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Fall 8 - Lösung

ÜBERSICHT FALL 8

Ansprüche des S gegen K

I. Anspruch aus § 631 BGB

P: Unwirksamer Vertrag wegen § 134 BGB?

1. Beiderseitiger Verstoß (+)

2. SchwArbG Verbotsgesetz i.S.d. § 134 BGB ?

Sound: Erfordert der Verstoß ein „Durchschla-gen auf die zivilrechtl. Ebene“ ?

(+), da Schwarzarbeit generell verhindert werden soll; Schutz des Handwerks

Ergebnis: § 631 BGB (-) II. Anspruch aus §§ 677, 683, 670 i.V.m. § 1835 III

BGB analog?

1. BGH: Tatbestand (+), aber Aufwendungen nicht „erforderlich“ i.S.d. § 670 BGB

2. h.L.: GoA bei unwirksamem Vertrag (-), da

a) FGW fehlt (§ 687 I) und

b) mit GoA Wertung der §§ 814, 815, 817 S.2, und des § 818 III BGB umgangen wird

III. Anspruch aus § 817 S.1 BGB ?

1. Tatbestand (+)

2. Umfang gemäß §§ 818 II, III BGB

a) Objektiver Wert von Schwarzarbeit

aa. Weniger als bei ordnungsgemäßem Handwerk, weil §§ 633 ff. BGB (-)

bb. Tatsächlich „schwarz“ vereinbarte Summe grds. als Obergrenze (§ 242)

b) Entreicherung gemäß § 818 III BGB

Mangelhaftigkeit der Leistung bei § 818 III BGB zu berücksichtigen (Kritik: damit entsteht „Quasi-Mängelrecht“)

3. Ausschluss gemäß § 814 BGB?

(-), da auf § 817 S.1 nicht anwendbar

(-), da keine positive Rechtsfolgenkenntnis

4. Ausschluss gemäß § 817 S.2 BGB?

auch wenn Wortlaut zu bejahen ist, legt BGH die Norm restriktiv aus, wenn die „Strafe den Falschen trifft“, § 242 BGB

bei Schwarzarbeit strittig

a) BGH früher:

§ 817 S. 2 (-), da ungerechtes Vorleistungsrisiko des Schwarzarbeiters

b) BGH am 10.04.2014:

Die effektive Eindämmung der Schwarzarbeit erfordert die strikte Anwendung des § 817 S. 2 BGB

Ergebnis: S steht gegen K kein Anspruch aus § 817 S. 1 BGB zu!

IV. Anspruch aus § 812 I S.1, 1.Alt. BGB?

1. Tatbestand (+)

2. Umfang (§ 818 BGB) wie oben

3. Ausschluss gemäß § 817 S.2 BGB?

a) Gilt für alle Leistungskondiktionen

b) Nach neuer Rspr. des BGH keine Einschränkung über § 242 BGB

Ergebnis: S steht gegen K auch kein Anspruch aus § 812 I S. 1, Alt. 1 BGB zu!

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LÖSUNG FALL 8

I. Es könnte ein Anspruch aus § 631 BGB gegeben sein.

1. Unproblematisch handelt es sich um einen Werk-vertrag.

Geschuldet war nicht nur eine bestimmte Tätigkeit, sondern ein ganz bestimmter Arbeitserfolg, der auch mit den Regeln des Gewährleistungsrechts, die bei §§ 611 ff. BGB nicht existieren, messbar ist.

2. Fraglich ist aber, ob der Wirksamkeit der Parteiver-einbarungen der Aspekt des Verstoßes gegen das SchwArbG entgegensteht.

a) Klarzustellen ist zunächst, dass hier von beiden Parteien ein Verstoß gegen § 1 II Nr.4 SchwArbG, (keine Anmeldung des Gewerbebetriebs) sowie ge-gen § 1 II Nr.5 SchwArbG (keine Eintragung in die Handwerksrolle) vorliegt, weil Arbeiten in erhebli-chem Umfang übernommen werden und das übli-che Entgelt, welches bei Zuziehung eines Hand-werkermeisters anfällt, eingespart werden soll. Au-ßerdem wollen die Parteien durch die „bar auf die Hand“-Abrede wohl auch gegen Ihre steuerlichen Pflichten verstoßen, § 1 II Nr. 2 SchwArbG (Rech-nungsstellung, Umsatzsteuerabführung).

Hier haben auch beide Vertragsparteien bewusst gegen dieses Gesetz verstoßen (vgl. § 10 OWiG).

Anmerkung: Ein Werkvertrag, durch den lediglich der Unternehmer gegen das SchwArbG verstößt, ist nicht gemäß § 134 BGB nichtig, wenn der Be-steller des Gesetzesverstoß des Vertragspartners nicht kennt.1

b) Fraglich ist, ob dies tatsächlich zur Unwirksamkeit des geschlossenen Vertrages nach § 134 BGB führt.

Nach § 134 BGB ist ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

Das Verbot muss im Gesetz nicht ausdrücklich ausgesprochen sein. Es genügt, dass es im Gesetz zum Ausdruck kommt und durch Auslegung zu ermitteln ist.2

Verbotsgesetze betreffen Rechtsgeschäfte, die der Betroffene zwar vornehmen kann, aber nicht vor-nehmen darf. Sie stellen also eine Beschränkung des rechtlichen Dürfens dar.

1 OLG Düsseldorf, IBR 2009, Heft 5, 254. 2 BGHZ 51, 262 = jurisbyhemmer.

Anmerkung: Verfügungsverbote sind dagegen kei-ne Verbotsgesetze i.S.d. § 134 BGB, da die meisten Verfügungsverbote durch guten Glauben überwun-den werden können, vgl. §§ 135 II, 2113 III, 2211 II BGB. Auch die Verfügungsverbote der §§ 1365, 1369 BGB, die nicht durch guten Glauben über-wunden werden können, stellen keine Verbotsgeset-ze i.S.d. § 134 BGB dar. Dies folgt bereits aus der spezialgesetzlich angeordneten Rechtsfolge der le-diglich schwebenden Unwirksamkeit verbotswidrig vorgenommener Rechtsgeschäfte, vgl. § 1366 BGB (ggf. i.V.m. § 1369 III BGB).

Nach § 134 BGB ist ein Rechtsgeschäft wegen eines Gesetzesverstoßes nur dann nichtig, „wenn sich aus der Verbotsnorm nicht ein anderes ergibt“. Ob bei einem Gesetzesverstoß die Rechtsfolge der Nich-tigkeit des Geschäfts eingreift, lässt sich dem Wort-laut des Verbotsgesetzes regelmäßig nicht entneh-men, sondern muss durch Auslegung nach Sinn und Zweck der einzelnen Gesetzesvorschrift ermit-telt werden. Der Gesetzeszweck muss danach ver-langen, dass der „zivilrechtliche Erfolg“ des Rechtsgeschäfts nicht gewollt ist (sog. „Durch-schlagen auf die zivilrechtliche Ebene“).

Sofern sich die Verbotsnorm gegen beide Parteien richtet, tritt die Nichtigkeitsfolge des § 134 BGB zum Schutz des redlichen Vertragspartners aber nur bei einem beiderseitigen Verstoß gegen das Ver-botsgesetz ein.

Im vorliegenden Fall geht es um den Klassiker des Verstoßes gegen das Schwarzarbeitergesetz. Nach § 1 II SchwarzArbG leistet Schwarzarbeit, wer Dienst- oder Werkleistungen erbringt oder aus-führen lässt und dabei

als Arbeitgeber seine sozialversicherungsrechtli-chen Melde-, Beitrags- oder Aufzeichnungspflich-ten (Nr. 1) bzw. als Empfänger von Sozialleistun-gen seine Mitteilungspflichten gegenüber dem So-zialleistungsträger nicht erfüllt (Nr. 3),

als Erbringer von Dienst- oder Werkleistungen den Beginn seines selbstständigen Betriebes nach der Gewerbeordnung nicht angezeigt hat (Nr. 4) oder ein zulassungspflichtiges Handwerk als ste-hendes Gewerbe selbstständig betreibt, ohne in der Handwerksrolle eingetragen zu sein (Nr. 5) bzw.

wer als Steuerpflichtiger seine steuerlichen Pflichten nicht erfüllt (Nr. 2).

Nach gefestigter Rechtsprechung des BGH führt der beiderseitige Verstoß gegen § 1 II Nr. 1, 3, 4 und 5 SchwarzArbG zur Nichtigkeit nach § 134 BGB.3 Dass das SchwarzArbG keine ausdrückli-chen Verbote enthält, ist nach Ansicht des BGH un-schädlich.

3 BGHZ 85, 39, 44 = jurisbyhemmer.

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Das Gesetz definiert in § 1 II SchwarzArbG den Begriff der Schwarzarbeit und regelt in § 8 SchwarzArbG bestimmte Ordnungswidrigkeitstat-bestände.

Das Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit richtet sich sowohl an den Handwerker („er-bringt“) als auch an den Auftraggeber („ausfüh-ren lässt“). Sinn und Zweck des Gesetzes sprechen dafür, das Schwarzarbeitergesetz als Verbotsgesetz und ein gegen das Gesetz verstoßendes Rechtsge-schäft gemäß § 134 BGB als nichtig anzusehen, weil nur so das Ziel, Schwarzarbeit tatsächlich zu verhindern, erreicht werden kann. Das Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit will Schwarzarbeit also schlechthin verbieten und den Leistungsaus-tausch zwischen den „Vertragspartnern“ verhin-dern.4

Ebenso werden die Fälle beurteilt, in denen der Auftraggeber zwar nicht selbst verbotswidrig han-delt, aber den Gesetzesverstoß des Vertragspartners kennt und diesen bewusst zum eigenen Vorteil aus-nutzt.5

Aus dieser Zielrichtung und der sowohl für den Auftraggeber, wie auch für den Auftragnehmer vorgesehenen Geldbuße (§§ 8 I Nr. 1 d) und e) und § 8 I Nr. 2 SchwArbG) ist zu entnehmen, dass Ver-träge, durch die beide Vertragspartner gegen § 1 II Nr.4 SchwArbG, (keine Anmeldung des Gewerbe-betriebs) sowie gegen § 1 II Nr.5 SchwArbG (keine Eintragung in die Handwerksrolle) verstoßen, ge-mäß § 134 BGB nichtig sind.

Durch die Neufassung des Gesetzes wurde mit Wirkung zum 01.08.2004 als weiterer Tatbestand der Schwarzarbeit die Steuerhinterziehung defi-niert.

Nach § 1 II Nr. 2 SchwarzArbG „leistet“ nunmehr auch derjenige Schwarzarbeit, der Dienst- oder Werkleistungen „erbringt oder ausführen lässt“, wenn dabei von einem Steuerpflichtigen eine sich aufgrund der Dienst- oder Werkleistungen erge-bende steuerliche Pflicht nicht erfüllt wird.

Anmerkung: Vor der Änderung des SchwarzArbG mit Wirkung zum 01.08.2004 war die Nichtabfüh-rung der Steuer kein Fall der Schwarzarbeit, son-dern „lediglich“ eine Steuerhinterziehung nach § 370 AO. Wurde in einem Vertrag mit dem Auf-traggeber vereinbart, dass das Honorar „schwarz“, das heißt ohne Rechnungsstellung, be-zahlt werden solle, so hatte nach ständiger Recht-sprechung diese Steuerhinterziehungsabrede auf die Wirksamkeit des Vertrags keinen Einfluss.

4 BGHZ 111, 308, 311 = jurisbyhemmer. 5 BGHZ 89, 369, 375 = jurisbyhemmer; BGH,

BauR 1985, 197, 198 = jurisbyhemmer; BGH, NZBau 2002, 149 = jurisbyhemmer.

1. Gemäß § 134 BGB nichtig war nur die der Steu-erhinterziehung dienende „Ohne-Rechnung-Abrede“. a) Damit ist ein Teil des Vertrags nichtig und der Anwendungsbereich von § 139 BGB eröffnet. Nach dieser Vorschrift ist bei Nichtigkeit eines Teils eines Vertrags der gesamte Vertrag nichtig, wenn nicht anzunehmen ist, dass er auch ohne den nichtigen Teil geschlossen worden wäre. Ob diese Vorausset-zungen vorliegen, also die Vermutung der Gesamt-nichtigkeit durch einen entgegenstehenden (hypo-thetischen) Parteiwillen entkräftet wird, ist jeweils anhand der Umstände des Einzelfalls zu prüfen. b) Aber selbst wenn nach § 139 BGB die Gesamt-nichtigkeit des Vertrags bejaht werden sollte, konn-te sich der Bauunternehmer nach Erbringung der Bauleistung nach Treu und Glauben nicht auf eine etwaige Nichtigkeit des Vertrags berufen, § 242 BGB. 2. Durch die Gesetzesänderung wurde nun die Steuerhinterziehung zu einer Fallgruppe der Schwarzarbeit, vgl. § 1 II Nr. 2 SchwarzArbG. Ob sich an der bislang gefestigten Rechtsprechung, dass allein die Steuerhinterziehungsabrede nicht zur Nichtigkeit des Vertrags führt, künftig etwas ändert, war seitdem umstritten. a) Nach einer in der Literatur vertretenen Ansicht hat sich durch die Aufnahme des bislang nur in § 370 AO geregelten Steuerhinterziehungstatbe-standes in das SchwarzArbG an der bisherigen Rechtslage nichts geändert.6

b) Nach Ansicht des BGH stellt der neue Tatbe-stand des § 1 II Nr. 2 SchwarzArbG ein Verbotsge-setz dar.7

aa) Der Gesetzgeber hat den Tatbestand der Ver-letzung steuerlicher Pflichten ausdrücklich zur Be-schreibung einer Form der Schwarzarbeit einge-führt, weil diese in Zusammenhang mit Schwarzar-beit regelmäßig in der Absicht verletzt werden, Steuern zu hinterziehen. Mit der Regelung wurde bewusst auch der Auftraggeber erfasst, der die Schwarzarbeit erst ermöglicht oder unterstützt, da ohne ihn die Schwarzarbeit gar nicht vorkommen würde.

bb) Erklärtes Ziel war es daher, die „Ohne-Rechnung-Geschäfte“ zu verhindern. Dem ent-spricht es, die Nichtigkeitsfolge aus dem Schwarz-arbeitsbekämpfungsgesetz schon dann eintreten zu lassen, wenn der Besteller von den entsprechenden Verstößen des Unternehmers weiß und sie bewusst zu seinem Vorteil ausnutzt.

6 Jooß, JR 2009, 397, 398. 7 BGH, Life&Law 2013, Heft 10, 715 ff. = DB 2013,

2023 ff. = jurisbyhemmer.

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cc) Der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB), den der BGH bislang zu Mängelan-sprüchen aus einem Bauvertrag, der eine „Ohne-Rechnung-Abrede“ enthält, zugelassen hat, greift nicht mehr.

(1) Dieser Einwand konnte nur die unter bestimm-ten Voraussetzungen aus § 139 BGB folgende Nichtigkeit des Gesamtvertrags aufgrund einer Nichtigkeit der „Ohne-Rechnung-Abrede“ über-winden.

(2) Diese Rechtsprechung gilt aber nicht in dem Fall, in dem ein Verstoß gegen das Gesetz zur Be-kämpfung der Schwarzarbeit in Rede steht. Die Schaffung des Schwarzarbeitstatbestandes des § 1 II Nr. 2 SchwarzArbG führt - wie dargelegt - dazu, dass die Verstöße gegen steuerrechtliche Pflichten bereits ohne weiteres zur Nichtigkeit des gesamten zugrunde liegenden Werkvertrags führen. Eine isolierte Prüfung nur der „Ohne-Rechnung-Abrede“ erfolgt nicht mehr.

Lesen Sie dazu BGH, Life&Law 10/2013, 715 ff. = DB 2013, 2023 ff. = jurisbyhemmer!8

Ergebnis: Aus dem Schutzzweck des Schwarzar-beitergesetzes (Schutz des Handwerks) ergibt sich daher, dass es grundsätzlich als Verbotsgesetz ge-wertet werden muss, das auch das Rechtsgeschäft selbst ergreift9. Ein Anspruch auf Bezahlung des Werklohnes gem. § 631 I BGB kommt daher nicht Betracht.

Anmerkung: Anders ist dies zwar, wenn es sich nur um einen einseitigen Verstoß des Handwerkers selbst handelt, der gemäß § 10 OWiG erforderliche Vorsatz also beim Auftraggeber fehlt.10 In diesem Fall wäre die Anwendung des § 134 BGB völlig in-teressenwidrig und auch mit den Intentionen des Gesetzgebers nicht in Einklang zu bringen.

Das SchwArbG verfolgt in erster Linie nicht den Schutz eines oder beider Vertragspartner, vielmehr vor allem öffentliche Belange. Sekundär soll auch der Auftraggeber geschützt werden, weil er bei feh-lerhafter Werkleistung keine Ansprüche haben würde. Die einseitige Zuwiderhandlung des Auf-tragnehmers führt also nicht zur Nichtigkeit des Werkvertrages. Vielmehr gebieten es gerade die In-tentionen des gesetzestreuen Auftraggebers, ihm seine Erfüllungs- und Gewährleistungsansprüche zu belassen und ihn nicht auf unzureichende Er-satzansprüche zu verweisen.

8 Dem BGH zustimmend Lorenz, NJW 2013, 3132 ff. 9 BGHZ 53, 152; 78, 269; NJW 1990, 2542; PALANDT,

§ 134 BGB, Rn. 22 10 OLG Düsseldorf, IBR 2009, Heft 5, 254; PALANDT,

§ 134 BGB, Rn. 22; BGHZ 89, 369.

II. Stattdessen könnte aber ein Anspruch aus G.o.A. gem. §§ 677, 683, 670 i.V.m. 1835 III BGB ana-log gegeben sein.

1. Eine Geschäftsführung i.S.d. § 677 BGB ist un-problematisch gegeben.

Hierunter versteht man jede Tätigkeit, egal ob durch Rechtsgeschäft oder Realakt, die Gegenstand eines Dienst-, Werkvertrages oder Auftrages sein kann.

2. S handelte ohne Auftrag oder sonstige Berechti-gung, denn der Werkvertrag mit K war nichtig.

3. Der handelnde S müsste ein fremdes Geschäft, also eines des K getätigt haben. Das ausgeführte Geschäft muss zum Rechtskreis des anderen gehö-ren, wobei eine bloß mittelbare Beziehung nicht ausreicht.

Die Werkleistungen des S gehörten rein objektiv zumindest auch zum Rechtskreis des K, denn sie betrafen sein Grundstückseigentum. Da S wegen der vermeintlichen Vertragserfüllung auch im eige-nen Interesse handelte, liegt ein sog. „auch-fremdes“ Geschäft vor.

4. Erforderlich ist weiterhin ein Fremdgeschäftsfüh-rungswille des S.

Der Fremdgeschäftsführungswille ist ein allg. an-erkanntes subjektives Tatbestandsmerkmal. Es ergibt sich zum einen aus dem Wortlaut des § 677 BGB selbst („für einen anderen“), zum anderen im Umkehrschluss aus § 687 I BGB.

Dort zeigt das Gesetz ganz klar, dass neben einer objektiven Betrachtung der Fremdheit auch subjek-tive Momente von Bedeutung sein müssen. Frag-lich ist, ob S einen solchen Fremdgeschäftsfüh-rungswillen hatte. Hier wurde S mit dem Willen tä-tig, seine eigene vermeintliche Verpflichtung aus Vertrag zu erfüllen.

a) Nach BGH wird der Wille, ein fremdes Geschäft mitzubesorgen, (widerlegbar) vermutet, wenn es sich um ein „auch-fremdes“ Geschäft handelt.

Nach BGH liegt ein Fremdgeschäftsführungswille des S hier mithin vor, da dem auch die Tatsache nicht entgegenstehe, dass er sich aufgrund Vertra-ges selbst für verpflichtet hielt.

b) Hiergegen wendet sich die wohl h.M. in der Li-teratur, die bei Leistungen aufgrund nichtigen Ver-trages die §§ 677 ff. BGB ablehnen und stattdessen Bereicherungsrecht anwenden will.

Nach dieser Meinung weitet der BGH die G.o.A. zu einem gefährlich weiten Mittel des Lastenaus-gleichs aus Billigkeitsgründen aus; sein Lösungs-weg sei daher in solchen Fällen abzulehnen.

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V.a. würden damit die Beschränkungen der §§ 814, 815 BGB, evtl. auch § 817 S.2 BGB umgangen11.

Wenn der Geschäftsführer das Geschäft nur aus-führt, um eine vermeintliche eigene Verpflichtung zu erfüllen, so bleibe kein Raum mehr für einen Fremdgeschäftsführungswillen; die Vermutung aus dem objektiv „auch-fremden“ Geschäft sei dann widerlegt.

Sofern also der Geschäftsführer glaubt, ein nur ei-genes Geschäft zu führen - was bei nichtigem Ver-trag regelmäßig der Fall ist - so liegt eine Eigen-geschäftsführung gemäß § 687 I BGB vor, welche die §§ 677 ff. BGB ausschließt12.

Andere stimmen dem BGH insoweit zwar zu, wol-len stattdessen aber die Regeln der Leistungs-kondiktion als spezielle Rückabwicklungsvor-schriften ansehen, die den §§ 677 ff. BGB dann - ähnlich wie bei fehlerhafter Gesellschaft oder fakti-schem Arbeitsvertrag - vorgehen sollen13.

c) Richtigerweise ist hier mit der h.L. der Fremd-geschäftsführungswille abzulehnen.

Zuzustimmen ist noch der grds. Aussage des BGH, dass allein eine irgendwie geartete eigene Pflicht des Handelnden noch nicht unbedingt einem sol-chen Willen, auch für einen anderen handeln zu wollen, entgegenstehen muss. Andernfalls könnte etwa der (nicht professionelle) Nothelfer am Un-fallort, wohl einer der eindeutigsten G.o.A.-Fallgruppen, nicht im Rahmen der G.o.A. handeln, da er selbst gemäß § 323c StGB verpflichtet ist.

Richtigerweise kann sich der Fremdgeschäfts-führungswille aber nicht allein darin erschöpfen, dass der Handelnde weiß, dass es um eine fremde Sache geht. Stattdessen könnte man den Fremd-geschäftsführungswillen bezeichnen als die Moti-vation der Handlung; diese muss aus einem frem-den Interessenkreis resultieren. Der Geschäftsfüh-rer muss - was sich aus § 687 II BGB ergibt - das Geschäft als fremdes führen wollen14.

Im Falle unerkannt nichtiger Verträge kann man dann folgendermaßen argumentieren:

Wenn jemand an die eigene vertragliche Verpflich-tung glaubt, wird dies subjektiv nicht neben die Erkenntnis gesetzt, dass es bei den vorgenom-menen Handlungen eigentlich ja um das Haus oder den Pkw des anderen geht.

Vielmehr ist die Erfüllung des - vermeintlichen - eigenen Vertrages dann alleinige Motivation des Ausführenden; der Rest interessiert ihn praktisch nicht. Man könnte sagen, dass das Wissen darum,

11 vgl. MEDICUS, BR, Rn. 412 12 vgl. MEDICUS, BR, Rn. 410 ff. 13 so MÜKO, § 677 BGB, Rn. 42 14 vgl. etwa SCHWARK, JuS 1984, 322 m.w.N.

dass es um eine fremde Sache geht, dann von die-ser eindeutig im Vordergrund stehenden Motivation überlagert wird.

Damit ist hier das Vorliegen einer (berechtigten wie unberechtigten) G.o.A. abzulehnen.15

Anmerkung: In den letzten Jahren befindet sich der BGH mit seiner ausufernden Bejahung der GoA beim sog. „auch-fremden-Geschäft“ erkenn-bar auf dem Rückzug. Ob der BGH den Schwarz-arbeiterfall heute auch noch so entscheiden würde, erscheint angesichts der Entwicklung der Recht-sprechung in den letzten Jahren zumindest als frag-lich. Lesen Sie hierzu Tyroller, Die Konkurrenzen im Zivilrecht Teil V: Das Verhältnis der GoA beim „auch fremden Geschäft“ zu anderen Anspruchs-grundlagen, Life&Law 2013, Heft 3, .214 ff.

III. Weiterhin könnte ein bereicherungsrechtlicher An-spruch aus § 817 S.1 BGB gegeben sein.

1. Der Tatbestand dieser Anspruchsgrundlage ist ge-geben:16

a) Der Besteller K hat „etwas erlangt“, nämlich die sich aus der Arbeitsleistung des S ergebenden Vermögensvorteile.

Die Tatsache, dass er Aufwendungen erspart hat, ist kein eigenständiger Bereicherungsgegenstand, sondern erst im Rahmen von §§ 818 II, III BGB von Bedeutung.

15 Auch in den „Schwarzarbeiterfällen“ bejaht der BGH das

grds. Vorliegen einer G.o.A.. Abgelehnt wird der An-spruch dann aber über den Wortlaut des § 670 BGB: Da es sich um eine verbotene Tätigkeit handele, hätte der Schwarzarbeiter seine Aufwendungen nicht für erfor-derlich halten dürfen (vgl. zuletzt etwa BGHZ 111, 308 = NJW 1990, 2542). Konkret heißt das, dass der BGH den Tatbestand der G.o.A. also offenbar annehmen und nur die Rechtsfolgen ablehnen will. Anschließend prüft und bejaht er bereicherungsrechtliche Ansprüche aus § 812 bzw. § 817 S.1 BGB.

Damit kommt er u.a. in Schwierigkeiten mit der anson-sten eigentlich allg. anerkannten Aussage, dass die „ech-te“ G.o.A. Rechtsgrund i.S.d. § 812 BGB ist. Denn es gehört doch zum allg. Wesen von Konkurrenzen, dass die verdrängende Wirkung Folge des tatbestandlichen Vorliegens eines Regelungskomplexes ist und sich nicht darauf bezieht, ob und wie weit nun im konkreten Ein-zelfall die Rechtsfolge (der Zahlungsanspruch) aus der vorrangigen Regelung besteht! Gerade wenn dieser in-folge des Fehlens anderer Voraussetzungen entfällt, ent-faltet eine Konkurrenz erst richtig ihre Wirkung. Der BGH hätte in den „Schwarzarbeiterfällen“ daher - wenn er seine eigene Rechtsprechung konsequent zu Ende ge-dacht hätte - § 812 I S.1, 1.Alt. BGB nicht bejahen dür-fen (vgl. GOLD, JA 1994, 205; Kern, JuS 1993, 193 [194]).

16 Zur Systematik des § 817 S.1 BGB siehe ausführlich HEMMER/WÜST, Bereicherungsrecht, Rn. 300 ff.

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b) Es liegt eine Leistung des Werkunternehmers als Anspruchsteller an den Besteller vor, da ersterer durch seine Tätigkeit bewusst das Vermögen des Bestellers gemehrt hat.

c) Durch die Entgegennahme dieser Werkleistung hat zumindest auch der Besteller als Empfänger ge-gen das Gesetz verstoßen (s.o.).17

2. Anspruchsumfang:

a) Da die Leistungen in natura nicht mehr herausge-geben werden können, ist gemäß § 818 II BGB grds. deren objektiver Wert zu ersetzen.

Dabei ist - wie gezeigt - auf den objektiven Wert gerade von Schwarzarbeit abzustellen.

Anmerkung: Das Kammergericht Berlin lässt Ab-schläge bei aufgetretenen Mängeln bis zu 20% vom üblichen Handwerkerlohn zu.18 Das OLG Düssel-dorf hat bei noch nicht aufgetretenen Mängel einen Abschlag von mindestens 15% angenommen.19

Andererseits ist der tatsächlich vereinbarte Stun-denlohn als Obergrenze anzusetzen, was sich dann auswirkt, wenn der S einen geringeren Lohn ver-einbart hatte als dies bei vergleichbaren Schwarzar-beitern üblich ist.

Würde der S über § 818 II BGB mehr fordern, so würde er sich mit seinem eigenen früheren Verhal-ten in Widerspruch setzen, also rechtsmissbräuch-lich handeln (§ 242 BGB).

b) Da davon ausgegangen werden kann, dass der K die Renovierung seines Hauses ohnehin vornehmen wollte, hat er anderweitige Aufwendungen erspart, ist also insoweit nicht entreichert i.S.d. § 818 III BGB.

c) Fraglich ist, ob als Entreicherung nach § 818 III BGB ein Abzug wegen aufgetretener Mängel der Tätigkeit vorzunehmen ist.

Als bedenklich könnte man insoweit ansehen, dass dies als eine Art „Quasi-Gewährleistungsanspruch“ angesehen werden könnte.

Hierdurch würde die Abwicklung des nichtigen Vertrages so sehr derjenigen bei einem wirksamen Vertrag angenähert, dass die Auswirkungen der Nichtigkeit nach § 134 BGB zu gering sind.

17 Gegenbeispiel: Beim sittenwidrigen Ratenkredit etwa ist

§ 817 S.1 nicht anwendbar, weil nur der Leistende (die Bank) gegen die guten Sitten verstieß. Zu den genauen Auswirkungen siehe HEMMER/WÜST, Bereiche-rungsrecht, Rn. 304 und Rn. 452 f. sowie im Hauptkurs Bereicherungsrecht.

18 KG, IBR 2007, 182. 19 OLG Düsseldorf, IBR 1993, 278.

Immerhin soll mit der Nichtigkeit u.a. gerade die Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen (§§ 633 ff. BGB) verhindert werden.20

Andererseits ist entscheidender Gedanke der Nich-tigkeit, dass es nicht möglich sein soll, den Schwarzarbeiter über Mängelrecht zu weiterer Tä-tigkeit zu zwingen (§§ 634 Nr. 1, 635 BGB. Nach-erfüllung in Form von Nachbesserung oder Her-stellung eines neuen Werkes); diese Gefahr aber droht bei § 818 III BGB nicht, da es nur zum Ab-zug von Geldbeträgen kommt.

d) Ob der Entreicherungseinwand zu befürworten ist, könnte aber dahinstehen, wenn der Bereicherungs-anspruch ohnehin ausgeschlossen wäre.

3. Der Anspruch ist nicht durch den Ausschlusstatbe-stand des § 814 BGB ausgeschlossen.

a) Zum einen ist diese Vorschrift nicht auf die Kondi-ktion nach § 817 S.1 BGB anwendbar.

b) Außerdem ist die Kenntnis nur der Tatsachen, die zu dieser Nichtigkeit führen, nicht ausreichend.

Dieser fordert nämlich positive Kenntnis der Rechtslage, also der Nichtigkeit des Vertrages selbst, für die nichts ersichtlich war.

Anmerkung: Zwar ist es allgemein bekannt, dass Schwarzarbeit verboten ist. Die positive Rechtsfol-ge der Nichtigkeit des Vertrages beim juristischen Laien aber sicher nicht.

Die zivilrechtlichen Auswirkungen der Schwarzar-beit sind Laien i.d.R. nicht bekannt.

4. Fraglich ist allerdings, ob der Bereicherungsan-spruch durch den Ausschlusstatbestand des § 817 S.2 BGB entfällt, da auch dem Leistenden S ein Verstoß gegen das SchwArbG und damit gegen § 134 BGB zur Last fällt.

b) Dennoch ist höchst umstritten, ob die Vorschrift im vorliegenden Fall anzuwenden ist.

Fraglich ist nämlich, ob § 817 S.2 restriktiv auszu-legen ist, mit der Folge, dass im Ergebnis der Zah-lungsanspruch besteht.21

20 Dieser Gesetzeszweck verbietet es auch, dem Besteller

gegen den Werkunternehmer Ansprüche (etwa aus c.i.c.) wegen Schlechterfüllung zuzubilligen; denn auch dies wäre eine Art "Quasi-Gewährleistungsanspruch".

Kommt allerdings eine weiter gehende Pflichtverletzung des Schwarzarbeiters hinzu (etwa: es wird gestohlenes Material eingesetzt), so kann diese Pflichtverletzung durchaus zu Ansprüchen aus c.i.c. oder § 823 II BGB führen.

Aus § 819 II i.V.m. §§ 818 IV, 292, 989 BGB ergibt sich nichts anderes, da ein Schaden i.S.d. § 989 BGB nicht entstanden ist.

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aa) Zunächst hat der BGH22 und ein Teil der Litera-tur23 die Anwendung des § 817 S.2 BGB abge-lehnt. Dem Besteller des Werkes als Kondiktions-gegner wird über eine auf § 242 BGB aufgebaute Restriktion der Vorschrift die Berufung auf § 817 S.2 BGB versagt.24

Die Bereicherungsansprüche gehören dem Billig-keitsrecht an und stehen daher in besonderem Ma-ße unter den Grundsätzen von Treu und Glauben.

Für den Fall, in dem der Werkunternehmer für sei-ne rechtsgrundlos erbrachte Werkleistung Geld fordert wird argumentiert, dass § 817 S.2 BGB we-gen § 242 BGB nicht eine Vermögensverschiebung als endgültig aufrechterhalten soll, die das Schwarzarbeitergesetz gerade verhindern will.

Im vorliegenden Fall - der Schwarzarbeiter hat vorgeleistet und verlangt erst noch seinen Lohn – wird ebenfalls argumentiert, dass es unbillig sei, die negativen Folgen des beiderseitigen Sittenver-stoßes allein dem Schwarzarbeiter selbst zur Last fallen zu lassen.

Dies aber wäre, wenn der Schwarzarbeiter vorge-leistet hat, die logische Folge. Bei der Frage, ob das den Gläubiger hart treffende Rückforderungs-verbot des § 817 S.2 BGB angewendet werden könne, könne nicht außer Betracht bleiben, welche Zwecke das in Frage stehende Verbotsgesetz ver-folgt. Das Gesetz wurde bewusst als Verbotsgesetz i.S.d. § 134 BGB ausgestaltet, weil sich nur durch die Nichtigkeit der verbotenen Geschäfte die ver-folgten Zwecke erreichen ließen (s.o.).

Mit dem Ausschluss vertraglicher Ansprüche sei aber andererseits auch der vor allem ordnungspoli-tischen Zielsetzung des Gesetzes weitgehend Ge-nüge getan.

Dass der Besteller von Schwarzarbeit die Leistung auf Kosten des vorleistenden Schwarzarbeiters soll behalten dürfen, sei zur Durchsetzung der Ziele des Gesetzes „nicht unabweislich geboten“. Die ge-wünschte generalpräventive Wirkung werde bereits entfaltet durch den Ausschluss vertraglicher An-sprüche, verbunden mit der Gefahr einer Straf-

21 Auch wenn von einem Klausurbearbeiter natürlich nicht

der nun folgende Tiefgang erwartet werden kann, so muss an Umfang und Qualität der Argumentation doch zumindest deutlich werden, dass die nun folgende Prob-lematik einer der Schwerpunkte des Falles ist.

22 BGH Life&Law 2006, 303 ff. = NJW 2006, 45 ff.; OLG Hamburg, IBR 2011, 67.

23 PALANDT, § 817 BGB, Rn. 18. 24 Der Ausdruck „wird die Berufung auf .... versagt“ (häu-

fige BGH-Formulierung) ist nicht im Sinne von aus-drücklicher Geltendmachung im Prozess zu verstehen, da es sich hier nicht um eine Einrede handelt, sondern um eine v.A.w. zu beachtende Einwendung.

verfolgung und der Nachzahlung von Steuern und Sozialabgaben im Falle des Bekanntwerdens.

Die Gewährung eines bereicherungsrechtlichen Anspruches stehe dieser generalpräventiven Wir-kung nicht entgegen. Nach der Vorstellung des Ge-setzgeber sollte der meist wirtschaftlich stärkere Auftraggeber zudem keinesfalls günstiger behan-delt werden als der wirtschaftlich schwächere Schwarzarbeiter.

bb) Diese Rechtsprechung wurde von einem Großteil der Rechtsprechung25 und Literatur26 kritisiert.

Es wird geltend gemacht, dass die Rückabwicklung jedenfalls bei beiderseitigem Verstoß gegen das Schwarzarbeitergesetz dem Gesetzeszweck eher schade. Das Gesetz solle verhindern, dass der Schwarzarbeiter wie ein ordentlicher Handwerker entlohnt wird. Der Schwarzarbeiter würde so aber wegen § 818 II BGB über den Wertersatz wie beim wirksamen Vertrag sein Entgelt erhalten und das, obwohl er - wegen Unwirksamkeit des Vertrages - keinen Gewährleistungsansprüchen ausgesetzt ist.

Die Zubilligung eines Bereicherungsanspruches würde der Missbilligung der Schwarzarbeit, die der Gesetzgeber durch die verschiedenen Tatbestände im Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz zum Aus-druck gebracht hat, widersprechen. Sie würde der Schwarzarbeit einen Teil ihres Risikos nehmen, in-dem der Anbieter trotz des Gesetzesverstoßes die Hilfe staatlicher Gerichte in Anspruch nehmen könnte, um eine Gegenleistung durchzusetzen. Der Abschreckungseffekt, der durch die Kombination öffentlich-rechtlicher und zivilrechtlicher Sanktio-nen erreicht werden kann, würde so minimiert.

Auf der anderen Seite ist der mögliche Vorteil des Auftraggebers kein ausreichender Grund, um die im Gesetz angelegte Sanktionierung des Gesetzes-verstoßes aufzugeben und muss in Kauf genommen werden, um die Sanktionierungswirkung zu errei-chen. Es hängt ohnehin von Zufall ab, welche der Parteien einen Vorteil aus der Störung der Leis-tungsbeziehung zieht. Das Risiko trägt nämlich derjenige, der vorleistet. Dass Auftraggeber in nen-nenswerter Zahl den Ausschluss des Bereiche-rungsanspruches ausnutzen, ist nicht zu erwarten. Dem scheinbaren Vorteil der Ersparnis von Auf-wendungen stehen nämlich gravierende Nachteile entgegen, namentlich der Verlust jeglicher Ansprü-che gegen den Leistenden. So steht dem Auftrag-geber bei einem wegen Verstoßes gegen das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz nichtigen Werkvertrag kein Mangelgewährleistungsanspruch zu.

25 OLG Köln, NJW 1990, 917; OLG Koblenz, DB 1975,

2125; OLG Schleswig, MDR 2013, 1399 ff. = ju-risbyhemmer.

26 TIEDTKE, NJW 1983, 713.

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Nicht zuletzt führt die Zubilligung eines Bereiche-rungsanspruches zu Wertungsschwierigkeiten bei der Bestimmung der Höhe. Dem Leistenden soll Wertersatz nach § 818 II BGB in Höhe der erspar-ten Aufwendungen des Empfängers abzüglich des Minderwerts bekannter Mängel und eines Abschla-ges für weitere Nachteile wie des Verlustes des Mangelgewährleistungsrecht, begrenzt durch den vereinbarten Werklohn zustehen.27 Wie hoch diese Abschläge konkret auszufallen haben, ist zweifel-haft. Je nach der Höhe der Differenz des Werklohns mit und ohne Schwarzgeldabrede kann der Werter-satz in der Nähe des vereinbarten Werklohns lie-gen, was den Anbieter von Schwarzarbeit wiede-rum unbillig begünstigt und den Abschreckungsef-fekt minimiert. Es kommt hinzu, dass hinsichtlich anderer Verbotsgesetze der Ausschluss des Berei-cherungsanspruches anerkannt ist, obwohl der Leistungsempfänger eine verwertbare Leistung empfangen hat.28

dd) Mit Urteil vom 10.04.2014 hat sich der BGH die-ser Argumentation angeschlossen.29

Die Durchsetzung der vom Gesetzgeber mit dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz verfolgten Zie-le, die Schwarzarbeit effektiv einzudämmen, erfor-dert eine strikte Anwendung dieser Vorschrift.

Entgegen der früheren Rechtsprechung hat sich die gewünschte generalpräventive Wirkung nicht be-wahrheitet. Es wurden trotz der Androhung von Strafverfolgung weiterhin in erheblichem Umfang handwerkliche Leistungen in Schwarzarbeit er-bracht. Die Schwarzarbeit hat in Deutschland ein alarmierendes Niveau erreicht. Sie ist kein Kava-liersdelikt, sondern handfeste Wirtschaftskriminali-tät, die dem Gemeinwesen schweren Schaden zu-fügt.

Eine einschränkende Auslegung des § 817 S. 2 BGB ist nach Treu und Glauben auch nicht deshalb geboten, weil der selbst gegen das Gesetz versto-ßende oder an dem Gesetzesverstoß mitwirkende Besteller die erlangte Leistung unter Umständen ohne jegliche Gegenleistung würde behalten kön-nen. In einem solchen Fall erfolgt zwischen den Parteien kein Wertausgleich. Wer bewusst gegen das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz verstößt, soll nach der Intention des Gesetzgebers schutzlos

27 BGH 111, 308, 314 = jurisbyhemmer. 28 BGH, ZIP 1992, 833, 835 f. = jurisbyhemmer (Ab-

schlussprüfung durch ausgeschlossenen Wirtschaftsprü-fer); BGH, ZIP 2006, 1101, 1103 f. = jurisbyhemmer (Steuerberatung durch im Inland nicht zugelassenen Steuerberater).

29 BGH, Life&Law 7/2014, 477 ff. = MDR 2014, 650 f. = jurisbyhemmer.

bleiben und veranlasst werden, das verbotene Ge-schäft nicht abzuschließen.30

Dies gilt auch, wenn man berücksichtigt, dass der Gesetzgeber die Auffassung vertreten hat, der Be-steller sei meist der wirtschaftlich Stärkere, der die Not des wirtschaftlich Schwächeren häufig aus Ei-gennutz und gewinnsüchtigen Motiven missbrau-che. Es kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Anwendung des § 817 S. 2 BGB nicht nur den Unternehmer hart treffen kann. Denn dem Besteller stehen weder Mängelansprüche noch vertragliche Mangelfolgeansprüche zu, die im Einzelfall den nichtig vereinbarten Werklohn um ein Mehrfaches übersteigen können.

Ergebnis: S steht gegen K kein Anspruch aus § 817 S. 1 BGB zu, da der Bereicherungsanspruch jedenfalls nach § 817 S. 2 BGB ausgeschlossen ist.

IV. Schließlich könnte noch ein Anspruch aus § 812 I S.1, 1.Alt. BGB gegeben sein.

1. Der Tatbestand ist nach dem Gesagten unproble-matisch gegeben:

K hat die Werkleistung erlangt, und zwar durch eine Leistung des S an den K (s.o.), die gemäß § 134 BGB rechtsgrundlos war.31

Insbesondere ist auch klarzustellen, dass § 817 S.1 BGB keine lex specialis zu § 812 BGB ist, sondern durchaus beide Ansprüche nebeneinander gegeben sein können.

2. Wiederum ist § 817 S.2 BGB zu prüfen.

a) § 817 S.2 bezieht sich auch auf § 812 I S.1, 1.Alt BGB. Denn der Vorschrift liegt ein allgemeiner Rechtsgedanke zugrunde, der für alle Leistungs-kondiktionen gilt.

Zwar würde eine Beschränkung des Anwendungs-bereichs des § 817 S.2 BGB auf die Vorschrift des § 817 S.1 BGB der Stellung der Vorschrift im Ge-setz entsprechen.

Eine solche Behandlung aber würde zu völlig sinn-widrigen Ergebnissen führen: Wenn die Vorschrift nur im Falle des § 817 S.1 BGB anwendbar ist, heißt das, sie ist nur anwendbar auf den Fall, in dem beide Parteien sittenwidrig handeln; in diesem Fall ist dann die Rückforderung ausgeschlossen. Dagegen wäre sie nicht anwendbar auf den Fall, in dem ausschließlich der Leistende selbst sittenwid-rig gehandelt hat, weil auf einen solchen Fall der

30 BGHZ 118, 182 (193) = jurisbyhemmer. 31 Das Merkmal „auf dessen Kosten“ wird bei der LK nicht

geprüft, sodass immer dreistufig aufzubauen ist. Aus-führlich dazu HEMMER/WÜST, Bereicherungsrecht, Rn. 76 ff. und 121 ff.

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Anspruch aus § 817 S.1 BGB nach seinem klaren Wortlaut nicht anwendbar ist.

Damit würde derjenige besser stehen, der alleine sittenwidrig gehandelt hat als derjenige, der neben dem Vertragspartner „auch“ sittenwidrig gehandelt hat!

b) Nach dem oben Gesagten ist § 817 S.2 BGB hier auch nicht nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) einzuschränken.

Ergebnis: S kann von K daher keine Bezahlung für seine Schwarzarbeit verlangen.

I. Wiederholungsfragen:

1. Welche Vertragsart kommt zwischen K und S in Betracht?

2. Mit welcher Formel wird jeweils die Frage geprüft, ob eine Norm zur Anwendung des § 134 BGB führt?

3. Welche Auswirkung hat das SchwArbG auf die Wirksamkeit des Vertrag?

4. Mit welchen Prüfungsschritten wird eine echte bzw. berechtigte G.o.A. geprüft? Stellen Sie sich anhand der Falllösung ein Schema zusammen!

5. In welchem Verhältnis steht die G.o.A. zum Berei-cherungsrecht?

6. Welche Tatbestandsmerkmale hat § 817 S.1 BGB?

7. Warum findet § 817 S.2 auch auf § 812 (LK) An-wendung?

8. Skizzieren Sie den Streit um die Anwendung von § 817 S.2 BGB im Fall von Schwarzarbeit!

II. Arbeitsanleitung:

1. Zu den Grundfragen des § 134 BGB arbeiten Sie HEMMER/WÜST, BGB-AT II, Rn. 104 bis 119 durch!

2. Zur Problematik, ob auf nichtige Verträge die G.o.A. anwendbar sein kann, lesen Sie GOLD, JA 1994, 205 ff.

3. Lehrreich zur GoA ist auch der sog. „Erbensucher-fall“ des BGH in NJW 2000, 72 ff. = Life&Law 2000, 163 ff.

4. Lesen Sie folgende neueren BGH-Entscheidungen zur GoA:

BGH Life&Law 2004, 145 ff. = NJW 2004, 513

BGH Life&Law 2004, 149 ff. = NJW-RR 2004, 81.

5. Zur Entwicklung der Rechtsprechung des BGH bei der GoA lesen Sie den lehrreichen Aufsatz von Tho-le, NJW 2010, Heft 18, 1243 ff.

6. Zur systematischen Prüfung von § 812 I S.1, 1.Alt. BGB lesen Sie HEMMER/WÜST, Bereicherungs-recht, Rn. 121 ff.

7. Zur Einschränkung der Kondiktionssperre beim sittenwidrigen Schenkkreis lesen Sie BGH Life&Law 2006, 303 ff. = NJW 2006, 45 ff. (bestätigt vom OLG Köln, NJW 2006, 3288 ff.) so-wie BGH, Life&Law 2012, Heft 9, 633 ff.

8. Zur Entwicklung der Rechtsprechung des BGH zur GoA beim „auch fremden Geschäft“ vgl. Tyroller, Die Konkurrenzen im Zivilrecht Teil V: Das Ver-hältnis der GoA beim „auch fremden Geschäft“ zu anderen Anspruchsgrundlagen, Life&Law 2013, Heft 3, .214 ff.

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BGB-AT Sachverhalte - Seite 18

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Fall 20 (Vertiefungsfall zum selbständigen Schreiben)

Anton Adler hat einen eigentümlichen Hang, den Offerten von allen möglichen Vertretern auf den Leim zu gehen. Daher wird ihm vom zuständigen Amtsgericht Anfang Januar Rechtsanwalt Rogler als Betreuer zu-geordnet. Trotzdem schließt Anton am Mittwoch, den 18. Juni 2014 mit dem Gans, der als Vertreter der „Clean-GmbH“ handelte, einen Vertrag über die Bestellung eines Staubsaugers. Der Vertrag kam folgendermaßen zustande: Paul Plotz, der Geschäftsführer der „Clean-GmbH“, hatte bei Anton angerufen und angefragt, ob der Anton einverstanden sei, wenn man für eine „umfassende Beratung“ den Anton zu Hause aufsucht, was Anton bejahte. Als Anton daraufhin von Gerd Gans, einem Vertreter der „Clean-GmbH“ besucht wurde, „überzeugte“ der ihn von der Notwendigkeit der Bestellung eines ultramo-dernen Staubsaugers zum Preis von 750 €, der in etwa einer Woche geliefert werden und dann gleich bezahlt werden sollte. Es erfolgte keinerlei Belehrung des Anton. Anfang Juli erfuhr Rogler von dem Geschäft und sandte sofort eine schriftliche „Widerrufserklärung“ an die „Clean-GmbH“. Diese wurde am Morgen des 04. Juli 2014 in den Briefkasten der GmbH geworfen.

Kann die „Clean-GmbH“ Zug um Zug gegen Lieferung den Kaufpreis für den Staubsauger verlan-gen?

Abwandlung: Als Antons Bestelldrang immer schlimmer wurde, wurde die Betreuung am 16. Juli 2014gerichtlich umge-wandelt; es wird ein sog. Einwilligungsvorbehalt für den Betreuer Rogler angeordnet. Ohne den Rogler zu fragen, kaufte der Anton daraufhin im Geschäft des Lotze eine Stereoanlage zum Schnäppchenpreis von 800 €, wobei Ratenzahlung vereinbart wurde, er aber sofort eine Anzahlung von 200 € leistete. Lotze wusste von der verhängten Betreuung, vertraute aber dennoch darauf, dass der Vertrag wirksam sei. Die Anlage schenkte Anton der Elvira, die er immer schon verehrt hatte. Da Elvira, die nichts von der ange-ordneten Betreuung gewusst hatte, nicht gut bei Kasse war, veräußerte sie die Anlage für 700 € weiter an ihre Freundin Stefanie. Ein vom Amtsgericht beauftragter Sachverständiger kommt später zu dem Ergebnis, dass Antons Geisteszu-stand wohl nicht so schlimm war, dass es ihm vollständig an der Einsichtsfähigkeit gefehlt hätte. Vermerk für den Bearbeiter: Nehmen Sie zu folgenden Fragen in einem Gutachten Stellung:

1. Kann Rogler (im Namen von Anton) die Anzahlung von 200 € für die Anlage von Lotze zurückverlangen?

2. Kann Lotze von Stefanie die Anlage herausverlangen?

3. Kann Lotze von Elvira den Wert der Anlage (950 €) herausverlangen?

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BGB-AT Fall 20 - Lösung - Seite 1

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Fall 20 - Lösung

ÜBERSICHT FALL 20

A) Ansprüche der „Clean-GmbH“ gegen Anton

gem. § 433 II

I. Vertragsschluss

1. Antrag i.S.d. § 145 BGB seitens der GmbH

2. Annahmeerklärung des A trotz Betreuung (+)

II. Entfallen des Vertrages durch Widerruf, § 355 I S. 1 BGB i.V.m. § 312g I BGB

1. Vertretungsmacht gemäß § 1902 BGB

2. Bestehen eines Widerrufsrechts gem. §§ 312b I S. 1 Nr. 1 i.V.m. § 312g BGB

a) Privatwohnung ist kein Geschäftsraum der GmbH, § 312b I S.1 Nr. 1 BGB.

b) A ist Verbraucher“ i.S.d. § 13 BGB und die C-GmbH Unternehmerin i.S.d. § 14 BGB.

c) Gleichzeitige körperlicher Anwesenheit des Ver-brauchers und des Unternehmers gem. § 312 I S. 1, Nr. 1 BGB

(+), weil nach § 312 I S. 2 BGB der Vertreter G dem Unternehmer gleichsteht, da er im Na-men oder Auftrag der C-GmbH handelte

d) Kein Ausschluss des Widerrufsrecht nach § 312g II BGB

kein genereller Ausschluss des Widerrufs-rechts mehr bei Verträgen anlässlich von vorher durch den Verbraucher bestellten „Hausbesu-chen“, wenn kein Fall des § 312g II S. 1 Nr. 11 BGB vorliegt

e) Kein Ausschluss des Widerrufsrecht nach § 312g III BGB

3. Fristgemäßer Widerruf gemäß § 355 II BGB (+)

mangels ordnungsgemäßer Belehrung durch die GmbH bzw. deren Vertreter lief keine Wi-derrufsfrist, § 356 III S. 1 BGB i.V.m. Art. 246a § 1 II S. 1 Nr. 1 EGBGB

Ergebnis: Die GmbH kann wegen wirksamen Widerrufs keine Zahlung gemäß § 433 II BGB von A verlangen.

B) Anspruch des A gegen L auf Rückzahlung der 200 € aus §§ 951 I, 812 I S.1, 1. bzw. 2. Alt. BGB

1. Etwas erlangt

2. Rechtsgrundlos

(+), da vorherige Zustimmung des Betreuers R § 1903 I S.1 BGB fehlt und R die Genehmi-gung verweigerte

3. Durch Leistung des A ?

a) Bzgl. Besitz (+)

b) Bzgl. Eigentum am Geld konnte L nicht durch Leistung des A erwerben, da die Übereignung den A auch ausschließlich belastete (vgl. § 1903 III S.1 BGB)

c) Daher bezüglich des Eigentums Nichtleistungs-kondiktion gemäß § 951 BGB i.V.m. § 812 I S.1, 2.Alt. BGB

4. Objektiver Wertersatz, § 818 II

Keine Saldotheorie zu Lasten des Betreuten

daher Zweikondiktionentheorie

C) Anspruch des L gegen S auf Rückgabe der Ste-reoanlage

I. Anspruch aus § 985 BGB

1. Eigentumsverlust des L an A

2. Nichtigkeit der Übereignung gem. § 142 I BGB ?

(-) da kein Anfechtungsgrund ersichtlich

Ergebnis: Anspruch aus § 985 BGB (-)

II. Anspruch gegen S aus § 812 I S.1 BGB.

1. Eigentum und Besitz an der Stereoanlage, § 932

2. Durch Leistung der E

Daher: Grundsatz der Subsidiarität der Nicht-leistungskondiktion

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BGB-AT Fall 20 - Lösung - Seite 2

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D) Anspruch des L gegen E auf Wertersatz, §§ 822, 818 BGB

1. Unentgeltliche Zuwendung von A als Berech-tigtem an die E (+)

2. Bereicherungsanspruch des L gegen den A aus § 812 I S.1, 1.Alt. BGB (condictio indebiti)

3. Anspruch des L infolge der unentgeltlichen Zu-wendung entfallen gem. § 818 III ?

a) § 818 III (-), wenn verschärfte Haftung gem. §§ 819 I, 818 IV, 292 I, 989 BGB

analog §§ 104 ff, 166 BGB kommt es auf Kenntnis des Betreuers an

Betreuer R war gutgläubig

b) Entreicherung des A aber (-), da er Anspruch aus § 816 I S.1 BGB erlangt hat, der auf Herausgabe des tatsächlich Erlangten (also 800 €) geht

Ergebnis: Daher besteht aus diesem Grund der Anspruch des L gegen den A weiter

der subsidiäre § 822 BGB gegen die E greift nicht ein

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BGB-AT Fall 20 - Lösung - Seite 3

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LÖSUNG FALL 20

A) Ansprüche der „Clean-GmbH“ gegen Anton

Die gemäß § 13 I GmbHG rechtsfähige GmbH könnte gegen A einen Anspruch auf Bezahlung gemäß § 433 II BGB Zug um Zug gegen Lieferung des Staubsaugers (§§ 433 I, 320 BGB) haben, wenn ein wirksamer Kaufvertrag vorliegen würde.

I. Vertragsschluss: Voraussetzung ist das Zustande-kommen eines wirksamen Vertrages zwischen A und der GmbH.

1. Eine wirksame Willenserklärung, nämlich ein An-trag i.S.d. § 145 BGB, liegt seitens der GmbH un-problematisch vor, als sich der G mit A über die Lieferung des Staubsaugers einigte.

Anmerkung: Den Umständen nach spricht viel da-für, dass der G das Angebot abgab, da dieses frü-hestens mit der Nennung des Preises („essentialia negotii“) gegeben sein kann. Letztlich hätte ein anderer zeitlicher Ablauf im konkreten Fall aber - unabhängig von den noch zu diskutierenden Prob-lemen - ohnehin keine weiteren Auswirkungen, so-dass hierauf nicht näher eingegangen werden muss.

Die GmbH wurde von G wirksam vertreten, vgl. § 164 I S.1 BGB. Das Handeln in fremdem Namen ergibt sich zumindest aus den Umständen (§ 164 I S.2). Auch die Vertretungsmacht des G ist nach Sachverhalt gegeben. Sie ergibt sich entweder aus § 54 HGB oder zumindest aus § 167 I BGB. G hat somit im Namen der GmbH ein wirksames An-gebot abgegeben.

2. Fraglich ist aber die Wirksamkeit der Annahme-erklärung des A.

Zunächst ist zu überprüfen, ob der unter Betreuung stehende A überhaupt wirksame Willenserklärung-en abgeben konnte.

a) Dies ist aber tatsächlich der Fall: Anders als die frühere Vormundschaft führt die Betreuung kei-nesfalls als solche zu einer Geschäftsunfähigkeit des Betreuten.

Dahinter steht gerade einer der wichtigsten Grund-gedanken der gesetzlichen Neuregelung, die von der Entrechtung der Betroffenen hin zu einer Un-terstützung durch den Betreuer führen sollte1.

Konsequenterweise ist daher in § 104 BGB auch von der Betreuung keine Rede.

1 Vgl. etwa PALANDT, vor § 1896 BGB, Rn. 5

Vor allem kann in keinem Fall der Regelung des § 1902 BGB entnommen werden, dass eine Ge-schäftsunfähigkeit oder auch nur beschränkte Ge-schäftsfähigkeit des Betreuten gegeben wäre. Diese Vertretungsbefugnis des Betreuers entrechtet nicht den Betreuten, sondern tritt als zusätzliche Hand-lungsmöglichkeit neben die eigene Handlungs-möglichkeit des Betreuten. Beide Beteiligten kön-nen hier also grds. wirksam Willenserklärungen ab-geben.

Anmerkung: Die Gefahr, dass sich Willenserklä-rungen des Betreuers und des Betreuten inhaltlich widersprechen, hat der Gesetzgeber hier offenbar bewusst in Kauf genommen.2 Solche Probleme sind daher mit dem allgemeinen zivilrechtlichen Instru-mentarium, insbesondere des BGB/AT, zu lösen.

b) Allein im Sonderfall der Betreuung unter Ein-willigungsvorbehalt ist die Geschäftsfähigkeit des Betreuten durch § 1903 BGB beschränkt.

Ein solcher Fall lag nach Sachverhalt im Zeitpunkt des Abschlusses dieses Vertrages nicht vor. Auch sind keine sicheren Anhaltspunkte für das Vorlie-gen eines Falles des § 104 Nr. 2 BGB ersichtlich. Im Zweifelsfall ist von Geschäftsfähigkeit auszu-gehen, da diese der gesetzliche Regelfall ist; wer sich zu seinen Gunsten auf den Ausnahmefall be-ruft, muss diesen darlegen und beweisen.

Zwischenergebnis: Nach allgemeinen Grundsät-zen war es zu einem wirksamen Vertragsschluss zwischen A und der GmbH gekommen.

II. Widerruf nach §§ 312b I S. 1 Nr. 1 i.V.m. § 312g BGB3

R könnte den Vertrag namens des A wirksam nach §§ 312b I S. 1 Nr. 1, 312g BGB widerrufen haben. In diesem Fall wäre A nicht mehr an seine auf den Abschluss des Vertrags gerichtete Willenserklärung gebunden.

Sound: „Der Widerruf ist eine rechtsvernichtende Einwendung“!

2 Vgl. etwa TAUPITZ, JuS 1992, 9, 12 3 Hinweis: Am 13.06.2014 ist das Gesetz zur Umsetzung

der Verbraucherrechterichtlinie und zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wohnungsvermittlung in Kraft getreten. Durch dieses Gesetz traten wichtige Än-derungen im BGB-AT, im Allgemeinen Schuldrecht, zum Widerruf von verbraucherschützenden Verträgen und auch im Besonderen Schuldrecht in Kraft.

Lesen Sie dazu Tyroller, „Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie und zur Änderung des Ge-setzes zur Regelung der Wohnungsvermittlung“, in Life&Law 4/2014, 296 ff. und 6/2014, 452 ff.

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1. Unproblematisch konnte der R im Namen des A den Widerruf erklären.

Die Offenkundigkeit des Handelns für den A ergab sich zumindest eindeutig aus den Umständen (§ 164 I S.2 BGB).

Die Vertretungsmacht ist gemäß § 1902 BGB gege-ben.

Irgendwelche Beschränkungen über § 1901 BGB sind - sollten sie überhaupt bestehen - für die Ver-tretungsmacht irrelevant; § 1901 BGB betrifft al-lein das Innenverhältnis4.

2. Bestehen eines Widerrufsrechts gem. §§ 312b I S. 1 Nr. 1 i.V.m. § 312g BGB

A hätte das Widerrufsrecht gem. § 312g I BGB nur dann, wenn es sich bei dem Kaufvertrag um einen „außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag“ i.S.d. § 312b BGB handeln würde.

a) Der Kaufvertrag zwischen der GmbH, vertreten durch G, und A wurde in dessen Privatwohnung, und damit an einem Ort geschlossen, der kein Ge-schäftsraum (vgl. dazu § 312b II BGB) der GmbH ist, § 312b I S.1 Nr. 1 BGB.

b) Für die Anwendbarkeit des § 312b BGB ist weitere Voraussetzung, dass A als „Verbraucher“ i.S.d. § 13 BGB anzusehen ist.

Das ist hier unproblematisch gegeben, da der A derjenige ist, in dessen Privatwohnung ein Kauf-vertrag geschlossen wurde und der hierdurch zu ei-nem Vertragsschluss bestimmt worden ist (s.o.). Nach der Legaldefinition des § 13 BGB kommt es auf die konkrete Stellung im Rahmen des geschlos-senen Vertrages nicht an.

Die Clean-GmbH war außerdem Unternehmerin i.S.d. § 14 BGB.

c) Nach § 312 I S. 1, Nr. 1 BGB müsste der Vertrag bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit des Verbrauchers und des Unternehmers geschlossen worden sein.

Nach § 312 I S. 2 BGB stehen dabei dem Unter-nehmer solche Personen gleich, die in seinem Na-men oder Auftrag handeln.

Da G als Vertreter der Clean-GmbH handelte, lie-gen die Voraussetzungen des § 312 I S.1, Nr. 1 BGB vor, sodass dem A ein Widerrufsrecht gem. § 312g I BGB zusteht.

d) Kein Ausschluss des Widerrufsrecht nach § 312g II BGB

4 PALANDT, § 1901 BGB, Rn. 3; § 1902 BGB, Rn. 1

Ein Widerrufsrecht des A könnte aber deshalb ent-fallen, weil er sich den G zuvor telefonisch ins Haus bestellt hatte.

aa) Bis zum 12.06.2014 war gem. § 312 III Nr. 1 BGB bei den damals „Haustürgeschäfte“ genannten Ver-trägen das Widerrufsrecht ausgeschlossen, wenn eine vorherige „Bestellung“ des Verbrauchers vor-lag.

bb) Anders als § 312 BGB a.F. über Haustürgeschäfte knüpft § 312b I BGB – mit Ausnahme von Nr. 4 – nicht mehr ausschließlich an das Vorliegen be-stimmter, besonders gefährlicher Situationen, wie z.B. Verhandlungen in einer Privatwohnung an, sondern stellt allgemein darauf ab, ob der Vertrag außerhalb der Geschäftsräume des Unternehmers verhandelt oder geschlossen wurde. Die Vorschrift ist damit weiter als § 312 BGB a.F.

Anmerkung: Das Kriterium der situativen Über-rumpelung findet sich nun in der Definition des Geschäftsraumes.

Der Unternehmer muss sein Gewerbe dort aber für gewöhnlich ausüben, damit kein Widerrufsrecht besteht. Die Anwendung des Kriteriums der ge-wöhnlichen Ausübung soll Verbraucher vor über-eilten Vertragsschlüssen schützen, insbesondere in Fällen, in denen sie nicht mit einem Vertrags-schluss rechnen müssen. Eine solche Situation kann vorliegen, wenn dem Verbraucher überra-schend fachfremde, nicht mit dem Thema des La-dengeschäfts, der Messe, Ausstellung etc. im Zu-sammenhang stehende Waren angeboten werden.

In dieser Konsequenz besteht kein genereller Aus-schluss des Widerrufsrechts mehr bei Verträgen an-lässlich von vorher durch den Verbraucher bestell-ten „Hausbesuchen“.

Das Widerrufsrecht entfällt nur dann, wenn der Verbraucher den Unternehmer ausdrücklich aufge-fordert hat, ihn aufzusuchen, um dringende Repara-tur- oder Instandhaltungsarbeiten vorzunehmen, § 312g II S. 1 Nr. 11 BGB.

d) Kein Ausschluss des Widerrufsrecht nach § 312g III BGB

Ein Widerrufsrecht bestünde aber nicht, wenn dem A bereits auf Grund der §§ 495, 506 bis 512 ein Widerrufsrecht nach § 355 zustehen würde.

Da vorliegend eine Zahlung Zug um Zug (§ 320 BGB) vereinbart war, liegt kein entgeltliches Kre-ditgeschäft i.d.S. vor.

Ergebnis: Damit steht dem A gem. §§ 312a, 312g BGB ein Widerrufsrecht zu.

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3. Fraglich ist, ob der Widerruf auch fristgemäß erfolgte.

§ 355 II BGB regelt die Dauer der Widerrufsfrist. Diese beträgt für alle von § 355 BGB erfassten Wi-derrufsrechte einheitlich vierzehn Tage.

Die Frist beginnt - soweit nicht ein anderes be-stimmt ist - mit Vertragsschluss, sodass der Wider-ruf am 04.07.2014 verfristet gewesen sein könnte.

Voraussetzung für den Beginn der Widerrufsfrist bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlosse-nen Verträgen ist aber immer die ordnungsgemäße Erfüllung der Informationspflichten über das Wi-derrufsrecht nach § 356 III BGB i.V.m. Art. 246a § 1 II S. 1 Nr. 1 EGBGB, sprich eine ordnungs-gemäße Widerrufsbelehrung.

Mangels ordnungsgemäßer Belehrung durch die GmbH bzw. deren Vertreter begann die 14-tägige Widerrufsfrist des § 355 II S.1 BGB gar nicht zu laufen.

Das Widerrufsrecht erlischt daher gem. 356 III S. 2 BGB erst zwölf Monate und vierzehn Tage nach Vertragsschluss.

Der Widerruf erfolgte daher fristgemäß.

4. Ergebnis: Die GmbH kann wegen wirksamen Wi-derrufs keine Zahlung gemäß § 433 II BGB von A verlangen.

B) Anspruch des A gegen L auf Rückzahlung der 200 €

Ein Anspruch könnte sich aus § 812 I S.1 (1. oder 2.Alt.) BGB ergeben.

1. L hat etwas erlangt, nämlich Besitz und Eigentum am Geld, und zwar letzteres zumindest über §§ 946 ff. BGB (s.u.).

2. Dies müsste weiterhin auch rechtsgrundlos ge-schehen sein. Rechtsgrund könnte nur ein An-spruch des L gegen den A aus § 433 II BGB sein. Der vereinbarte Kaufvertrag könnte aber unwirk-sam sein.

a) Da zum maßgeblichen Zeitpunkt bereits eine Be-treuung unter Einwilligungsvorbehalt gegen den A angeordnet worden war, bedurfte er gemäß § 1903 I S.1 BGB grds. der vorherigen Zu-stimmung des Betreuers R.

b) Eine der Ausnahmen des § 1903 II BGB ist hier in keinem Fall gegeben.

c) Es liegt auch kein ausschließlicher rechtlicher Vorteil gemäß § 1903 III S.1 BGB vor, da der Kaufvertrag - und nur um den geht es hier - für den A neben Rechten auch Pflichten brachte (§ 433 II BGB).

d) Mangels nach Sachverhalt erkennbarer anders lau-tender Anordnungen des FGG-Richters am Amts-gericht ist zwar davon auszugehen, dass gemäß § 1903 III S.2 BGB geringfügige Angelegenheiten des täglichen Lebens vom Betreuten A mit voll-ständiger Wirksamkeit vorgenommen werden kön-nen.

Dabei wäre weiterhin auch unbeachtlich, dass der Kaufpreis nicht sofort in bar bezahlt wurde, da die-se Vorschrift auch bei Stundung oder vereinbarter Ratenzahlung eingreifen kann5. Anders als bei der Parallelvorschrift des § 110 BGB hat der Gesetz-geber hier bewusst auf das Tatbestandsmerkmal „bewirkt“ verzichtet.

Allerdings kann bei einem Kaufpreis von 800 € in keinem Fall mehr von einer einfachen Angelegen-heit des täglichen Lebens ausgegangen werden. Denn mit „täglichem Leben“ ist gemeint, dass sol-che Rechtsgeschäfte üblicherweise jeden Tag vor-genommen werden6.

e) Da die Einwilligung nicht vorlag, war das Geschäft schwebend unwirksam gemäß § 1903 I S.2 BGB i.V.m. § 108 I BGB.

5 PALANDT, § 1903 BGB, Rn. 18 6 PALANDT, a.a.O.

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Da R die Genehmigung verweigerte, wurde die schwebende Unwirksamkeit zur endgültigen Un-wirksamkeit.

Ein Rechtsgrund für die Vermögensverschiebung ist damit nicht vorhanden.

3. Den Besitz am Geld hatte der L durch Leistung des A erlangt, nämlich durch ziel- und zweckge-richtete Mehrung fremden Vermögens: A wollte ei-ne vermeintliche Verbindlichkeit aus § 433 II BGB erfüllen.

Geschäftsfähigkeit ist für die Annahme einer Leis-tung nach allg. Meinung nicht erforderlich; es ge-nügt die Fähigkeit, überhaupt zu erkennen, dass man bewusst eine Vermögensverschiebung vor-nimmt7.

Das Eigentum am Geld allerdings konnte der L nicht (jedenfalls nicht unmittelbar) durch Leistung des A erwerben, da auch diese Willenserklärung ei-ner Einwilligung oder Genehmigung des R bedurf-te (§ 1903 I S.2 BGB i.V.m. § 108 I BGB) und die-se Übereignung den A auch ausschließlich belaste-te (vgl. § 1903 III S.1 BGB).

Daher liegt es näher, bezüglich des Eigentums eine Nichtleistungskondiktion gemäß § 951 BGB (Rechtsgrundverweisung) i.V.m. § 812 I S.1, 2.Alt. BGB anzunehmen, weil das Eigentum erst durch Vermischung gemäß § 948 i.V.m. § 947 II BGB auf den L überging.

L erwarb dabei auch Alleineigentum8. Mit der h.M. ist insbesondere die Miteigentumslösung abzu-lehnen, da ein Miteigentum in Höhe von 200 € et-wa am Kasseninhalt des L zu großen Rechtsunsi-cherheiten führen würde und eine bereicherungs-rechtliche Abwicklung daher angemessener ist.

Allerdings führt diese Nichtleistungskondiktion hier letztlich zum gleichen Ziel wie eine Leis-tungskondiktion, da eine (evtl. vorrangige) Leis-tung eines anderen bezüglich dieses Bereiche-rungsgegenstandes nicht ersichtlich ist.

4. Soweit hier die Eingriffskondiktion in Betracht kommt, erfolgte die Vermögensverschiebung auch „auf Kosten des A“, da er durch §§ 947 II, 948 BGB sein Eigentum unmittelbar an den L verlor.

Anmerkung: Das Merkmal „auf dessen Kosten“ wird nach allg. Meinung bei der LK nicht geprüft, da es nur die Funktion hat, die Parteien des Schuldverhältnisses zu bestimmen, dies aber dort ohnehin schon durch die Definition des modernen Leistungsbegriffes selbst erfolgt.

7 Vgl. etwa LOEWENHEIM, JuS 1982, 671 m.w.N. 8 Vgl. MEDICUS, JuS 1983, 897; PALANDT, § 948 BGB,

Rn. 3

5. Da L Eigentum und Besitz an dem Geld nicht mehr herausgeben kann, kommt nur Wertersatz gemäß § 818 II BGB in Betracht. Dieser beläuft sich auf 200 €, da bei § 818 II BGB der objektive Wert (hier des Geldes) anzusetzen ist.

Fraglich ist aber, ob sich aufgrund der Grundsätze der Saldotheorie Probleme für den Anspruch des A ergeben. Denn aufgrund der Unwirksamkeit des Kaufvertrages hatte auch der L gegen den A einen Gegenanspruch aus § 812 I S.1, 1.Alt. BGB auf Rückgabe des Erlangten (genaueres s.u.), und be-züglich dieses Anspruches könnte wegen der Schenkung an die E eine Entreicherung des A i.S.d. § 818 III BGB gegeben sein.

Unabhängig von der Frage, ob A überhaupt entrei-chert ist (vgl. dazu D., Seite 11), greift die Sal-dotheorie im vorliegenden Fall aber jedenfalls nicht ein.

a) Die Saldotheorie ist Ausfluss des funktionellen Synallagmas, wie es insbesondere beim vorlie-genden beabsichtigten Kaufvertrag als gegen-seitigem Vertrag i.S.d. §§ 320 ff. BGB bestanden hätte. Trotz der Nichtigkeit des Kausalgeschäftes bleiben die beiderseitigen Leistungen durch ihren Austauschzweck faktisch miteinander verknüpft9. Eine völlig isolierte Betrachtung der jeweiligen Kondiktionsansprüche der beiden Beteiligten wür-de daher zu einer häufig unbilligen, weil einsei-tigen Belastung des einen Teils mit dem Risiko des Unterganges (§ 818 III BGB) beim anderen Teil führen.

Folge ist grds., dass eine Entreicherung des A i.S.d. § 818 III BGB bezüglich des gegen ihn (den A) ge-richteten Bereicherungsanspruches zum Abzugs-posten des eigenen Anspruchs würde.

Danach könnte bei Anwendung der Saldotheorie der A vorliegend seinen Bereicherungsanspruch nicht durchsetzen, da seine mögliche Entreicherung in Höhe des objektiven Werts der verschenkten Stereoanlage mit 800 € anzusetzen ist. Der An-spruch des A gegen L in Höhe von 200 € würde daher um 800 € reduziert. Er wäre daher mit Null anzusetzen, da die Saldotheorie nach allg. Ansicht wiederum nicht zu negativen Ansprüchen führen kann.

b) Allerdings gibt es - insoweit nahezu unstreitig - zu-mindest zwei Fälle, in denen die Saldotheorie nicht zur Anwendung gelangt, nämlich bei Arglist und - hier einschlägig - bei Notwendigkeit des Schutzes eines nicht voll Geschäftsfähigen.

Die Saldotheorie soll den Partner des nichtigen Vertrages schützen; sie kann deswegen dort keine Rolle spielen, wo dieser - wie bei Arglist - nicht schutzwürdig ist.

9 PALANDT, § 818 BGB, Rn. 6, Rn. 48

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Weiter kann sie keine Rolle spielen, wenn die Schutzwürdigkeit des anderen Teils überwiegt. Dies ist bei Personen der Fall, die in der Geschäfts-fähigkeit beschränkt sind, da für diese die Wertung der §§ 104 ff. BGB zum Durchbruch kommt: Es darf nicht über einen bereicherungsrechtlichen Umweg genau das Ergebnis aufrechterhalten wer-den, das die §§ 104 ff. (bzw. vorliegend der wer-tungsgleiche § 1903 BGB) gerade verhindern wol-len10.

Folglich ist im konkreten Fall die sog. Zweikondi-ktionentheorie anzuwenden, die aber letztlich nichts anderes darstellt als die exakte Anwendung des Gesetzeswortlauts: Es bestehen zwei Bereiche-rungsansprüche (einerseits A gegen L, andererseits L gegen A), die grds. unabhängig voneinander zu prüfen sind und - bei Vorliegen der jeweiligen Vo-raussetzungen - allenfalls über eine Aufrechnung miteinander verknüpft werden können.

Anmerkung: Die Saldotheorie darf also nicht mit der bloßen Aufrechnung verwechselt werden.

Erster Unterschied: Während die Aufrechnung als Gestaltungsrecht erklärt werden muss (§ 388 BGB), tritt die Wirkung der Saldotheorie von selbst ein.

Wichtiger aber der zweite Unterschied: Eine Auf-rechnung kommt erst dann in Frage, wenn alle Elemente des Anspruches bis zum Ende hin durch-geprüft und bejaht worden sind. Insbesondere also scheidet eine Aufrechnung aus, wenn der Anspruch wegen § 818 III BGB entfällt; dagegen dient die Saldotheorie gerade dazu, dem Entreicherten die Berufung auf die Entreicherung zu versagen.

Ergebnis: A kann von L Rückzahlung der 200 € verlangen.

10 Vgl. PALANDT, § 818 BGB, Rn. 49

C) Anspruch des L gegen S auf Rückgabe der Stereoanlage

I. Anspruch aus § 985 BGB

Da die S unmittelbare Besitzerin der Stereoanlage ist, ist der Anspruch dann zu bejahen, wenn der L noch Eigentümer wäre und der S kein Besitzrecht i.S.d. § 986 BGB zustünde.

1. Allerdings hat der L das Eigentum zunächst bereits wirksam an den A verloren, da das dingliche Rechtsgeschäft, die Übereignung an den A, für die-sen einen ausschließlichen rechtlichen Vorteil i.S.d. § 1903 III S.1 BGB darstellt.

2. Allenfalls wäre fraglich, ob der L seine zur dingli-chen Einigung i.S.d. § 929 S.1 BGB führenden Willenserklärungen anfechten kann, sodass die Übereignung gemäß § 142 I BGB rückwirkend nichtig würde.

Die Anfechtung wäre dann gemäß § 143 I i.V.m. §§ 131 II 1, 1903 BGB dem R (!) gegenüber zu er-klären.

a) Das Abstraktionsprinzip allein dürfte dem nicht entgegenstehen. Denn, wenn ein beachtenswerter Irrtum vorlag, wird man davon ausgehen müssen, dass dieser hier auch und gerade kausal war für diese zur dinglichen Einigung führenden Willens-erklärungen des L (sog. Fehleridentität11).

b) Letztlich kommt es darauf aber gar nicht an, weil kein Anfechtungsgrund erkennbar ist.

Zwar spricht einiges dafür, die Tatsache der ver-hängten Betreuung als verkehrswesentliche Eigen-schaft des Vertragspartners A i.S.d. § 119 II BGB anzusehen12. Letztlich muss dies aber nicht ent-schieden werden, denn darüber hat sich der L nach Sachverhalt gar nicht geirrt.

Wenn er - wie hier - trotz Kenntnis von der ver-hängten Betreuung einen Vertrag schließt, weil er diesen aus Rechtsgründen für wirksam hält, dann handelt es sich um einen Irrtum über die kraft Ge-setzes eintretenden Rechtsfolgen, mithin um einen als Motivirrtum hier unbeachtlichen Rechtsfolge-irrtum.

Anmerkung: Es ist aber nicht jeder Rechtsfolgeirr-tum tatsächlich unbeachtlich. Zur Anfechtbarkeit eines Rechtsfolgenirrtums lesen Sie BGH, Life&Law 2006, Heft 12, 824 ff. = FamRZ 2006, 1519 ff.

11 Vgl. dazu ausführlich HEMMER/WÜST, Sachenrecht I,

Rn. 34 bis 44 sowie PALANDT, vor § 104 BGB, Rn. 23 12 Vgl. PALANDT, § 119 BGB, Rn. 26

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Selbst über eine Anfechtungserklärung könnte der L also die wirksam erfolgte Eigentumsübertragung an den A gemäß § 929 S.1 BGB nicht rückgängig machen. Er ist also in keinem Fall mehr Eigentü-mer, sodass es zunächst auch auf die weitere Über-eignung gar nicht ankommt.

Ergebnis:

Ein Anspruch aus § 985 BGB ist in keinem Fall ge-geben.

II. Anspruch gegen S aus § 812 I S.1 BGB.

1. Die S müsste „etwas erlangt“ haben i.S.d. § 812 I BGB, hier nämlich evtl. Eigentum und Besitz an der Stereoanlage.

a) Zwar konnte der A der E das Eigentum an der Ste-reoanlage nicht gemäß § 929 S.1 BGB übertragen, weil dem § 1903 I BGB entgegenstand: Diese Übereignung brachte dem A keinen ausschließli-chen rechtlichen Vorteil i.S.d. § 1903 III S.1 BGB, da er dadurch sein Eigentum verlor.

Auch ein sog. „neutrales Geschäft“, das hier - wie bei § 107 BGB - mit einem Teil der Literatur evtl. zur Wirksamkeit des Geschäftes führen könnte (str.13), liegt nicht vor: Wegen des vorherigen wirksamen Eigentumserwerbs war das Geschäft für den A gerade nicht „neutral“ i.d.S., da er kein frem-des Eigentum übertrug.

b) Allerdings hatte die E als Nichtberechtigte dann der S gemäß § 932 BGB wirksam das Eigentum übertragen. Diese erhielt sofort den unmittelbaren Besitz, und sie war auch nicht bösgläubig i.S.d. § 932 II BGB, weil keinerlei Anhaltspunkte für grobe Fahrlässigkeit oder positive Kenntnis von der Eigentumsstellung des A ersichtlich sind.

Richtigerweise steht diesem Eigentumserwerb auch § 935 BGB nicht entgegen. Da es bei der Frage nach der Freiwilligkeit der Besitzaufgabe des un-mittelbaren Besitzers um eine Frage nach dem tat-sächlichen Willen, nach der Fähigkeit zum tat-sächlichen Handeln geht, ist es zwar konsequent, bei völlig Geschäftsunfähigen ein Abhanden-kommen zu bejahen.

Gleichzeitig aber zwingt diese Einordnung des Be-griffs der freiwilligen Weggabe bei (nur) be-schränkt Geschäftsfähigen dazu, mit der h.M. den Rechtsgedanken der §§ 827, 828 BGB heranzuzie-hen14. Nur dieses Ergebnis dürfte auch den Inten-tionen des Gesetzgebers bei Schaffung des Betreu-ungsgesetzes entsprechen (dazu s.o.). Da insgesamt von der Einsichtsfähigkeit des A auszugehen ist, ist daher ein Abhandenkommen zu verneinen.

13 Vgl. PALANDT, § 107 BGB, Rn. 7 m.w.N. 14 Vgl. PALANDT, § 935 BGB, Rn. 3

Die S hat daher Eigentum und Besitz an der Stereo-anlage erlangt.

Anmerkung: Ein anderer Aufbau ist hier gut mög-lich. Man hätte durchaus gleich mit der Subsidia-rität der EK argumentieren können. Dann wären die hier unter Punkt 1.) erörterten Fragen unten bei § 816 I S.1 BGB zu prüfen (vgl. letzte Seite).

2. Dies geschah aber nicht durch Leistung des L, sondern durch Leistung der E:

Die E wollte durch Übertragung des Eigentums an S bewusst und zweckgerichtet deren Vermögen vermehren, da die E einen Anspruch der S aus § 433 I BGB erfüllen wollte. Insoweit scheidet ein Anspruch des L aus einer Leistungskondiktion ge-mäß § 812 I S.1, 1.Alt. BGB gegen S aus.

In Betracht käme daher höchstens eine Nichtleis-tungskondiktion des L gemäß § 812 I S.1, 2.Alt BGB in Form der Eingriffskondiktion.

Allerdings greift hier der Grundsatz der Subsidia-rität der Nichtleistungskondiktion ein. Hier liegt - wie gesehen - eine Leistungsbeziehung zwischen E und S hinsichtlich Besitz und Eigentum (also exakt desselben Bereicherungsgegenstandes) vor, sodass eine Eingriffskondiktion des L gegen S gemäß § 812 I S.1, 2.Alt. BGB ausscheidet.

Ergebnis: Da keine weiteren Ansprüche ersichtlich sind, kann der L die Stereoanlage von der S nicht mehr herausverlangen.

D) Anspruch des L gegen E auf Wertersatz, §§ 822, 818 BGB

L könnte evtl. einen Anspruch gemäß § 822 BGB gegen E geltend machen.

§ 822 wird dabei teilweise als eine besondere Art der Leistungskondiktion bezeichnet15. Da aber in dem Verhältnis zwischen Anspruchsinhaber und -gegner eindeutig gerade keine Leistungsbeziehung vorliegt, handelt es sich richtigerweise um einen Sonderfall der Nichtleistungskondiktion in Form einer (gesetzlich ausnahmsweise zugelassenen) Di-rektkondiktion.

Ein Anspruch aus § 822 BGB wäre hier gegeben, wenn

• eine unentgeltliche Zuwendung von A als Be-rechtigtem an die E vorliegt,

• ein Bereicherungsanspruch des L gegen den A bestanden hatte,

• und dieser Anspruch des L infolge der unent-geltlichen Zuwendung entfallen ist.

15 Vgl. PALANDT, § 822 BGB, Rn. 5

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1. Im vorliegenden Fall ist § 822 BGB insoweit an-wendbar, als der A als Berechtigter handelte. Es handelt sich also um einen Fall des § 822 BGB, nicht um einen solchen des § 816 I S.2 BGB.

Anmerkung: In beiden Fällen geht es um unent-geltliche Geschäfte. Jedoch verfügt im Rahmen des § 816 I S.2 BGB ein Nichtberechtigter, während der Handelnde bei § 822 BGB in der Regel (nicht zwingend) dinglich Berechtigter ist, der aber selbst einem Kondiktionsanspruch ausgesetzt ist.

Da hier bei § 822 BGB das Gesetz auch nicht eine wirksame Verfügung des Berechtigten fordert, son-dern nur eine „Zuwendung“, steht die Tatsache nicht entgegen, dass der A sein Eigentum wegen § 1903 I BGB gar nicht an die E übertragen konnte, er dieses vielmehr erst infolge des späteren gut-gläubigen Erwerbs der S (s.o.) verlor.

2. Unproblematisch ist hier auch die Unentgeltlich-keit der Zuwendung von A an die E gegeben, da ei-ne Schenkung gemäß §§ 516 ff. BGB beabsichtigt war.

Exkurs: Typisches Klausurproblem ist hier die ge-mischte Schenkung.16 Deren rechtl. Behandlung ist str.17. Im Rahmen des § 822 geht man aber all-gemein davon aus, dass die Kondiktion nach dieser Vorschrift möglich ist, soweit es sich um den unent-geltlichen Teil des einheitlichen Vertrages handelt. Die Haftung erstreckt sich dann auf den Teil der Zuwendung, der als unentgeltlicher Erwerb anzu-sehen ist18.

3. Erforderlich ist weiterhin, dass ein Bereicherungs-anspruch des L gegen A bestand. Dabei muss die-ser gegen den Zuwendenden gegebene Bereiche-rungsanspruch keineswegs eine Leistungskondikti-on sein. Es genügt jeder beliebige gegen ihn ge-richtete Bereicherungsanspruch.

In Betracht käme hier ein Anspruch des L gegen A aus § 812 I S.1, 1.Alt. BGB (condictio indebiti). Dessen Voraussetzungen sind - wie oben schon ge-zeigt - hier auch tatsächlich erfüllt: L hat dem A wirksam Besitz und Eigentum an der Stereoanlage übertragen, und zwar um den vermeintlichen - letztlich aber unwirksamen - Kaufvertrag zu erfül-len; er hat somit ohne Rechtsgrund geleistet.

Auch § 814 steht nicht entgegen, da der L keine positive Rechtsfolgenkenntnis hatte; L hatte nach Sachverhalt auf die Wirksamkeit des Vertrages ver-traut.

16 Zum Begriff vgl. PALANDT, § 516 BGB, Rn. 13, v.a.

müsste vom bloßen Kauf unter Wert abgegrenzt werden. 17 PALANDT, § 516 BGB, Rn. 14 18 PALANDT, § 822 BGB, Rn. 6

4. Für einen Bereicherungsanspruch des L gegen E aus § 822 BGB ist aber neben dem Bestehen dieses Bereicherungsanspruchs L gegen A weiterhin er-forderlich, dass der Grundsatz der Subsidiarität des § 822 BGB nicht entgegensteht. Der Anspruch gegen den A muss nach dem Wortlaut („.... soweit ...“) also entfallen sein.

Da der A die Stereoanlage unentgeltlich an die E übertragen hat, könnte der Anspruch des L gegen A aus § 812 I S.1, 1.Alt. BGB gem. § 818 III BGB entfallen zu sein.

a) Etwas anderes könnte sich aber schon über die §§ 819 I, 818 IV, 292 I, 989 BGB ergeben. Bei Vor-liegen der Voraussetzungen dieser Anspruchskette würde der Anspruch des L gegen A weiterbestehen; folglich würde der subsidiäre § 822 BGB ge-genüber der E nicht eingreifen.

aa) Nach § 819 I BGB müsste A aber die Rechts-grundlosigkeit des Empfanges positiv gekannt ha-ben. Bösgläubigkeit i.S.d. § 819 erfordert positive Kenntnis, und zwar nicht nur der Tatsachen, son-dern auch hinsichtlich der Rechtsfolgen.

Entscheidend ist, ob ein objektiv Denkender vom Rechtsmangel überzeugt sein würde19.

bb) Strittig im Rahmen des § 819 BGB ist, auf wessen Kenntnis abzustellen ist: auf die des gesetzlichen Vertreters R (§ 166 I BGB analog) oder - jedenfalls bei Einsichtsfähigkeit - auf die des nicht voll Ge-schäftsfähigen selbst (Rechtsgedanke des § 828 BGB).

Richtigerweise ist mit der h.M.20 zwischen der Eingriffs- und der Leistungskondiktion zu differen-zieren. Während die Leistungskondiktion dem Ver-tragsrecht und somit der Anwendbarkeit der Wer-tungen aus §§ 104 ff, 166 BGB näher steht, ähnelt die Eingriffskondiktion dem Deliktsrecht. Hier geht es - wie oben gezeigt - um eine Leistungskon-diktion des L gegen den A.

Da der Betreuer R im entscheidenden Zeitpunkt der Weitergabe von A an die E von diesen Geschäften aber keinerlei Kenntnis hatte, scheidet eine Anwen-dung von § 819 I BGB (und damit der gesamten Anspruchskette) aber in jedem Fall aus.

Auf die weitere - nach Sachverhalt nur schwer zu beantwortende - Frage, ob der Kenntnisstand des A selbst für eine positive Rechtsfolgenkenntnis i.d.S. ausgereicht hätte, kommt es daher gar nicht an. Wenn er - aus welchen Gründen auch immer - auf den Bestand des Geschäftes mit L vertraut hätte, dann würde auch ein anderer Ansatz zur Vernei-nung des § 819 BGB führen.

19 Vgl. PALANDT, § 819 BGB, Rn. 2, 3 20 Vgl. PALANDT, § 819 BGB, Rn. 6

Page 20: BGB-AT Fall 8 - Lösung - Seite 1 Fall 8 - LösungBGB-AT Fall 8 - Lösung - Seite 2 h/w/t – 14-II Augsburg - Bayreuth – Berlin/Potsdam - Bielefeld - Bochum - Bonn - Bremen Düsseldorf

BGB-AT Fall 20 - Lösung - Seite 10

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b) Allerdings ist fraglich, ob der A überhaupt entrei-chert ist.

aa) Da er der E das Eigentum nicht wirksam verschafft hat (s.o.), war diese bei der Verfügung gegenüber der S Nichtberechtigte. Diese entgeltliche Verfü-gung von E an S war auch nach § 932 BGB wirk-sam (s.o.). Damit hat der A durch dieses Geschäft zwischen E und S einen Anspruch aus § 816 I S.1 BGB erlangt, der auf Herausgabe des tatsächlich Erlangten (also 700 €) geht. Er ist damit letztlich doch nicht entreichert gemäß § 818 III BGB.

Ein anderes Ergebnis wäre sehr bedenklich, weil dann die Gefahr doppelter Inanspruchnahme der E bestünde (§ 816 I S.1 BGB einerseits, § 822 BGB andererseits) und der A auch ungerecht-fertigterweise bevorteilt wäre.

Daher besteht aus diesem Grund der Anspruch des L gegen den A weiter. Folglich würde auch wiede-rum nicht der subsidiäre § 822 BGB gegen die E eingreifen.

bb) Anders kann man dies nur dann beurteilen, wenn der Anspruch aus § 816 I S.1 BGB - etwa wegen Vermögenslosigkeit der E - wirtschaftlich wertlos ist; dann wäre wiederum Entreicherung gegeben mit der Folge, dass § 822 BGB gegen E eingreifen könnte (aber jedenfalls zunächst wirtschaftlich nicht viel nützen würde!).

Anmerkung: Im Bereich der Dreiecksverhältnisse des § 812 I S.1, 1.Alt. BGB versucht man aus Gründen des Schutzes des nicht voll Geschäfts-fähigen, diesen aus der Rückabwicklung her-auszuhalten21. Dabei geht es aber in erster Linie darum zu verhindern, dass er das Liquiditätsrisiko trägt, was hier - wie gezeigt - gerade nicht der Fall ist. Zum Aufbau ist zu sagen: Grds. ist natürlich § 818 III BGB zu prüfen, bevor man sich dem § 819 BGB zuwendet. Da hier § 818 III aber dieses etwas knifflige Problem enthielt, während man bei § 819 „Grundhandwerkszeug“ loswerden konnte, erschien dieser Weg einmal taktisch geschickter. Für den hier gewählten Aufbau spricht aber v.a. auch die Tatsache, dass die Frage der Entreiche-rung nicht „hundertprozentig“ entschieden werden konnte (siehe eben); bei Anwendung des § 819 BGB hätte man aber den § 822 ohne weitere Zwei-fel ablehnen können.

21 Hierzu BGH, NJW 1990, 3195

I. Wiederholungsfragen:

1. Warum entfällt ein Anspruch aus § 433 II BGB?

2. Welche Anspruchsgrundlage kommt bei An-spruch des A gegen L auf Rückzahlung in Be-tracht?

3. Warum fehlt der Rechtsgrund für die Vermö-gensverschiebung?

4. Wie erwarb L das Eigentum am Geld?

5. Welche Bedeutung kommt dem § 818 II BGB beim Verlust von Eigentum am Geld zu?

6. Was ist die maßgebliche Aussage der Sal-dotheorie?

7. Warum gilt die Saldotheorie im Fall nicht?

8. Warum entfallen beim Anspruch des L gegen S auf Rückgabe der Stereoanlage die § 985 BGB und § 812 I S.1, 2.Alt. BGB?

9. Warum entfällt ein Anspruch des L gegen E auf Wertersatz gem. § 822 BGB?

II. Arbeitsanleitung:

Zur Neuordnung des Widerrufsrechts vgl. Ty-roller, Life&Law 4/2014, 296 ff. sowie 6/2014, 452 ff.

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SchuldR-AT Fall 4 - Lösung - Seite 1

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Fall 4 - Lösung

ÜBERSICHT FALL 4 A. Anspruch M gegen A auf Zahlung der 15.000,- €

gem. § 433 II BGB I. Wirksamer KV gem. § 433 BGB (+) II. Erlöschen des Anspruches gem.

§ 326 I S.1, 1.HS. BGB 1. Gegenseitiger Vertrag (+) 2. Unmöglichkeit der Übereignungspflicht, § 275 I a) Keine Eigentumsverschaffung, §§ 929 ff. BGB Pflicht besteht mangels Erfüllung fort b) Unmöglichkeit (+), da völlig zerstört III. Preisgefahrübergang auf den Käufer A in sys-

tematischer Ausnahme zu § 326 I 1 1.HS. BGB 1. § 326 II S.1 (-), mangels Vertretenmüssen bzw.

Annahmeverzug des A 2. § 446 BGB (-), da keine Übergabe 3. § 447 I BGB (Versendungskauf) ? a) Anwendbar, da jedenfalls kein VGK, vgl.

§ 474 IV BGB b) Versendung an anderen Ort

(+), da trotz Kostenübernahme eine Schick-schuld vorliegt (vgl. § 269 III BGB)

c) Auf Verlangen des A (+), da beiderseitige Eini-

gung dem Verlangen gleichsteht d) Übergabe an T (+) e) Zufälligkeit des Untergangs? (-), wenn M die Zerstörung zu vertreten hätte aa) Persönlich gemäß § 276 (-) bb) § 278 BGB: Ist T Erfüllungsgehilfe des M ?

(-), da bei Schickschuld der Transport nicht mehr zum Gesamtpflichtenkreis des M gehört

Wegen zufälligen Untergangs ging die Preisge-fahr auf A gem. § 447 BGB über, sodass der An-spruch des M aus § 433 II BGB fortbesteht!

IV. Erlöschen des Kaufpreisanspruches infolge Rücktritts gem. §§ 326 V, 323 BGB ?

(-), da ein Rücktritt gem. § 326 V wegen § 447 I nicht möglich ist

V. Gegenanspruch des A gegen M ? 1. Schadensersatzanspruch des A gegen M aus

§§ 280 I, III, 283 ? (-), da kein Vertretenmüssen (s.o.)

2. ZBR des A gem. § 273 BGB wegen evtl. Anspru-

ches gegen M auf Abtretung von dessen An-sprüchen gegen T gem. § 285 BGB ?

a) A hat gegen T gem. § 421 I S.2, 1.HS. i.V.m.

§ 425 HGB eigenen Anspruch auf SE b) Aber auch M kann diesen SEA geltend machen,

vgl. § 421 I S.2, 2.HS. HGB

„gesetzlich geregelter Fall der DSL“ c) Daher besteht die Gefahr der befreienden Leis-

tung des T an M gem. §§ 428, 429 III, 422 I BGB A hat gegen M ein ZBR gem. § 273 BGB bis

ihm von M dieser Anspruch abgetreten wird, § 285 BGB

B. Ansprüche des A gegen T I. Anspruch aus §§ 421 I S.2, 1.HS., 425 HGB II. Anspruch aus § 823 I BGB

(-), da A noch nicht Eigentümer war

Page 22: BGB-AT Fall 8 - Lösung - Seite 1 Fall 8 - LösungBGB-AT Fall 8 - Lösung - Seite 2 h/w/t – 14-II Augsburg - Bayreuth – Berlin/Potsdam - Bielefeld - Bochum - Bonn - Bremen Düsseldorf

SchuldR-AT Fall 4 - Lösung - Seite 2

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1. Abwandlung I. Anspruch M gegen A aus § 433 II BGB (+), da Anspruch nicht gem. § 326 I S.1, 1.HS.

BGB erloschen ist, vgl. § 447 I BGB (s. o.) ein Rücktritt gem. § 326 V ist wegen § 447 I

nicht möglich II. Anspruch des A gegen M auf Abtretung ?

hier (-), da wegen § 426 HGB bzw. § 7 II StVG kein abtretbarer SEA des M gegen T besteht

2. Abwandlung I. Anspruch M gegen A gem. § 433 II BGB (-), da nach § 326 I S.1, 1.HS. BGB erloschen II. Preisgefahrübergang auf A gem. § 447 BGB? Nach h.M. ist § 447 BGB auch beim Trans-

port durch eigene Leute anwendbar, da Verkäu-fer mit Versendung eine Leistung übernimmt, zu der er bei Schickschuld nicht verpflichtet ist

dann Lösung wie in 1.Abwandlung !

3. Abwandlung I. Anspruch des M gegen A aus § 433 II BGB ist

entstanden II. Erlöschen des Anspruchs gem. § 326 I 1, 1.HS.

BGB III. Preisgefahrübergang gem. § 447 BGB

(-), wenn Vertretenmüssen des M gem. § 278 BGB, sodass kein zufälliger Untergang vorliegt

1. Eigener Fahrer grds. kein Erfüllungsgehilfe, da

Transport nicht geschuldet, (s.o.) 2. Wertungsmäßige Korrektur? a) Ergebnis, wenn, § 278 BGB abgelehnt wird

nur dann billig, wenn A einen Anspruch ge-gen M auf Abtretung von dessen Ansprüchen gegen seinen angestellten Firmenfahrer hat dann bestünde ein ZBR des A gegen M

P: Hat M Anspruch gegen seinen Fahrer aus

§ 280 I wegen Pflichtverletzung des § 611 BGB und § 823 BGB, den er nach den Grds. der DriSchaLi an A abtreten muss ?

(1) Hier (-), da wegen des innerbetrieblichen Scha-densausgleichs ein SEA des M gegen seine AN bei leichter Fahrlässigkeit entfällt

(2) Damit würde mangels Anspruchs des M gegen

seinen Fahrer auch ein ZBR des A gegen M aus-scheiden

b) Eine Schlechterstellung des Käufers beim Trans-port durch eigene Leute des Verkäufers ist aber unbillig

nach h.M. ist aus Wertungsgründen § 278 BGB analog anzuwenden (strittig)

Merke: Der Käufer darf beim Transport durch eigene Leute des Verkäufers weder besser noch schlechter gestellt werden !

es liegt daher kein zufälliger Untergang vor, sodass kein Preisgefahrübergang gem. § 447 BGB vorliegt

Ergebnis: M kann wegen § 326 I S.1, 1.HS. von A die Zahlung der 15.000,- € aus § 433 II BGB nicht verlangen.

Page 23: BGB-AT Fall 8 - Lösung - Seite 1 Fall 8 - LösungBGB-AT Fall 8 - Lösung - Seite 2 h/w/t – 14-II Augsburg - Bayreuth – Berlin/Potsdam - Bielefeld - Bochum - Bonn - Bremen Düsseldorf

SchuldR-AT Fall 4 - Lösung - Seite 3

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LÖSUNG FALL 4

A. Anspruch M gegen A

Es könnte ein Anspruch aus § 433 II BGB gegeben sein.

I. Ein wirksamer Kaufvertrag ist zustande gekom-men (§§ 145 ff. BGB).

II. Der Kaufpreisanspruch könnte wegen Unmöglich-keit der Leistung (§ 275 I BGB) erloschen sein, § 326 I S.1, 1.HS. BGB.

1. § 326 I S.1, 1.HS. BGB ist nur dann zu bejahen, wenn M seine Leistungspflicht (Übereignung und Besitzverschaffung) noch nicht erfüllt hat. Nur dann könnte diese noch gemäß § 275 I BGB un-möglich werden.

Eine Eigentumsverschaffung liegt noch nicht bei den Verkaufsverhandlungen nach §§ 929, 930 BGB vor, da noch keine besondere Vereinbarung über den Eigentumsübergang vorliegt. Auch in der Ver-sendung kann keine derartige Vereinbarung ge-sehen werden, vielmehr erfolgt diese gerade zum Zwecke der Übereignung. Eine Erfüllung war hier also noch nicht gegeben.1

2. Unmöglichkeit der Leistung i.S.d. § 275 I BGB liegt vor, da eine vollständige Zerstörung der Kauf-sache erfolgt ist.

Der Anspruch auf die Kaufpreiszahlung ist somit erloschen gemäß § 326 I S.1, 1.HS. BGB.

III. Preisgefahrübergang auf den Käufer A in syste-matischer Ausnahme zu § 326 I S.1,1. HS. BGB

Merke: Ausnahmen zu § 326 I S.1 1.HS. BGB kön-nen vertraglich vereinbart werden. Im Übrigen gel-ten die §§ 326 II; 446; 447; 615; 644, 645; 2380 BGB.

1. Ausnahme des § 326 II S.1

Nachdem der Gläubiger (A) die Unmöglichkeit nicht zu vertreten hatte und im Übrigen sich auch nicht in Annahmeverzug befand, scheidet die an-spruchserhaltende Norm des § 326 II S.1 BGB von vornherein aus.

1 Erfüllung und Übergang der Gefahr müssen also klar ge-

trennt werden!

2. Preisgefahrübergang gem. § 446

Die Preisgefahr (Gegenleistungsgefahr) könnte je-doch gem. § 446 zum Schutz des Verkäufers auf den Käufer übergegangen sein.

§ 446 BGB scheidet jedoch aus, da die Übergabe fehlt.

3. Preisgefahrübergang gem. § 4472

a) Anwendbarkeit des § 447 BGB

Da laut Sachverhalt zwei Kaufleute beteiligt waren, liegt kein Verbrauchsgüterkauf i.S.d. § 474 I BGB vor.

Damit ist § 447 BGB auch nicht durch § 474 IV, V S. 2 BGB n.F. ausgeschlossen.

Anmerkung: Beim Vorliegen eines Verbrauchsgü-terkaufes müssen Sie auf Folgendes achten:

Vom 01.01.2002 bis zum 12.06.2014 war die käu-ferfeindliche Vorschrift des § 447 BGB beim Ver-brauchsgüterkauf generell unanwendbar. Dies re-gelt § 474 II S. 2 BGB. Nach ganz h.M. war § 474 II S. 2 BGB wegen der Vorschrift des § 475 I S. 1 BGB auch nicht abdingbar. Dies sollte sogar dann gelten, wenn die Versendung auf Wunsch des Käufers durch ein von ihm ausgesuch-tes Transportunternehmen erfolgt.

Diese absolute Nichtgeltung des § 447 BGB beim Verbrauchsgüterkauf hat sich mit Wirkung zum 13.06.2014 geändert. Durch Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie3 wird die Vor-schrift des § 474 II S. 2 BGB durch § 474 V S. 2 BGB ersetzt. In § 474 IV BGB n.F. ist aber nun ge-regelt, dass § 447 I BGB mit der Maßgabe gilt, dass die Gefahr des zufälligen Untergangs und der zufälligen Verschlechterung auf den Käufer über-geht, wenn dieser den Spediteur, den Frachtführer oder die sonst zur Ausführung der Versendung be-stimmte Person oder Anstalt mit der Ausführung beauftragt hat und der Unternehmer dem Käufer diese Person oder Anstalt nicht zuvor benannt hat.

2 Zur Vertiefung für Hausarbeiten vgl. WERTENBRUCH

„Gefahrtragung beim Versendungskauf nach neuem Schuldrecht“ in JuS 2003, 625 ff.

3 Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie und zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Woh-nungsvermittlung im Deutschen Bundestag beschlossen, beschlossen am 20.09.2013. Dieses Gesetz dient der Umsetzung der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtli-nie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates.

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SchuldR-AT Fall 4 - Lösung - Seite 4

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Für die Sonderkonstellation, dass der Verbraucher die Beförderung der Sache selbst organisiert, also den oder die möglichen Beförderer ohne Rückgriff auf einen Vorschlag des Unternehmers auswählt, ist § 447 I BGB daher zukünftig anwendbar. Die Gesetzesänderung beruht auf der Erwägung, dass der Beförderer in einem solchen Fall der Sphäre des Käufers zuzurechnen ist.

Beispiel: K kauft auf der Internetplattform eBay von Powerseller V ein Notebook zum privaten Ge-brauch. V schreibt auf seiner Verkaufsseite, dass die Versendung durch Hermes-Versand erfolgen wird. Da K mit dem Hermes-Zusteller in seinem Wohnort schlechte Erfahrung gemacht hat, bittet K den V den Versand über DHL selbst organisieren zu dürfen.

In diesem Fall, der die absolute Ausnahme darstel-len wird, findet § 447 I BGB künftig auch beim Verbrauchsgüterkauf Anwendung.

b) Voraussetzungen des § 447 BGB

Wenn ein Versendungskauf vorliegt, greift § 447 BGB ein, mit der Folge, dass mit Übergabe der Kaufsache an das Transportunternehmen die Preis-gefahr auf den Käufer übergeht. Die Voraussetzun-gen des § 447 BGB liegen hier auch tatsächlich vor:

aa) Die Übergabe an das Transportunternehmen ist er-folgt.

bb) Des Weiteren müsste die Versendung auf Verlangen des Käufers nach einem anderen Ort als dem Leis-tungs- bzw. Erfüllungsort erfolgt sein, d.h. es müss-te eine Schickschuld vorliegen.

Eine Holschuld scheidet nach dem Sachverhalt aber von vornherein aus.

Die Übernahme der Versendungskosten durch den Verkäufer M, die normalerweise der Käufer A gem. § 448 I zu tragen hätte, führt im Zweifel allein noch nicht zur Annahme einer Bringschuld, § 269 III BGB.

Da dem Sachverhalt keine weiteren Anhaltspunkte für eine Bringschuld zu entnehmen sind, muss von einer Schickschuld ausgegangen werden.

Leistungs- oder Erfüllungsort (nicht zu verwech-seln mit dem Erfolgsort!4) ist hier damit der Woh-nort des Verkäufers, denn die Versendung erfolgte zum Wohnsitz des Käufers.

4 vgl. PALANDT, § 269 BGB, Rn. 1

Anmerkung: Auch bei einer Versendung innerhalb derselben Ortschaft ist § 447 BGB anwendbar, da mit „Ort“ nicht die politische Gemeinde, sondern die konkrete Stelle gemeint ist, an welcher die Leis-tung zu erbringen ist (sog. „Platzgeschäft“).5

cc) Das Einverständnis des Verkäufers mit der Versen-dung steht dem Verlangen gleich6.

dd) Zufälligkeit des Untergangs

Nach § 447 BGB geht (ebenso wie bei § 446 BGB) die Gefahr nur dann über, wenn der Untergang zu-fällig erfolgte, also von keiner der Parteien zu ver-treten war7.

Anmerkung: Lesen Sie § 326 II S.1 BGB. Auch hier steht, dass der Schuldner die Unmöglichkeit nicht zu vertreten haben darf.

Auch § 645 I BGB ist nur anwendbar, wenn der Schuldner (= Werkunternehmer) die Leistungsstö-rung nicht zu vertreten hat.

Es ist daher auch ohne ausdrückliche Regelung ein generelles Tatbestandsmerkmal des Preisgefahr-übergangs, dass der Schuldner die Leistungsstö-rung nicht zu vertreten haben darf.

§ 644 I S.2 BGB erwähnt bspw. auch nicht, dass der Schuldner die Unausführbarkeit des Werkes nicht zu vertreten haben darf. Jedoch besteht Ei-nigkeit darüber, dass diese Negativvoraussetzung in § 644 I S.2 BGB hineingelesen werden muss.8 Ansonsten entstünde ein nicht gerechtfertigter Wer-tungswiderspruch zu § 326 II S.1, 2.Alt. bzw. § 645 I S.1 BGB. Dort wird auch vorausgesetzt, dass der Unternehmer die Unausführbarkeit nicht zu vertreten haben darf.

Da für ein Vertretenmüssen des A nichts ersichtlich ist, war die Zerstörung des Aquarells nur dann zu-fällig, wenn diese auch nicht von M zu vertreten wäre.

Mangels eigenen Vertretenmüssens gemäß § 276 I kommt nur eine Zurechnung gem. § 278 BGB in Betracht, wenn T als Erfüllungsgehilfe des M tätig geworden wäre.

Entscheidend ist hierbei, ob der Erfüllungsgehilfe mit Wissen und Wollen des Schuldners bei der Er-füllung einer dem Schuldner obliegenden Verbind-lichkeit tätig wird9.

5 Vgl. Palandt § 447 Rn. 12 (absolut h.M.); a.A. mit wenig

überzeugender Begründung Jauernig, § 447, Rn. 6. 6 Vgl. PALANDT, § 447, Rn. 9 7 Vgl. PALANDT, § 447, Rn. 15 8 Vgl. Fall 5 sowie PALANDT, § 645 BGB, Rn. 6. 9 Vgl. PALANDT, § 278 BGB, Rn. 7

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SchuldR-AT Fall 4 - Lösung - Seite 5

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Es fragt sich daher, ob der Transport zum Pflich-tenkreis des M gehörte.

Welche Leistungshandlung der Schuldner zu er-bringen hat, hängt gemäß § 269 BGB davon ab, ob eine Hol-, Bring- oder Schickschuld vereinbart war.

Nur wenn eine Bringschuld vorliegt, würde auch der Transport noch zu den Leistungspflichten des M gehören, da der Leistungsort hier die Wohnung bzw. das Geschäftslokal des Gläubigers ist.

Anmerkung: Bei der Hol- oder Schickschuld ist der Leistungsort beim Schuldner.

Hier lag (wie bereits dargestellt) eine Schickschuld vor (vgl. nochmals § 269 III BGB).

Bei der Schickschuld hat der Schuldner seine Leis-tungshandlung bereits mit Übergabe an die Trans-portperson erfüllt (vgl. § 447 BGB).

Das Transportunternehmen kann demnach nicht mehr in Erfüllung einer Verbindlichkeit des M ge-genüber A tätig werden.

§ 278 BGB greift somit nicht ein, sodass die Zer-störung des Aquarells zufällig erfolgte.

Zwar wird das Verschulden des Fahrers dem T nach § 428 S.1 HGB (als „lex specialis“ zu § 278 BGB) zugerechnet, aber das damit gegebene Verschulden des T eben nicht dem Verkäufer M.

Gemäß § 447 BGB behält M also den Kaufpreisan-spruch.

IV. Erlöschen des Kaufpreisanspruches infolge Rücktritts gem. §§ 326 V, 323 BGB ?

Auch durch einen Rücktritt gem. §§ 326 V, 323 BGB kann der Käufer seiner Kaufpreiszah-lungspflicht nicht entkommen.

Zwar wäre die Bejahung des vom Vertretenmüssen unabhängigen Rücktrittsrechts das Ergebnis schlichter Subsumtion des Gesetzestextes. Aller-dings würde dann übersehen, dass damit die Wer-tung der Preisgefahrübergangsregelung des § 447 I BGB völlig leer laufen würde.

§ 323 VI BGB, der dem Wortlaut des § 326 II S.1 BGB entspricht, zeigt gerade, dass in den Fällen, in denen die Preisgefahr auf den Käufer übergegangen ist, der Rücktritt ausgeschlossen ist.

Daher kann man entweder in den Fällen des § 447 I BGB den § 323 VI BGB analog heranzie-hen oder aber das Rücktrittsrecht im Wege einer te-leologischen Reduktion ausschließen.10

10 Vgl. Staudinger, § 326, Rn. 31; Meier, JURA 2002, 118

[124]; Lettl, JuS 2004, 314 [315]; HENNRICHS/KORDES, JA 2005. 269 [271].

Anmerkung: Der Ansatz von MANSEL/STÜRNER, die in diesem Fall bereits die Pflichtverletzung ableh-nen11, ist wenig überzeugend, da der Preisgefahr-übergang nichts daran ändert, dass der Erfolgsein-tritt unmöglich geworden ist. Gerade dies stellt die relevante Pflichtverletzung dar. Diese Ansicht ver-mengt daher Fragen der Preisgefahr mit denen der Leistungsgefahr.

V. Gegenansprüche des A

1. Anspruch des A gegen M auf Schadensersatz statt der Leistung gemäß §§ 280 I, III, 283 BGB

Voraussetzung hierfür wäre, dass M die Unmög-lichkeit zu vertreten hätte, vgl. § 280 I 2 BGB.

Dies ist zu verneinen, sodass ein Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung gemäß §§ 280 I, III, 283 daher ausscheidet.

2. Zurückbehaltungsrecht des A gem. § 273 I BGB wegen evtl. Anspruches gegen M auf Abtretung von dessen Ansprüchen gegen T gem. § 285 BGB ?

Möglicherweise kann A aber verlangen, dass ihm Zug um Zug gegen Zahlung ein Anspruch gegen die Transportperson abgetreten wird, §§ 273, 274 I BGB.

Da dieser Anspruch auf demselben Sachverhalt be-ruht, also unproblematisch konnex ist, stünde dem Käufer dann ein Zurückbehaltungsrecht gemäß § 273 I BGB zu.

Für die Ansprüche gegen die Transportperson gel-ten hier die §§ 407 ff. HGB.

Da die Beförderung - wie die Umstände ergeben - dauerhaft und mit Gewinnerzielungsabsicht erfolg-te, liegt eine gewerbsmäßige Beförderung vor, so-dass die Voraussetzungen von § 407 III HGB vor-liegen.

Wie man dem § 407 III S.2 HGB entnehmen kann, findet das Frachtrecht auch auf die nicht im Han-delsregister eingetragenen Kleingewerbetreibenden i.S.d. § 2 HGB Anwendung.12

Anspruchsgrundlage gegen T ist § 425 I HGB, der hier auch gegeben ist. Insbesondere ist nichts für das ausnahmsweise Entfallen gemäß § 426 HGB oder gemäß § 427 HGB ersichtlich.

Stattdessen wird dem T das Verschulden seines Fahrers gemäß § 428 HGB zugerechnet. Gemäß § 421 I HGB hat der Empfänger A nun zwar die Möglichkeit, selbst gegen den Transporteur vorzu-gehen, obwohl er nicht Vertragspartner ist (§ 421 I S.2, 1.HS. HGB).

11 MANSEL/SÜRNER, JuS 2006, 608 [610]. 12 Vgl. dazu OETKER in JuS 2001, 833 ff. (835).

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Anmerkung: Dabei ist umstritten, ob es sich ledig-lich um einen Fall einer gesetzlichen Prozessstand-schaft handelt13, oder ob diese Vorschrift materi-ellrechtlich einen eigenen Anspruch begründet.14

Letzteres ist überzeugend. Hierfür spricht neben dem Wortlaut des § 421 I S.2 HGB auch die Ent-stehungsgeschichte. Der Frachtvertrag zwischen Absender und Frachtführer war bereits früher ein Vertrag zugunsten Dritter (§ 435 a.F. HGB), sodass der Gesetzgeber dies in § 421 I S.2 HGB wohl er-neut so regeln wollte.

Daher gewährt diese Vorschrift dem Empfänger nicht nur eine prozessuale Berechtigung, sondern einen eigenen materiellrechtlichen Anspruch i.S.e. echten Vertrages zugunsten Dritter.15

Allerdings ist zu berücksichtigen, dass der Absen-der - hier also der Verkäufer M - gemäß § 421 I S.2, 2.HS. HGB auch selbst zur Geltend-machung befugt bleibt.

Gemäß § 421 I S.3 HGB kommt es dabei nicht da-rauf an, ob der Schaden beim Verkäufer liegt (so bei der hier nicht gegebenen Bringschuld) oder beim Käufer (so wegen § 447 BGB beim hier ge-gebenen Versendungskauf).

Da also auch der im konkreten Fall nicht Geschä-digte den Anspruch liquidieren kann, handelt es sich hier letztlich um einen gesetzlich geregelten Fall der Drittschadensliquidation.16

hemmer-Methode: Der bisherige Lösungsweg über die ungeschriebenen Regeln der Drittscha-densliquidation wird also nur noch dann bedeut-sam, wenn die Voraussetzungen von § 407 III HGB nicht vorliegen. Da sogar für das Kleingewerbe ei-ne Regelung erfolgte (vgl. § 407 III S.2 HGB), wird ein Aufgabensteller dazu auf eine nicht gewerbs-mäßige Beförderung ausweichen müssen. Dann bietet es sich u.U. an, diese im Sachverhalt auch gleich als unentgeltliche darzustellen, sodass in einer Klausur u.U. auch die Haftungsgrundsätze im Gefälligkeitsverhältnis von Bedeutung sein könnten.

Da also sowohl der Verkäufer als auch der Käufer den Anspruch gegenüber dem Transporteur geltend machen können („Doppellegitimation“17) ist davon auszugehen, dass es sich um eine Gesamtgläubi-gerschaft handelt.

13 So bspw. BÜDENBENDER in NJW 2000, 986 [988]. 14 So die h.L.; vgl. z.B. CANARIS, Handelsrecht, § 33 II 5a. 15 Vgl. dazu absolut überzeugend auch OETKER in JuS

2001, 833 ff. [836]. 16 HERBER, NJW 1998, 3297 [3302] 17 Vgl. dazu OETKER in JuS 2001, 833 ff. [839 f.]

Gemäß §§ 428, 429 III i.V.m. §§ 422 I, 362 I BGB besteht dadurch für den Käufer die Gefahr, dass mit befreiender Wirkung an den Verkäufer geleistet wird.

Dann wäre er - wie oben gezeigt - wegen § 447 BGB einerseits zur Zahlung des Kaufpreises ver-pflichtet, könnte sich aber andererseits nicht mehr an den Transporteur halten.

Vor dieser Gefahr muss der Käufer geschützt wer-den18.

Daher ist davon auszugehen, dass ein Anspruch des Käufers A gegen den Verkäufer M auf Abtretung des Schadensersatzanspruches des Verkäufers ge-gen den Transporteur besteht.

Dies lässt sich mit § 242 BGB oder § 285 BGB be-gründen bzw. mit einer Nebenpflicht aus dem Kaufvertrag.19

Anmerkung: Zahlt der Frachtführer T vor der Ab-tretung an den M, so wird T gem. §§ 428, 429 III, 422 I, 362 I BGB gegenüber dem A frei. M ist aber gem. § 285 BGB zur Herausgabe des Erlangten an A verpflichtet. Zahlt der Frachtführer T nach der Abtretung infolge Unkenntnis hiervon dennoch an den M, so wird T gem. § 407 BGB frei. In diesem Fall hat A gegen M einen Anspruch auf Erlösher-ausgabe nach § 816 II BGB.

Verhindern ließe sich das dadurch, dass man dem Frachtführer die erfolgte Abtretung sofort mitteilt und dieser infolge Kenntnis nicht mehr befreiend gem. § 407 I BGB an den bisherigen Gläubiger leisten kann.

Ergebnis: M hat einen Kaufpreisanspruch aus § 433 II BGB, muss aber seine Ansprüche gegen T Zug um Zug (§ 274 I BGB) abtreten.

B. Anspruch des A gegen T

I. In Betracht kommt ein Anspruch aus § 425 i.V.m. § 421 I S.2, 1.HS. HGB

Nach dem oben Gesagten ist dieser Anspruch auch gegeben.

Richtigerweise sind diese Regelungen als leges speciales gegenüber einem Schadensersatzan-spruch wegen Pflichtverletzung des Transportver-trages gemäß § 280 I BGB i.V.m. den Grundsätzen des Vertrages mit Schutzwirkung anzusehen. An-dernfalls würde man die besondere Ausgestaltung der Haftung in den §§ 426 ff. HGB aus den Angeln heben.

18 Eine a.A. vertreten HENNRICHS/KORDES, JA 2005. 269

[273]. 19 Vgl. Life&LAW 1998, 678 ff.; JuS 2000, 624..

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II. Ansprüche aus Deliktsrecht, § 823 I bzw. § 831

Solche Ansprüche entfallen, weil A zur Zeit des Unfalls noch nicht Eigentümer war, das bloße Vermögen aber durch § 823 I BGB nicht geschützt ist, wenn es sich dabei nicht um die Folge einer Rechtsgutsverletzung handelt.

Es ist davon auszugehen, dass auch § 421 I S.3 HGB daran nichts ändert, da diese Vorschrift nur den Schaden zum Anspruch ziehen will (kodifizier-te Drittschadensliquidation; s.o.), nicht aber das Er-fordernis einer Rechtsgutsverletzung für entbehr-lich erklären will.

1. Abwandlung

Im vorliegenden Fall wirkt sich die Härte des § 447 BGB vollständig aus:

I. Nicht anders als im Ausgangsfall muss der Käufer gemäß § 433 II BGB den Kaufpreis zahlen, da als Ausnahme zu § 326 I S.1, 1.HS. BGB die Gefahr nach § 447 BGB übergegangen war.

Auch durch einen Rücktritt gem. §§ 326 V, 323 BGB kann der Käufer seiner Kaufpreiszah-lungspflicht nicht entkommen (s.o.).

II. Ansprüche gegen den Transporteur gem. §§ 421, 425 HGB sind nicht gegeben, und zwar weder sol-che des Käufers, noch solche des Verkäufers.

Es ist nach Sachverhalt nämlich davon auszugehen, dass der verschärfte Entlastungsbeweis des § 426 HGB („größter Sorgfalt“) geführt werden kann.

Wegen der „höheren Gewalt“ entfallen auch An-sprüche aus der Halterhaftung, vgl. § 7 II StVG.

Anmerkung: Im Übrigen würden Ansprüche aus § 7 StVG bereits an § 8 Nr. 3 StVG scheitern.

2. Abwandlung

I. Wie im Ausgangsfall müsste der Käufer gemäß § 433 II BGB den Kaufpreis zahlen, wenn als Aus-nahme zu § 326 I S.1, 1.HS. BGB die Gefahr nach § 447 BGB übergegangen wäre.

II. Fraglich ist, ob § 447 BGB auch bei einem Trans-port durch die eigenen Mitarbeiter des Verkäufers anwendbar ist (mit der Folge, dass A bezahlen müsste).

1. Teilweise wird vertreten, dass § 447 BGB für sol-che Konstellationen nicht passe, weil hier die Ware den Machtbereich des Verkäufers noch nicht ver-lassen habe20.

2. Mit der h.M.21 ist bei einem durch den Mitarbeiter nicht verschuldeten Untergang die Anwendbarkeit des § 447 BGB auch in diesem Fall zu bejahen. Ei-ne andere Auslegung widerspricht der ratio des § 447 BGB.

Gegen § 447 BGB spricht nicht, dass eigene Leute des Verkäufers in den Transport eingeschaltet wer-den.

§ 447 BGB würde zwar entfallen, wenn eine Bring-schuld vorliegt, weil dann wiederum die §§ 280 I, III, 283 BGB einschlägig wären.

Die bloße Übernahme des Transports führt noch nicht zu einer Bringschuld, und etwas anderes gilt auch nicht, wenn später dazu eigene Mitarbeiter eingesetzt werden, ohne dass gerade dies mit dem Käufer vereinbart worden war.22

§ 447 BGB schützt den Verkäufer davor, die Preis-gefahr länger tragen zu müssen, als in den Fällen der unmittelbaren Übergabe des Kaufgegenstandes. Denn der Verkäufer, der auf Verlangen des Käufers die Versendung der Kaufsache an einen anderen Ort als den Leistungsort besorgt, übernimmt eine Leistung, zu der er an sich nicht verpflichtet ist.

Dabei kann es nicht darauf ankommen, ob der Ver-käufer fremde oder eigene Personen in den Trans-portvorgang einschaltet.

Ergebnis: M hat einen Kaufpreisanspruch aus § 433 II BGB, Gegenrechte des A bestehen nicht, da M keine Ansprüche gegen seinen Fahrer hat, die er nach den Grds. der DriSchLi abtreten könnte.

20 Vgl. MEDICUS, BR, Rn. 275; WERTENBRUCH in

JuS 2003, 625 [628 f.] 21 RGZ 96, 258; PALANDT, § 447 BGB, Rn. 8 22 Zu einem anderen Ergebnis (also Bringschuld) kann die

Auslegung aber dann kommen, wenn von Anfang an ge-rade die Lieferung durch eigene Leute vereinbart war (vgl. MüKo, § 447 BGB, Rn. 14).

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3. Abwandlung

I. Der Anspruch des M gegen A ist wiederum aus § 433 II BGB entstanden.

II. Infolge der Unmöglichkeit der Leistungspflicht des M ist der Anspruch auf die Gegenleistung gemäß § 326 I S.1, 1.HS. BGB unabhängig vom Vertre-tenmüssen der Vertragsparteien grundsätzlich erlo-schen.

III. Preisgefahrübergang gem. § 447 BGB ?

A könnte wegen der anspruchserhaltenden Norm des § 447 BGB verpflichtet sein, den Kaufpreis zu zahlen (§ 433 II BGB).

1. Auf den Transport durch eigene Leute ist § 447 BGB anwendbar (s.o.).

2. Fraglich ist, ob der Untergang zufällig erfolgte.

Problematisch ist wiederum das Vertretenmüssen des M. Dies könnte man nur bejahen, wenn man das Verschulden des Firmenfahrers dem M gem. § 278 zurechnen könnte.

1. An sich müsste § 278 BGB abgelehnt werden. Denn wenn die Anwendung des § 447 BGB bei der Zustellung durch eigene Leute grundsätzlich bejaht wird, so erscheint es nur folgerichtig, dass der Ver-käufer nur das Absenden schuldet, nicht den Trans-port als solchen.

Die beim Transport eingesetzten eigenen Leute wä-ren demnach keine Erfüllungsgehilfen, weil sie nicht bei der Erfüllung einer Pflicht des Verkäufers eingesetzt werden.

2. Wenn man allerdings § 278 BGB als Zurechnungs-norm vorliegend nicht anwendet, scheidet ein Ge-genanspruch des A auf Schadensersatz aus. Trotz-dem ist A gegenüber M zur Zahlung des Kaufprei-ses gemäß § 433 II ΒGB verpflichtet.

Dieses Ergebnis bedarf jedoch einer wertungsmä-ßigen Überprüfung. Gegen dieses Ergebnis spricht nämlich, dass sie den Käufer in einer nicht zu rechtfertigenden Weise benachteiligen würde. Im-merhin besteht beim Transport durch ein fremdes Unternehmen, das schuldhaft die Ware zerstört, die Möglichkeit des Vorgehens über §§ 421, 425 HGB.

Erfolgt dagegen der Transport durch eigene Leute des Verkäufers, die die Ware schuldhaft zerstören, so besteht eine solche Möglichkeit nicht.

Anmerkung: Beachten Sie bitte, dass die Entgelt-lichkeit keine Voraussetzung für die Anwendung der §§ 407 ff. HGB ist. Daher könnten diese Vor-schriften auch auf den Transport durch den Ver-käufer selbst Anwendung finden.

Allerdings ist in diesen Fällen der Transport nur eine Nebenleistung zum Verkauf, sodass der paral-lele Abschluss eines eigenständigen Frachtvertra-ges lebensfremd wäre.23

Allenfalls wäre nach den Grundsätzen der Dritt-schadensliquidation an die Abtretung von Ansprü-chen gegen den Fahrer, also solchen aus § 280 I BGB wegen Pflichtverletzung des Arbeits-vertrages bzw. § 823 I BGB zu denken.

Bei leichter Fahrlässigkeit haftet der Fahrer aber aufgrund der Haftungsprivilegierung von Arbeit-nehmern (sog. innerbetrieblicher Schadensaus-gleich) im Innenverhältnis zu seinem Arbeitgeber nicht, sodass dann ein Anspruch des Verkäufers gegen den eigenen Fahrer nicht besteht.

Da der Fahrer häufig auch nicht die notwendige Solvenz besitzt, kann eine Schlechterstellung des Käufers nur dadurch vermieden werden, dass der Verkäufer wie ein Transportunternehmer haftet.

Entscheidend ist, dass der Verkäufer faktisch eine Doppelrolle hat. Er ist zusätzlich Transportperson, auch wenn kein besonderer Transportvertrag mit dem Käufer geschlossen wurde.

3. Diese Überlegungen rechtfertigen es, § 278 BGB in der vorliegenden Konstellation anzuwenden.

Man könnte argumentieren, dass der Verkäufer, so-lange sich die Ware in seinem Machtbereich befin-det, Schutzpflichten (§ 241 II BGB) gegenüber dem Käufer hat und in diesem Pflichtenkreis der firmeneigene Fahrer auch tätig wird.

Für die h.M. spricht zudem, dass das Gesetz selbst im vergleichbaren Fall der Einschaltung von Gehil-fen im Rahmen eines Auftrages in § 664 I S.3 BGB eine Verschuldenszurechnung anordnet.

Dies hat zur Folge, dass der Untergang des Aqua-rells nicht zufällig erfolgte.

§ 447 BGB ist daher nicht einschlägig, sodass der Kaufpreisanspruch aus § 433 II BGB erloschen ist, § 326 I S.1, 1.HS. BGB.

Ergebnis: M kann von A nicht die Zahlung der 15.000,- € verlangen.

Anmerkung: Wäre der Wert der Sache höher als der Kaufpreis (z.B. 18.000,- €), so wäre in Höhe der Differenz (3.000,- €) wegen des entgangenen „Schnäppchens“ noch an einen Schadensersatzan-spruch des A gegen M aus §§ 280 I, III, 283 BGB zu denken!

Mangels genauerer Angaben im Sachverhalt liegen aber keine Anhaltspunkte für einen ersatzfähigen Schaden vor.

23 Vgl. dazu auch Oetker in JuS 2001, 833 ff. [835].

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I. Wiederholungsfragen:

1. Warum scheidet T als Erfüllungsgehilfe des M aus?

2. Wann liegt ein Versendungskauf vor?

3. Was bedeutet Erfüllungsort, was Erfolgsort, was Leistungsort?

4. Warum muss § 447 BGB auch beim Transport durch eigene Leute anwendbar sein?

5. Sind beim Versendungskauf die transportier-enden eigenen Leute Erfüllungsgehilfen i.S.d. § 278 BGB?

II. Vertiefungshinweis:

1. Zu den Ausnahmen zu § 326 I S.1, 1.HS. BGB vgl. HEMMER/WÜST, Schuld-recht AT, Rn. 110 ff.

2. Zur Gefahrtragung im Versandhandel lesen Sie BGH Life&Law 2003, 840 ff. mit der Be-sprechung von LORENZ in ZGS 2003, 421 ff.

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Fall 10 - Lösung

ÜBERSICHT FALL 10

Anspruch M gegen A aus § 433 II BGB

1. Vertragsschluss?

Angebot am 16.02.2002

Annahmeerklärung am 18.02.2002

aber wegen 150 II BGB neues Angebot letztlich Annahme durch M 2. Vertragsinhalt: „Der Huber“

die Bezeichnung als „Huber“ diente nur der Identifizierung (Empfängerhorizont) daher kein Dissens

II. Kaufpreisanspruch könnte entfallen sein 1. Rücktritt nach § 323 BGB Problem: A hat dem M keine Frist zur Erbrin-

gung der Leistung i.S.d. § 323 I BGB gesetzt!

a) Entbehrlichkeit der Fristsetzung gem. § 323 II Nr.2 wegen relativen Fixgeschäfts ?

(-), da Stehen und Fallen des Rechtsgeschäfts

mit Einhaltung der Leistungszeit nicht Ver-tragsinhalt wurde

Damit scheidet auch ein Rücktritt nach § 376 HGB aus!

b) Entbehrlichkeit der Fristsetzung nach

§ 323 II Nr. 3 BGB ? (-), da seit 13.06.2014 nur noch anwendbar

bei der Pflichtverletzung „Schlechtleistung“ (außerhalb des Verbrauchsgüterkaufs schon jetzt streitig)

2. Rücktritt nach § 324 BGB wegen „fahrlässiger“ Täuschung?

nach h.M. gilt § 324 BGB bei vorvertragli-

chen Pflichtverletzungen nicht (Wortlaut: „… bei einem gegenseitigen Vertrag…“)

3. § 142 BGB bei wirksamer Anfechtung a) § 123 I BGB ?

(-), da keine arglistige Täuschung (s.o.) b) § 119 II BGB ? aa) P: Grds. nicht anwendbar neben §§ 434 ff. BGB §§ 434 ff. BGB hier aber (-), da auch nach

subj. Mangelbegriff kein Mangel, da Herkunft nicht Vertragsinhalt wurde

§ 119 II BGB ist anwendbar

bb) Herkunft des Bildes = verkehrswesentliche Ei-

genschaft cc) Fristgemäße Anfechtungserklärung ? (1) Mit Schreiben vom 25.02. bzw. über die Haus-

hälterin war Anfechtung nicht gewollt

(2) Im Mai war zwar evtl. Anfechtung erklärt, al-lerdings nicht mehr unverzüglich vgl. § 121 BGB

§§ 119 II, 142 I BGB (-) 3. Umdeutung der Rücktrittserklärung in Anfech-

tungserklärung gem. § 140 BGB ?

Umdeutung nicht möglich, da Wirkung der Anfechtung weiter reicht

4. Keine Aufrechnung, da kein aufrechenbarer

Gegenanspruch aus §§ 280 I, II, 286 BGB

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SchuldR-AT Fall 10 - Lösung - Seite 2

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LÖSUNG FALL 10

Anspruch des M gegen A aus § 433 II BGB

Voraussetzung hierfür ist zunächst, dass ein wirk-samer Kaufvertrag zustande kam und der Pri-märanspruch noch nicht erloschen ist.

I. Entstehung der Forderung

1. Vertragsschluss

Am 16. Februar erfolgte keine Einigung i.S.d. §§ 145 ff. BGB, aber ein bindendes Angebot des Mohr. Gegenstand war das konkrete Bild, so wie es besichtigt worden war.

a) Eine Annahmeerklärung des A könnte am 18. Feb-ruar erfolgt sein. Allerdings setzte Adler eine Frist für die wegen § 269 BGB grds. nicht geschuldete Lieferung (= Wunsch einer Schickschuld).

b) Damit liegt ein Fall des § 150 II BGB (modifizie-rende Annahme) vor.

Es handelt sich daher um eine Ablehnung, verbun-den mit einem neuen Angebot. Dieses nahm Mohr aber letztlich an.

2. Vertragsinhalt: „Der Huber“

Es fragt sich, ob die Erklärung des A einen An-haltspunkt für den tatsächlichen Willen des A ent-hält, dass er ein Gemälde von E. Huber kaufen will.

Möglicherweise kommt ein versteckter Dissens und damit evtl. gem. § 155 BGB das Nichtzustan-dekommen des Vertrages in Betracht.

Wenn die Rede von Huber war, bezog sich das im-mer auf das bestimmte Bild, das man als Gegen-stand der Vertragsverhandlungen unmittelbar vor Augen hatte. Die Bezeichnung Huber fungierte nicht als genaue Herkunftsbezeichnung, sondern diente zur Identifizierung des besichtigten Bildes.

Da M das Bild als Huber bezeichnet hatte, konnte er vom verobjektivierten Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) die Annahmeerklärung nur so verstehen, dass A das Bild kaufen wollte, welches Gegenstand der Verhandlung war.

Selbst wenn M gedacht hätte, A könnte ein Bild von E. Huber meinen, bezog sich die Äußerung des A auf das bestimmte Bild.

Zwischenergebnis: Die Annahme deckt sich mit dem Angebot, da die Herkunftsbezeichnung nicht Vertragsinhalt geworden ist. Ein Anspruch gemäß § 433 II BGB ist insoweit gegeben.

II. Wegfall des Anspruches:

Die vertragliche Bindung könnte aber entfallen sein.

1. Rücktritt nach § 323 BGB

M hat seine fällige Verpflichtung, dem A Eigentum und Besitz an dem verkauften Bild zu verschaffen, nicht rechtzeitig erfüllt. Aus diesem Grund könnte A von dem Kaufvertrag gemäß § 323 I BGB zu-rückgetreten sein.

A hat es jedoch versäumt, dem M zur Erfüllung der Verpflichtung zur Übereignung und Übergabe des Bildes (§ 433 I S.1 BGB) eine angemessene Frist zu setzen. Aus diesem Grund kommt ein Rück-trittsrecht aus § 323 BGB nur in Betracht, wenn ausnahmsweise die erforderliche Fristsetzung entbehrlich gewesen wäre.

a) Da von vornherein ein Fall der ernsthaften und endgültigen Erfüllungsverweigerung (§ 323 II Nr. 1 BGB) nicht in Betracht kommt, könnte zu-nächst § 323 II Nr. 2 BGB (bzw. bei Vorliegen ei-nes zumindest einseitigen [§ 345 HGB !] Handels-kaufs § 376 I HGB) die Fristsetzung entbehrlich machen, wenn man das Schreiben vom 25. Februar als Rücktrittserklärung auslegt, §§ 133, 157 BGB.

Voraussetzung dafür ist jedoch ein relatives Fixge-schäft.

Zwar war ein Liefertermin vereinbart, doch setzt ein relatives Fixgeschäft nach h.M. darüber hinaus voraus, dass der Besteller deutlich zu erkennen gibt, dass er nach Verstreichen des Termins kein In-teresse an der Leistung mehr hat („stehen und fal-len“, vgl. Wortlaut des Gesetzes) !

Dies hat A bei Vertragsabschluss nicht getan.

Anmerkung: Durch das Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie und zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wohnungsvermittlung vom 20.09.2013, welches am 13.06.2014 in Kraft trat1, wurd § 323 II Nr. 2 BGB wie folgt abgefasst:

(2) Die Fristsetzung ist entbehrlich, wenn

1. …

2. der Schuldner die Leistung bis zu einem im Ver-trag bestimmten Termin oder innerhalb einer im Vertrag bestimmten Frist nicht bewirkt, obwohl die termin- oder fristgerechte Leistung nach einer Mit-teilung des Gläubigers an den Schuldner vor Ver-tragsschluss oder auf Grund anderer den Vertrags-abschluss begleitenden Umstände für den Gläubi-ger wesentlich ist, oder"

1 Vgl. dazu bereits die Anmerkung in Fall 4 zur Änderung

des § 474 BGB.

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SchuldR-AT Fall 10 - Lösung - Seite 3

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Die Neufassung des § 323 II Nr. 2 BGB passt die bisherige Formulierung an die Terminologie der Verbraucherrechterichtlinie an und setzt diese da-mit richtlinienüberschießend um, da § 323 BGB auch außerhalb von Verbraucherverträgen gilt.2

Das „Stehen und Fallen“ des Rechtsgeschäfts mit der termingerechten Leistung (relatives Fixge-schäft) kann sich aus einer entsprechenden Mittei-lung des Gläubigers vor Vertragsschluss (Fall 1) oder aus den sonstigen Umständen (Fall 2) erge-ben. Wesentlich inhaltliche Änderungen bringt die Neuregelung damit nicht!3

b) Allerdings könnte wegen § 323 II Nr. 3 BGB die Fristsetzung entbehrlich sein.

Seit 13.06.2014 gilt diese Ausnahme aber nur noch für die Pflichtverletzung „Schlechtleistung“. Im vorliegenden Fall der nicht (rechtzeitigen) Leistung gilt § 323 II Nr. 3 BGB (nicht) mehr.

Anmerkung: Schon jetzt ist umstritten, ob dies au-ßerhalb des Anwendungsbereichs der Verbraucher-richtlinie sinnvoll ist, da die Parallelnorm zum Schadensersatz § 281 II 2. Alt. BGB sowohl auf die Nichtleistung als auch die nicht vertragsgemäße Leistung anwendbar ist.4 Da sich über das Scha-densersatzrecht gem. § 249 I BGB bei der Nicht-leistung faktisch die Rechtsfolgen des Rücktritts herleiten lassen, wird vertreten, im Rahmen eines Verbrauchergeschäfts auch § 281 II 2. Alt. BGB nicht anzuwenden. Außerhalb des Verbraucherver-trages soll hingegen der Rücktritt analog § 281 II 2. Alt. BGB weiterhin ohne Fristsetzung möglich sein.

§ 281 II 2. Alt. wäre insbesondere einschlägig bei Arglist des Verkäufers. Entschieden wurde dies vom BGH für den Fall des vom Verkäufer arglistig ver-schwiegenen Mangels. In solch einem Fall ist es dem Käufer nicht mehr zumutbar, den arglistig handelnden Verkäufer zur Nacherfüllung aufzufor-dern.5

Hat der Verkäufer beim Abschluss eines Kaufver-trags eine Täuschungshandlung begangen, so ist in der Regel davon auszugehen, dass die erforderli-che Vertrauensgrundlage beschädigt ist. In solchen Fällen hat der Käufer ein berechtigtes Interesse daran, von einer weiteren Zusammenarbeit mit dem Verkäufer Abstand zu nehmen, um sich vor eventuellen neuerlichen Täuschungsversuchen zu schützen.

2 Palandt, 73. Auflage 2014, § 323, Rn. 35. 3 Kritischer Riehm, NJW 2014, 2065, 2067 f. 4 Riehm, NJW 2014, 2065 ff. 5 BGH, Life&Law 2007, 214 = NJW 2007, 835 ff. = ju-

risbyhemmer sowie BGH, ZIP 2008, 460 ff. = ju-risbyhemmer; HEMMER/WÜST, Schuldrecht AT, Rn. 385.

A fühlte sich vorliegend dadurch getäuscht, dass M das Bild als Huber bezeichnete, weil A hier an ei-nen bestimmten Huber dachte. Darauf beruhte sein Kaufentschluss (Kausalität).

Weitere Voraussetzung ist aber das Vorliegen einer Arglist des M. M müsste einen Täuschungswillen auf Hervorrufen oder Aufrechterhalten eines Irr-tums durch Vorspiegeln oder Unterdrücken von Tatsachen gehabt haben. Ob M arglistig handelte, ist sehr zweifelhaft.

Dafür spricht, dass M als Kunsthändler sich vor-stellen konnte, dass A in diesem Fall getäuscht wird. Dagegen spricht, dass M darauf vertrauen konnte, der Kunstkenner und Sammler A werde seine Äußerung schon richtig verstehen.

Es fehlt daher zum einen sowohl an der überlege-nen Sachkenntnis des M. Außerdem fehlt es am diesbezüglichen Vorsatz, sodass eine arglistige Täuschung des M zu verneinen ist.

Zwischenergebnis: Damit scheidet auch § 323 II Nr. 3 BGB aus. Mangels der nicht entbehr-lichen Fristsetzung konnte A deshalb nicht vom Kaufvertrag mit M gemäß § 323 BGB zurücktre-ten.

2. Rücktritt nach § 324 BGB

Evtl. steht dem A aber wegen einer „fahrlässigen Täuschung“ des M ein Rücktrittsrecht nach § 324 BGB zu.

Fraglich ist, ob § 324 BGB auch bei einer vorver-traglichen Pflichtverletzung (z.B. einer fahrlässigen Täuschung bei Vertragsverhandlungen) zur An-wendung kommen kann.

§ 324 BGB setzt die Verletzung einer Pflicht „bei“ einem gegenseitigen Vertrag voraus. Dieser Wort-laut ist in Bezug auf die zeitliche Anwendbarkeit nicht eindeutig, spricht aber eher dafür, dass der gegenseitige Vertrag im Zeitpunkt der Pflicht-verletzung schon geschlossen sein muss.6

Auch die systematische Stellung der Vorschrift in-nerhalb der §§ 320 ff. BGB spricht für die aus-schließliche Anwendung bei bereits geschlossenen Verträgen. Denn alle weiteren Vorschriften des Ti-tels setzen unstreitig einen solchen voraus.

Anmerkung: Ausführlich hierzu Hemmer/Wüst, Schuldrecht AT, Rn. 518a bis 518c sowie Tyrol-ler/Nath/Lanzinner, „Die fahrlässige Täuschung – Rücktritt nach § 324 BGB als neue Lösung“?, in Life&Law 2009, 270 ff., Heft 4.

Ergebnis: Auch ein Rücktrittsrecht nach § 324 BGB scheidet im vorliegenden Fall aus.

6 So auch Mankowski, ZGS 2003, 91 [93].

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3. Anfechtung, § 142 I BGB

Der Kaufpreisanspruch könnte entfallen sein, wenn A wirksam angefochten hätte, § 142 I BGB.

a) Anfechtungsgründe

aa) Anfechtung gem. § 123 I BGB:

Mangels Arglist des M (s.o. Anmerkungskasten) scheidet eine Anfechtung wegen arglistiger Täu-schung aus.

bb) Anfechtungsgrund § 119 II BGB:

(1) Die Anfechtung könnte durch die leges speciales der §§ 434 ff. BGB ausgeschlossen sein.

Im Bereich der Sachmängelhaftung ist § 119 II BGB ausgeschlossen.

Grund: Das Recht des Verkäufers zur zweiten An-dienung, das durch das Erfordernis einer vorheri-gen Fristsetzung sichergestellt ist (vgl. §§ 281 I, 323 I BGB) würde leer laufen.

Außerdem würden die Vorschriften der §§ 438 I Nr. 3, II, 442 I S.2 BGB ausgehöhlt wer-den7.

Es müsste dann aber die Herkunft des Bildes einen Mangel i.S.d. § 434 BGB darstellen.

Nach dem klaren Wortlaut des § 434 I 1 BGB liegt ein Mangel dann vor, wenn die Istbeschaffenheit im Zeitpunkt des Gefahrübergangs von der ver-traglich vereinbarten Sollbeschaffenheit abweicht.

Hier aber liegt keine solche Abweichung von der vertraglich geschuldeten Sollbeschaffenheit vor, weil die Herkunft des Bildes gar nicht Vertrags-inhalt geworden war. Wie oben gezeigt, war das konkrete Bild, so wie es besichtigt worden war, verkauft worden; der Name des Malers diente nur zur Identifizierung.

Damit war die Lieferung des Ludwig Huber auch kein „aliud“ i.S.d. § 434 III BGB.

Da somit schon kein Mangel vorliegt, ist § 119 II BGB nicht schon aus Konkurrenzgründen ausgeschlossen.

7 Vgl. ausführlich dazu Fall 4 SchuldR-BT.

Anmerkung: Zur Gewährleistung beim Kauf von Kunstgegenständen nach neuem Schuldrecht lesen Sie den Aufsatz von WERTENBRUCH in NJW 2004, 1977 ff.

(2) Fraglich ist aber, ob ein Irrtum i.d.S. gegeben ist.

Bei Annahme des Angebots befand sich A auch in einem Irrtum über die verkehrswesentliche Eigen-schaft des Bildes.

Die Herkunft eines Kunstwerks gilt als verkehrs-wesentliche Eigenschaft i.S.d. § 119 II BGB, da es sich um einen für den Rechtsverkehr wichtigen wertbildenden Faktor handelt.

Anmerkung: Zum beiderseitigen Motivirrtum, bei dem die Anwendbarkeit des § 119 II BGB strittig ist (nach a.A. greift § 313 BGB) vgl. Fall 8, Bereiche-rungsrecht und Fall 18 Sachenrecht !

Lesen Sie dazu auch HEMMER/WÜST, BGB-AT III, Rn. 423 f.

b) A müsste die Anfechtung erklärt haben, § 143 I BGB.

aa) Die Anfechtungserklärung ist aber zunächst nicht ausdrücklich erfolgt. Dies könnte statt dessen aber konkludent geschehen sein.

Die Erklärung muss erkennen lassen, dass die Par-tei das Rechtsgeschäft wegen eines Willensmangels nicht gelten lassen will. Das Wort „anfechten“ braucht dabei nicht benutzt zu werden.

Auch der Anfechtungsgrund braucht nicht angege-ben zu werden, es muss dem Anfechtungsgegner aber erkennbar sein, auf welche tatsächlichen Gründe die Anfechtung gestützt wird.

Die Haushälterin (als Vertreterin oder Botin) hat die Anfechtung nicht ausdrücklich erklärt, sie hat nur gesagt, M solle das Bild wieder abholen. Das hätte einer Anfechtungserklärung nur genügt, wenn sie gleichzeitig zu erkennen gegeben hätte, dass dies wegen Willensmängeln erfolgen soll, §§133, 157 BGB.

Dies war aber nicht der Fall.

bb) Zu prüfen ist aber, ob die Rücktrittserklärung vom 25. Februar als Anfechtungserklärung ausreichend ist.

(1) Diese könnte möglicherweise als Anfechtungs-erklärung ausgelegt werden, §§ 133,157 BGB.8

8 Grundsätzlich geht die Auslegung der Umdeutung vor.

Ergibt bereits die Auslegung, dass sich der Erklärende deshalb vom Vertrag lösen will, weil er sich geirrt hat, so bleibt für eine Umdeutung schon kein Raum (PALANDT, § 140 BGB, Rn. 4).

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Hier hat A aber nur darauf hingewiesen, dass er das Bild nicht für einen typischen Ernst Huber halte. Vom Empfängerhorizont ist das nicht als Anfech-tungserklärung zu verstehen.

Auch konnte A seinen Irrtum noch gar nicht zu er-kennen geben, weil er ihn ja selbst erst später ent-deckt hat.

Die Lehre vom fehlenden Erklärungsbewusstsein hilft hier auch nicht weiter. Zum einen fehlte dem A nicht das Bewusstsein, irgendetwas rechtlich er-hebliches zu erklären.

Anmerkung: Im Übrigen wäre es mit den Geboten von Treu und Glauben nicht vereinbar, bei einem Handeln ohne aktuelles Erklärungsbewusstsein Rechtsfolgen zu Lasten Dritter (hier § 142 I BGB) abzuleiten.9

Eine Auslegung als Anfechtungserklärung scheidet deshalb aus.

(2) Möglicherweise lässt sich die Rücktrittserklärung aber in eine Anfechtungserklärung umdeuten, § 140 BGB.

Die Umdeutung einer Rücktrittserklärung in eine Anfechtung ist aber nicht möglich, da die Wirkung der Anfechtung weiter geht (das Schuldverhältnis entfällt ex tunc, § 142 BGB) als die eines Rück-tritts (Umwandlung in ein Rückgewährschuldver-hältnis, ex nunc).

Anmerkung: Die Umdeutung einer unwirksamen Anfechtungserklärung in eine Rücktrittserklärung ist hingegen möglich!10

cc) Die Anfechtungserklärung erfolgte aber jedenfalls am 18. Mai.

Zu diesem Zeitpunkt war die Anfechtung aber nicht mehr nachholbar, da A unverzüglich nach der Kenntniserlangung vom Anfechtungsgrund die An-fechtung hätte erklären müssen, vgl. § 121 I BGB.

Ergebnis: Eine wirksame Anfechtung mit der Fol-ge des § 142 I BGB scheidet damit aus.

III. Einwendungen wegen Mangelhaftigkeit

Einwendungen bzw. Einreden gegenüber der Höhe des Kaufpreises z.B. aus Minderung (§§ 437 Nr. 2, 441 BGB) bestehen nicht, da kein Mangel vorliegt (s.o.).

9 BGH NJW 1995, 953 ff. 10 Vgl. hierzu BGH, Life&Law 2011, Heft 10, 695, 698 =

BB 2011, 1793 ff. = jurisbyhemmer; BGH, BB 1965, 1083 f. = jurisbyhemmer; MüKo, § 140 BGB, Rn. 24; Palandt, § 140 BGB, Rn. 6.

IV. Aufrechnung gemäß §§ 387 ff. BGB

Fraglich ist, ob der A diese Forderung aus § 433 II BGB durch Aufrechnungserklärung nach § 388 BGB zum Erlöschen bringen kann (§ 389 BGB).

Dann müsste die Aufrechnungslage gemäß § 387 BGB gegeben sein und es dürften keine Aufrech-nungshindernisse nach §§ 390 ff. BGB vorliegen.

Als aufrechenbarer Gegenanspruch kommt hier nur ein solcher aus §§ 280 I, II, 286 I BGB in Betracht. Hiernach wäre dem A der durch den Verzug des M entstandene Verzögerungsschaden zu ersetzen.

Ein Verzug mit der Pflicht zur Übergabe und Über-eignung (§ 433 I S.1 BGB) ist gegeben, da eine schuldhafte Nichtleistung trotz Fälligkeit vorliegt (§§ 286 I, IV, 276 BGB) und die Leistungszeit nach dem Kalender bestimmt ist, § 286 II Nr. 1 BGB.

Hier besteht aber kein aufrechenbarer Gegen-anspruch aus §§ 280 I, II, 286 I BGB:

A wird nämlich schwerlich nachweisen können, dass F auch das Bild des Ludwig Huber gekauft hätte.

Vielmehr spricht nach den Umständen alles dafür, insbesondere wegen der Vorgespräche und der konkret vereinbarten Preise, dass dieser nur an ei-nem Bild von Ernst Huber interessiert war.

Immerhin war A zuvor ja selbst davon ausgegan-gen, dass es sich um einen Ernst Huber handelt.

Damit resultiert der entgangene Gewinn nicht aus der Verzögerung.

Es fehlt an der haftungsausfüllenden Kausalität zwischen Pflichtverletzung (verzugsbedingte Ver-zögerung) und dem Schaden. Die Vermutung des § 252 BGB kann damit nicht helfen, die Vermutung ist widerlegbar und hier auch widerlegt.

Darüber hinaus hatte der Anwalt des Mohr ja be-reits ermittelt, dass die Abstandnahme des F vom Kaufvertrag in keinem Zusammenhang mit dem Verzug stand, sondern F vielmehr aus persönlichen Gründen kein Interesse mehr am Kaufvertrag hatte.

Anmerkung: Entgangener Gewinn kann sowohl einen Schadensersatz statt der Leistung als auch einen Schadensersatz neben der Leistung darstel-len. Solange der Gewinn noch realisierbar ist, handelt es sich um einen Schadensersatz statt der Leistung. Ab dem Zeitpunkt, in welchem der Ge-winn nicht mehr realisierbar ist, weil die Ver-kaufsmöglichkeit nicht mehr besteht (Saisonartikel bei abgelaufener Saison), ist der Gewinn Bestand-teil des Schadensersatzes neben der Leistung (oft in Form des Verzögerungsschadens).11

11 Vgl. hierzu LORENZ, NJW 2005, 1889 [1891].

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I. Wiederholungsfragen:

1. Warum ist die Herkunftsbezeichnung nicht Vertragsinhalt geworden?

2. Wann liegt ein Fixgeschäft i.S.d. § 323 II Nr.2 BGB bzw. des § 376 HGB vor?

3. Warum war im Fall Verzug ohne Mahnung eingetreten?

4. Wann ist bei § 323 BGB die Fristsetzung ent-behrlich?

5. Definieren Sie den Begriff arglistige Täu-schung in § 123 BGB!

6. Was gilt für das Verhältnis des § 119 II BGB zu den §§ 434 ff. BGB?

7. Was sind die Voraussetzungen der Umdeutung nach § 140 BGB?

II. Vertiefungsfragen:

1. Bei einem gegenseitigen Vertrag hat der Gläubiger über §§ 280 I, III, 281 BGB hinaus die Rechte aus § 323 BGB. Stellen Sie die Vo-raussetzungen des § 323 BGB zusammen! Vgl. dazu HEMMER/WÜST, Schuldrecht AT, Rn. 459 ff.

2. Welche Voraussetzung des § 323 BGB kann entbehrlich sein? Nennen Sie die wichtigsten Fallkonstellationen! Vgl. dazu

HEMMER/WÜST, Schuldrecht AT, Rn. 480 ff.

3. Welche Wahlmöglichkeiten hat der vertrags-treue Gläubiger, wenn der Schuldner trotz Fristsetzung nicht leistet? Vgl. dazu

HEMMER/ WÜST, Schuldrecht AT, Rn. 128; 351 ff.; 466 ff.

4. Wie ist das Verhältnis zwischen Rücktritt und Schadensersatz? Vgl. dazu HEMMER/WÜST, Schuldrecht AT, Rn. 541 ff.

III. Arbeitsanleitung:

1. Bearbeiten Sie zum Verzug auch HEMMER/WÜST, Schuldrecht AT, Rn. 128 ff.

2. Zur Anwendbarkeit der §§ 280 I, 311 II BGB (c.i.c.) neben dem Mängelrecht vgl. BGH, Life&LAW 2009, 433 ff. sowie TYROLLER, Die Bedeutung der Anwendbarkeit der c.i.c. neben dem Mängelrecht im Fall der arglistigen Täu-schung, Life&LAW 2009, Heft 7, 493 ff.

3. Ein Gläubiger kann nicht gemäß § 323 I BGB vom Vertrag zurücktreten, wenn er die Frist zur Leistung vor deren Fälligkeit gesetzt hat. Das gilt auch dann, wenn bereits vor Fällig-keit ernsthafte Zweifel an der Leistungsfähig-keit oder der Leistungswilligkeit des Schuld-ners bestehen. Auch das Rücktrittsrecht nach § 323 IV BGB kann nicht mehr ausgeübt wer-den, wenn die Leistung inzwischen fällig ge-worden ist. Die Wirksamkeit eines Rücktritts bestimmt sich ab diesem Zeitpunkt nur noch nach § 323 I und II BGB.

Lesen Sie hierzu BGH, Life&Law 2012, Heft 10, 699 ff. = ZIP 2012, 1463 ff.

IV. Vertiefungsfall:

Berta Bock verkauft mit notariellem Vertrag vom 04. Januar ihr Hausgrundstück für 210.000 € an Kaspar Krass.

Nach Fälligkeit des Kaufpreises leistete Krass eine Teilzahlung von 28.000 €. Den Restbetrag bezahlte er trotz der am 08. Februar erfolgten Mahnung nicht.

Zwischen den Parteien gab es Meinungsverschie-denheiten über den Umfang der dinglichen Belas-tung des Grundstücks. Nach erfolglosen Verhand-lungen verkaufte Bock am 28. Februar das Grund-stück an den Altmann.

Am 08. März erklärte sie ohne Vorankündigung den Rücktritt von dem mit Krass geschlossenen Kaufvertrag.

Dieser klagt daraufhin auf Erfüllung des Vertrages. Danach übereignet Bock das Grundstück an Alt-mann.

Krass verfolgt seine Klage weiter, verlangt aber nunmehr Schadensersatz statt der Leistung, den er zunächst auf einen Teilbetrag von 28.000 € be-schränkt.

Bock beantragt Klageabweisung, hilfsweise rech-net sie mit einem Anspruch auf Ersatz des Verzugs-schadens auf, den sie ebenfalls mit 28.000 € bezif-fert.

Wie ist die materielle Rechtslage?

Es ist davon auszugehen, dass auf beiden Seiten der geltend gemachte Schaden besteht. Altmann will das Grundstück keinesfalls wieder hergeben.

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SchuldR-AT Fall 14 - Lösung - Seite 1

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Fall 14 - Lösung

ÜBERSICHT FALL 14

A. Anspruch auf Zahlung aus §§ 241 I, 311 I BGB

bzw. § 433 II BGB

typengemischter Vertrag entstanden B. Erlöschen des Anspruchs wegen des

nicht ordnungsgemäß temperierten Weins

I. Erlöschen des Anspruchs gem. § 326 I S.1 Problem: Unmöglichkeit, § 275 I BGB ?

1. Konkretisierung gem. § 243 I, II BGB ?

(-), da Wein nicht von mittlerer Art und Güte war

2. Konkretisierung durch B

(-), da nur Probeschluck 3. Absolutes Fixgeschäft

wohl zu bejahen, aber Erfüllung am 11.02. noch möglich, da Wein noch gekühlt serviert werden kann (vgl. SV-Aussage)

Zum Ztpkt. des Verlassens des Lokals lag noch keine Unmöglichkeit vor

II. Erlöschen des Anspruchs durch Rücktritt? 1. Rücktrittserklärung, § 349 BGB

konkludent durch Verlassen des Lokals 2. Rücktrittsgrund?

a) Rücktritt gem. § 326 V BGB bzw. §§ 437 Nr. 2, 326 V BGB

(-), da keine Unmöglichkeit (s.o.)

b) Rücktritt gem. §§ 437 Nr. 2, 323 I wegen Schlechtleistung ?

aa) Mangelhaftigkeit des Weins, § 434 I BGB

anfänglicher behebbarer Mangel i.S.d. § 434 I S.2 Nr. 1 BGB

bb) Gefahrübergang i.S.d. § 434 I

(-), da wegen Probeschluck noch keine Über-gabe gem. § 446 S.1 BGB stattfand

§ 446 S.3 BGB (-), da Wein zu warm war

cc) Außerdem: Zu warmer Wein war nicht der Grund für Verlassen des Lokals

c) Rücktritt gem. § 323 I BGB ? aa) Nicht vertragsgemäße Leistung trotz fälliger

Leistungspflicht

bb) Fristsetzung

(-), da lediglich Diskussion mit Kellner

cc) Entbehrlichkeit der Fristsetzung

(1) § 323 II Nr. 1 BGB

(-), da bloße Unverschämtheit keine endgülti-ge und ernsthafte Erfüllungsverweigerung ist

(2) § 323 II Nr. 2 BGB

(-), da Wein laut SV-Gutachten in zumutba-rer Zeit kühlbar ist

(3) § 323 II Nr. 3 BGB (-)

d) Rücktritt gem. § 324 BGB wegen der Verletzung einer Pflicht nach § 241 II BGB ?

Vss: Pflichtverletzung nach § 241 II BGB

aa) Pflichtverletzung betrifft außerdem das dienst-vertragliche Element

bb) Korrekte und höfliche Bedienung sind aber als (Dienst)Leistungspflicht geschuldet

keine Pflicht i.S.d. § 241 II BGB

[§ 324 BGB aber vertretbar, wenn man der Schwerpunkt- bzw. Absorptionstheorie folgt !]

an die Stelle des Rücktritts tritt bei Dauer-schuldverhältnissen das Kündigungsrecht aus wichtigem Grund

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SchuldR-AT Fall 14 - Lösung - Seite 2

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C. Erlöschen des Anspruchs wegen des unverschämten Verhaltens

I. Kündigung des Bewirtungsvertrages gem.

§ 626 I BGB 1. Dienstvertrag (-) 2. Aber: Typengemischter Vertrag a) § 314 BGB (-), da nach Kombinationstheorie

(h.M.) § 626 I BGB angewendet werden kann b) Vorrang der Abmahnung ?

grds. erforderlich (vgl. auch § 314 II S.1 BGB analog)

hier aber ausnahmsweise entbehrlich, da Vertrauensverhältnis zerstört

vorherige Abmahnung daher unzumutbar i.S.d. §§ 314 II S.3 BGB

II. Ergebnis: Wegen erfolgter Kündigung besteht

kein Anspruch mehr auf Bezahlung des Weines

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SchuldR-AT Fall 14 - Lösung - Seite 3

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LÖSUNG FALL 14

Fraglich ist, ob ein Anspruch auf Zahlung der Fla-sche Wein aus Vertrag gegeben ist.

A. Anspruchsentstehung und -grundlage

Unproblematisch liegen korrespondierende Wil-lenserklärungen über einen Vertrag mit dem Inhalt des Weinservierens vor. Fraglich ist aber, wie die-ser einzuordnen ist. Es handelt sich um einen sog. gemischttypischen Vertrag mit Elementen aus Kauf-, Miet- und Dienstvertrag.

Anmerkung: Die Annahme einer Bedingung wegen eines Kaufs auf Probe (§ 454 I, II BGB) erscheint abwegig, da durch den „Probe“schluck die Billi-gung des Weines sicher nicht im Belieben des Gas-tes steht. Der Gast kann nach dem Probeschluck die Billigung des Wein nur bei Mangelhaftigkeit (falsche Temperatur; Kork; etc.) verweigern.

Fraglich ist, wie ein solcher gemischter Vertrag rechtlich zu behandeln ist.1

Dies richtet sich nach der Schwerpunkt- bzw. Ab-sorptionstheorie danach, welchem Vertragstyp die Hauptleistung angehört.

Dagegen wendet die Kombinationstheorie die für den jeweils betreffenden Vertragsbestandteil maß-gebenden Rechtsnormen an und versucht, sich eventuell ergebende Gegensätzlichkeiten nach dem mutmaßlichen Parteiwillen auszugleichen.

Die sog. Theorie der analogen Rechtsanwendung geht davon aus, dass eine unmittelbare Regelung der Mischformen im BGB nicht gegeben ist und die Vorschriften des besonderen Schuldrechts des-wegen nur analog angewendet werden können. Im praktischen Ergebnis entspricht sie aber der Kom-binationstheorie.

Teilweise werden alle drei Theorien abgelehnt und stattdessen bei Fehlen ausdrücklicher Abreden eine Behandlung gemäß dem mutmaßlichen Parteiwil-len vorgeschlagen. Anhaltspunkte für diesen sollen dann der Vertragszweck, die Interessenlage und die Verkehrssitte sein2.

Der Kombinationstheorie ist im Ergebnis zu fol-gen, weil sie im Regelfall wohl zu gerechteren Er-gebnissen führt.

1 Vgl. hierzu zuletzt BGH, Life&Law 2013, Heft 8,

567 ff. 2 Vgl. dazu HEMMER/WÜST, BGB-AT I, Rn. 36.

V.a. ist nicht einzusehen, warum z.B. typisch miet-vertragliche Leistungen etwa nach Werkvertrags-recht zu beurteilen wären, nur weil ein Großteil anderer Vertragselemente aus dem werkvertragli-chen Bereich stammt. Damit wäre viel zu viel von Zufälligkeiten abhängig.

Im Rahmen der Erfüllung eines Primäranspruchs ist die rechtliche Qualifikation meist unerheblich, da der Anspruch des K auf Zahlung der Gegenleis-tung jedenfalls aufgrund des wirksamen Vertrags-schlusses entstanden ist, §§ 311 I, 241 I BGB.

Hier kommt ein Anspruch aus § 433 II BGB in Be-tracht, wenn man auf das kaufvertragliche Element (Bezahlung) abstellt. Teilweise werden als An-spruchsgrundlage auch §§ 311 I, 241 I BGB ge-nannt.

B. Erlöschen des Anspruchs wegen des nicht ord-nungsgemäß temperierten Weins

I. Erlöschen des Anspruchs gem. § 326 I S.1, 1.Hs. BGB

Der Zahlungsanspruch könnte gemäß § 326 I S.1, 1.Hs. BGB erloschen sein.

Dann müsste die Leistungspflicht des K unmöglich sein (§ 275 I BGB) oder ihr ein Leistungshindernis nach § 275 II oder III BGB entgegenstehen.

Im Zeitpunkt des Verlassens des Hotels lag je-doch keine Unmöglichkeit vor:

1. Da eine begrenzte Gattungsschuld (Vorrats-schuld) vorliegt und die Weinflasche zu warm, mithin nicht von mittlerer Art und Güte war, liegt keine Konkretisierung gem. § 243 I, II BGB vor.

Der geschuldete Wein mit richtiger Temperatur konnte aber laut Sachverständigenaussage noch er-bracht werden.

2. Auch Herr Bock selbst hat nicht die Konkretisie-rung auf diese Flasche herbeigeführt, was seine Reaktion auf den Probeschluck deutlich macht.

3. Zwar handelt es sich bei einem Bewirtungsvertrag wohl um ein absolutes Fixgeschäft.

Allerdings war der Wein laut Sachverständigenaus-sage innerhalb des Erfüllungszeitraums in zumut-barer Zeit noch kühlbar.

Ergebnis: Zur Zeit des Verlassens des Lokals lag daher keine Unmöglichkeit der Leistung vor. Damit scheidet § 326 I S.1, 1.Hs. BGB aus.

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SchuldR-AT Fall 14 - Lösung - Seite 4

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II. Erlöschen des Anspruchs durch Rücktritt

Der Zahlungsanspruch könnte aber jedenfalls durch Rücktritt erloschen sein.

1. Rücktrittserklärung, § 349 BGB

Eine konkludente Rücktrittserklärung ist im Verlas-sen des Lokals zu sehen, vgl. § 349 BGB.

2. Rücktrittsgrund

Fraglich ist aber, ob ein Rücktrittsgrund vorlag.

a) Rücktritt gemäß § 326 V BGB bzw. §§ 437 Nr. 2, 326 V wegen Unmöglichkeit der Leistung

Da keine Unmöglichkeit der Leistung vorliegt (s.o.), scheidet ein Rücktritt gem. § 326 V BGB aus.

b) Rücktritt gemäß §§ 437 Nr. 2, 323 I BGB wegen Schlechtleistung3

Dies wäre gem. §§ 437 Nr. 2, 323 I BGB der Fall, wenn man auf das kaufvertragliche Element (Weinbestellung) abstellt.

aa) Die falsche Temperierung des Weins könnte mög-licherweise einen Mangel i.S.d. § 434 I BGB dar-stellen4.

Die vertraglich vorausgesetzte Verwendung i.S.d. § 434 I S.2, Nr. 1 BGB war der Genuss eines wohl temperierten Weines im Lokal.

Denn die Bestellung einer Flasche Wein in einem Lokal erfolgt eben nicht zu dem Zweck, lediglich den Flascheninhalt zu erhalten, sondern um den Wein in dem Restaurant, d.h. in der entsprechenden Atmosphäre und Umgebung genießen zu können.

Da der Wein zu warm war, aber heruntergekühlt werden konnte, lag ein behebbarer anfänglicher Mangel vor.

Anmerkung: Im Laden gekauft wäre dieser Wein mangelfrei, da das sofortige Trinken nicht vertrag-lich vorausgesetzt wird und zur gewöhnlichen Ver-wendung (Kühlen oder Lagern) der Wein geeignet ist i.S.d. § 434 I S.2, Nr. 2 BGB.

bb) Jedoch ist davon auszugehen, dass es an der für den Gefahrübergang erforderlichen Übergabe (vgl. § 446 S.1 BGB) fehlt, solange nur der Probe-schluck genommen wurde.

Da der Wein zu warm war, scheidet außerdem der Eintritt von Annahmeverzug aus, da die Leistung

3 Vgl. dazu auch HEMMER/WÜST, Schuldrecht BT 1,

Rn. 198 ff. 4 Bejahend CANARIS, JuS 1970, 219 [220]

nicht so, wie sie zu bewirken war (vgl. §§ 294, 433 I S.2 BGB) angeboten wurde.

Die Gefahr ist damit auch nicht nach § 446 S.3 BGB übergegangen.

cc) Außerdem haben die Bocks das Lokal wohl auch nicht wegen des Qualitätsmangels des Weins, son-dern wegen des ungebührlichen Verhaltens des Kellners verlassen.

Schon aus diesem Grund müssen die §§ 437 Nr. 2, 323 I BGB als Rücktrittsgrund ausscheiden, da schwerpunktmäßig nicht das kaufvertragliche Ele-ment betroffen ist.

c) Rücktritt gemäß § 323 I BGB wegen Nichtleis-tung

Fraglich ist, ob sich hier ein Rücktrittsrecht aus § 323 I BGB ergibt.

aa) Nicht vertragsgemäße Leistung trotz Fälligkeit

Anmerkung: Ein Rücktritt kann eventuell auch schon vor Fälligkeit der Leistung erfolgen, wenn offensichtlich ist, dass die Voraussetzungen des Rücktritts eintreten werden, § 323 IV BGB.

Um dies zu bejahen, müsste B einen Anspruch auf das Servieren einer richtig temperierten Flasche Wein gehabt haben.

Dies ist zu bejahen. Seine wesentliche Prägung er-fährt der Gastaufnahmevertrag durch seinen spezi-ellen Zweck, Wein alsbald im Lokal trinken zu können.

Die Verpflichtung des Wirts umfasst somit u.a. auch die richtige Temperierung des Weins, vgl. § 243 I BGB bzw. § 433 I S.2 BGB.

bb) Angemessene Fristsetzung gem. § 323 I

Allerdings fehlt es hier an der Fristsetzung zur Er-bringung der Leistung.

cc) Entbehrlichkeit der Fristsetzung

(1) Die Fristsetzung wäre aber entbehrlich, wenn es sich beim Verhalten des Schuldners um eine ernst-hafte und endgültige Erfüllungsverweigerung han-delt, vgl. § 323 II Nr. 1. Dann könnte B sofort vom Vertrag zurücktreten.

Eine Erfüllungsverweigerung nach § 323 II Nr.1 BGB könnte darin liegen, dass der Kellner nicht unverzüglich auf die Reklamation des B hin einen angemessen temperierten Wein angeboten hat. Vo-raussetzung der Erfüllungsverweigerung ist jedoch, dass die Verweigerung ernsthaft und endgültig ge-wesen ist. Hier ist jedoch nicht sicher, ob die nach-drückliche Aufforderung, wohltemperierten Wein zu servieren, wirklich aussichtslos gewesen wäre.

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Düsseldorf - Erlangen - Frankfurt/M. – Frankfurt/O. - Freiburg - Göttingen – GreifswaldHalle - Hamburg - Hannover - Heidelberg - Jena - Kiel - Koblenz - Köln - KonstanzLeipzig - Mainz – Marburg/Gießen - München - Münster - Nürnberg - Osnabrück - PassauRegensburg - Rostock - Saarbrücken - Stuttgart - Trier - Tübingen - Würzburg

SchuldR-AT Fall 14 - Lösung - Seite 5

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(2) Da der Wein nach Aussage des Sachverständigen in angemessener Zeit hätte heruntergekühlt werden können, ist die Fristsetzung auch nicht unter dem Gesichtspunkt des relativen Fixgeschäfts nach § 323 II Nr. 2 BGB entbehrlich.

(3) Die Fristsetzung ist auch nicht wegen § 323 II Nr. 3 BGB entbehrlich.

Seit 13.06.2014 gilt diese Ausnahme aber nur noch für die Pflichtverletzung „Schlechtleistung“. Im vorliegenden Fall der nicht (rechtzeitigen) Leistung gilt § 323 II Nr. 3 BGB (nicht) mehr.5

Zwischenergebnis: Die Voraussetzungen eines Rücktrittsrechts ohne Fristsetzung liegen daher nicht vor.

d) Rücktritt gemäß § 324 BGB wegen der Verlet-zung einer Pflicht nach § 241 II BGB ?

Als Rücktrittsgrund könnte sich aber auch die Un-zumutbarkeit am weiteren Festhalten des Vertrags wegen des ungebührlichen Verhaltens ergeben, vgl. § 324 BGB.

Danach kann der Gläubiger vom gegenseitigen Vertrag zurücktreten, wenn der Schuldner eine nicht leistungsbezogene Pflicht nach § 241 II BGB verletzt und ihm ein Festhalten am Vertrag deshalb nicht mehr zuzumuten ist.

Zu den vertraglichen Verpflichtungen eines Gast-wirts gehört auch eine korrekte und höfliche Be-dienung, welche in einem teuren und gepflegten Lokal ein besonderes Gewicht hat.

aa) Diese Pflichtverletzung betrifft aber das dienstver-tragliche Element des Gastaufnahmevertrags.

bb) Diese Verpflichtung lässt sich daher nicht unter § 241 II BGB fassen, weil die höfliche und auf-merksame Bedienung in einem Lokal höherer Ka-tegorie den wohlverstandenen Vermögensinteres-sen des Kunden dient und als Leistungspflicht des dienstvertraglichen Elements geschuldet ist.

Anmerkung: Der Rücktritt nach § 324 BGB ist dann richtig, wenn Sie der Schwerpunkt- bzw. Ab-sorptionstheorie folgen. In diesem Fall ist ein nicht leistungsbezogenes Element des schwerpunktmäßig nach Kaufrecht zu beurteilenden Bewirtungsver-trages verletzt.

Bei Dauerschuldverhältnissen scheidet aber grund-sätzlich ein Rücktrittsrecht aus.

5 vgl. dazu nochmals Fall 10, Schuldrecht-AT.

C. Erlöschen des Anspruchs wegen des unver-schämten Verhaltens

I. Kündigung des Bewirtungsvertrages gem. § 626 BGB

Bei Dauerschuldverhältnissen, zu denen der Dienstvertrag gehört, wird das Rücktrittsrecht aus § 324 BGB durch ein Recht auf Kündigung aus wichtigem Grund verdrängt.

Hier könnte § 626 BGB einschlägig sein.

Anmerkung: § 314 BGB ist aber nur anwendbar, wenn keine speziellere Sondervorschrift eingreift6. Da die Pflichtverletzung hier das dienstvertragli-che Element des Gastaufnahmevertrags betrifft, ist § 626 I BGB als Kündigungsgrund anwendbar. Aus diesem Grund darf auf § 314 BGB nicht zurückge-griffen werden.

1. Da kein reiner Dienstvertrag vorliegt, greift § 626 BGB direkt nicht ein.

2. Allerdings liegt ein sog. typengemischter Vertrag mit Elementen aus Kauf-, Miet- und Dienstvertrag.

Fraglich ist, wie ein solcher gemischter Vertrag rechtlich zu behandeln ist.

Die herrschende Kombinationstheorie (s.o.) wen-det die für den jeweils betreffenden Vertragsbe-standteil maßgebenden Rechtsnormen an.

Das jeweilige Vertragsrecht wird dabei direkt an-gewendet.

a) Ein wichtiger Kündigungsgrund i.S.d. § 626 I BGB ist wegen der groben Unhöflichkeit grds. gegeben.

b) Vor der Kündigung ist aber grds. eine Abmahnung erforderlich. Dies ergibt sich auch aus dem Rechts-gedanken des § 314 II BGB7.

Dies war hier aber wegen Unzumutbarkeit entbehr-lich, vgl. analog § 314 II S.3 BGB.

6 PALANDT § 314 Rn. 4 7 Nach PALANDT § 626 Rn. 18 sowie HASE in NJW 2002,

2278 ist eine entsprechende Anwendung des § 314 II BGB i.R.d. § 626 „erwägenswert“.

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SchuldR-AT Fall 14 - Lösung - Seite 6

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Die Kündigung umfasst den gesamten Vertrag, da die verbleibenden Elemente des Gastaufnahme-vertrags untrennbar verbunden sind.

Mit der Kündigung wird der Bewirtungsvertrag als einheitliches Rechtsgeschäft aufgelöst, und diese Auflösung ergreift ohne weiteres auch die kauf-rechtlichen Bestandteile8.

Denn die Bestellung einer Flasche Wein in einem Lokal erfolgt eben nicht zu dem Zweck, lediglich den Flascheninhalt zu erhalten, sondern um den Wein in dem Restaurant, d.h. in der entsprechenden Atmosphäre und Umgebung genießen zu können.

Die verschiedenen Elemente des Vertrages sind da-her bei einer an Sinn und Zweck des Vertrages aus-gerichteten Betrachtungsweise von vornherein un-trennbar9.

Selbst wenn man nur eine Teilkündigung anneh-men würde (nur Kündigung des Dienstvertrags), käme man zwar nicht über § 242 BGB,10 sondern über § 139 BGB zum gleichen Ergebnis.

8 CANARIS, JuS 1970, 219 [220] 9 CANARIS, JuS 1970, 219 [220] 10 So das AG Garmisch Partenkirchen in NJW 1969, 608 f.

Arbeitsanleitung:

Lesen Sie bei Interesse folgenden interessanten Fall nach (BGH, NJW 2006, 2262 f.):

K verzehrte in dem von B betriebenen Restaurant einen Grillteller, der aus verschiedenen Fleischstü-cken, zwei Hackfleischröllchen (Cevapcici) sowie Reis und Gemüse bestand. Dabei brach ein Zahn des K ab. K führt dies darauf zurück, dass sich in einem der Hackfleischröllchen ein harter Fremd-körper - etwa ein kleiner Stein - befunden habe, wofür er B verantwortlich macht. B bestreitet dies und verweist darauf, dass der Zahn auch beim Biss auf ein Knochen- oder Knorpelteilchen eines der Fleischstücke abgebrochen sein könne.

Nach Ansicht des BGH ist das Abbrechen eines Zahns nach der Lebenserfahrung nicht typischer-weise auf das Vorhandensein eines in der Hack-fleischmasse verborgenen festen (Fremd-)Körpers zurückzuführen. Dem Geschädigten K kam daher folglich nicht der Beweis des ersten Anscheins zu-gute. Die Klage wurde abgewiesen.

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SchuldR-BT Fall 4 - Lösung – Seite 1

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Fall 4 – Lösung

ÜBERSICHT FALL 4

I. Anspruch aus §§ 355 III S. 1, 357a I i.V.m.

355 I S.1, 495 I, 506 I BGB wegen Widerrufs 1. A-GmbH als Unternehmer i.S.v. § 14 I 2. F als Verbraucher i.S.v. § 13 BGB 3. Aber

Zahlungsaufschub nicht entgeltlich II. Anspruch aus §§ 346 I, 323 I, 437 Nr.2 BGB

infolge Rücktritts 1. Sachmangel zur Zeit des Gefahrüberganges

(+); vertragliche Beschaffenheitsvereinbarung i.S.d. § 434 I S.1 BGB

2. Vorrang der Fristsetzung zur Nacherfüllung ? a) Entbehrlichkeit der Fristsetzung gemäß § 326 V ?

(-), da keine Unmöglichkeit der Nacherfüllung b) Entbehrlichkeit gem. § 440 S.1, 1. Var.? (-), da Nacherfüllung nicht unverhältnismäßig

i.S.d. § 439 III und selbst bei Unverhältnismäßig-keit kein Totalverweigerungsrecht besteht

c) Aber: Entbehrlichkeit der Fristsetzung nach

§ 323 II Nr.1 BGB (endgültige und ernsthafte Er-füllungsverweigerung)

4. Erheblichkeit des Mangels, § 323 V S.2

(+), da hier bzgl. der Beschaffenheit konklu-dent Garantie i.S.v. § 276 vereinbart und damit Erheblichkeit immer gegeben!

5. Verfristung nach §§ 218 I, 438 IV BGB ?

(-), da die Verkürzung der Verjährung auf 6 Monate unwirksam war wegen des Verbrauchs-güterkaufs (§ 475 II BGB)

6. Rechtsfolge

Rückabwicklung Zug um Zug (§ 348 BGB) Gegenanspruch des Verkäufers u.a. auf Wer-tersatz für Nutzungen nach § 346 II S.1, Nr.1 BGB (+)

Wertreduzierung für Ingebrauchnahme bleibt aber außer Betracht, § 346 II S.1 Nr.3 2.Hs. BGB

III. Anspruch aus §§ 346 I, 441 IV, I, 323 I, 437 Nr.2

BGB (Minderung)

Voraussetzungen wie oben (+) IV. Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung-

gemäß §§ 280 I, III, 281 I, 437 Nr.3 BGB es geht hier um Schadenspositionen, die durch

Nacherfüllung behoben würden, d.h. um Scha-densersatz statt der Leistung

1. Voraussetzungen

Nachfristsetzung entbehrlich gemäß § 281 II 1.Alt. (+)

2. Vertretenmüssen i.S.v. § 280 I S.2 BGB a) Bezugspunkt ist die Pflichtverletzung beim Schadensersatz statt der Leistung kommt

es nicht auf das Vertretenmüssen bzgl. des Man-gels, sondern bzgl. des Ausfalls der Nacherfül-lung an (strittig) !

b) Vermutung des Vertretenmüssens des Verkäufers

wegen Beschaffenheitsgarantie i.S.d. § 276 I BGB jedenfalls aber nicht widerlegbar

3. Umfang des Schadensersatzes a) „Kleiner Schadensersatz“

grds. Differenz von Wert mangelfrei und Wert mangelhaft, d.h. 2.000,- € wegen Reparaturkosten hier aber 4.000,- €

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SchuldR-BT Fall 4 - Lösung – Seite 2

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b) „Großer Schadensersatz“ statt der ganzen Leistung

Erheblichkeit i.S.d. § 281 I S.3 (+)

Erstattung des objektiven Werts der mangel-freien Sache (30.000 €) gegen Rückgabe der Sa-che dabei Nutzungsersatz wie oben (vgl. § 281 V i.V.m. § 346 BGB)

4. Verjährung a) 2 Jahre gem. § 438 I Nr.3, II 2.Alt BGB b) Verkürzung zwar nicht unwirksam nach § 475 II

BGB (vgl. § 475 III BGB) c) Unwirksamkeit aber wegen § 309 Nr.8b, ff V. Anspruch auf Rückgewähr aus § 812 I S.1 1.Alt.?

(-), da Kaufvertrag nicht durch Anfechtung (§ 142 I BGB) beseitigt werden kann § 119 II BGB ist neben den §§ 434 ff. BGB nicht anwendbar

VI. Anspruch aus §§ 280 I, 311 II Nr.1, 241 II BGB?

(-), da §§ 434 ff. leges speciales

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SchuldR-BT Fall 4 - Lösung – Seite 3

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LÖUNG FALL 4

I. Anspruch aus §§ 355 III S. 1, 357a I i.V.m. 355 I S.1, 495 I, 506 I BGB wegen Widerrufs

Ein Anspruch auf Rückzahlung des gezahlten Kaufpreises könnte sich aus §§ 355 III S. 1, 357a I i.V.m. §§ 355 I S.1, 495 I, 506 I BGB infolge wirk-samen Widerrufs des Kaufvertrags ergeben.

Anmerkung: Am 13.06.2014 ist das Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie und zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Woh-nungsvermittlung in Kraft getreten.1

Für das Widerrufsrecht von Verbraucherdarlehens-verträgen (§ 495 BGB) und sonstigen Finanzie-rungshilfen (§ 506 BGB) gelten § 356b BGB und § 357a BGB.

Die Rechtsfolge des Widerrufs ist in § 355 III S. 1 BGB geregelt, wonach die empfangenen Leistun-gen unverzüglich (vgl. § 121 I S.1 BGB) zurückzu-gewähren sind. § 357a I BGB bestimmt für Finanz-geschäfte dabei eine Höchstfrist von 10 Tagen.

Unproblematisch kam zwischen den Parteien ein wirksamer Kaufvertrag zustande, wobei die GmbH, für die eine vertretungsberechtigte Person handelte (§§ 164 ff. BGB) als juristische Person (vgl. § 13 I GmbHG) selbst Vertragspartner wurde.

Der Widerruf müsste - was bisher noch nicht er-folgt ist - nach § 355 I S.2 BGB gegenüber dem Unternehmer erklärt werden.

Anmerkung: Seit dem 13.06.2014 muss der Wider-ruf nicht mehr in Textform erfolgen. Ob ein münd-licher Widerruf ausreicht2, erscheint im Hinblick auf das Erfordernis des Absendens (§ 355 I S. 5 BGB n.F.) zweifelhaft. Da für die Wirksamkeit des Widerrufs der Zugang beim Unternehmer genügt (vgl. Umkehrschluss aus § 355 III S. 2 BGB), be-zieht das rechtzeitige Absenden des § 355 I S. 5 BGB auf einen Widerruf in Papierform.

Der Zugang eines mündlichen Widerrufs ist aber für einen wirksamen Widerruf ausreichend.

Fraglich ist aber, ob hier überhaupt ein Widerrufs-recht gegeben ist. Dieses könnte sich nur aus § 495 i.V.m. § 506 I ergeben.

1 Vgl. hierzu Tyroller, Das Problem Zivilrecht, Life and

Law 2014, Heft 4 und Heft 6. 2 So Palandt, § 355 BGB n.F., Rn. 6; Bittner, „Gesetz zur

Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie: Informati-onspflichten und Widerrufsrecht im Direktvertrieb“, ZVertriebsR 2014, 3 (8).

1. Die A-GmbH handelte hier als Autohändler in Ausübung einer selbständigen gewerblichen Tätig-keit i.S.v. § 14 I BGB, also als Unternehmer.

2. Der F handelte bei Kaufvertragsschluss als Ver-braucher gemäß § 13 BGB, da er den Vertrag in rein privater Absicht schloss.

3. Dass der Zahlungsaufschub nur für 2 ½ Monate gewährt wurde steht der Anwendbarkeit des Ver-braucherschutzrechts nicht (mehr) entgegen.

Vorliegend ist aber die nach § 506 I BGB nötige Entgeltlichkeit des Zahlungsaufschubs nicht gege-ben, weil hiermit nicht die - zwangsnotwendig ge-gebene – Entgeltlichkeit des Kaufvertrags gemeint ist, sondern dieses Kriterium sich allein auf den Zahlungsaufschub bezieht.

Der zu zahlende Gesamtpreis müsste also höher sein als der Barzahlungspreis. Dies ist hier nicht der Fall, weil der nachträglich vereinbarte Zah-lungsaufschub nichts mehr an der Preisabrede än-derte. Es war hier also von Anfang an kein Wider-rufsrecht gegeben.

Zwischenergebnis: Ein Anspruch auf Kaufpreis-rückzahlung wegen Widerrufs scheidet somit aus.

II. Anspruch aus §§ 346 I, 323 I, 437 Nr.2 BGB auf Rückzahlung infolge erklärten (§ 349 BGB) Rücktritts

F könnte einen Anspruch auf Rückzahlung des ge-zahlten Kaufpreises haben, wenn er wirksam vom Kaufvertrag zurücktreten kann.

1. Ein wirksamer Rücktritt nach §§ 323 I, 437 Nr.2 BGB setzt zunächst voraus, dass sich die vermin-derte Höchstgeschwindigkeit als Sachmangel i.S.d. § 434 BGB darstellt.

a) Wegen der Angaben des Herstellers im Verkaufs-prospekt könnte hier nach § 434 I S.3 BGB ein Mangel vorliegen.

Allerdings bezieht sich diese Regelung (Werbean-gaben) nach dem Wortlaut nur auf § 434 I S.2 Nr.2 BGB. Der gesamte § 434 I S.2 BGB ist aber nach seinem eindeutigen Wortlaut gegenüber dem hier gegebenen § 434 I S.1 BGB subsidiär („soweit“ ... nicht ...“), sodass § 434 I S.3 BGB nicht anwend-bar wäre, wenn eine Sollbeschaffenheit vertraglich vereinbart worden wäre.

b) Hier könnte hinsichtlich der Höchstgeschwindig-keit aber eine vertragliche Beschaffenheitsverein-barung i.S.v. § 434 I S.1 BGB vorliegen.

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SchuldR-BT Fall 4 - Lösung – Seite 4

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Die Höchstgeschwindigkeit stellt ein Beschaffen-heitsmerkmal dar, das dem Kraftfahrzeug unmittel-bar und dauerhaft anhaftet.3

Fraglich ist, ob hier im Kaufvertrag eine Vereinba-rung über gerade dieses Beschaffenheitsmerkmal getroffen worden ist.

Eine Beschaffenheitsvereinbarung würde dann vor-liegen, wenn F und der Verkäufer eine bestimmte Höchstgeschwindigkeit durch übereinstimmende Willenserklärungen zum Vertragsbestandteil ge-macht hätten.

Dafür reichen zwar u.U. noch nicht die bloßen Werbeangaben des Herstellers (Umkehrschluss aus dem Sonderfall der objektiven Beschaffenheit des § 434 I S.3 BGB), doch ist aufgrund der mündli-chen Erklärungen der Vertragsschließenden davon auszugehen, dass eine solche Vereinbarung selbst dann vorliegt, wenn keine verbindlichen entspre-chenden Angaben in die Vertragsurkunde aufge-nommen wurden. Immerhin hatte der Verkäufer die Bedeutung der Höchstgeschwindigkeit eigens be-tont.

Als eine unverbindliche Schätzung, die nur unge-fähr eingehalten werden muss, kann der verständi-ge Empfänger der Erklärungen des Verkäufers (vgl. §§ 133, 157 BGB) die Angaben über Höchstge-schwindigkeit unter diesen Umständen jedenfalls nicht mehr ansehen.

Infolgedessen ist von einer vertraglichen Beschaf-fenheitsvereinbarung hinsichtlich der Höchstge-schwindigkeit des Kfz auszugehen.

Da der Wagen aber nur 218 km/h fuhr, weicht die Ist-Beschaffenheit von der vertraglich vereinbarten Sollbeschaffenheit ab.

2. Der Sachmangel war auch bereits zum Zeitpunkt der Übergabe vorhanden, §§ 434 I S.1, 446.

Exkurs: Da hier der Mangel erst nach 6 Monaten am 25.07. bemerkt wurde (die Übergabe war schon am 21.01.),findet die Beweiserleichterung des § 476 BGB im vorliegenden Fall keine Anwen-dung.

3 Vgl. Palandt § 434, RN 14. Ausführlich zum Mangelbe-

griff des neuen Kaufrechts siehe Hemmer/Wüst Schuldrecht BT 1, RN 87 ff.

3. Für einen wirksamen Rücktritt gemäß § 323 I BGB ist wegen des Vorrangs der Nacherfüllung grds. er-forderlich, dass eine angemessene Nachfrist zur Nacherfüllung gesetzt wurde und fruchtlos abge-laufen ist4 oder diese gemäß § 323 II bzw. § 326 V bzw. § 440 entbehrlich ist.

Anmerkung: Ein weiterer Fall der Entbehrlichkeit der Fristsetzung ist in § 478 I BGB beim Unter-nehmerregress geregelt5.

Ob man in der Erklärung des F gegenüber der A-GmbH die Setzung einer derartigen Nacherfül-lungsfrist sehen kann, ist fraglich. Darauf käme es letztlich aber nicht an, wenn die Nachfristsetzung ohnehin entbehrlich wäre.

a) Entbehrlichkeit der Fristsetzung gem. § 440 S.1, 1. Var. BGB

Voraussetzung hierfür wäre, dass die A-GmbH die Nacherfüllung zu Recht gem. § 439 III BGB ver-weigert hätte.

Dies wäre jedenfalls dann der Fall, wenn die Kos-ten der Nachbesserung i.H.v. 4.000 € unverhält-nismäßig, der A-GmbH also unzumutbar i.S.d. § 439 III S. 1. gewesen wären.

aa) Zunächst sind die Kosten der gewählten Art der Nacherfüllung mit denen der anderen Art der Nacherfüllung zu vergleichen.

Sofern die Kosten der gewählten Art (deutlich) hö-her sind als die der anderen, scheidet die gewählte Art der Nacherfüllung schon deswegen als unver-hältnismäßig aus (sog. „relative Unverhältnismä-ßigkeit“).

Hier war aber eine Nachlieferung gar nicht mög-lich. Denn der Mangel lag im Steuerungschip der Motormanagementsoftware. Damit kann kein Auto aus dieser Produktion die vereinbarten 235 km/h fahren. Außerdem wird der Wagen nun nicht mehr produziert.

Anmerkung: Wird ein Wagen als Neuwagen ver-kauft und wird dieser Wagen nicht mehr baugleich hergestellt, so liegt nach der Rechtsprechung des BGH ein Mangel vor.

Ein unbenutztes Kraftfahrzeug ist danach nämlich nur dann „fabrikneu“,

wenn es unbenutzt ist,

4 Achtung: Für einen Rücktritt von einem synallagmati-

schen Vertrag ist keine Ablehnungsandrohung (mehr) er-forderlich! Stattdessen reicht die Setzung einer bloßen Nachfrist, für deren Angemessenheit die schon bisher geltenden Grundsätze gelten (Palandt § 323, RN 14).

5 Vgl. hierzu Hauptkurs Handels- und Gesellschaftsrecht, Fall 5.

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SchuldR-BT Fall 4 - Lösung – Seite 5

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wenn es keine durch längere Standzeit bedingten Mängel aufweist

wenn zwischen Herstellung des Fahrzeugs und Abschluss des Kaufvertrages nicht mehr als 12 Monate liegen und

wenn und solange das Modell dieses Fahrzeugs unverändert weitergebaut wird6.

Zur Frage, ob ein PKW nach einer Tageszulassung noch als „Neu“ verkauft werden darf, lesen Sie BGH Life & Law 2005, Heft 8, 501 ff. = NJW 2005, 1422 f. Der BGH hat diese Frage be-jaht.

Eine ordnungsgemäße Nacherfüllung durch Nach-lieferung scheidet daher von vorneherein aus.

Exkurs: Bei der relativen Unverhältnismäßigkeit muss ein „interner Kostenvergleich“ durchgeführt werden und gem. § 439 III S. 2 BGB danach ge-fragt werden, ob auf die andere Art der Nacherfül-lung ohne erhebliche Nachteile für den Käufer zu-rückgegriffen werden kann. Sind beide Nacherfül-lungsarten im Hinblick auf Effektivität und Be-gleitumstände für den Käufer gleichwertig, ent-scheidet sich die Unverhältnismäßigkeit im Direkt-vergleich der Kosten7.

Die Grenze der „relativen Unverhältnismäßigkeit“ ist umstritten, wird aber nach überwiegender Mei-nung bei ca. 10 % gezogen. Eine teilweise vorge-schlagene Grenze von 20% oder gar 25% ist ein-deutig zu hoch und würde den Verkäufer über Ge-bühr belasten8.

Nach der Ansicht von REINICKE/TIEDTKE kommt es bei der „relativen Unverhältnismäßigkeit“ auf das Vertretenmüssen des Verkäufers nicht an9. Nach a.A. soll die Grenze höher sein, wenn der Verkäufer den Mangel der Kaufsache zu vertreten hat. Der Grund dafür liege darin, dass das Vertrauen des Käufers in die Fähigkeit des Verkäufers, eine be-stimmte Art der Nacherfüllung ordnungsgemäß vorzunehmen, bereits beschädigt sein kann. Kosten von 20 % über der anderen Alternative seien dann noch verhältnismäßig10.

bb) Da ein interner Vergleich von Nachlieferung und Nachbesserung nicht möglich ist, muss nun geprüft werden, ob nicht schon die absolute Grenze der Unverhältnismäßigkeit für einen Anspruch alleine überschritten ist.

6 Vgl. BGH NJW 2004, 160 f. 7 Vgl. Bitter/Meidt, ZIP 2001, 2114 ff. 8 Vgl. hierzu Hemmer/Wüst, Schuldrecht BT 1, Rn. 176a;

Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, Rn. 446 9 Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, Rn. 447 10 So Bamberger/Roth/Faust § 439 Rn. 46

Dies ist der Fall, wenn die Kosten der Nacherfül-lungsalternative und der Wert der Sache in mangel-freiem Zustand außer Verhältnis stehen (absolute Unverhältnismäßigkeit).

Nach Ansicht des EuGH kann der Verkäufer die Nacherfüllung aber nicht wegen absoluter Unver-hältnismäßigkeit ablehnen.11

Eine nationale Regelung wie § 439 III BGB, die dem Verkäufer das Recht gewährt, die einzig mög-liche Art der Abhilfe wegen ihrer absoluten Unver-hältnismäßigkeit zu verweigern, verstößt nach An-sicht des EuGH gegen Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 2 der Richtlinie. Nach Ansicht des EuGH bleibt der Ver-käufer trotz unverhältnismäßiger Kosten also zur Nacherfüllung verpflichtet.

Andererseits schließt es Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie aber nicht aus, dass der Anspruch des Verbrauchers auf einen Betrag beschränkt wird. Der Verkäufer soll also einen Teil der Nacherfüllungskosten auf den Käufer umlegen dürfen, wenn diese unverhält-nismäßig hoch sind.

Der Käufer kann also auch bei unverhältnismäßi-gem Aufwand vom Verkäufer die Nacherfüllung verlangen, wenn er im Gegenzug einen Teil dieser Kosten übernimmt. Er kann sich aber für Minde-rung oder Rücktritt entscheiden, wenn er sich nicht teilweise an den Kosten beteiligen will.

cc) Dies hat der BGH mit Urteil vom 21.12.2011 be-stätigt.12

(1) Der Wortlaut § 439 III S. 1 BGB erlaubt zwar dem Verkäufer, die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung zu verweigern, wenn sie nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist.

Die Norm enthält keine Anhaltspunkte dafür, dass sie sich auf die Fälle beschränkt, in denen beide Formen der Nacherfüllung möglich sind und ledig-lich eine Abhilfevariante im Verhältnis zu der ande-ren unverhältnismäßig hohe Kosten verursacht (re-lative Unverhältnismäßigkeit).

Vielmehr ergibt sich aus den Bestimmungen des § 439 III S. 3, Hs. 2 BGB und des § 440 S. 1 BGB eindeutig, dass nach der Konzeption des Gesetzes beide Formen der Nacherfüllung wegen Unverhält-nismäßigkeit verweigert werden können und damit der Begriff der Unverhältnismäßigkeit absolut zu verstehen ist.

§ 439 III S. 3 BGB beschränkt den Anspruch des Käufers für den Fall, dass der Verkäufer die eine Form der Nacherfüllung wegen unverhältnismäßi-ger Kosten verweigert, zunächst auf die andere Art

11 EuGH, Life&LAW 2011, Heft 8, 537 ff. = NJW 2011,

2269 ff. = jurisbyhemmer. 12 BGH, Life&LAW 2012, Heft 4, 239 ff. = jurisbyhem-

mer.

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der Nacherfüllung, sieht aber weiter vor, dass das „Recht des Verkäufers, auch diese unter den Vo-raussetzungen des Satzes 1 zu verweigern“, unbe-rührt bleibt.

Auf diese Regelung nimmt § 440 S. 1 BGB Bezug, der den Käufer unter anderem dann vom Erforder-nis einer Fristsetzung vor der Geltendmachung von Rücktritt oder Schadensersatz befreit, „wenn der Verkäufer beide Arten der Nacherfüllung gemäß § 439 III BGB verweigert“.

(2) Der Grundsatz der richtlinienkonformen Ausle-gung verlangt von den nationalen Gerichten aber mehr als bloße Auslegung im engeren Sinne. Er erfordert auch, das nationale Recht, wo dies nötig und möglich ist, richtlinienkonform fortzubilden. Daraus folgt hier das Gebot einer richtlinienkon-formen Rechtsfortbildung durch teleologische Re-duktion des § 439 III BGB.

Eine Rechtsfortbildung im Wege der teleologischen Reduktion setzt eine verdeckte Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes voraus.13 Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich, dass der Gesetzgeber die Einrede der Unverhältnismäßigkeit zwar so ausgestalten wollte, dass sie mit der Richtlinie vereinbar ist, er hierbei jedoch Art. 3 III der Richtlinie so verstanden hat, dass dieser auch die absolute Unverhältnismäßig-keit erfasse.

Die gesetzliche Regelung in § 439 III S. 3 BGB steht folglich in Widerspruch zu dem mit dem Ge-setz zur Modernisierung des Schuldrechts verfolg-ten Grundanliegen, die Verbrauchsgüterkaufrichtli-nie bis zum Ablauf des 31. Dezember 2001 ord-nungsgemäß umzusetzen.14

(3) Seit Erlass der Entscheidung des EuGH am 16.06.2011 wurden in der Literatur Vorschläge für eine Rechtsfortbildung zur Herstellung der Richtli-nienkonformität gemacht.

(a) Nach e.A. soll der Verkäufer die Nacherfüllung nach § 439 III BGB verweigern dürfen, sofern sich nicht der Verbraucher zur Beteiligung an den Kos-ten bereit erklärt.15

Dieser Ansatz ist jedoch insofern problematisch, als er dem Verkäufer die Möglichkeit einer völligen Verweigerung der Nacherfüllung bis zur Abgabe einer Erklärung des Verbrauchers eröffnet. Dies ist unvereinbar mit der Vorgabe des EuGH, wonach die Berücksichtigung der Interessen des Verkäufers nicht dazu führen darf, dass die dem Verbraucher zustehenden Rechte in der Praxis ausgehöhlt wer-den.

13 BGHZ 179, 27 = jurisbyhemmer. 14 Vgl. hierzu auch BT-Drucks. 14/6040, S. 1. 15 Faust, JuS 2011, 744, 747 f.

(b) Teilweise wird vorgeschlagen, dass der Verkäufer die Ersatzlieferung unter Berücksichtigung von § 439 III S. 2 BGB der Höhe nach angemessen „herabsetzen“ darf.16 Diese Einschränkung des § 439 III BGB ist zur Erfüllung der europarechtli-chen Vorgaben ebenfalls nicht ausreichend.

Unabhängig davon, dass der EuGH seine Ausfüh-rungen auf beide Arten der Nacherfüllung bezogen hat, also dem Verkäufer ein Verweigerungsrecht wegen unverhältnismäßiger Kosten auch dann ab-spricht, wenn die einzig mögliche Form der Abhil-fe nicht in einer Ersatzlieferung, sondern in einer Nachbesserung besteht, ist dieser Vorschlag prak-tisch nicht umsetzbar.

Eine Beschränkung der Ersatzlieferung ist daher nur bezüglich der Erstattung der dabei entstehen-den Kosten möglich, nicht aber bzgl. der Vornahme als solcher.

(c) Ein anderer Lösungsansatz besteht darin, die An-wendung des § 439 III S. 3 HS 2 BGB für die Fälle des Verbrauchsgüterkaufs ganz auszuschließen.17

Die Begrenzung der Kostentragungspflicht des Verkäufers soll dadurch erreicht werden, dass die-ser im Hinblick auf die Nacherfüllung von vornhe-rein nicht zu deren Vornahme, sondern nur zur Er-stattung der dafür erforderlichen Kosten verpflich-tet sein soll und diese angemessen reduziert werden können.

Dadurch würde dem Verkäufer aber das Recht zur zweiten Andienung genommen. Mit dem Ziel, auch den Interessen des Verkäufers Rechnung zu tragen, wäre es nur schwer zu vereinbaren, wenn der Ver-käufer die Nacherfüllung nicht selbst vornehmen dürfte, sondern von vornherein dem Käufer die hierfür erforderlichen Kosten schuldete.

Denn der Verkäufer wird in vielen Fällen die Nacherfüllung günstiger bewerkstelligen können als der Käufer.

Anmerkungen: Es werden noch deutlich mehr An-sichten zur Lösung der EuGH-Vorgaben vertreten. Um den Fall nicht noch mehr zu überfrachten, wurden in der Life & Law nur die drei am häufigs-ten vertretenen Ansichten dargestellt. Der BGH folgt keinem dieser Ansätze, da diese im Wider-spruch zur EuGH-Rechtsprechung stehen oder über das Ziel hinausschießen.

(d) Lösung des BGH

Nach Ansicht des BGH darf die gebotene richtli-nienkonforme Auslegung des § 439 I BGB nicht dazu führen, dass dem Käufer im Rahmen des

16 Förster, ZIP 2011, 1493, 1500. 17 Purnhagen, EuZW 2011, 626, 629 f.; Lorenz, NJW 2011,

2241, 2244.

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Nacherfüllungsverlangens ein Wahlrecht dahin zu-steht, ob er dem Verkäufer die Nacherfüllung ge-stattet oder diese Arbeiten selbst durchführt und den Verkäufer nur auf Kostenerstattung in An-spruch nimmt.

Der EuGH hat dem Käufer ein solches Wahlrecht gerade nicht eingeräumt. § 439 III BGB ist in sol-chen Fällen einschränkend dahingehend anzuwen-den, dass ein Verweigerungsrecht nicht besteht, wenn nur eine Art der Nacherfüllung möglich ist oder der Verkäufer die andere Art der Nacherfül-lung zu Recht verweigert. In diesem Fall be-schränkt sich das Leistungsverweigerungsrecht des Verkäufers wegen unverhältnismäßiger Kosten da-rauf, den Käufer bezüglich der Nacherfüllung auf die Kostenerstattung in Höhe eines angemessenen Betrags zu verweisen.

Bei der Bemessung dieses Betrags sind der Wert der Sache in mangelfreiem Zustand und die Bedeu-tung des Mangels zu berücksichtigen.

Diese Einschränkung des § 439 III BGB ist nach dem Gebot richtlinienkonformer Rechtsfortbildung erforderlich, weil ein Recht des Verkäufers, die einzig mögliche Form der Abhilfe wegen (absolut) unverhältnismäßiger Kosten zu verweigern, mit Art. 3 der Richtlinie nicht vereinbar ist. Sie belässt dem Verkäufer andererseits in Form einer Einrede die auch nach der Richtlinie zulässige Beschrän-kung des Ersatzes für die Kosten der Nacherfüllung auf einen angemessenen Betrag unter Benennung der für dessen Ermittlung maßgeblichen Umstände. Anders lässt sich der Widerspruch zwischen den gesetzgeberischen Zielen - einerseits Berücksichti-gung der Verhältnismäßigkeit im Interesse des Ver-käufers, andererseits Richtlinienkonformität - im Wege richterlicher Rechtsfortbildung nicht lösen.

Gemäß Art. 3 III der Richtlinie kann der Verbrau-cher vom Verkäufer die unentgeltliche Nachbesse-rung oder eine unentgeltliche Ersatzlieferung ver-langen. Art. 3 IV der Richtlinie stellt klar, dass sich der Begriff der Unentgeltlichkeit auf alle für die Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchsguts notwendigen Kosten erstreckt, ins-besondere auf Versand-, Arbeits- und Materialkos-ten. Diese dem Verkäufer auferlegte Verpflichtung, die Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchsguts unentgeltlich zu bewirken, soll den Verbraucher vor drohenden finanziellen Belastun-gen schützen, die ihn in Ermangelung eines sol-chen Schutzes davon abhalten könnten, seine An-sprüche geltend zu machen.

Der Verbraucher kann daher für Kosten, die ihm im Rahmen der Nacherfüllung entstehen, aber vom Verkäufer zu ersetzen sind, auch einen Vorschuss verlangen. Hält der Verkäufer dem Nacherfül-lungsanspruch des Käufers einredeweise entgegen, dass er diesem stattdessen die Kosten der Nacher-

füllung in Höhe eines angemessenen Betrags er-stattet, muss der Käufer nach Ansicht des EuGH die Möglichkeit haben, eine angemessene Minde-rung des Kaufpreises oder die Vertragsauflösung zu verlangen.

Anderenfalls würde die Nacherfüllung für den Ver-braucher infolge der Herabsetzung mit erheblichen Unannehmlichkeiten verbunden sein.

Zur Lösung dieser europarechtlichen Vorgabe ent-hält § 440 S. 1 Var. 3 BGB eine entsprechende Regelung. Danach bedarf es der für die Geltend-machung von Rücktritt (und Schadensersatz statt der Leistung) im Regelfall notwendigen Fristset-zung zur Nacherfüllung nicht, wenn dem Käufer die ihm zustehende Art der Nacherfüllung unzu-mutbar ist. Die Vorschrift, die über § 441 I S. 1 BGB auch auf die Minderung Anwendung findet, kommt auch dann zur Anwendung, wenn die Nacherfüllung mit erheblichen Unannehmlichkei-ten für den Verbraucher verbunden ist.18

Der BGH sieht aber ausdrücklich davon ab, Grenz- oder Richtwerte für die Bestimmung der angemes-senen Höhe einer Beteiligung des Käufers an den Nacherfüllungskosten zu entwickeln. Die durch die Entscheidung des EuGH aufgedeckte Gesetzeslü-cke durch eine generelle Regelung zu schließen, sei dem Gesetzgeber vorbehalten.

Im vom BGH zu entscheidenden Fall hat der BGH den Anspruch auf den dreifachen Minderungsbe-trag beschränkt. Im vorliegenden Fall wären dies 6.000,- €, sodass ein Reparaturaufwand von 4.000,- € nicht absolut unverhältnismäßig ist.

Ergebnis: Die A-GmbH durfte die Nacherfüllung also unabhängig vom Kostenaufwand wegen abso-luter Unverhältnismäßigkeit nicht generell ver-weigern.

Anmerkung: Der BGH hat leider offen gelassen, ab welcher Grenze eine Unangemessenheit zu be-jahen ist. Hierzu wird eine Reihe von Ansichten vertreten.

Sicher ist, dass nicht das Verhältnis der Nacherfül-lungskosten zum Kaufpreis zu beurteilen ist, son-dern zum objektiven Wert der Sache in mangelfrei-em Zustand. Der Grund für die Orientierung am Wert liegt darin, dass der Verkäufer den u.U. in der Differenz von Kaufpreis und Wert liegenden Verlust bereits durch das für ihn schlechte Geschäft erlit-ten hat, er also der vertraglichen Äquivalenz ent-spricht.

Wo die prozentualen Grenzen der Unverhältnismä-ßigkeit liegen, wird nicht einheitlich beurteilt.

18 BT-Drucks. 14/6040, S. 233.

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(1) Nach einer Ansicht19 wird folgende Merkregel vorgeschlagen:

Hat der Verkäufer die Lieferung der mangelhaften Sache nicht zu vertreten, so dürfen die Kosten der Nacherfüllung nicht mehr als 100 % des Wertes der Kaufsache in mangelfreiem Zustand betragen. Hat der Verkäufer dagegen die Lieferung der mangel-haften Sache zu vertreten, so wird die Grenze bei 130 % gezogen. Die Grenze von 130 % lehnt sich an die zu § 251 II S. 1 BGB von der Rechtspre-chung im Pkw-Schadensrecht entwickelte Faust-formel von 30 % an.

Argumentiert wird hier mit der Ähnlichkeit des Wortlauts von § 251 II S. 1 BGB („unverhältnis-mäßige Aufwendungen“) im Vergleich zu § 439 III S. 1 BGB („unverhältnismäßige Kosten“).

(2) Eine den Nacherfüllungsaufwand noch weiter ausdehnende Ansicht sieht die Grenze der Verhält-nismäßigkeit erst dann als überschritten an, wenn die Kosten der Nacherfüllung 150 % des Werts der Sache in mangelfreiem Zustand betragen.

(3) Nach einer dritten Ansicht liegt die Grenze bei einer 200 %igen Überschreitung des mangelbe-dingten Minderwertes.20

Dieser Wert soll nur dann gelten, wenn der Verkäu-fer den Mangel nicht zu vertreten hat. Liegt Vertre-tenmüssen vor, sind ihm noch höhere Nacherfül-lungskosten zuzumuten. Eine Differenzierung auf-grund des Vertretenmüssens wird damit begründet, dass § 439 III BGB als Ausprägung des in § 275 II S. 2 BGB formulierten allgemeinen Rechtsgrund-satzes zu betrachten ist, der das Vertretenmüssen als beachtliches Kriterium nennt.

b. Entbehrlichkeit der Fristsetzung nach § 323 II Nr.1 BGB

In der Erklärung des Vertreters der A-GmbH, „kei-nesfalls“ Nachbesserungsmaßnahmen vorzuneh-men und insbesondere auch darüber nicht mehr diskutieren zu wollen, liegt somit eine pflichtwid-rige endgültige und ernsthafte Erfüllungsverweige-rung hinsichtlich der Nachbesserung.

Daher ist die Nachfristsetzung gemäß § 323 II Nr.1 BGB entbehrlich.

19 Hemmer/Wüst, Schuldrecht BT 1, Rn. 176; Reini-

cke/Tiedtke, Kaufrecht, Rn. 448 ff., Huber, NJW 2002, 1004 [1008]; Palandt, § 439 BGB, Rn. 16a

20 Vgl. Bitter/Meidt, ZIP 2001, 2114 [2021].

4. Weiterhin dürfte der bezeichnete Mangel, die zu geringe Höchstgeschwindigkeit, nicht unerheblich sein (§ 323 V 2 BGB).

Bei einer rein objektiven Betrachtung ist die Ab-weichung von der vereinbarten Höchstgeschwin-digkeit um deutlich unter 10%. Daher scheint die Pflichtverletzung nicht erheblich zu sein.

Anmerkung: Bei einer Abweichung von lediglich 5% hat das OLG Düsseldorf die Erheblichkeit des Mangels verneint, vgl. NJW 2005, 3504 f.

Für die Frage, ob ein Mangel erheblich ist, kommt es aber nicht nur auf eine objektive Betrachtung, sondern auf eine umfassende Interessenabwägung an.

In die Abwägung mit einzustellen sind einerseits die mangelbedingte Wertminderung für den Käufer und andererseits der zur Mängelbeseitigung erfor-derliche Aufwand des Verkäufers.21

Diese Frage ist oft sehr schwer zu entscheiden.22 Darauf kommt es aber dann nicht an, wenn – wie hier - eine Beschaffenheitsgarantie gegeben ist. In diesem Falle ist ein Sachmangel nach der Intention des Gesetzgebers (zumindest subjektiv) immer er-heblich, da sonst die Bedeutung der Garantie stark entwertet würde.

Dazu müsste die A-GmbH dem F zu erkennen ge-ben, dass sie für den Bestand einer bestimmten Be-schaffenheit und alle Folgen ihres Fehlens ver-schuldensunabhängig einstehen will.23 Diese Ga-rantieübernahme kann sowohl ausdrücklich wie auch konkludent geschehen.

Hinsichtlich der Annahme einer stillschweigenden Zusicherung für ein Neufahrzeug, das nach Ver-kaufsprospekt und Preisliste beim Händler bestellt und vom Hersteller erst noch ausgeliefert wird, ist grds. große Zurückhaltung angezeigt.

Im Hinblick auf die mögliche Schadensersatz-pflicht (§§ 437 Nr.3, 280 I, III, 281 I S.1 bzw. §§ 437 Nr.3, 311a II S.1 BGB) ist zu fordern, dass der Verkäufers seinen Garantiewillen durch die Umstände eindeutig zum Ausdruck bringt.24

21 Vgl. dazu Palandt § 281, RN 47. 22 Bei der Frage der Erheblichkeit des Kraftstoffmehrver-

brauchs wendet der BGH, um einigermaßen für Rechts-sicherheit zu sorgen, beispielsweise eine Grenze von 10 % an (vgl. BGH NJW 1997, 2590; zuletzt BGH, Life&LAW 2007, Heft 8, 514 ff.

23 Palandt § 276, RN 29 (m.w.N.). Dies ist teilweise dann sehr schwierig zu manchen Formen der Garantie nach § 443 BGB abzugrenzen.

24 BGH NJW 1996, 1337; Pal. § 276, RN 29.

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Herstellerangaben zur Höchstgeschwindigkeit die-nen jedoch in erster Linie lediglich der Beschrei-bung der Kaufsache und sind in aller Regel auch so vom Kunden zu verstehen, §§ 133, 157 BGB.

Derartige Angaben in Prospekten und diesbezügli-che Erklärungen des Verkäufers sind daher ohne das Hinzutreten weiterer Umstände nicht als Zusi-cherung in dem zuvor beschriebenen Sinne zu ver-stehen.

Oft kann ein Händler über die Beschaffenheit eines erst noch zu liefernden Neufahrzeugs aus eigenem Wissen noch gar keine Angaben machen.

Hier hatte aber der F bei den Vertragsverhandlun-gen dem Verkäufer gegenüber eindeutig und un-missverständlich zu erkennen gegeben, dass er be-sonderen Wert auf die genaue Höchstgeschwindig-keit lege und anderenfalls nicht kaufen werde.

Indem der Verkäufer daraufhin erklärte, er lege, da dies dem F so wichtig sei, für die Höchstgeschwin-digkeit die Hand ins Feuer, hat er den Willen be-kundet, verschuldensunabhängig, also mit Garan-tiewillen dafür einstehen zu wollen.

Gerade aufgrund dieser klaren Sachlage ist in die-ser Äußerung des Verkäufers eine Beschaffenheits-garantie i.S.v. § 276 I BGB zu sehen.

Anmerkung: Diese Wertung findet sich auch in § 536 II BGB, der bei Eigenschaftszusicherungen (≈ -garantien) gerade nicht auf das Erheblichkeits-erfordernis des § 536 I S.3 BGB verweist.

Eine um 18 km/h zu niedrige Fahrzeughöchstge-schwindigkeit stellt infolge der Beschaffenheitsga-rantie einen erheblichen25 Sachmangel im Sinne von §§ 434 I, 323 V S.2 BGB dar, der den Wert des verkauften Fahrzeugs nicht nur unwesentlich min-dert.

25 Läge keine Beschaffenheitsgarantie vor, wäre in der

Praxis die Übertragbarkeit der oben genannten 10 %-Rechtsprechung zu prüfen: Die geringere Fahrzeug-höchstgeschwindigkeit schlägt sich aber – anders als der Benzinmehrverbrauch – nicht unmittelbar in erhöhten fi-nanziellen Belastungen nieder. Stattdessen führt sie zu einer Verringerung des Wiederverkaufswerts des Kfz. Deshalb erscheint es hier sinnvoll, die 10 %-Regel da-hingehend modifiziert anzuwenden, dass eine verminder-te Fahrzeughöchstgeschwindigkeit dann einen erhebli-chen Mangel darstellt, wenn der Marktwert dadurch um mehr als 10 % reduziert wird.

5. Fraglich ist, ob die Wirksamkeit einer etwaigen Rücktrittserklärung, die gemäß § 349 BGB ein Ge-staltungsrecht, also eine empfangsbedürftige Wil-lenserklärung darstellt, an einer Verjährung des Nacherfüllungsanspruchs scheitert (§§ 438 IV S.1, 218 I S.1 BGB).

Hinweis: Geben Sie hier exakt auf die Formulie-rung acht. Nur Ansprüche können verjähren (vgl. § 194 I BGB), der Rücktritt ist aber kein Anspruch, sondern ein Gestaltungsrecht, das nach wirksamer Ausübung erst zu einem Anspruch (§ 346 BGB) führt. Deswegen hat der Gesetzgeber in § 218 I BGB diese auf den ersten Blick so umständliche Konstruktion geschaffen.

Die Mängelrechte des F verjähren gemäß §§ 438 I Nr.3, II Alt.2, 475 II BGB grds. erst in zwei Jahren ab Ablieferung, d.h. mit Ablauf des 21. Januar 2017 (vgl. §§ 187 I, 188 II BGB).

Fraglich ist, ob hier wegen der im Vertrag vorge-nommenen Verkürzung etwas anders gilt. Dies ist nicht der Fall: Hier handelt es sich – wie oben be-reits gezeigt – nämlich um einen sog. „Ver-brauchsgüterkauf“ (§ 474 I S.1 BGB), für den die §§ 475 ff. BGB gelten.

Nach § 475 II BGB ist bei neuen Sachen aber eine Verkürzung der Verjährungsfrist auf weniger als die zwei Jahre unwirksam. Der Rücktritt ist daher auch nicht wegen Verjährung des Nacherfüllungs-anspruches ausgeschlossen.

6. Rechtsfolgen des Rücktritts:

a) Gemäß §§ 346 I, 348 BGB sind die beiderseitigen Leistungen Zug um Zug (§§ 320, 322) auszutau-schen.

b) F hatte Gebrauchsvorteile an dem Wagen, also Nutzungen (§ 100 BGB). Da diese naturgemäß nicht nach § 346 I BGB herausgegeben werden können, ist nach § 346 II S.1 Nr.1 BGB grds. Wer-tersatz für die Nutzungen zu leisten.

Der in Frage kommende Nutzungsersatzanspruch des Verkäufers ist danach zu bestimmen, in wel-chem Verhältnis zur Gesamtlaufleistung des Kfz eine Abnutzung erfolgt ist.

Da es um ein gesetzliches Rücktrittsrecht geht, ist zu prüfen, ob einem solchen Anspruch die Privile-gierung des § 346 III S.1 Nr.3 BGB entgegensteht. „Verschlechterung“ soll jede nachteilige Verände-rung der Substanz oder Funktionstauglichkeit der zurück zu gewährenden Sache sein.

Richtigerweise kann damit aber nicht die normale Wertreduzierung gemeint sein, die das Fahrzeug in-folge bestimmungsgemäßer Nutzungen zwangsläu-fig erfährt.

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Die Frage nach dem in § 346 III S.1 Nr.3 BGB an-geführten eigenüblichen Sorgfaltsmaßstab zu stel-len, macht nur Sinn, wenn etwas nicht völlig plan-mäßiges geschehen ist.

Dafür spricht zudem, dass der Fall des Wertersatzes für Gebrauchsvorteile bei einer Sache, bei der die Nutzung – wie im Regelfall – auch zu einer konti-nuierlichen Wertreduzierung führt, andernfalls gleich doppelt geregelt wäre, nämlich in § 346 II S.1, Nr.1 und Nr.3 BGB, wo ebenfalls die Verschlechterung geregelt ist. Da der Käufer aber auch bei Anwendung dieser Regelung gemäß § 346 III S.2 BGB eine verbleibende Bereicherung herausgeben muss, könnte man zudem, selbst wenn man anderer Auffassung wäre, die Privilegierung allenfalls auf solche Nutzungen beziehen, die er ohne den Kauf dieses Wagens nicht gezogen hätte.

c) Die Verschlechterung des Kfz, die aus seiner be-stimmungsgemäßen Ingebrauchnahme resultiert, müsste der Käufer nach § 346 II S.1 Nr.3, 2.Hs. BGB nicht ersetzen.

Diese Ingebrauchnahme i.S.v. § 346 II S.1 Nr.3 BGB umfasst nach allg. Ansicht aber nur die Wert-reduzierung infolge des ersten Ingebrauchnahme-akts („aus neu wird gebraucht“, hier etwa durch Zulassung des Fahrzeugs), nicht aber die dem nachfolgenden Gebrauchsakte, die grds. immer in ihrem Wert zu ersetzen sind.26

Ergebnis: Damit steht dem F bei Erklärung des Rücktritts ein Anspruch auf Kaufpreisrückzahlung aus §§ 346 I, 323 I, 437 Nr.2 BGB zu. Er muss da-für aber Wertersatz für die Gebrauchsvorteile am KfZ leisten.

III. Anspruch auf teilweise Kaufpreisrückzahlung nach §§ 441 IV S.1, I, 323 I, 437 Nr.2 BGB (Minderung)

F könnte auch das Gestaltungsrecht der Minderung gemäß § 441 I S.1 BGB erklären und einen Teil des Kaufpreises nach der Anspruchsgrundlage des § 441 IV S.1 BGB zurückverlangen.

Hinsichtlich der Voraussetzungen der §§ 441 I, 323 I BGB („statt zurückzutreten“) kann grds. nach oben verwiesen werden. Zusätzlich ist darauf hin-zuweisen, dass es nach § 441 I S.2 BGB auf die Erheblichkeit des Sachmangels hier gerade nicht ankommt.

Diese würde sich nur auf die Höhe auswirken. 26 Der durch die Ingebrauchnahme verursachte Wertver-

lust, wie hier bei einem PKW durch die Zulassung, wird regelmäßig bei ca. 20 % angesetzt (Pal. § 357, RN 9). Nach § 357 III 1 BGB (Folgen eines Widerrufs, bei dem das Rücktrittsrecht nur per Verweisung grds. anwendbar ist) wäre auch dies zu ersetzen, wenn der Käufer bei Ver-tragsschluss in Textform auf diese Rechtsfolge sowie ei-ne Möglichkeit hingewiesen ist, dies zu vermeiden.

Der Umfang der Minderung bestimmt sich nach § 441 III S.1 BGB: Danach ist der Kaufpreis in ei-nem Verhältnis herabzusetzen, in welchem der Wert der mangelfreien Sache zum wirklichen Wert gestanden haben würde.27

Dies bedeutet hier, dass der wirkliche Wert des mangelhaften Kfz (28.000 €) ins Verhältnis zum objektiven Wert der mangelfreien Sache (30.000 €) zu setzen ist. Daraus ergibt sich ein Verhältnis von (28/30 =) 14/15.

Dieser Betrag ist dann wiederum mit dem verein-barten Kaufpreis für die mangelfreie Sache i.H.v. hier 27.000 € zu multiplizieren, so dass sich ein ge-schuldeter Kaufpreis von 25.200 € ergibt.

Damit ist der Kaufpreis gegenüber dem vereinbar-ten um 1.800 € zu reduzieren.

IV. Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung gemäß §§ 280 I, III, 281, 437 Nr.3 BGB

F könnte möglicherweise auch Anspruch auf Scha-densersatz geltend machen. Bei den von F geltend gemachten Schäden handelt es sich um Schadens-positionen, die durch eine evtl Nacherfüllung be-hoben werden könnten.

Es handelt sich daher nicht um einen sog. Scha-densersatz neben der Leistung, sondern um einen Schadensersatz statt der Leistung.

Man kann sich für die Zuordnung zu § 280 I BGB (Schadensersatz neben der Leistung) bzw. zu §§ 280 I, III, 281, 283 bzw. § 311a II (Schadenser-satz statt der Leistung) immer die Kontrollfrage stellen, ob beide Ansprüche (Schadensersatz und Erfüllung) nebeneinander bestehen können, bzw. ob der geltend gemachte Schaden durch eine ord-nungsgemäße Nacherfüllung behoben werden könnte.

Zum Schadensersatz statt der Leistung gehören alle Schadensposten, deren Ersatz an die Stelle des Er-füllungsanspruches treten würde, sodass sie funkti-onal als Leistungsersatz anzusehen sind.28

Anmerkung: Bei den Kosten für das von F durch-geführte Sachverständigengutachten (sog. „Partei-gutachten“) würde es sich um einen klassischen Begleitschaden i.S.d. §§ 437 Nr. 3, 280 I BGB han-deln.

27 Zur Berechnung der Minderung lesen Sie Hem-

mer/Wüst Schuldrecht BT 1, RN 252. 28 Vgl. dazu Reischl, Grundfälle zum neuen Schuldrecht,

JuS 2003, 250 [252 f.]; diese Abgrenzung ist keinesfalls unumstritten, aber die wohl h.L. Zur Vertiefung sei auf Haas/Medicus/Rolland/Schäfer/Wendland, Das neue Schuldrecht, Kap. 5, Rn. 235 f. hingewiesen. Lesenswert auch U. Huber, Festschrift für Schlechtriem, S. 521 ff. (525); Hauptkurs SchuldR-AT, Fall 7.

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Der Ersatz dieser Kosten wurde von Flick aber nicht geltend gemacht.

Da es sich hier, wie oben bereits dargestellt, um ei-nen behebbaren Mangel handelt (s.o.), ist die rich-tige Anspruchsgrundlage hier §§ 280 I, III, 281, 437 Nr.3 BGB, und nicht §§ 437 Nr.3, 311a bzw. §§ 437 Nr. 3, 280 I, III, 283 BGB.

1. Ein Sachmangel liegt vor (s.o.). Für die Entbehr-lichkeit der Nacherfüllungsfrist nach § 281 II 1.Alt. BGB gilt das oben zu § 323 II Nr.1 BGB (ernsthaf-te und endgültige Erfüllungsverweigerung) Gesag-te.

2. Wegen der weitergehenden Rechtsfolgen des Scha-densersatzanspruchs im Vergleich zu Rücktritt und Minderung erfordert ersterer jedoch, dass der Ver-käufer die Pflichtverletzung zu vertreten hat (§§ 280 I S.2, 276 BGB).

Erforderlich ist hier daher ein eigenes Vertreten-müssen der Organe (§ 31 BGB analog) der GmbH oder ihrer Hilfspersonen.

a) Als Pflichtverletzung kommen hier in Betracht:

• zum einen die Lieferung einer mangelhaften Sache (vgl. § 433 I S.2 BGB)

• zum anderen die nicht erfolgte Nacherfüllung trotz gem. §§ 437 Nr. 1, 439 BGB bestehender Nacherfüllungspflicht.

Fraglich ist, worauf (auf welche Pflichtverletzung) sich das Vertretenmüssen beziehen muss, wenn der Käufer Schadensersatz statt der Leistung ver-langt.29

b) Für den Schadensersatz statt der Leistung bedeutet dies folgendes:

Da dieser Schadensersatzanspruch erst dann gege-ben ist, wenn die Leistung ausbleibt, muss danach gefragt werden, ob der Verkäufer die Pflichtverlet-zung, die zum Ausfall der Leistung geführt hat, zu vertreten hat.

aa) Von einer Ansicht wird vertreten, dass das Vertre-tenmüssen der Pflichtverletzung der mangelhaften Lieferung nicht ausreicht, sondern sich darauf be-ziehen muss, dass innerhalb der Nachfrist die Nacherfüllung unterbleibt (zweite Pflichtverlet-zung). M.a.W. müsse gefragt werden, ob der V die „Nicht-Nacherfüllung“ zu vertreten hat30. Der Be-

29 Vgl. hierzu Lorenz, NJW 2002, 2497 ff.; Tyroller, „Wo-

rauf muss sich das Vertretenmüssen des Verkäufers beim Schadensersatz statt der Leistung beziehen?“, in Life & Law 2005, 417 ff.; Tetenberg, JA 2009, 1 ff.

30 Hemmer/Wüst Schuldrecht BT 1, Rn. 264/314/322 sowie Lorenz NJW 2002, 2497 ff.

zugspunkt für das Vertretenmüssens für einen An-spruch auf Schadensersatz statt der Leistung ist al-so nicht die Lieferung einer mangelhaften Sa-che, sondern die Nicht-Nacherfüllung31.

Liegt der Grund der Nichtbehebung in der unterlas-senen Nacherfüllung, so ist es demnach völlig irre-levant, ob der Verkäufer den Mangel kannte oder kennen musste oder ob er den Mangel schuldhaft verursacht hat.

Entscheidend ist daher, ob der Verkäufer die Grün-de, die zur Nichtvornahme der Nacherfüllung ge-führt haben, zu vertreten hat.32

bb) Dies wird zwar in der Regel der Fall sein, dennoch sind Fallkonstellationen denkbar, in denen diese Ansicht zu absurden Ergebnissen führt und auch die h.M. zu einer Korrektur zwingt. Unbillig wird diese Ansicht nämlich dann, wenn der Verkäufer den Mangel u.U. sogar vorsätzlich verursacht hat, die Nichtnacherfüllung aber nicht zu vertreten hat.

Eine andere Ansicht schlägt daher eine alternative Lösung vor.

Der Verkäufer muss entweder die mangelhafte Lie-ferung oder die Nichtnacherfüllung zu vertreten haben.33 Diese Ansicht löst das unter bb) geschil-derte Problem zufrieden stellend und kommt an-sonsten i.d.R. zum selben Ergebnis wie die zuerst genannte Auffassung.

Außer dem Gerechtigkeitsargument könnte dafür sprechen, dass die Nacherfüllungschance eben nur eine zweite Chance ist für den Verkäufer, die Fol-gen seiner ersten zu vertretenden Pflichtverletzung teilweise wieder zu beseitigen.

Nutzt er diese nicht, aus welchen Gründen auch immer, so ist er eben zum Schadensersatz statt der Leistung verpflichtet.

Zum endgültigen Ausfall der fraglichen Leistung wäre es eben auch nicht gekommen, wenn V gleich mangelfrei geliefert hätte. Nur wenn er beide Pflichtverletzungen nicht zu vertreten hat, könne er sich entlasten.

c) Der Streit wirkt sich im vorliegenden Fall aber nicht aus, wenn der Verkäufer jedenfalls die Verlet-zung der Pflicht zur Nacherfüllung zu vertreten hätte.

31 Lorenz a.a.O., Seite 2501 32 Lorenz a.a.O., Seite 2503 (linke Spalte) 33 Vgl. Ludes/Lube, Vertretenmüssen bei § 281 BGB,

ZGS 2009, Heft 6, 259 ff.; Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, 7. Auflage 2005, Rn. 564; Schwab/Witt ab 2. Auflage, Examenswissen zum neuen Schuldrecht, S. 199 ff.; Bamberger/Roth/Faust, § 437 Rn. 70; so auch U. Huber, Festschrift für Schlechtriem, S. 527 ff. (530).

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Bezüglich der Beweislast dieses Vertretenmüssens gilt § 280 I S.2 BGB.

§ 280 I S.2 BGB regelt eine Beweislastumkehr, d.h. der Verkäufer müsste darlegen und nachwei-sen, dass er die nicht erfolgte Nacherfüllung nicht zu vertreten hat.

Fraglich ist daher, ob dem Verkäufer die Exkulpa-tion hinsichtlich des Vertretenmüssens gelingen wird.

Als denkbare Exkulpation käme evtl. ein ent-schuldbarer Rechtsirrtum über die Pflicht zur Nacherfüllung in Betracht.

Die verminderte Fahrzeughöchstgeschwindigkeit ist ein Mangel, der regelmäßig auf Gründen basiert, die ihren Ursprung im Konstruktions- und Produk-tionsprozess des Motors haben, also in der Herstel-lungsphase.

Da der Verkäufer aber i.d.R. nur Händler und nicht gleichzeitig auch Hersteller ist, kann er einen sol-chen außerhalb seiner Sphäre begründeten Mangel nicht selbst verursacht haben.

Daher könnte man überlegen, ob evtl. die A-GmbH davon ausgehen durfte, nicht zur Nacherfüllung verpflichtet zu sein. Dies kann dahingestellt blei-ben, wenn sich das erforderliche Vertretenmüssen des Verkäufers hier bereits aus einer von diesem übernommenen Garantie für dieses Beschaffen-heitsmerkmal ableiten, die in § 276 I BGB dem Verschulden gleichgestellt wird.

Hier liegt eine unselbständige Garantie i.S.v. § 276 I BGB vor (s.o.). Wer aber eine Garan-tie/Gewähr für eine bestimmte Beschaffenheit der Kaufsache übernimmt, muss bei deren Fehlen ohne weiteres Verschulden für sämtliche sich daraus ergebende Folgen aufkommen.

Mit anderen Worten:

Wer die Mangelfreiheit zum Zeitpunkt der Abliefe-rung garantiert, der garantiert zugleich auch seine Fähigkeit zur Nacherfüllung innerhalb einer ange-messenen Frist.34

Damit hat die A-GmbH die Pflichtverletzung „Nicht-Nacherfüllung“ zu vertreten, sodass die Vo-raussetzungen eines Schadensersatzanspruches statt der Leistung gem. §§ 437 Nr. 3, 280 I, III, 281 BGB erfüllt sind.

3. Für den Umfang des Anspruchs auf Schadenser-satz statt der Leistung ist zu unterscheiden:

a) Beim „kleinen“ Schadensersatz (statt der Leis-tung) behält F den Wagen und kann als Mindest-schaden die Zahlung der Differenz zwischen dem

34 Lorenz a.a.O., Seite 2503 (rechte Spalte)

objektiven Wert der mangelfreien Sache (30.000,- €) und dem objektiven Wert der mangelhaften Sa-che (28.000,- €), hier also 2.000,- € verlangen.35

In dem hier gegebenen Fall des Kaufs unter Wert ist der „kleine“ Schadensersatz also günstiger für den Käufer als die „ähnliche“ Minderung, die hier nur 1.800,- € bringen würde (s.o.).

Da hier aber die Reparatur 4.000,- € kostet, kann diese Summe als Schadensersatz statt der Leistung verlangt werden.

Anmerkung: Eine Vornahme der Reparatur ist grds. nicht erforderlich. Bei Abrechnung auf Repa-raturkostenbasis wird aber die nicht angefallene Umsatzsteuer abgezogen.

b) Beim sog. „großen Schadensersatz“, nun im Gesetz als Schadensersatz statt der ganzen Leistung be-zeichnet (§ 281 I S.3 BGB), muss F den Wagen zu-rückgeben (vgl. § 281 V i.V.m. §§ 346 ff. BGB).

Dafür wird er durch finanziellen Ausgleich so ge-stellt, wie er stünde, wenn der Verkäufer mangel-frei erfüllt hätte.

Da er in diesem Fall einen Wagen im Wert von 30.000,- € bekommen hätte, kann er grds. Zahlung dieser 30.000,- € verlangen.36

Gemäß § 281 V i.V.m. §§ 346 I, II S.1, Nr.1 BGB kann die Verkäuferin allerdings auch in diesem Fall Wertersatz für die Nutzungen entsprechend dem oben Ausgeführten verlangen.

Dieses Rückgewährschuldverhältnis entsteht mit dem Zugang der Forderung von Schadensersatz durch den Käufer (vgl. §§ 281 IV, 130 I BGB).

Anmerkung: Wenn – anders als hier – der Rück-tritt vorschnell schon erklärt worden ist, ist nach neuem Recht wegen § 325 BGB trotzdem noch Schadensersatz möglich.

Da der Rücktritt zur Anwendung der §§ 346 ff. BGB führt, kann dann aber nur noch die sog. Dif-ferenztheorie zur Anwendung gelangen.

4. Fraglich ist, ob diese Schadensersatzansprüche verjährt sind.

Die einschlägige gesetzliche Frist des § 438 I Nr.3, II 2.Alt. BGB ist – wie oben bereits gezeigt – noch lange nicht abgelaufen.

35 Näheres zur Berechnung des kleinen Schadensersatzes

siehe Palandt § 281, Rn. 46, BGH Z 108, 156. 36 Zur Berechnung des großen Schadensersatzes siehe etwa

Palandt § 281, Rn. 19 ff, 47.

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Fraglich ist daher nur, ob die Verkürzung im Kauf-vertrag wirksam war. Dies scheitert hier nicht schon an § 475 II BGB, da diese Regelung gemäß § 475 III BGB nicht für den Schadensersatzan-spruch gilt.

Allerdings stellt diese Klausel eine Allgemeine Ge-schäftsbedingung (AGB) i.S.v. §§ 305 I, 310 III Nr.1 BGB dar.

Diese AGB wurde dann wirksam in den Vertrag mit einbezogen, wenn der Verkäufer einerseits in der Vertragsurkunde ausdrücklich auf die rückseiti-gen AGB verweist (§ 305 II Nr.1 BGB), F damit vor Vertragsschluss die Möglichkeit hatte, in zu-mutbarer Weise von deren Inhalt Kenntnis zu neh-men (§ 305 II Nr.2 BGB) und F durch Unterschrift unter den Vertrag sein Einverständnis mit ihrer Geltung erklärt hatte (§ 305 II BGB). Hiervon ist nach den Umständen des Sachverhalts auszugehen.

Allerdings ist diese Klausel unwirksam nach § 309 Nr.8b lit. ff., Alt. 2 BGB, weil sie die Verjäh-rungsfrist auf weniger als ein Jahr verkürzt. Inso-weit kommt auch eine sog. geltungserhaltende Re-duktion nicht in Betracht, die im konkreten Fall aber ohnehin auch nicht zum Ablauf der Verjäh-rungsfrist führen würde.

Anmerkung: Vertretbar wäre es auch, in der Ver-jährungsverkürzung eine Beschränkung i.S.d. § 444 BGB zu sehen, die bei einer Garantie un-wirksam ist.

Auch hinsichtlich der Schadensersatzansprüche ist also keine Verjährung gegeben.

V. Anspruch aus § 812 I S.1 1.Alt. BGB

F könnte des Weiteren einen Anspruch auf Rück-zahlung des geleisteten Kaufpreises aus § 812 I S.1 1.Alt. BGB oder – stellt man hier nicht auf die Rückwirkungsfiktion § 142 I BGB ab (str., hier aber ohnehin unerheblich) – aus § 812 I S.2 1.Alt. BGB haben.

1. Die A-GmbH hat hier einen Auszahlungsanspruch gegen die kontoführende Bank. Sie hat mithin also ein „etwas“ i.S.d. § 812 I BGB erlangt.

2. Dies ist auch aufgrund einer Leistung des F erfolgt, also einer bewussten Mehrung fremden Vermögens zum Zwecke der Erfüllung einer eigenen Verbind-lichkeit.

3. Die Leistung müsste ohne Rechtsgrund geschehen sein. Der Rechtsgrund für die Vermögensmehrung liegt hier in dem Kaufvertrag vom 14. Januar 2010.

Dieser Rechtsgrund wäre jedoch im Falle einer er-folgreichen Anfechtung nach § 142 I BGB ex tunc entfallen.

Hierfür müsste ein Anfechtungsgrund vorgelegen haben. Vorliegend käme nur § 119 II BGB in Fra-ge.

a) Dafür müsste es sich bei der geringeren Höchstge-schwindigkeit um eine verkehrswesentliche Eigen-schaft handeln.

Dies sind wertbildende Faktoren, welche der Kauf-sache unmittelbar37 und dauerhaft anhaften und den Wert der Kaufsache maßgeblich mitbestim-men. Da hier das Kfz infolge der geringeren Spit-zengeschwindigkeit 2.000,- € weniger wert ist, kann von einer verkehrswesentlichen wertbilden-den Eigenschaft ausgegangen werden.

F hätte das Auto in Kenntnis der merklich geringe-ren tatsächlichen Höchstgeschwindigkeit sicherlich nicht gekauft.

Anmerkung: Eine a.A. war hier mit dem Argument vertretbar, dass ein Gattungskauf vorliegt und die Eigenschaft bei anderen Autos dieser Gattung durchaus vorhanden war.

b) Fraglich ist aber, ob die Anfechtung und damit auch der Anspruch aus § 812 I S.1 Alt.1 BGB dadurch ausgeschlossen ist, dass hier auch Mängel-recht Anwendung findet.

Die früher für den Ausschluss angeführten Begrün-dungsansätze greifen auch nach neuer Rechtslage weitgehend:

Die Gefahr der Umgehung des Ausschlussgrundes des § 442 I 2 BGB bei grober Fahrlässigkeit des Käufers besteht ebenso fort, wie – in abgemilderter Form – die Gefahr der Umgehung der Verjährungs-fristen des § 438 BGB.

Nur ist der Unterschied der objektiven zeitlichen Grenzen etwas geringer geworden. Ausschlagge-bend für die Bejahung eines Ausschlusses der An-fechtung neben den Mängelrechten ist jedoch, ob der wie die Anfechtung auf Vertragsauflösung ge-richtete Gewährleistungsrechtsbehelf, v.a. also der Rücktritt, ebenso primär und unmittelbar verfügbar ist wie die Anfechtung. Nur wenn in beiden Fällen das gleiche Ergebnis erzielt wird, fehlt ein Grund für einen Anfechtungsausschluss.

Nach neuem Recht gilt jedoch der Vorrang der Nacherfüllung, d.h. Rücktritt vom Vertrag ist nur möglich, wenn zuvor ausreichend Zeit für Nacher-füllung gegeben worden ist.

37 Strittig; vgl. dazu nochmals Hauptkurs Schuldrecht-AT,

Fall 19.

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Würde man vor diesem Hintergrund neben den Gewährleistungsvorschriften die Anfechtung nach § 119 II BGB zulassen, würde die Vertragsaufhe-bung sofort möglich und der gesetzgeberisch ge-wollte Vorrang der Nacherfüllung ausgehöhlt.

Deshalb scheidet hier die Anfechtung des Kaufver-trages neben Gewährleistungsrecht aus. Mangels wirksamer Anfechtung bleibt der Kaufvertrag als Rechtsgrund für die Leistung bestehen.

Ergebnis: F steht kein Anspruch aus § 812 I S.1 1.Alt. BGB zu.

Gesamtergebnis: F stehen infolge der Erheblich-keit des Mangels Rücktritt §§ 323 I, 437 Nr.2 BGB, Minderung §§ 441 I, 323 I, 437 Nr.2 BGB bzw. „kleiner“ wie auch „großer“ Schadensersatz §§ 280 I, III, 281 I, 437 Nr.3 BGB zu.

Bei Rücktritt und „großem“ Schadensersatz muss er allerdings mit Gegenansprüchen auf Wertersatz für Nutzungen rechnen.

Der Weg über Schadensersatz ist günstiger, aller-dings muss sich der Käufer zwischen den beiden Varianten entscheiden.

VI. Anspruch auf Schadensersatz gemäß §§ 280 I, 241 II, 311 II Nr.1 (c.i.c.)

Der Anspruch aus § 280 I, 311 II Nr. 1, 241 II BGB (c.i.c.) ist neben den Rechten bzw. An-sprüchen aus § 437 BGB nicht anwendbar, da die Mängelrechte Spezialregelungen darstellen.38

38 BGH, Life&LAW 2009, Heft 7, 433 ff. = NJW 2009,

2120 ff.

Wiederholungsfragen:

1. Warum entfiel im Fall ein Widerrufsrecht des Flick?

2. Wie wird die Erheblichkeit der Pflichtverlet-zung i.R.d. § 323 V S.2 BGB definiert?

3. Was versteht man unter relativer, was unter absoluter Unverhältnismäßigkeit der Nacher-füllung?

4. Was ist der Bezugspunkt des Vertretenmüssens, wenn der Käufer einer mangelhaften Sache Schadensersatz statt der Leistung verlangt?

5. Kann Flick den Kaufvertrag wegen des Irr-tums über die Mangelhaftigkeit nach § 119 II BGB anfechten?

Vertiefungsfragen:

1. Wie wäre die Rechtslage, wenn Flick den Wa-gen zur Gründung eines selbständigen Gewer-bes gekauft hätte? Vgl. HEMMER/WÜST, Ver-braucherschutzrecht, Rn. 29 ff.!

2. Arzt A möchte sich ein Laptop kaufen, um im heimischen Wintergarten im Internet zu surfen und seiner Sammelleidenschaft nachzugehen und Überraschungseierfiguren bei eBay er-steigern zu können. Außerdem will er den Lap-top zum Schreiben von Artikeln für medizini-sche Fachzeitschriften verwenden, von denen er in den letzten 7 Jahren bereits 5 Stück ver-öffentlicht hat. Ist A Verbraucher?

Vgl. HEMMER/WÜST, Verbraucherschutz-recht, Rn. 44 ff.!

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Arbeitsanleitung:

1. Zur Reichweite des § 476 BGB lesen Sie:

Tyroller, Life&LAW 2006, 573 ff. [577 f.] Der Verbrauchsgüterkauf (§ 474 BGB) in der Rechtsprechung (Aufsatz)

BGH, Life&LAW 2007, Heft 9, 579 ff. Beweislastumkehr beim Gebrauchtwagen-kauf („Zylinderkopfdichtungsfall“)

BGH, Life&LAW 2006, 507 ff. = ZGS 2006, 260 ff. Beweislastumkehr beim Pferdekauf

BGH, Life & Law 2006, 159 ff. = NJW 2006, 434 ff. Beweislastumkehr beim Gebrauchtwagen-kauf („Turbolader- Fall“)

BGH, Life & Law 2006, 6 ff. = ZGS 2005, 434 ff.

Vereinbarkeit der Vermutung mit Art der Sache und des Mangels („Ford- Fiesta- Am-biente- Fall“)

BGH, Life & Law 2005, 88 ff. = NJW 2005, 283 ff.

§ 476 BGB beim Einbau des Kaufgegen-standes durch Dritte („Teichbeckenfall“)

BGH, Life & Law 2004, 645 ff. = NJW 2004, 2299 ff.

Beweislastumkehr beim Gebrauchtwagen-kauf („Opel- Vectra- Fall“)

2. Zur Anwendbarkeit des § 476 BGB, wenn der Verbraucher die gekaufte Sache von Dritten einbauen lässt, lesen Sie BGH Life & Law 2005, Heft 2, 88 ff. = NJW 2005, 283 ff.

3. Zur Frage, wann Tiere als neue und wann als gebrauchte Sachen anzusehen sind, lesen Sie BGH, Life&LAW 2007, Heft 3, 147 ff. = NJW 2007, 674 ff.

4. Zum Verbrauchsgüterkauf allgemein lesen Sie HEMMER/WÜST Schuldrecht BT 1, Rn. 457 ff.

5. Zum Vorliegen eines Verbrauchsgüterkaufs bei einem branchenfremden Verkauf eines Pkw durch eine GmbH lesen Sie BGH, Life and Law 2011, Heft 10, 695 (wichtig!!!)

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Bezugspunkte für das Vertetenmüssen des Verkäufers einer mangelhaften Sache

Schadensersatz statt der Leistung39 I. Ansicht von LORENZ40: Auf das Vertretenmüssen bzgl. der Lieferung ei-ner mangelhaften Sache (§ 433 I S.2 BGB) kommt es nie an, d.h. das Vertretenmüssen muss sich immer auf die Pflichtverletzung der Nicht-Nacherfüllung (§§ 437 Nr. 1, 439 BGB) beziehen. 1. §§ 437 Nr. 3, 280 I, III, 281 (+), wenn V die nicht bzw. nicht ordnungsge-mäße erfolgte NE zu vertreten hat 2. §§ 437 Nr. 3, 280 I, III, 283 (+), wenn V das „Unmöglichwerden“ der Nacherfüllung zu vertreten hat 3. §§ 437 Nr. 3, 311a II (+), wenn V die Unkenntnis von der Unmög-lichkeit der Nacherfüllung zu vertreten hat

II. Andere Ansicht der wohl h.L.: Es kommt entweder auf die Pflichtverletzung des § 433 I S.2 BGB oder der Pflicht aus §§ 437 Nr. 1, 439 BGB an !

III. Ansicht von Tiedtke41: Es muss zwischen §§ 437 Nr. 3, 280 I, III, 281 und §§ 437 Nr. 3, 280 I, III, 283 und §§ 437 Nr. 3, 311a II BGB differenziert werden!

39 Ausführlich hierzu Tyroller, Life&LAW 2005, 417 f. 40 Lorenz, NJW 2002, 2497 ff. 41 Reinicke/Tiedtke Kaufrecht, Rn. 525 ff.

Schadensersatz neben der Leistung

alle „Begleitschäden“, die infolge der schuld-haften Lieferung einer mangelhaften Sache oder der Nicht-Nacherfüllung entstanden sind

Sonderproblem Lieferung einer mangelhaften Sache und soforti-ge Anmietung einer Ersatzsache durch den Käu-fer (sog. Nutzungsausfallschäden). 1. Erste Ansicht: Verzugsschaden gem. §§ 437 Nr. 3, 280 I, II, 286 BGB42 2. BGH43 und h.L.44 Schadensersatz neben der Leistung gem. §§ 437 Nr. 3, 280 I BGB (klassischer Mangelfol-geschaden); evtl. aber § 254 II S.1 BGB, wenn dem Verkäufer nicht die Möglichkeit der Ersatz-lieferung eingeräumt wurde! Der Nutzungsausfall, der während des Verzugs des Verkäufers mit der Nacherfüllung entsteht, ist als Schadensersatz neben der Leistung gem. §§ 280 I, II, 286 i.V.m. 437 Nr. 1, 439 I BGB zu ersetzen. Der Nutzungsausfall nach erklärtem Rücktritt ist hingegen als Schadensersatz statt der Leistung gem. §§ 437 Nr. 3, 280 I, III, 281 BGB zu erset-zen.45

42 Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring, Das neue Schuldrecht

2002, S. 311 43 BGH, Life&LAW 2009, 649 ff. 44 Reischl, „Grundfälle zum neuen Schuldrecht“, JuS 2003,

250 [251]; Lorenz, „Rücktritt, Minderung und Scha-densersatz wegen Sachmängeln im neuen Kaufrecht: Was hat der Verkäufer zu vertreten ?“, in NJW 2002, 2497 [2503]; Ebert, „Das Recht des Verkäufers zur zweiten Andienung und seine Risiken für den Käufer“, in NJW 2004, 1761 [1762]

45 BGH, Life&LAW 2010, Heft 8, 503 ff. = NJW 2010, 2426 ff. = jurisbyhemmer; vgl. dazu auch Tyrol-ler/Fürbaß, Schadensersatz statt der Leistung oder doch neben der Leistung, Life and Law 2014, Heft 9.

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SchuldR-BT Fall 6 - Lösung - Seite 1

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Fall 6 - Lösung

ÜBERSICHT FALL 6

A) Anspruch des S gegen den H wegen der „5 Ma-

riannes“ bzw. Annelieses I. Anspruch auf 3.000,- € für die 2 „Mariannes“

aus § 433 II 1. KV (+) 2. Erlöschen des Anspruchs gem. § 355 I S.1 wegen

Widerrufs nach § 312g I BGB n.F.?

a) Fernabsatzgeschäft (+), da Katalogbestellung, vgl. § 312c II BGB n.F.

b) Hier aber Vertrag zwischen zwei Unternehmern, sodass § 312c I BGB ausscheidet

3. Erlöschen des Anspruchs durch Rücktritt

(-); Zahlungsverweigerung ist kein konklu-denter Rücktritt, da H die Lieferung einer man-gelfreien Sache verlangt, §§ 437 Nr. 1, 439 I 2.Alt.

4. Einrede der Nichterfüllung wegen mangelhafter

Lieferung, § 320 I BGB

Voraussetzung wäre Nichterfüllung

a) Wegen § 433 I S.2 ist mangelhafte Lieferung eine nicht vertragsgemäße Erfüllung

b) Mangel gem. § 434 I BGB auch (+)

c) Aber evtl. Präklusion gem. § 377 HGB?

aa) Anwendbarkeit (+), §§ 1 II, 343 HGB

bb) Unverzügliche Untersuchung und Mängel-anzeige unterlassen, § 377 II HGB?

nach h.M. ist auch hinsichtlich der an Kraft gelieferten Marianne Präklusion eingetreten

Ergebnis: Klage begründet

II. Anspruch auf 3.400 € für die beiden „Annelie-ses“ aus § 433 II BGB

1. KV (+) 2. Kein ausgeübter Rücktritt (s.o.) 3. Einrede nach § 320 ?

(-) wegen § 377 II HGB 4. Problem: voller Kaufpreis von 3.400 €?

(+), da Zweck des § 377 HGB (str.) III. Anspruch auf 1.700 € für „Anneliese“ im Au-

gust 1. KV (+), aber aliud geliefert 2. Hier rechtzeitige Rüge (+) 3. Rechte des H ?

da ein „aliud“ einen Mangel darstellt (§ 434 III BGB), gelten die Mängelrechte

da die Nacherfüllung noch möglich ist, kommt die Einrede aus § 320 BGB zur Anwen-dung

B. Die Zinsforderung Anspruch auf 5 % Zinsen gem. §§ 353, 352

HGB seit Fälligkeit Fälligkeit tritt mit Lieferung ein, da die Ge-

nehmigungsfiktion des § 377 II HGB gem. § 184 I analog auf diesen Zeitpunkt zurückwirkt

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SchuldR-BT Fall 6 - Lösung - Seite 2

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���������������� ��������� Augsburg - Bayreuth – Berlin/Potsdam - Bielefeld - Bochum - Bonn - Bremen

Düsseldorf - Erlangen - Frankfurt/M. – Frankfurt/O. - Freiburg - Göttingen – GreifswaldHalle - Hamburg - Hannover - Heidelberg - Jena - Kiel - Koblenz - Köln - KonstanzLeipzig - Mainz – Marburg/Gießen - München - Münster - Nürnberg - Osnabrück - PassauRegensburg - Rostock - Saarbrücken - Stuttgart - Trier - Tübingen - Würzburg

LÖSUNG FALL 6

Die Klage des S wäre begründet, wenn ihm die ge-forderten Beträge zustehen. Die Kaufpreisforde-rung ist dabei die Hauptforderung, die Zinsforde-rung Nebenforderung.

A. Anspruch des S gegen den H auf Kauf-preiszahlung in Höhe von insgesamt 8.100 € (2 x 1.500 und 3 x 1.700 €)

Bei der Prüfung der Kaufpreisforderung ist es zweckmäßig, zwischen den beiden am 27. Juli aus-gelieferten Couches „Marianne“, den beiden eben-falls am 27. Juli gelieferten Couches „Anneliese“ und der im August gelieferten Couch „Anneliese“ zu differenzieren.

I. Klage auf Zahlung von 3.000 € für die beiden Couches „Marianne“

1. Anspruch aus § 433 II BGB

S könnte gegen H einen Anspruch auf Zahlung von 3.000 € aus § 433 II BGB haben. Voraussetzung dafür ist der Abschluss eines Kaufvertrags mit ent-sprechendem Inhalt.

Ein Vertrag kommt durch Angebot und dessen An-nahme zustande. Das Zusenden eines Katalogs von S an H beinhaltet noch kein Vertragsangebot, son-dern nur eine Aufforderung des S an H, seinerseits ein Vertragsangebot zu machen. Für ein wirksames Angebot fehlt der Rechtsbindungswille (sog. „invi-tatio ad offerendum“).

Ein Kaufvertragsangebot hat H jedoch mit seiner Bestellung am 1. Juli abgegeben. S war laut Sach-verhalt einverstanden.

Ein Kaufvertrag ist demnach geschlossen worden. Da für die beiden Couches ein Kaufpreis von je 1.500 € vereinbart wurde, ist der Anspruch des S auf 3.000 € entstanden.1

2. Erlöschen des Anspruchs gemäß § 355 I S.1 we-gen Widerrufs nach § 312g I BGB

a) Wegen der Bestellung nach Katalog liegt ein unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunika-tionsmitteln abgeschlossener Vertrag i.S.d. § 312c II i.V.m. I BGB vor.

b) Allerdings wurde der Vertrag zwischen zwei Un-ternehmern (§ 14 I BGB) abgeschlossen, liegt kein Verbrauchervertrag i.S.d. §§ 312 I, 310 III BGB vor, so dass die persönlichen Voraussetzungen des § 312c I BGB (Unternehmer Verbraucher) nicht erfüllt sind.

1 Das Zustandekommen des Kaufvertrages wurde hier

„schulmäßig“ durchgeprüft. Dies lässt sich in der Exa-mensklausur kürzen.

3. Erlöschen des Anspruchs durch Rücktritt, §§ 346 ff. BGB

Da H unter Berufung auf die Mangelhaftigkeit der Couches die Zahlung des Kaufpreises verweigert, könnte der Kaufpreisanspruch aufgrund der Gel-tendmachung von Mängelrechten erloschen sein.

Unbedingt beachten: Ein unbehebbarer Mangel der Sache führt zwar zur qualitativen Unmöglich-keit der Nacherfüllung, aber nicht zum Erlöschen des Kaufpreisanspruchs des Verkäufers gemäß § 326 I S.1, 1.Hs., vgl. § 326 I S.2 BGB.

Grund: Da bei Mängeln der Käufer das Wahlrecht hat, welche Rechte er geltend macht, darf das Ge-setz das Erlöschen des Gegenleistungsanspruches nicht vorgeben.

Aber Achtung: Ausweislich des eindeutigen Wort-lautes gilt dies nur bei einer „nicht vertragsgemä-ßen Leistung“. Das bedeutet, dass beim Verkauf einer unbehebbar mangelhaften Sache und noch nicht erfolgten Übergabe die Pflicht zur Erbrin-gung der Gegenleistung gem. § 326 I S.1, 1. Hs. BGB erloschen ist. Mit Übergabe lebt der An-spruch also wieder auf, allerdings bestehen dann die Mängelrechte des Käufers2.

In Betracht kommt die Umwandlung in ein Rück-gewährschuldverhältnis (§§ 346 ff. BGB) nach ausgeübtem Rücktritt gemäß §§ 437 Nr. 2, 323 I BGB.

Der Käufer muss den Rücktritt oder die Minderung als Gestaltungsrechte ausüben (§§ 441 I S.1 BGB). Dies ist hier jedoch nicht ausdrücklich geschehen.

Allerdings könnte man die Zahlungsverweigerung als konkludenten Rücktritt verstehen. Hiergegen spricht aber, dass H die Couches zur Abholung be-reitgestellt hat, damit im Rahmen der Nacherfül-lung gem. §§ 437 Nr. 1, 439 I 2. Alt. BGB neue, mangelfreie Couches geliefert werden.

Nur weil der H wegen der ernsthaften und endgül-tigen Erfüllungsverweigerung des S gem. §§ 437 Nr. 2, 323 II Nr. 1 BGB sofort zurücktreten dürfte, heißt dies nicht, dass er dies muss.

„Sound“: Die endgültige und ernsthafte Erfül-lungsverweigerung eröffnet dem Käufer das Recht, ohne Fristsetzung zurückzutreten, zu mindern oder Schadensersatz statt der Leistung zu verlangen, nimmt diesem aber nicht den Erfüllungsanspruch.

Dies ist der Unterschied zu § 439 III BGB. In bei-den Fällen wäre die Nachfristsetzung entbehrlich, vgl. § 440 S.1, 2. Var. Allerdings ist im Fall des § 439 III BGB der Anspruch auf die Nacherfüllung ausgeschlossen.

2 Ein äußerst lehrreiches Fallbeispiel finden Sie in

ZGS 2002, 256 ff.

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Düsseldorf - Erlangen - Frankfurt/M. – Frankfurt/O. - Freiburg - Göttingen – GreifswaldHalle - Hamburg - Hannover - Heidelberg - Jena - Kiel - Koblenz - Köln - KonstanzLeipzig - Mainz – Marburg/Gießen - München - Münster - Nürnberg - Osnabrück - PassauRegensburg - Rostock - Saarbrücken - Stuttgart - Trier - Tübingen - Würzburg

4. Einrede der Nichterfüllung wegen mangelhafter Lieferung, § 320 I BGB

Jedoch ist in der Aufrechterhaltung der Beanstan-dungen sowie in der beantragten Klageabweisung die Erhebung der Mängeleinrede zu sehen.

Zu prüfen ist also, ob die Couches bei Gefahrüber-gang mit einem Mangel behaftet waren, § 434 I BGB, sodass insoweit eine Nichterfüllung vorliegt.

Mangel in diesem Sinne ist die Abweichung des tatsächlichen Zustands der Kaufsache von dem Zu-stand, den die Vertragsparteien bei Abschluss des Kaufvertrags gemeinsam vereinbart (§ 434 I S.1 BGB) oder vertraglich vorausgesetzt haben (§ 434 I S.2 Nr. 1 BGB), sonst eine Abwei-chung von der Eignung zu gewöhnlichen Verwen-dungen und den Beschaffenheiten, die der Käufer üblicherweise erwarten kann (§ 434 I S.2 Nr. 2 BGB).

Bei den beiden Couches „Marianne“ funktionierte der Klappmechanismus nicht. Es liegt daher jeden-falls nach § 434 I S.2 Nr. 2 BGB ein Mangel vor, der den Sachen auch schon bei Gefahrübergang, al-so bei Lieferung (§ 446 S.1 BGB), anhaftete.

Dem H könnte somit die Einrede der Mangelhaf-tigkeit grundsätzlich zustehen.

a) Die Mängeleinrede ist ausdrücklich geregelt in § 438 V, IV S.2 BGB. Diese Vorschrift setzt aber grundsätzlich voraus, dass der Nacherfüllungsan-spruch verjährt ist.

Dies ist hier eindeutig noch nicht der Fall, § 438 I Nr. 3, II BGB (2 Jahre ab Ablieferung der Couches).

b) Fraglich ist demnach, ob dem Käufer einer man-gelhaften Sache vor Verjährung auch eine Einre-demöglichkeit zusteht.

Hier ist zwischen unbehebbaren und behebbaren Mängeln zu differenzieren.

Da jedenfalls eine Nachlieferung einer funktions-tüchtigen Couch möglich ist, liegt hier kein unbe-hebbarer Mangel vor.

Geht es wie hier um behebbare Mängel, liegt letzt-lich noch keine ordnungsgemäße Erfüllung des An-spruchs aus § 433 I S.1 BGB vor, sodass § 320 BGB einschlägig ist. Wegen § 433 I S.2 BGB gilt nämlich nun kraft Gesetzes die sog. Erfüllungs-theorie (mit mangelhafter Sache wird grds. nicht erfüllt).

Dass § 320 BGB im „Schuldrecht-AT“ steht, ist unerheblich, da § 437 Nr.1 BGB auf den Nacher-füllungsanspruch verweist und auch dessen Nicht-erfüllung die Einrede nach § 320 BGB begründet.

Damit steht H grds. die Einrede nach § 320 BGB zu.

Anmerkung: Geht es um unbehebbare Mängel, ist die Sache etwas problematisch, weil § 320 BGB dann wegen § 275 I BGB nicht eingreift und § 326 I S.2 BGB die Einwendung gem. § 326 I S.1 BGB nach der Übergabe ausschließt.

(1.) LORENZ/RIEHM3 sind daher der Ansicht, dass vor Verjährung des Nacherfüllungsanspruches gar keine Einrede mehr besteht.

Hierfür spricht, dass der Käufer ja nun einseitig gestalten kann. Die Anfechtbarkeit bzw. Aufrechen-barkeit geben dem Käufer beispielsweise auch kei-ne Einrede. Entweder der Käufer gestaltet (dann besteht gem. § 142 I bzw. § 389 BGB ex-tunc keine Forderung) oder er gestaltet eben nicht (dann muss der Käufer zahlen).

(2.) Hiergegen kann man aber wieder einwenden, dass die §§ 437, 438 BGB dem Käufer ein Wahl-recht geben, das man dem Käufer nehmen würde, wenn er sich bei der Kaufpreiszahlungsklage sofort entscheiden müsste. Es kann für den Käufer bzw. Besteller manchmal schwierig sein, die Auswahl des für ihn günstigsten Mängelrechts zu treffen. Erklärt er sich aber zu schnell, so hat er das Ge-staltungsrecht ausgeübt und verliert daher sein Wahlrecht.

Deswegen wird in der Literatur dafür plädiert, dem Käufer bzw. Besteller auch bei unbehebbaren Mängel eine dilatorische Einrede zuzugestehen, die bis zum Ablauf der Fristen des § 438 BGB bestehen soll.4 Dies kann man mit einer „Erst-recht-Analogie“ zu § 438 IV S.2, V BGB begründen.

(3.) Diese Ansicht übersieht jedoch, dass der Käu-fer sich nicht „sofort“ entscheiden muss. Sollte der Käufer nicht zahlen wollen, so muss doch der Ver-käufer aktiv werden und den Käufer beispielsweise verklagen. Bis zur letzten mündlichen Verhandlung vergeht aber eine geraume Zeit, sodass in der Pra-xis der Käufer ab Vertragsschluss in der Regel im-mer über ein Jahr Zeit haben wird, sich für die Auswahl seiner Rechte zu entscheiden.

Die verlängerte Frist für die Geltendmachung der Mängelrechte hat auch nicht den Sinn, dass der Käufer zwei Jahre überlegen können soll, welche Rechte er ausübt, sondern dass der Käufer davor geschützt wird, in Unkenntnis des Mangels seine Rechte zu schnell zu verlieren. Von einem Käufer, der vom Mangel Kenntnis hat, kann auch erwartet werden, dass er sich für eines seiner Mängelrechte entscheidet.

3 Lorenz/Riehm, Lehrbuch zum neuen Schuldrecht, 2002,

Rn. 501 4 vgl. dazu Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung,

13. Kapitel, Rn. 153

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SchuldR-BT Fall 6 - Lösung - Seite 4

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Überzeugend ist also die Ansicht, die dem Käufer vor Verjährung die Einrede der Mangelhaftigkeit versagt.

Folgt man dagegen der anderen Ansicht von Hu-ber/Faust, so erscheint es unausweichlich, dem Verkäufer für den Fall der erhobenen Mängelein-rede analog § 438 IV S.3 BGB auch ein Rücktritts-recht zu geben.

(4.) Als „Kompromiss“ wird vorgeschlagen5, dass der Verkäufer rechtsmissbräuchlich handelt, wenn er dem Käufer nicht eine angemessene Frist zur Ausübung der Mängelrechte einräumt.

Wie sich hier entscheiden, ist völlig unerheblich. Sie müssen nur erkennen, dass dieses Problem nicht gesetzlich geregelt wurde.

c) Die dem H gem. § 320 BGB grds. zustehende Mängeleinrede könnte aber ausgeschlossen sein, wenn die mangelhaften Couches gemäß § 377 II HGB als genehmigt gelten.

Dabei wird die Lieferung einer mangelfreien Sache fingiert und der Käufer verliert sein Recht auf Nacherfüllung, das er ansonsten wegen des Man-gels hätte (vgl. § 437 Nr. 1, 439 I BGB)6.

Dazu müssten die Voraussetzungen des § 377 HGB vorliegen.

aa) Es müsste sich um einen beiderseitigen Handels-kauf handeln, §§ 343, 344 HGB.

(1) Sowohl S als auch H müssten Kaufleute sein.

S als Möbelfabrikant und H als Möbelhändler schaffen Waren an und veräußern sie weiter.

Beide betreiben also ein Gewerbe, sind mithin Kaufleute nach § 1 I, II HGB. Für den Ausnahme-fall des Kleingewerbes gemäß § 1 II 2.Hs. HGB ist nichts ersichtlich.

(2) Der Kaufvertrag müsste für beide ein Handelsge-schäft sein.

Dies ist gemäß § 343 I HGB der Fall. Der Ab-schluss des Kaufvertrages gehörte zum Betriebe ih-res Handelsgewerbes. Auf die Vermutung des § 344 HGB braucht nicht zurückgegriffen werden.

bb) H müsste die unverzügliche Anzeige des Mangels unterlassen haben.

Hier ist zu differenzieren zwischen der an H selbst und der direkt an K gelieferten Couch:

5 Hofmann/Pammler, „Die Mängeleinrede beim Kauf –

die Lage nach der Schuldrechtsreform“, in ZGS 2004, 293 [296]

6 Baumbach/Hopt, § 377 HGB, Rn. 48

(1) Die an K gelieferte Couch

H hat von der Fehlerhaftigkeit dieser Couch am 22. August erfahren und am 23. August den Mangel dem S angezeigt. Er hat also unverzüglich und oh-ne schuldhaftes Zögern nach Kenntniserlangung den Mangel angezeigt (vgl. § 121 I S.1 BGB).

§ 377 I HGB verlangt aber, dass der Käufer die Ware unverzüglich nach der Ablieferung unter-sucht und, wenn sich dabei ein Fehler zeigt, diesen dem Verkäufer unverzüglich mitteilt.

H hat die Couch aber überhaupt nicht untersucht, was nicht so leicht möglich war, da sie ihm nicht ins Geschäft, sondern sofort an seinen Kunden K geliefert wurde. Wäre ihm die Couch ins Geschäft gebracht worden, so wäre die Anzeige am 23.08. längst verspätet gewesen.

Es fragt sich, ob sich etwas anderes daraus ergibt, dass S und H von vornherein vereinbart hatten, dass die eine Couch direkt an K geliefert werden sollte (sog. „Streckengeschäft“)7.

Anzuknüpfen ist an § 377 I HGB, wonach die Ob-liegenheit zur unverzüglichen Untersuchung nur besteht, „soweit dies nach ordnungsgemäßem Ge-schäftsgang tunlich ist“.

(a) Die h.M.8 geht davon aus, dass eine Abrede, wie sie hier vorliegt, an der Untersuchungs- und Rüge-obliegenheit grundsätzlich nichts ändert, diese vielmehr inhaltlich nur modifiziert.

Der Käufer soll also weiterhin verpflichtet sein, für eine schnellstmögliche Aufdeckung von Mängeln Sorge zu tragen und diese unverzüglich anzuzei-gen.

Nur die Frist, innerhalb derer dies zu geschehen hat, soll sich entsprechend den veränderten Um-ständen verlängern.

Der Käufer soll also seinen Kunden anweisen, sei-nerseits die Ware unverzüglich zu untersuchen und etwaige Mängel ihm sofort mitzuteilen. Diese An-zeige habe der Käufer dann unverzüglich dem Ver-käufer weiterzuleiten.9

Anmerkung: Nach Ansicht des BGH gilt dies auch, wenn die Lieferung an einen Kunden in Malaysia erfolgt, vgl. BGH, Beschluss vom 08.04.2014, VIII ZR 91/13.

Die Frist verlängert sich um die Zeitspanne, die man dem Kunden zubilligen muss, die Ware zu un-tersuchen und Mängel dem Käufer anzuzeigen.

7 dazu auch BGH, NJW 1990, 1290 ff. 8 BGH Z 110, 130 ff.; Baumbach/Hopt, § 377 HGB,

Rn. 9, 23 a.E., 34 und 37 9 BGH Z 110, 130 ff.; Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, 7.

Auflage 2005, Rn. 1059.

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SchuldR-BT Fall 6 - Lösung - Seite 5

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(b) Diese Auffassung ist überzeugend bei Geschäften, bei denen auch der Drittabnehmer (hier K) Kauf-mann und damit gemäß § 377 HGB rügebelastet ist.

Versäumt er nämlich die rechtzeitige Rüge, trägt er den Nachteil, weil er gemäß § 377 II HGB seine Gewährleistungsrechte gegenüber dem Erstkäufer verliert.

(c) Nach teilweise vertretener Ansicht sei dies anders bei einem Nichtkaufmann.

Diesen trifft nicht die Obliegenheit des § 377 I HGB. Für ihn gilt nur die gesetzliche Ver-jährung des § 438 BGB. Zeigt er also seinem Ver-käufer einen Mangel nicht unverzüglich an, so be-hält er seine Mängelrechte diesem gegenüber. Der Verkäufer seinerseits dagegen verliert seine Rechte gegenüber dem Lieferanten, da für ihn § 377 I HGB gilt.

Den Schaden hätte also der Verkäufer, verantwort-lich wäre sein Abnehmer. Bei diesem könnte er aber keinen Regress nehmen, da diesen eben keine Pflicht zur unverzüglichen Mängelanzeige trifft.

Der Verkäufer könnte sich auch nicht dadurch ab-sichern, indem er von vornherein mit dem Kunden vereinbart, dass dieser die Ware unverzüglich auf etwaige Fehler hin zu untersuchen und diese un-verzüglich mitzuteilen habe. Eine solche Vereinba-rung gegenüber einem Verbraucher ist wegen §§ 474 I, 475 I BGB noch nicht einmal durch Indi-vidualvereinbarung wirksam, da es sich um eine Beschränkung bzw. Umgehung der Rechte des Verbrauchers handeln würde, § 475 I S.1 bzw. S.2 BGB.

Der Verkäufer hat dann nur den Mangel seinem Lieferanten unverzüglich anzuzeigen, wenn der Käufer ihm den Mangel mitgeteilt hat, vgl. § 377 III HGB.

Hier hat K unverzüglich nach Entdeckung des Feh-lers dem H Anzeige gemacht und dieser unverzüg-lich Anzeige gegenüber S.

(d) Diese Ansicht überzeugt aber jedenfalls im vorlie-genden Fall nicht.

Auch an H wurden drei Mariannes geliefert. Insbe-sondere weil alle „Mariannes“ des H mangelhaft waren, hätte H bei ordnungsgemäßer Untersuchung „seiner Mariannes“ stutzig werden und bei Kraft nachfragen müssen.

Nach Untersuchung seiner drei Couches hätte H auf Nachfrage bei Kraft festgestellt, dass der Klappmechanismus bei ihm nicht funktioniert.

Das Recht zum Rücktritt hinsichtlich der an Kraft direkt gelieferten Couch ist daher ebenfalls gem. § 377 II HGB präkludiert. H steht somit gegen den

Kaufpreisanspruch keine Einrede aus § 320 BGB zu.

Ergebnis: Die Klage des S ist daher begründet.

(2) Die an H gelieferte Couch

Da diese Couch dem H ins Geschäft geliefert wur-de, hätte H sie unverzüglich untersuchen müssen.

Hätte er das getan, so hätte er den Mangel der Klappkonstruktion entdeckt und diesen unverzüg-lich dem S anzeigen müssen. Da er dies unterlassen hat, gilt die Couch als von ihm genehmigt, § 377 II HGB.

Der Nacherfüllungsanspruch aus §§ 437 Nr. 1, 439 I BGB ist damit erloschen. Damit steht dem H aber auch nicht mehr die Einrede des nicht erfüll-ten Vertrages gemäß § 320 I BGB zu.

Ergebnis: Die Klage des S ist insoweit begründet.

II. Klage auf Zahlung der 3.400 € für die beiden im Juli gelieferten Couches „Anneliese“.

1. Ein wirksamer Kaufvertrag wurde zwischen S und H geschlossen (s.o.)

2. Der Anspruch aus diesem Kaufvertrag ist auch nicht durch Rücktritt oder (teilweise) durch Minde-rung erloschen, da diese Gestaltungsrechte noch nicht ausgeübt wurden.

3. Dem H könnte aber gegen den Zahlungsanspruch des S wiederum die Einrede nach § 320 I BGB zu-stehen, da nicht die bestellten Couches „Marian-ne“, sondern solche des Typs „Anneliese“ geliefert worden sind.

Allerdings könnte die Lieferung wieder als geneh-migt gelten, § 377 II HGB.

a. § 377 HGB findet auf den zwischen H und S ge-schlossenen Vertrag Anwendung (dazu schon oben).

b. H hat die beiden Couches auch nicht unverzüglich untersucht, obwohl dies nach ordnungsgemäßem Geschäftsgang tunlich gewesen wäre.

Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich bei den „Annelieses“ um eine „Aliud-Lieferung“ handelt, da gemäß § 434 III BGB das mit entsprechender Tilgungsbestimmung zu Erfüllungszwecken gelie-ferte „aliud“ dem Mangel gleichstellt.

Anmerkung: Zur Problematik, ob eine „Aliud-Lieferung“ beim Stückkauf auch einen Mangel i.S.d. § 434 III BGB oder eine totale Nichterfüllung darstellt lesen Sie unbedingt HEMMER/WÜST, Schuldrecht BT 1, Rn. 133 ff.

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c. Die Voraussetzungen des § 377 II HGB liegen also vor. Die gelieferten Couches gelten als genehmigt. H kann sich nicht mehr darauf berufen, dass S nicht die bestellten Couches geliefert hat. Damit steht dem Kaufpreisanspruch keine Einrede aus § 320 BGB entgegen.

4. Fraglich ist aber, ob S nur die vertraglich verein-barten 3.000 € oder aber 3.400 €, also den Preis der gelieferten Couches verlangen kann.

Nach einer Ansicht10 soll der Verkäufer aus § 377 HGB keinen Anspruch auf Zahlung eines höheren als des vereinbarten Preises herleiten kön-nen. Aufgabe des § 377 II HGB sei es, dem Käufer Rechte zu nehmen, nicht aber, dem Verkäufer neue Rechte zu geben.

Sinn des § 377 HGB ist es allerdings, den Verkäu-fer zu schützen. Mit einer Kondiktion des „wert-volleren aliuds“ ist dem Verkäufer aber häufig nicht gedient. Im Übrigen gilt die Ware gem. § 377 II HGB als genehmigt und damit letztlich als gekauft. Dann ist aber nur konsequent, wenn man dies dann auch hinsichtlich des vom Vertrag ab-weichenden höheren Preises bejaht. Der Verkäufer kann also den vollen Kaufpreis verlangen und zwar so, als wäre der Kaufvertrag einvernehmlich erwei-tert worden.11

Ergebnis: Damit ist die Klage des S gegen den H auf Zahlung der 3.400 € für die beiden im Juli ge-lieferten Couches „Anneliese“ begründet.

Anmerkung: Hier können Sie sich auch anders entscheiden. Es kommt nur darauf an, das Problem als solches zu erkennen und zu argumentieren.

III. Klage auf 1.700 € für die im August gelieferte Couch „Anneliese“

1. Da H diesbezüglich unverzüglich i.S.d. § 377 HGB gerügt hat, hat er seine Rechte jedenfalls nicht ver-loren.

2. Fraglich ist, welche Rechte H gegen die Kaufpreis-forderung hat.

Dass S hier eine andere Couch geliefert hat, lässt einen Mangel nicht entfallen. Vielmehr ergibt sich wiederum aus § 434 III BGB, dass eine Aliud-Lieferung einem Sachmangel gleichzustellen ist.

Das hat zur Folge, dass H die Bezahlung des Kauf-preises verweigern kann, bis ihm mangelfreie Cou-ches geliefert worden sind.

10 OLG Hamm NJW-RR 2003, 613 f.; Canaris, Handels-

recht, 24. Auflage 2006, § 29, § 73; Lettl, Jura 2006, Heft 10, 721 [723].

11 So Brox, Handelsrecht, 18. Auflage 2006, Rn. 345.

Die Genehmigungsfiktion des § 377 II HGB greift hier nicht ein, da die am 21. August gelieferten Couches am 22. August untersucht wurden und der Mangel am 23. August (also jeweils unverzüglich) gerügt wurde.

Dem Kaufpreisanspruch kann H also § 320 I BGB entgegenhalten.

Zwischenergebnis: Die Klage des S ist in Höhe von 6.400 € begründet, im Übrigen unbegründet.

Anmerkung: Zur Frage, ob der Verkäufer bei der Lieferung eines wertvolleren „aliuds“ einen An-spruch auf Rückgabe hat lesen Sie HEMMER/WÜST, Schuldrecht BT 1, Rn. 133 !

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B. Die Zinsforderung

1. In Betracht kommen 5 % Zinsen gem. §§ 353, 352 HGB seit Fälligkeit.

Achtung: Trotz der Neufassung des § 288 I BGB bleibt es im HGB für die Fälligkeitszinsen bei der 5 %-igen Verzinsung. Beim Verzug bzw. bei Rechts-hängigkeit ist der höhere Zinssatz der §§ 288, 247 BGB maßgeblich. Dieser liegt bei einem Rechtsge-schäft, an dem kein Verbraucher beteiligt ist, bei 8%-Punkten über dem Basiszinssatz gem. § 247 BGB.

Schrankmann hätte also ab Klageerhebung gem. §§ 291, 288 II BGB einen deutlich höheren Zins-satz fordern können. Das Gericht gewährt aber nur das, was beantragt wurde, vgl. § 308 ZPO.

a. Der Kaufvertrag ist für S und H ein beiderseitiges Handelsgeschäft, § 352 I S.1 HGB.

b. Der Zinsanspruch besteht mit der Fälligkeit des Hauptanspruchs, § 353 S.1 HGB.

Fällig ist die Kaufpreisforderung, wenn der Ver-käufer Zahlung verlangen kann.

Hier gelten die gelieferten Couches wegen der ver-späteten Mängelrüge gem. § 377 II als genehmigt. Der Kaufpreisanspruch ist deshalb trotz mangelhaf-ter Lieferung fällig geworden.

Fraglich ist nur, ob die Fälligkeit bereits mit dem Zeitpunkt der Lieferung oder erst mit dem Zeit-punkt eintritt, in dem die Rügefrist des Käufers verstrichen ist und die Ware als ordnungsgemäß zu behandeln ist. Entsprechend § 184 I BGB ist die fingierte Genehmigung des § 377 II HGB auf den Zeitpunkt der Lieferung zurückzubeziehen. Also trat bereits mit Lieferung der Ware Fälligkeit des Kaufpreises ein.

c. Die Höhe des Zinssatzes beträgt 5%, § 352 I HGB.

2. Die Zinsforderung ist insoweit begründet, als S von H 5 % Zinsen aus 6.400 € seit dem 27. Juli verlan-gen kann. Im Übrigen ist die Klage unbegründet.

Vertiefungsfrage

Werden von der Präklusion des § 377 II HGB auch deliktische Ansprüche des Käufers gegen den Ver-käufer erfasst? HEMMER/WÜST, Handelsrecht, Rn. 361 ff.

Arbeitsanleitung:

1. Je größer die Wahrscheinlichkeit drohender Schäden durch die Weiterverarbeitung der ge-kauften Ware ist, desto höhere Anforderungen können an die sorgfältige Untersuchung im Rahmen der Mängelrüge gestellt werden.

Zur Reichweite der Untersuchungsobliegen-heit lesen Sie BGH Life & Law 2003, 148 ff..

2. Zur Behandlung der Aliud-Lieferung als Mangel arbeiten Sie HEMMER/WÜST, Schuld-recht BT 1, Rn. 128 ff. nach!

3. Zum sachenrechtlichen Problem des Geheiß-erwerbs beim Streckengeschäft vgl. Tyrol-ler/Wagner, Der Geheißerwerb im Mobiliar-sachenrecht, Life and Law 2012, Heft 7, 522 ff.

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SchuldR-BT Fall 11 - Lösung - Seite 1

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Fall 11 – Lösung

ÜBERSICHT FALL 11

Frage 1: Rückzahlungsanspruch infolge Widerrufs aus

§§ 355 III S. 1, 357a I i.V.m. 355 I S.1, 495 I 506 I, II BGB?

I. Anwendbarkeit der §§ 506 II, 495 I, 355 BGB ? 1. Finanzierungsleasing als entgeltliche Finanzierungs-

hilfe i.S.d. § 506 II S. 1, Nr. 3 BGB?

wegen Einstandspflicht für Restwert liegt ein Fall des § 506 II S. 1, Nr. 3 BGB vor

2. Persönlicher Anwendungsbereich a) L-Bank als Leasinggeber ist Unternehmer, § 14 BGB b) M ist als Leasingnehmerin Verbraucher, § 13 BGB

M hat gem. §§ 506 I, II, 495 I ein Widerrufsrecht II. Erklärung des Widerrufs, §§ 355 I S.2 BGB (+) III. Fristlauf nach 20 Tagen ?

(-), da mangels Belehrung über das Widerrufs-recht gem. §§ 506 I, II, 495, 356b I, II S. 1, 492 II i.V.m. Art. 247 § 6 II EGBGB die 2-Wochen-Frist des § 355 II BGB nicht zu laufen begann

Frage 2: Anspruch auf Rückzahlung der Raten

A) Anspruch aus § 812 I S.1, 1.Alt. BGB?

I. Erlangtes Etwas

bei Überweisung Auszahlungsanspruch gegen die Bank aus der Gutschrift

II. Leistung der M (+) III. Ohne Rechtsgrund?

Mangel führt gem. § 536 I S.1 BGB zur au-tomatischen Minderung, sodass zuviel gezahlte Miete (Leasingraten) kondiziert werden kann

a) § 536 BGB auf LV anwendbar (+), da Leasing atypischer Mietvertrag ist

b) Aber: Mängelrechte nach 536 BGB durch AGB evtl. wirksam ausgeschlossen und durch kauf-rechtliche Mängelrechte gegen H ersetzt

aa) Verstoß gegen § 309 Nr. 8 b) aa) BGB? (1) § 309 Nr. 8 b) aa) BGB gilt grds. nicht für

Gebrauchsüberlassungsverträge (2) Außerdem ist § 309 Nr. 8 b) aa) BGB nach

Sinn und Zweck nicht betroffen Grund: LN sucht sich den Dritten

(= Händler) grds. selbst aus und wird nicht auf Unbekannten verwiesen (str.)

bb) Verstoß gegen § 309 Nr.7 BGB (-), da Ansprüche auf Schadensersatz vom

Haftungsausschluss ausgeklammert wurden cc) Verstoß gegen § 307 II BGB (-), da wegen Abtretung der Mängelrechte

der L gegen den H (§§ 434 ff. BGB) keine Recht-losstellung vorliegt

Ergebnis: Ausschluss der Mängelrechte (+), d.h. § 536 greift nicht ein und damit auch nicht der Anspruch aus § 812 I S.1, 1.Alt. !

B) Anspruch der M auf Rückzahlung der Raten in-

folge Rücktritts nach den Grundsätzen der Stö-rung der GG, §§ 313 I, III S.1, 346 ff. BGB

1. GG ist die Nichtumwandlung des Kaufvertrages

in ein Rückgewährschuldverhältnis 2. Nach Rücktritt fällt die GG des LV weg a) Vss´en des Rücktritts gem. §§ 398 S.2, 437 Nr.2,

323, 440 BGB (+) b) Rechtsfolge:

der Kaufvertrag wird gem. §§ 346 ff. BGB rückabgewickelt dadurch fällt die Geschäftsgrundlage für den Finanzierungsleasingvertrag mit Rücktritt vom Kaufvertrag weg, § 313 I BGB

Page 66: BGB-AT Fall 8 - Lösung - Seite 1 Fall 8 - LösungBGB-AT Fall 8 - Lösung - Seite 2 h/w/t – 14-II Augsburg - Bayreuth – Berlin/Potsdam - Bielefeld - Bochum - Bonn - Bremen Düsseldorf

SchuldR-BT Fall 11 - Lösung - Seite 2

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Bindung der L-Bank an Rücktritt und Pro-zessergebnis

3. Rechtsfolge der Störung der Geschäftsgrundla-

ge a) Grds. Vertragsanpassung, § 313 I BGB b) Hier ausnahmsweise Rückabwicklung, da Anpas-

sung sinnlos ist, § 313 III BGB

trotz Dauerschuldverhältnis erfolgt entgegen § 313 III S.2 eine Rückabwicklung nach Rück-trittsgrundsätzen gemäß §§ 346 ff. (str.)

4. Umfang des Rückabwicklung a) § 346 I BGB bezüglich der drei Raten b) § 346 II S.1 Nr.1 BGB bezüglich der Nutzungen

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SchuldR-BT Fall 11 - Lösung - Seite 3

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LÖSUNG FALL 11

Frage 1: Rückzahlungsanspruch infolge Widerrufs

Ein Anspruch könnte sich hier aus §§ 355 III S. 1, 357a I, II, III S. 4 i.V.m. 355 I S.1, 495 I 506 I, II BGB ergeben.

Zu prüfen ist, ob ein Widerrufsrecht gem. §§ 506, 495 I BGB in Frage kommt.

I. Es könnte sich bei dem hier abgeschlossenen Lea-singvertrag um eine sonstige entgeltliche Finan-zierungshilfe i.S.d. § 506 II Nr. 3 handeln.

Anmerkung: Nach ständiger Rechtsprechung und h.L. ist der Finanzierungs-Leasingvertrag als ein Dauerschuldverhältnis zu qualifizieren, das der Miete sehr ähnlich ist und auf das „in erster Linie“ die Bestimmungen der Miete (§§ 535 ff. BGB) An-wendung finden. Anerkannt ist aber auch, dass teilweise Elemente des Abzahlungskaufes enthalten sind.

1. Zwischen M und der L-Bank wurde ein Leasing-vertrag vereinbart.

Beim Leasing handelt es sich um eine Gebrauchs-überlassung gegen Entgelt.

Anmerkung: Der Leasingvertrag ist ein atypischer Mietvertrag. Wesentlich für einen typischen Miet-vertrag ist, dass die Gebrauchs- und Erhaltungs-pflichten nach den §§ 535 I S.1, S.2, S.3, 539 BGB auf Seiten des Vermieters liegen, wobei es sich et-wa bei § 535 I S.2 BGB sogar um eine im Gegen-seitigkeitsverhältnis stehende Hauptpflicht handelt. Auch das Dazwischenschalten der L-Bank spricht gegen einen typischen Mietvertrag.

Im vorliegenden Fall liegt ein Finanzierungslea-singvertrag vor. Die Summe der Raten beläuft sich bei einem Anschaffungsaufwand von € 30.000 € auf € 21.600.

Da M bei Vertragsende auch für einen kalkulierten Restwert von 15.000,- € einzustehen hat, handelt es sich bei dem hier vorliegenden Finanzierungs-leasingvertrag um eine sonstige entgeltliche Fi-nanzierungshilfe i.S.d. § 506 II Nr. 3 BGB.

Anmerkung: Beim Leasingvertrag wird zwischen Finanzierungsleasing und Operating-Leasing un-terschieden.

Beim Operating-Leasing steht nicht die Finanzie-rung von Anschaffungen im Vordergrund, sondern die mietähnliche Gebrauchsüberlassung.

Die Vertragsdauer ist unbestimmt und i.d.R. kurz, die Kündigung erleichtert oder jederzeit möglich. Bei einem solchen handelt es sich letztlich um eine Sonderform der Miete.

Das Finanzierungsleasing ist letztlich eine Alter-native zum Kauf. Die Laufzeit ist relativ lange. In-nerhalb einer Laufzeit wird der Anschaffungsauf-wand des Leasinggebers durch die Leasingraten und durch den Ausgleich eines (kalkulierten oder garantierten) Restwertes seitens des Leasingneh-mers nahezu voll amortisiert. Diese Art von Lea-sing durch einen Verbraucher ist eine sonstige ent-geltliche Finanzierungshilfe i.S.d. § 506 II S. 1, Nr. 3 BGB.1

2. Persönlicher Anwendungsbereich, § 506

Gemäß § 506 gelten die in Bezug genommenen und auf den Verbraucherschutz angelegten Vor-schriften nur für Finanzierungsleasingverträge zwi-schen einem Unternehmer und einem Verbraucher.

a) Die Leasingnehmerin M hat hier ein eindeutiges Privatgeschäft getätigt. Sie ist Verbraucherin i.S.d. § 13 BGB.

b) Die L-Bank als gewerblicher Leasinggeber ist Un-ternehmer i.S.d. § 14 BGB.

II. Eine Widerrufserklärung der M i.S.d. § 355 I S.2 BGB liegt vor.

III. Die 14-Tagefrist des § 355 II S.1 BGB ist zwar be-reits abgelaufen.

Da aber die Pflichtangabe zum Widerrufsrecht gem. §§ 506 I, II, 495, 356b I, II S. 1, 492 II i.V.m. Art. 247 § 6 II EGBGB nicht erfolgt ist, hatte die Frist noch gar nicht zu laufen begonnen.

Die Folgen eines solchen Widerrufs ergeben sich aus § 357a I, II, III S. 4 BGB. Danach sind die empfangenen Leistungen spätestens nach 30 Tagen seit Erklärung des Widerrufs zurück zu gewähren, § 357a I BGB.

M kann daher die Rückzahlung der Rate verlangen gemäß §§ 355 III S. 1, 357a I i.V.m. 355, 495 I, 506 I, II BGB.

Anmerkung: Ein Anspruch aus § 812 I S. 2, 1. Alt. BGB entfällt, weil das Rückgewährschuldverhält-nis aus § 357a I BGB für die Rückabwicklung ei-nen Rechtsgrund bildet.

1 Zur Anwendbarkeit von Verbraucherschutzvorschriften

auf Leasing- und Mietverträge vgl. auch Skusa, NJW 2011, 2993 ff. bzw. Omlor, NJW 2010, 2694 ff.

Page 68: BGB-AT Fall 8 - Lösung - Seite 1 Fall 8 - LösungBGB-AT Fall 8 - Lösung - Seite 2 h/w/t – 14-II Augsburg - Bayreuth – Berlin/Potsdam - Bielefeld - Bochum - Bonn - Bremen Düsseldorf

SchuldR-BT Fall 11 - Lösung - Seite 4

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Auch ein Anspruch auch § 812 I S. 1, 1. Alt. ent-fällt. Zwar könnte man mangels Belehrung an eine Nichtigkeit gem. §§ 506 I, 494 I BGB denken.

Diese Nichtigkeit wird aber gem. §§ 506 I, 494 II BGB geheilt, wenn der Darlehensnehmer das Darlehen empfängt. Ein solches gibt es aber beim Finanzierungsleasing als sonstiger Finanzie-rungshilfe nicht. Bei der sonstigen Finanzierungs-hilfe (§ 506) fallen Abschluss des Leasingvertrages und Heilung daher notwendig zusammen, weil die Vereinbarung als solche von ihrem Vollzug zeitlich nicht getrennt werden kann.

Damit führt die das Fehlen einer Pflichtangabe im Sinne des Art. 247 § 6 und 9 bis 13 EGBGB beim Finanzierungsleasingvertrag nicht zur Nichtigkeit gem. §§ 506 II, I, 494 I BGB.

Frage 2: Anspruch auf Rückzahlung der Raten

A) Anspruch der M auf Rückzahlung der Raten gemäß § 812 I S.1, 1.Alt. BGB

I. Bereicherungsgegenstand

Erlangt hat die L-Bank den Wert der drei Ratenzah-lungen, also Eigentum und Besitz an dem Geld.

Sollte das Geld überwiesen worden sein, so ist „Etwas Erlangte“ bei einer Überweisung der An-spruch aus der Gutschrift auf dem Konto. Aus dem Girovertrag, der einen Zahlungsdienste-rahmenvertrag i.S.d. § 675f II darstellt, wird gemäß § 675t I S.1 gegen die Bank ein Anspruch auf die Gutschrift erlangt. Aus dieser Gutschrift kann dann Auszahlung des gutgeschriebenen Betrags verlangt werden.

Der Anspruch auf Auszahlung folgt nach Ansicht des BGH aus §§ 700 I 1, 2, 3, 488 I 2, 697, 695 BGB, da das Giroguthaben einen Fall der unregel-mäßigen Verwahrung darstellt.2 Ob sich durch die Regelung der §§ 675c ff. BGB daran etwas wirk-lich ändern soll3, bleibt abzuwarten.

Letztlich kann dies dahinstehen, da die Gutschrift auch ein abstraktes Schuldversprechen i.S.d. §§ 780, 781 darstellt, das die Bank dem Empfänger erteilt. Die Gutschrift begründet daher eine vom Grund des Anerkenntnisses unabhängige Forde-rung des Kunden gegen das Kreditinstitut. Die Gutschrift ersetzt dabei die Barzahlung.

II. Unproblematisch ist auch eine Leistung der M ge-geben. Durch die Barzahlung bzw. die Erteilung des Überweisungsauftrages hat sie eine ziel- und

2 Vgl. Palandt/Sprau, § 700 Rn. 1; BGH ZIP 2009, 1000. 3 Vgl. dazu Palandt, § 675f, Rn. 27.

zweckgerichtete Vermehrung des Vermögens der L-Bank vorgenommen.

Zweck war die Tilgung der (u.U. nur vermeintli-chen) Schuld aus dem Finanzierungsleasingvertrag.

III. Fraglich ist aber, ob ein Rechtsgrund für diese Zahlungen bestanden hatte. Rechtsgrund könnte der Finanzierungs-Leasingvertrag sein.

Dieser Rechtsgrund könnte aber wegen möglicher Mangelhaftigkeit des geleasten Wagens entfallen sein.

Dieses Ergebnis wäre denkbar, wenn die Zahlung der drei Raten wegen § 536 I S.1 BGB rechts-grundlos gewesen wäre.

1. Anwendung des § 536 I S.1 BGB

§ 536 I S.1 BGB enthält eine differenzierende Re-gelung. Hiernach wäre die M nur insoweit zur Zah-lung verpflichtet gewesen, als der PKW in der be-treffenden Zeit wenigstens teilweise gebrauchs-tauglich war.

Das heißt, für eine teilweise Nutzung wäre hier auch teilweise das Entgelt zu zahlen.

2. Ausschluss der Mängelrechte

Die Anwendung des § 536 I BGB würde aber von vorneherein schon dann ausscheiden, wenn diese Regelung im Finanzierungsleasingvertrag wirksam abbedungen wäre.

Ein solcher Ausschluss könnte sich hier aus dem Finanzierungsleasingvertrag ergeben. Nach dem Wortlaut zielt diese Regelung auf den Ausschluss der §§ 536 ff. BGB. Fraglich ist nur, ob der Aus-schluss der Mängelrechte wirksam ist. Er könnte gegen die §§ 305 ff. BGB verstoßen.

a) Dann müssten die §§ 305 ff. BGB zunächst über-haupt anwendbar sein.

Die Voraussetzungen des § 305 I BGB liegen hier vor, da es um ein Vertragsformular geht, das die L-Bank nach dem Sachverhalt regelmäßig verwendet.

Für ein individuelles Aushandeln i.S.d. § 305 I S.3 BGB ist hier nichts ersichtlich. Da der Sachverhalt keine entgegenstehenden Angaben enthält, ist da-von auszugehen, dass auch die Einbeziehungsvo-raussetzungen des § 305 II BGB gegeben sind.

Im Übrigen lägen die Voraussetzungen der An-wendungserleichterung gemäß § 310 III Nr. 1 BGB vor, da es sich um einen Vertrag zwischen der L-Bank als Unternehmer i.S.d. § 14 BGB und der M als Verbraucher i.S.d. § 13 BGB handelt.

b) Es könnte ein Verstoß gegen § 309 Nr. 8 b) aa) BGB gegeben sein.

Page 69: BGB-AT Fall 8 - Lösung - Seite 1 Fall 8 - LösungBGB-AT Fall 8 - Lösung - Seite 2 h/w/t – 14-II Augsburg - Bayreuth – Berlin/Potsdam - Bielefeld - Bochum - Bonn - Bremen Düsseldorf

SchuldR-BT Fall 11 - Lösung - Seite 5

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Hinweis zur Prüfungsreihenfolge: Erst § 309 (Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit), dann § 308 (Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit), dann erst die Generalklausel des § 307 BGB.

Die Klauselverbote der §§ 309, 308 BGB sind ge-genüber einem Unternehmer nicht anwendbar, vgl. § 310 I S.1 BGB). Über § 307 BGB gelten aber die Wertungen der §§ 308, 309, vgl. § 310 I S.2 BGB.

Beachten Sie, dass § 309 BGB aufgrund der Ein-gangsformulierung nur auf dispositives Recht An-wendung findet. Daher ist z.B. § 475 BGB vorran-gig zu berücksichtigen. Dieser ist hier jedoch nicht einschlägig, da ein Kaufvertrag nur zwischen der L-Bank und H besteht.

Die vorliegende Klausel erfüllt insoweit den Tatbe-stand des § 309 Nr.8 b) aa) BGB, als die Gewähr-leistung ausgeschlossen und die M auf Ansprüche gegen den Dritten H verwiesen wird.

Fraglich ist aber, ob der Finanzierungsleasingver-trag einen Vertrag „über Lieferung neu hergestellter Sachen“ darstellt.

Die Rechtsprechung und die h.L. wenden die Rege-lung des § 309 Nr. 8 b) aa) BGB zu Recht nicht auf Finanzierungsleasingverträge an. Entstehungsge-schichte und Sinn des Gesetzes sprechen entschei-dend für eine einschränkende Auslegung des Be-griffes „Lieferung“.

Ratio legis der Vorschrift ist vor allem der Gedan-ke, dass es unangemessen und eine Gefährdung des Kunden ist, wenn dieser auf Ansprüche gegen Drit-te verwiesen wird, die er sich nicht als Vertrags-partner ausgesucht hat, zumal er damit auch auf die Vertragsgestaltung zu diesen Dritten keinen Ein-fluss hat.

Typisch für einen Finanzierungsleasingvertrag ist aber doch gerade das Gegenteil, nämlich dass der Leasingnehmer sich den Lieferanten aussucht und mit diesem schon Verhandlungen führt, bevor der Leasinggeber zur Finanzierung zwischengeschaltet wird. Diesen Fall erfasst der Gesetzeszweck nicht.

Nach Ansicht des BGH sind die Regelungen in § 309 Nr. 8 b) aa) – ff) BGB auch insgesamt er-sichtlich nicht auf Leasingverträge zugeschnitten. Dies ergebe sich daraus, dass der in § 309 Nr. 8 b) bb) – dd) BGB verwendete Begriff „Nacherfül-lung“ typischerweise nicht für einen Finanzie-rungsleasingvertrag in Frage kommen und § 309 Nr. 8 b) ee), ff) BGB für Leasingverträge ohnehin keinen Anwendungsbereich hätten.

Dieses Ergebnis entspricht damit auch der Interes-senlage. Es ist nicht unbillig, wenn M sich zu-nächst an den H halten muss, an den sie selbst ur-sprünglich herangetreten ist und mit dem es wohl

zu unmittelbaren vertraglichen Beziehungen ge-kommen wäre, wenn eine „normale“ Finanzierung erfolgt wäre.

Es ist daher mit dem BGH davon auszugehen, dass die Klausel § 4 hier nicht gemäß § 309 Nr.8 b) aa) BGB unwirksam ist.

Anmerkung: Damit ist § 309 Nr. 8b BGB nur auf Kauf- und Werkverträge anwendbar4. Dies lassen auch die weiteren Buchstaben in § 309 Nr. 8b BGB erkennen.

c) Nach § 309 Nr.7 BGB sind Haftungsausschlüsse unwirksam, die sich auf Schäden aus der fahrlässigen Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Ge-sundheit (lit. a) oder die Haftung für grob fahrlässige Pflichtverletzungen beziehen (lit. b).

Laut Sachverhalt werden vom Haftungsausschluss aber ausdrücklich die Ansprüche auf Schadenser-satz ausgenommen. Daher ist die Klausel nicht gem. § 309 Nr. 7 BGB unwirksam.

Anmerkung: Würde § 4 des Leasingvertrages den Ausschluss der Schadensersatzansprüche nicht ausdrücklich ausklammern, würden diese im Zwei-fel (vgl. § 305c II BGB) ausgeschlossen sein und da-mit die Verwendung der Klausel gegen § 309 Nr.7 BGB verstoßen. Da eine geltungserhaltende Re-duktion von AGB-Klauseln unzulässig ist, würde die ganze Klausel unwirksam werden.

d) Allerdings könnte § 307 BGB dem Ausschluss der mietrechtlichen Gewährleistungsvorschriften ent-gegenstehen, wenn eine unangemessene Benachtei-ligung der M gegeben wäre. Hier könnte durch die Freizeichnungsklausel eine vertragszweckgefähr-dende Einschränkung wesentlicher Pflichten gege-ben sein, § 307 II Nr.2 BGB.

aa) Grundsätzlich wird der Ausschluss der mietrechtli-chen Mängelrechte bei gleichzeitiger Verweisung auf Ansprüche gegen Dritte von der Rechtspre-chung gebilligt.

Allerdings hat dies seine Grenze dort, wo der Lea-singnehmer durch die konkrete Regelung „rechtlos gestellt“ wird.

Durch die Verweisung auf einen anderen als den ausgewählten Vertragspartner darf keine weitere Schlechterstellung des Leasingnehmers erfolgt sein. Ansonsten greift § 307 BGB ein.

Anmerkung: Eine solche Schlechterstellung könn-te insbesondere dann anzunehmen sein, wenn der Lieferant gegenüber dem Leasinggeber die kauf-rechtlichen Mängelrechte eingeschränkt hat.

4 Vgl. Palandt § 309, Rn. 53.

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SchuldR-BT Fall 11 - Lösung - Seite 6

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Diese Gefahr besteht häufig deswegen nicht, weil für die kaufrechtlichen Mängelrechte § 309 Nr. 8 b) bb) BGB den Leasingnehmer schützt bzw. bei einem Verbraucher als Leasingnehmer § 475 I BGB sogar individualvertragliche Ein-schränkungen verbietet.

Da aber diese Regelungen dem i.d.R. unternehme-rischen Leasinggeber gegenüber i.d.R. nicht gelten (vgl. auch § 310 I BGB), kann sich der Hersteller diesem gegenüber weitgehend freizeichnen. Davon wäre dann auch der Leasingnehmer betroffen, weil er durch die Abtretung nicht mehr Rechte erlangen kann, als sie der Leasinggeber erworben hatte.

Eine zur Umgehung des Verbrauchsgüterkaufs ge-eignete anderweitige Gestaltung i.S.v. § 475 I S. 2 BGB ist ein so abgewickeltes Finanzierungslea-singgeschäft jedenfalls nicht5.

Die Kardinalfrage lautet folglich: „Werden die Interessen des Leasingnehmers, der Verbraucher ist, angemessen gewahrt, obwohl ihm der Leasin-geber die Rechte aus dem („hypothetischen“) Verbrauchsgüterkauf (§§ 474 ff. BGB) nicht ver-schafft?

Diese Frage wird kontrovers diskutiert und kann letztlich nur vom BGH geklärt werden, der die eu-roparechtlichen Vorgaben zu beachten hat. Einen guten Überblick liefert REINKING in ZGS 2002, 229 [231]. Der BGH hat in einem obiter dictum entschieden, dass in solchen Fall der Ausschluss der mietrechtlichen Gewährleistungsansprüche gem. § 307 II Nr. 2 BGB unwirksam ist.6

Eine solche „Rechtlosstellung“ des Leasingneh-mers wird dann angenommen, wenn die ihm vom Leasinggeber übertragene Rechtsposition nicht stark genug ist.

Der Leasinggeber muss seine kaufrechtlichen Mängelansprüche gegen den Lieferanten an den Leasingnehmer abtreten oder ihn in vollem Um-fang zur Geltendmachung dieser Rechte ermächti-gen.

Als nicht ausreichend ist es aber anzusehen, wenn der Leasinggeber dem Leasingnehmer nur eine Ermächtigung unter dem Vorbehalt des jeder-zeitigen Widerrufs erteilt. Hier aber liegt eine Ab-tretung vor, so dass § 307 BGB der hier getroffe-nen Regelung nicht entgegensteht.

5 Vgl. OLG Naumburg, Life & Law 2005, Heft 8,

510 ff. = NJW 2005, 739 ff. 6 Vgl. BGH NJW 2006, 1066 ff.; die Entscheidung ent-

spricht weitgehend dem Berufungsurteil des OLG Naumburg, Life & Law 2005, 510 [514] = NJW 2005, 739 ff.

Mietrechtliche Ansprüche der M bestehen hier da-her nicht, weil der Ausschluss der Mängelrechte wirksam vereinbart wurde.

bb) Bei Rücktritt und Minderung handelt es sich aber nun um Gestaltungsrechte, die nach Teilen der Li-teratur nicht abtretbar sind.

Allerdings ist nach Ansicht des BGH ein Gestal-tungsrecht gem. §§ 413, 398 BGB abtretbar, wenn die damit verbundene Forderung mitabgetreten wird.7 Beim kaufvertraglichen Mängelrecht sind Rücktritt und Minderung als Gestaltungsrechte mit dem auf Nacherfüllung gerichteten Primäranspruch verbunden. Da auch dieser als Mängelrecht (§§ 437 Nr.1, 439 BGB) mit abgetreten wird, ist die damit verbundene Abtretung der Gestaltungs-rechte nach der h.L. möglich.

„Sound“: Die Abtretungskonstruktion beim Lea-sing kann daher nach h.L. aufrechterhalten blei-ben. Vgl. dazu auch REINKING in ZGS 2002, 229 [230 f.] bzw. ZAHN in DB 2002, 985 !

Ergebnis: Damit besteht kein Anspruch aus § 812 I S.1 auf Rückzahlung der Raten.

Anmerkung: Aufgrund des wirksamen Ausschlus-ses der mietvertraglichen Mängelrechte entfällt auch das außerordentliche Kündigungsrecht gem. § 543 II S. 1, Nr. 1 BGB

B) Anspruch der M auf Rückzahlung der Raten in-folge Rücktritts wegen Störung der Geschäfts-grundlage, §§ 313 I, III S.1, 346 ff.

Es könnte allerdings durch den im Verhältnis zwi-schen M und H erklärten Rücktritt die Geschäfts-grundlage für den Finanzierungsleasingvertrag zwischen der L-Bank und M entfallen sein.

I. Geschäftsgrundlage ist gemäß § 313 I BGB ein Umstand,

• der zur Grundlage des Vertrages wurde

• der für die Partei(en) auch so wichtig war, dass sie den Vertrag nicht oder anders abgeschlossen hätte(n), wenn sie die Veränderung (Absatz 1) bzw. die Unrichtigkeit ihrer Vorstellung (Absatz 2) erkannt hätte(n) und

• auf dessen Berücksichtigung die andere Partei sich redlicherweise hätte einlassen müssen.

Der BGH geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die Voraussetzungen der Störung der GG für den Finanzierungsleasingvertrag gegeben sind, wenn aufgrund der abgetretenen oder kraft Er-mächtigung ausgeübten kaufrechtlichen Mängel-

7 Vgl. BGH NJW 1985, 2640 [2641].

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SchuldR-BT Fall 11 - Lösung - Seite 7

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rechte der Kaufvertrag mit dem Herstel-ler/Lieferanten in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt wurde.

Anmerkung: Die kaufrechtlichen Mängelrechte könnten durch die Abtretungskonstruktion Gegen-stand des Finanzierungsleasingvertrags geworden sein. Dies würde einer Einordnung des Rücktritts als GG entgegenstehen, da Umstände, die GG sein sollen, nicht zugleich Vertragsgegenstand sein dür-fen. Allerdings ist Gegenstand der Abtretung nur das Recht zum Rücktritt, nicht die aus dem ausge-übten Rücktritt folgenden Rückabwicklungsrechte.

Ferner ist Inhalt der GG, dass dem Leasingnehmer von Beginn an ein vertragsgemäßes Fahrzeug zu-steht. Demnach steht die Abtretungskonstruktion der Einordnung des Rücktritts als Störung der GG nicht entgegen.

Unter der Voraussetzung, dass er trotz gegebener Sachmängel keinerlei Möglichkeiten hätte, auch seine Beziehungen zum Leasinggeber beenden zu können, würde sich wohl niemand auf eine derarti-ge Vertragsgestaltung einlassen.

Darauf muss sich der Leasinggeber auch redli-cherweise einlassen, denn der Umstand dass die Leasingsache fehlerhaft ist und der Leasingnehmer dies durch Rücktritt aus abgetretenem Recht gel-tend macht, liegt nicht im Risikobereich des Lea-singnehmers, sondern im Risikobereich des Lea-singgebers.8

II. Voraussetzung der Störung der GG ist der ord-nungsgemäße Rücktritt vom Vertrag gemäß §§ 437 Nr. 2, 323 I bzw. 326 V BGB.

Der M stand auch ein Rücktrittsrecht gemäß §§ 437 Nr. 2, 323 I, 440 BGB zu.

Eine Fristsetzung zur Nacherfüllung, wie sie in § 323 I BGB an sich vorgesehen ist, war nicht not-wendig, weil sämtliche Nachbesserungsversuche des H fehlgeschlagen waren.

Gemäß § 440 S. 2 BGB gilt eine Nachbesserung nach dem erfolglosen zweiten Versuch als fehlge-schlagen, wenn sich nicht insbesondere aus der Art der Sache oder des Mangels oder den sonstigen Umständen etwas anderes ergibt. Für die letztge-nannten Einschränkungen ist jedoch nichts ersicht-lich.

Gleiches gilt für die Annahme einer nur unerhebli-chen Pflichtverletzung nach § 323 V 2 BGB und die Ausschlussgründe des § 323 VI BGB.

8 Vgl. BGH, NJW 1985, 1535 mwN.

M hat den Rücktritt auch wirksam ausgeübt (§ 349 BGB).

Ergebnis: Damit ist zwischen dem Leasinggeber L-Bank und dem Lieferanten H (das waren die Par-teien des Kaufvertrages!) ein Rückgewährschuld-verhältnis mit dem in §§ 346 ff. BGB bestimmten Inhalt entstanden und dadurch die Geschäftsgrund-lage für den Finanzierungsleasingvertrag „wegge-fallen“.9

Anmerkung: Der Leasingnehmer muss aber trotz Abtretung der Mängelrechte auf Leistung an den Leasinggeber klagen, da dieser ja den Kaufpreis gezahlt hat und ansonsten schutzlos wäre.10

III. Der Leasingnehmer kann die Störung der Ge-schäftsgrundlage aber nicht schon mit der einseiti-gen Erklärung des Rücktritts vom Kaufvertrag her-beiführen kann, sondern erst dann, wenn

• der Rücktritt vom Lieferanten anerkannt wur-de oder

• der Lieferanten rechtskräftig verurteilt wurde und der Leasinggeber an die gerichtliche Ent-scheidung gebunden ist.11

Diese Voraussetzungen der Störung der GG sind im vorliegenden Fall erfüllt. Hier hat nämlich die M gegen den H geklagt und ein rechtskräftiges Ver-säumnisurteil erstritten.

An dieses ist die L-Bank auch gebunden.

1. Zwar entfaltet das rechtskräftige Versäumnisurteil lediglich Wirkung „inter partes“, da hier kein Fall der Rechtskrafterstreckung vorliegt (vgl. § 325 I ZPO).

2. Allerdings ist mit der ganz h.M. davon auszugehen, dass sich die Bindung der L-Bank an den erklärten Rücktritt bzw. das Urteil aus einer an den Grund-sätzen von Treu und Glauben orientierten ergän-zenden Vertragsauslegung gemäß §§ 157, 133, 242 BGB ergibt.

Wer sich als Leasinggeber in AGB von der eigenen Gewährleistungspflicht frei zeichnet und stattdes-sen seine eigenen kaufrechtlichen Ansprüche ab-tritt, erklärt damit zugleich, dass er die Konsequen-zen aus der Geltendmachung dieser Rechte als für sich verbindlich hinnimmt.

9 Reinking in ZGS 2002, 229 [233]. 10 Vgl. Palandt Rn. 58 vor § 535; Hemmer/Wüst, Schuld-

recht BT 2, Rn. 148 (hemmer-Methode). 11 BGH, Life and Law 4/2014, 246 ff. = ZIP 2014, 177 ff.;

BGH, Life and Law 2010, Heft 10, 663 ff. = NJW 2010, 2798 ff.

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SchuldR-BT Fall 11 - Lösung - Seite 8

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Jede spätere Einwendung, es habe kein Sachman-gel oder kein wirksamer Rücktritt vorgelegen, ist dann gemäß § 242 BGB unbeachtlich.12

Exkurs: Allerdings folgert der BGH aus dieser Bindung des Leasinggebers die Nebenpflicht des Leasingnehmers, den Leasinggeber von der beab-sichtigten Durchsetzung der Gewährleistungsan-sprüche in Kenntnis zu setzen.

Dieser soll die Möglichkeit haben, seine eigenen Interessen durch einen Beitritt als Nebeninterve-nient (Streitgehilfe) gemäß § 66 ZPO zu wahren. Da diese Mitteilung erfolgte, ist die L-Bank über § 242 BGB an das Urteil gebunden.

Ergebnis: Demnach liegt auch nach der strengeren Mindermeinung durch den erklärten und mit Bin-dungswirkung für den Leasinggeber rechtskräftig festgestellten Rücktritt vom Kaufvertrag eine Stö-rung der Geschäftsgrundlage des Finanzierungslea-singvertrages vor, § 313 BGB.

Anmerkung: An diesem Lösungsweg ändern auch die §§ 506 I, II, 358, 359 BGB nichts. Mit der h.M. ist davon auszugehen, dass die Rechtslage insoweit unverändert blieb, also weiterhin die Grundsätze vom Wegfall der GG eingreifen.

Die Gegenmeinung13, die dem Leasingnehmer statt der Berufung auf den Wegfall der GG nun den Einwendungsdurchgriff über § 359 BGB geben will, ist abzulehnen.

Zwar verweist § 506 BGB auf §§ 358, 359 BGB. Hierbei handelt es sich aber um eine Rechtsgrund-verweisung.14 Für das verbundene Geschäft des § 358 III BGB wird aber vorausgesetzt, dass der Verbraucher (hier der LN) zwei Verträge ab-schließt.

Auch auf das sogenannte „Eintrittsmodell“, bei dem ein Verbraucher zunächst einen Kaufvertrag über die spätere Leasingsache und zur Finanzie-rung einen Leasingvertrag abschließt, sind die Vor-schriften über verbundene Verträge (§§ 358, 359 BGB) nach Ansicht des BGH weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar.15

Da dies vorliegend nicht der Fall ist, kann es sich allenfalls um eine Analogie handeln. Für eine sol-che Analogie fehlt es aber bereits an der Rege-lungslücke, weil aufgrund des von der Rechtspre-chung gewählten Weges über die Störung der GG eine Lösungsmöglichkeit besteht.

12 Vgl. BGH, NJW 1982, 105,106. 13 Grunewald, JA 2010, 93, 97; Bartels, ZGS 2009, 544. 14 So auch Bartels, ZGS 2009, 544, 545; Omlor, JuS 2011,

305, 309. 15 BGH, Life and Law 5/2014, 338 ff.

Ob § 359 BGB außerdem überhaupt einen Rück-forderungsdurchgriff gewährt oder nur einen Ein-wendungsdurchgriff, ist umstritten. Von der h.M. wird der Rückforderungsdurchgriff grds. abgelehnt.

IV. Rechtsfolge

Die Rechtsfolgen der Störung der Geschäftsgrund-lage ergeben sich aus § 313 I, III BGB.

Danach kann der Schuldner unter den Vorausset-zungen des § 313 I BGB Vertragsanpassung ver-langen. Diese macht aber nur dann Sinn, wenn der Leasingnehmer gegenüber dem Verkäufer die Min-derung erklärt hätte.

Da aber eine Vertragsanpassung ohne Leasingsa-che nicht möglich ist16, stellt sich die Frage, ob der Leasingnehmer nun nach § 313 III S.1 BGB zurücktreten oder lediglich nach § 313 III S.2 BGB das Dauerschuldverhältnis Finanzierungsleasing-vertrag kündigen kann.

Nach der ganz h.L. hat sich durch die Schuld-rechtsreform nichts am Bedürfnis geändert, dass der Leasingnehmer vom Finanzierungsleasingver-trag zurücktreten können muss17.

Dies entspricht der beim Leasing allgemein aner-kannten Abtretungskonstruktion, die dem Leasing-nehmer quasi die Stellung eines Käufers einräumt und daher die auf „typische“ Dauerschuldverhält-nisse zugeschnittene Kündigung nicht passt18.

V. Umfang des Ausgleichs:

1. Gemäß § 346 I BGB sind die gezahlten Leasingra-ten zurückzuzahlen bzw. nach § 346 II Nr. 1 BGB der Wert der geleisteten Zahlungen zu ersetzen, wenn diese „in natura“ nicht mehr herausgegeben werden können.

2. Im Gegenzug hat die L-Bank gegen die M einen Anspruch auf Nutzungsersatz wegen der Fahr-zeugbenutzung.

Da diese naturgemäß nicht mehr nach § 346 I BGB herausgegeben werden können, ist auch hier nach § 346 II Nr. 1 BGB Wertersatz zu leisten.

Fraglich ist nur, in welchem Umfang dies gelten kann. Dabei ist davon auszugehen, dass allein der Besitz nicht reichen kann, weil man andernfalls zu einer Zahlungspflicht für die Nutzung einer fehler-haften Sache käme.

16 BGH NJW 1990, 314 [315]; Tiedtke JZ 1991, 19 ff. 17 A.A. Dauner-Lieb/Dötsch, Prozessuale Fragen rund um

§ 313 BGB in NJW 2003, 921 [922]. 18 Vgl. Reinking in ZGS 2002, 229 [233].

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Vielmehr kann nur das berücksichtigt werden, was die M tatsächlich an Nutzungen zog.

Es sind also etwa in jedem Fall die Zeiten der Re-paraturen abzuziehen.

Weiter ist der Nutzungsersatz sicherlich auch für den Zeitraum zu mindern, in dem die M den Wagen zwar fahren konnte, aber wegen der Startschwie-rigkeiten in ihrem „Fahrgenuss“ beeinträchtigt war.

Die Einzelheiten sind Tatfrage und lassen sich auf-grund der knappen Sachverhaltsumstände nicht entscheiden.19

Ergebnis: Der Anspruch auf Rückzahlung der drei Raten ist grundsätzlich gegeben. Diesem Anspruch steht ein aufrechenbarer (§ 387 BGB) Anspruch aufgrund der PKW-Nutzung durch M gegenüber, § 346 I, II Nr. 1 BGB.

I. Wiederholungsfragen:

1. Fassen Sie kurz den Streit um die Rechtsnatur des Finanzierungs-LV zusammen.

2. Mit welcher Begründung ist § 506 BGB auf den hier vorliegenden Fall anwendbar?

3. Warum könnte die Ratenzahlung rechtsgrund-los gewesen sein?

4. Scheitert der Ausschluss der Mängelrechte an den §§ 307 bis 309 BGB?

5. Wie wirkt sich der von M gegenüber H erklärte Rücktritt für den Finanzierungsleasingvertrag zwischen L und M aus?

6. Die L ist an das bereits ergangene Urteil ge-bunden. Wie lässt sich das begründen? Handelt es sich dabei um einen Fall der Rechtskrafter-streckung?

19 Für diesen Nutzungsersatz trägt die L-Bank die Beweis-

last (BGH, a.a.O.). Diesem Beweis ist noch nicht damit Genüge getan, dass allein der Besitz der M behauptet wird, sondern es muss die konkrete Nutzung selbst be-wiesen werden!

II. Arbeitsanleitung:

1. Zum Finanzierungsleasingvertrag lesen Sie bit-te HEMMER/WÜST, Schuldrecht BT 2, Rn. 137 ff.

2. Für Interessierte und/oder Hausarbeiten: „Die Entwicklung des Leasingrechts von Mitte 2007 bis Mitte 2009“ vgl. NJW 2009, 2927 ff.

3. Eine Klausel, die die Sach- und Preisgefahr auf den Leasingnehmer (= LN) abwälzt, setzt keine ausdrückliche Regelung voraus, dass die An-sprüche des Leasinggebers (= LG) aus einer von dem LN für den Leasinggegenstand (i.d.R. Auto) abzuschließenden Versicherung dem LN zugute kommen. Dass der LG diese von der Versicherung erhaltenen Beträge an den LN herausgeben muss, folge stets aus der Zweck-bindung der Versicherung für das Leasingob-jekt und dem Rechtsgedanken des § 255 BGB. Ausdrücklich müsse daher diese Selbstver-ständlichkeit nicht in den AGB´en erwähnt werden, vgl. BGH NJW 2004, 1041 ff.

4. Eine AGB-Klausel des Inhalts, wonach der LN, der das Leasingobjekt nicht zurückgibt, für je-den angefangenen Monat die vereinbarte Lea-singrate zahlen muss, macht eine Vorenthaltung i.S.d. § 546a BGB durch den LN überflüssig und ist daher mit den wesentlichen Grundge-danken des § 546a BGB unvereinbar und damit gem. § 307 II Nr. 1 BGB unwirksam, vgl. BGH MDR 2004, 433.

5. Zur Frage, ob beim Finanzierungsleasing eine Umgehung i.S.d. § 475 I S.2 BGB vorliegt lesen Sie BGH NJW 2006, 1066 ff. (entspricht der Vorinstanz OLG Naumburg, Life & Law 2005, 510 [514] sowie TYROLLER, Der Verbrauchsgü-terkauf in der Rechtsprechung, Life & Law 2006, 573 [576 f.].

6. Der Leasingnehmer, der wegen eines Mangels der Leasingsache gegenüber dem Lieferanten den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt hat, ist erst dann zur vorläufigen Einstellung der Zah-lung der Leasingraten gem. § 320 BGB berech-tigt, wenn er aus dem erklärten Rücktritt kla-geweise gegen den Lieferanten vorgeht, falls dieser den Rücktritt vom Kaufvertrag nicht ak-zeptiert.

Lesen Sie hierzu die Entscheidungsbespre-chung in BGH, Life&LAW 2010, Heft 10, 663 f. = DB 2010, 1693 ff. = jurisbyhemmer.

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SchuldR-BT Fall 12 - Lösung - Seite 1

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Fall 12 - Lösung

ÜBERSICHT FALL 12

Ausgangsfall: Rückzahlungsanspruch des A

aus §§ 628 I S.3, 346

I. Vertragstyp

1. Ehemäklervertrag?

(-), da Tätigwerden geschuldet

2. Werkvertrag?

(-); „Ehe“ und „Vorschläge“ sind nicht als Erfolg geschuldet

3. Dienstvertrag (+)

II. Wirksame Kündigung, § 627

1. Kein Arbeitsverhältnis

2. Dienste „höherer Art“ i.S.d. § 627?

(+), persönliches Vertrauensverhältnis,

3. Dauerndes DienstV mit festen Bezügen?

nach h.M. (-) bei großer, unbestimmter Zahl von Interessenten

4. Wirksame Abbedingung des Kündigungs-rechts?

grds. zwar möglich, aber hier nach § 138 bzw. zumindest nach § 307 BGB unwirksam, da dann nur noch § 626, bei dem intime Einzelhei-ten offengelegt werden müssten Kdg. (+)

III. Wirksame Kündigung nach § 626

(+), wichtiger Grund gegeben, nicht abding-bar und fristgerecht

IV. Tatbestand des § 628

1. Hier § 628 I S.3 (+), auch kein Gegenanspruch nach § 628 I S.1 wegen § 628 I S.2

2. Abbedingung des § 628 I S.3?

zwar grds. möglich, aber nicht völlig, da dann § 626 sinnlos; außerdem Verstoß gegen § 308 Nr.7a BGB

3. Anderes Ergebnis nach § 656 I S.2?

(-), selbst wenn analog anwendbar, da nur Fälle des § 656 I S.1 erfasst werden sollen.

Abwandlung: Ansprüche der B-Bank aus § 488 I 2?

evt. Einwendungen/Einreden des A?

I. Widerruf nach § 495 I BGB i.V.m. § 355 BGB

1. Anwendungsbereich der §§ 491 ff. BGB (+)

2. Aber Widerrufsfrist abgelaufen, da alle Beleh-rungen erteilt (495, 356b II S. 1 i.V.m. Art. 247 § 6 II EGBGB)

II. Einwendungsdurchgriff, § 359 I BGB

1. Auch bei DienstV

2. Verbundenes Geschäft, § 358 III BGB?

(+), Verwendungszweck steht fest, Zusam-menhang jedenfalls nach § 358 III S.2 BGB

3. Einwendungen gegen Zahlung

a) Wohl schon § 656 I S.1 analog ausreichend

b) Jedenfalls Kündigung, §§ 627, 628 BGB

Ergebnis: Kein Anspruch der B-Bank

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SchuldR-BT Fall 12 - Lösung - Seite 2

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LÖSUNG FALL 12

Ausgangsfall: Rückforderung des A

Anspruch gemäß §§ 628 I S.3, 346 BGB

Ein Anspruch des A auf Rückzahlung der vorge-schossenen Gebühr könnte sich über § 628 I S.3 BGB ergeben. Dann müssten vor allem die Voraus-setzungen der §§ 627 BGB bzw. 626 BGB gegeben sein, und es dürften dem Rückzahlungsanspruch keine sonstigen Hindernisse entgegenstehen.

I. Vertragscharakter:

Um § 627 oder § 628 BGB für die vorliegende Fallgestaltung anwenden zu können, müsste es sich um einen Dienstvertrag gemäß §§ 611 ff. BGB handeln.

1. Es könnte aber ein Ehemaklervertrag i.S.d. § 656 BGB vorliegen.

Bei einem solchen handelt es sich, wie schon die systematische Einordnung im Gesetz zeigt, um eine besondere Gestaltung des Maklervertrages. D.h. ein Ehemaklervertrag, wie ihn § 656 BGB meint, weist die typischen Merkmale des allgemeinen Maklervertrages auf: Der Auftragnehmer verpflich-tet sich zu keiner bestimmten Tätigkeit; die Vergü-tung hängt allein vom Zustandekommen eines be-stimmten Erfolges (hier Vermittlung eines Ehepart-ners) ab; es muss Kausalität zwischen Maklertätig-keit und Erfolg bestehen und Entschließungsfrei-heit des Auftraggebers vorliegen.

So verhält es sich hier aber gerade nicht: In Nr.1 des Vertrages hat sich das Institut „Einsame Her-zen“ zur Übernahme ganz bestimmter Tätigkeiten verpflichtet, die - zumindest teilweise - sogar nach Zeit und Umfang konkretisiert sind. Ein typischer Ehemaklervertrag i.S.d. § 656 BGB ist daher nicht gegeben1.

2. Fraglich ist daher, ob es sich bei der vorliegenden Vertragsgestaltung um einen Dienst- oder um ei-nen Werkvertrag handelt.

a) Diesbezüglich lässt sich kein allgemeiner Grund-satz aufstellen, etwa dass es sich bei solchen Ehe-anbahnungsverträgen immer um Dienstverträge handelt, sondern es ist in jedem Einzelfall der ge-naue Vertragsinhalt auf die Frage hin zu untersu-chen, welchem gesetzlichen Leitbild er zu unter-stellen ist.

1 Vgl. BGHZ 87, 309.

Nach dem BGB liegt ein Dienstvertrag gemäß §§ 611 ff. BGB dann vor, wenn jemand die Vor-nahme irgendwelcher Dienste gegen Vergütung zu-sagt. Zwar sind diese Tätigkeiten auf ein finales Handeln gerichtet, nämlich auf ein Leistungs- bzw. Arbeitsergebnis, doch sind Ergebnis und Erfolg beim Dienstvertrag letztlich nicht geschuldet.

Beim Werkvertrag i.S.d. §§ 631 ff. BGB dagegen verpflichtet sich der Unternehmer zur Herstellung eines individuellen Werkes, also zur Herbeiführung eines bestimmten Erfolges, für dessen Erreichen er auch einzustehen hat. Dagegen liegt das „Wie“ des Erreichens dieses Erfolges hier häufig allein im Verantwortungsbereich des Unternehmers, doch kann dieser Gesichtspunkt gemäß § 631 II BGB auch anders geregelt sein.

b) Ausgehend von diesen allgemeinen Kriterien lässt sich der hier vorliegende Vertrag als Dienstvertrag charakterisieren, sog. Eheanbahnungsdienstver-trag. Geschuldet als „Werk“ ist keinesfalls eine Ehe oder wenigstens eine dahingehende Bezie-hung. Dies ergibt sich insbesondere schon ganz klar aus Nr.2 des Vertrages, nach dem die Ver-pflichtungen des Instituts auch im Falle eines dies-bezüglichen Misserfolges nach einem Jahr erlö-schen.

Zwar könnte u.U. auch die Erstellung gewisser Leistungen, wie psychologische Gutachten oder bestimmte Partnervorschläge, als „Werk“ genügen, doch ist Mindestvoraussetzung hierfür, dass ein solches Arbeitsergebnis im Vertrag überhaupt hin-reichend konkretisiert ist. Denn anders könnten die Mängelrechte der §§ 633 ff. BGB kaum angewandt werden. Hier aber erfolgte nur eine allgemeine Be-schreibung der geschuldeten Tätigkeiten, nicht je-doch eine genaue Festlegung des insoweit evtl. ge-schuldeten Erfolges.

Damit handelt es sich hier also um einen Dienst-vertrag.

3. Allerdings könnte sich wegen der Wesensähnlich-keit dieses Ehemaklerdienstvertrages mit dem Fall des § 656 BGB die Frage stellen, ob dieser Vertrag wegen Verstoßes bzw. Umgehung dieser Vorschrift nicht unwirksam ist.

Allerdings handelt es sich bei § 656 BGB nicht um eine Norm, aus der sich die Unwirksamkeit eines solchen Vertrages ergibt. Stattdessen handelt es sich hier um einen Fall einer Naturalobligation.

D.h. der Vertrag ist - inklusive aller Nebenpflichten - als wirksam anzusehen, nur der Zahlungsan-spruch selbst ist nicht einklagbar.2

2 BGHZ 87, 309; Palandt, § 656 BGB, Rn. 2.

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SchuldR-BT Fall 12 - Lösung - Seite 3

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Daher kann an dieser Stelle auch noch offen blei-ben, ob eine analoge Anwendung der Norm auf die vorliegende Fallgestaltung vorzunehmen ist.

II. Kündigung gemäß § 627 I BGB:

1. Es liegt kein Arbeitsverhältnis zwischen B und dem Institut vor.

2. Fraglich ist, ob hier Dienste höherer Art i.S.d. § 627 I BGB gegeben sind.

Diese erfordern ein persönliches - und nicht etwa ein fachliches - Vertrauensverhältnis, bei dessen Fehlen eine weitere Zusammenarbeit nicht mehr zumutbar ist. Kennzeichnend für diese Fälle ist da-her regelmäßig, dass die Dienste überhaupt nur ordnungsgemäß erbracht werden können, wenn der Dienstberechtigte zur Mitwirkung bereit ist.

Ein solches persönliches Vertrauensverhältnis ist hier zu bejahen: Bei dieser Art von Verträgen liegt ein ganz wesentlicher Schwerpunkt der Tätigkeit des Vermittlers darin, mit dem Klienten über die Erfahrungen zu sprechen, die dieser mit einer vor-geschlagenen Person gemacht hat, um so den nächsten Vorschlag auswählen zu können.

Ist das Verhältnis zwischen den beiden gestört, wird der Klient regelmäßig nicht mehr in der Lage sein, offen mit dem Vermittler über die betreffen-den Punkte zu sprechen. Fehlt es aber an dieser Mitwirkung, kann der Vermittler eine sinnvolle Auswahl nicht mehr treffen, so dass den Parteien eine weitere Zusammenarbeit nicht mehr zuzumu-ten ist3.

Entscheidend dafür, dass Dienste höherer Art vor-liegen, spricht zudem, dass hierbei zwangsläufig die Intimsphäre des jeweiligen Auftraggebers tan-giert wird und dass die Tätigkeit des mit der Part-nersuche Beauftragten Menschenkenntnis und Ein-fühlungsvermögen erfordert4.

3. Fraglich ist aber, ob die Beziehung zwischen dem Institut und dem B als dauerndes Dienstverhält-nis mit festen Bezügen anzusehen ist. Dann würde die Anwendbarkeit des § 627 BGB ausscheiden.

a) Hierfür ist keine wirtschaftliche Abhängigkeit nö-tig, und es ist auch nicht erforderlich, dass der Dienstverpflichtete den überwiegenden Teil seiner (Arbeits)Kraft schuldet5.

3 Peters, NJW 1986, 2679. 4 OLG Hamm, NJW-RR 1987, 243; OLG Düsseldorf,

NJW-RR 1987, 692. 5 BGHZ 47, 303; NJW 1984, 1531.

Auch sind - trotz der vom Gesetz verwendeten Plu-ralform „Bezügen“ - keine laufenden oder raten-mäßigen Zahlungen erforderlich.

Nach der Verkehrsauffassung setzt jedoch der Be-griff des „dauernden Verhältnisses“ eine gewisse persönliche Bindung zwischen den Vertragspar-teien voraus. An einer solchen Bindung fehlt es aber, wenn ein Dienstleistungsunternehmen - wie hier - seine Dienste einer großen und unbestimmten Zahl von Interessenten anbietet6.

Mit der h.M.7 ist daher davon auszugehen, dass § 627 BGB bei Verträgen über Eheanbahnung oder Partnerschaftsvermittlung anwendbar ist.

Anmerkung: Hier waren keine Spezialkenntnisse gefragt, sondern eine nachvollziehbare eigenstän-dige Argumentation. Die Gegenauffassung wurde nur vereinzelt vertreten, etwa vom OLG Köln8.

b) Auch kann die Anwendbarkeit des § 627 BGB nicht auf den Fall des unbefristeten Vertrages be-schränkt werden9.

Denn bei § 627 BGB handelt es sich um einen Fall der außerordentlichen Kündigung, nur eben mit der Maßgabe, dass auf das Erfordernis des wichtigen Grundes gemäß § 626 BGB verzichtet wird10. Eine außerordentliche Kündigung aber ist - im Gegen-satz zur ordentlichen - regelmäßig gerade auch bei befristeten Vertragsverhältnissen möglich.

4. Fraglich ist aber, ob das Kündigungsrecht aus § 627 BGB nicht durch Nr. 4 Satz 1 des Vertrages wirksam abbedungen wurde.

a) Grundsätzlich ist § 627 BGB abdingbar, weil bei groben Interessenverletzungen darüber hinaus ja immer noch das davon unabhängige und unabding-bare Kündigungsrecht gemäß § 626 BGB be-steht11.

aa) Für die besondere Konstellation der Eheanbah-nungs- und Partnerschaftsvermittlungsverträge wird aber vertreten, dass hier wegen Verstoßes ge-gen die guten Sitten Unwirksamkeit des Kündi-gungsausschlusses gemäß § 138 I BGB vorliege12.

6 BGHZ 106, 341 = NJW 1989, 1480 m.w.N. 7 BGH, a.a.O.; Palandt, § 627 BGB, Rn. 2. 8 NJW-RR 1987, 441, 442. 9 so aber Staudinger, § 652 BGB, Rn. 15. 10 Palandt, § 627 BGB, Rn. 6. 11 Palandt, § 627 BGB, Rn. 5. 12 OLG Düsseldorf, NJW-RR 1987, 691, 693; Peters, NJW

1989, 2793.

Page 77: BGB-AT Fall 8 - Lösung - Seite 1 Fall 8 - LösungBGB-AT Fall 8 - Lösung - Seite 2 h/w/t – 14-II Augsburg - Bayreuth – Berlin/Potsdam - Bielefeld - Bochum - Bonn - Bremen Düsseldorf

SchuldR-BT Fall 12 - Lösung - Seite 4

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Hierfür wird v.a. geltend gemacht, dass der dann notwendige substantiierte Vortrag eines wichtigen Grundes gemäß § 626 BGB zur Folge hätte, dass der Kunde vor Gericht zur Aufdeckung und Erörte-rung von Daten aus seiner Intimsphäre gezwungen wäre und daher der Rechtsschutz des Kunden u.U. entscheidend beeinträchtigt sei.

Viel spricht dafür, einen solchen mittelbaren Zwang zur Offenlegung der Intimsphäre tatsächlich als sittenwidrig i.d.S. einzustufen.

bb) Letztlich kommt es vorliegend aber darauf gar nicht an, da hier AGB i.S.d. § 305 I S.1 BGB vor-liegen, und für ein Aushandeln i.S.d. § 305 I S.3 BGB nichts ersichtlich ist.

Daher ist zusätzlich zu den übrigen BGB-Normen auch § 307 I, II BGB zu prüfen, also die Frage, ob dieser Ausschluss eine gegen Treu und Glauben verstoßende Benachteiligung des anderen Teils (hier des A) darstellt.

Da die Anforderungen hieran geringer sind als die-jenigen an eine Sittenwidrigkeit, lässt sich dies mit den zu § 138 BGB aufgeführten Argumenten beja-hen13.

Zwischenergebnis: Die Kündigung des A war ge-mäß § 627 BGB wirksam.

III. Kündigung gemäß § 626 BGB

Die Kündigung könnte daneben auch noch gemäß § 626 BGB berechtigt sein. Beide Möglichkeiten der außerordentlichen Kündigung bestehen unab-hängig nebeneinander.

1. Von einem wichtigen Grund i.S.d. § 626 I BGB ist hier auszugehen. Schon die einmalige Offerie-rung einer nicht existenten bzw. schon verheirate-ten Person ist ein Vertrauensbruch, der es dem A als völlig unzumutbar erscheinen lässt, weiter auch nur einen Tag an dem Vertrag festzuhalten.

Anmerkung: Schwieriger wäre der Fall der Ab-weichung der gemachten Partnervorschläge von den bezeichneten Bedürfnissen14. Zwar kann nicht jede Abweichung der Vorschläge von den Kunden-vorstellungen einen Grund i.S.d. § 626 BGB dar-stellen, doch ist Unzumutbarkeit jedenfalls bei ext-remen oder mehrmaligen Abweichungen anzuneh-men.

13 BGHZ 106, 341; Palandt, § 627 BGB, Rn. 5. 14 Vgl. OLG Düsseldorf, NJW-RR 1987, 691, 692.

2. § 626 BGB ist zwingendes Recht, also nicht ab-dingbar, so dass Nr. 4 Satz 1 des Vertrages auch in-soweit leerläuft.

3. Die Kündigung war auch rechtzeitig i.S.d. § 626 II BGB, weil sechs Tage nach Kenntnis von der extremen Schlechtleistung des Instituts.

Zwischenergebnis: Die Kündigung war damit also auch gemäß § 626 gerechtfertigt.

IV. Tatbestand des § 628 BGB:

1. Da hier eine Kündigung vorliegt, deren Grund das verpflichtete Institut nach den Umständen zu ver-treten hat (§§ 276, 278 BGB), ist § 628 I S.3, 1.Alt. BGB einschlägig. Aus dieser Norm ergibt sich un-mittelbar der Erstattungsanspruch. Durch die Ver-weisung auf § 346 BGB ist das Institut sogar ver-pflichtet, Wertersatz für diejenigen Nutzungen (Zinsen!) zu zahlen, die es infolge eines Verstoßes gegen die Regeln einer ordnungsgemäßen Wirt-schaft nicht gezogen hat.

2. Ein Anspruch des Instituts für den bereits gemach-ten Partnervorschlag, mit dem dieses dann hätte aufrechnen können, scheidet dagegen gemäß § 628 I S.2, 2.Alt. BGB aus, weil die Kündigung durch das eigene Verhalten veranlasst wurde und die Leistung für den A völlig wertlos war.

3. Fraglich könnte noch sein, ob die Anwendung des § 628 I S.3 BGB durch Nr. 4 Satz 2 des Vertrages ausgeschlossen ist.

a) Allerdings ist ein völliger Ausschluss des Rück-zahlungsanspruches als unwirksam anzusehen (§ 307 BGB), und zwar selbst bei individueller Vereinbarung (§ 138 I BGB).

Ein Ausschluss des § 628 BGB in Fällen, in denen der Kunde vorgeleistet hat, ließe die Wirkung des § 626 BGB praktisch völlig leerlaufen. Da dieser aber nicht abdingbar ist, stellt auch eine solche Umgehung letztendlich eine Überschreitung der Grenzen der Privatautonomie dar.

b. Da außerdem auch AGB i.S.d. § 305 I BGB vorlie-gen und § 310 BGB nicht eingreift, sind auch die §§ 308, 309 BGB zu prüfen.

Hier liegt ein Verstoß gegen § 308 Nr. 7a BGB vor15. Denn ein völliger Ausschluss von Rückzah-lungsansprüchen auch bei früher Kündigung eines befristeten Vertrages beinhaltet eine unangemessen hohe Vergütung.

15 BGHZ 87, 309 = NJW 1983, 2817.

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V. Einfluss des § 656 I S.2 BGB

Allerdings könnte die Durchsetzung des Anspruchs aus §§ 628 I S.3, 346 BGB ausscheiden, wenn die-sem § 656 I S.2 BGB entgegenstehen würde.

1. Da - wie oben gesehen - kein typischer Ehemakler-vertrag vorliegt, wie ihn § 656 BGB meint, kommt eine direkte Anwendung nicht in Frage.

2. Allerdings ist zu prüfen, ob auf den gegebenen Ehemaklerdienstvertrag eine analoge Anwendung des § 656 BGB in Betracht kommt. Voraussetzung einer Analogie ist eine planwidrige Regelungslücke und die Vergleichbarkeit der Sachverhalte. Ersteres ist mangels einer gesetzlichen Regelung des Ehe-maklerdienstvertrages zu bejahen.

a) Der BGH16 stellt hierfür auf die Motivation des historischen Gesetzgebers ab, der mit der Schaf-fung von § 656 BGB vor allem die sittliche Miss-billigung solcher Geschäfte zum Ausdruck bringen wollte. Demgegenüber wird dieser Grund in der Li-teratur weitgehend als nicht mehr tragfähig be-zeichnet und stattdessen wird an den verfassungs-konformen Schutz der Intimsphäre durch Prozess-verhinderung angeknüpft.17

Hinsichtlich beider Ansatzpunkte ergeben sich je-denfalls zwischen einem reinen Ehemaklervertrag und einem Ehemaklerdienstvertrag keine Unter-schiede.

Ob die Vorschrift des § 656 BGB - einschließlich ihrer Ausweitung auf Eheanbahnungsverträge und (analog) auf Partnerschaftsvermittlungsdienstver-träge - (noch) zum Schutze der Intimsphäre der Be-teiligten unverzichtbar und insoweit in jeder Hin-sicht „stringent“ und interessengerecht ist, spielt keine entscheidende Rolle.

Darüber zu befinden, ist Sache des Gesetzgebers, der in seine Überlegungen auch mit einzubeziehen hätte, dass der Vorschrift heute auch die Aufgabe zugeschrieben wird, die Kunden von Ehevermitt-lern - bzw. von Eheanbahnern und Partnerschafts-vermittlern, die diese praktisch verdrängt haben - vor den Folgen eines übereilten Vertragsschlusses zu schützen.

Ebenso wenig lässt sich für den hier in Rede ste-henden Fragenkreis etwas aus dem Gesetz zur Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten vom 20. Dezember 2001 herleiten.18

16 BGH, NJW 1983, 2817; BGHZ 112, 122, [124 ff.];

BGH Life & Law 2004, 374 ff.; Palandt, § 656, Rn. 6 ff. 17 BVerfGE 20, 31,33 = NJW 1966, 1211. 18 Zur praktischen Wirksamkeit dieser Regelung vgl. Pa-

landt Anhang zu § 138 Rn. 1

Daraus, dass dieses Gesetz einen klagbaren An-spruch auf ein vorher vereinbartes Entgelt für se-xuelle Handlungen vorsieht, was gegebenenfalls den in Anspruch genommenen „Freier“ in peinliche Situationen vor Gericht bringen könnte, lässt sich nicht ohne weiteres schließen, dass auch das Dis-kretionsbedürfnis des Kunden von Ehe- und Part-nerschaftsvermittlern und -anbahnern, dem § 656 BGB nach dem heutigen Verständnis dient, nicht mehr schützenswert ist.

Auch der Ehemaklerdienstvertrag ist daher mit dem BGH und der h.M. gemäß § 656 BGB (ana-log) zu behandeln.

Anmerkung: Der auf Vermittlung einer Ehe ge-richtete Vertrag ist in der heutigen Praxis eher sel-ten, er wurde von der „Partnervermittlung“ abge-löst. Auf den Partnervermittlungsvertrag wird je-doch insoweit § 656 BGB analog angewendet.

Fraglich ist aber, wie die Vermittlung von sog. „Freizeitkontakten“ zu bewerten ist. Unter „Frei-zeitkontakt“ könne sowohl im engen Sinne eine konkret bestimmte und darauf begrenzte gemein-same Freizeitaktivität als auch allgemein das ge-meinsame Verbringen von Freizeit überhaupt in ei-ner höchstpersönlichen Beziehung verstanden wer-den.

Im zuerst genannten Fall spielt als Ziel einer dau-erhaften Lebenspartnerschaft überhaupt keine Rol-le. Eine Partnerschaft kann sich wie bei sonstigen Begegnungen zufällig ergeben.

Dagegen beinhaltet das Vermitteln von Freizeitkon-takt im allgemeinen Sinne die Suche eines Partners für das gemeinsame Verbringen von Freizeit über-haupt, und zwar in einer höchstpersönlichen, ten-denziell dauerhaft angelegten Beziehung, mithin die Suche eines Lebenspartners. Dabei handelt es sich ungeachtet der vertraglichen Bezeichnung der Leistung um eine Partnerschaftsvermittlung. Wel-cher Art Freizeitkontakt vermittelt werden sollte, werde damit maßgeblich von den bei Vertrags-schluss zutage getretenen Vorstellungen der Par-teien bestimmt.

Ein Partnervermittlungsvertrag lag nach Ansicht des BGH in einem Fall vor, in dem nach dem Ver-tragstext lediglich „Freizeitkontakte“ vermittelt werden, aber einem männlichen Kunden lediglich weibliche Kontakte vermittelt wurden.

§ 656 BGB ist auf die Vermittlung von „allgemei-nen“ Freizeitkontakten daher analog anzuwenden.

Lesen Sie dazu BGH Life & Law 2004, 374 ff. !

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b) Dabei kann richtigerweise nicht entscheidend sein, ob der Vertrag auf die Anbahnung der Ehe oder auf bloße „Partnerschaftsvermittlung“ abstellt19.

Denn die Differenzierung zwischen diesen beiden Aspekten wird letztlich wohl ohnehin immer nur eine Frage der rein terminologischen Bezeichnung des Vertrages sein, ohne dass sich das geringste an den Leistungen des Instituts ändert: auf die Frage, ob die zusammengebrachten Partner nun heiraten wollen oder nicht, wird das Institut wohl den ge-ringsten Einfluss haben !

Würde man anders entscheiden, würde man gegen den - zwar möglicherweise rechtspolitisch überhol-ten, aber eben immer noch geltenden - Willen des Gesetzgebers eine Möglichkeit zulassen, die Wir-kung des § 656 BGB zu umgehen.

3. § 656 I S.2 BGB hat aber, das zeigt schon sein Wortlaut, nicht die Tragweite, ausnahmslos jeden Rückforderungsanspruch auszuschließen, der sich aus einem dieser Norm unterfallenden Vertrag ergibt.

Stattdessen erfasst § 656 I S.2 BGB nur solche Rückforderungsansprüche, die darauf gestützt wer-den, dass gemäß § 656 I S.1 BGB keine Verbind-lichkeit vorliege. § 656 I S.2 BGB erfasst nach sei-nem Wortlaut und nach seinem Zweck nicht solche Rückforderungsbegehren, die sich darauf gründen, dass infolge besonderer Nichtigkeitsgründe noch nicht einmal eine unvollkommene Verbindlichkeit bestand, oder darauf, dass der ursprünglich beste-hende Rechtsgrund nachträglich weggefallen ist20.

Da hier wegen der wirksamen Kündigung nicht einmal mehr eine sog. unvollkommene Verbind-lichkeit des A gegenüber dem Institut besteht, steht § 656 I S.2 BGB analog dem Rückforderungsan-spruch nicht entgegen.

Ergebnis: A kann den gezahlten Betrag gemäß §§ 628 I S.3, 346 BGB zurückfordern.

Abwandlung: Ansprüche der B-Bank

Die B-Bank könnte einen Zahlungsanspruch gemäß § 488 I 2 BGB haben. Fraglich ist aber vor allem, ob sich der A hiergegen mit Einwendungen oder Einreden verteidigen kann.

I. Widerrufsmöglichkeit

Möglicherweise ist der Vertrag gem. § 355 BGB widerruflich, was sich nur nach dem § 495 BGB ergeben kann.

19 BGH, NJW 1990, 2550; Palandt, § 656 BGB, Rn. 9. 20 BGHZ 87, 309 ff.; NJW 1989, 1480.

1. Anwendbarkeit der §§ 491 ff. BGB:

a) Es müsste ein Verbraucherdarlehensvertrag i.S.d. § 491 BGB vorliegen, also ein Vertrag, bei dem ein Kreditgeber einem Verbraucher einen ent-geltlichen Kredit in Form eines Darlehens gewährt.

Dies ist hier der Fall: Die vereinbarte Regelung entspricht dem gesetzlich normierten Darlehens-vertrag gem. § 488 BGB. Es ist auch davon auszu-gehen, dass Zinsen als Entgelt für die Darlehens-gewährung vereinbart sind.

b) Die B-Bank ist ein Unternehmer i.d.S., da sie Kredite in gewerblicher Tätigkeit gewährt (vgl. § 14 BGB).

c) Der Kredit muss auch einem Verbraucher i.S.d. § 13 BGB gewährt worden sein.

Verbraucher ist der Kreditnehmer in jedem Fall dann, wenn er den Kredit als natürliche Person für private Zwecke aufnimmt. Dies ist hier unproble-matisch der Fall.

Anmerkung: Die §§ 491 ff. BGB greifen nicht ein, wenn der Kredit für die bereits ausgeübte gewerb-liche oder selbständige Tätigkeit bestimmt ist.

Klassischer Problemfall: Der Kredit wird zur Vor-bereitung der beruflichen Selbstständigkeit aufge-nommen. Solche Existenzgründungskredite bzw. Finanzierungshilfen oder Ratenlieferungsverträ-ge an oder mit Existenzgründern unterfallen ge-mäß § 512 aber ebenfalls den Vorschriften der §§ 491 bis 511 BGB, es sei denn, der Nettodarle-hensbetrag oder Barzahlungspreis übersteigt 75.000,- Euro.

d) Weitere Anhaltspunkte für ein Nichteingreifen der §§ 491 ff., insbesondere wegen § 491 II BGB lie-gen nicht vor.

2. Widerruf innerhalb der Widerrufsfrist ?

Die Widerrufsfrist beträgt gem. § 355 II S.1 BGB 14 Tage. Diese Frist beginnt gem. § 356b I, II S.1 BGB erst zu laufen, wenn der Ver-braucher ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt worden ist, § 492 II i.V.m. Art. 247 § 6 II EBGBG.

Hier hat A trotz Belehrung durch S innerhalb der Zwei-Wochenfrist des § 355 II S.1 BGB nicht wi-derrufen.

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Anmerkung: Wenn es sich - was noch zu klären sein wird - um einen Vertrag i.S.d. § 358 III BGB handelt, dann gehört zu den Pflichtangaben nach § 492 II BGB i.V.m. Art 247 § 12 I S. 2 Nr. 2b EGBGB die erweiterte Belehrungspflicht über die sich aus § 358, 359 BGB ergebenden Rechte.

Nach den Angaben im Sachverhalt ist aber davon auszugehen, dass die Belehrung auch diesen An-forderungen entsprach, so dass die Prüfung der Voraussetzungen des § 358 III BGB an dieser Stelle noch offen bleiben kann.

Ergebnis: Es besteht keine Widerrufsmöglichkeit nach § 355 II BGB mehr.

Anmerkung: Wegen der eindeutigen SV-Angaben kann man auch sofort die Prüfung mit § 359 I BGB beginnen.

II. Einwendungsdurchgriff gemäß § 359 I BGB

Fraglich ist, ob A wegen möglicher Gegenrechte aus dem Ehemaklerdienstvertrag die Zahlung ver-weigern kann.

Dies wäre der Fall, wenn er infolge der wirksamen Kündigung (s.o.) ein Gegenrecht hätte, das er nicht nur gegen das Institut wenden, sondern auch der B-Bank entgegenhalten könnte.

Dies könnte sich über den nun in § 359 I BGB ge-regelten Einwendungsdurchgriff ergeben.

Es kommt nun entscheidend darauf an, ob die spe-ziellen, zusätzlichen Anforderungen des § 358 III BGB gegeben sind.

1. Zunächst ist festzuhalten, dass der Wortlaut des § 358 III BGB auch Eheanbahnungsdienstverträge erfasst [„...oder die Erbringung einer anderen Leistung“...].

2. Nach § 358 III BGB ist für die Anwendbarkeit des Einwendungsdurchgriffs gemäß § 359 BGB erfor-derlich, dass es sich um ein sog. verbundenes Ge-schäft handelt.

Gemäß § 358 III BGB sind Tatbestandsmerkmale des verbundenen Geschäftes der Kreditzweck und die wirtschaftliche Einheit.

a) Der Kredit muss zum einen zu dem Zweck gewährt werden, dass der Preis beglichen wird. Der Darle-hensnehmer darf also über das Darlehen nicht frei verfügen können.

Hier sollte die B-Bank die Darlehenssumme sofort an das Institut zum Zweck der Erfüllung gegenüber dem Institut zahlen. Damit war eine Verfügungs-möglichkeit des Darlehensnehmers ausgeschlossen und der erforderliche Kreditzweck i.S.d. § 358 III BGB erfüllt.

b) Weiterhin ist zwischen dem Eheanbahnungsdienst-vertrag und dem Darlehensvertrag auch eine wirt-schaftliche Einheit notwendig.

Nach der Legaldefinition des § 358 III S.2 BGB wird eine solche unwiderlegbar vermutet, wenn der Verkäufer - bzw. hier der Dienstverpflichtete - bei Vorbereitung oder Abschluss des Kreditvertrages im Auftrag oder wenigstens im Einvernehmen mit dem Kreditgeber mitwirkt.

Hierfür genügt es schon, dem Verbraucher den Kreditvertrag in der Weise anzudienen, dass dieser sich an den Kreditgeber zum Abschluss des Kredit-vertrages wendet.

Hier hatte das Institut sogar Darlehensvertragsfor-mulare der B-Bank vorrätig und hatte auch Vertre-tungsmacht zum Abschluss der Darlehensvereinba-rung. Folglich hat sich die B-Bank bei Abschluss des Kreditvertrages der Mitwirkung des Instituts bedient.

3. Einwendungen

a) Fraglich ist, ob sich schon allein aus der Tatsache, dass es sich um eine Naturalobligation analog § 656 I BGB handelt, eine Einwendung i.S.d. § 359 I BGB ergibt.

Nach dem Wortlaut, v.a. aber auch dem Sinn und Zweck des § 656 I BGB entfällt der Schutz des § 656 BGB erst dann, wenn die geschützte Person (der Kunde) das Vermögensopfer schon erbracht hat; bei Kreditfinanzierung aber erbringt er das Vermögensopfer noch nicht mit der Vereinbarung des Darlehens und der Zustimmung zur direkten Zahlung an das Institut, sondern erst mit der Rück-zahlung der Raten an die Bank. Also muss ihm bis zu diesem Zeitpunkt auch die Verteidigungsmög-lichkeit über § 656 I BGB verbleiben.

Generell gilt, dass unter § 359 I BGB alle rechts-hindernden, -vernichtenden und -hemmenden Ein-wendungen fallen, die dem Darlehensnehmer ge-gen den Verkäufer, Dienst- oder Werkunternehmer zustehen, so dass in jedem Fall auch die Einwen-dung gemäß § 656 I S.1 BGB darunter fällt.

b) Weiterhin ergibt sich hier ein Gegenrecht aber vor allem aus der Tatsache, dass der A durch die Kün-digung gemäß §§ 626, 627 BGB ein Rückgewähr-schuldverhältnis gemäß §§ 628, 346 BGB herbei-geführt hat. Dadurch wäre - wenn noch nicht erfüllt worden wäre - der Zahlungsanspruch des Instituts unabhängig von § 656 I BGB entfallen.

Ergebnis: A kann der B-Bank aus § 488 I S.2 BGB eine Einwendung gemäß § 359 I i.V.m. § 656 I BGB analog bzw. §§ 628, 346 BGB entgegenhal-ten.

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I. Wiederholungsfragen:

1. Um welche Vertragsart handelt es sich im Ausgangsfall?

2. Welche Problematik ergibt sich bei der An-wendung des § 627?

3. Warum steht die analoge Anwendung des § 656 I S.2 dem Rückforderungsanspruch aus §§ 628 I S.3, 346 nicht entgegen?

II. Arbeitsanleitung:

1. Lesen Sie zum Dienstvertragsrecht HEMMER/ WÜST, Schuldrecht III, Rn. 170 ff.

2. Lesen Sie zum Maklervertrag HEMMER/WÜST, Schuldrecht III, Rn. 283 ff.

3. Zum Widerruf eines Partnervermittlungsver-trages gem. § 312 I S. 1, Nr. 1 BGB lesen Sie BGH, Life&LAW 2010, Heft 9, 575 ff. = ZGS 2010, 273 ff.

Prüfungsschema für einen Vergütungs-anspruch des Maklers gem. § 652 BGB:

1. Zustandekommen eines gültigen Maklervertra-ges:

Grundsätzlich ist der Maklervertrag nicht formbe-dürftig.

Ausnahmen:

§ 311b I BGB gilt entsprechend, wenn sich der Auftraggeber verpflichtet, ein Grundstück zu fest-gelegten Bedingungen an jeden vom Makler zuge-führten Interessenten zu verkaufen.

Gleiches gilt bei Vereinbarung einer Vertragsstrafe für den Fall, dass nicht veräußert werden sollte.

Folgeproblem: Wann kommt es zur Heilung gem. § 311b I 2 BGB analog?

Nach Ansicht des BGH nicht erst mit Eintragung des Grundstückseigentums, sondern bereits mit dem Abschluss eines formgültigen Dritt(Kauf)vertrages21.

Zur Problematik der Form von Maklerverträgen vgl. auch HEMMER/WÜST, Schuldrecht III, Rn. 284.

21 Vgl. BGH, NJW 1987, 1628.

2. Erbringen der Maklerleistung:

Der Makler ist entweder Nachweis- oder Vermitt-lungsmakler.

3. Rechtsgültiges Zustandekommen des gewünsch-ten Vertrages mit einem Dritten.

a) Ein Problem entsteht wegen des Wortlauts „vermit-teln“:

Der sog. Selbsteintritt des Maklers, sei es offen o-der unter dem Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Beteiligung, genügt nicht.

Ausnahme: Der Auftraggeber kennt die Tatsache, die eine Maklertätigkeit ausschließt, d.h. bei klarer und deutlicher Offenlegung durch den Makler auch in rechtlicher Hinsicht!

b) Weitere Probleme:

• Anfechtung des vermittelten Vertrages lässt Provisionsanspruch entfallen (Argument § 142, ex tunc Nichtigkeit).

• Das gleiche gilt bei vertraglich vereinbartem Rücktrittsrecht (Argument: Der Mangel war schon bei Vertragsschluss angelegt)

• Bei vertraglicher Wiederaufhebung, gesetzli-chem Rücktritt (z.B. gem. § 323 I) und Minde-rung bleibt der Provisionsanspruch jedoch er-halten.

Dies ist nach neuerer Rechtsprechung des BGH aber dann anders, d.h. der Vergütungsanspruch entfällt, wenn statt Rücktritt auch ein Anfech-tungsrecht („hypothetisch“) bestanden hätte.

4. Kausalzusammenhang zwischen Maklerleistung und Vertragsschluss: „infolge“

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Fall 14 - Lösung

ÜBERSICHT FALL 14

Anspruch des S gegen H aus § 765

I. Wirksamer Bürgschaftsvertrag 1. Inhalt der Vereinbarung zwischen S / H

Auslegung ergibt, dass Bürgschaft gewollt war (Abgrenzung von Garantievertrag und Schuldbeitritt)

2. Nichtigkeit gem. § 118 („guter Scherz“)?

(-), da H wusste, dass S mit einer „Scherzer-klärung“ niemals einverstanden wäre nicht § 118, sondern § 116 S.1 („böser Scherz“)

3. Formnichtigkeit nach §§ 766, 125 S.1?

(-), wenn § 350 HGB eingreift a) § 1 II 2.Hs. HGB (-), da H Großhandlung betreibt

und damit Kaufmann ist

b) Handelsgeschäft (+), §§ 343, 344 HGB 4. Nichtigkeit nach § 142 I? a) Eigenschaftsirrtum, § 119 II?

(-), da Zahlungsfähigkeit des P allein in den Risikobereich des Bürgen fällt

b) Arglistige Täuschung, § 123? (1) Täuschung über Erbschaft (+)

(2) Aber: P ist hier Dritter und S hat keine Kenntnis von Täuschung des P

wegen § 123 II keine Anfechtbarkeit 5. Ausgebliebener Lottogewinn relevant? a) Keine Bedingung (§ 158 I) für Bürgschaft b) Störung der Geschäftsgrundlage, § 313 ?

(-), da Risiko des Bürgen

II. Umfang der Bürgschaftsschuld, § 767 1. Grundsatz der Akzessorietät erfordert wirksa-

men Kaufvertrag 2. Kaufvertrag nicht durch ausgebliebenen Lotto-

gewinn weggefallen, da weder Bedingung noch WGG gem. § 313 (vgl. o.)

III. Rechtzeitige Geltendmachung kein Freiwerden des H wegen Fristablaufs,

da Frist am 01.10. gerade noch gewahrt IV. Gegenrechte des H 1. Einrede der Vorausklage

(-), wegen § 349 S.1 HGB 2. Einrede der aufrechenbaren Gegenforderung,

§ 770 II a) Gegenseitige, gleichartige Forderung aus

§§ 823 I, II, 826 (+) b) Wegen § 393 ist § 770 II aber dem Wortlaut nach

ausgeschlossen Gläubiger kann gerade nicht aufrechnen

c) Evtl.: Analoge Anwendung des § 770 I, wenn

Hauptschuldner aufrechnen kann

ob § 770 I generell analog anwendbar ist, kann offen bleiben, da sich der Bürge wegen der Ratio des § 393 BGB (Sanktion für S) auf § 770 II BGB berufen können muss

3. Mangelhaftigkeit des PKW

fraglich, ob § 770 I auf Minderung (jetzt Ge-staltungsrechte) analog anwendbar ist

hier Analogie abzulehnen, da keine Rege-

lungslücke besteht:

• bei behebbaren Mängeln besteht Einrede des nichterfüllten Vertrages, § 320 BGB

• Bürge ist daher schon über § 768 BGB ge-schützt

Ergebnis: Anspruch aus § 765 (+) H kann sich aber mit § 768 und § 770 II BGB verteidi-gen!

Page 83: BGB-AT Fall 8 - Lösung - Seite 1 Fall 8 - LösungBGB-AT Fall 8 - Lösung - Seite 2 h/w/t – 14-II Augsburg - Bayreuth – Berlin/Potsdam - Bielefeld - Bochum - Bonn - Bremen Düsseldorf

SchuldR-BT Fall 14 - Lösung - Seite 2

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ÜBERSICHT FALL 14

S könnte gegen H einen Anspruch gemäß § 765 I BGB haben.

I. Wirksamer Bürgschaftsvertrag

Dann müsste ein wirksamer Bürgschaftsvertrag vorliegen. Eine Einigung zwischen S und H liegt hier vor.

1. Inhalt der Vereinbarung

Fraglich könnte aber schon sein, welchen Inhalt die geschlossene Vereinbarung hatte. Was die Parteien wirklich gewollt haben, ist durch Auslegung zu ermitteln, §§ 133, 157 BGB.

Dabei ist nicht zwingend vom Wortlaut der Erklä-rung, in dem von „Bürgschaft“ die Rede ist, auszu-gehen, sondern es ist danach zu fragen, was nach den Interessen der Parteien wirklich gewollt ist.

Der Wortlaut ist dabei jedoch Ausgangspunkt der Auslegung und hat zweifellos auch eine gewisse Indizwirkung.

Da die Vereinbarung allerdings von Nichtjuristen geschlossen wurde, ist auch denkbar, dass eine kumulative Schuldübernahme (Schuldbeitritt) oder ein Garantievertrag gewollt war.

a) Beim Garantievertrag handelt es sich um die ge-fährlichste aller drei Vertragsformen. Die Schuld des Gewährleistenden ist hier vom Fortbestand, manchmal sogar von der Entstehung der Haupt-schuld unabhängig1.

Aufgrund dieser weit reichenden Bindung wird da-her verlangt, dass der Wille zum Abschluss eines Garantievertrages eindeutig erkennbar sein muss2. Hier ist ein solcher Wille zur Haftung unabhängig vom Bestehen der Forderung gegen P nicht ersicht-lich. Daher muss der Garantievertrag ausscheiden.

b) Abzugrenzen voneinander sind Bürgschaft und kumulativer Schuld(mit)übernahme (= Schuldbei-tritt).

aa) Die kumulative Schuldmitübernahme ist - wie der Garantievertrag - im BGB nicht ausdrücklich gere-gelt, gemäß § 311 I BGB aber grundsätzlich unbe-denklich möglich. Bürgschaft und Schuldübernah-me unterscheiden sich dadurch, dass bei der Bürg-schaft für fremde Schuld gehaftet wird, während bei der Schuldmitübernahme eine eigene Verbind-lichkeit begründet wird. Daher spricht hier auch die Erklärung des H, er werde „für die Forderung des P einstehen“ für eine Bürgschaft.

1 BGH, NJW 1967, 1020. 2 BGH, WM 1960, 880.

bb) Auch hier ist bei der Auslegung zu beachten, dass in einigen Bereichen ein unterschiedliches Risiko besteht.

Insbesondere steht der Bürge wegen der Akzessori-etät der Bürgschaft grundsätzlich besser als der Schuldmitübernehmer, dessen Verbindlichkeit nach ihrer Begründung eigene Wege gehen kann (nicht muss, vgl. § 425 BGB).

Außerdem gilt das Schriftformerfordernis des § 766 BGB für die Schuldmitübernahme nicht (al-lenfalls kann § 492 BGB eingreifen3), so dass auch die dadurch gegebene Schutz- und Warnfunktion nicht gegeben ist.

Im Zweifelsfall ist daher vom Willen zum Ab-schluss einer Bürgschaft auszugehen. Ein wirt-schaftliches Eigeninteresse kann zwar Indiz für den Abschluss eines Schuldbeitritts sein. Allerdings ist dies weder unbedingt notwendig noch allein aus-reichend.

cc) Hier haben die Parteien ausdrücklich von „bürgen“ gesprochen. Klare Anhaltspunkte, dass sie damit etwas anderes gemeint haben könnten, sind nicht gegeben. Es liegt daher der Wille beider Parteien zum Abschluss eines Bürgschaftsvertrages vor.4

2. Dass der gesicherte Kaufpreisanspruch zum Zeit-punkt der Vereinbarung der Bürgschaft noch nicht fällig war, ist grds. kein Problem, da gemäß § 765 II BGB die Bürgschaft sogar für eine künfti-ge Verbindlichkeit bestellt werden kann.

3. Unwirksamkeit gemäß § 118 BGB

Fraglich ist, ob die Behauptung des H, seine Erklä-rung sei ein Aprilscherz gewesen, zur Unwirksam-keit der Willenserklärung gemäß § 118 BGB führt.

Viel spricht schon dafür, dass dies eine bloße nach-träglich erfundene Schutzbehauptung ist.

Letztlich kommt es auf die Wahrheit seiner Be-hauptung aber dann nicht an, wenn sie hier ohnehin keine rechtliche Auswirkung hätte.

Fraglich ist also, ob diese Behauptung des H - un-terstellt sie träfe zu - zur Anwendbarkeit des § 118 BGB führen würde.

Nichtigkeitsgrund bei § 118 BGB ist die subjektive Erwartung des Erklärenden, der Empfänger werde die mangelnde Ernstlichkeit erkennen.

3 Vgl. Vertiefungshinweis am Schluss der Lösung. 4 Das Problem konnte durchaus auch etwas knapper be-

handelt werden. Allerdings sollten die Anführungszei-chen beim Begriff „bürgen“ i.d.R. Anlass sein, eine sol-che Auslegung vorzunehmen. Vgl. zu dieser Frage und zur Anfechtbarkeit einer Bürgschaft Hemmer/Wüst, Kreditsicherungsrecht, Rn. 9 ff.

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SchuldR-BT Fall 14 - Lösung - Seite 3

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§ 118 BGB hat einen begrenzten Anwendungsbe-reich; die Vorschrift muss als gegen den Gedanken des Verkehrsschutzes verstoßende systemwidrige Ausnahmevorschrift5 eng ausgelegt werden.

a) Es ist streitig, ob § 118 BGB auch dann eingreifen kann, wenn - wie hier - der Mangel der Ernstlich-keit objektiv nicht erkennbar ist6.

Vor allem wegen der andernfalls zu großen Beein-trächtigung der Rechtssicherheit spricht viel für die Meinung, dass die objektive Erkennbarkeit not-wendig ist. Die Schadensersatzfolge des § 122 BGB (negatives Interesse) erscheint bei Nichter-kennbarkeit nicht als ausreichender Ausgleich.

b) Letztlich kann diese Streitfrage hier aber offen bleiben, da hier § 118 BGB auch dann nicht an-wendbar ist, wenn man die objektive Erkennbarkeit des Scherzcharakters nicht fordert.

Erforderlich für § 118 BGB ist nämlich wenigstens, dass der H bei seiner Erklärung die Erwartung hat-te, der S werde den Mangel der Ernstlichkeit er-kennen. Davon kann man hier nicht ausgehen.

Dem H musste hier - v.a. aufgrund der Vertagung der Vertragsunterzeichnung und der Begründung dafür - klar gewesen sein, welchen Wert der S auf den Abschluss des Bürgschaftsvertrages legte. Ihm musste klar sein, dass der S den Kaufvertrag an-dernfalls wohl doch nicht abschließen werde.

Nach Erfahrungssätzen beurteilt bedeutet dies, dass H ganz genau wusste, dass sich der S mit einer Scherzerklärung nicht zufrieden geben konnte. Al-so konnte er auch nicht die Erwartung haben, dass dieser sie als eine solche versteht.

Es ist daher hier nur von einem sog. „bösen Scherz“ auszugehen, der nicht dem § 118 BGB, sondern dem Anwendungsbereich des § 116 BGB unterfällt7. § 118 BGB erfasst nur den „guten Scherz“.8

Im Ergebnis kann hier also keinesfalls von einer Nichtigkeit gemäß § 118 BGB ausgegangen wer-den.

5 Palandt, § 118 BGB, Rn. 2. 6 Vgl. Palandt, § 118 BGB, Rn. 2. 7 Palandt, § 116 BGB, Rn. 6. 8 Palandt, § 118 BGB, Rn. 2. Wäre es - was nach dem Ge-

sagten als recht lebensfern erscheint - anders gewesen, dann hätte der H den S aufklären müssen, als er erkannte, dass dieser die Erklärung doch ernst nimmt. Mangels ei-ner solchen Aufklärung hätte er sich dann nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB nicht auf die Wirkung des § 118 BGB berufen dürfen (Palandt, § 118 BGB, Rn. 2 a.E.).

4. Unwirksamkeit wegen §§ 766 S.1, 125 S.1 BGB

Die Bürgschaftserklärung des H könnte aber wegen § 766 S.1 BGB gemäß §§ 125 S.1, 126 I BGB un-wirksam sein. Das Schriftformerfordernis wurde hier nicht beachtet.

Allerdings könnte wegen § 350 HGB auch die mündliche Erklärung formwirksam sein, wenn die Bürgschaft für den Bürgen ein Handelsgeschäft i.S.d. § 343 HGB wäre.

a) Zu prüfen ist zunächst die Kaufmannseigenschaft des H. Diese ist zu bejahen, da er ein Gewerbe be-treibt (§ 1 I, II HGB) und für den Ausnahmefall ei-nes Kleingewerbes gemäß § 1 II 2.Hs. HGB nichts ersichtlich ist.

Anmerkung: Nach der Rechtsprechung des BGH ist selbst der Alleingesellschafter und Geschäfts-führer einer GmbH weder Kaufmann noch Unter-nehmer, da er kein Unternehmen betreibt.

Er hat zwar gem. § 35 GmbHG Leitungsmacht (= Unternehmerinitiative), aber wegen § 13 II GmbHG kein Unternehmerrisiko. Die GmbH (oder eine KG) selbst ist natürlich Kauf-mann; vgl. etwa § 6 HGB, § 13 III GmbHG und damit auch Unternehmer, § 14 I BGB.

Lesen Sie dazu die sehr examensrelevante Ent-scheidung des BGH in Life & Law 2006, 149 ff. = NJW 2006, 431 ff.

b) Aus der Tatsache, dass der H Kaufmann ist, müsste sich ergeben, dass für ihn auch ein Handelsge-schäft vorliegt. Dies richtet sich nach §§ 343, 344 HGB.

aa) Fraglich ist, ob die Übernahme der Bürgschaft zum Betrieb seines Handelsgewerbes gehörte. Damit sind auch bloße Hilfs- und Nebengeschäfte, unge-wöhnliche Geschäfte und bloße vorbereitende Ge-schäfte gemeint.

Hier lässt der Sachverhalt die Vermutung zu, dass sich H aus der Bürgschaft gewisse positive Effekte für sein Geschäft versprach (Kundenbindung).

Dies dürfte reichen, um den notwendigen Bezug zum Betrieb des Handelsgewerbes zu bejahen.

Würde man die Anforderungen wesentlich höher schrauben, dann würde § 350 HGB außerhalb des Bankverkehrs weitgehend leerlaufen.

bb) Letztlich muss dies aber nicht endgültig entschie-den werden.

Jedenfalls lässt sich die Übernahme der Bürgschaft nach dem Sachverhalt nicht eindeutig dem Privat-bereich zuordnen. Dann aber greift zumindest die Vermutung des § 344 I HGB ein.

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SchuldR-BT Fall 14 - Lösung - Seite 4

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Dass der H - dem insofern die Beweislast obliegt - die Zuordnung zum geschäftlichen Bereich wider-legen könnte, lässt sich nach dem Sachverhalt nicht bejahen. Weiter würde eine solche Widerlegung auch voraussetzen, dass der Geschäftspartner den privaten Charakter des Geschäftes gekannt hätte oder hätte kennen müssen. Auch dies könnte man hier kaum bejahen, da der S sich andernfalls wohl nicht mit der mündlichen Erklärung zufrieden ge-geben hätte.

Letztlich kann hier also zumindest wegen § 344 I HGB von einem Handelsgeschäft ausge-gangen werden. Daher ist § 766 BGB wegen § 350 HGB nicht anwendbar. Die Bürgschaft ist form-wirksam.

Anmerkung: Beachten Sie zur Schriftform gem. § 126 BGB unbedingt, dass die Übermittlung per Fax [anders als bei prozessual vorgesehener Schriftform, § 130 Nr. 6 2.Hs. ZPO] nicht aus-reicht. Es handelt sich um eine empfangsbedürftige Willenserklärung, und bei einer solchen ist die Form nur beachtet, wenn gerade der Zugang einer Erklärung in der vorgeschriebenen Form erfolgt. Gemäß § 126 BGB heißt dies, dass die original un-terschriebene Erklärung in den Machtbereich des Empfängers gelangen muss (Umkehrschluss aus § 127 II S.1 BGB); durch die Klarstellung mit der Notwendigkeit einer „Erteilung“ wird dies in § 766 BGB besonders deutlich.

Da bei einem Telefax aber die Originalunterschrift gerade beim Absender verbleibt, erfüllt diese nicht die Form des § 766 BGB.9 Gerade im Bürgschafts-recht kann allerdings die Berufung auf die For-munwirksamkeit der Bürgschaftserklärung im Ein-zelfall gegen § 242 BGB verstoßen. Ein Formman-gel ist ausnahmsweise dann unbeachtlich, wenn ei-ne Partei, die längere Zeit aus dem nichtigen Ver-trag Vorteile gezogen hat, sich unter Berufung auf den Formmangel ihrer Verpflichtung entziehen will. Voraussetzung ist, dass der Leistende den Vor-teil im Vertrauen auf die Wirksamkeit des Vertrages erbringt. Hat er aus der Sicht des anderen Ver-tragsteils im Zeitpunkt der Leistung nicht auf die Erfüllung des Formerfordernisses vertraut, so liegt in der späteren Geltendmachung der Unwirksam-keit kein Rechtsmissbrauch10.

5. Anfechtung des Bürgschaftsvertrages

Der Bürgschaftsvertrag könnte gemäß § 142 I BGB als von Anfang an nichtig anzusehen sein, wenn der H die Bürgschaft wirksam angefochten hätte. Eine Anfechtungserklärung gemäß § 143 I BGB ist gegeben.

9 BGH Z 121, 224; Palandt § 766, Rn. 1 10 BGH Z 121, 224 [233]; Palandt § 766, Rn. 3

Fraglich ist aber, ob der H hier überhaupt einen An-fechtungsgrund hatte. Da für einen Inhalts- oder Erklärungsirrtum i.S.d. § 119 I BGB nichts ersicht-lich ist, könnte sich ein solcher aus § 119 II BGB oder § 123 BGB ergeben.

a) Ein Anfechtungsgrund gemäß § 119 II BGB könn-te sich nur dann ergeben, wenn man die Vermö-gensverhältnisse des Hauptschuldners P als ver-kehrswesentliche Eigenschaft i.d.S. ansehen würde.

aa) Allein die Tatsache, dass der P nicht Vertrags-partner des Bürgschaftsvertrages ist, würde dem § 119 II BGB nicht entgegenstehen, da auch Eigen-schaften einer dritten Person unter § 119 II BGB fallen können11.

bb) Es muss um solche tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse gehen, die die Person unmittelbar kennzeichnen. Zahlungsfähigkeit und Kreditwür-digkeit werden als verkehrswesentliche Eigen-schaften in diesem Sinne anerkannt12.

cc) Dies kann aber dann nicht gelten, wenn ein Bürge sich über die Kreditwürdigkeit des Hauptschuld-ners irrt. Da die Bürgschaft gerade die Sicherung der Hauptschuld zum Inhalt hat, gehört die Vermö-genslage des Hauptschuldners zum typischen Ri-siko des Bürgen.

Dieses Risiko soll dem Gläubiger durch die Bürg-schaft gerade abgenommen werden.

Eine Irrtumsanfechtung aus diesem Grund würde daher den Sicherungszweck der Bürgschaft verei-teln.

Deswegen kommt eine Anfechtung nach § 119 II BGB hier nicht in Frage.

Anmerkung: Ein Konkurrenzverhältnis zu § 321 I BGB besteht nicht, da letzterer nur dann einschlägig ist, wenn der Vermögensverfall erst nach Vertragsschluss eingetreten ist.

Im Übrigen handelt es sich bei der Bürgschaft nicht um einen gegenseitigen Vertrag i.S.d §§ 320 ff. BGB.

b) Fraglich ist, ob eine Anfechtung gemäß § 123 BGB möglich ist.

aa) Zwar hat der P den H nicht hinsichtlich des Lotto-gewinnes getäuscht.

Denn zum Zeitpunkt der Abgabe der auf den Ab-schluss des Bürgschaftsvertrages gerichteten Wil-lenserklärungen, war noch nicht bekannt, dass es mit dem Lottogewinn nicht geklappt hatte.

11 Palandt, § 119 BGB, Rn. 26. 12 Vgl. Palandt, § 119 BGB, Rn. 26.

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Wohl aber ist davon auszugehen, dass im Hinblick auf die Erbschaft, die ebenfalls die Zahlungsfähig-keit des P bewirkt hätte, eine arglistige Täuschung vorliegt. P hat dem H hier bewusst falsche Tatsa-chen vorgespiegelt.

bb) Da der Bürgschaftsvertrag aber zwischen H und S geschlossen wurde, könnte § 123 II S.1 BGB der Anfechtung entgegenstehen. S selbst hatte keine Kenntnis von diesen Vorgängen; der Sachverhalt gibt nichts dafür her, dass er irgendetwas mit der Zusicherung der Erbschaft zu tun haben könnte o-der infolge Fahrlässigkeit davon nichts wusste.

S wusste nur vom möglichen Lottogewinn, doch dies stellte sich ja erst später als unrichtig heraus.

Daher kommt hier eine Anfechtung nach § 123 I BGB nur dann in Betracht, wenn der täuschende P im Verhältnis zu S sog. „Nichtdritter“ wäre.

Anmerkung: Beachten Sie bitte, dass diese Ein-schränkung nicht bei der Anfechtung wegen wider-rechtlicher Drohung gilt. Lesen Sie dazu HEMMER/WÜST, BGB-AT III, Rn. 440 !

cc) Es ist anerkannt, dass nicht jede Person, die nicht selbst Vertragspartner ist, automatisch Dritter i.S.d. § 123 II S.1 BGB ist.

Vielmehr ist Dritter i.S.d. § 123 II BGB nur der am Geschäft gänzlich Unbeteiligte.

Kein Dritter ist, wer auf Seiten des Erklärungsemp-fängers (und damit Anfechtungsgegners) steht und maßgeblich am Zustandekommen des Vertrags mitgewirkt hat.

Nur so wird § 123 BGB seinem Schutzzweck ge-recht; andernfalls könnte man ihn durch Einschal-ten weiterer Personen leicht umgehen.

dd) Bei der Bürgschaft verhält es sich regelmäßig so, dass der Hauptschuldner bei der Bestellung des Bürgen nicht bloßer „verlängerter Arm“ des Gläu-bigers ist, weil er nicht allein dessen Interessen an ausreichender Sicherung der Forderung vertritt. Vielmehr verfolgt er durchaus auch eigene Interes-sen. Kann er keinen Bürgen organisieren, bekommt er ja häufig den Kredit gar nicht.

Hier lag der Fall so. Ohne die Bürgschaft hätte der S mit P den Kaufvertrag nicht geschlossen, weil er befürchten musste, dass sich die Vermögensver-hältnisse des P ändern würden.

Da P also zumindest auch eigene Interessen ver-folgte, als er den H unter Vorspiegelung falscher Tatsachen zur Abgabe der Bürgschaftserklärung veranlasste, war er hier Dritter i.S.d. § 123 II BGB.

Der Hauptschuldner ist daher im Verhältnis Bürge - Gläubiger regelmäßig als Dritter anzusehen.

Anders ist dies nur dann, wenn der Schuldner beim Zustandebringen des Bürgschaftsvertrages Beauf-tragter des Gläubigers war oder als dessen Vertrau-ensperson aufgetreten ist. Dafür aber ist hier nichts ersichtlich, zumal es nicht ausreicht, wenn der Gläubiger den bloßen Anstoß zu den Verhandlun-gen gegeben hat13.

Da die Voraussetzungen von § 123 II BGB nicht vorliegen, kann die Täuschung durch P dem S nicht zugerechnet werden.

Damit scheidet § 123 BGB als Anfechtungsgrund aus. Die Anfechtungserklärung des H ging ins Lee-re. Der Bürgschaftsvertrag entfällt daher nicht auf-grund von Anfechtung.

6. Auswirkung des ausgebliebenen Lottogewinnes

Fraglich ist, ob die Tatsache, dass der P wider Er-warten doch nicht im Lotto gewonnen hatte, sich in anderer Weise auf den Bürgschaftsvertrag auswir-ken könnte.

a) Eine Bedingung i.S.d. § 158 I BGB wurde eindeu-tig nicht vereinbart. Auch für eine ergänzende Aus-legung des Bürgschaftsvertrages (§§ 133, 157 BGB) in dieser Hinsicht ist hier nichts ersichtlich.

b) In Frage käme noch eine Anwendung der Grunds-ätze über die Störung der Geschäftsgrundlage, § 313 II BGB14.

Geschäftsgrundlage ist gemäß § 313 I BGB ein Umstand,

• der zur Grundlage des Vertrages wurde

• der für die Partei(en) auch so wichtig war, dass sie den Vertrag nicht oder anders abgeschlossen hätte, wenn sie die Veränderung vorausgesehen (Absatz 1) bzw. die Unrichtigkeit ihrer Vorstel-lung (Absatz 2) erkannt hätte(n) und

• auf dessen Berücksichtigung die andere Partei sich redlicherweise hätte einlassen müssen.

Für den Bürgschaftsvertrag müssen hierbei hohe Anforderungen gelten, weil der Bürge schlechthin und unbeschränkt das Risiko für die Zahlungsfä-higkeit des Schuldners übernimmt15.

13 BGH, NJW-RR 1992, 1006. 14 Zur Störung der Geschäftsgrundlage vgl. Hem-

mer/Wüst, Schuldrecht AT, Rn. 607 ff. 15 Vgl. BGH, NJW 1983, 1850.

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Das darf er nicht so einfach über die Grundsätze der Störung der GG wieder auf den Gläubiger ab-wälzen.16

Daher muss hier davon ausgegangen werden, dass die Grundsätze der Störung der GG nicht gegeben sind. Treu und Glauben gebieten gerade nicht die Anpassung und damit letztlich die Verlagerung des Risikos auf den Gläubiger.

7. Problematik des § 777 I BGB

Es könnte hier eine Zeitbürgschaft i.S.d. § 777 I BGB vorliegen.

a) Dies ist dann der Fall, wenn vereinbart wird, dass der Gläubiger den Bürgen innerhalb bestimmter Frist in Anspruch nehmen muss und der Bürge an-dernfalls frei wird.

§ 777 I BGB ist nicht anwendbar, wenn die Zeitbe-stimmung im Einzelfall nur bedeutet, dass der Bür-ge nur für Forderungen haften soll, die aus der be-stimmten Zeit herrühren, für diese aber dann zeit-lich unbeschränkt17.

Hier ergibt die Auslegung, dass nur erstere Variante gemeint sein kann. Die zweite Möglichkeit liegt schon deswegen fern, weil die Möglichkeit des Entstehens anderer Forderungen gar nicht ersicht-lich war. H wollte seine Haftung für diese eine Forderung zeitlich einschränken. Dies ist der Fall des § 777 I BGB.

b) Hier ist grundsätzlich § 777 I S.2 BGB einschlä-gig, da dem Bürgen H wegen § 349 HGB - An-wendbarkeit gemäß §§ 1, 343, 344 HGB, s.o. - die Einrede der Vorausklage nicht zustand.

c) Allerdings ist die getroffene Vereinbarung gemäß §§ 133, 157 BGB so auszulegen, dass die Parteien eine Abweichung von § 777 I S.2 BGB wollten: Grundsätzlich genügt nämlich ein „unverzüg-liches“ (vgl. § 121 BGB) Vorgehen des Gläubigers gegen den Bürgen, um ihm seine Rechte zu wah-ren.

Die Vereinbarung, die Bürgschaft solle „vorbehalt-los“ erlöschen, wenn nicht die Inanspruchnahme erfolge, bedeutet aber, dass es sich bei dieser Halb-jahresfrist um eine absolut feste Frist i.S.e. auflö-senden Befristung gem. §§ 163, 158 II BGB han-deln sollte; d.h. der Gläubiger hätte in diesem Fall nicht mehr diese letzte Frist, die ihm der Begriff „unverzüglich“ gewähren würde18.

16 Zur Anwendung der Grundsätze der Störung der Ge-

schäftsgrundlage auf die Bürgschaft vgl. auch BGH ZIP 1999, 877 ff.; BGH NJW 2000, 362 ff.

17 Palandt, § 777 BGB, Rn. 1,2. 18 Vgl. BGH, NJW 1982, 172.

Die Bürgschaft sollte erlöschen, wenn nicht spätes-tens am letzten Tag der Frist die Anzeige erfolgt wäre.

d) Hier ist die Anzeige aber rechtzeitig erfolgt. Man-gels anderweitiger Vereinbarung ist die Frist gemäß §§ 187, 188 BGB zu berechnen. Daher begann die Frist am 02. April 2007 um 000Uhr (§ 187 I BGB) und endete am 01. Oktober 2007 um 24 Uhr (§ 188 II BGB).

Die erforderliche Anzeige erfolgte hier am 01. Oktober 2007, also innerhalb der Frist.

Zu diesem Zeitpunkt war auch die Kaufpreisforde-rung schon fällig geworden, da der Wagen eben-falls am 01. Oktober 2007 ausgeliefert wurde. Auf die Frage, ob eine solche Anzeige auch dann ihre Wirkung entfalten kann, wenn sie vor Fälligkeit er-teilt wurde, kommt es hier daher nicht an.

Exkurs zu dieser Frage: Der BGH hat einer sol-chen Anzeige vor Fälligkeit der Hauptschuld gene-rell keine i.S.d. § 777 I S.2 BGB rechtserhaltende Wirkung zuerkannt.19

Die gegenteilige Auffassung widerspricht in der Tat dem Sinn und Zweck der Zeitbürgschaft.

Diese soll dem Gläubiger nur eine Sicherheit für eine bestimmte Zeit bieten. Würde man auch im hier diskutierten Fall die Anzeige mit der Wirkung des Nichtfreiwerdens des Bürgen zulassen, dann wäre es dem Gläubiger praktisch möglich, diese zeitliche Begrenzung dadurch zu umgehen, dass er gewissermaßen „auf Vorrat“ die künftige Inan-spruchnahme anzeigt.

Ihm wäre es ermöglicht, durch eine rein formale, an keinerlei materielle Voraussetzungen geknüpfte Handlung den von der Zeitbürgschaft beabsichtig-ten Bürgenschutz zu unterlaufen. Es genügt in je-dem Fall, wenn Fälligkeit der Hauptschuld und Fristablauf zeitlich zusammen fallen. § 777 I BGB droht in so einem Fall nicht zu einer bloßen Förm-lichkeit zu werden. Vielmehr ist den Schutzbedürf-nissen des Bürgen ausreichend Rechnung getragen, da er mit Ablauf der Zeit Gewissheit hat, ob er in Anspruch genommen wird oder nicht20.

Damit ist hier von einer wirksamen Bürgschaft auszugehen.

II. Umfang der Bürgschaftsschuld

Gemäß § 767 I S.1 BGB ist der Umfang der Haupt-schuld maßgebend. Diese bestand hier in einem Kaufpreisanspruch gemäß § 433 II BGB in Höhe von 45.000 €.

19 BGHZ 91, 349. 20 BGH, NJW 1989, 1857.

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Fraglich ist aber, ob sich nicht durch die Tatsache, dass der erwartete Lottogewinn des P ausblieb, et-was am Bestand des Kaufpreisanspruches änderte.

1. Dies wäre denkbar, wenn S und P den Kaufvertrag unter der Bedingung abgeschlossen hätten, dass der P tatsächlich Lottokönig wird. Dafür könnte man u.U. auch eine ergänzende Vertragsauslegung prüfen.

Im vorliegenden Fall ist dafür aber nichts Ausrei-chendes ersichtlich.

Die Tatsache, dass der P dem S gegenüber diese Angelegenheit erwähnte, kann von diesem (objek-tiver Empfängerhorizont gemäß §§ 133, 157 BGB) nicht so verstanden werden, dass er die Wirksam-keit des Kaufvertrages unmittelbar hiermit ver-knüpfen wollte.

Ein solcher Ausnahmefall müsste viel deutlicher gemacht werden, da damit eine Risikoverlagerung auf den Vertragspartner erfolgen würde.

2. Zu erörtern wäre allenfalls, ob die Geschäfts-grundlage des Kaufvertrages entfallen ist, (§ 313 II BGB).

Von den drei Tatbestandsmerkmalen der Störung der GG (§ 313 BGB) ist hier aber zumindest die dritte Voraussetzung (normatives Element) nicht erfüllt: S hätte sich nicht redlicherweise darauf ein-lassen müssen, dass der Kaufvertrag bei Wegfall des Lottogewinnes nicht oder anders durchzufüh-ren wäre. Der Verkäufer hat legitime Interessen, si-cher von einem fest geschlossenen Vertrag auszu-gehen.

Er muss den Gegenstand ja selbst wieder abneh-men und hat sich daher selbst vertraglich gebun-den. Das Risiko der eigenen Zahlungsfähigkeit muss jeder selbst tragen. Dies gilt in unserer Rechtsordnung unabhängig von Verschulden. Es geht nicht an, dieses Risiko über die Störung der GG auf den Vertragspartner abzuwälzen.

3. Damit ist grundsätzlich vom Bestehen des Kauf-preisanspruches in Höhe von 45.000,- € auszuge-hen, da nichts dafür ersichtlich ist, dass der P ein ihm eventuell zustehendes Gestaltungsrecht (etwa Aufrechnung) schon ausgeübt hätte.21

21 Die schon ausgeübte Aufrechnung hätte nichts mit dem

unten zu diskutierenden Streit zu tun. Sie würde schon über die strenge Akzessorietät der Bürgschaft (§§ 765, 767 BGB) unproblematisch dazu führen, dass auch der Bürge insoweit nicht mehr verpflichtet wäre.

III. Gegenrechte des H22

1. Einrede der Vorausklage

H könnte gegenüber dem S gemäß § 771 BGB die Einrede der Vorausklage haben. Er könnte ihn also möglicherweise darauf verweisen, sich zunächst einen Titel gegen den P zu erstreiten und aus die-sem einen Vollstreckungsversuch zu unternehmen.

a. Ein Ausschluss dieser Einrede gemäß § 773 I BGB ist hier nicht gegeben. Insbesondere lässt sich dem Sachverhalt nichts dafür entnehmen, dass - wie praxisüblich - eine selbstschuldnerische Bürgschaft gemäß § 773 I Nr.1 BGB vereinbart wurde.

b. Allerdings ist § 771 BGB hier gemäß § 349 HGB ausgeschlossen. Oben wurde festgestellt, dass es sich gemäß §§ 343, 344 HGB um ein zum Betrieb des Handelsgewerbes des H gehörendes Geschäft handelt.

Die Einrede der Vorausklage scheidet daher aus.

2. Einrede der aufrechenbaren Gegenforderung

Fraglich ist, ob der Bürge H gemäß § 770 II BGB dem Anspruch entgegen halten kann, dass gegen-über der Kaufpreisforderung eine aufrechenbare Gegenforderung besteht. Eine solche könnte sich hier aus der Tatsache ergeben, dass der S den Ver-stärker des P beschädigt hatte.

a) Es handelt sich um einen Anspruch des P gegen S aus § 823 I BGB, § 823 II BGB i.V.m. §§ 303, 15 StGB bzw. § 826 BGB.

Der Anspruch ist in jedem Fall gegeben, da nach dem Sachverhalt eine vorsätzliche Sachbeschädi-gung vorliegt, für die kein Rechtfertigungsgrund ersichtlich ist.

b) Fraglich ist nun weiterhin, ob sich diese beiden Forderungen aufrechenbar gegenüber stehen. Im Hinblick auf § 387 BGB ist dies hier gegeben: Die Forderungen sind gegenseitig und gleichartig (Geld). Leistendürfen und Fälligkeit ist sogar auf beiden Seiten mittlerweile gegeben.

c) Dennoch scheidet § 770 II BGB seinem Wortlaut nach hier aus.

Dies ergibt sich aus § 393 BGB, der dem S als Gläubiger der gesicherten Kaufpreisforderung ver-bietet, aufzurechnen: S hat eine vorsätzliche uner-laubte Handlung begangen. Deswegen darf er ge-mäß § 393 BGB nicht gegen diese Forderung auf-rechnen.

Die Vorschrift ist gegen den Schädiger S gerichtet. Dagegen dürfte der Geschädigte P aufrechnen.23

22 Zu den Gegenrechten des Bürgen vgl. die Darstellung

bei Hemmer/Wüst, Kreditsicherungsrecht, Rn. 186 ff.

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Anmerkung: In der Literatur wird zum Teil die Auffassung vertreten, dass das Aufrechnungsverbot des § 393 BGB zu verneinen sei, wenn auf beiden Seiten Forderungen aus vorsätzlichen unerlaubten Handlungen gegeben sind (z.B. Schlägerei).24

Der BGH ist mit Beschluss vom 15.09.2009 dieser Ansicht entgegengetreten.25 Nach Ansicht des BGH gilt das Aufrechnungsverbot gegen eine Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung auch dann, wenn sich zwei Forderungen aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung gegenüber stehen, die aus einem einheitlichen Lebensverhält-nis resultieren.

§ 770 II BGB setzt aber gerade voraus, dass der Gläubiger der Forderung, für die gebürgt wurde, aufrechnen könnte. Das ist hier der S. Damit passt der Wortlaut des § 770 II BGB hier nicht.

d) Fraglich ist aber, ob für den hier vorliegenden Fall, dass zwar der Schuldner der verbürgten Forderung aufrechnen kann, nicht aber der Gläubiger, eine entsprechende Anwendung des § 770 I BGB auf das Gestaltungsrecht Aufrechnung durch den Hauptschuldner in Frage kommt.

Wie bei § 129 III HGB, wo das gleiche Problem besteht und teilweise ein redaktionelles Versehen des Gesetzgebers behauptet wird, ist die Frage auch hier streitig.

aa) Eine Meinung verneint die entsprechende An-wendbarkeit des § 770 I BGB auf diesen Fall26.

Es fehle die Rechtsähnlichkeit der Tatbestände. Außerdem falle die Gefahr, dass der Hauptschuld-ner nicht aufrechnet (tut er dies, greift ja schon § 767 BGB ein!) ebenso in das Geschäftsrisiko des Bürgen wie die Tatsache, dass der Hauptschuldner nicht zahlt.

Diese Auffassung verweist auch auf den unter-schiedlichen Wortlaut bei § 770 I BGB und § 770 II BGB:

Während im Absatz 1 vom Hauptschuldner gespro-chen wird, ist in Absatz 2 ausdrücklich und nur der Gläubiger genannt. Das deute darauf hin, dass der

23 Palandt, § 393 BGB, Rn. 2. 24 Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, 14. Auflage, Band I,

§ 18 VI b; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, 10. Auflage, Rn. 339; Blomeyer, Allgemeines Schuld-recht, 4. Auflage, § 40 VI 2 a; Staudinger, § 273 BGB, Rn. 111; Erman, 12. Auflage, § 393 BGB, Rn. 2; Jauer-nig, 13. Auflage, § 393 BGB, Rn. 1; Lüke/Huppert, JuS 1971, 165 (167).

25 BGH, Life&LAW 2009, Heft 12, 804 ff. = BB 2009, 2209 ff.

26 Palandt, § 770 BGB, Rn. 3; MüKo, § 770 BGB, Rn. 9

Gesetzgeber hier bewusst eine unterschiedliche Regelung treffen wollte.

Nach dieser Meinung kommt der Bürge nur dann zu einer Einrede, wenn der Schuldner der Forde-rung, für die gebürgt wurde, ein Zurückbehaltungs-recht gemäß § 273 BGB hat. Dieses kann er dann gemäß § 768 I BGB geltend machen.

Im vorliegenden Fall würde dies dem H aber nichts nützen, da trotz der üblichen weiten Auslegung des Zusammenhangs i.S.d. § 273 BGB27 hier ein sol-cher nicht gegeben ist: Die Schädigung des S hat mit dem Kaufvertrag offenbar auch nicht das ge-ringste zu tun.

bb) Überzeugender erscheint die Gegenmeinung28, die § 770 I BGB auch auf diesen Fall anwenden will. Dies trotz der Tatsache, dass sie sich über den - je-denfalls scheinbar klaren - Wortlaut hinwegsetzt.

Aus § 770 I BGB ergibt sich, dass der Bürge nicht zu einer Leistung verpflichtet sein soll, solange noch nicht feststeht, ob die Schuld, für die er sich verbürgt hat, dadurch rückwirkend erlischt, dass der Schuldner ein ihm zustehendes Gestaltungs-recht ausübt.

Das muss für die Aufrechnung genauso gelten. Es kann keinen Unterschied machen, ob dieses rück-wirkende Erlöschen durch Anfechtung, Rücktritt, oder Aufrechnung geschieht.

Die Interessenlage ist die gleiche, da entscheidend nur sein kann, dass der Bürge nicht zu zahlen braucht, solange die Möglichkeit besteht, dass er die Leistung später nach den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung zurückfordern müsste.29

cc) Auf die Streitfrage, ob § 770 I BGB auf andere Ge-staltungsrechte des Hauptschuldners analog ange-wendet werden kann, kommt es aber im vorliegen-den Fall gar nicht entscheidend an.

Die wortlautgetreue Anwendung des § 770 II BGB hätte nämlich hier zur Folge, dass der S geschützt würde, obwohl es gerade er ist, der die vorsätzliche und strafbare Tat begangen hat.

Damit ist letztlich die Wirkung des § 393 BGB, die eigentlich gegen den vorsätzlichen Schädiger ge-richtet ist, im Rahmen der Bürgschaft in einen Vor-teil für diesen umgewandelt. Das will nicht recht einleuchten.

27 Vgl. Palandt, § 273 BGB, Rn. 9. 28 Medicus, JuS 1971, 501; Soergel, § 770 BGB, Rn. 6;

Reinicke/Tiedtke, Kreditsicherung, 74 (m.w.N.). 29 A.A. natürlich ebenso vertretbar, wenn das Problem er-

kannt und diskutiert wird.

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SchuldR-BT Fall 14 - Lösung - Seite 9

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Damit kann hier im Wege einer teleologischen Reduktion des § 393 BGB der H in erweiternder Auslegung des § 770 II BGB einredeweise geltend machen, dass dem P gegen S aus der Beschädigung des Verstärkers eine aufrechenbare Gegenforderung zusteht.

Auf die Analogie des § 770 I BGB kommt es dem-nach gar nicht an.

In dieser Höhe ist der Anspruch aus § 765 I BGB also nicht durchsetzbar.

3. Einrede der Mangelhaftigkeit

Dem H könnte weiterhin aufgrund der Tatsache, dass der Wagen mit einem mangelhaften Airbag bestückt war, eine Einrede zustehen, die den An-spruch aus § 765 I BGB nochmals um 500 € redu-zieren würde.

Es könnte § 768 I S.1 BGB eingreifen, wonach der Bürge die dem Hauptschuldner zustehenden Einre-den geltend machen kann.

a) Fraglich ist, ob hier eine Einrede i.S.d. § 768 I BGB in Frage kommt.

Hierunter versteht man Rechte, die die Durchset-zung eines bestehenden Rechtes verhindern. Davon sind die Gestaltungsrechte zu unterscheiden, mit denen unmittelbar auf dieses Recht eingewirkt wird.

Gestaltungsrechte würden nicht unter § 768 I S.1 BGB fallen, sondern wären im Rahmen des § 770 I BGB zu prüfen.

Dies deswegen, weil es dem Hauptschuldner selbst überlassen bleiben muss, ob er die Gestaltungs-rechte geltend macht oder nicht. Unmittelbar auf den Kaufvertrag einwirken soll nur er, nicht auch der Bürge.

b) Zu prüfen ist, welches Recht hier dem Haupt-schuldner P zustehen würde.

aa) Nach dem Sachverhalt ist davon auszugehen, dass aufgrund des minderwertigen Airbags ein Sach-mangel i.S.d. § 434 I BGB vorliegt.

Die Ist-Beschaffenheit des Wagens weicht jeden-falls von der vertraglich vorausgesetzten (§ 434 I S.2 Nr. 1) bzw. gewöhnlichen (§ 434 I S.2 Nr. 2) Sollbeschaffenheit ab.

§ 442 BGB greift nicht ein.

bb) Auch kommt ein Ausschluss der §§ 434 ff. BGB gemäß § 377 II HGB hier nicht in Frage, da nach dem Sachverhalt nicht davon auszugehen ist, dass auch der P Kaufmann i.S.d. §§ 1 ff. HGB ist, und deswegen keinesfalls ein beiderseitiger Handels-kauf vorliegen kann (§§ 343, 344 HGB).

cc) Dem P steht gegenüber S auch ein Minderungs-recht gemäß §§ 437 Nr. 2, 441 BGB zu.

Gemäß § 441 I kann P „statt“ des Rücktritts durch Erklärung gegenüber dem Verkäufer den Kaufpreis mindern.

Anmerkung: Ein Rücktrittsrecht besteht angesichts der geringfügigen Minderung von 500,- € im Ver-hältnis zum Wert (45.000,- €) wegen Unerheblich-keit der Pflichtverletzung (§ 323 V S.2 BGB) wohl nicht.

Die Rücktrittsvoraussetzungen müssen – mit Aus-nahme des Erheblichkeitserfordernisses (§§ 441 I S.2, 323 V S.2 BGB) demnach vorliegen.

Die nach § 323 I BGB an sich erforderliche Frist-setzung zur Nacherfüllung wurde hier zwar nicht ausgesprochen; sie war aber entbehrlich, weil S das von P geltend gemachte Nachbesserungsbegehren kategorisch verweigert hat. Daraus folgt eine end-gültige und ernsthafte Erfüllungsverweigerung, § 323 II Nr. 1.

Auf den Ausschlussgrund des § 323 V S.2 kommt es i.R.d. Minderung nach § 441 I S.2 nicht an.

c) Zu prüfen ist daher, wie ein solches Minderungs-recht in Bezug auf die §§ 768 I, 770 BGB einzu-ordnen ist.

aa) Die bloße Mängeleinrede gemäß § 438 V, IV S.2 BGB nach Verjährungseintritt ist kein Gestaltungs-recht, würde also in jedem Fall unter § 768 I BGB fallen30.

Hier aber ist die zweijährige Gewährleistungsfrist des § 438 I Nr. 3 BGB, die gem. § 438 II BGB mit der Ablieferung beginnt, noch nicht abgelaufen. Damit hätte Hauptschuldner P also noch die Mög-lichkeit, durch Ausübung des Minderungsrechts, bei dem es sich um ein Gestaltungsrecht handelt, auf den Inhalt des Kaufvertrages einzuwirken.

bb) Da das Minderungsrecht ein Gestaltungsrecht ist, könnte es wiederum auf die Frage ankommen, ob auf dieses Gestaltungsrecht der §§ 437 Nr. 2, 441 I BGB § 770 I BGB analog angewendet wer-den kann.

Für eine Analogie fehlt es aber im vorliegenden Fall an einer Regelungslücke.

Da hier ein behebbarer Mangel vorliegt, liegt letztlich noch keine ordnungsgemäße Erfüllung des Anspruchs aus § 433 I S.2 BGB vor, so dass § 320 BGB einschlägig ist.

30 Vgl. Palandt, § 770 BGB, Rn. 4.

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SchuldR-BT Fall 14 - Lösung - Seite 10

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Wegen § 433 I S.2 BGB gilt nämlich nun kraft Ge-setzes die sog. Erfüllungstheorie (mit mangelhaf-ter Sache wird grds. nicht erfüllt). 31

Die Tatsache, dass § 320 BGB im Allgemeinen Schuldrecht steht, ist insoweit nun auch kein Prob-lem mehr, da § 437 Nr.1 BGB auf den Nacherfül-lungsanspruch verweist und dessen Nichterfüllung die Einrede nach § 320 BGB begründet.

Damit steht dem Hauptschuldner eine Einrede zu, sodass der Bürge bereits über § 768 I BGB ge-schützt ist.

Auf die Frage einer analogen Anwendung des § 770 I BGB auf andere Gestaltungsrechte des Hauptschuldners kommt es demnach wiederum nicht an.

Anmerkung: Bei unbehebbaren Mängeln vor Ver-jährung des Nacherfüllungsanspruches ist § 320 BGB wegen § 275 I BGB nicht anwendbar32.

Entweder man gewährt dem Käufer auch in diesem Fall vor Verjährung analog § 438 IV S.2 BGB eine Einrede und wendet für den Bürgen § 768 I BGB an.

Oder man lehnt bei unbehebbaren Mängeln vor Verjährung eine Einrede des Käufers wegen der Gestaltbarkeit ab und muss sich nun mit der dann entscheidungserheblichen Frage einer Analogie zu § 770 I BGB auseinandersetzen.

Gesamtergebnis: Der Anspruch des S gegen H aus § 765 I BGB ist grundsätzlich begründet. Aller-dings kann der H die mögliche Aufrechnung durch P und die Mangelhaftigkeit des Wagens einwenden, sodass der Anspruch nur in Höhe von 43.500 € durchsetzbar ist.

Ein volles Leistungsverweigerungsrecht ist ange-sichts der Geringfügigkeit der Minderung abzu-lehnen, vgl. auch § 320 II BGB.

31 Vgl. dazu bereits Fall 6 Schuldrecht-BT. 32 Vgl. Hofmann/Pammler, „Die Mängeleinrede beim Kauf

– die Lage nach der Schuldrechtsreform“, in ZGS 2004, 293 [296]; Fall 6 SchuldR-BT wiederholen!

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SchuldR-BT Fall 14 - Lösung - Seite 11

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Düsseldorf - Erlangen - Frankfurt/M. – Frankfurt/O. - Freiburg - Göttingen – GreifswaldHalle - Hamburg - Hannover - Heidelberg - Jena - Kiel - Koblenz - Köln - Konstanz Leipzig - Mainz – Marburg/Gießen - München - Münster - Nürnberg - Osnabrück - Passau Regensburg - Rostock - Saarbrücken - Stuttgart - Trier - Tübingen - Würzburg

I. Wiederholungsfragen:

1. Warum ist hier von einer Bürgschaft auszuge-hen?

2. Scheitert der Bürgschaftsvertrag an § 118 BGB?

3. Warum kommt hier § 766 BGB nicht zur An-wendung?

4. Woran scheitert die Anfechtung der Bürgschaft nach § 123 BGB?

5. Wie könnte der ausgebliebene Lottogewinn sich auf die Bürgschaft auswirken?

6. Wann liegt eine sog. Zeitbürgschaft vor? Wa-rum scheidet § 777 I S.2 BGB hier aus?

7. Welche Gegenrechte des H kommen in Be-tracht?

8. Warum scheidet die Einrede der Vorausklage hier aus?

9. Warum passt § 770 II BGB im Fall nicht di-rekt?

10. Welche Norm ist bei der Einrede der Mangel-haftigkeit für den Bürgen einschlägig?

II. Arbeitsanleitung:

1. Zur Abgrenzung der Bürgschaft von anderen Sicherungsmitteln HEMMER/WÜST, Kreditsiche-rungsrecht, Rn. 10 ff.

2. Lesen Sie zum Schuldbeitritt HEMMER/WÜST, Kreditsicherungsrecht, Rn. 79 ff.

3. Zu den Einreden des Sicherungsgebers bei Bürgschaft bzw. Schuldbeitritt lesen Sie bitte HEMMER/ WÜST, Kreditsicherungsrecht, Rn. 218 ff., bzw. Rn. 233 ff.

4. Bürgschaftsrecht ist stark von aktueller Rechsprechung geprägt, so dass diese dort auch eine ganz besondere Examensrelevanz hat. Lesen Sie daher ergänzend folgende sehr klausurrelevanten Entscheidungen:

a. Zu den Voraussetzungen, die der BGH nun ent-gegen jahrzehntelanger Rechtsprechung für die Wirksamkeit einer Blankobürgschaft stellt, le-sen Sie BGH, NJW 1996, 1467 !

b. Zur Entwicklung der Sittenwidrigkeit von An-gehörigen- und Ehegattenbürgschaften lesen Sie bitte BGH Life & Law 2002, 145 ff. und Life & Law 2002, 658 ff. (wichtig !)

c. Zur Sittenwidrigkeit einer Arbeitnehmerbürg-schaft lesen (!) Sie Life & Law 2004, 78 ff. = NJW 2004, 161 ff.

d. Zur Bestimmtheit einer Bürgschaft zugunsten Dritter vgl. BGH in Life & Law 2002, 1 ff.

e. Ob wegen der Möglichkeit der Restschuldbe-freiung nach §§ 287 ff. InsO die Rechtspre-chung zur Sittenwidrigkeit von Bürgschaftsver-trägen aufgegeben werden sollte, ist derzeit umstritten.

Das OLG Frankfurt a.M. hat diese Frage aber zu Recht verneint (vgl. NJW 2004, 2392 ff.). Eine Klärung durch den BGH, der diese Frage zuletzt ausdrücklich offen gelassen hatte, bleibt abzuwarten.

5. Nach Ansicht des BGH gilt das Aufrechnungs-verbot des § 393 BGB auch dann, wenn sich zwei Forderungen aus vorsätzlicher unerlaub-ter Handlung gegenüber stehen, die aus einem einheitlichen Lebensverhältnis resultieren (z.B. Schlägerei). Lesen Sie dazu BGH, Life&LAW 2009, Heft 12, 804 ff. = BB 2009, 2209.

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SchuldR-BT Fall 14 - Lösung - Seite 12

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Augsburg - Bayreuth - Berlin - Bielefeld - Bochum - Bonn - Bremen - DortmundDüsseldorf - Erlangen - Essen - Frankfurt/M. - Freiburg - Gießen - Göttingen - GreifswaldHalle - Hamburg - Hannover - Heidelberg - Jena - Kiel - Koblenz - Köln - KonstanzLeipzig - Mainz - Marburg - München - Münster - Nürnberg - Osnabrück - PassauPotsdam - Regensburg - Rostock - Saarbrücken - Stuttgart - Trier - Tübingen - Würzburg

Anwendbarkeit von § 312b BGB (außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge) bzw. §§ 491 ff. BGB (entgeltlicher Kredit oder sonstige Finanzierungshilfe) auf Bürgschaft und Schuld-beitritt

Bzgl. der Anwendbarkeit dieser Vorschriften auf die Bürgschaft bzw. den Schuldbeitritt ist problematisch, da sowohl § 491 BGB als auch § 312b BGB eine entgeltliche Leistung erfordern (vgl. für § 312b auch § 312 I BGB). Der Gläubiger (Sicherungsnehmer) erbringt aber gegenüber dem Sicherungsgeber kei-nerlei Gegenleistung. Sowohl der Schuldbeitritt als auch die Bürgschaft sind also dem Sicherungsnehmer gegenüber (im In-nenverhältnis zum Schuldner mag eine entgeltliche Geschäftsbesorgung vorliegen) unentgeltliche Leis-tungen. A. Schuldbeitritt

1. §§ 491 ff. BGB (Verbraucherdarlehen oder sonstige Finanzierungshilfen) Nach BGH sind die §§ 491 ff. trotz der Unentgelt-lichkeit des Schuldbeitritts (entsprechend) anwend-bar.33 Begründet wird dies damit, dass der Schuld-beitretende (mindestens) die gleiche Schutzwürdig-keit aufweist wie der eigentliche Schuldner, da er zwar die volle Haftung übernimmt, aber dafür an-ders als der eigentliche Kreditnehmer noch nicht einmal eine Gegenleistung in Gestalt eines Kredits erhält. Nach umstrittener Ansicht des BGH gilt dies auch für die Angaben über die Kreditkonditionen i.S.d. § 492 II i.V.m. Art. 247 §§ 6-13 EGBGB.34 Voraussetzung für die Anwendbarkeit ist allerdings, dass der Schuldbeitretende Verbraucher i.S.d. § 13 BGB ist. Auf die Person des Schuldners kommt es nach BGH nicht an. Nach Ansicht des BGH ist auch der Geschäftsführer und Alleingesellschafter einer GmbH Verbraucher.35 Auch für den Beginn der Widerrufsfrist der § 495 I i.V.m. § 355 BGB kommt es nach BGH allein auf den Schuldbeitritt und nicht auf die Entstehung des gesicherten Schuldnerverhältnisses an. Bedeutung hat diese Ansicht insbesondere im Fall des antizi-pierten Schuldbeitritts36. Für eine Heilung einer Formnichtigkeit nach § 494 I BGB ist es nicht nach § 494 II BGB ausrei-chend, dass das Darlehen an den Kreditnehmer ausgezahlt wird.37

33 BGH, Life & Law 2004, 573 ff. = ZIP 2004, 1303 ff. 34 BGH, ZIP 2000, 1523 = Life & Law 2000, 784 ff. 35 BGH, Life & Law 2006, 149 ff. 36 BGH, NJW 1996, 2865 37 BGH, NJW 1997, 654

Auf die befreiende Schuldübernahme (§§ 414 f.) sind die §§ 491ff. analog anwendbar, wenn Gläubi-ger und Neuschuldner in den persönlichen und die übernommene Verpflichtung in den sachlichen An-wendungsbereich der §§ 491ff. fallen. Umstritten ist hier aber wie beim Schuldbeitritt die Frage, ob im Rahmen der Analogie zu § 492 alle oder nur man-che der dort genannten Angaben erforderlich sind.

2. § 312b BGB (außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge) Zur Frage der Anwendbarkeit des § 312b BGB auf den Schuldbeitritt ist bisher keine obergerichtliche Entscheidung ergangen. Es ist aber davon auszugehen, dass der BGH hier eine Parallele zu den §§ 491 ff. BGB ziehen wird. Jedenfalls für einen Schuldbeitritt zu einem Ver-braucherkredit müsste § 312b BGB nach der Rspr. des EuGH zur Bürgschaft (dazu sogleich) anwend-bar sein.38 B. Bürgschaft 1. § 312b BGB Der EuGH hat im Rahmen eines Vorabentschei-dungsverfahrens missverständlich festgestellt, dass § 312b BGB auf Bürgschaften dann anzuwenden ist, wenn der Bürgschaft ein Verbraucherkredit zugrun-de liegt. Maßgebend ist also die Person des Haupt-schuldners39. Außerdem müssen (wegen der Akzessorietät der Bürgschaft) auch für die Bürgschaft die Vorausset-zungen des § 312b BGB vorliegen. Dieser „Argumentation“ hat sich der IX. Senat des BGH angeschlossen und § 312b BGB nur dann für anwendbar erklärt, wenn die Voraussetzungen des § 312b BGB sowohl für die zu sichernde Verbind-lichkeit als auch für den Bürgschaftsvertrag vorlie-gen. 40 Mittlerweile hat der für das Bürgschaftsrecht zustän-dige XI. Senat in seiner Entscheidung vom 10.01.2006 diese völlig verfehlte und falsche Recht-sprechung aufgegeben.41 Der Bürgschaftsvertrag begründet ein eigenes Schuldverhältnis und unter den Voraussetzungen des § 312b BGB ein eigenes Widerrufsrecht des Bürgen (vgl. § 312g BGB).

38 Entschieden hat der BGH aber, dass die Verpflichtung

zur Bestellung einer Sicherungsgrundschuld ein entgelt-licher Vertrag i.S.d. § 312 I BGB ist, wenn damit für den Sicherungsgeber irgendein Vorteil verbunden ist (vgl. BGH, NJW 1996, 55 ff.); dies wird regelmäßig der Fall sein.

39 EuGH, NJW 1998, 1295; die folgenden zitierten Ent-scheidungen ergingen alle zu dem bis 12.06.2014 gelten-den § 312 BGB (Haustürgeschäfte).

40 BGH, NJW 1998, 2356 = Life & Law 1998, 630 ff. 41 BGH, Life & Law 2006, 149 [157] = NJW 2006, 845 ff.

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SchuldR-BT Fall 14 - Lösung - Seite 13

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������� Halle - Hamburg - Hannover - Heidelberg - Jena - Kiel - Koblenz - Köln - Konstanz Leipzig - Mainz – Marburg/Gießen - München - Münster - Nürnberg - Osnabrück - Passau Regensburg - Rostock - Saarbrücken - Stuttgart - Trier - Tübingen - Würzburg

Die Akzessorietät der Bürgschaft macht die Begrün-dung eines eigenen Widerrufsrechts des Bürgen nicht von der Verbrauchereigenschaft des Haupt-schuldners abhängig. Die Akzessorietät soll den Bürgen nämlich schützen und nicht benachteiligen. Der Bürge, der sich außerhalb von geschlossenen Geschäftsräumen einen gewerblichen Zwecken die-nenden Kredit verbürgt, darf nicht schlechter stehen als derjenige, der in einer solchen Situation den Kreditvertrag als Mithaftender unterzeichnet.

2. §§ 491 ff. BGB Die Anwendbarkeit der §§ 491 ff. auf die Bürgschaft wird vom BGH jedenfalls dann abgelehnt, wenn es sich um geschäftsmäßigen Kredit handelt.42 Anders als beim Schuldbeitritt kommt es hier also auf die Person des Schuldners und nicht die des Si-cherungsgebers an. Begründet wird die Ablehnung einer entsprechenden Anwendung damit, dass zum einen Schuldbeitritt und Bürgschaft wesensver-schieden sind. Während die Bürgschaft ein streng akzessorisches Sicherungsmittel ist, können sich die Forderungen aus Schuldbeitritt und gesichertem Schuldverhältnis nach dem Beitritt unterschiedlich entwickeln (vgl. § 425 BGB).

Kritik: Dass diese Argumentation mit der Ak-zessorietät ein Irrweg ist, wurde schon bei § 312b BGB dargestellt.

Zudem wird angeführt, dass der Bürge durch das Schriftformerfordernis des § 766 BGB ausreichend geschützt ist.

Kritik: Auch das ist keinesfalls überzeugend, da § 492 II BGB eine qualifizierte Schriftform, § 766 BGB dagegen nur die einfache Schriftform regelt.

Das Widerrufsrecht der § 495 i.V.m. § 355 BGB spiele hier nach seinem Schutzzweck keine Rolle.

Dieses sei darauf ausgerichtet, dem Verbraucher die Möglichkeit zu geben, mit den Angaben des § 492 I BGB in der Hand andere Kreditangebote einzuholen und sich mit den Kreditbedingungen ein-gehender zu befassen. Beides spiele bei einem Si-cherungsmittel keine Rolle, da der Bürge vornehm-lich auf die Angaben des Hauptschuldners vertraue. Die Anwendbarkeit der §§ 491 ff. auf eine Bürg-schaft für einen Verbraucherkredit hat der EuGH verneint43. Ergebnis: Auf die Bürgschaft finden die §§ 491 ff. BGB - anders als beim Schuldbeitritt - nach bedenk-licher Rechtsprechung des BGH und EuGH damit keine Anwendung.

42 BGH, NJW 1998, 1939 = Life & Law 1998, 370 43 EuGH, NJW 2000, 1323 = Life & Law 2000, 445 ff.