baurecht und technik aktuell 04|14 - oib · 2019. 11. 29. · 2 inhalt oib aktuell 04 | 14. aktuell...

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DAS FACHMAGAZIN FÜR BAURECHT UND TECHNIK aktuell 04 | DEZEMBER 2014 | 15. JAHRGANG | ISSN 1615-9950 04 | 14 Einscheiben- sicherheitsglas (ESG) Seite 10 THEMA Neuer Verwendungs- grundsatz „Brandschutz- verglasungen“ Seite 14 Teilvorgespanntes Kalknatronglas (TVG) Seite 20 Marktüberwachungs- programm 2014 Seite 24

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  • DAS FACHMAGAZIN FÜR BAURECHT UND TECHNIK

    aktu

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    04 | DEZEMBER 2014 | 15. JAHRGANG | ISSN 1615-9950

    04 | 14Einscheibensicherheitsglas (ESG) Seite 10THEMA Neuer Verwendungsgrundsatz „Brandschutz verglasungen“ Seite 14Teilvorgespanntes Kalknatronglas (TVG) Seite 20Marktüberwachungsprogramm 2014 Seite 24

  • Eingespannte Steinschlagschutzsysteme mit Europäischer Technischer Bewertung nach ETAG 027

    bis 2000 kJ (Energieklasse 5)

    Weltweites Vertrauen in Schutzsysteme ohne Kompromisse

    Weißenbach 106 5431 Kuchl × Austria Tel.: +43 6244-20325 Fax: +43 6244-20325-11 × × ×

    E-Mail: [email protected] www.trumer.cc×

    Steinschlagschutz

    Schutz gegen Muren Fels- und Hangsicherung Lawinenschutz

  • Dipl.-Ing. Dr. Rainer Mikulits, Geschäftsführer des OIB

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    Das gläserne Haus

    Aufgrund der immer strengeren Anforderungen zur Ener-gieeffizienz von Gebäuden sollte man meinen, dass die Ver-wendung von Glas rückläufig ist. Tatsächlich ist jedoch das Gegenteil der Fall – es wird immer mehr Glas verwendet, sowohl in den Fassaden als auch im Inneren von Gebäuden. Transparenz ist also nicht nur ein politisches und ethisches Thema, sondern auch ein architektonisches!

    Glas steht jedoch nicht nur für Transparenz, sondern auch für Zerbrechlichkeit, weshalb es ein wichtiges Thema in den Bauvorschriften ist. Das betrifft insbesondere die OIB-Richtlinie 4 „Nutzungssicherheit“ – Verwendung von Glas in den Fassaden, Glas in Türen und Wänden, Glas als Absturz sicherung. Doch auch für den Brandschutz ist Glas von Bedeutung, und aufgrund des Mandates der Europä-ischen Kommission zur Erweiterung der Eurocodes wird sogar ein neuer Eurocode für Glaskonstruktionen erarbeitet.

    Ich wünsche eine interessante „gläserne“ Lektüre sowie eine friedvolle und angenehme Weihnachtszeit!

    Dipl.-Ing. Dr. Rainer Mikulits

    Editorial OIB aktuell04 | 14 1

  • Trumer Schutzbauten GmbH U2Bauen & Wohnen Salzburg Seite 9Eckelt Glas GmbH Seite 11HUECK Aluminium GmbH | Agentur: Werbeagentur Dr. Kovarik Seite 17Promat GmbH Seite 19Aluminium-Fenster-Institut | Agentur: Willi Lehmann Markenagentur PR-Vitrine Seite 28

    INSERENTENLISTE

    6

    20

    10

    14

    24

    Wallner schützt, dämmt GmbH Seite 29Energiespar Messe Wels Seite 30sto GmbH Seite 31Petschenig glastec GmbH U3Bauen & Energie Wien U3Honeywell Life Safety Austria GmbH U4

    Inhalt OIB aktuell2 04 | 14

  • Aktuell 4 ÖNORM EN 1090-1 – Was ist nicht CE-kennzeichnungspfl ichtig? |

    Thomas Rockenschaub

    Interview 6 Drei Fragen an … Georg Pommer, Leiter der Prüf-, Überwachungs- und Zertifi -

    zierungsstelle der MA 39 | Hanspeter Petschenig, Geschäftsführender Gesell-schafter der Petschenig glastec GmbH | Moderator Hubert Meszaros

    Thema 10 Einscheibensicherheitsglas (ESG) – Anwendungen und Risiken | Gerhard Peutl 14 Der neue Verwendungsgrundsatz „Brandschutzverglasungen“ | Karen

    Schausberger 20 Teilvorgespanntes Kalknatronglas (TVG) – Das Glas mit dem besseren Bruch-

    verhalten | Manfred Beham 24 Marktüberwachungsprogramm 2014 für VSG, ESG, ESG/HST | Nikolaus Fuchs

    26 Produktnews

    28 PR-Vitrine

    Nachlese 29 Technischer Lenkungsausschuss (Technical Board) der EOTA |

    Georg Kohlmaier

    Service 31 Buchempfehlungen 32 Vorschau | Termine | Impressum

    MITTEILUNGEN DES OIB Heft 04|14, herausnehmbare Beilage Kundmachungen und Aktualisierungen

    von 16.08.2014 bis 15.11.2014

    Titelbild Typisches Bruchbild eines Nickel-Sulfi d-Einschlusses© Foto: Gerhard Peutl, Wien

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    OIB aktuell DEZEMBER 2014

    04 | 14 3

  • Seit 1. Juli 2014, mit dem Ende der Koexistenzperiode, ist die EN 1090-1:2009+A1 [1] verpflichtend. Nun hat die Europäische Kommission für häufig gestellte Fra-gen einen FAQ-Katalog online gestellt [2]. Die Frage 31, welche sich mit der EN 1090-1 beschäftigt, hat das Österreichische Institut für Bautechnik aufgrund zahl-reicher Anfragen übersetzt.

    Frage 31: „Wann muss, auf Grundlage der EN 1090-1:2009+A1, bei einem Bauprodukt eine CE-Kennzeichnung angebracht werden?“

    Auf Basis der harmonisierten Norm EN 1090-1:2009+A1 muss die CE-Kennzeichnung an einem Bauprodukt ange-bracht werden, wenn alle folgenden Punkte erfüllt wer-den: ❚ Das Bauprodukt muss den Anwendungsbereich der

    EN 1090-1:2009+A1 abdecken. (Anmerkung: Eine nicht vollständige Liste der nicht betroffenen Bauprodukte finden Sie untenstehend im Text angeführt.)

    ❚ Das Produkt ist ein tragendes Bauprodukt im Sinne der Bauproduktenverordnung (EU) 305/2011 [3] und es gilt daher Folgendes:

    – Das Bauprodukt soll dauerhaft in Bauwerke oder Teilen davon eingebaut werden (Bauten sowohl des Hochbaus als auch des Tiefbaus).

    – Das Bauprodukt hat eine tragende Funktion im Bezug auf das Bauwerk (ein Versagen des Bauproduktes hat Auswirkungen auf die Grundanforderung 1 an Bauwerke – siehe Anhang I der Bauproduktenverordnung EU 305/2011).

    ❚ Das Produkt ist nicht durch den Anwendungsbereich einer anderen dem Bauprodukt zugehörigen Europä-ischen Norm oder Richtlinie abgedeckt. (Denn wenn eine harmonisierte Europäische Norm oder eine ETAG oder eine ETA für dieses Produkt existiert, ist dies die Basis für die CE-Kennzeichnung.)

    Die nachfolgende Liste enthält eine unvollständige Aufzählung von Bauprodukten, welche nicht von der EN 1090:2009+A1 betroffen sind. Sie beschränkt sich auf jene Bauprodukte, wo es bereits eine Übereinstimmung mit dem Europäischen Komitee für Normung (CEN) gibt (Diesbezügliche Gespräche innerhalb CEN sind noch nicht abgeschlossen.):

    ❚ Aluminium und Aluminiumlegierungen – Erzeugnisse für Tragwerksanwendungen nach EN 15088

    ❚ Lager und stählerne Bauteile für Lager nach EN 1337 ❚ Blindnieten ❚ Kästen für Elektroinstallationen ❚ Kabel, Seile und Drähte ❚ Gussteile ❚ Straßenausstattung, ausgenommen Wegweiserbrü-

    cken und Kragarme ❚ Bausätze für Außenwandbekleidungen nach

    ETAG 034 ❚ Kaltgefertigte, geschweißte Hohlprofile für den Stahl-

    bau nach EN 10219-1 ❚ Bauteile für abgehängte Decken ❚ Vorhangfassaden nach EN 13830 ❚ Türen und Tore ❚ Übergangskonstruktionen für Straßenbrücken nach

    ETAG 032 ❚ Markisen nach EN 13561 ❚ Nichttragende Zäune und Handläufe ❚ Eingeklebte Verbindungsmittel für Holztragwerke ❚ Ankerplatten, Schweißgründe und andere einbeto-

    nierte Verbindungsmittel, die nicht von einer Bemes-sungsnorm erfasst sind

    ❚ Fahnen- und Flaggenmasten ❚ Schmiedestücke ❚ Ankerschrauben, Stützenfüße ❚ Freistehende Schornsteine aus Stahl nach EN 13084-7 ❚ Vollflächig unterstützte Dachdeckungs- und Wandbe-

    kleidungselemente für die Innen- und Außenanwen-dung aus Metallblech nach EN 14783

    ❚ Tore ❚ Auflager und Konsolen für Mauerwerk nach EN 845-1 ❚ Warmgefertigte Hohlprofile für den Stahlbau nach

    EN 10210-1 ❚ Warmgewalzte Flacherzeugnisse und Formstähle aus

    Baustählen nach EN 10025-1 ❚ Industrie-, Gewerbe- und Garagentüren und -tore –

    ohne Feuer- und Rauchschutzeigenschaften nach EN 13241-1

    ❚ Lichtmaste nach EN 40-5 ❚ Stürze für Mauerwerk nach EN 845-2 ❚ Maueranker und Zugbänder nach EN 845-1 ❚ Metalldübel zur Verankerung im Beton nach

    ETAG 001 ❚ Metalldübel zur Verankerung im Mauerwerk nach

    ETAG 029 ❚ Metall-Abgasanlagen nach EN 1856-1 ❚ Metallrahmen-Bausätze für Gebäude nach ETAG 025 ❚ Metallprofile für Unterkonstruktionen von Gipsplat-

    tensystemen nach EN 14195

    Die EN 1090-1 – Was ist nicht CE-kennzeichnungspflichtig?Text Thomas Rockenschaub

    Aktuell EN 1090-14 04 | 14

  • ❚ Innenrohre und Verbindungsstücke aus Metall für Metall-Abgasanlagen nach EN 1856-2

    ❚ Lärmschutzeinrichtungen, ausgenommen die Bau-teile für deren Stahlrahmen nach EN 14388

    ❚ Nicht planmäßig vorspannbare Schrauben nach EN 15048

    ❚ Verzierungen ❚ Industrielle und gewerbliche Eingangstüren, Gara-

    gentore und öffenbare Fenster – Produktnorm, Leis-tungseigenschaften – Feuer- und/oder Rauchschutz-eigenschaften nach prEN 16034

    ❚ Nicht werksgefertigte Pfähle ❚ Rohrleitungen und Rohre ❚ Setzbolzen ❚ Vorgefertigte Raumzellen für Gebäude nach

    ETAG 023 ❚ Vorgefertigte Treppenbausätze nach ETAG 008 ❚ Vorgefertigte Drahtseile aus Stahl und rostfreiem

    Stahl mit Anschlüssen ❚ Vorgefertigte Zugstabsysteme mit Gabelköpfen ❚ Hochfeste, planmäßig vorspannbare Schrauben nach

    EN 14399-1 ❚ Druckbehälter, ausgenommen deren Aufstellung ❚ Schienen oder Schwellen für das Eisenbahnnetz ❚ Bewehrungsstahl für Beton und Mauerwerk ❚ Straßengeländer, Leitplanken und Anpralldämpfer

    nach EN 1317-5 ❚ Produkte für die Sicherheit am Dach (einschließlich

    Dachleitern und Laufstege) ❚ Baugerüste ❚ Skulpturen (Kunstwerke aus Metall) ❚ Selbstbohrende und selbstschneidende Schrauben ❚ Selbsttragende dämmende Sandwich-Elemente nach

    EN 14509 ❚ Selbsttragende Dachdeckungs- und Wandbeklei-

    dungselemente für die Innen- und Außenanwendung aus Metallblech nach EN 14782, wenn die Baupro-dukte der Konstruktionsklasse III, wie in EN 1993-1-3 und EN 1999-1-4 definiert, dazugehören

    ❚ Spundbohlen nach prEN 10248-1 und prEN 10249-1 ❚ Abschlüsse außen, nach EN 13659 ❚ Blech und Band aus nichtrostenden/korrosionsbe-

    ständigen Stählen nach EN 10088-4 ❚ Stäbe, Walzdraht, gezogener Draht und Profile aus

    nichtrostenden/korrosionsbeständigen Stählen nach EN 10088-5

    ❚ Vor Ort hergestellte Stahl- und Aluminiumbauteile ❚ Stahl- und Aluminiumstiegen, Laufstege und Zäune

    als integrierter Bestandteil von Maschinen ❚ Stahlträger für Verbundtragwerke aus Stahl und

    Beton, die nicht von einer Bemessungsnorm erfasst sind

    ❚ Stahlgussteile für tragende Anwendungen nach EN 10340

    ❚ Vergütungsstähle für das Bauwesen nach EN 10343 ❚ Stahlstürze nach EN 845-2 ❚ Tragende Bauteile für die bewegten Teile von Kränen ❚ Tragende Bauteile für Off-Shore-Konstruktionen ❚ Tragende Sandwich-Elemente mit beidseitigen

    Metalldeckschichten ❚ Werksgefertigte Tanks aus Stahl nach EN 12285-2 ❚ Traditionell handwerklich gefertigte, nichttragende

    Gegenstände (z. B. geschmiedeter Wetterhahn, Brief-kästen, Fahrradständer, Zäune)

    ❚ Aufstellvorrichtungen für Verkehrszeichen nach EN 12899-1

    ❚ Nicht stiftförmige Verbindungsmittel für den Holz-bau nach EN 14545

    ❚ Stiftförmige Verbindungsmittel für den Holzbau nach EN 14592

    Literatur- und Normenverzeichnis

    [1] EN 1090-1:2009+A1: Ausführung von Stahltrag-werken und Aluminiumtragwerken. Teil 1: Konfor- mitätsnachweisverfahren für tragende Bauteile, 1. November 2011.

    [2] http://ec.europa.eu/enterprise/sectors/construction/faq, (Bearbeitungsstand der Europäischen Kommission unbekannt), zuletzt geprüft am 20. Oktober 2014.

    [3] Verordnung (EU) Nr. 305/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates von 9. März 2011 zur Festlegung harmonisierter Bedingungen für die Vermarktung von Bauprodukten und zur Aufhebung der Richtlinie 89/106/EWG des Rates, veröffentlicht im ABl. L 88 vom 4. April 2011, S. 4.

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    Bmstr. Dipl.-Ing. (FH) Thomas Rockenschaub, Referent im Referat Marktüber-wachung im [email protected]

    Astrid Lederer, B.Sc.Referat „Marktüberwachung“

    T +43 1 533 65 [email protected]

    Neue technische Mitarbeiterin im OIB

    Aktuell EN 1090-1 504 | 14

  • Moderator Hubert Meszaros | Fotos Jacqueline Godany

    Hubert Meszaros: Die OIB-Richtlinie 4 legt in Punkt 5.1.1 Anforderungen bezüglich Ganzglastüren, Vergla-sungen in Türen und in Fenstertüren sowie vertikaler Verglasungen entlang begehbarer Flächen fest.Gibt es aus Ihrer Sicht Einwände gegen die generelle Forderung nach geeignetem Sicherheitsglas, wie Ein-scheibensicherheitsglas (ESG) oder Verbund-Sicher-heitsglas (VSG), oder würden Sie bei derartigen Glas-elementen höhere Anforderungen in Richtung VSG befürworten?

    Hanspeter PetschenigSchon mit der Erstveröffentlichung der OIB-Richtlinie 4 sowie mit der Überarbeitung und der Harmonisierung der ÖNORMEN-Serie 3716 wurde für den deutschspra-chigen Raum ein sicheres Regelwerk nach dem aktuellen Stand der Technik geschaffen.Sowohl ESG als auch VSG erfüllen einen – im Vergleich mit anderen Bauprodukten – sehr hohen Sicherheits-standard.Die Wahl, ob ESG oder VSG, ergibt sich einerseits durch die Regelung in den Richtlinien, andererseits muss

    rechtzeitig in der Planungsphase mit Architekten, Bau-behörden und der Glasveredelungsindustrie auf Beson-derheiten Rücksicht genommen werden, um das best-möglichste und das sicherste Produkt einzusetzen.

    Sorgen hier auch die Kosten für einen Unterschied?Natürlich wird seitens der Bauherren und Planer immer die Frage nach dem Kostenunterschied zwischen ESG und VSG zur Diskussion gestellt. Darum ist es auch not-wendig, ESG in der aktuellen Regelung der OIB-Richtli-nie 4 zuzulassen. Ob ESG oder VSG ergibt sich aus den Zusatzanforderungen, wo in der Regel dann auch VSG aus ESG bzw. TVG (Teilvorgespanntes Glas) eingesetzt werden muss.

    Sind Ihnen vielleicht Unfälle im Zusammenhang mit derartigen Elementen bekannt?Seit der Umsetzung der OIB-Richtlinie 4 sind mir keine Unfälle bekannt, welche das eine oder andere Produkt infrage stellen würde – speziell auch bei der Anwendung als dreifach Mehrscheibenisolierglas (MIG), wo zumin-dest die beiden äußeren Einheiten aus VSG bzw. ESG bei

    Drei Fragen an …… Georg Pommer, Leiter der Prüf-, Überwachungs- und Zertifizierungsstelle der MA 39, und Hanspeter Petschenig, Geschäftsführender Gesellschafter der Petschenig glastec GmbH. Beide beantworten Fragen bezüglich der Sicher-heitsstandards von ESG und VSG sowie der Schutzvorrichtungen und der Splitterfallhöhe, die sowohl den Anprall von Personen verhindern als auch deren Schutz gewährleisten sollen.

    Hanspeter Petschenig und SR Dipl.-Ing. Georg Pommer im Geriatriezentrum Donau-stadt

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  • nachgewiesener Stoßsicherheit nach EN 12600 mit einer Pendelfallhöhe von 450 mm nachgewiesen wurde. Eine Nachweisführung bzw. Vorlage der erbrachten Prüfun-gen ist hier seitens der Bauherren bzw. örtlichen Bauauf-sicht unbedingt einzufordern.Den Einsatz von normal gekühltem Floatglas in Bal-kontüren, wie dies von einigen Ländervertretern gefor-dert wird, lehne ich persönlich ab. Ich würde den Einsatz nach dem heutigen Stand der Technik als grob fahrlässig bezeichnen.Besonders am Herzen liegt mir jedoch ein Punkt, welcher in der OIB-Richtlinie 4 nicht berücksichtigt wurde, bzw. erst durch einen Unfall in Diskussion gekommen ist, wor-aufhin unser Unternehmen ausführliche Untersuchun-gen mit Bruchbildanalysen und Hochgeschwindigkeits-Videoaufzeichnungen durchgeführt hat. Es handelt sich hierbei um den Einsatz von ESG in Ganzglastüren mit nachträglich applizierten Dekorfolien, zum Beispiel bei Horizontalschiebewänden, wie man diese in Bankfilia-len und Einkaufszentren häufig vorfindet, oder bei klassi-scher Anwendung wie beispielsweise bei Schwingtüren.Im Bruchfalle wirkt die Dekorfolie splitterbindend und schollenartige Glasbruchstücke stürzen herab und kön-nen schwere Verletzungen herbeiführen. Hier wäre unbedingt entweder der Einsatz von VSG oder bei ESG Dekore mit keramischem Sieb- oder Digitaldruck erfor-derlich.

    Georg PommerIn der OIB-Richtlinie 4 werden wie in anderen Normen und Regelwerken generell ja nur die Mindestanforderun-gen beschrieben. Natürlich obliegt es jedem Bauherren, Ausschreiber, Ausführenden etc. bei nutzungsbedingtem Bedarf höhere Anforderungen zu stellen oder zu empfeh-len. Probleme trotz Verwendung von ESG gibt es immer wie-der dort, wo solche Gläser mit Folien beklebt werden, wie zum Beispiel zu Werbezwecken in Geschäftslokalen, Foyers oder Banken. Bei Bruch stürzen die herabfallen-den Splitter gebunden herab und es können trotz Ver-wendung normkonformer Produkte Verletzungen auftre-ten.Diese – oft folgenschwere – Gefahr ist dem Nutzer des Gebäudes, der die Folien anbringt, als technischem Laien oft nicht bewusst. Dasselbe gilt für nachträgliche Verkle-bungen mit Sonnenschutz- oder Dekor-Folien und der-gleichen. Dies alles spricht für eine vermehrte Verwen-dung von VSG in den erwähnten Bereichen.

    Kennen Sie noch andere Beispiele aus der Praxis, wo VSG das Verletzungsrisiko minimieren könnte?Architekturbedingt gibt es immer öfter bei geschoßho-hen Verglasungen im Erdgeschoß eine Absturzgefahr vom Gehsteig in Stiegenabgänge. Beschädigungen ent-stehen hier straßenseitig, zum Beispiel durch angelehnte bzw. umfallende Fahrräder oder aufgrund von Gehsteig-reinigung oder Schneeräumung. Auch hier kann die (beidseitige) Verwendung von Verbund-Sicherheitsglas das Verletzungsrisiko vermindern.

    Hubert Meszaros: In Punkt 5.1.2 der OIB-Richtlinie 4 findet sich die zielorientierte Forderung, dass statt dem in Punkt 5.1.1 der OIB-Richtlinie 4 geforderten geeigneten Sicherheitsglas Schutzvorrichtungen, die den Anprall von Personen verhindern, angebracht werden können.Können Sie einige Beispiele aus der Praxis nennen, bei denen derartige Schutzvorrichtungen verwendet werden und diese kurz beschreiben?

    Georg PommerAls hilfreich stellen sich in der Praxis zum Beispiel die fol-genden Schutzmaßnahmen, teilweise auch in Kombina-tion, heraus. Es sind dies: ❚ Kantenschutzprofile, ❚ konstruktive Vermeidung von exponierten Glaskan-

    ten, ❚ vorgesetzte und lastabtragende Handläufe oder ❚ Anprallschutz (z. B. für Einkaufswägen).

    Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass wie auch in der ÖNORMEN-Serie 3716 gefordert, ein versuchsstech-nischer oder rechnerischer Nachweis vorliegen muss.

    Hanspeter PetschenigDieser Punkt in der OIB-Richtlinie 4 lässt es dem Bau-herren bzw. Planer offen, kostengünstigere Verglasungen einzusetzen und durch bauliche Maßnahmen ein geeig-netes Sicherheitsniveau herzustellen. Hier stellt sich natürlich sofort die Frage, ob das Ergebnis auch wirk-lich einen Kostenvorteil bietet, bzw. ob die Ästhetik des Gebäudes nicht darunter leidet.Dieser Passus wird in der Praxis eigentlich kaum umge-setzt, da hier zumeist kein Kostenvorteil entsteht, wenn beispielsweise vor einer raumhohen Verglasung mas-sive Elemente aus opaken Baumaterialien errichtet wer-den, welche den Anprall von Personen verhindern. Hinzu kommt natürlich noch die Frage, wie man die Sicherheit für das Reinigungspersonal gewährleistet, welches nun hinter der baulichen Maßnahme, direkt an der Vergla-sung Wartungs- und Reinigungsarbeiten durchführt. Die-ser Punkt kann in absoluten Ausnahmefällen zum Tragen

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    Interview Verglasungen 7

    SR Dipl.-Ing. Georg Pommer und Hanspeter Petschenig vor der Glasfassade des Geria -triezentrums Donaustadt

    704 | 14

  • kommen, stellt meiner Meinung nach jedoch eine unter-geordnete Rolle dar. Er bietet aber zumindest Möglich-keiten der kreativen Planung.

    Hubert Meszaros: In Punkt 5.1.3 der OIB-Richtlinie  4 gibt es die Forderung, dass vertikale Verglasungen aus ESG mit einer Splitterfallhöhe von mehr als 4 m über Schutzvorrichtungen verfügen oder konstruktive Maßnahmen aufweisen müssen, sodass bei Bruch der Verglasung durch Herabfallen von Glasstücken eine Gefährdung darunter befindlicher Personen vermie-den wird.Wird von dieser Regelung in der Praxis häufig Gebrauch gemacht, oder stattdessen doch wieder VSG eingesetzt?

    Georg PommerHier bilden, von architektonischen Gründen abgesehen, situationsabhängig vermutlich die Kosten die Entschei-dungshilfe, ob konstruktive Maßnahmen oder Verbund-Sicherheitsglas zur Anwendung kommt. Zu bedenken ist in jedem Anwendungsfall, dass sowohl der Schutz vor Absturz als auch der Schutz von Perso-nen vor herabfallenden Teilen sichergestellt sein muss. Der Planer muss sich entsprechende Szenarien überle-gen und in einer Art Rollenspiel Gedanken über mögli-che Gefährdungssituationen machen. Leider ist die Reali-tät dann oft noch viel kreativer!Aus der Praxiserfahrung heraus sollte aber jedenfalls dem VSG der Vorzug gegeben werden, da dieses Glas für gestalterische Möglichkeiten wie etwa Beklebungen mit Folien mehr Spielraum bietet.

    Sind Sie ein Befürworter von ESG oder von dem noch sichereren ESG/HST?Das Thema der konstruktiven Maßnahmen versus Ein-scheibensicherheitsglas/Heat-Soak-Test (ESG/HST) hat sich eigentlich mit den normativen Forderungen erle-digt. Alleine aus der Betriebssicherheit heraus sollte dem ESG/HST der Vorzug gegeben werden. Die Fälle von

    Spontanbruch bei Fassadenverglasungen aufgrund von Nickelsulfideinschlüssen sind zwar in letzter Zeit im Wie-ner Raum kaum mehr aufgetreten, das Thema ist aber alleine aus produktionstechnischen Ansätzen heraus nicht vom Tisch. Auch die technologische Sichtweise der HST-Prüfung (Stichwort der geänderten Prüfverfahren in Deutschland) ist offensichtlich noch nicht eindeutig. Aber wie bereits einleitend angemerkt, dürfte für die Wahl der Glasart in vielen Fällen der Preisdruck die ent-scheidende Argumentation liefern.

    Hanspeter PetschenigAuch hier wird dem Bauherren bzw. Planer die Möglich-keit geschaffen, mit baulichen Maßnahmen gegenzusteu-ern, was beim Neubau eigentlich eher ausgeschlossen werden kann, jedoch bei der Sanierung von Bestandsob-jekten und bei der Nutzungsänderung hilfreich sein kann.Man kann davon ausgehen, dass in der Praxis bei einer viergeschoßigen Fassadenverglasung auf den Einsatz von ESG mit fremdüberwachtem Heat-Soak-Test (HST) ver-zichtet, (Kostenfaktor je nach Glasdicke ungefähr 5 Euro bis 15 Euro/m2) und dafür eine Vordachkonstruktion, wel-che herabfallende Glasbruchstücke von Passanten fern-halten sollen, errichtet wird. Als Alternative könnte man hier Sperrflächen ausführen, welche den Passanten-verkehr unter derartigen Fassadenverglasungen sicher macht.Wie schon eingangs erwähnt, wird im Neubau der Ein-satz von Sicherheitsglas nach OIB-Richtlinie 4 bevorzugt, jedoch kann auch hier ein nachträglich errichtetes Vor-dach unter einer zehngeschoßigen Bestandsglasfassade eine gute Möglichkeit zur Nachrüstung sein.

    Wie sieht es bei vertikalen Verglasungen mit einer Splitterfallhöhe unter 4 m aus?Bei Verglasungen mit einer Splitterfallhöhe unter 4 m (z. B. im Portalbereich) wird natürlich auch die Möglich-keit genützt, ESG ohne HST einzusetzen, wobei hier sei-tens der Glasveredelungsbetriebe ESG/HST sowohl emp-fohlen als auch verwendet wird.

    … und über 4 m?Verglasungen über 4 m Splitterfallhöhe werden, wenn nicht Zusatzanforderungen wie etwa erhöhter Schall-schutz bestehen, in der Regel mit ESG/HST, welches die Anforderungen der OIB-Richtlinie 4 erfüllt, ausgeführt. Sonst kommt ohnehin Schallschutz-VSG zum Einsatz. ESG/HST mit fremdüberwachten Heat-Soak-Test-Öfen hat sich in der Praxis bestens bewährt und kann nach wie vor für den Einsatz in Fassaden vierseitig gelagert, zwei-seitig in Verkaufsstätten und bei Balkonverglasungen eingesetzt werden.Wichtig ist natürlich auch die Kontrolle seitens der Auf-traggeber bzw. Baubehörden, damit auch wirklich seriös gearbeitet wird. Schon bei der Auftragsvergabe sollte der Bauherr bzw. die örtliche Bauaufsicht auf die Bekannt-gabe des Glasveredelungswerkes bestehen und sich zumindest die aktuellen Fremdüberwachungsberichte der autorisierten Institutionen vorlegen lassen.

    SR Dipl.-Ing. Georg Pommer, Moderator Dipl.-Ing. Hubert Meszaros und Hanspeter Petschenig

    Interview Verglasungen8 04 | 14

  • SR Dipl.-Ing. Georg PommerLeiter der Prüf-, Überwachungs- und Zertifizie-rungsstelle der MA 39, Magistrat der Stadt Wien1980 Matura an der HTL für Holztechnik in Mödling; 1981 bis 1986 Studium an der Universität für Bodenkultur (Studienrichtung Holzwirtschaft); 1996 bis 2005 Assistent und Lehrbeauftragter für Materiallabor und Oberflächengestaltung an der Akademie der Bildenden Künste Wien (Institut für Kunst und Architektur); seit 1997 Lehrgang für Zeichnungsberechtigte für akkreditierte Stellen, BMWA inkl. laufendes Refreshment, Auditor; ab 2001 Managementlehrgang VA; 2001 Kontraktmanagement, Österr. Controller Institut; 2002 ÖVQ-Qualitätsmanager; 2003 Lehrgang für Vergabewesen, ARS; 2004 Allgemein gerichtlich zertifizierter Sachverständiger für Baustoffe, Beton, Zement, Ziegel; seit 2008 Abteilungsleiter der MA 39

    Hanspeter Petschenig Geschäftsführender Gesellschafter der Petschenig glastec GmbHAusbildung an der Glasfachschule Kramsach; 1985 Meisterprüfung für Glaser und Glasschleifer einschließlich der Spiegelbeleger; 1982, 1983 und 1986 Projektleitung während des Studiums in New Dehli, Bagdad und Paris; seit 1995 geschäftsführender Gesellschafter der Petschenig glastec GmbH; ebenfalls seit 1995 Gründungsgesellschafter der UNIGLAS GmbH & Co KG in Montabaur; seit 1998 Mitarbeiter in verschiedenen ÖNORM-Fachgremien; seit 2014 Lehrbeauftragter an der DHBW Dualen Hochschule Baden-Württemberg (Studienlehrgang Fassadentechnik)

    Zur Person

    Die Aufnahme von Anforderungen für die sichere Verwen-dung von Glas in die OIB-Richtlinie 4 war für alle Beteilig-ten ein großer und wichtiger Schritt und gibt den Planern, Bauherren, Behörden und Glastechnikunternehmen die

    einmalige Möglichkeit, auf ein einheitliches Regelwerk zurückzugreifen. Es bleibt jetzt nur noch zu hoffen, dass die beiden ausständigen Bundesländer die OIB-Richtli-nien umgehend für rechtsverbindlich erklären.

    Interview Verglasungen

    Moderator

    Dipl.-Ing. Hubert Meszaros,Referent im Referat „Bauphysik“ des OIB

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    904 | 14

  • 2

    Neue Verfahren und der verstärkte Wunsch der Architekten und Bauherren nach mehr Transparenz im Bauwesen haben dem thermisch vorgespannten Kalknatron- Einscheibensicherheitsglas (ESG) großen Auf schwung gebracht. Die erhöhte Widerstandsfähig-keit des ESG gegen mechanische und thermische Span-nungen wird im Vorspannprozess hergestellt, indem ein Glas über eine festgesetzte Temperatur erhitzt und dann kontrolliert schnell abgekühlt wird, wodurch eine dauerhafte Spannungsverteilung im Glas entsteht. ESG fi ndet in vielen Bereichen Anwendung, aber dennoch darf der Aspekt der Sicherheit nicht außer Acht gelas-sen werden.

    Historische Meilensteine

    Für die Entwicklung dieses Produktes gibt es zwar kaum nachvollziehbare Unterlagen, dennoch hat man in Erfah-rung gebracht, dass schon im 17. Jahrhundert in England die sogenannten Prince Rupertʼs Drops „produziert” wur-den. Diese entstanden, indem geschmolzene Glastrop-fen in einen Eimer mit kaltem Wasser fallen gelassen wurden. Diese tropfenförmigen Glasteile waren ziemlich widerstandsfähig und sind bei Beschädigung des dünnen Endes explosionsartig in kleine Stücke zerbrochen. Die nächste Information über ESG gibt es über einen Franzosen namens Francois Royer de la Bastie, welcher 1874 entdeckte, dass Glas nach nochmaliger Erhitzung wesentlich widerstandsfähiger wurde und im Bruchfall in kleinere Teile als bei normal gekühltem Glas zerfällt.

    Die Weiterentwicklung von ESG beeinfl usste auch der um 1900 in Langenwang (Steiermark) geborene Rudolf Seiden, der in Wien zuerst Rechtswissenschaft und danach Chemie an der Technischen Universität studierte. Im Jahr 1935 emigrierte er in die Vereinigten Staaten, wo er in der Abteilung Produktion und Forschung der Haver-Lockhart-Laboratorien in Kansas City (Missouri) bis zu seinem Tod im Jahr 1965 arbeitete. Unter anderem wurde seine Entwicklung für einige Jahre – ab 1938 – in der Pittsburgh Plate Glass Co als „Herculite Tempered Glass“ produziert.In Frankreich hat im Jahr 1929 die Saint-Gobain-Gruppe ein Patent für das Sekurit-Sicherheitsglas für Kraftfahr-zeuge angemeldet. Fast zur selben Zeit hat sich auch in Deutschland die Herzogenrather Sekuritglaswerke GmbH (Aachen) mit der Produktion des ESG beschäftigt. Die-ses Glas wurde ebenfalls hauptsächlich im Fahrzeugbau (Kraftwagen, Eisenbahnen) eingesetzt.

    In einem undatierten Schreiben – vermutlich aus dem Jahr 1935 – gibt die Herzogenrather Glaswerke Bicheroux & Cie GmbH folgende Gründe für die Verwendung von Sekurit (seit 1933 Markenname für ESG von Saint-Gobain) an:

    Auszug aus dem undatierten Schreiben der Herzogen-rather Glaswerke Bicheroux & Cie GmbH

    CoverESG als Sekurit-Sicherheitsglas bei Kraftfahrzeugen, © Sekurit Zeitschrift 1937

    Text und Fotos Gerhard Peutl

    Einscheibensicherheitsglas „ESG“ – Anwendungen und Risiken

    Versuch 1: Stellen Sie das Glas auf eine Schmalkante und lassen Sie es der Länge nach umfallen, so wird es nicht zerbrechen. Sie können diesen Versuch ruhig auf Steinfuß-boden vornehmen. Der Klang beim Fallen gleicht unge-fähr dem eines Metallstückes.Versuch 2: Belasten Sie die auf 2 Klötze lose aufgelegte Scheibe mit einer Person, und Sie werden an der Durch-biegung des Glases seine außergewöhnliche Elastizität feststellen können.Versuch 3: Sekuritglas ist auch ganz besonders wider-standsfähig gegen ungewöhnlich hohe bezw. niedrige Temperaturen. Erhitzen Sie das Scheibchen auf 200°, 250° bis zu 300°, und lassen Sie es darufh in erkalten. Das Glas bleibt vollkommen heil und seine Eigenschaften gänzlich unverändert.Wenn nun eine Sekuritscheibe unter Überbeanspruchung zu Bruch gehen sollte, so entstehen nicht die so gefährli-chen dolchartigen Stücke wie beim normalen Glase, son-dern eine Zerkrümmelung in etwa erbsengroße Teilchen, die keine ernsthaften Verletzungen verursachen können.

    Thema Einscheibensicherheitsglas10 04 | 1404 | 14

  • Diese Eigenschaften sind im Prinzip auch heute noch gegeben. Dem Wunsch der Architekten für mehr Transparenz, und somit auch mehr für Glas im Bauwesen nachzukommen, war – natürlich auch unter dem Aspekt der Sicherheit – ausschlaggebend dafür, dass ab den 50iger Jahren ver-mehrt ESG verwendet wurde.

    Die Gegenwart

    Am System des thermischen Vorspannens hat sich bis heute nicht viel geändert, außer dass die Technik wesent-lich verbessert wurde. Während beispielsweise die ESG-Scheiben und Türen der 60iger und 70iger Jahre noch im vertikalen Verfahren (mit Zangen oben hängend, kleine Aufh änge-Punkte etwa alle 150 mm sichtbar) hergestellt wurden, wird heute ESG hauptsächlich im Horizontal-verfahren, über Rollen laufend, produziert. Ein relativ neues Verfahren – das sogenannte „Luftkissenverfah-ren“ – kommt ebenfalls schon zur Anwendung. Der Vor-teil des zuletzt genannten Verfahrens ist, dass keine Rol-lenabdrücke (roler waves) entstehen können. Das ESG ist seit Dezember 2000 in der ÖNORM EN 12150-1 [5] regle-mentiert. In dieser Norm sind unter anderem die ❚ Glaserzeugnisse, ❚ Maße und Toleranzen (Nenndicken, Winkeligkeit,

    Verformungen, Geradheit), ❚ Kantenbearbeitung, Bohrungen, Öff nungen und Aus-

    schnitte sowie deren Toleranzen, ❚ Prüfung der Bruchstruktur, ❚ Beurteilung des Bruchbildes und die ❚ mechanische Festigkeit (für ESG Float 120 N/mm²

    gegenüber 45 N/mm² für Float) angegeben.

    Eine weitere Entwicklung, um den sogenannten „Spon-tanbruch“ zu einem hohen Prozentsatz auszuschließen, ist der Heißlagerungstest (Heat-Soak-Test = HST), wel-cher in der ÖNORM EN 14179-1 [7] geregelt ist.

    Anwendungsmöglichkeiten

    Das thermisch vorgespannte Kalknatron-Einscheiben-sicherheitsglas (es gibt auch ein chemisch vorgespann-tes Kalknatronglas, welches aber im Bauwesen kaum ein-gesetzt wird) kann in folgenden Bereichen angewendet werden: ❚ Türen und Fenstertüren ❚ Trennwänden (wenn keine Absturzsicherung erfor-

    derlich, oder diese durch andere geeignete Vorrich-tungen erfüllt wird)

    ❚ Geschäftsportalen ❚ Fassaden ❚ Geländer-Füllungen (wenn keine Absturzsicherung

    erforderlich, oder diese durch andere geeignete Vor-richtungen erfüllt wird)

    1Teilansicht der Fassade der S-Bausparkasse, 1030 Wien – ESG-Ornament emailliert, punktförmige Lagerung

    Them

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    Der neue Glasboden auf dem Pariser Eiffelturm

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    Thema Einscheibensicherheitsglas 1104 | 14

  • ❚ Umwehrungen von Aufzugsschächten (außerhalb des Verkehrsbereichs)

    ❚ Duschanlagen ❚ Wandverkleidungen und Vitrinen ❚ Lärm- oder Sichtschutzwänden

    Bei den ersten vier Punkten sind die Bedingungen und Anforderungen der OIB-Richtlinie 4 [1] sowie der ÖNORM-Serie B 3716 [4] zu berücksichtigen. Beim sechs-ten Punkt ist die ÖNORM B 2459 [3] zu beachten. Das ESG kann als Einfachglas, aber auch in Kombination als Mehrscheiben-Isolierglas (MIG) und als Verbund- oder Verbund-Sicherheitsglas (VG oder VSG) verwendet werden. ESG als Einfachglas ist für absturzsichernde Vergla-sung (z. B. Terrassenbrüstung) und als Horizontalvergla-sung (z. B. Dach) nicht zulässig. Die Zulässigkeit in Fassa-den ab einer Splitterfallhöhe von 4 m ist von der Art der Lagerung und einem Heißlagerungstest (HST) gemäß ÖNORM EN 14179-1 abhängig. Die Zulässigkeit von Mehrscheiben-Isolierglas oder Verbund-Sicherheitsglas mit ESG ist in der ÖNORM B 3716-7 geregelt. ESG kann auch aus massegefärbtem oder beschichte-tem Float hergestellt werden. Des Weiteren ist auch Float emailliert, teilemailliert oder siebbedruckt mög-lich, wobei für einen statischen Nachweis die mechani-schen Festigkeitswerte vermindert anzusetzen sind (z. B. 75 N/mm² gegenüber 120 N/mm² für ESG-Float blank), wobei hier noch die Lage der Emailschicht maßgebend ist. Bei Ornamentglas ist der reduzierte Wert 90 N/mm² gegenüber ESG-Float blank.Da die Kanten von Glas immer eine Schwachstelle sind, wenn es um Bruchfestigkeit geht (die „Kantenfestig-keit“ ist etwa nur die Hälfte der „Flächenfestigkeit“), ist besonders für ESG eine Kantenbearbeitung oder eine mit Wasserstrahl geschnittene Kante unbedingt erforderlich. Desgleichen sind bei Lochbohrungen und Ausnehmun-gen die Bestimmungen der ÖNORM EN 12150 und/oder die Herstellerrichtlinien zu beachten.

    Die Verwendung von ESG ist in vielen Bereichen nicht mehr wegzudenken, wie z. B. im Brandschutz, bei email-lierten oder siebbedruckten Brüstungen oder bei Türver-glasungen. Neuere Entwicklungen machen es möglich, ESG in gerin-geren Dicken als die bisher üblichen 4 mm zu produ-zieren. Damit gibt es für den ebenfalls stärkeren Trend von drei- oder sogar vierfach MIG in Fenstern und Türen einen wesentlichen Vorteil betreffend Elementdicke und Gewicht. Ein nicht unwesentlicher Anteil der Bauteile aus ESG sind die sogenannten „Ganzglastüren und Ganzglasanlagen“ (Eingangsportale von Geschäften, Supermärkten, Ban-ken etc.) oder Duschen (sofern diese keine Serienferti-gungen sind) und Sanitäranlagen. Dieses Gebiet ist noch nicht normiert bzw. vom Gesetzgeber geregelt. Außer technischen Hinweisen der Hersteller gibt es nur Rege-lungen für Ämter, Schulen und Kindergärten (siehe bei-spielsweise das Raumbuch für Amtshäuser, Kindergärten und Schulen der Stadt Wien), wo Türen nicht als „Ganz-glastüren“ zulässig sind, sondern nur Glasausschnitte.

    Die Risiken

    Das ESG ist in den letzten Jahren aufgrund mehrerer „Unfälle“ und Glasbrüche sowohl im öffentlichen (z. B. Fassaden) als auch im privaten Bereich (z. B. schwere Verletzung eines Kindes nach Bruch einer Ganzglas-tür) etwas in „Verruf“ geraten. Die Probleme entstanden nicht zuletzt aufgrund des vermehrt auftretenden „Spon-tanbruchs“, aber auch wegen der zu gering dimensionier-ten Glasdicken oder des nicht fachgerechten Einbaus.

    SpontanbruchDer sogenannte „Spontanbruch“ entsteht durch einen „Fremdkörpereinschluss“ im Glasgemenge, welcher meistens ein Nickelsulfid ist (kann beim Abbau des Grundmaterials für Glas – Quarzsand – vorkommen). Da die Größe dieser Nickelsulfid-Einschlüsse sehr gering ist (meist unter 0,2 mm), sind diese optisch nicht zu erken-nen. Das echte Problem entsteht erst beim Vorspannpro-zess, wenn dieser Einschluss in der Zugspannungszone liegt, denn dann verändert sich durch die Temperatur-belastung der Zustand (allotrope Umwandlung), was mit einer Volumens-Vergrößerung von etwa 4 % einhergeht. Der dadurch entstehende Spannungsanstieg kann sofort, oder aber auch erst nach zehn Jahren zum Bruch führen. Das Bruchbild, siehe Abbildung 4, zeigt die – inzwi-schen schon berühmt gewordene – Schmetterlingsform als Ausgangspunkt.

    Um das Risiko eines „Spontanbruchs“ zu minimieren (Restrisiko von etwa 4 –5 % bleibt), gibt es die bereits erwähnte Heißlagerung (HST) für thermisch vorge-spannte Gläser gemäß ÖNORM EN 14179.

    Kanten, Löcher und AusnehmungenEin weiteres Risiko sind freie Kanten, Löcher und Ausneh-mungen. Wie bereits erwähnt, ist die „Kantenfestigkeit“ wesentlich geringer als die „Flächenfestigkeit“. Dasselbe

    2 Gemeinschaftspraxis, 1060 Wien – Ganzglasanlage aus ESG-Float 10 mm, satiniert

    3WC-Anlage Restaurant Aibler – Türen und Trennwände aus ESG-Ornament 8 mm, emailliert

    2 3

    Thema Einscheibensicherheitsglas12 04 | 1404 | 14

  • 4Typisches Bruchbild eines Nickel-Sulfid-Einschlusses

    5Durchbiegung eines ESG, etwa 3 mm dickes ESG-Float bei einer Spannweite von etwa 1500 mm, 441 mm durchgebogen bevor es zu Bruch ging

    gilt natürlich auch für die „Kanten“ von Lochbohrungen oder Ausnehmungen. Hier sind eine saubere und tech-nisch einwandfreie Kantenbearbeitung und/oder ein ent-sprechender Kantenschutz notwendig.

    Applizierung von FolienEin, in letzter Zeit immer öfter auftretendes, Problem ist die Applizierung von Folien auf ESG. Unabhängig davon, ob es sich um sogenannte „Splitterschutzfolien“, „Ein-bruchschutzfolien“ oder nur „Dekorationsfolien“ han-delt, ist die Anwendung nur unter bestimmten Voraus-setzungen zulässig, da durch den Zusammenhalt der bei Bruch entstehenden Glaskrümeln, die ursprüngliche Eigenschaft des ESG nicht mehr gegeben ist. Bei „Split-terschutz-“ oder „Einbruchschutzfolien“ ist es unbedingt notwendig, dass diese über die gesamte Glasfläche und sogar bis in die Lagerung reichen (z. B. Falz, Klemmfläche etc.). Besonderes Augenmerk ist bei Folien auf Ganzglas-türen (Dreh- oder Schiebetüren) zu richten, welche bei-spielsweise im Sinne der ÖNORM B 1600 [2] als „kon-trastierende Markierung“ verwendet werden. Für diese Fälle sollte keinesfalls nur der Teilbereich der Markierung appliziert werden, sondern – wie bereits erwähnt – die gesamte Fläche.

    Resümee

    ESG wird oft zu Unrecht „diskriminiert“. Es kommt eben immer auf den Anwendungsfall und der technisch kor-rekten Verarbeitung bzw. Montage an. In vielen Fällen ist die Verbindung mit VSG oder MIG nicht mehr weg-zudenken. Es gibt Fassaden, Ganzglastüren und derglei-chen, welche seit über 50 Jahren existieren und immer noch ihren Zweck erfüllen.Abschließend noch ein Bild einer ESG-Scheibe von etwa 3 mm Glasdicke, die über eine Spannweite von etwa 1500  mm, erst bei einer Durchbiegung von 441 mm zu Bruch ging.

    Literatur- und Normenverzeichnis

    [1] OIB-Richtlinie 4: Nutzungssicherheit und Barriere-freiheit, Oktober 2011.

    [2] ÖNORM B 1600: Barrierefreies Bauen – Planungs-grundlagen, 1. Oktober 2013.

    [3] ÖNORM B 2459: Glas für die Umwehrung von Aufzugsschächten, 15. März 2014.

    [4] ÖNORM B 3716-7: Glas im Bauwesen – Konstrukti-ver Glasbau. Teil 7: Glasanwendungen, 1. September 2014.

    [5] ÖNORM EN 12150-1: Glas im Bauwesen – Thermisch vorgespanntes Kalknatron-Einscheibensicherheits-glas. Teil 1: Definition und Beschreibung, 1. Dezem-ber 2000.

    [6] ÖNORM EN 12150-2: Glas im Bauwesen – Ther-misch vorgespanntes Kalknatron-Einscheiben-sicherheitsglas. Teil 2: Konformitätsbewertung/Produktnorm, 1. Dezember 2004.

    [7] ÖNORM EN 14179-1: Glas im Bauwesen – Heiß-gelagertes thermisch vorgespanntes Kalknatron-Einscheibensicherheitsglas. Teil 1: Definition und Beschreibung, 1. August 2005.

    [8] ÖNORM EN 14179-2: Glas im Bauwesen – Heiß-gelagertes thermisch vorgespanntes Kalknatron-Einscheibensicherheitsglas. Teil 2: Konformitätsbe-wertung/Produktnorm, 1. August 2005.

    Ing. Gerhard PeutlAllgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sach-verständiger, Sachgebiet 74.23 – Bereich Glas im Bauwesen. [email protected]

    5

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    Thema Einscheibensicherheitsglas 1304 | 14

  • Mit Herausgabe der überarbeiteten Baustoffliste ÖA Anfang 2015 wird auch ein neues Regelwerk zur prak-tischen Anwendung kommen: der Verwendungsgrund-satz des OIB „Brandschutzverglasungen“ [1] vom Mai 2014. Dieser Verwendungsgrundsatz wird das bishe-rige Regelwerk, die ÖNORM EN 357 ablösen. In die-sem Artikel erfahren Sie, was Brandschutzverglasun-gen sind und wie sie funktionieren, wie man sie prüfen und zulassen muss. Und Sie lesen, wie und warum die-ser neue Verwendungsgrundsatz erstellt wurde, und was sich zukünftig für Hersteller von Brandschutzver-glasungen ändert.

    Was sind Brandschutzverglasungen?

    Als Brandschutzverglasungen versteht man feuerwider-standsfähige Bauteile, die Öffnungen in Wänden dauer-haft verschließen, und die nicht öffenbar sind. Sehr oft werden diese auch als Fixverglasungen bezeichnet. Sie bestehen zum größten Teil aus Brandschutzglas und meistens aus zugehörigen Rahmenkonstruktionen aus Stahl, Aluminium oder Holz. Abbildung 2 zeigt eine sol-che Konstruktion mit Aluminium-Profilen beim Start einer Brandprüfung.

    Text und Grafiken Karen Schausberger | Fotos Peneder Bau-Elemente GmbH

    Der neue Verwendungsgrundsatz „Brandschutzverglasungen“

    1Fixverglasung EI90, 21er-Haus

    2Prüfung einer Aluminium-Fixverglasung EI30

    3Prüfung einer Nurglaswand EI30

    2 3

  • Them

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    4Ende der Prüfung einer Fixverglasung EI90

    Auch Nurglas-Konstruktionen, die gänzlich ohne sicht-bare Rahmen auskommen, und die zum Beispiel mit Sie-gelfugen direkt an die Wand angeschlossen werden, sind möglich siehe Abbildung 3.

    Warum funktioniert Brandschutzglas?Das Glas selbst bildet meistens den größten Anteil am Bauelement „Brandschutzverglasung“. Warum funkti-oniert das aber überhaupt? Warum kann so eine Glas-scheibe einen Brandversuch bestehen? Das Geheimnis liegt im inneren Aufbau. Dieser ist zwar von Hersteller zu Hersteller unterschiedlich, aber das Prinzip ist immer dasselbe. Die Scheibe als Ganzes besteht aus mindes-tens zwei einzelnen Glastafeln, zwischen denen eine glasklare Gelschicht eingearbeitet ist. Diese Gelschicht reagiert bei Hitzeeinwirkung in zweierlei Hinsicht: Einer-seits schäumt die Schicht auf und bildet dadurch einen Polster, der isoliert, den Wärmedurchgang verzögert, und die dahinterliegende Tafel eine gewisse Zeit vor dem Feuer schützt. Andererseits gibt die Gelschicht bei der Reaktion gebundenes Wasser ab, wodurch ein kühlender Effekt erreicht wird. Die Abbildung 4 zeigt diesen Effekt des Aufschäumens. Das Foto wurde am Ende der Prüfung – nach mehr als 90 Minuten – aufgenommen. Man sieht hier sehr deutlich, dass die aufgeschäumten Schichten schon sehr verbraucht sind und dadurch das Glas knapp vor dem Versagen ist.

    Je nach Hersteller gibt es verschiedene Technologien. Manche Hersteller haben viele dünne Schichten aus Glas und Gel im abwechselnden Verbund. Durch eine Erhö-hung der Schichtanzahl lässt sich so die gewünschte Feu-erwiderstandsdauer erreichen. Andere Hersteller arbei-ten mit wenigen Glastafeln und haben wenige, aber dafür dickere Gelschichten, und erreichen so die gewünschte Leistung. Es gibt auch monolithische Brandschutzgläser, die ohne Gelschicht auskommen. Diese Gläser bleiben im Brand-fall klar und durchsichtig, haben aber keine isolierende Wirkung. Sie bilden eine Barriere gegen das Feuer, lassen aber die entstehende Hitze nahezu ungehindert durch-treten (sogenannte „E“-Gläser, siehe weiter unten).

    Prüfung von BrandschutzverglasungenBrandschutzverglasungen müssen genauso wie Feu-erschutzabschlüsse europäisch nach der ÖNORM EN  1364-1 [2] (im Falle von vertikalen nicht belasteten Elementen) geprüft werden und je nach Anforderung die Leistungskriterien Raumabschluss (E), Wärmedäm-mung (I) oder Strahlung (W) über die vorgesehene Zeit erfüllen. Eine Unterscheidung des I-Kriteriums in I1 oder I2, wie sie bei den öffenbaren Abschlüssen vorgenommen wird, ist hier nicht vorgesehen und daher nicht zulässig. Der direkte Anwendungsbereich der Prüfnorm ist sehr kurz und bietet nicht viel Spielraum, aber er erlaubt bei entsprechendem Prüfaufbau mit einer Mindestnenn-breite von 3 m und der Anordnung von einem freien vertikalen Rand eine endlose Verbreiterung der Kons-truktion bei identer Ausführung. Gerade diese Tatsa-che ist für die praktische Ausführung sehr wesentlich,

    da Brandschutzverglasungen sehr oft zum Beispiel lange Gänge abschotten.

    Prüftechnisch und zulassungsmäßig beachtenswert ist auch die Tatsache, dass das Brandschutzglas selbst keine Feuerwiderstandsklasse hat. Die Gläser sind entspre-chend der zutreffenden Normen CE-gekennzeichnet, zum Beispiel als Verbund-Sicherheitsglas oder als Ein-scheibensicherheitsglas, und sind für eine vorgesehene Feuerwiderstands-Klasse geeignet. Aber erst, wenn die Glasscheibe als Teil einer Konstruktion eine Brandprü-fung bestanden hat, ist die Feuerwiderstands-Klasse für die gesamte geprüfte Konstruktion nachgewiesen.

    Eine Übertragung von Prüfergebnissen ist nur innerhalb einer Produktfamilie desselben Glasherstellers möglich. Diese Tatsache erhöht den Prüfaufwand, da die Produkte

    5Nurglaswände E30, Sozial zentrum Pillerseetal

    Thema Verwendungsgrundsatz 1504 | 14

  • jedes Herstellers und von diesem wieder die unterschied-lichen Glastypen (Familien) eigens nachgewiesen wer-den müssen. Bei Prüfung von ISO-Glasaufb auten spielt auch die Einbaurichtung eine Rolle. Daher müssen bei-spielsweise ISO-Gläser in der Regel zweimal geprüft wer-den: Einmal muss die Feuerschutz-Scheibe auf der brand-zugewandten Seite geprüft werden, und einmal muss sie sich auf der brandabgewandten Seite befi nden. Dies triff t auch zu, wenn der Glaseinbau in der Konstruktion nicht symmetrisch erfolgt. Auch dann muss man eine Prüfung beider Seiten nachweisen.Für das Prüfprogramm ist auch die Vielzahl von Aus-führungsmöglichkeiten der Brandschutzgläser von Bedeutung: Es gibt Gläser mit zwischengelagerten PVB-Folien für die Absturzsicherung, mit Beschichtungen

    für Kälte- oder Wärmeschutz, mit zwischenliegenden Jalousien etc. Oft muss für diese Spezialgläser dann auch noch ein separater Nachweis – meist in Form einer zusätzlichen Prüfung – geführt werden.

    ZulassungIn der täglichen Anwendung ist eine Unterscheidung zwischen verglasten Seiten- oder Oberlichten von Türen oder Toren einerseits und Brandschutzverglasungen andererseits vorzunehmen. Eine Seiten- oder Oberlichte hat mit einer Seite immer „Kontakt“ zum öff enbaren Ele-ment, und wird prüftechnisch der ÖNORM EN 1634-1 [3] zugeordnet, wohingegen eine Brandschutzverglasung auch alleine stehen kann. Bei großfl ächigen Abschlüs-sen kommt es daher oft vor, dass feststehende Elemente auch von ihrer Zulassung her einmal zur Tür gehören, und einmal als Brandschutzverglasung eigens gekenn-zeichnet werden müssen siehe Grafi k 1.

    Wenn man ein Produkt, wie in der Grafi k gezeichnet, zulassen möchte, so müsste man als Hersteller Prüfun-gen für die Brandschutzverglasung nach EN 1364-1 absol-vieren, und das Türsystem nach EN 1634-1 nachweisen. Die Kombination von beidem muss dann über folgende zusätzliche Prüfung nach EN 1634-1 nachgewiesen wer-den: eine Tür mit Oberlicht sowie Seitenteilen links und rechts mit zwei freien vertikalen Rändern. Die Seitenteile werden dadurch zur sogenannten „zugehörigen Tragkon-struktion“, und die Tür kann mit diesem Nachweis dann in eine endlose Brandschutzverglasung eingebaut wer-den. Diese Darstellung ist sehr vereinfacht und berück-sichtigt nicht den Komplexitätsgrad der Konstruktionen. Mitunter benötigt man eine vielfache Anzahl an Prüfun-gen, um alle Ausführungen nachweisen zu können.

    Alle bisher erwähnten Prüfungen betreff en rein die Feuer-widerstandsfähigkeit. Für den Einsatz in Gewerken sind oft noch weitere Nachweise, wie etwa eine Berechnung der Statik, des Wärmedurchgangs-Koeffi zienten (U-Wert) oder ein Prüfnachweis über die Schalldämmung erfor-derlich.

    Hintergrund zum neuen Regelwerk

    Die ÖNORM EN 357Seit im Jahr 2004 die ÜA-Kennzeichnung gesetzlich verpfl ichtend wurde, war als Regelwerk der Baustoff -liste ÖA unter Punkt 14.2.1 „Brandschutzverglasungen“ die ÖNORM EN 357 [4] eingetragen. Diese Norm bie-tet einen sehr schnellen Überblick über die Zuordnung der einzelnen Glaserzeugnisse zu ihren Normen. Wei-ters wird festgelegt, nach welchen europäischen Nor-men die einzelnen Feuerschutzprodukte zu prüfen sind, (beispielsweise als nichttragende Wand nach ÖNORM EN 1364-1) und wie die Ergebnisse dieser Prüfungen klas-sifi ziert werden können. Eine Produktnorm, wie wir sie von den Feuerschutztüren oder -toren her kennen, war diese Norm aber nie.

    6Portal Hueck Lava 77-10, © HUECK Aluminium GmbH

    Grafi k 1 Korrekte Zuordnung von sol-chen gemischten Aufb auten zu Prüfung und Zulassung

    Thema Verwendungsgrundsatz16 04 | 14

  • Nachdem es diese österreichische Produktnorm für Brandschutzverglasungen nicht gab, war die EN 357 das einzig greifb are Regelwerk für die Baustoffl iste ÖA und wurde deswegen herangezogen.

    Was fehlte?Das Fehlen einer Produktnorm hatte jedenfalls die Aus-wirkung, dass einerseits die qualitätssichernden Maß-nahmen wie die werkseigene Produktionskontrolle oder die Fremdüberwachung unter Anlage A der Baustoffl iste ÖA [5] extra geregelt werden mussten, und dass anderer-seits das Instrument der objektbezogenen Beurteilung gänzlich fehlte. Dadurch konnten Abweichungen von der geprüften und zugelassenen Brandschutzverglasung durch eine akkre-ditierte Prüfstelle nicht beurteilt werden, da die Beurtei-lungsgrundlage schlichtweg fehlte.Es war ein sehr bedauernswerter Zustand. Alles war vor-handen – die europäischen Prüfnormen, die Klassifi -zierungsnormen, ja sogar die Norm zum erweiterten Anwendungsbereich (Extended application, kurz „EXAP“ genannt) [6] gibt es schon seit 2008. Nur eine österrei-chische Produktnorm, die das Zusammenspiel all dieser Basis-Normen und den Umgang mit dem Bauprodukt in der Praxis regelt, war nicht vorhanden.Auch auf europäischer Ebene gab und gibt es keine Bestrebungen, hier eine Produktnorm zu schaff en.Bei jedem Bauvorhaben, bei dem von der geprüften Kon-struktion abgewichen werden musste, hieß es bei den Prüfstellen: „Wir wissen, dass es funktioniert, aber wir können keine Beurteilung dafür ausstellen, weil wir keine Norm dafür haben.“

    Dies war letztlich der Anlass, warum sich Experten des Austrian Standards Institute (ASI), Vertreter der beiden österreichischen Brandprüfstellen und Behördenvertre-ter als Gruppe an einen Tisch gesetzt haben, um gemein-sam den Entwurf für eine österreichische Produktnorm zu verfassen.

    Der Verwendungsgrundsatz

    EntstehungBei der Erstellung des Normentwurfes suchte die Gruppe recht schnell den Kontakt zum Österreichischen Insti-tut für Bautechnik (OIB) und zum Sachverständigen-Aus-schuss, um sich abzustimmen. Bei diesen Gesprächen stellte sich dann heraus, dass das OIB ein Regelwerk in Form eines Verwendungsgrundsatzes gegenüber einer ÖNORM bevorzugt. Der Verwendungsgrundsatz ist ein „unmittelbares“ Regelwerk des OIB, welches z. B. bei Änderungen sowohl vom zeitlichen Aspekt als auch vom Zugriff her leichter steuerbar ist. Zudem bietet er den Vorteil, dass auch die Angaben zur Kennzeichnung des Bauproduktes (ÜA) direkt enthalten sind, was bei einer ÖNORM rein rechtlich nicht möglich gewesen wäre.

    InhaltDer Verwendungsgrundsatz des OIB „Brandschutzvergla-sungen“ ist vom Aufb au her den bekannten Produktnor-men für Türen und Tore recht ähnlich. Geltungsbereich, Begriff e, Anforderungen, Eigen- und Fremdüberwachung sowie Kennzeichnung sind die inhaltlich relevanten Kapi-telüberschriften.

    Der „Geltungsbereich“ regelt, dass Brandschutzvergla-sungen immer als gesamtes Bauteil zu sehen sind, und dass nicht nur die vertikalen, sondern auch geneigte oder horizontale Konstruktionen unter diesen Verwen-dungsgrundsatz fallen. Weiters wird hier eine Abgren-zung zur ETAG 003, verwendet als Europäisches Bewer-tungsdokument (EAD) [7], vorgenommen. Darüber wird in diesem Artikel noch ausführlich berichtet.

    Das Kernkapitel „Anforderungen“ regelt die Prüf-nachweise, welche nach ÖNORM EN 1364-1, ÖNORM EN 1364-2 [8] oder ÖNORM EN 1365-2 [9] erbracht wer-den können. Ebenso sind hier ein Bericht zum erweiter-ten Anwendungsbereich gemäß ÖNORM EN 15254 (alle

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    Thema Verwendungsgrundsatz 1704 | 14

  • Teile) und die Klassifi zierung nach ÖNORM EN 13501-2 [10] geregelt. Inhaltlich also nichts Neues, aber erstmalig gibt es eine klare Zusammenfassung aller relevanten und anwendbaren Normen.

    Neu ist die Anforderung, dass eine datierte und detail-lierte Montageanleitung beizugeben ist, welche vor allem auch Angaben zur Art und Anzahl der Befestigungen in Abhängigkeit des jeweiligen Wandsystems enthalten muss. Dieser Punkt ist enorm wichtig. Viele Brandereig-nisse zeigen, dass nur ein ordnungsgemäß eingebautes Produkt seine volle Leistung erbringen kann. Wenn die Montage nicht sorgfältig erfolgt, dann können auch Bau-produkte mit einwandfreier Herstellungs- bzw. Liefer-qualität im Brandfall versagen. Während der Nutzung sollte die regelmäßige Überprü-fung und Wartung auch bei Brandschutzverglasungen gewährleistet werden. Dies ist zwar nicht im Verwen-dungsgrundsatz erwähnt, aber der Gesetzgeber setzt ohnehin voraus, dass der Betreiber seine Anlagen jeder-zeit in Schuss hält.

    Das Kapitel „Eigen- und Fremdüberwachung“ regelt die nötige Dokumentation in der Fertigung und die Anforde-rungen an die Fremdüberwachung.

    Die Ausstellung der Registrierungsbescheinigung (ersetzt das bisherige Übereinstimmungszeugnis) sowie die „Kennzeichnung“ mit dem ÜA-Zeichen sind im Kapi-tel 6 geregelt.

    Leider fehlt im Verwendungsgrundsatz eine Rege-lung zum Umgang mit objektbezogenen Beurteilun-gen. Obwohl dies einer der Hauptgründe war, warum die Expertengruppe überhaupt ein neues Regelwerk schrei-ben wollte, konnte man sich im Verlauf der Verhandlun-gen nicht auf eine Formulierung einigen, der alle betei-ligten Interessensgruppen zustimmen konnten. Da eine Regelung trotzdem unumgänglich ist, wurde im Entwurf der neuen Baustoffl iste ÖA in der Anlage A, Punkt 14 eine allgemein gültige Regel zum Umgang mit objektbezoge-nen Varianten eingefügt. Damit ist sichergestellt, dass es auch für Abweichungen eine praxisgerechte Lösung gibt.

    AnwendungDer Verwendungsgrundsatz wird in der überarbeite-ten Baustoffl iste ÖA, welche Anfang 2015 erscheinen wird, erstmals als Regelwerk publiziert und kann ab die-sem Zeitpunkt angewendet werden. Ob es eine Über-gangsfrist geben wird oder nicht, ist zurzeit noch nicht bekannt.

    Verwendungsgrundsatz versus ETAG 0031

    Neu ist die Berücksichtigung der ETAG 0031 im Gültig-keitsbereich des Verwendungsgrundsatzes. Eine ETAG ist eine „Leitlinie für die europäische technische Zulassung“ (European Technical Approval Guideline), die von der

    EOTA erarbeitet wurde. Europäische technische Leitli-nien (ETAG), die vor dem 1. Juli 2013 von der Kommission zur Anwendung freigegeben worden sind, können auch als „Europäische Technische Bewertungsdokumente“ (European Assessment Document – EAD) verwendet werden. Zum Einsatz kommt die Leitlinie oder das Doku-ment dann, wenn es für ein Produkt keine zutreff ende harmonisierte Europäische Norm gibt.

    Alle Brandschutzverglasungen, die in Österreich verbaut werden, müssen eine Registrierungsbescheinigung auf-weisen und müssen mit dem ÜA-Zeichen gekennzeich-net sein – mit Ausnahme jener Produkte, für die es eine Europäische Technische Bewertung oder eine Europä-ische technische Zulassung (ETA) gibt. Dies bedeutet für den Hersteller, dass er zukünftig wählen kann, ob er für sein System den Weg über eine Europäische Tech-nische Bewertung (ETA) auf Basis der ETAG 0031 geht, oder ob er die österreichische Zulassung mittels Regis-trierungsbescheinigung wählt. Wenn man für seine Pro-dukte den Weg über eine ETA wählt, dann ist der Ver-wendungsgrundsatz nicht mehr anwendbar und es kann keine Registrierungsbescheinigung ausgestellt werden, da dies im Geltungsbereich des Verwendungsgrundsat-zes eindeutig ausgenommen ist. Produkte mit ETA müs-sen dann mit dem CE-Zeichen gekennzeichnet werden.

    Bedenklich an der ETAG 0031 ist, dass die Einordnung in das AVCP-System (AVCP = Assessment and Verifi ca-tion of Constancy of Performance) für die Bewertung der Konformität im System 3 erfolgt ist. Üblicherweise sind alle Bauprodukte, die mit Brandschutz oder mit siche-rem Flüchten zu tun haben, im System 1 eingeordnet. Im System 1 unterliegt der Hersteller einer sehr engen Kont-rolle durch die Inspektionsstelle, die die Qualität der Pro-dukte durch laufende Fremdüberwachungen und durch die Überprüfung der werkseigenen Produktionskontrolle sicherstellt. Im System 3 hingegen gibt es diese Instanz nicht mehr, es wird nur mittels Erstprüfung und werksei-gener Produktionskontrolle dokumentiert. Eine regelmä-ßige Fremdüberwachung durch eine Inspektionsstelle ist im System 3 nicht vorgesehen. Diese Festlegung ist kon-trär zu allen anderen europäischen Produktnormen, die sich mit Feuer, Rauch oder Flucht beschäftigen und ist wohl auf das hohe Alter der ETAG 0031 zurückzuführen, da sie bereits im Jahr 1998 erstellt wurde. Gerade auch dahingehend sollte eine dringende Überarbeitung der ETAG 0031 angestrebt werden.

    Die Tatsache, dass es mir nicht möglich war, auch nur eine einzige ETA für eine Brandschutzverglasung zu fi n-den, zeigt auch, dass das Regelwerk ETAG 0031 nur sehr bedingt für diese Produktgruppe geeignet scheint. Die bisher erteilten ETAs gehen eher in Richtung der Bau-sätze für Innenwände wie z. B. Gipskarton-Ständer-wände. Somit besteht die berechtigte Hoff nung, dass diese Möglichkeit einer ETA eine theoretische Option bleibt und ohnehin nicht in Anspruch genommen wird.

    1 verwendet als EAD

    Thema Verwendungsgrundsatz18 04 | 14

  • Karen Schausberger,Produktentwicklung Feuerschutz bei der Peneder Bau-Elemente [email protected]

    Resümee

    Der neue Verwendungsgrundsatz des OIB „Brandschutz-verglasungen“ bietet Verbesserungen für den Anwen-der bzw. Endkunden, da Nachweise, Einbauanleitungen und Kennzeichnung klar geregelt sind. Für Hersteller und Verarbeiter wird die Praxis zeigen, wie sich dieser Ver-wendungsgrundsatz in Kombination mit den geänderten Rahmenbedingungen der neuen Baustoffl iste ÖA (Aus-gabedatum 2015) bewährt.

    Regelwerk- und Normenverzeichnis

    [1] Verwendungsgrundsatz des OIB „Brandschutzver-glasungen“: Glaskonstruktionen mit Anforderungen an den Feuerwiderstand für die Innen- und Außen-anwendung, 6. Mai 2014.

    [2] ÖNORM EN 1364-1: Feuerwiderstandsprüfungen für nichttragende Bauteile. Teil 1: Wände, 1. April 2000.

    [3] ÖNORM EN 1634-1: Feuerwiderstandsprüfungen und Rauchschutzprüfungen für Türen, Tore, Abschlüsse, Fenster und Baubeschläge. Teil 1: Feuer-widerstandsprüfungen für Türen, Tore, Abschlüsse und Fenster, 15. Februar 2014.

    [4] ÖNORM EN 357: Glas im Bauwesen – Brand-schutzverglasungen aus durchsichtigen oder

    durchscheinenden Glasprodukten – Klassifi zierung des Feuerwiderstandes, 1. Februar 2005.

    [5] OIB-095.1-035/12: Konsolidierte Fassung der Liste der Bauprodukte und der Anlagen A − D der Baustoffl iste ÖA (Verordnung des OIB vom 13. Mai 2008 über die Baustoffl iste ÖA, inklusive 1. Novelle und 2. Novelle)

    [6] ÖNORM EN 15254-4: Erweiterter Anwendungs-bereich der Ergebnisse von Feuerwiderstandsprü-fungen – Nichttragende Wände. Teil 4: Verglaste Konstruktionen, 1. Dezember 2013.

    [7] ETAG 003: Leitlinie für die europäische technische Zulassung für Bausätze für innere Trennwände zur Verwendung als nichttragende Wände, 1998, Ände-rung 2012.

    [8] ÖNORM EN 1364-2: Feuerwiderstandsprüfungen für nichttragende Bauteile. Teil 2: Unterdecken, 1. April 2000.

    [9] ÖNORM EN 1365-2: Feuerwiderstandsprüfungen für tragende Bauteile. Teil 2: Decken und Dächer, 1. Juni 2000.

    [10] ÖNORM EN 13501-2: Klassifi zierung von Baupro-dukten und Bauarten zu ihrem Brandverhalten. Teil 2: Klassifi zierung mit den Ergebnissen aus den Feuerwiderstandsprüfungen, mit Ausnahme von Lüftungsanlagen, 15. Februar 2010.

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    Thema Verwendungsgrundsatz 1904 | 14

  • Teilvorgespanntes Kalknatronglas besitzt die Fähig-keit, plötzliche Temperaturänderungen und hohe Temperaturdifferenzen auszuhalten. Im Vergleich zu normal gekühltem Glas hat es ein verbessertes Bruch-verhalten. Kommt es dennoch zu einem Glasbruch, können anhand klar nachvollziehbarer Bruchlinien die bruchauslösenden Voraussetzungen und Faktoren häu-fig sehr eindeutig bestimmt werden.

    Charakteristische Eigenschaften

    Teilvorgespanntes Glas (TVG) wird auf eine festgelegte Temperatur erhitzt und dann kontrolliert schnell abge-kühlt, wodurch über die grundlegende mechanische Fes-tigkeit hinaus eine dauerhafte Spannungsverteilung im Glas entsteht, die ihm eine wesentlich erhöhte Wider-standsfähigkeit gegen mechanische und thermische Spannungen verleiht.(Anmerkung: Thermische Beständigkeit und mechanische Festigkeit werden durch den Grad der Oberflächendruck-vorspannung gebildet. Diese Eigenschaften sind nicht grö-ßenabhängig.)Die Spannungseigenschaften von TVG bleiben bis zu Gebrauchstemperaturen von +200 °C und auch bei Tem-peraturen unter 0 °C erhalten. Teilvorgespanntes Kalkna-tronglas ist fähig, beides – plötzliche Temperaturände-rungen und auch Temperaturdifferenzen – innerhalb der Oberflächen bis zu 100 Kelvin auszuhalten.

    „Glas wird als teilvorgespannt (TVG) bezeichnet, wenn die Oberflächenspannung gerade so groß ist, dass bei Bruch nur Radialbrüche von Kante zu Kante entstehen. Dabei dürfen sich keine größeren lokalen Bruchinseln in der Scheibe erge-ben“. [3]

    Den Unterschied machen ❚ ein verbessertes Bruchverhalten gegenüber normal

    gekühltem Glas, ❚ die thermische Beständigkeit und ❚ die mechanische Festigkeit.

    Als Einzelscheibe hat TVG dennoch keinen Sicherheits-glas-Status.

    Diese technischen Attribute kann der „Junior-Partner“ im Kontext thermisch verfestigter (auch veredelter) Glä-ser leisten. Erstmals im Jahr 2000 zum europäisch nor-mierten Bauprodukt erhoben, gingen dieser offiziellen Anerkennung fünf Jahre des Entwurfsdaseins voraus. Ein, gemessen an dem bereits im Jahr 1990 ursprünglich mit DIN 1249-12 etablierten, thermisch vorgespannten Ein-scheibensicherheitsglas (ESG), relativ später Einstieg.

    Gesucht, gefunden. Der lange Weg von TVG zur Serienreife

    Im Jahr 1988 wurde ein zu dieser Zeit in den USA bereits verwendetes Sonder-Glasprodukt den Fachgremien in Europa mit der Bezeichnung „wärmeverfestigtes Glas“ vorgestellt.Neben dem Festigkeitsvorteil gegenüber normal gekühl-tem (grob brechendem) Glas wurde die höhere Tempe-raturwechselbeständigkeit hervorgehoben. Als Vorteil gegenüber thermisch (voll) vorgespanntem Glas wurde seinerzeit die Resistenz gegen Spontanbruch, im Falle des Vorhandenseins von Einschlüssen aus Nickelsulfid, begründet. Dass dieses „neue“ Produkt, als Komponente für die Her-stellung von Verbund-Sicherheitsglas, zur Lösung des bislang ungeklärten Resttragfähigkeitsverhaltens völlig neue Möglichkeiten eröffnet, kam einer bedeutsamen technischen Errungenschaft gleich.Im Zuge einer Genehmigung im Einzelfall für großflä-chige Horizontalverglasungen in einem Großprojekt in Deutschland, feierte VSG/TVG im Jahr 1994 die Premiere der Projektreife. [4]

    „Damit ein vorgespanntes Glasprodukt als TVG charakteri-siert werden kann, reicht der quantifizierte Wert der erziel-ten Biegezugfestigkeit nicht aus. Neben diesem muss auch das Bruchbild bestimmten Anforderungen genügen.“ [3]

    Text Manfred Beham

    Teilvorgespanntes Kalknatronglas (TVG) –Das Glas mit dem besseren Bruchverhalten

    1

    1 Prüfung der mechanischen Festigkeit – Vierschneiden-Verfah-ren nach ÖNORM EN 1288-3 [2], © Krisch, Ertl Glas AG

    Grafik 1 Repräsentatives Bruchbild TVG – Nach Bruchauslösung mit einem spitzen Stahlwerkzeug im Randbereich [1]

    Thema Teilvorgespanntes Kalknatronglas20 04 | 14

  • Zulassung im Einzelfall mit Bauteilprüfung

    Anhand eines objektbezogenen Versuchs aus dem Jahr 2003 soll das Resttragverhalten dokumentiert werden:Punktgelagertes VSG/TVG 21 mm, in Horizontallage, wurde unter Last (Simulation: Einwirkung aus Schnee) durch mehrere gezielte Hammerschläge in der Fläche (oben und unten) sowie an den Kanten vorgeschädigt. Die festgelegte Mindeststandzeit von 48 Stunden ab dem Schadenseintritt sollte die Zeitdauer bis zum Ein-treffen von Spezialisten oder die Errichtung von Siche-rungsmaßnahmen – beispielsweise an Wochenenden – simulieren.

    Entwicklungsschritte zum harmonisierten Bauprodukt

    Im Jahr 1994 begann das Herantasten mit geringer Men-genproduktion auf Basis von Vorgaben und Dokumenten der CEN/TC’s.Die technischen Möglichkeiten von Glas-Vorspannöfen dieser Generation waren überschaubar und daher nur Dicken von 6 mm bis 10 mm in kontrolliert annehmbarer Qualität erzeugbar.Ab 1995 wurden Bauteilprüfungen zur Beurteilung der Resttragfähigkeit durchgeführt. VSG (Verbund-Sicher-heitsglas) aus TVG konnte darin seine Vorteile gegenüber VSG aus normal gekühltem Glas hinsichtlich Belastbar-keit und gegenüber VSG aus ESG (Einscheibensicher-heitsglas) hinsichtlich Resttragfähigkeit, besonders im Fall von punktgelagerten Horizontalverglasungen signi-fikant unter Beweis stellen.

    Weitere Schritte zum harmonisierten Bauprodukt:

    ❚ 1996 fand die erste offizielle Produktprüfung nach dem Entwurfsdokument prEN 1863 statt.

    ❚ 1998 gab es konkrete Bestrebungen des Deutschen Instituts für Bautechnik (DIBt) zur Umsetzung einer allgemein bauaufsichtlichen Zulassung in Deutsch-land.

    ❚ 2000 erschien erstmals die EN 1863-1 „Glas im Bau-wesen – Teilvorgespanntes Kalknatronglas. Teil 1: Definition und Beschreibung“.

    ❚ 2001 wurde die erste allgemein bauaufsichtliche Zulassung vor dem DIBt erteilt (öffentlichkeitswirk-same Marktverbreitung besonders im Objektge-schäft).

    ❚ 2005 gilt mit Erscheinen der EN 1863-2 „Glas im Bau-wesen – Teilvorgespanntes Kalknatronglas. Teil 2: Konformitätsbewertung/Produktnorm“ als Jahr der Produktharmonisierung“. [4]

    Stand der Technik für Horizontalverglasungen

    Seit 1. März 2006 wurde mit der ÖNORM B 3716-2 [5] die Horizontalverglasung in Österreich reglementiert.VSG aus ESG ist (bei Horizontalverglasungen) keine geeignete Lösung.

    Grundlagen und Herstellung von TVG – Festig-keitssteigerung durch Vorspannung

    Die besonderen rheologischen Eigenschaften des Werk-stoffes Glas werden bei Erwärmung und anschließender Abkühlung genutzt. Das allgemeine Prinzip der Vorspan-nung besteht in der Einprägung von Druckspannungen in der kerbempfindlichen Oberfläche des Glases. Diese bewirken ein Verschließen der vorhandenen Risse und Kerben und somit eine Veredelung der Oberfläche.

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    2 Untersicht der unter Last vor-geschädigten, an sechs Punkten gelagerten Scheibe (Eigen - gewicht ca. 190 kg), © ÖBA „EuroPlaza“

    4 Unkontrolliertes Versagen von VSG/ESG – Latente Gefahr bei nur punktgelagerten Schwer-lastscheiben, © Ertl Glas AG

    6 VSG/TVG asymmetrisch be-ansprucht – Sprünge kommen bei nachlassender Energie zum Stillstand, © Ertl Glas AG

    5 VSG/TVG auch nach Vorbe-schädigung, mit mehreren auf den Haltepunkt zulaufenden Sprüngen, noch in der Lage das Eigengewicht abzutragen, © Ertl Glas AG

    3 Das Ziel 48 Stunden Resttrag-fähigkeit, ohne Verformung, wurde erreicht. Anmerkung: Die Versuchsan-ordnung wurde nach insgesamt drei Wochen als Gesamteinheit abgebaut, © ÖBA „EuroPlaza“

    Them

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  • Bei der thermischen Vorspannung wird das Glas gleich-mäßig bis auf eine Temperatur von etwa 100 °C oberhalb der Transformationstemperatur erhitzt. Anschließend wird die Glasscheibe gleichförmig mit Luftdüsen ange-blasen und abgekühlt. Die erstarrten Bereiche können sich nicht mehr viskos, sondern nur noch elastisch mit einem Aufbau von Druckspannungen verformen. Diese stehen dann mit resultierenden Zugspannungen im Inne-ren im Gleichgewicht.Der wesentliche Parameter zur Steuerung des gewünsch-ten Vorspanngrads als „teilvorgespanntes Glas“ ist der anfängliche Temperaturgradient zwischen Kern und Rand. Dieser wiederum wird durch die Wärmeübergangs-zahl zwischen dem Glas und dem kühlenden Medium gesteuert. Die Wärmeübergangszahl hängt im Falle des Anblasens von der Temperatur und der Geschwindigkeit des Kühlmediums ab.Glaskanten solch veredelter Produkte müssen vor dem Vorspannprozess mindestens gesäumt werden. (Scheiben mit Schnittkanten würden wegen der vielen Fehlstellen

    und Defekte an der Kante bereits im Vorspannofen bre-chen.) Eine mechanische Nachbearbeitung von teilvorge-spanntem Glas ist nicht mehr möglich. Auch nur geringer Materialabtrag ist kritisch und führt zu einem Ungleich-gewicht der Eigenspannungen. Bei einem Materialabtrag bis in Bereiche der Zugzone reagiert das Produkt auf-grund des Eigenspannungszustands mit Bruch. [1]

    Im Fall der Fälle: Glasbruchanalyse

    VSG/TVG bietet nach Vorbeschädigung für die Beurtei-lung und Analytik gut bewertbare Spuren und Indizien. Die breite Palette an bruchauslösender Voraussetzun-gen und Faktoren bildet sich anhand klar nachvollziehba-rer Bruchlinien ab. Nur in Ausnahmefällen ist der Bruch-ursprung nicht ohne technische Hilfsmittel und/oder Zerlegung des Bauteils zu orten.

    Glasart N/mm2

    Float 45

    TVG 70

    TVG-emaillierta 45

    ESG 120

    ESG-emaillierta 75

    Gussglas/Ornament 25

    Drahtglas 25

    TVG Gussglas 55

    ESG Gussglas 90

    a auch teilemailliert und siebbedruckt mit Keramikfarbe. Die geringeren Festigkeits werte von emailliertem, teile-mailliertem und siebbedrucktem Glas gelten nur für Emaille auf der Zugseite.

    Thema Teilvorgespanntes Kalknatronglas

    7 8

    Tabelle 1 Charakteristische Festigkeits-werte (ƒk)

    7 VSG/TVG als Photovoltaik Lärmschutzwand einer Straßen-brücke in Deutschland – Einord-nung als „Punkthalterbruch“, © Wagner, Ertl Glas AG

    8 Detail Bruchursprung: hohe mechanische Punktlast durch Punkthalter (vermutlich ungeeignete Zwischenlage oder unkontrollierter Loch-laibungsschluss), © Wagner, Ertl Glas AG

    22 04 | 14

  • Manfred Beham,Bereich Anwendungstechnik – Beratung – Nachweise bei Ertl Glas [email protected]

    Thema Teilvorgespanntes Kalknatronglas

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    Bruchvoraussetzung bei Glasbruch

    Aus Serienbruchereignissen werden zwangsläufig Man-gelvermutungen hergeleitet. Die Folge können Haf-tungsforderungen in empfindlichem Ausmaß sein. Die Ursache kann seriös nur durch Beweissicherung, Befund und Schlussfolgerung ans Licht gebracht werden.

    FallbeispielAn einem Glasdach ereigneten sich im Laufe der Nut-zung, an beliebiger Stelle der repräsentativen Einde-ckung aus Photovoltaik-Modulen, Brüche.

    FazitDie aufgefundenen Spuren und Merkmale lassen einzig den zwingenden Schluss auf Steinschlagbruch aus grö-ßerer Höhe, vermutlich ausgelöst durch Rabenvögel, zu.

    Resümee

    Die Stärken und Schwächen von TVG sind in Fachkreisen bekannt. Die Qualifikation der Einzelscheiben im Bereich der Nicht-Sicherheitsgläser muss zur Kenntnis genom-men werden. Möglicherweise wäre jedoch das Attribut „Glaserzeugnis mit Sicherheitseigenschaften“ zutref-fender, weil schließlich die Funktionen wie verbessertes Bruchverhalten gegenüber normal gekühltem (grob bre-chendem) Glas, thermische Beständigkeit und mecha-nische Festigkeit durch die hohe Prozesssicherheit heu-tiger Produktionsanlagen und konkreter werkseigener Produktionskontrolle in den herstellbaren Dicken von 3 mm bis 12 mm nachweislich gegeben sind.

    VSG aus TVG ist für Anwendungen im Bauwesen längst etabliert. Mitunter sind jedoch auch nicht adäquate Ver-wendungen bis Fehlgriffe dort feststellbar, wo die Werk-stoffeigenschaften (Höchstwert der Kurzzeitfestigkeit) das Material an seine Grenzzustände zwingt. Bei der Pla-nung von absturzsichernden Glaskonstruktionen, bei-spielsweise solcher mit bestimmter Lagerung zwischen hinreichend tragfähigen Bauteilen, wäre zu beachten, dass VSG/TVG nicht in jedem Fall die richtige Entschei-dung darstellt.

    Ausblick

    TVG als Mono-Scheibe könnte in jenen Bereichen ohne Anspruch an „Sicherheitsglas“ noch ungenützte Einsatz-möglichkeiten eröffnen. Stellvertretend angeführt wer-den an dieser Stelle Lösungen für Konstruktionen mit zu erwartender thermischer Belastung (Fassaden mit Teil-verschattung, Fenster mit Sonnenschutz-Inlet, Glassor-ten mit absorbierender Eigenschaft, keramisch beschich-tetes Glas), sogenannte Handtuchformate mit kritischer interner Last bei Mehrscheiben-Isolierglas für kleintei-lige Fenster. Aus Gründen des verbesserten Bruchverhaltens wäre TVG aus Sicht des Autors eine wirksame Variante zu ESG bzw. heißgelagertem ESG (ESG/HST) im Zusammenhang mit Zulassungseinschränkung auf Basis der berechtig-ten Risikobewertung von aus größerer Höhe stürzendem Glasbruch.

    Literatur- und Normenverzeichnis

    [1] Weller, B.; et al.: Glasbau-Praxis – Konstruktion und Bemessung, Band 1, Berlin 2013.

    [2] ÖNORM EN 1288-3: Glas im Bauwesen – Bestimmung der Biegefestigkeit von Glas. Teil 3: Prüfung von Proben bei zweiseitiger Auflagerung (Vierschneiden-Verfahren), 1. Dezember 2000.

    [3] Birkhäuser, Hrsg.: Glasbau-Atlas, 1998.[4] Eckelt, C.: Entwicklungsschritte[5] ÖNORM B 3716-2: Glas im Bauwesen – Konst-

    ruktiver Glasbau. Teil 2: Linienförmig gelagerte Verglasungen, 1. April 2013.

    9 Repräsentatives Glasdach mit Energiegewinnung, Nieder-ländisches Geldinstitut, © Wagner, Ertl Glas AG

    10 Charakteristisches Bruchbild VSG/TVG – auffällig ist Delta-Bildung am Bruchauslauf, © Wagner, Ertl Glas AG

    11 Untersuchung von Voraus-setzung und Einwirkung nach dem Ausschlussverfahren, © Wagner, Ertl Glas AG

    12 Schlussfolgerung ist lokale mechanische Überbelastung der Glasoberfläche – Aussage: vier Stück Oberflächendefekte, bei zweien davon Bruchauslösung mit folgender Riss-Aufspaltung, © Wagner, Ertl Glas AG

    2304 | 14

  • Text und Foto Nikolaus Fuchs

    Marktüberwachungsprogramm 2014 Schwerpunkte VSG, ESG, ESG/HST

    Transparent wie Glas, so soll der Markt durch die CE-Kennzeichnung sein. Wie viel von diesem Verspre-chen sich in der Wirklichkeit widerspiegelt, dieser Frage möchte das Marktüberwachungsprogramm 2014 auf den Grund gehen. Ziel sind die Nutzungssicherheit und die Fairness am Markt. Die Marktüberwachungs-behörde kontrolliert die Einhaltung der Spielregeln, indem sie prüft, ob die erforderlichen Angaben vorhan-den sind, und ob das Produkt hält, was die Deklaration verspricht.

    Grundlagen der Marktüberwachung

    Die Marktüberwachung CE-gekennzeichneter Baupro-dukte ist aufgrund von Verordnung 765/2008 (EU) Auf-gabe der Mitgliedstaaten und dient der Durchsetzung der CE-Kennzeichnungspflicht im Interesse von Binnen-markt und Verbrauchersicherheit. Seit 1. Juli 2013 ist die Bereitstellung von Bauprodukten durch die Baupro-duktenverordnung 305/2011 (EU) geregelt. OIB aktuell berichtete darüber in mehreren Artikeln. Das Österrei-chische Institut für Bautechnik (OIB) war 2014 in sechs, ab 1. Jänner 2015 mit Salzburg in sieben Bundeslän-dern Marktüberwachungsbehörde. Neben der Reaktiven Marktüberwachung, in der jeder formlos Anzeigen und Beschwerden einbringen kann, finden die Programme der Aktiven Marktüberwachung als planmäßige Untersu-chung ausgewählter Produktgruppen statt. Dieser Zwischenbericht soll Einblick in Hintergründe und Methoden sowie in erste Ergebnisse des laufenden Pro-gramms zu Sicherheitsglas geben und den Zusammen-hang mit bestehenden baurechtlichen Bestimmungen beleuchten.

    Gegenstand und Methoden des Marktüberwa-chungsprogramms

    Hatten in den vergangenen Jahren konstruktiv grund-legende Bauprodukte wie Ziegel, Betonfertigteile und Dämmstoffe (2012) und Zement, Mörtel und Gipskar-tonplatten (2013) die Marktüberwachungsprogramme dominiert, und sich einzig Rauchwarnmelder im Jahr 2013 kontrastierend abgehoben, so ist im Marktüberwa-chungsprogramm 2014 eine Hinwendung zu Bauproduk-ten für den Ausbau von Gebäuden zu verzeichnen (neben Holzwerkstoffen und Bodenbelägen auch die technolo-gisch anspruchsvolle Gruppe der Sicherheitsgläser). Das Marktüberwachungsprogramm 2014 beinhaltet: ❚ Verbund-Sicherheitsglas (VSG) gemäß ÖNORM

    EN 14449: Glas im Bauwesen – Verbundglas und

    Verbund-Sicherheitsglas – Konformitätsbewertung/Produktnorm, 1. Juli 2005.

    ❚ Einscheibensicherheitsgläser (ESG): – ÖNORM EN 12150-2: Glas im Bauwesen – Thermisch vorgespanntes Kalknatron-Einscheibensicherheitsglas. Teil 2: Konformitäts-bewertung/Produktnorm, 1. Dezember 2004.

    – ÖNORM EN 13024-2: Glas im Bauwesen – Thermisch vorgespanntes Borosilicat-Einscheibensicherheitsglas. Teil 2: Konformitäts-bewertung/Produktnorm, 1. Dezember 2004.

    – ÖNORM EN 14321-2: Glas im Bauwesen – Thermisch vorgespanntes Erdalkali-Silicat-Einscheibensicherheitsglas. Teil 2: Konformitäts-bewertung/Produktnorm, 1. Oktober 2005.

    ❚ ESG mit Heat-Soak-Test (ESG/HST): – ÖNORM EN 14179-2: Glas im Bauwesen – Heißgelagertes, thermisch vorgespanntes Kalknatron-Einscheibensicherheitsglas. Teil 2: Kon-formitätsbewertung/Produktnorm, 1. August 2005.

    Nicht enthalten sind: ❚ alle Arten von Brandschutzverglasungen gemäß Bau-

    stoffliste ÖA mit ÜA-Zeichen, ❚ gewöhnliches Floatglas, sofern nicht als Bestandteil

    einer VSG-Scheibe erfasst ist, ❚ Drahtglas, ❚ Teilvorgespanntes Glas (TVG), soweit es weder als ESG

    noch als Bestandteil einer VSG-Scheibe erfasst ist.

    Eine Schilderung aus der Praxis

    Am Weg zu den Inspektionen vor Ort betreten wir die Baustelle einer Satellitenstadt, die vor unseren Augen aus dem Boden gestampft wird. Auf dem Plan geborene, orthogonale Straßenzüge, flankiert von kubistischen Gebäudekomplexen. Reich bestückt mit Fenstern und Balkonen, doch irgendwie die Beklemmung eines Nie-mandslands ausstrahlend.Das Wetter meint es jetzt gut mit uns und wir finden zahlreiche, bei den Rohbauten bereit stehende Lieferun-gen verschiedener Glassorten und Formate für diverse Anwendungen wie Fenster und Türen, Auslagenscheiben und Absturzsicherungen vor. Wir dokumentieren jeweils die Baustelle, den Glashersteller und die Lieferfirma. Soweit erforderlich, erhalten wir vom lokalen Baulei-ter ohne Probleme Informationen und Kontaktdaten der Firmen für allfällige Rückfragen und zum Anfordern von Leistungserklärung, Produkt- und Werksdokumentation.Die eigentliche Dokumentationsarbeit liegt im Abfoto-grafieren der CE-Kennzeichnung und der zugehörigen Produkte. In der Nachbearbeitung werden diese Daten

    Thema Marktüberwachungsprogramm 201424 04 | 14

  • ausgewertet, doch manches ist sofort augenscheinlich: Die meisten Produkte tragen eine CE-Kennzeichnung, manche Scheiben aber nur ein Etikett ohne CE-Kenn-zeichnung. Ob dies rechtens ist, hängt davon ab, ob der Hersteller seine CE-Kennzeichnung in den Begleitpapie-ren, sprich mit der Rechnung, übermittelt. Keinesfalls zulässig ist übrigens, die CE-Kennzeichnung via Internet bereitzustellen. Jedenfalls wird in diesem Fall der Händ-ler kontaktiert.Unser besonderes Interesse gilt ja VSG und ESG, die an der Kantenausbildung erkannt werden können. Im Fall von VSG ist die Folieneinlage zwischen den Gläsern cha-rakteristisch und ESG zeigt geschliffene oder polierte Kanten, im Gegensatz zu gewöhnlichem Floatglas mit geschnittenen und gebrochenen Kanten.

    ESG gemäß EN 12150-1, EN 13024-1, EN 14321-1 und EN  14179-1 muss auf jeder Scheibe unauslöschlich mit der Norm und dem Namen oder Warenzeichen des Her-stellers gekennzeichnet sein. Da jede noch so unauf-fällige Beschriftung auf der Scheibe aber immer als „Schönheitsfehler“ empfunden werden kann, finden sich verschiedene Lösungsansätze: Während manche Her-steller ein etwa münzgroßes, hauchzart geätztes, rundes Logo nahe der Ecke eingravieren, gehen andere sprich-wörtlich weiter, nämlich ein paar Zentimeter bis zum Rand der Scheibe, um dort auf den letzten 5 mm ihrer Logopflicht nachzukommen, oder sogar darüber hinaus, und bringen die Beschriftung auf der Schmalseite (!) der Scheibe unter. In diesen Fällen kann die Aufschrift im eingebauten Zustand natürlich nicht mehr gelesen wer-den. Wenngleich die Bestimmung dem Wort nach mögli-cherweise erfüllt ist, wird sie ihrem Zweck nicht gerecht, feststellen zu können, ob eine eingebaute Scheibe aus ESG besteht oder nicht.Die Arbeitsschutzausrüstung auf Baustellen besteht aus Sicherheitsschuhen und Helm. Wenn nebenan auf Hebebühnen mit Glasscheiben hantiert wird, vermittelt das zumindest ein besseres Gefühl. Stolz erklärt uns ein Arbeiter, wie viel eine der größeren Verbundglasschei-ben auf die Waage bringt, und das lässt uns ahnen: Wen dieses Stück trifft, dem hilft auch sein Helm nicht viel. Dieser Problematik trägt übrigens die OIB-Richtlinie 4 Rechnung, in der Anforderungen an die Nutzungssicher-heit von Bauwerken geregelt sind. Während absturzsi-chernde Glaselemente und untere Scheiben von Hori-zontalverglasungen aus VSG bestehen müssen, ist ESG vorgeschrieben, wo Verletzungsgefahr durch Anprall von Personen besteht. Während VSG im Fall eines Bru-ches durch die Kunststofffolie zwischen den Glasschei-ben zusammengehalten wird, zerbirst ESG aufgrund der inneren Spannungen in zahllose kleine Splitter, die keine wesentlichen Schnittverletzungen verursachen. Diese inneren Spannungen können allerdings unter bestimm-ten Umständen zum Spontanbruch führen, was durch Heißlagerung im sogenannten Heat-Soak-Prozess redu-ziert wird. ESG mit einer Splitterfallhöhe von mehr als 4  m muss daher als heißgelagertes, thermisch vorge-spanntes ESG nach ÖNORM EN 14179-1 mit fremdüber-wachtem Heat-Soak-Prozess ausgeführt werden, sofern

    nicht konstruktive Maßnahmen eine Gefährdung von Personen durch herabfallende Splitter verhindern. Die Überwachung dieser Bestimmung ist Bestandteil des Marktüberwachungsprogramms, allerdings nur hinsicht-lich der Beschaffenheit und Kennzeichnung der Pro-dukte, nicht deren Verwendung. Ob an einer bestimmten Stelle ESG, ESG/HST oder VSG zu verwenden ist, liegt im Zuständigkeitsbereich der Baubehörde.

    Prüfprogramme und Verwaltungsverfahren

    Um die in der Leistungserklärung deklarierten Kenn-werte zu kontrollieren, werden die Produkte einer Prü-fung Wesentlicher Merkmale in akkreditierten Prüflabors unterzogen, wobei keine Beziehung zwischen Herstel-ler und Prüfstelle bestehen darf, die deren Objektivität in Zweifel ziehen könnte. Wesentlichste Eigenschaft bei Sicherheitsgläsern ist der Widerstand im Pendelschlagversuch. Die Durchführung des Heat-Soak-Prozesses hingegen wird nicht durch Pro-duktprüfung, sondern durch Kontrolle von Unterlagen und Fremdüberwachung verifiziert. Im Fall von festgestellten Abweichungen von bestehen-den Bestimmungen nimmt die Marktüberwachungsbe-hörde mit dem betreffenden Wirtschaftsakteur Kontakt auf. Sollte sich nicht auf diesem Weg Aufklärung erzie-len lassen, erfolgt die Behandlung des Sachverhalts im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens mit Parteienstel-lungnahme und Bescheid, in dem Korrekturmaßnahmen aufgetragen werden. Bei Verstoß gegen eine Verwal-tungsvorschrift wird zusätzlich die zuständige Bezirks-verwaltungsbehörde als Verwaltungsstrafbehörde infor - miert. Kosten einer Überprüfung werden dem Wirt-schaftsakteur mit Bescheid vorgeschrieben, wenn diese zu dem Ergebnis führt, dass das Produkt nicht den gel-tenden Bestimmungen entspricht.

    Detailfragen und erste Ergebnisse

    Die zuvor aufgezeigten Probleme bei CE-Kennzeichnung und ESG-Kennzeichnung werden sicher ein Thema blei-ben und hierzu wird noch die Meinung der EU-Kommis-sion eingeholt werden. Zu verweisen ist auf das neue Format der Leistungserklä-rung (LE) gemäß Delegiertem Rechtsakt 574/2014 (EU), das Vereinfachungen für den Hersteller bietet und einen Leitfaden u.a. zur Zusammenfassung mehrerer Produkte in einer LE enthält. Wie bereits erwähnt, darf nur die Leistungserklärung, nie die CE-Kennzeichnung im Inter-net bereitgestellt werden. Auch ein Verschmelzen der beiden Dokumente ist nicht vorgesehen. Die Prüfungen sind noch nicht abgeschlossen, es lässt sich aber schon jetzt sagen, dass trotz einer insgesamt recht durchgehenden Konformität von Produkten und Kennzeichnung einige Mängel festgestellt wurden.

    1 Kontrolle der CE-Kennzeichnung

    Dipl.-Ing. Dr. Nikolaus Fuchs,Leiter der Marktüberwachung am Österreichischen Institut für [email protected]

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  • Die unsichtbare Gefahr bei Glaspendeltüren lauert beim Dre hen an der Nebenschließkante, wo der Boden-türschließer (BTS) oder das Drehlager sitzen. Mittels Hebelwirkung des Drehlagers werden beim Schließ-vorgang an der Glaskante enorme Kräfte erzeugt. Durch die permanente Wirkung des Bodentürschlie-ßers oder der Hebelwirkung an der Drehachse kommt es im Extremfall zum Bruch oder zum Abtrennen von Körperteilen. ProFin-S wirkt dem entgegen.

    Seit geraumer Zeit werden Glaspendeltüren mit seitli-chen Bändern angeboten. Sie werden an Zargen oder Mauer werk verschraubt. Diese Montagevariante verhin-dert jedoch nicht die Gefahr des Klemmens und Quet-schens. Beim Öffnen der Glastür entsteht beim Dreh-punkt der Tür ein Spalt. Dieser entpuppt sich beim

    Schließen als Falle für Finger und Hände. Neben Erwach-senen sind besonders Kinder von den Verlet zungen bei herkömmlichen Glaspendeltüren betroffen, weil die Klemmgefahr nicht erkannt wird.

    Im Falle eines Unfalles können auf den Bauherrn bzw. Betrei ber erhebliche Schadenersatzforderungen auf-grund eines feh lenden wirksamen Klemmschutzes bei Glastüren zukommen. Der wirtschaftliche Schaden könnte sich in weiterer Folge