmedurchgangskoeffizienten, die in etwa mit den Anforderungen des Passivhauskonzeptes ver-gleichbar sind (ca. 0,15 W/(m²K)). Auch die Anforderun-gen an die Fenster sind ähnlich (0,80 W/(m²K) für den Wärmedurchgangskoeffizient bei einem Energiedurchlass-grad der Verglasung von ca. 0,55). Alle Innenwände des M1-Hauses bestehen aus Kalksandsteinen mit einer Roh-dichte von mindestens 1800 kg/m³. Der Ytong Energy-Plus als Außenwand ist eine Entwicklung aus dem Hause Ytong, die auch als Compound-Lösung oder Sandwichlösung be-zeichnet werden kann. Dieser Stein vereint als monoli-thisch konzipierter Aufbau die Vorteile der Kombination unterschiedlicher Rohdichten ein und desselben Ausgangs-materials – in diesem Fall des Porenbetons. Die Innen- und Außenschale des Ytong Energy Plus bestehen aus Porenbe-ton mit einer Rohdichte von ca. 350 kg/m³, zwischen bei-

Bild 6.  Das M1-Haus in Brieselang bei Berlin(Quelle: Fa. Xella)Fig. 6.  The M1 house in Brieselang near Berlin  (Source: Xella)

Bild 7.  Richtfest mit dem Geschäftsführer der Fa. Schlag-mann-Poroton und dem Parlamentarischen Staatssekretär aus dem BMVBS Dr. Scheuer (Quelle: Schlagmann-Poroton)Fig. 7.  Topping-out ceremony with Schlagmann-Poroton’s managing director and BMVBS Parliamentary State  Secretary Dr. Scheuer (Source: Schlagmann-Poroton)

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8 Effizienzhaus Plus bei der Bestandsmodernisierung

Neben den Neubau-Projekten geht es nunmehr darum, sol-che Technologien in die Modernisierungstätigkeit zu über-tragen. BMVBS hat deshalb im Februar 2012 einen Wett-bewerb für eine Bestandsmodernisierung für den Standard „Effizienzhaus Plus“ durchgeführt. Die Wohnungsbauge-sellschaft Neu-Ulm hatte dafür kleine Mehrfamilienhäuser zur Verfügung gestellt. Die Stadt Neu-Ulm wird demnächst um eine Attraktion reicher sein. Erstmals werden Mehrfa-milienhäuser so modernisiert, dass sie mehr Energie produ-zieren als sie für ihren Betrieb benötigen [7]. Der Wettbe-werb wurde auf der Sitzung der Jury am 06. 07. 2012 unter der Leitung von Frau Prof. Lydia Haack (Hochschule Kon-stanz) entschieden. Die beiden Siegerteams sind:

Hochschule Ruhr West in Mülheim an der Ruhr, Institut Energiesystem und Energiewirtschaft, Prof. Dr.-Ing. Viktor Grinewitschus mit dem Büro Werner Sobek Stuttgart GmbH und mit Oehler Archkom – Solar Architektur

Technische Universität Darmstadt, Fachbereich Architektur, Fachgebiet für Entwerfen und Energieeffizientes Bauen, Prof. Dipl.-Ing. M. Sc. Econ. Manfred Hegger mit o5 architekten bda – raab hafke lang und der ina Planungsgesellschaft mbH

Beiden Teams ist es gelungen, die sanierungsbedürftigen Mehrfamilienhäuser, die derzeit für den Betrieb jeweils 507 kWh/m²a Endenergie benötigen, zu Plusenergiehäu-sern zu wandeln. Die Energieüberschüsse werden dabei mittels gebäudeintegrierter Photovoltaik produziert.

Eine Besonderheit des Wettbewerbsbeitrags der Hochschule Ruhr West ist die Integration wesentlicher Teile der Haustechnik in die Außenhülle. Dabei soll ein hochwärmedämmendes Fassadensystem, vorgefertigt mit

allen notwendigen Leitungskomponenten, auf die derzei-tige Außenwand montiert werden. Dies entlastet den Grundriss von Leitungsführungen und vermeidet zusätzli-che Schächte und Durchbrüche im Innenraum. Die Photo-voltaik wird konsequent auf den südausgerichteten Dach-flächen montiert.

Auch der Technischen Universität Darmstadt ist es ge-lungen, aus einem technisch rückständigen Haus ein klei-nes Kraftwerk zu schaffen. Der geplante Materialeinsatz erfolgt strikt nach den Vorgaben einer vorbildlichen Öko-bilanzierung: Die gute Umweltverträglichkeit sowie die leichte Instandhaltung, Trennbarkeit und Entsorgung der eingesetzten Materialien sind hier selbstverständlich.

Insgesamt sollen vier Altbauten saniert werden: Beide Gewinnerkonzepte werden in einer Hauszeile jeweils an zwei Bestandsgebäuden umgesetzt. Die Kosten sollen dabei nicht über der vergleichbaren Kostenobergrenze für den Neubau von Sozialwohnungen in Bayern liegen: 1600 €/m². Die Fertigstellung ist für 2013 geplant. Anschließend wer-den die Gebäude wie alle anderen auch im Betrieb zwei Jahre wissenschaftlich betreut.

9 Ausblick

Das Bauen in der Zukunft wird sich mit Blick auf die Ener-gieeffizienz kaum allein auf die EnEV abstützen. Bereits heute erreichen über 50 % der Gebäude im Neubau und bei der Modernisierung bereits wesentlich höhere Standards als die EnEV. Es ist zukunftsgerecht, sich an den Effizienz-standards der KfW zu orientieren und dafür die entspre-chende Förderung zu nutzen.

Das Spitzenprodukt der Entwicklung ist das Effizienz-haus Plus. Es ist bereits am Markt verfügbar, wird aber noch wissenschaftlich begleitet und untersucht. An verschiede-nen Wirtschaftlichkeitsparametern werden in den nächsten Jahren noch Verbesserungen zu erwarten sein. Allein der rapide Preisverfall bei PV-Anlagen macht es möglich, preis-werten Strom herzustellen, der mit den Preisen im Netz konkurrieren kann. Derartige Häuser brauchen einen bau-lichen Standard, der in etwa den KfW-40- oder KfW-55-Häu-sern entspricht. Alle herkömmlichen Wandbildner haben dafür Produkte. Auch das monolithische Mauerwerk kann solche energetischen Qualitäten bereitstellen.

Im Bereich der Heizungstechnik wird die Wärme-pumpe weiter Marktanteile gewinnen. Aber auch verschie-dene KWK-Anlagensysteme werden am Markt stärker. Herkömmliche Wärmeerzeugung wird weiterhin im Be-standsmarkt gebraucht. Sie muss aber in der Lage sein, in Kombination mit erneuerbaren Energien zu arbeiten. Der Einbau energiegewinnender Systeme steht auf der Tages-ordnung. Solarthermie, Photovoltaik aber auch Biomasse in verschiedener Form und mit verschiedenen Technolo-gien müssen in die Struktur und Architektur von Gebäu-den eingebunden werden. Die „Einbettung“ von Technik in die Architektur ist eine der größten Herausforderungen, die in den nächsten Jahren gemeistert werden muss.

Der Gebäudebestand benötigt eine Ertüchtigung auf den energetisch höchst möglichen Standard, der wirt-schaftlich zu vertreten ist. Darüber hinaus muss überlegt werden, wie Bestandsbauten in der Quartiersvernetzung von technologischen Spitzenqualitäten, die vor allem im Neubau erzielt werden können, profitieren können.

Bild 8.  Das Haus mit sechs Wohneinheiten in Bischofswie-sen ist auf den ersten Blick kaum als Effizienzhaus Plus auszumachen; allein die installierten 30 kWpeak auf dem Dach sind ein Hinweis (Quelle: Hans Angerer Niedrigener-giehäuser GmbH)Fig. 8.  The house in Bischofswiesen with 6 dwellings does hardly look like an efficiency house plus at first sight. The only hint is the 30 kWp installed on the roof (Source: Hans Angerer Niedrigenergiehäuser GmbH)

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[5] Hegger, M. (Ed.): Sunny prospects – the surPLUShome of the team Germany for the Solar Decathlon 2009. Wuppertal: Ver-lag Müller + Busmann KG 2010.

[6] http://www.bmvbs.de/DE/EffizienzhausPlus/effizienzhaus-plus_node.html

[7] http://www.ep-a.de/[8] DIN V 18599: Energetische Bewertung von Gebäuden. Be-

rechnung des Nutz-, End- und Primärenergiebedarfs für Hei-zung, Kühlung, Lüftung, Trinkwarmwasser und Beleuchtung. Teil 10: Nutzungsrandbedingungen, Klimadaten. Berlin, De-zember 2011.

[9] Schoch, T.: Das M1 Energieeffizienzhaus Plus. Mauerwerk 17 (2013), H. 2. S. 64–76.

Autor dieses Beitrages:Ministerialrat Dipl.-Ing. Hans-Dieter HegnerBundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS)seit 2007 Leiter des Referats B 13 „Bauingenieurwesen, Nachhaltiges Bauen, Bauforschung“

Gebäude sind nicht mehr nur ein Problemfall. Sie sind vor allem die Lösung für die Energiewende in Deutsch-land.

Literatur

[1] Information der Bundesregierung unter: http://www.bun-desregierung.de/Content/DE/_Anlagen/2011/06/2011-06-06- energiekonzept-eckpunkte.pdf „Der Weg zur Energie der Zu-kunft“

[2] RICHTLINIE 2010/31/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 2010 über die Gesamtenergieeffi-zienz von Gebäuden, ABl. EG 2009 Nr. L 153 S. 131.

[3] Bundesratsdrucksache 113/13 vom 08. 02. 2013 „Zweite Ver-ordnung zur Änderung der Energieeinsparverordnung“.

[4] Wege zum Effizienzhaus Plus. Bundesministeriums für Ver-kehr, Bau und Stadtentwicklung, Bezugsquelle: Bundesminis-terium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Referat Bür-gerservice und Besucherdienst, 11030 Berlin, [email protected], 2011.