beitrag der fugenmörtel zur stabilität von mauerwerk

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Fachthemen DOI: 10.1002/dama.201300578 216 © Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Mauerwerk 17 (2013), Heft 4 Sylvia Stürmer Beitrag der Fugenmörtel zur Stabilität von Mauerwerk Die Mauer-/Fugenmörtel gewährleisten im Mauerwerk den Verbund zwischen den Mauer- steinen. Die Arten der Mörtel und deren Verteilung im Mauerwerk hängen von den Stein- arten, Formaten, Steinbearbeitungsstufen, Verbänden und Mauerwerksgefügen ab. Die Formate der Mauersteine und die Mörtel können je nach Bauwerk (Sakral-/Profanbau- ten, Ingenieurbauwerke etc.), Alter und Baustil, Höhe und Lage des Bauteils sowie der regionalen Verfügbarkeit der Materialien stark variieren. Obwohl der Anteil des Mörtels am gesamten Mauerwerk im Verhältnis zu dem des Steins i. d. R. deutlich geringer ist, spielen die Art des neuen Fugenmörtels, dessen technische Eigenschaften und die stoffliche Verträglichkeit mit den Mauersteinen und Bestandsmör- teln für die Stabilität und Dauerhaftigkeit des Mauerwerks eine große Rolle. Im folgenden Artikel wird auf die Auswahl von Mörteln für die nachträgliche Verfugung an Bestandsbauten, verschiedene Verarbeitungstechniken und Ausführungsdetails ein- gegangen. Contribution of joint mortars for stability of masonry construction. Jointing mortars con- nect the stone of masonry. The kinds of mortar and the joint compounds depend on the type of stones, its dimension, the stone working, the structure of masonry and its bond. The dimensions of stones and the mortar of historic masonry could vary a lot according to the kind of building, its age and architectural style, height and exposition as well as the availability of regional raw materials. The proportion of mortar compared to the proportion of stone within masonry is usually very low, but the compounds, chemical compatibility and technical properties of joints play an important role for the stability and durability of masonry. The paper deals with the choice of mortar for joint restoration at historic masonry, with different techniques and details of application. 1 Einleitung Grundlage jeder erfolgreichen Sanie- rungsmaßnahme sind aussagekräftige Bestands- und Zustandserfassungen. Diese liefern wesentliche Informatio- nen über den Aufbau des Mauerwerks, dessen Tragfähigkeit, den Feuchte- und Versalzungszustand, das Verwitte- rungsverhalten der jeweiligen Stein- varitäten und Mörtel sowie Kenntnisse zu früheren Instandsetzungen. Je mehr der o. g. Informationen vorliegen, um so gezielter können die Eigenschaften der nachträglichen Fu- genmörtel und deren Verarbeitungs- technik ausgewählt und der jeweili- gen Bausubstanz und den Beanspru- chungen am Bauteil angepasst werden. Wichtige Hinweise zur Fugensa- nierung liefert das WTA-Merkblatt 3-12-99/D „Natursteinrestaurierung nach WTA IV: Fugen“, das zur Zeit aktualisiert wird. „Bei der Beurteilung und Bewertung der bestehenden Fu- gen sind denkmalpflegerische, bau- technische und chemisch-physikali- sche Gegebenheiten zu berücksichti- gen und in das Maßnahmenkonzept aufzunehmen.“ [1] 2 Funktionen und Beanspruchung der Mörtel Fugenmörtel tragen maßgeblich zur Lastabtragung und Stabilität des Mauerwerks bei und prägen das Er- scheinungsbild von Sichtmauerwerk. Intakte Fugen stabilisieren das Mauer- werk und erhöhen bei wirksamem Feuchteschutz die Dauerhaftigkeit – u. a. durch Reduzierung der hygri- schen Verformungen sowie Vermei- dung von Frostschäden bei geringem Porenfüllgrad von Mörteln und Na- tursteinen. Bei beheizten Mauerwerksbau- ten wird auch der Wärmeschutz durch die Fugen beeinflusst. Hohe Mauer- werksfeuchten können zur Erhöhung der Wärmeleitfähigkeit, damit zur Re- duzierung der Dämmwirkung und bei Innendämmungen an Gebäuden mit Sichtmauerwerk zur Gefährdung der Wirksamkeit führen. Undichte, frei bewitterte Fugen und feuchtes Mauer- werk erhöhen den Energieverbrauch. Die Mauersteine und Mörtel un- terscheiden sich beträchtlich in ihren mechanischen Eigenschaften. Die Druckfestigkeit und der E-Modul der Steine sind in den meisten Fällen viel größer als die Druckfestigkeit und der E-Modul der Mörtel. Noch geringer ist die Zugfestigkeit der mineralischen Mörtel, die ca. 10 % der Druckfestig- keit beträgt. Das Verhalten von Mör- teln und Steinen bei Druckbeanspru- chung auf Mauerwerke wird u. a. durch Huster in [2] beschrieben. Die behin- derte Querdehnung führt bei schub- starrem Verbund zwischen Mörteln und Steinen zu Querdruckspannun- gen im Mörtel. Dieser ist einem drei- axialen Druckspannungszustand aus- gesetzt, der festigkeitssteigernd wirkt. Das trifft zu für Mauerwerk mit gerin- ger Fugendicke und ausreichend ho- her Haftscherfestigkeit des Mörtels – wie z. B. Ziegel- oder Quadermauer- werk. Bei historischem Naturstein- mauerwerk mit deutlich größeren Fu- gendicken, häufig unregelmäßigem Fugenverlauf und eher weicheren Mör-

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Page 1: Beitrag der Fugenmörtel zur Stabilität von Mauerwerk

Fachthemen

DOI: 10.1002/dama.201300578

216 © Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Mauerwerk 17 (2013), Heft 4

Sylvia Stürmer

Beitrag der Fugenmörtel zur Stabilität von Mauerwerk

Die Mauer-/Fugenmörtel gewährleisten im Mauerwerk den Verbund zwischen den Mauer-steinen. Die Arten der Mörtel und deren Verteilung im Mauerwerk hängen von den Stein-arten, Formaten, Steinbearbeitungsstufen, Verbänden und Mauerwerksgefügen ab. Die Formate der Mauersteine und die Mörtel können je nach Bauwerk (Sakral-/Profanbau-ten, Ingenieurbauwerke etc.), Alter und Baustil, Höhe und Lage des Bauteils sowie der regionalen Verfügbarkeit der Materialien stark variieren. Obwohl der Anteil des Mörtels am gesamten Mauerwerk im Verhältnis zu dem des Steins i. d. R. deutlich geringer ist, spielen die Art des neuen Fugenmörtels, dessen technische Eigenschaften und die stoffliche Verträglichkeit mit den Mauersteinen und Bestandsmör-teln für die Stabilität und Dauerhaftigkeit des Mauerwerks eine große Rolle. Im folgenden Artikel wird auf die Auswahl von Mörteln für die nachträgliche Verfugung an Bestandsbauten, verschiedene Verarbeitungstechniken und Ausführungsdetails ein-gegangen.

Contribution of joint mortars for stability of masonry construction. Jointing mortars con-nect the stone of masonry. The kinds of mortar and the joint compounds depend on the type of stones, its dimension, the stone working, the structure of masonry and its bond. The dimensions of stones and the mortar of historic masonry could vary a lot according to the kind of building, its age and architectural style, height and exposition as well as the availability of regional raw materials. The proportion of mortar compared to the proportion of stone within masonry is usually very low, but the compounds, chemical compatibility and technical properties of joints play an important role for the stability and durability of masonry.The paper deals with the choice of mortar for joint restoration at historic masonry, with different techniques and details of application.

1 Einleitung

Grundlage jeder erfolgreichen Sanie-rungsmaßnahme sind aussagekräftige Bestands- und Zustandserfassungen. Diese liefern wesentliche Informatio-nen über den Aufbau des Mauerwerks, dessen Tragfähigkeit, den Feuchte- und Versalzungszustand, das Verwitte-rungsverhalten der jeweiligen Stein-varitäten und Mörtel sowie Kenntnisse zu früheren Instandsetzungen.

Je mehr der o. g. Informationen vorliegen, um so gezielter können die Eigenschaften der nachträglichen Fu-genmörtel und deren Verarbeitungs-technik ausgewählt und der jeweili-gen Bausubstanz und den Beanspru-chungen am Bauteil angepasst werden.

Wichtige Hinweise zur Fugensa-nierung liefert das WTA-Merkblatt 3-12-99/D „Natursteinrestaurierung nach WTA IV: Fugen“, das zur Zeit aktualisiert wird. „Bei der Beurteilung und Bewertung der bestehenden Fu-gen sind denkmalpflegerische, bau-technische und chemisch-physikali-sche Gegebenheiten zu berücksichti-gen und in das Maßnahmenkonzept aufzunehmen.“ [1]

2 Funktionen und Beanspruchung der Mörtel

Fugenmörtel tragen maßgeblich zur Lastabtragung und Stabilität des Mauerwerks bei und prägen das Er-scheinungsbild von Sichtmauerwerk.

Intakte Fugen stabilisieren das Mauer-werk und erhöhen bei wirksamem Feuchteschutz die Dauerhaftigkeit – u. a. durch Reduzierung der hygri-schen Verformungen sowie Vermei-dung von Frostschäden bei geringem Porenfüllgrad von Mörteln und Na-tursteinen.

Bei beheizten Mauerwerksbau-ten wird auch der Wärmeschutz durch die Fugen beeinflusst. Hohe Mauer-werksfeuchten können zur Erhöhung der Wärmeleitfähigkeit, damit zur Re-duzierung der Dämmwirkung und bei Innendämmungen an Gebäuden mit Sichtmauerwerk zur Gefährdung der Wirksamkeit führen. Undichte, frei bewitterte Fugen und feuchtes Mauer-werk erhöhen den Energieverbrauch.

Die Mauersteine und Mörtel un-terscheiden sich beträchtlich in ihren mechanischen Eigenschaften. Die Druckfestigkeit und der E-Modul der Steine sind in den meisten Fällen viel größer als die Druckfestigkeit und der E-Modul der Mörtel. Noch geringer ist die Zugfestigkeit der mineralischen Mörtel, die ca. 10 % der Druckfestig-keit beträgt. Das Verhalten von Mör-teln und Steinen bei Druckbeanspru-chung auf Mauerwerke wird u. a. durch Huster in [2] beschrieben. Die behin-derte Querdehnung führt bei schub-starrem Verbund zwischen Mörteln und Steinen zu Querdruckspannun-gen im Mörtel. Dieser ist einem drei-axialen Druckspannungszustand aus-gesetzt, der festigkeitssteigernd wirkt. Das trifft zu für Mauerwerk mit gerin-ger Fugendicke und ausreichend ho-her Haftscherfestigkeit des Mörtels – wie z. B. Ziegel- oder Quadermauer-werk. Bei historischem Naturstein-mauerwerk mit deutlich größeren Fu-gendicken, häufig unregelmäßigem Fugenverlauf und eher weicheren Mör-

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ihrem Zustand zu konservieren oder können durch Antragung mit Stein-restauriermörtel wiederhergestellt wer-den (Bild 3 [3]).

3.2 Wahl geeigneter Fugenmörtel

Fugenmörtel können auf der Baustelle aus Bindemittel, geeigneten Bausan-den und Wasser selbst angemischt werden oder man verwendet Werktro-ckenmörtel, die von zahlreichen Her-stellern mit unterschiedlichen Zusam-mensetzungen und Eigenschaften an-geboten werden. Als Bindemittel do- minieren die hydraulischen Kalke, als natürliche hydraulische Kalke oder Gemische aus Luftkalk und Zemen-ten, zum Teil mit puzzolanischen Zu-sätzen.

Mag die Baustellenmischung auch auf den ersten Blick einfach und preis-günstig erscheinen, ist sie im Bereich der Mauerwerksanierung keinesfalls für Nichtfachleute geeignet und mit Schwankungen der einzelnen Char-gen verbunden. Diese Schwankungen in der Mörtelzusammensetzung kön-nen zu deutlichen Unterschieden in den mörteltechnischen Eigenschaften und nachteiligen Auswirkungen auf das Mauerwerk führen.

Die Anforderungen an Mauer- und Fugenmörtel im Neubaubereich wurden bisher durch die Mauerwerks-norm DIN 1053 geregelt [4], deren

strich über die Sandsteine gezogen wurde und zu massiven Schäden in der Form von Absanden und schalen-artigen Rückwitterungen am Sandstein geführt hat. Die Schäden wurden so-wohl durch die falsche Materialaus-wahl als auch durch die falsche hand-werkliche Gestaltung verursacht.

3 Nachträgliche Verfugung3.1 Ausräumen und Reinigen

Für den Erfolg der Fugensanierung, u. a. den guten Haftverbund zwischen Steinen, Bestands- und neuem Mörtel, sind die vorbereitenden Arbeiten vor der eigentlichen Verfugung besonders wichtig: das Ausräumen des geschä-digten Mörtels und die anschließende Reinigung. Vor der Neuverfugung ist die Fuge nach Möglichkeit in ca. dop-pelter Tiefe der Fugenbreite auszuräu-men, um eine ausreichende Verbund-fläche des neuen Mörtels zu den Stein-flanken und dem Bestandsmörtel zu schaffen. Dabei dürfen die Fugenflan-ken nicht beschädigt werden. Die Techniken dafür richten sich u. a. nach dem Fugenverlauf, dem Zustand des alten Fugenmörtels und der Fes-tigkeit des Natursteins. Neben dem schonenden Ausstemmen von Hand bei eher weichen und stark verwitter-ten Gesteinen kommen pressluftge-triebene Werkzeuge und bei gleichmä-ßigem Fugenverlauf und festen Ge-steinen auch Fingerfräsen bzw. Trenn- schneidgeräte zum Einsatz. Die Fugen sind danach von Staub und losen Tei-len zu säubern, da diese haftungsmin-dernd wirken können. Vor oder nach dem Ausräumen kann eine Festigung der angrenzenden Steine notwendig sein, zum Beispiel mit Kieselsäureester. Rückgewitterte Fugenflanken sind in

teln auf der Basis von Kalk, z. T. auch Gips sind andere Bedingungen gege-ben. Die geringere Steifigkeit führt zu größeren Querdehnungen, die zuneh-mende Fugenhöhe zu geringeren Quer-druckspannungen. Ob es zum Versa-gen des Mörtels kommt, hängt nicht nur vom Spannungszustand, sondern auch maßgeblich von der Mörtel-feuchte ab. Auch wenn die Bindemit-telwirkung im Mörtel nachlässt oder verloren geht, kann Feuchte die Lage der Mörtel durch Reibung sichern, während die innere Reibung der „ent-festigten“ Mörtel bei Wassersättigung verloren geht.

Rückwitterungen des Mörtels bzw. Mörtelverlust an den Fugenflan-ken z. B. durch Frostbeanspruchung bewirken Querzugspannungen im Stein (Bild 1 [2]), die bei Übersteigen der Zugfestigkeit des Gesteins zu Ris-sen, ggf. auch zum Versagen führen können.

Fugensanierungen können not-wendig werden, wenn: – der Fugenmörtel verwittert oder ge-

schädigt ist – falsche Fugenmörtel verwendet wur-

den (stofflich oder technisch nicht angepasst), die z. B. zu verstärkter Verwitterung der Steine geführt ha-ben

– die Fugenform und/oder die Ge-staltung der Übergänge zum Natur-stein zu verstärkter Beanspruchung der Natursteine führen

Bild 2 zeigt ein Detail des Konstanzer Bahnhofsturmes mit zementreichem, sehr festem Fugenmörtel aus den 1970er Jahren, der wie ein Fugenver-

Bild 3. Verfugung bei rückgewitterten und angetragenen Flanken nach Ashurst [3]; links: richtige Verfugung, rechts: nicht dauerhafte Verfugung, fehlerhaft: Verfugung und Steinergän-zung in einem ArbeitsgangFig. 3. Specific details of shaping joints avoiding restoration of stone and join-ting in one step (Ashurst [3])

Bild 1. 3-Stein-Modellkörper bei aus-gebrochenen LagerfugenFig. 1. 3-Stone-model with damaged joints

Bild 2. Starke Rückwitterung des Sand-steins aufgrund falscher VerfugungFig. 2. Gradual loss of sandstone sur-face due to false jointingrestoration of natural stone

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kenhaftung des Mörtels am Stein. Da-bei sind vor allem die Rauigkeit und das Saugverhalten des Steins zu be-achten und eine optimale Konsistenz des Mörtels einzustellen: steifplas-tisch bei der Handverfugung und et-was weicher, zum Teil mit einem klei-nen Anteil an Fließmittel bei maschi-neller Verfugung. Bei schmalen und gleichmäßigen Fugen in regelmäßi-gem Mauerwerk dominieren die Ver-fugung mit Hand oder Kartusche, bei der die Spritzdüse je nach Fugengeo-metrie angepasst werden kann. Die Kartuschentechnik mit fließmittel-vergütetem Mörtel eignet sich beson-ders bei Überkopfarbeiten (Gewölbe, Untersichten z. B. bei Gewölben oder Brücken) und keilförmigen Fugen, die sich nach hinten aufweiten. Zum Teil kann es dabei auch notwendig sein, die Spritzdüse mit einem Schlauch-abschnitt zu verlängern (Bild 5) und/oder in mehreren Arbeitsgängen zu verfugen. Bild 5 zeigt die Vorverfül-lung eines tief ausgewaschenen Fugen-bereichs mit spritzfähigem Fugenmör-tel, dessen Oberfläche nach einer ge-wissen Standzeit mit einem steif-plas- tischen Fugenmörtel per Hand verfugt wurde (Bild 4), um in den außen lie-genden, breiteren Zwickeln ein „Ab-sacken“ und ggf. Risse im Fugenmör-tel zu vermeiden.

des geeigneten Bindemittels bzw. der Zusatzstoffe für den Fugenmörtel ver-mieden werden. Die Treibreaktion unter deutlicher Volumenvergröße-rung kann zu Rissen und sonstigen Gefügeschäden führen.

Das ist besonders bei Fundament-, Keller-, Gewölbe-, Wasser- und Brü-ckenbauten aus Natursteinmauerwerk zu beachten, da die Ettringitbildung bei niedrigen Temperaturen (ca. 6 bis 10 °C) und hohen Feuchten gefördert wird.

Wichtige Hinweise zur richtigen Materialauswahl liefert das WTA-Merkblatt 2-11-07 D „Gipsmörtel im historischen Mauerwerksbau und an Außenfassaden“ [6].

Aus denkmalpflegerischer Sicht wird zum Teil eine Nachstellung des historischen Fugenmörtels entspre-chend den Befunden angestrebt. Da-bei sollte nicht versucht werden, his-torische Mörtel nachzustellen, die sich nach heutigem Kenntnisstand eindeu-tig als ungeeignet erwiesen haben. Der Nachstellung sind jedoch Grenzen ge-setzt. Zum Teil sind die ursprünglich verwendeten Materialien nicht mehr verfügbar oder veränderte Beanspru-chungen des Mauerwerkes, z. B. durch Umnutzung oder Salzbelastungen, können Mörtelzusammensetzungen erfordern, die vom Originalbefund ab-weichen.

3.3 Applikationstechnik: Von Hand oder doch maschinell?

Die Verfugung kann traditionell von Hand (Bild 4), mit Kartuschen oder maschinell mit Verfugpistole erfolgen (Bild 5), je nach Verlauf, Dimension und Zugänglichkeit der Fugen sowie Art und Größe des zu sanierenden Natursteinmauerwerks.

Wesentlich für die Dauerhaftig-keit der Neuverfugung ist die Flan-

Mörtel in den Mörtelgruppen I bis IIIa für Rezeptmauerwerk in den meisten Fällen auch bei Bestandsmauerwerk angewendet werden können.

Für die Auswahl der Mörtelgruppe und damit der Festigkeitsklasse sind die statischen Anforderungen, die Fes-tigkeit des Gesteins und dessen Ver-witterungszustand sowie die Fugendi-cke und Festigkeit des Bestandsmör-tels maßgebend.

Das Größtkorn des neuen Fugen-mörtels sollte kleiner als 1/3, besser noch kleiner als 1/5 der Fugenbreite sein. Die Festigkeiten und der Elasti-zitätsmodul sollten kleiner sein als die Werte des Gesteins. Der Fugenmörtel muss fest am Mauerstein und am Be-standsmörtel haften. Möglichst geringe Schwind- und Quellmaße und ange-passte thermische Ausdehnungskoef-fizienten bewirken auch bei permanen-ter Freibewitterung geringe Rissanfäl-ligkeit. Bezüglich der Feuchteaufnahme und -abgabe ist ein geringerer, maxi-mal der gleiche Wasseraufnahmekoef-fizient anzustreben. Wesentliche tech-nische Anforderungen für die Fugen-mörtel bei Natursteinmauerwerk sind als Orientierungshilfe im „Leitfaden Steinkonservierung“ von Prof. Sneth-lage [5] in Tabellenform zusammen-gefasst (Tabelle 1). Wesentlich ist die richtige Auswahl durch den Fachkun-digen nach sorgfältiger Bestandsana-lyse und Recherche der oben genann-ten zahlreichen Einflüsse.

Neben den physikalischen Anfor-derungen ist die stoffliche (= chemi-sche) Verträglichkeit mit der vorhan-denen Bausubstanz von wesentlicher Bedeutung. Ausblühungen auf der Mauerwerksoberfläche und schädi-gende Reaktionen wie zum Beispiel zwischen Gips und reaktionsfähigen Bestandteilen aus hydraulischen Kal-ken und Zementen zum Treibmineral Ettringit müssen durch die Auswahl

Bild 4. Handverfugung mit FugenkelleFig. 4. Manual jointing with filling trowel

Bild 5. Tiefenverfugung mit Fugen-kartuscheFig. 5. Filling deep joints with jointing gun

Qualitätsprüfungen für Fugenmörtel

Eigenschaft Symbol Anforderung

Dynamischer E-Modul Edyn 20 – 60 %

Druckfestigkeit βD 20 – 60 %

Feuchtedehnung αHy 50 – 100 %

Wärmedehnkoeffizient αT 50 – 150 %

Wasseraufnahmekoeffizient w 50 – 100 %

Wasserdampfdiffusionswiderstandszahl μ 50 – 150 %

Haftzugfestigkeit βHZ 0,5 – 1,0 βHZ Gestein

Tabelle 1. Anforderungen für Fugenmörtel nach Snethlage [5]Table 1. Requirements for joint mortars acc. to Snethlage [5]

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technische, wirtschaftliche und opti-sche Aspekte getestet und bewertet werden – von der optimalen Ausräum-, Reinigungs- und Applikationstechnik bis zur gewünschten Oberflächenbe-arbeitung und den Nachbehandlungs-fristen. Darüber hinaus lassen sich der Material- und Zeitbedarf konkretisie-ren.

5 Fazit

Mit dem Bestand und den konkreten Objektbedingungen angepassten Fu-genmörteln und geeigneten Verfu-gungsverfahren kann beeinträchtigtes Natursteinmauerwerk fachgerecht sa-niert und konsolidiert werden. Das trägt maßgeblich zur Stabilität, Dauer-haftigkeit und dem Substanzerhalt der Natursteinmauerwerkkonstruktionen bei.

Literatur

[1] WTA-Merkblatt 3-12-99/D: Natur-steinrestaurierung nach WTA-IV: Fu-gen. Hrsg.: Wissenschaftlich-Technische Arbeitsgemeinschaft für Bauwerks-erhaltung und Denkmalpflege e.V. Dt. Fassung vom April 1999.

[2] Huster, U.: Standsicherheit von Natur-steinmauerwerk. WTA Schriftenreihe 2013, Heft 38, S. 55–76. Hrsg. A. Worch u. H. Twelmeier.

[3] Ashurst, J., Dimes, F. G.: Conserva-tion of building and decorative stone, Volume 2. Butterworth + Heinemann, London. 1. Ausgabe 1990.

[4] DIN 1053-1:1996-11: Mauerwerk –Teil 1: Berechnung und Ausführung. NABau im DIN, Berlin 1996. (wird der-zeit durch den Eurocode 6 abgelöst).

[5] Snethlage, R.: Leitfaden Steinkonser-vierung. 2. Überarb. und erw. Auflage, S. 122. Fraunhofer IRB Verlag, Stutt-gart 2005.

[6] WTA-Merkblatt 2-11-07 D: Gipsmör-tel im historischen Mauerwerksbau und an Außenfassaden. Hrsg.: Wissenschaft-lich-Technische Arbeitsgemeinschaft für Bauwerkserhaltung und Denkmalpflege e.V. Dt. Fassung vom 4. Mai 2007.

Bildquellen

Bild 1: Dr. Ulrich Huster, KasselBilder 2, 4 bis 6: Dr. Sylvia StürmerBild 7: GEBA mbH, Körner

Autor dieses Beitrages:Prof. Dr.-Ing. Sylvia Stürmer, HTWG Hoch-schule Konstanz, Fakultät Bauingenieurwesen, Brauneggerstraße 55, 78462 Konstanz, [email protected]

unter Druck zudosiert wird. Die Be-netzung bzw. das Vermischen von Trockenmörtel und Wasser erfolgen bei diesem Verfahren erst einige Zenti-meter vor dem Düsenausgang. Auf-grund der geringen Wasserzugabe zum Trockenmörtel wird das Schwindmaß reduziert, die Gefahr der Rissbildung minimiert und das Mauerwerk nicht unnötig durchfeuchtet. Durch den An-pressdruck wird eine sehr gute Flan-kenhaftung erzielt.

Das Trockenspritzverfahren eig-net sich für die steinsichtige Verfu-gung für Fugenbreiten ab ca. 2 cm bis 15 cm und Tiefen ab 3 cm bis ca. 20 cm ebenso wie für steinfühligen und stein-deckenden Verputz von Mauerwerk. Große Mauerwerksabschnitte können innerhalb kurzer Zeit verfugt und kon-solidiert werden. Das ist besonders wichtig bei Ingenieurbauwerken wie z. B. Brücken, wo die Zugänglichkeit für Handverfugung eingeschränkt ist und häufig nur begrenzte Zeiten zur Sperrung möglich sind.

Für regelmäßige Verbände mit kleinformatigen Mauersteinen und/oder schmalen Fugen, wie Quader-mauerwerk, ist diese Art der Verfu-gung aufgrund des großen Rückpral-les und der „Siebwirkung“ der schma-len Fugen weniger geeignet – wegen möglicher Anreicherungen des Binde-mittels und der Feinanteile mit der Gefahr der Überfestigung und Rissbil-dung.

4 Anlegen von Musterflächen

Für die detaillierte Maßnahme- und Kostenplanung sowie Entscheidungs-findung aller Baubeteiligten sind Mus-terflächen am Objekt mit den favori-sierten Mörteln und der ausgewählten Verarbeitungsweise zu empfehlen. An Musterflächen können wesentliche

Für einen langfristigen Witte-rungsschutz sollte die Fugenoberflä-che bündig mit der Steinflanke oder leicht „zurückgesetzt“ gestaltet wer-den. Bei hervor stehenden Fugen wer-den der Fugenmörtel, bei zurückge-setzten Fugen die Steinflanken durch Schlagregen, Frost und Erosion stär-ker beansprucht.

Die Oberflächenbearbeitung kann durch Glätten (mit Fugenkelle oder Schlauchabschnitt), Abziehen (z. B. mit der Schmalseite der Kelle oder Fu-genholz), Waschen oder Bürsten er-folgen.

Bei Fugensanierungen, wo sich der bestehende, falsche Fugenmörtel nicht mehr vollständig ohne Zerstö-rungen an den Natursteinen entfer-nen lässt oder bei vorstehenden Stein-quadern kann es notwendig werden, den Fugenmörtel an den Bestand an-zuböschen (Bild 6). Zum Erzielen eines optimalen Haftverbunds sind in die-sem Fall geringe Zusätze von Haftver-mittler zu den mineralischen Mörteln zu empfehlen (systemverträgliche Kunststoffzusätze).

Verfugung durch TrockenspritzenBei der Fugensanierung großer Flä-chen aus Bruchstein- und Schicht-mauerwerk mit breiten und tief ausge-witterten Fugen hat sich das Trocken-spritzen bewährt.

Dieses Verfahren der Betontech-nik wird seit den 20er Jahren des 20. Jh. auch für Verfugungen einge-setzt (Bild 7) und eignet sich beson-ders, wenn es um die Konsolidierung stabilitätsgefährdeten Mauerwerks geht.

Beim Trockenspritzen wird der Mörtel durch Druckluft (pneuma-tisch) trocken bis zur Spritzdüse ge-fördert, wo das Wasser über einen Wasserring mit mehreren Öffnungen

Bild 6. Anböschen an bestehende FugenFig. 6. Modelling new joint mortar in contact of existing mortar

Bild 7. Tiefenverfugung im Trocken-spritzverfahrenFig. 7. Filling deep joints with techni-cal spraying method