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Bausteine praktischer Analytik Lehrbuch mit Übungen und Lösungen für Ausbildung und Beruf Von Dipl.-Chem. Dr. Erich Hitzel Landau in der Pfalz 3., durchgesehene Auflage Handwerk und Technik· Hamburg

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Bausteine praktischer Analytik

Lehrbuch mit Übungen und Lösungenfür Ausbildung und Beruf

VonDipl.-Chem. Dr. Erich HitzelLandau in der Pfalz

3., durchgesehene Auflage

Handwerk und Technik · Hamburg

ISBN 978-3-582-01232-6

Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Nutzung in anderen als den ge-setzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages.Hinweis zu § 52a UrhG: Weder das Werk noch seine Teile dürfen ohne eine solche Einwilligungeingescannt und in ein Netzwerk eingestellt werden. Dies gilt auch für Intranets von Schulen undsonstigen Bildungseinrichtungen.Die Verweise auf Internetadressen und -dateien beziehen sich auf deren Zustand und Inhalt zumZeitpunkt der Drucklegung des Werks. Der Verlag übernimmt keinerlei Gewähr und Haftung für deren Aktualität oder Inhalt noch für den Inhalt von mit ihnen verlinkten weiteren Internetseiten.

Verlag Handwerk und Technik G.m.b.H., Lademannbogen 135, 22339 Hamburg; Postfach 63 05 00, 22331 Hamburg – 2010E-Mail: [email protected] – Internet: www.handwerk-technik.de

Satz und Layout: comSet Helmut Ploß, 21031 Hamburg Druck: Thomas Müntzer, 99947 Bad Langensalza

Was kein Rost zerfrisst …

… soll in diesem Buch stehen. Es ist richtig, dass die Geräte zum Nachweis von Sub-stanzen und zur Bestimmung von Konzentrationen ständig und in immer kürzeren Zeitabständen weiterentwickelt werden. Genauso richtig ist aber auch, dass die Grund-lagen der Analytik unveränderlich sind. Wer diese beherrscht, kann sich innerhalb kürzester Zeit in jedes Analysenverfahren in Theorie und Praxis einarbeiten. Daher istdie Erarbeitung der Grundlagen das Ziel dieses Buches.

In einer Zeit der grenzenlosen und unmittelbaren Verfügbarkeit von Informationen hatein Lehrbuch nur dann einen Sinn, wenn es den Weg in ein Lerngebiet so eröffnet,dass daraus ein Verständnis der Sachverhalte, Probleme, Denkansätze und Metho-den erwächst, das zu weiterer Arbeit anregt. Ein solches Lehrbuch muss das Wesentliche exemplarisch und anschaulich darstellen, soll es nicht schon mit derDrucklegung veraltet sein. Dieses Buch erhebt daher nicht den Anspruch, ein Nach-schlagewerk für alle gängigen Analyte und Analysenverfahren zu sein.

Verständnis für eine Sache wird erworben, wenn geübt und gearbeitet wird. Daherenthält dieses Buch eine Fülle von Daten, die unmittelbar aus der Laborarbeit stam-men. Die Bausteine sind weitestgehend in sich geschlossene Einheiten. Je nach Vor-kenntnis können so einzelne Bausteine übersprungen werden. Allerdings setzt derFolgebaustein in der Regel das Verständnis des vorausgehenden Bausteins voraus.Blau gesetzte Überschriften weisen darauf hin, dass diese Teile für alle nachfolgen-den Bausteine von Bedeutung sind.

Alle Bausteine sollen so vollständig geschrieben sein, dass praktisch ohne Vorkennt-nisse gearbeitet werden kann. Allerdings ist der Gebrauch eines guten Chemiebuchessowie eines Buches über die Grundlagen des analytisch-chemischen Rechnens anzuraten. Ein Tabellenbuch mit Stoffeigenschaften ist hilfreich.

Landau Erich Hitzel

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1 Grundbaustein Analytik ………………………………………………………………

2 Erste Arbeitsschritte und Geräte……………………………………………………

3 Chemisches Gleichgewicht und pH-Wert …………………………………………

4 Nasschemische qualitative Analyse und das Problem der Störung …………

5 Gravimetrie und Wiederfindungsrate ………………………………………………

6 Die Behandlung von Messwerten …………………………………………………

7 Qualitätssicherung und Allgemeine Standardarbeitsanweisung ……………

8 Arbeitsmethode und Planung volumetrischer Analysen am Beispiel der Säure-Base-Titration ……………………………………………

9 Komplexometrie und Selektivität……………………………………………………

10 Elektrische Leitfähigkeit, Konduktometrie und Prinzipien der Instrumentellen Analytik ……………………………………………………………

11 Elektrochemisches Potenzial: Prinzip und Anwendungen in der Analytik …

12 Potenziometrische Säure-Base-Titration …………………………………………

13 Redoxtitration und Entwicklung einer Standardarbeitsanweisung …………

14 Summenparameter und genormte Verfahren ……………………………………

15 Probennahme und Probenaufbereitung …………………………………………

16 Prinzipien und Methoden der Spektroskopie und der Photometrie …………

17 Quantitative photometrische Analyse am Beispiel der UV-VIS-Spektroskopie und Kalibrierkurven ………………………………………

18 Atomabsorptionsspektroskopie ……………………………………………………

19 Infrarotspektroskopie …………………………………………………………………

20 Prinzipien und Methoden der Chromatographie…………………………………

21 Gaschromatographie GC ……………………………………………………………

22 Ionenchromatographie IC ……………………………………………………………

23 Lösungen zu den Übungen …………………………………………………………

24 Sachwortverzeichnis …………………………………………………………………

Inhaltsverzeichnis

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1 Grundbaustein Analytik ……………………………………………… 91.1 Was ist Analytik? ……………………………………………… 91.2 Der Analysengang …………………………………………… 111.3 Beurteilungskriterien für Analysenverfahren ……………… 131.4 Übung Grundbaustein ………………………………………… 15

2 Erste Arbeitsschritte und Geräte ………………………………… 16

3 Chemisches Gleichgewicht und pH-Wert ………………………… 193.1 Gleichgewicht und Massenwirkungsgesetz ………………… 193.2 Gleichgewichtskonstante und Reaktionstyp ……………… 223.3 pH-Werte von starken Säuren und starken Basen ………… 243.4 pH-Werte von schwachen Säuren und schwachen Basen,

von Salzen und die Funktion von Pufferlösungen ………… 283.5 Gekoppelte Gleichgewichte ………………………………… 313.6 Übung Chemisches Gleichgewicht ………………………… 32

4 Nasschemische qualitative Analyse und das Problem der Störung …………………………………………………………… 334.1 Typen von Nachweisreaktionen ……………………………… 334.2 Eliminierung von Störungen über Trennungsgänge ……… 344.3 Übung Nasschemische qualitative Analyse ………………… 36

5 Gravimetrie und Wiederfindungsrate ……………………………… 375.1 Fällung und Stöchiometrie …………………………………… 375.2 Arbeitsschritte und Fehlerquellen bei der Gravimetrie …… 395.3 Standardsubstanzen und Wiederfindungsrate …………… 415.4 Systematische und zufällige Fehler ………………………… 435.5 Optimierung von Analysenverfahren nach den Beur-

teilungskriterien………………………………………………… 445.6 Übung Gravimetrie …………………………………………… 45

6 Die Behandlung von Messwerten ………………………………… 466.1 Statistische Grundbegriffe …………………………………… 466.2 Streuung und Drift …………………………………………… 496.3 Ausreißer ……………………………………………………… 506.4 Blindwert und Signal-Rauschen-Verhältnis ………………… 536.5 Lineare Regression …………………………………………… 546.6 Optimierung von Analysenverfahren nach den Beur-

teilungskriterien………………………………………………… 586.7 Übung Behandlung von Messwerten ……………………… 59

7 Qualitätssicherung und Allgemeine Standardarbeits-anweisung ……………………………………………………………… 60

8 Arbeitsmethode und Planung volumetrischer Analysen am Beispiel der Säure-Base-Titration …………………………… 63

8.1 Arbeitsmethode und Wahl der Reaktionsbedingungen …… 638.2 Bestimmung der Stoffmenge an Salzsäure über eine

Säure-Base-Titration unter Verwendung von Farb-indikatoren ……………………………………………………… 65

8.3 Bestimmung der Stoffmengenkonzentration an Schwefel-säure über eine Säure-Base-Titration unter Verwendung von Farbindikatoren …………………………………………… 71

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

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8.4 Bestimmung des Massenanteils von Kalk in einem natür-lichen Kalkstein über eine Säure-Base-Titration mit Farb-indikatoren über eine Rücktitration ………………………… 73

8.5 Optimierung von Analysenverfahren nach den Beur-teilungskriterien………………………………………………… 76

8.6 Übung Säure-Base-Titration ………………………………… 77

9 Komplexometrie und Selektivität…………………………………… 789.1 Komplexbildner und Komplexbildung bei der Titration …… 789.2 Stabilität von Komplexverbindungen und pH-Wert ………… 799.3 Reaktionsbedingungen und Selektivität …………………… 819.4 Optimierung von Analysenverfahren nach den Beur-

teilungskriterien………………………………………………… 819.5 Übung Komplexometrie und Selektivität …………………… 82

10 Elektrische Leitfähigkeit, Konduktometrie und Prinzipien der Instrumentellen Analytik ……………………………………… 83

10.1 Elektrischer Widerstand und Leitfähigkeit ………………… 8310.2 Äquivalentleitfähigkeit und Grenzleitfähigkeit …………… 8410.3 Kalibrierung und Kalibrierkurven …………………………… 8810.4 Bestimmung von Löslichkeitsprodukten…………………… 9110.5 Konduktometrische Titration………………………………… 9210.6 Ermittlung der Bestimmungsgrenze bei einer Titration … 9710.7 Ein Vergleich nasschemischer und instrumenteller

Verfahren am Beispiel der Konduktometrie ……………… 9810.8 Übung Elektrochemische Leitfähigkeit und Kondukto-

merie ………………………………………………………… 100

11 Elektrochemisches Potenzial: Prinzip und Anwendungen in der Analytik …………………………………………………………… 101

11.1 Potenzialbildende Vorgänge und Elektronenfluss ……… 10111.2 Galvanische Elemente ……………………………………… 10311.3 Normalpotenzial und Elektrochemische Spannungs-

reihe …………………………………………………………… 10511.4 Elektrochemisches Potenzial und Konzentration ………… 10711.5 Analytische Anwendungen des elektrochemischen

Potenzials …………………………………………………… 10911.6 Elektrodenbau und Elektrodentypen ……………………… 11111.7 Gütekriterien für Elektroden ………………………………… 11411.8 Übung Elektrochemisches Potenzial ……………………… 116

12 Potenziometrische Säure-Base-Titration ……………………… 11612.1 Titrationskurve und Bestimmung des Äquivalenzpunktes 11612.2 Titrationsverlauf, Äquivalenzpunkt und Stoffmengen-

verhältnis ……………………………………………………… 11912.3 Potenzialsprung und Säurekonstante……………………… 12112.4 Übung Potenziometrische Säure-Base-Titration ………… 123

13 Redoxtitration und Entwicklung einer Standardarbeits-anweisung …………………………………………………………… 124

13.1 Bestimmung von Oxidationszahlen und Stoffmengen-verhältnissen ………………………………………………… 124

13.2 Oxidationszahl, Redoxgleichung und Stoffmengen-verhältnis ……………………………………………………… 126

13.3 Fehler und Störungen bei Redoxtitrationen ……………… 12713.4 Maßsubstanzen, Urtitersubstanzen und Indikatoren …… 130

Inhaltsverzeichnis

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13.5 Erste Schritte zur Erstellung einer Standardarbeits-anweisung für die iodometrische Bestimmung von Sulfit in Wein ………………………………………………………… 132

13.6 Übung Redoxtitration ……………………………………… 134

14 Summenparameter und genormte Verfahren …………………… 13514.1 Chemischer Sauerstoffbedarf ……………………………… 13514.2 Oxidierbarkeit und Permanganatindex …………………… 13814.3 Säurekapazität und Basekapazität ………………………… 13814.4 Kohlensäure-Kalk-Gleichgewicht und Wasserhärte ……… 14014.5 Stickstoffbestimmung nach Kjeldahl ……………………… 14114.6 Elektrische Leitfähigkeit und Gesamtsalzgehalt ………… 14214.7 Übung Genormte Verfahren und Summenparameter …… 144

15 Probennahme und Probenaufbereitung ………………………… 14515.1 Probenarten und Geräte zur Probennahme ……………… 14515.2 Probengefäße und Probenkonservierung ………………… 14615.3 Probenaufbereitung bei Flüssigkeiten …………………… 14715.4 Probenaufbereitung bei Feststoffen ……………………… 14815.5 Übung Probennahme und Probenaufbereitung ………… 152

16 Prinzipien und Methoden der Spektroskopie und der Photometrie…………………………………………………………… 153

16.1 Kenngrößen von Licht ……………………………………… 15316.2 Die Zerlegung von Licht …………………………………… 15616.3 Emission, Absorption und Fluoreszenz …………………… 15716.4 Bauteile eines Spektrometers und die Aufnahme von

Spektren ……………………………………………………… 16016.5 Molekülspektren ……………………………………………… 16516.6 Übersicht über Spektroskopiebereiche und Bauteile von

Spektrometern ……………………………………………… 16716.7 Übung Grundlagen der Spektroskopie und Photo-

metrie ………………………………………………………… 168

17 Quantitative photometrische Analyse am Beispiel der UV-VIS Spektroskopie und Kalibrierkurven …………………… 169

17.1 Lambert-Beer’sches Gesetz………………………………… 16917.2 Extinktionskoeffizient, Bestimmungsgrenze und Deriva-

tisierung ……………………………………………………… 17117.3 Analysengang einer photometrischen Bestimmung …… 17317.4 Kalibrierkurven über die Standardadditionsmethode …… 17717.5 Übung Quantitative photometrische Analyse……………… 180

18 Atomabsorptionsspektroskopie ………………………………… 18318.1 Bausteine eines Spektrometers für die Flammen-AAS … 18318.2 Justierung der Messeinrichtung bei der Flammen-AAS … 18418.3 Kompensation und Eliminierung von Störungen ………… 18518.4 Graphitrohr-AAS……………………………………………… 18618.5 Übung Atomabsorptionsspektroskopie …………………… 191

19 Infrarotspektroskopie ……………………………………………… 19319.1 Bindungen, Schwingungen und Dipolmoment …………… 19319.2 Wellenzahl und Intensität …………………………………… 19519.3 Auswertung und Interpretation von IR-Spektren ………… 19819.4 IR-Spektrometer und Probenaufbereitung………………… 20319.5 Übung IR-Spektroskopie …………………………………… 204

Inhaltsverzeichnis

7

20 Prinzipien und Methoden der Chromatographie ……………… 20620.1 Experiment und Übersicht ………………………………… 20620.2 Extraktion und Nernst’scher Verteilungskoeffizient ……… 20720.3 Qualitative und quantitative Analyse am Beispiel der

Dünnschichtchromatographie DC ………………………… 21320.4 Die chromatographische Trennung im Modell …………… 21620.5 Auflösung……………………………………………………… 21820.6 Übung Prinzipien und Methoden der Chromatographie … 220

21 Gaschromatographie GC…………………………………………… 22021.1 Das Trennsystem …………………………………………… 22021.2 Detektoren …………………………………………………… 22421.3 Retention und Kenngrößen von Trennsystemen ………… 22621.4 Quantitative Analyse ………………………………………… 23021.5 Übung Gaschromatographie ……………………………… 233

22 Ionenchromatographie IC ………………………………………… 23422.1 Die Funktion von Ionenaustauschern ……………………… 23422.2 Das Trennsystem …………………………………………… 23622.3 Chromatogramme, Detektion und Suppression ………… 23822.4 Analysenbedingungen und Apparatur……………………… 24122.5 Quantitative Analyse ………………………………………… 24222.6 Optimierung von Analysenverfahren nach den Beur-

teilungskriterien ……………………………………………… 24522.7 Übung Ionenchromatographie ……………………………… 246

23 Lösungen zu den Übungen………………………………………… 247

24 Sachwortverzeichnis ……………………………………………… 260

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JEDE LEHRKRAFT

HAT EINE GANZ SPEZIELLE VERANTWORTUNG.

SIE HATTE DAS PRIVILEG UND DIE GELEGENHEIT,ZU STUDIEREN.

DAFÜR SCHULDET SIE IHREN SCHÜLERINNEN UND SCHÜLERN,DIE ERGEBNISSE IHRES STUDIUMS

IN DER EINFACHSTEN, KLARSTEN UND BESCHEIDENSTEN

FORM DARZUSTELLEN.

nach Karl Popper „Gegen die großen Worte“

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11 Grundbaustein Analytik1.1 Was ist Analytik?Genauer: Was wird in der Analytik gemacht? DieAntwort darauf ist einfach. Schon das Etikett einerMineralwasserflasche zeigt, worum es in der Ana-lytik geht. Dort nämlich ist angegeben, welche Stof-fe enthalten sind und in welchen Konzentrationensie vorliegen. Natrium, ist da beispielsweise zu lesen, mit der zusätzlichen Angabe 82 mg /L. Die-se Informationen basieren auf Ergebnissen, diedurch Untersuchung dieses Produkts in einem ana-lytischen Laboratorium erhalten worden sind. DieBestimmung der Art der Stoffe, ob es sich also umNatrium, Kalium oder Magnesium handelt, wirdQualitative Analyse genannt. In der QuantitativenAnalyse wird geklärt, in welchen Konzentrationendie Stoffe vorliegen. Wer aufmerksam die Etikettender Mineralwasserflaschen liest, wird gerade beiNatrium große Unterschiede feststellen. „Natrium-arm“ nennt ein Getränkevertrieb sein Produkt, weilvielleicht nur 18,2 mg/L Natrium enthalten sind. FürMenschen mit Bluthochdruck ist es durchaus wich-tig, das Mineralwasser mit der kleinsten Natrium-konzentration auszuwählen.

„Natriumkonzentration in Mineralwasser!“ Für dieVerfechter der reinen Wissenschaft kann dieserSatz schon ein Graus sein, denn es gibt kein Was-ser, das wirklich elementares Natrium enthält. „Na-triumionenkonzentration“ wäre das richtige Wort.Doch: Was ist ein Ion und welchen Sinn hat es, die-sen Zusatz auf das Etikett zu schreiben? In der Ana-lytik sind die Experten nicht unter sich, es ist keineabgeschlossene Kaste, es werden vielmehr Datenermittelt, die für jeden Menschen, für die Wirtschaft,für Industrie und Politik wichtig sein können. Folg-lich sind Formulierungen zu finden, die allgemein-verständlich sind und bei denen, sicher in Grenzen,sprachliche Ungenauigkeiten in Kauf zu nehmensind. Laborkräfte allerdings müssen sehr genau wis-sen, was sie meinen, wenn sie Begriffe, vorzugs-weise in ihrer abgekürzten Form, benutzen. Auchhier ist die Beherrschung der Fachsprache unab-dingbare Voraussetzung für eine gemeinsame Ar-beit. So ist beispielsweise unter „Analyt“ der Stoff,der Gegenstand der Untersuchung zu verstehen.„Matrix“ ist nicht etwa ein Datenfeld mit Zahlen wiein der Mathematik, sondern das Medium, in demsich der Analyt befindet. Das Natriumion ist also inunserem Beispiel der Analyt und das Mineralwas-ser die Matrix.

Es ist dabei immer zu klären, was genau unter„Analyt“ zu verstehen ist. Stickstoffdünger könnenStickstoff (Elementsymbol N) in den unterschied-

Umgekehrt ist bei jeder Analyse zunächst zu klä-ren, in welcher Form der Analyt in der Matrix vor-liegt und mit welchen anderen, eventuell störendenStoffen, er in der Matrix vergesellschaftet vorkommt.Diese qualitative Analyse kann nur durchgeführtwerden, wenn die Eigenschaften der gesuchtenStoffart bekannt sind, die sie von den anderen Stoff-arten eindeutig unterscheidet. Wie ein Specht am„Hämmern“ und am wellenartigen Flug erkannt wer-den kann, und wie am „Gelächter“ des Vogels auchnoch unterscheidbar ist, ob es sich um einen Grün-specht oder um einen Grauspecht handelt, so be-nutzt die Laborkraft einen Datensatz von Stoff-kenngrößen wie Dichte, Schmelzpunkt, Lichtemis-sion usw., der den Analyten so charakterisiert wieder Fingerabdruck einen Menschen. Dazu kann aufeine Fülle von Informationen zurückgegriffen wer-den, die sich zum größten Teil in den letzten hun-dert Jahren angesammelt haben und die heutedurch die Möglichkeiten der elektronischen Daten-verarbeitung in kürzester Zeit in überwältigenderFülle verfügbar sind.

lichsten Bindungsformen enthalten, beispielsweiseals Ammoniumstickstoff (NH4

+) oder als Nitratstick-stoff (NO3

–). In beiden Stoffen ist zwar Stickstoff ent-halten, aber die Aufnahmefähigkeit durch die Pflan-zen ist davon abhängig, in welcher Bindungsformer vorliegt. Die Laborkraft muss also wissen, ob sieden Gehalt an Stickstoff, unabhängig von dessenBindungsform, in dem Düngemittel bestimmen soll,ob also „Stickstoff der Analyt“ ist, oder ob sie nachdessen Bindungsform differenzieren soll. Die ana-lytischen Methoden und der Aufwand und damit dieKosten sind je nach Aufgabenstellung stark unter-schiedlich.

Handelt es sich allerdings um einen bisher unbe-kannten Analyten, beispielsweise um einen Stoff,der dioxinähnliche Eigenschaften hat, aber mit denbisher bekannten Formen nicht identisch ist, somüssen zunächst Informationen über diesen Stoffim Labor erarbeitet werden. Beispielsweise müssendie Fragen geklärt werden: „Welche chemischenElemente sind in ihm enthalten? In welchem Men-genverhältnis liegen diese vor? Wie sind die Ele-mente aneinander gebunden? Wie ist der Stoffräumlich gebaut? Welche Eigenschaften hat dieserStoff?“ Strukturaufklärung und Stoffkenngrößenkönnen dann zur Bestimmung dieses Stoffes in denverschiedensten Proben verwendet werden und er-gänzen den Literaturfundus. Im Zeitalter der Da-tenvernetzung wächst die Zahl der Informationenexplosionsartig.

1.1 Was ist Analytik?

10

1„Dioxin ist giftig!“ Das ist bekannt, seit bei dem Un-fall im oberitalienischen Seveso eine harmlos er-scheinende weiße Wolke aus dem Kamin einer che-mischen Fabrik eine Katastrophe angerichtet undeinen ganzen Landstrich auf praktisch unabsehba-re Zeit verseucht und damit unbewohnbar gemachthat. Wer sich mit der Umweltproblematik befasst,kann neben Dioxin noch viele andere Stoffe nen-nen, die zu aufsehenerregenden Vergiftungsfällengeführt haben. So ist gerade der Wunsch, Lebens-mittel völlig frei von Schadstoffen zu halten, ver-ständlich, aber eine Illusion. Es gibt beispielsweisekeine Matrix, auch nicht der menschliche Körperselbst, die vollständig frei von Quecksilber ist. Derjahrhundertelange Umgang mit diesem Stoff hat zueiner irreversiblen Verteilung über den ganzen Erd-ball gesorgt. Trotzdem sind Quecksilbervergiftun-gen äußerst selten und beschränken sich praktischnur auf Personen, die berufsmäßig und meist un-sachgemäß damit umgehen. Die Stoffart allein istalso nicht maßgebend für das Gefährdungspoten-zial, sondern ihr Gehalt in der Matrix. Daher bean-sprucht die quantitative Analyse den größten Ein-satz an Zeit, Arbeitskraft und die höchsten Investi-tionen in der Analytik.

Eines der größten Probleme ist die Matrix selbst.Wie leicht einzusehen, ist es nicht gleichgültig, obCalciumionen im Trinkwasser, in Nahrungsmitteln,in Bodenproben oder in Erzen bestimmt werden sol-len. Calciumionen bleiben zwar Calciumionen, aberin Trinkwasser können sie mehr oder weniger direktbestimmt werden, in Bodenproben sind Aufarbei-tungsschritte notwendig. Diese Aufarbeitungsschrit-te erfordern matrixabhängig sehr spezifische Kennt-nisse und Geräte, daher haben sich mehrere ana-lytische Fachrichtungen gebildet. Laboratorien inmetallverarbeitenden Betrieben haben sich bei-spielsweise auf die Analyse von Molybdän oderWolfram in Stählen spezialisiert, landwirtschaftlicheUntersuchungsämter auf Pflanzenschutzmittelrück-stände in Futtermitteln und Bodenproben, Wein-laboratorien auf die Bestimmung der Säure und desAlkohols im Wein, medizinische Untersuchungs-ämter auf Zellgewebe und Körperflüssigkeiten. Einbesonders weites Feld umfasst die Umweltanalytik,die umweltrelevante Stoffe in praktisch jeder Matrixbestimmt: Sauerstoff in Gewässern, Schwermetal-le in Pflanzen, Ozonwerte der Luft, Asbest in Bau-stoffen usw.

Abb. 1.1: Fragen und Ziele, Analyt und Matrix

Analyt

Na als Na+

N als NH4+

N als NO3–

O3

HCCl3

Zn als Zn2+

Matrix

Mineralwasser

Düngemittel

Düngemittel

Luft

Gewebe, Pflanzen

Klärschlamm

Etikett Mineralwasserflasche:18,2 mg /L Natrium

Aufdruck Düngemittelsack: 22 % Ammoniumstickstoff, 14 % Nitratstickstoff

Welche Eigenschaf-ten hat der Stoff?Welche Bindungs-verhältnisse liegenvor?

Welche Stoffart liegtvor?In welcher Formliegt der Stoff vor?

In welcher Menge,in welchem Gehalt,in welcher Konzen-tration liegt der Stoffvor?

Stoffkenngrößenund

Strukturaufklärung

Qualitative Analyse

Quantitative Analyse

JJ

1.2 Der Analysengang

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11.2 Der Analysengang„Da, schauen Sie mal nach, was drin ist!“ Dies istsicher kein sinnvoller Arbeitsauftrag für die Analyseeiner Flüssigkeit unbekannter Zusammensetzung,denn in dieser Lösung können mehrere tausendverschiedener Stoffe enthalten sein!

Die Trinkwasserverordnung schreibt beispielsweisevor, dass die Konzentration an Nitrat maximal 50 Milligramm pro Liter betragen darf. Für den Fall,dass ein Liter Wasser die Masse von einem Kilo-gramm hat, dass dieses Kilogramm aus 999Gramm Wasser und 1 g an gelösten Substanzenmit Einzelmassen von jeweils 50 mg besteht, sindin diesem Wasser 20 verschiedene Stoffe enthal-ten. Angesichts der Tatsache, dass viele Stoffe insehr viel kleineren Konzentrationen vorkommenkönnen, Blei beispielsweise mit einigen Mikro-gramm pro Liter, kann selbst Trinkwasser mehreretausend verschiedene Stoffe in einem einzigen Liter enthalten!

Vorgesetzte, die regelmäßig wie oben beschriebendie Arbeit in ihren Laboratorien ausgeben, wird esvermutlich sehr selten geben, denn ihr Betrieb wür-de in kürzester Zeit Konkurs anmelden müssen. La-borkräften muss also ein klares, eindeutig abge-grenztes Analysenziel gegeben werden und diesedürfen bei der praktischen Arbeit dieses Ziel nichtaus dem Auge verlieren. Das erscheint selbstver-ständlich und es ist anzunehmen, es bedürfe dazukeines Wortes der Erwähnung. Dem ist leider nichtso. Hat beispielsweise eine ionenselektive Elektro-de eine Kennlinie, die über einen weiten Konzen-trationsbereich reicht, beispielsweise von 10–6 bis10–1 Gramm pro Liter, so ist häufig zu beobachten,dass auch in den kleinsten Konzentrationsberei-chen, wo die Elektrode im „roten Drehzahlbereich“arbeitet, versucht wird, die Kennlinie zu reprodu-zieren, obwohl die Aufgabe nur lautet: „Bestimmungder Massenkonzentration von Chlorid in einer wäss-rigen Lösung“. Diese kann durchaus bei weit hö-heren Konzentrationen, also im unproblematischenBereich der Elektrode, liegen!

Ist das Analysenziel ausreichend genau definiert,kann die Probennahme erfolgen. So wie Autofah-rer die Entnahme von Blut über sich ergehen las-sen müssen, damit der Alkoholgehalt festgestelltwerden kann, so müssen Luftproben, Bodenproben,Gewebeproben usw. zur Untersuchung genommenwerden. Sachgerecht entnommen, muss hier hin-zugefügt werden, denn gerade der Arbeitsschritt„Probennahme“ ist sehr fehleranfällig. Von der Höhe der Festung Ehrenbreitstein in Koblenz ist der

Zusammenfluss von Mosel und Rhein gut zu er-kennen. Das Wasser der Mosel ist erheblich dunk-ler gefärbt als das Wasser der Rheins. Rhein-abwärts linksseitig braucht es einige Kilometer, bissich das Wasser beider Flüsse homogen vermischthat. Werden ohne dieses Wissen Wasserprobenaus dem Rhein genommen, so kann es sich leichtum reines Moselwasser handeln, dessen Analy-senwerte für den Rhein sicher nicht repräsentativsind!

In der Regel wird die Analysenprobe danach in dasUntersuchungslabor gebracht und sobald als mög-lich zur Messung aufbereitet. Beispielsweise wer-den aus Früchten oder Pflanzen wässrige Auszügebereitet, Bodenproben werden aufgeschlossen, d.h.in eine gelöste Form überführt, Gase werden in Ab-sorptionslösungen gegeben. Diese Probenaufbe-reitung, häufig „clean up“ genannt, nimmt im Ana-lysengang in der Regel die meiste Zeit in Anspruchund steht in der Fehleranfälligkeit der Probennah-me wenig nach. Beispielsweise ist vor einigen Jah-ren in einem renommierten Analytiklabor in allenGewässerproben ein bestimmter Ester als organi-sche Verunreinigung gefunden worden. Dieser Es-ter wird aber nur in geringen Mengen produziert.Bei der Umrechnung der gefundenen Konzentra-tionen auf die Gesamtmasse dieses Esters in dendeutschen Gewässern stellte sich heraus, dassweitaus weniger dieses Esters hergestellt wird, alsin den Gewässern nach der Analyse enthalten seinsoll! Das Rätsel hatte eine sehr einfache Lösung:Bei der Probenaufbereitung der Wässer wurdendiese filtriert. Damit der Glastrichter dazu nicht stän-dig abgenommen werden musste, hatte die Labor-kraft das Trichterende mit einem Kunststoffschlauchversehen. Auf dem Weg durch den Kunststoff-schlauch hatten die Wässer den Weichmacher he-rausgelöst und war daher in allen Wasserprobenenthalten!

Es gibt kein analytisches Labor, das fehlerfrei arbeitet. Gute analytische Labors aber bauen beijedem Schritt des Analysengangs Sicherungenein, mit denen sie Fehler erkennen oder ausschlie-ßen können. In sehr seltenen Fällen sind Fehler sooffensichtlich wie bei dem oben beschriebenen Bei-spiel. Analysenfehler können aber verheerende Fol-gen haben. Wird die Blutgruppe falsch bestimmt, soüberlebt der Patient mit großer Sicherheit eine Blut-transfusion nicht, hier geht es auf Leben und Tod.Wird festgestellt, dass Weine Frostschutzmittel ent-halten, dann wird der Weinbaubetrieb geschlossen.Es hilft wenig, wenn nach einigen Monaten bekanntwird, dass die Analysen falsch waren, die Kund-schaft lässt sich so leicht nicht zurückholen.

1.2 Der Analysengang

12

1Die Methoden der Qualitätssicherung zum Aus-schluss von Fehlern zeichnen das jeweilige Laboraus. Wesentlich ist dabei die Denkweise des Arbeitsteams, nicht erst auf Fehler zu reagieren,wenn sie offenbar werden, sondern von vorn-herein mit Fehlern zu rechnen und entspre-chende Erkennungsmethoden als Teil des Analysengangs einzuplanen. Labors, die zertifi-ziert oder akkreditiert sind, arbeiten in dieser Hinsicht nach vorgegebenen und überprüfbarenNormen.

Die Verantwortung für ein Analysenergebnis darfnicht auf ein Gerät, auf eine Methode oder gar ei-ner Einwirkung von außen abgeschoben werden.Verantwortlich für das Analysenergebnis ist dasLaborteam, das die Ergebnisse erarbeitet hat undherausgibt! Die Übergänge zwischen Leichtfertig-keit im Umgang mit Analysenproben und kriminel-len Handlungen sind fließend, wie die Vergangen-heit gezeigt hat. Beispielsweise wurden in den USAErgebnisse von Unbedenklichkeitsprüfungen fürMedikamente veröffentlicht, ohne dass dazu auchnur eine einzige Untersuchung tatsächlich stattge-funden hatte. Die Ergebnisse waren frei erfunden!Ähnliche Fälle haben sich in den letzten Jahrenauch an deutschen Universitäten zugetragen! Auf-gedeckt wurden diese kriminellen Handlungen, weildie Rohdaten des Analysengangs und die Doku-mentation der einzelnen Analysenschritte fehlten.Als Reaktion darauf hat der Gesetzgeber im Che-mikaliengesetz mit der Guten Laborpraxis GLP ei-ne Verfahrensweise der Dokumentation der La-borarbeit vorgegeben, mit der eine Validierung, dasist der Nachweis, dass das Verfahren in der täg-lichen Praxis die Anforderungen der vorgesehenenanalytischen Anwendung erfüllt, möglich ist. Häufigwird GLP mit Qualitätssicherung gleichgesetzt. UmMissverständnissen vorzubeugen, ist festzuhalten,dass es bei GLP in erster Linie um die Dokumen-tation und nicht um die Richtigkeit der Analysen-ergebnisse geht!

Schon im eigenen Interesse muss die Laborkraftdie Laborarbeit vollständig, nachvollziehbar undübersichtlich dokumentieren, und das von der aller-ersten Stunde in einem analytischen Labor an. Obzur Dokumentation ein Laborjournal oder ein Com-puter benutzt wird, ist gleichgültig, wenn aber um14 Uhr nicht mehr nachgeprüft werden kann, obmorgens um 9 Uhr die Analysenprobe auf einen 50-mL-Messkolben oder auf einen 100-mL-Mess-kolben gegeben wurde, so kann das einen relativenFehler von 100 % bedeuten. Wie die Qualitäts-sicherung, so muss die Dokumentation das ge-samte Analysenverfahren begleiten!

Ist die Probe vorbereitet, so kann die Messung er-folgen. Die Messung bezieht sich immer auf eineStoffeigenschaft des Analyten, mit dem er sich vonder Matrix unterscheidet. Die Messmethoden selbstkönnen grob in „nasschemische“ und in „instru-mentelle“ Methoden gegliedert werden. Die nass-chemischen Methoden stützen sich im Wesent-lichen auf Beobachtungen von Analysenverfahrenmithilfe der Sinnesorgane des Menschen. Instru-mentelle Methoden verwenden dazu weitgehendMessinstrumente.

An die Messung schließt sich die Auswertung an,aus den Rohdaten werden die Ergebnisse berech-net. Im Zeitalter der Computer wird dem Menschenviel Arbeit abgenommen und auch in der Analytikist der Computer zu einem unentbehrlichen Hilfs-mittel geworden. Aber hier ist es wie überall: Wirdder Computer richtig eingesetzt, dann ist er eine Hilfe, wird er falsch eingesetzt, dann produziert erUnsinn. Allzu leicht lassen sich hoch komplizierteRechenverfahren auf Daten anwenden und Ergeb-nisse als Balkendiagramme, Trendlinien usw. viel-farbig darstellen. Dem Computer ausgeliefert ist,wer die Ergebnisse nicht notfalls auch per Handausrechnen könnte und fragwürdig ist, aus denMessdaten auch noch die letzte Kommastelle he-rauszukitzeln zu wollen, wenn durch die Proben-aufbereitung von vornherein mit einem relativenFehler von 10 % gerechnet werden muss!

Abb. 1.2: Analysengang

j J

Do

kum

enta

tio

n

Qu

alitätssicheru

ng

Analysenziel

j J

J

Probennahme

j J

J

Messung

j J

J

Auswertung

j J

J

Proben-aufbereitung

1.3 Beurteilungskriterien für Analyseverfahren

13

11.3 Beurteilungskriterien

für Analysenverfahren

„Das Analysenergebnis muss richtig sein!“ Niemandwürde widersprechen, wenn diese Antwort auf dieFrage käme, welches Analysenverfahren auf ein be-stimmtes Problem angewandt werden soll. Tat-sächlich ist die Richtigkeit eines der wichtigsten Kri-terien für Analysenverfahren. Wenn beispielsweisedie Konzentration eines waschaktiven Tensids in einem natürlichen Oberflächenwasser 0,110 mg /Lbeträgt, so wird diese Angabe als „Wahrer Wert“bezeichnet. Findet das eine Labor 0,110 mg/L, dasandere Labor aber 0,720 mg / L, so hat das ersteLabor den richtigen, das zweite Labor einen fal-schen Wert angegeben. Was ist aber, wenn die ge-fundenen Werte 0,120, 0,130 oder 0,140 wären?Sind diese Werte noch als „richtig“ zu bezeichnen?Wie leicht einzusehen, sind die Angaben „richtig“bzw. „falsch“ für sich allein ohne Inhalt, die Anga-be muss in Zahlen umgesetzt werden! Beispiels-weise kann dazu der Relative Fehler F in % (auchRelative Abweichung genannt) zum wahren Wert(Symbol m, griech. My) angegeben werden.

Richtigkeit

gefundene Werte in mg /L

0,110

0,140

0,120

0,130

0,720

Fin %

0,00

27,3

9,09

18,2

554

m = 0,110 mg /L

Tabelle 1.1: Richtigkeit

Woher ist eigentlich der „wahre Wert“ eines Ana-lyten in einer Probe bekannt? Es lohnt sich, überdiese Frage nachzudenken, weil in ihr eines derwichtigsten Elemente für das Selbstverständnis derAnalytik steckt! Der im Beispiel angegebene wah-re Wert für das natürliche Oberflächenwasser mit0,110 mg / L muss nämlich auch aus einem Analy-senverfahren stammen. Woher ist aber bekannt,dass dieses Analysenverfahren „richtig“ ist? Wer-den z.B. Salatproben auf Nitrat analysiert, so kön-nen die gefundenen Werte zwar mit den bekanntendurchschnittlichen Gehalten verglichen werden. Diewahren Werte aber sind nicht bekannt, mit denendie Abweichung von den experimentellen Wertenberechnet werden könnte. Hier ist es wie mit derHenne und dem Ei! Auf die Spitze getrieben kannbehauptet werden, dass wahre Werte im Grundenicht angebbar sind! Mit dem Begriff „wahrer Wert“

Wie gesagt, es lohnt sich, über diesen Sachverhaltnachzudenken und im Gedächtnis zu bewahren!Wer nur „null“ oder „hundert“ Prozent kennt, wirdangesichts dieser Erkenntnis die praktische Arbeiteinstellen. Kompetente Laborkräfte haben Sach-kenntnis und Erfahrung, sie kennen die Stärken unddie Schwächen des Analysenverfahrens, sie rech-nen von vornherein mit Fehlern, sie bauen Siche-rungen ein und versuchen so, einen Fehler nachdem anderen auszuschließen. Sie empfinden dieFrage „Woher wissen Sie, dass Ihr Ergebnis richtigist?“ nicht als Frechheit oder Unterstellung, sondernals eine Möglichkeit, die in ihrem Labor ange-wandten Methoden der Qualitätssicherung zu er-läutern und so eine Vertrauensbasis zu den Kun-den zu schaffen, wie das ein guter Handwerks-betrieb in seinem Bereich auch tut.

wird häufig etwas als selbstverständlich angesehen,was nicht selbstverständlich ist. Wie noch zu zei-gen sein wird, ist in vielen Fällen der Vergleich zwi-schen der Analysenprobe und einem Standard, dasist eine Probe mit bekanntem Gehalt, der einziggangbare Weg.

PräzisionZum Vertrauen trägt sicher bei, wenn gezeigt wer-den kann, dass der Analysenwert nicht nur ein ein-ziges Mal ermittelt wurde, sondern dass überprüftworden ist, inwiefern der Wert reproduzierbar ist,d. h., dass Mehrfachmessungen mit ein und der-selben Probe durchgeführt worden sind. Dieses Be-urteilungskriterium wird Präzision genannt. Wie dieRichtigkeit, so ist auch die Präzision eines Analy-senverfahrens in Zahlen auszudrücken. Hier habenstatistische Methoden eine wichtige Funktion in derAnalytik. An dieser Stelle sollen zur Illustration nurzwei Messreihen angegeben werden, aus denenauch ohne eine Rechnung ersichtlich ist, dass beider Messreihe A die Präzision besser ist als beiMessreihe B.

Messreihe A

1,10

1,00

1,20

1,10

1,20

1,20

1,00

1,10

Messreihe B

0,90

1,20

1,30

0,80

1,10

0,70

0,60

1,40 Tabelle 1.2:Präzision

1.3 Beurteilungskriterien für Analyseverfahren

14

1BestimmungsgrenzeRichtigkeit und Präzision sind wichtige, aber nichtdie einzigen Beurteilungskriterien für Analysenver-fahren. Als Beispiel soll das bekannte InsektizidDDT dienen, das in einer Bodenprobe mit einemGehalt von etwa 1 Mikrogramm pro Kilogramm Tro-ckensubstanz vorhanden sein soll. Ein Mikrogrammsind 10– 6 g. In einem Gramm dieser Bodenprobesind damit 10–9 g, also 0,000 000 001 g enthalten!Ein Analysenverfahren, das für DDT optimal be-züglich Richtigkeit und Präzision ist, nützt hier garnichts, wenn es für diesen unvorstellbar kleinen Ge-halt nicht empfindlich genug ist. Dieses Beurtei-lungskriterium wird Bestimmungsgrenze genannt.Je niedriger die Bestimmungsgrenze eines Ana-lysenverfahrens, desto kleinere Gehalte an Analytkönnen bestimmt werden. Das Kriterium „Bestim-mungsgrenze“ hat gerade in der Umweltanalytik be-sonderes Gewicht und beeinflusst maßgeblich dieAuswahl des Analysenverfahrens, denn die zu be-stimmenden Gehalte sind häufig sehr klein. Wer ei-ne Analyse beginnt, ohne sich um die Bestim-mungsgrenze seines Analysenverfahrens zu küm-mern, gleicht einem Menschen, der die Suppe mitder Gabel essen will!

Sicherheit Sicherheit ist ein weiteres wichtiges Beurteilungs-kriterium für Analysenverfahren. Hier ist die Sicher-heit für die Laborkräfte gemeint, die die Analysendurchführen und die Sicherheit für die Umwelt, diedurch die Analysenverfahren selbst nicht unbeein-flusst bleibt. Wird beispielsweise der ChemischeSauerstoffbedarf eines Gewässers (CSB-Wert) be-stimmt, der ein wichtiger Parameter für dessen Güte ist, so werden dazu Kaliumdichromat als Oxi-dationsmittel und hochkonzentrierte Schwefelsäu-re sowie Quecksilbersalze zur Einstellung der rich-tigen Reaktionsbedingungen verwendet. Kalium-dichromat ist ein Stoff mit erwiesener krebserzeu-gender und erbgutverändernder Wirkung. BeimUmgang mit diesen Stoffen sind also Vorsichts-maßnahmen und Sachkenntnis geboten. Trotzdemsollte im Labor diskutiert werden, ob es nicht grund-sätzlich sinnvoller ist, mit fertigen Lösungen von Ka-liumdichromat zu arbeiten, als diese feinkörnigeSubstanz selbst einzuwiegen und dabei eventuellfeine Staubteilchen einzuatmen. Gute Labors be-ziehen, auch aufgrund der Gesetzgebung, die Sicherheit der Umwelt in ihre Überlegungen grund-sätzlich mit ein. Durch Verträge mit Herstellerfirmenlässt sich sowohl der Bezug der Einsatzstoffe alsauch die Rücknahme der Abfallstoffe regeln. ÜberRecyclingverfahren ist so ein weitgehend geschlos-sener Stoffkreislauf möglich. Die Zeiten sind hoffent-lich vorbei, in denen ein Umweltlabor den CSB-Wert

EffektivitätEine Fertigampulle Kaliumdichromatlösung ist imEinkauf wesentlich teurer als die entsprechendeMenge an Festsubstanz, daher macht sich die Ent-scheidung, Fertigampulle kaufen oder Feststoffeselbst einwiegen, in der Chemikalienrechnung starkbemerkbar. Die Chemikalienrechnung wiederum istnicht der einzige Kostenfaktor, auch die Arbeitszeitund der Geräteeinsatz müssen berücksichtigt wer-den. Das hier angesprochene Beurteilungskriteriumfür Analysenverfahren ist deren Effektivität. Dabeigeht es nicht nur um Kosten, sondern wesentlichauch um die Zeit bzw. die Geschwindigkeit, in derein Analysenergebnis erstellt werden kann. Wennein Fischsterben in einem Fluss beobachtet wird,ist die Ursache am sichersten zu ermitteln, wennder Grund für das Fischsterben möglichst raschanalysiert werden kann. Eine zu langsame Analy-se wäre in diesem Fall sinnlos!

Kosten und Zeit wiederum werden von vielerlei Fak-toren beeinflusst wie beispielsweise: – Kompetenz der Laborleitung und der Laborkräfte– Personalkosten und Wartungskosten– Rationalisierung, Normung und Robustheit von

Analysenverfahren– Steuerung und Automatisierung von Analysen-

verfahren mit EDV-Anlagen

Das Beurteilungskriterium Effektivität soll hier sehrweit gefasst sein und alle Parameter enthalten, diedie Organisation und den Ablauf des Analysenver-fahrens beeinflussen. Im Hinblick auf die heutigeSituation am Arbeitsmarkt hat das Kriterium Effek-tivität nicht nur Bedeutung für das Analysenverfah-ren an sich, sondern wie der Einsatz von Industrie-robotern im Grunde für die gesamte Volkswirtschaft!

Mit der Auswahl eines Analysenverfahrens ist eswie mit einem Hauskauf. Lage, Ausstattung, Flä-che, Erhaltungsgrad usw. spielen hier eine Rolleund nicht zuletzt der Preis. Im Normalfall sind Kom-promisse notwendig, d. h., einige Beurteilungskri-terien haben stärkeres Gewicht und für die richtige

des Rheinwassers bestimmt und „großzügig“ mitder Entsorgung der Abfälle umgeht und ein ande-res Umweltlabor, rheinabwärts gelegen, die Queck-silberkonzentration im Rhein bestimmt! Bezüglichder Sicherheit bei der Laborarbeit und für dieUmwelt hat sich in den letzten Jahren vieles ver-bessert. Sicher wird in der Überregulierungswut beiden Sicherheitsbestimmungen, meist aus mangeln-der Sachkenntnis, häufig über das Ziel hinausge-schossen, aber bei einer Reihe älterer Labors sindÜberprüfungen durchaus angebracht.

1.3 Beurteilungskriterien für Analyseverfahren / 1.4 Übung Grundbaustein

15

1Gewichtung gibt es durchaus unterschiedliche An-sichten. Verständlich ist, dass der Inhaber einesanalytischen Labors dem Beurteilungskriterium „Effektivität“ ein großes Gewicht beimessen muss.Wenn allerdings die Richtigkeit und die Präzisionder Analysendaten darunter leiden, wird sich das insehr kurzer Zeit negativ auf den Geschäftsverlaufauswirken!

Ob die Einwaage der Masse einer Analysenproberichtig gewählt oder ob überhaupt das richtige Ana-lysenverfahren angewendet wurde, immer solltenzunächst die Beurteilungskriterien herangezogenwerden und dann eine verantwortbare Abwägungerfolgen. Jede Frage und jedes Problem ist im Hin-blick auf die Beurteilungskriterien zu diskutieren.Ein Hauptanliegen dieses Buches ist es, zu zeigen,wie dies bei der praktischen Arbeit realisiert werdenkann.

Abb. 1.3: Beurteilungskriterien für Analysenverfahren

1.4 Übung Grundbaustein

Q Stellen Sie die genannten analytisch wichtigenBegriffe sowie ihre Definitionen tabellarisch dar.Informieren Sie sich über die Bedeutung dieserBegriffe. (Diese Aufgabe soll bei jedem der fol-genden Bausteine bearbeitet werden und wirddort nicht mehr eigens erwähnt.)

W Geben Sie für wichtige Fachbereiche der Ana-lytik typische Analyte und Matrizes an.

E Suchen Sie Zeitungsmeldungen, die über Ana-lysen berichten. Erstellen Sie daraus eine Ta-belle mit den Spalten Analyt, Matrix, Messver-fahren, Bedeutung /Bemerkungen.

R An Stickstoff wurde gezeigt, dass dieses Ele-ment als Nitratstickstoff und als Ammonium-stickstoff vorliegen kann und dadurch unter-schiedliche Wirkungen auf Böden und Pflanzenhat. Geben Sie für andere Elemente vergleich-bare Beispiele an.

T Analyte können in stark unterschiedlichen Ge-halten in den Matrizes vorkommen. Suchen SieBeispiele, die diesen Sachverhalt illustrieren undversuchen Sie, dabei einen möglichst weiten Be-reich abzudecken. Beachten Sie die verschie-denen Möglichkeiten der Gehaltsangaben.

Y Proben können oftmals nicht unmittelbar nachder Probennahme verarbeitet werden, anderer-seits können sich die Proben während derStandzeit verändern. Wie kann die Probe mög-lichst stabil gehalten werden? Welcher Zwi-schenschritt könnte in den aufgezeigten Analy-sengang eingefügt werden?

U Entwickeln Sie ein Modell, mit dem der Unter-schied zwischen Richtigkeit und Präzision an-schaulich gemacht werden kann.

I Suchen Sie nach Datensätzen bzw. erstellen Siesolche, bei denen auch ohne Rechnungen un-terschiedliche Präzisionen erkennbar sind. Stel-len Sie die Datensätze grafisch dar.

O Überprüfen Sie, inwiefern die Beurteilungskrite-rien für Analysen in einer Laborvorschrift bzw.einer Arbeitsanweisung angesprochen werden.

P Informieren Sie sich über Normung und Weiter-entwicklung der Beurteilungskriterien für be-stimmte Verfahren.

Analysen-verfahren

Richtigkeit Präzision

Bestimmungs-grenze

Sicherheit

Effektivität

2 Erste Arbeitsschritte und Geräte

16

2

2 Erste Arbeitsschritte und GeräteZu den ersten Arbeitsschritten im Labor gehört es,feste Stoffe abzuwiegen, Volumina abzumessenund Lösungen herzustellen und zu reinigen. Dazuist eine Grundausstattung von Geräten sowie dieKenntnis der sachgemäßen Handhabung erforder-lich.

Die ersten Geräte, mit denen man im Labor zu tunhat, sind sicher Glasgeräte. Alle Glasgeräte sindbruchempfindlich, es werden aber spezielle Glas-sorten verwendet, die hohe Temperaturunterschie-de sehr gut aushalten können. Praktisch alle Glas-geräte gibt es in unterschiedlichen Größen.

Die einfachsten Glasgeräte sind Reagenzglas, Be-cherglas und Erlenmeyerkolben. Sie tragen häufigeine grobe Skalierung und dienen dazu, einfacheHandversuche durchzuführen, Flüssigkeiten undFeststoffe aufzunehmen und Proben aufzubereiten.

Abb. 2.1: Erlenmeyer-kolben, 250 mL

Zur Abtrennung fester Stoffe von Flüssigkeiten wirdfiltriert. Im einfachsten Fall werden dazu Glastrich-ter verwendet, in die Filterpapiere eingelegt werden.Bei den Filterpapieren kommt es darauf an, dieje-nigen mit der richtigen Porengröße zu verwenden,denn die Feststoffe haben unterschiedliche Korn-größen und sollen bei einer Filtration im Filter blei-ben, während das Filtrat als eine klare Lösung indas Becherglas fließen soll.

Zur Filtration können auch so genannte Glasfilter-tiegel verwendet werden, bei denen der Boden auseiner Fritte mit definierter Porengröße besteht. Wirdan einen solchen Glastiegel mit einer Pumpe einUnterdruck angelegt, so lässt sich der Trennungs-vorgang erheblich beschleunigen, weil die Flüssig-keit durch die Fritte gesaugt wird. Allerdings kanndas Trennergebnis verschlechtert werden, wenn da-durch feine Feststoffe „durchlaufen“.

Abb. 2.2: Glasfiltertiegel

Um definierte Volumina zu entnehmen und herzu-stellen, werden Pipetten, Büretten, Messzylinderund Messkolben verwendet. Auf diesen Gerätensind deren Spezifikationen sowie die sachgemäßeHandhabung aufgedruckt.

Vollpipette25 mL

Messpipette10 mL

Bürette50 mL

Abb. 2.3: Pipetten und Bürette

Auf der Messpipette in Abb. 2.3 finden sich nebender Angabe des Herstellers sowie der Konformi-tätsbescheinigung entsprechend einer Eichordnungfolgende Angaben:

10 mL NennvolumenAS A: höchste Qualitätsstufe

S: Schnellablauf20 °C JustiertemperaturEx +15 s Ex: auf Auslauf geeicht,

15 s: Wartezeit nach Auslauf 15 Sekunden

±0,05 mL Toleranz (maximale Fehlergrenze)

2 Erste Arbeitsschritte und Geräte

17

2

Die Pipetten werden mit Pipettierhilfen (kleine Hand-pumpen, Peleusbälle) gefüllt und entleert. Die Flüs-sigkeit wird über die Markierung hinaus angesaugtund das überschüssige Volumen bis zur Markierungabgelassen und verworfen. Bei Vollpipetten kannnur das aufgedruckte Volumen abgemessen wer-den, bei Messpipetten und Messzylindern sind ver-schiedene Volumina möglich.

Ein entnommenes Volumen darf nicht mehr indie Vorratsflasche zurückgegeben werden, umVerunreinigungen zu vermeiden. Dies gilt auchfür Feststoffe, die aus Vorratsgefäßen entnom-men werden.

Das Volumen von Flüssigkeiten ist temperaturab-hängig, daher ist die einzustellende Temperatur an-gegeben. Die Toleranzen, wie z. B. ±0,05 mL sindnur einzuhalten, wenn exakt auf die Markierung auf-gefüllt wird und das Flüssigkeitsvolumen definiertauslaufen kann. Ein Wasserspiegel bildet an Glas-rändern keine waagrechte Linie. Volumenmess-geräte werden daher so gefüllt, dass der untere Me-niskus der Flüssigkeit die Eichmarke berührt, derMeniskus soll auf der Markierung „aufsitzen“, wieAbb.2.4 zeigt. Manche Volumenmessgeräte habenden so genannten „Schellbachstreifen“, der durchdie Flüssigkeit optisch verjüngt wirkt und so eineexakte Einstellung des Flüssigkeitsspiegels zulässt.

Abb. 2.4: Volumeneinstellung bei der Füllung und Volumenablesung, hier mit Schellbachstreifen

Bei der abgebildeten Messpipette sind nach demersten Ablaufen der Flüssigkeit noch 15 Sekundenzu warten, bis der Rest, der an der Glaswand „nach-läuft“, mit ausgelaufen ist. Pipetten sind oft „auf Aus-lauf geeicht“, d. h., der Rest an Flüssigkeit, der inder Pipettenspitze verbleibt, darf nicht zusätzlichaus der Pipette herausgedrückt werden, da er nichtzum Messvolumen gehört.

Büretten haben Ähnlichkeit mit Pipetten, nur sindsie mit einem Auslaufhahn versehen und ermög-lichen so ein einfaches Zudosieren von Flüssigkei-ten. Die Auslasshähne gibt es in mehreren Ausfüh-rungen. Glashähne müssen mit Schlifffett gefettetwerden. Gefettet wird nur das obere und das unte-re Drittel des Hahnkükens. Hier kommt es auf dierichtige Dosierung an. Wird zu wenig gefettet, sodreht sich der Hahn nicht, bei zu viel Fett wird dieÖffnung verstopft. Teflon-Hähne werden nicht ge-fettet. Das gilt für alle Geräte aus Teflon. Nach derReinigung der Bürette ist es zweckmäßig, zwischenHahn und Hahnhülse ein kleines Stück Filterpapierzu stecken, damit sich der Hahn nicht „festfrisst“.

Zur Herstellung von Lösungen definierter Konzen-tration werden Messkolben verwendet. Um homo-gene Lösungen herzustellen, ist es zweckmäßig, inden Messkolben zunächst die zu lösende Fest-substanz oder die konzentrierte Lösung einzuge-ben, Lösemittel in Portionen hinzuzugeben unddurch Schütteln zu homogenisieren. Dann wird bisetwa 2 cm unter die Eichmarke aufgefüllt, tempe-riert und schließlich mit einer einfachen Pipette auf-gefüllt.

Ein Messkolben wird erst dann auf die Eichmar-ke aufgefüllt, wenn die Lösung die auf demMesskolben angegebene Temperatur hat unddie Festsubstanz vollständig gelöst ist.

Abb. 2.5:250-mL-Messkolben

2 Erste Arbeitsschritte und Geräte

18

2

Heute gibt es Geräte, über die entnommene Flüs-sigkeitsmengen digital abgelesen oder automatischdosiert werden können. Einige Geräte erlaubenauch die Dosierung sehr kleiner Volumina im Be-reich von einigen Mikrolitern. Dies sind aber keineGeräte, mit denen am Anfang der Ausbildung ge-arbeitet werden sollte.

Natürlich beinflusst das verwendete Messgerätmaßgeblich die Richtigkeit und die Präzision, mitder Volumina abgemessen werden, aber der Ein-fluss der richtigen Handhabung und des Geräte-zustandes sollte nicht zu gering eingeschätzt wer-den. Zu Beginn der Ausbildung ist es angebracht,mit größeren Toleranzen zu rechnen, als die Her-steller angeben, beispielsweise mit einem absolu-ten Fehler von 0,1 mL, das sind etwa zwei Tropfen.Sollen 10,0 mL abgemessen werden, so kann dem-nach das tatsächlich abgemessene Volumen 9,9 bis10,1 mL betragen. Bei einem abzumessenden Vo-lumen von 1,0 mL sind 0,9 bis 1,1 mL möglich. Fürdie dabei auftretenden Fehler hat dies Konse-quenzen.

Abzumessen-des Volumen

1,0

5,0

10,0

Relativer Fehler in %

10

2

1

Absoluter Fehler in mL

0,1

0,1

0,1

Tabelle 2.1: Volumina und Fehler

Für einen tolerierten relativen Fehler von 1% ergibtsich daraus die Regel:

Das abzumessende Volumen beträgt mindes-tens 10 mL.

Zur Herstellung und Dosierung von Lösungen soll-ten folgende Glasgeräte zur ersten Grundausstat-tung gehören:

(Nennvolumina in mL)

Bechergläser 100, 250 und 400 mL

Erlenmeyerkolben 100 und 250 mL

Messkolben 50, 100, 250, 500 und 1000 mL

Vollpipetten 10, 20, 25 und 50 mL

Messpipette 10 mL

Bürette 25 mL

Zu einer großen Arbeitserleichterung hat die Ent-wicklung der Analysenwaagen geführt. ModerneAnalysenwaagen sind sehr benutzerfreundlich undkönnen ohne weiteres Massenunterschiede von 0,1 mg feststellen. Mit einem Knopfdruck kann dieAnzeige auf „null“ gestellt und die Nettomasse ab-gelesen werden.

Abb. 2.6: Analysenwaage

Das darf allerdings nicht bedeuten, dass jeglicheVorsicht außer Acht gelassen wird. Die richtige Jus-tierung und regelmäßige Überprüfung der Waagedurch einen Fachbetrieb ist sehr wichtig.

Fehler beim Wägegut sollten ebenfalls bedacht wer-den, beispielsweise den, dass die Glasgeräte jenach Trockungszustand unterschiedliche Massenhaben können. Es ist angebracht, von vornhereinmit einem absoluten Fehler von 1 mg zu rechnen.Für einen relativen Fehler von 1 % ergibt sich inAnalogie zu den Volumina die Regel:

Die einzuwiegende Mindestmasse beträgt100mg.

Die beiden Grundsätze geben also Mindestvolumi-na und Mindestmassen vor. Sicher kann bei sehrviel größeren Volumina und Massen auch mit einemgrößeren absoluten Fehler (z. B. 1 mL) gerechnetwerden. Dann aber liegt der relative Fehler (z.B. bei1000 mL) wieder unter 1 %.

3.1 Gleichgewicht und Massenwirkungsgesetz

19

3

In den meisten Fällen ist es nicht erforderlich, einegeplante Einwaage, etwa 0,5679 g, auch tatsäch-lich einzuwiegen. Vielmehr wird eine etwas kleine-re oder etwas größere Masse eingewogen, bei-spielsweise 0,5691 g, diese tatsächliche Einwaa-ge notiert und bei den nachfolgenden Rechnungenverwendet. Dies ist wesentlich effektiver, als in klei-nen Portionen das Wägegut in das Wägeglas zugeben und gegebenenfalls wieder etwas aus demWägeglas zu entnehmen, um den geplanten Wertzu „treffen“! Unter keinen Umständen darf Wä-gegut in die Vorratsflasche zurückgegeben wer-den! Auch sollten in das Wägezimmer nur Wäge-gut, Wägeglas, Spatel, Schreibzeug und das Jour-nal mitgenommen werden. Keinesfalls dürfen Lö-sungen im Wägezimmer selbst hergestellt werden.In Wägezimmern, in denen die Waagen ver-schmutzt sind, ist mit großer Sicherheit gegen die-sen Grundsatz verstoßen worden. Ein zurückge-bliebenes weißes Salz kann harmloses Kochsalz,aber auch hochgiftiges Kaliumcyanid sein!

Erwärmt werden die Lösungen in der Regel mitelektrischen Heizplatten. Diese sind mit einem

Rührwerk, einer sich drehenden Metallscheibe, ge-koppelt. Ein mit Teflon beschichtetes magnetischesStäbchen, „Rührfisch“ genannt, wird davon ange-trieben. Der Rührfisch wird in die Flüssigkeit gege-ben und sorgt so für einen schnellen Lösevorgangbzw. für eine gute Durchmischung. Lösen, Mischenund auch „Entgasen“ von Flüssigkeiten (beispiels-weise Mineralwasser, das gelöstes Kohlendioxidenthält) lässt sich vorteilhaft auch mit dem Ultra-schallbad beschleunigt durchführen.

Selbstverständlich dürfte sein, sich vor der Ein-waage von Substanzen und der Herstellung von Lö-sungen über deren Eigenschaften zu informieren.Eine der besten, schnellsten und billigsten Infor-mationsquellen dazu sind die Kataloge der Liefer-firmen. Alle Daten wie Strukturformel, Summen-formel, Molare Masse, Löslichkeit, Reinheit, Sicher-heitsvorschriften usw. sind hier sehr übersichtlichzusammengestellt. Ansonsten stehen hierzu vieleTabellenwerke (Chemiker-Kalender, Römpp-Che-mie-Lexikon usw.) sowie das Internet zur Verfü-gung.

3 Chemisches Gleichgewicht und pH-Wert3.1 Gleichgewicht und

Massenwirkungsgesetz„Die Ausgangsprodukte A und B gehen in das Re-aktionsprodukt C über.“ So wird in der Chemie diefolgende Reaktionsgleichung üblicherweise gele-sen und verstanden:

A + B r C

Diese Lesart ist nicht falsch, aber sie gibt nicht dieganze Wahrheit für den überwiegenden Teil derchemischen Reaktionen wieder. Als Beispiel soll dieBildung eines Esters aus Essigsäure und Ethanoldienen.

CH3COOH + C2H5OH r CH3COOC2H5 + H2OSäure + Alkohol r Ester + Was-

ser

Wird die Zusammensetzung des Reaktionsge-mischs in bestimmten Zeitabständen untersucht, sowird festgestellt, dass sich die Säurekonzentrationund die Alkoholkonzentration verringert und dassentsprechende Konzentrationen an Ester und Was-ser gebildet werden, wie es der angegebenen

Reaktionsgleichung entspricht. Nach einer be-stimmten Zeit aber ist zu beobachten, dass offen-bar kein weiterer Umsatz stattfindet, denn die Kon-zentrationen ändern sich nicht mehr, obwohl nochAusgangsstoffe vorhanden sind. Der Umsatz ist also nicht vollständig. Vermutet werden kann, dassdie Reaktion damit zum Stillstand gekommen ist,weil sich die Konzentrationen nicht mehr ändern,aber das ist nicht der Fall. Es findet nach wie vor eine Reaktion statt, aber in dem Maße, wie ausSäure und Alkohol weiterer Ester und Wasser ent-stehen, bildet der Ester mit Wasser wieder die Aus-gangsprodukte Säure und Alkohol zurück. Die Sum-me der Produktion und des Zerfalls ist gleich null,also ändern sich die Konzentrationen nicht mehr.Sehr anschaulich wird daher von einer Hinreaktionund einer Rückreaktion gesprochen, die sich in ei-nem dynamischen Chemischen Gleichgewichtbefinden. Dieser Sachverhalt wird durch einen Dop-pelpfeil symbolisiert.

CH3COOH + C2H5OH i CH3COOC2H5 + H2OSäure + Alkohol Ester + Was-

ser

3.1 Gleichgewicht und Massenwirkungsgesetz

20

3

Der hier beschriebene Sachverhalt der Einstellungeines chemischen Gleichgewichtes ist für alle Be-reiche der Chemie fundamental wichtig, also auchfür die Analytik. Am Beispiel der Esterbildung las-sen sich die Gesetzmäßigkeiten des chemischenGleichgewichts anschaulich zeigen.

Für einen ersten Ansatz werden von einer be-stimmten Säure (S) und von einem bestimmtenAlkohol (A) jeweils 500 mmol abgemessen. Die-se Mischung wird mit hier nicht weiter interessie-renden Zusätzen und Lösemittel auf 1,000 L auf-gefüllt. Damit sind die Ausgangskonzentrationen vordem Start der Reaktion c 0(S) = 500 mmol / L undc 0(A) = 500 mmol / L. Diese Mischung wird unter definierten Bedingungen zur Reaktion gebracht unddie Konzentration an Ester in festgelegten Zeitab-ständen so lange bestimmt, bis sich dieser Wertnicht mehr ändert, das Chemische Gleichgewichtsich also eingestellt hat.

Nach der Einstellung des Gleichgewichts wird dieKonzentration des Esters mit c (E) = 400 mmol / Lgefunden. Aus der Stöchiometrie der abgekürzt ge-schriebenen Reaktionsgleichung

S + A i E + WSäure + Alkohol Ester + Wasser

lässt sich aus diesem Zahlenwert angeben, welcheStoffmengenkonzentrationen an Wasser, Säure undAlkohol sich im Gleichgewicht befinden müssen,denn pro gebildetes Teilchen an Ester muss sichauch ein Teilchen an Wasser gebildet haben, undpro gebildetes Teilchen an Ester muss ein Teilchenan Säure umgesetzt werden. Für „umgesetzt“ sollim Hinblick auf die folgenden pH-Wert-Berechnun-gen das Wort „zerfallen“ gebraucht werden. Also ist c (H2O) = 400 mmol / L, von der Säure und dem Alkohol müssen jeweils noch 500 mmol / L –400 mmol / L = 100 mmol / L vorhanden sein.

Für eine eindeutige Konzentrationsangabe muss also nicht nur ersichtlich sein, um welchen Stoff essich handelt, sondern auch, ob sich diese Angabeauf den Ausgangszustand oder auf den Gleichge-wichtszustand bezieht. Es gelten die Vereinbarun-gen:

Volumen der Lösung errechnen lassen. DasKonzentrationssymbol wird mit dem Index „0“,also c 0, geschrieben.

Konzentrationen zerfallener Teilchen, also imGleichgewicht nicht mehr vorhandener Konzen-trationen (fiktive Konzentrationen), werden mitdem Index „z“, also c z, geschrieben. Diese sindreine Rechengrößen.

Gleichgewichtskonzentrationen sind Konzentra-tionen, die im Gleichgewicht tatsächlich vorliegen(wahre Konzentrationen). Das Konzentrations-symbol wird ohne Index, also c, geschrieben.

Ausgangskonzentrationen können reine Re-chengrößen sein, sie können sich beispielsweiseaus der Einwaage einer Substanz und dem

Die für die Stoffmengenkonzentrationen getroffe-nen Vereinbarungen werden sinngemäß auf Teil-chen, Stoffmengen, Massen, Massenkonzentratio-nen usw. übertragen.

Damit lassen sich sehr einfache Bilanzen angeben.Beispielsweise gilt für die Teilchensorte X:

Teilchenbilanz N0(X) = N (X) + Nz (X)

Stoffmengenbilanz n0(X) = n (X) + n z (X)

Konzentrationsbilanz c0(X) = c (X) + cz (X)

Für den ersten Ansatz bei der Veresterung gilt dem-nach:

c (E) = c (W) = c z(A) = c z(S) = 400 mmol / L und

c (A) = c (S) = c 0(A) – c z(A) = = 500 mmol / L – 400 mmol / L = 100 mmol / L

Für diesen ersten Ansatz sind in der Tabelle 3.1die Angaben zusammengestellt. Die Werte bezie-hen sich hier immer auf die Einheit mmol / L.

c 0(S)

c 0(A)

c (E)

c (W)

c z(S)

c (S)

c z(A)

c (A)

1. Ansatz

500

500

400

400

400

100

400

100

Tabelle 3.1: Erster Ansatz

Um die Gesetzmäßigkeit herauszufinden, nach derdiese Konzentrationen gebildet werden oder zer-fallen, werden zwei weitere Ansätze mit veränder-ten Ausgangskonzentrationen „gefahren“ und diejeweilige Stoffmengenkonzentration an Ester imGleichgewichtszustand bestimmt. Im Vergleich zumersten Ansatz ergeben sich folgende Werte: