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Die Bibel ur Menschen von heute. Ein Seminar. Eine Aneignung. Eine Herausforderung. Roland Potthast Ein Buch f¨ ur Christen und Atheisten, Fragende und Agnostiker, progressive und konservative, einfache und komplizierte Menschen, M¨ anner und Frauen, Junge und Alte, gef¨ uhlsbetonte und vernunftbetonte, katholische, evangelische oder freikirchliche Christen und f¨ ur jeden, der mehr von unserer Kultur verstehen will.

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Die Bibelfur Menschen von heute.

Ein Seminar.

Eine Aneignung.

Eine Herausforderung.

Roland Potthast

Ein Buch fur Christen und Atheisten, Fragende und Agnostiker, progressive undkonservative, einfache und komplizierte Menschen, Manner und Frauen, Junge und Alte,gefuhlsbetonte und vernunftbetonte, katholische, evangelische oder freikirchliche Christen

und fur jeden, der mehr von unserer Kultur verstehen will.

2 Die Bibel fur Menschen von heute ...

Von 1987-93 studierte der der Autor Physik, Mathematik und Philosophie. Die Promo-tion wurde 1994, eine Habilitation in Mathematik 1999 abgeschlossen. 1999-2000 arbeiteteer in einer Unternehmensberatung in Koln, im Jahr 2000 an der Brunel-University in West-London. Seit 2001 ist er Dozent am Fachbereich Mathematik der Universitat Gottingen.Seit 1996 leitet der Autor das Evangeliumsnetz, ein uberkonfessionelles christliches Netz-werk in Deutschland. Er ist verheiratet mit Regina, sie haben drei Kinder Klara, Ina undErik im Alter von 1 bis 6 Jahren.

Roland Potthast 3

Inhaltsverzeichnis

0 Einleitung 11

1 Ein neuer Morgen ... das Evangelium des Mattaus. 131.1 Einer dreht durch ... - die Bergpredigt (Matthaus 5-7) . . . . . . . . . . . . 13

1.1.1 Fur Eilige: ein Hologramm Gottes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131.1.2 Ein Gang durch die Bergpredigt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131.1.3 Genauer nachfragen! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131.1.4 Wort beim Wein: was ist Theologie? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

1.2 Man kann es ja mal lesen ... - Wundergeschichten (Matthaus 8+9) . . . . . 161.2.1 Fur Eilige: man kann es ja mal lesen ... . . . . . . . . . . . . . . . . 161.2.2 Bibelseminar: was? wie? warum? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171.2.3 Rundgang durch die Wundergeschichten . . . . . . . . . . . . . . . . 181.2.4 Worauf hin heilt Jesus? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

1.3 Wofur halt er sich? ... - vom Anspruch Jesu (Matthaus 10+11) . . . . . . . 201.3.1 Fur Eilige: Von meinem Selbstbewußtsein . . . . . . . . . . . . . . . 201.3.2 Den Anspruch Jesu entdecken: Wofur halt er sich? ... . . . . . . . . . 201.3.3 ”Nehmt meine Herrschaft auf euch ...” - wie mach ich das? . . . . . 211.3.4 Wort beim Wein: Bin ich theologisch genug gebildet, um mitreden

zu konnen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221.4 Ich versteh dich nicht! ... - von den Gleichnissen (Matthaus 13) . . . . . . . 23

1.4.1 Fur Eilige: das Gleichnis vom Schatz im Acker . . . . . . . . . . . . 231.4.2 ”Ich versteh dich nicht! ...” - Zugange zu den Gleichnissen . . . . . . 241.4.3 Beobachtungen aus der Wirklichkeit - Gedanken zur Auslegung ei-

niger Gleichnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261.4.4 Wort beim Wein: An einen anonymen Theologen - von einem an-

onymen Freund. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271.5 Die letzte Reihe ... - von großem Glauben (Matthaus 15, 21-28) . . . . . . . 29

1.5.1 Fur Eilige: von der Freundschaft ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291.5.2 Von großem Glauben (Matthaus 15, 21-28) . . . . . . . . . . . . . . 291.5.3 Seid aller anderen Diener! ... - wie macht man das? . . . . . . . . . . 301.5.4 Wort beim Wein: Bereit fur ein Leben mit Gott? . . . . . . . . . . . 31

1.6 Mit Jesus leben ... - große und kleine Schritte (Matthaus 16 & 17) . . . . . 321.6.1 Fur Eilige: im Zentrum der Liebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321.6.2 Schritte beim Leben mit Jesus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321.6.3 Perspektive: Modernes Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341.6.4 Wort beim Wein: Bibelverstaendnis und Erkenntnistheorie . . . . . . 36

1.7 Kriege, Klugheit und Barmherzigkeit ... - die große Perspektive (Matthaus22 bis 25) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381.7.1 Fur Eilige: nun mal langsam ...! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381.7.2 Bin ich gerecht? Warnungen! - Matthaus 23 . . . . . . . . . . . . . . 381.7.3 Die große Perspektive - Matthaus 24 + 25 . . . . . . . . . . . . . . . 391.7.4 Wort beim Wein: Wann, wie, warum Begrundungen? . . . . . . . . . 40

4 Die Bibel fur Menschen von heute ...

1.8 Manches Ende ist ein Anfang ... - Kreuzigung und Auferstehung (Matthaus26 bis 28) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401.8.1 Fur Eilige: Manches Ende ist ein Anfang ... . . . . . . . . . . . . . . 401.8.2 Die Ereignisse und ihre Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411.8.3 Ist Jesus auferstanden? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421.8.4 Ein Lied uber Ende und Anfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 431.8.5 Wort beim Wein: von einem Liebesbrief . . . . . . . . . . . . . . . . 44

2 Drei Stimmen quer durch die Zeit ... - Jeremia, Jesaja und Hesekiel 462.1 Gottes Probleme ... - Berufung eines Propheten (Jeremia 1-3) . . . . . . . . 46

2.1.1 Fur Eilige: Gott spricht Menschen an! . . . . . . . . . . . . . . . . . 462.1.2 Gottes Probleme ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 462.1.3 Berufung gestern und heute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 482.1.4 Komm zur klaren lebendigen Quelle! . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49

2.2 Einer packt aus ... - Von neuen Grundlagen (Jeremia 30+31) . . . . . . . . 502.2.1 Fur Eilige: die Grundlage von Beziehung . . . . . . . . . . . . . . . . 502.2.2 Einer packt aus ... beeindruckende Worte! . . . . . . . . . . . . . . . 502.2.3 Altes Testament lesen - aber wie? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 522.2.4 Leben im Geist Gottes ... Skizzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53

2.3 Da werden die Wolfe bei den Lammern wohnen ... - vom Frieden (Jesaja9-11) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 542.3.1 Fur Eilige: Gerechtigkeit und Friede . . . . . . . . . . . . . . . . . . 542.3.2 Blicke hinein in Gottes Frieden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 552.3.3 Das Buch des Jesaja - eine Einfuhrung . . . . . . . . . . . . . . . . . 572.3.4 Standpunkt: Prophet in Deutschland? . . . . . . . . . . . . . . . . . 59

2.4 Das neue Testament im Alten ... - vom leidenden Gottesknecht (Jesaja 50-53) 602.4.1 Fur Eilige: get the Message! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 602.4.2 Der Text: das Neue Testament begreifen . . . . . . . . . . . . . . . . 602.4.3 Prophetisches Reden erfahren und verstehen . . . . . . . . . . . . . 622.4.4 Wort beim Wein: Hoffnungen und Moglichkeiten fur Deutschland . . 63

2.5 Brich mit dem Hungrigen dein Brot! ... - von der Umkehr (Jesaja 55 bis 58) 642.5.1 Fur Eilige: Wie Gott es meint ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 642.5.2 Einladung und Ermahnung - Jesaja 55 bis 58 . . . . . . . . . . . . . 652.5.3 Gottes unerfaßbare Wege (Jes.55,8-11) . . . . . . . . . . . . . . . . . 662.5.4 Wort beim Tee: christlicher Erlebnispark, christliches Studienzentrum 67

2.6 Die Wahrungsreform ... - von Gottes Schopferkraft (Jesaja 65 + 66) . . . . 682.6.1 Fur Eilige: Die Wahrungsreform ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 682.6.2 Blick in eine neue Schopfung (Jes. 65+66) . . . . . . . . . . . . . . . 692.6.3 Gottes furchterliche Strafe - die Holle . . . . . . . . . . . . . . . . . 702.6.4 Schwierigkeiten mit der Holle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 712.6.5 Glaube im Alltag - Erinnerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72

2.7 Klare Maßstabe und individuelle Beurteilung - von Gottes Recht (Hesekiel18) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 722.7.1 Fur Eilige: Klare Maßstabe ...! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72

Roland Potthast 5

2.7.2 Von Gottes Recht (Hesekiel 18) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 732.7.3 Gottes Recht und Jesus Christus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 742.7.4 Wort beim Wein: Vertrauen konkret ... . . . . . . . . . . . . . . . . . 75

2.8 Endlich Leben ...! - vom Geist Gottes (Hesekiel 36 + 37) . . . . . . . . . . . 762.8.1 Fur Eilige: Von innen her neu werden ... . . . . . . . . . . . . . . . . 762.8.2 Der Geist Gottes und Gottes Eingreifen (Hesekiel 36 + 37) . . . . . 772.8.3 Schichten prophetischen Redens bei Hesekiel und im Alten Testament 792.8.4 Wort beim Wein: Machen Sie mit, Gott braucht Sie! . . . . . . . . . 80

3 Zuruck in die Zukunft ... - die Bucher Mose 823.1 Ein großes Reagenzglas ... - die Schopfung (1.Buch Mose, Kapitel 1+2) . . . 82

3.1.1 Fur Eilige: Die Schopfung ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 823.1.2 Die Schopfung der Welt (1.Mose 1+2) . . . . . . . . . . . . . . . . . 833.1.3 Schopfung oder Evolution? Mythologisch oder wortlich? . . . . . . . 853.1.4 Mann und Frau im Garten Eden (1.Mose 2) . . . . . . . . . . . . . . 873.1.5 Wort beim Wein: Traume und Realitat . . . . . . . . . . . . . . . . . 88

3.2 Großer Krach mit Nachspiel ... - der Sundenfall (1.Buch Mose, Kapitel 3+4) 903.2.1 Fur Eilige: Blickwinkel auf das Bose ... . . . . . . . . . . . . . . . . . 903.2.2 Der Sundenfall (1. Mose 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 913.2.3 Der Tod in der Weltgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 933.2.4 Das Nachspiel (1. Mose 4 ff) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 943.2.5 Wort beim Wein: Die Bibel als Wort Gottes erfahren ... . . . . . . . 95

3.3 Eine Familiensaga ... - Abraham & Co (1. Buch Mose, Kapitel 12-25) . . . . 963.3.1 Fur Eilige: Gott in der personlichen Geschichte . . . . . . . . . . . . 963.3.2 Eine Familiensaga ... Abraham & Co (1. Mose 12-25) . . . . . . . . . 973.3.3 Abrahams Leben im Spiegel der Geschichte . . . . . . . . . . . . . . 1003.3.4 Wort beim Wein: Gottes Geschichte heute . . . . . . . . . . . . . . . 101

3.4 Parabel oder Realitat ...? - Mose und der Auszug aus Agypten (2.Mose 1-14)1023.4.1 Fur Eilige: Gottes Sicht geht tiefer ... . . . . . . . . . . . . . . . . . 1023.4.2 Die Berichte von Mose und dem Auszug aus Agypten . . . . . . . . 1023.4.3 Christus in der Geschichte von Mose . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1033.4.4 Wort beim Wein: Herausforderung fur Dich! . . . . . . . . . . . . . . 104

3.5 Ethik braucht Leitlinien ... - die 10 und weitere Gebote (2.Mose 20-24) . . . 1053.5.1 Fur Eilige: ”Du sollst (nicht)!” - wozu Ethik? . . . . . . . . . . . . . 1053.5.2 Die 10 Gebote verstehen - ein Versuch . . . . . . . . . . . . . . . . . 1063.5.3 Die Rolle weiterer Gebote und der Gott, der durch sie redet . . . . . 1083.5.4 Wort beim Wein: Personliches Wort zwischen den Kirchen, Organi-

sationen und Werken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1113.6 Mein Haus, mein Auto, mein Boot ... - von Sabbatjahr und Erlaßjahr (3.

Mose 25) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1123.6.1 Fur Eilige: Wem gehort die Welt ...? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1123.6.2 Wirtschaftsgesetzgebung nach Gottes Herzen - Sabbatjahr und Er-

laßjahr in 3.Mose 25 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1133.6.3 Christen und Wirtschaft im 21.Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . 114

6 Die Bibel fur Menschen von heute ...

3.6.4 Ein Gebet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1163.7 Sieg der Angst ... - Kein Einzug nach Kanaan (4. Mose 13+14) . . . . . . . 117

3.7.1 Fur Eilige: Glaube und Wirklichkeit ... . . . . . . . . . . . . . . . . . 1173.7.2 Sieg der Angst ... - 4.Mose 13+14 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1183.7.3 Einladung zum Glauben: Jesus Christus . . . . . . . . . . . . . . . . 1193.7.4 Wort beim Wein: Glaube im 21.Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . 120

3.8 Grundgesetz zum Leben ... - das alte Testament/der alte Bund (5. Mose29+30) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1213.8.1 Fur Eilige: Ein Bund zum Leben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1213.8.2 Der ”alte” Bund - Mose 5, 29+30 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1223.8.3 Ein neuer Bund durch Jesus Christus . . . . . . . . . . . . . . . . . 1233.8.4 Wort beim Wein: Leben und Tod in Gottingen? . . . . . . . . . . . . 124

4 Ringen um die klare Linie ... - Romer-, Galater-, Epheserbrief 1264.1 Hauptverhandlung im Bundesverfassungsgericht ... - von Gericht und Glau-

be (Romerbrief Kapitel 1-3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1264.1.1 Fur Eilige: Hauptverhandlung im Bundesverfassungsgericht ... Pau-

lus legt los! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1264.1.2 Grundlegendes verstandlich ausgedruckt - der Romerbrief Kapitel 1-31264.1.3 Glaube versus Werke - Paulus versus Jakobus, Reformation versus

katholische Kirche ??? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1284.1.4 Wort beim Wein: Komm, glaube und tu! . . . . . . . . . . . . . . . . 130

4.2 Die Quelle einer besonderen Lebenskraft... - Leben im Glauben (RomerbriefKapitel 7,8 und 12) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1304.2.1 Fur Eilige: Die Quelle von Lebenskraft ... . . . . . . . . . . . . . . . 1304.2.2 Zugang zur Quelle und Leben im Glauben. . . . . . . . . . . . . . . 1314.2.3 Die Rolle des judischen Gesetzes bei Paulus. . . . . . . . . . . . . . . 1334.2.4 Wort beim Wein: eine Vision - mach mit! . . . . . . . . . . . . . . . 134

4.3 Die Freiheit nehm ich mir ...! - Schwacher und Starker Glaube (RomerbriefKapitel 14) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1354.3.1 Fur Eilige: Die Freiheit nehm ich mir ...! . . . . . . . . . . . . . . . . 1354.3.2 Freiheit - wie, wovon, wieweit, wozu? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1364.3.3 Starker und Schwacher Glaube . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1404.3.4 Wort beim Wein: Paulus nutzt Paradoxien . . . . . . . . . . . . . . . 141

4.4 Konsequenzen fur Falscher! ... - vom klaren Evangelium (Galaterbrief Ka-pitel 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1424.4.1 Fur Eilige: Konsequenzen fur Falscher . . . . . . . . . . . . . . . . . 1424.4.2 Klares Evangelium und Warnungen bei Paulus . . . . . . . . . . . . 1424.4.3 Probleme mit dem Evangelium heute . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1444.4.4 Wort beim Wein: Von den Besserwissern . . . . . . . . . . . . . . . . 146

4.5 Von der Freundschaft ... - Geist Gottes in dir (Galaterbrief 5+6) . . . . . . 1474.5.1 Fur Eilige: Freundschaft und Gottes Geist . . . . . . . . . . . . . . . 1474.5.2 Was bedeutet Freundschaft? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1474.5.3 Freundschaft, Wahrheit und Gott in dir . . . . . . . . . . . . . . . . 150

Roland Potthast 7

4.5.4 Wort beim Wein: Enttauschungen mit Freunschaft . . . . . . . . . . 1514.6 Der ganz alltagliche Wahnsinn ... - von Einheit und Vielfalt der Gemeinde

(Epheser 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1524.6.1 Fur Eilige: Der ganz alltagliche Wahnsinn ... . . . . . . . . . . . . . 1524.6.2 Was ist Gemeinde? Antworten nach Epheser 4 . . . . . . . . . . . . 1524.6.3 Vollmacht und Auftrag durch Gott?! . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1554.6.4 Wort beim Wein: Laß dich berufen! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156

4.7 Wie steht es um deinen Charakter ...? - Vom alten und neuen Menschen(Epheser 4+5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1574.7.1 Fur Eilige: Charakter ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1574.7.2 Was bildet meinen Charakter? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1574.7.3 Charakter in Epheser 4 und 5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1594.7.4 Wort beim Wein: ”Be different - sei anders!” . . . . . . . . . . . . . 161

4.8 Durchsetzungsfahigkeit gefragt ... - die geistliche Waffenrustung(Epheser 6) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1624.8.1 Fur Eilige: Situationsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1624.8.2 Die geistliche Waffenrustung nach Epheser 6 . . . . . . . . . . . . . 1634.8.3 Was ist Sache? Kontroverse Themen! . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1654.8.4 Wort beim Wein: The fight of peace ... . . . . . . . . . . . . . . . . . 166

5 Weisheit oder Erkenntnis? ... - Salomo, Spruche, Korintherbrief 1675.1 Rat einer Freundin ... - von der Weisheit (Spruche 1-4) . . . . . . . . . . . . 167

5.1.1 Fur Eilige: Was ist Weisheit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1675.1.2 Rat einer Freundin (Spruche 1-4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1675.1.3 Weisheit und die Realitat der Welt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1705.1.4 Wort beim Wein: Steps to Wisdom! . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171

5.2 Ruckkehr der Kindheit ... - von Gottes Liebling (Spruche 8) . . . . . . . . . 1725.2.1 Fur Eilige: Ruckkehr der Kindheit ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1725.2.2 Einladung und Verheißung der Weisheit . . . . . . . . . . . . . . . . 1725.2.3 Gottes Liebling, die Weisheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1745.2.4 Wort beim Wein: Vorsicht mit naivem Vertrauen! . . . . . . . . . . . 175

5.3 1000 Tipps fur Lebenskunstler ... - Worte der Weisen (Spruche 22-28) . . . 1765.3.1 Fur Eilige: 1000 Tipps fur Lebenskunstler . . . . . . . . . . . . . . . 1765.3.2 Lebensklugheit und ein klarer Blick fur Gott . . . . . . . . . . . . . 1775.3.3 Die Lebenskunstler ... eine Einladung! . . . . . . . . . . . . . . . . . 1785.3.4 Wort beim Wein: Gebet und Lebenskunst . . . . . . . . . . . . . . . 179

5.4 Aufgeblasen und nichts dahinter ... - von der Verganglichkeit (Prediger Sa-lomo 1-3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1805.4.1 Fur Eilige: Es ist alles nutzlos ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1805.4.2 Aufgeblasen und nichts dahinter ... (I) - das Leben (!) . . . . . . . . 1815.4.3 Aufgeblasen und nichts dahinter ... (II) - das Sterben (!) . . . . . . . 1835.4.4 Wort beim Wein: Einladung zur Hoffnung ... . . . . . . . . . . . . . 183

5.5 Ein desillusionierter Akademiker ... - am Ende einer Suche (Prediger Salomo8-12) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185

8 Die Bibel fur Menschen von heute ...

5.5.1 Fur Eilige: am Ende einer Suche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1855.5.2 Lebenseinsichten mit Durchblick ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1855.5.3 Wirtschaft, Politik und Familie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1875.5.4 Nimm das Leben als ein Fest! ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188

5.6 Moderne Tiefseetaucher ... - Gottes Weisheit in Christus (1.Korinther 1+2) 1895.6.1 Fur Eilige: Die Weisheit vom Kreuz ... . . . . . . . . . . . . . . . . . 1895.6.2 Von Torheit und Weisheit (1.Kor.1+2) . . . . . . . . . . . . . . . . . 1905.6.3 Vom Geist Gottes - vom geistlichen Menschen . . . . . . . . . . . . . 1915.6.4 Wort beim Wein: Vom Vergnugen eines Bibelseminares ... . . . . . . 193

5.7 Und hatte ich die Liebe nicht ... - das Hohelied der Liebe (1. Korinther 13) 1945.7.1 Fur Eilige: Liebe und Berechnung ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1945.7.2 Wie ist die Liebe? Mal ernsthaft! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1945.7.3 Zwischen heute und Zukunft - was wir wissen ... . . . . . . . . . . . 1965.7.4 Wort beim Wein: Lets start today! Come and join us, now! . . . . . 197

5.8 Mit dem Holzhammer kann man nicht Geige spielen ... von der Schwachheit(2.Korinther 12) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1985.8.1 Fur Eilige: Von der Schwachheit ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1985.8.2 Lass dir an meiner Gnade genugen” (2.Kor 12) . . . . . . . . . . . . 1995.8.3 Christlich Leben: Schwachheit und Glaube ?!? . . . . . . . . . . . . 2005.8.4 Biblebrunch: Relax in Christ! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201

6 Zwischen Realitat und Realitat ... - Apostelgeschichte und Offenbahrung2036.1 Startrek mal anders ... - von Christi Himmelfahrt (Apostelgeschichte 1) . . 203

6.1.1 Fur Eilige: Startrek mal anders ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2036.1.2 Zwischen Realitat und Realitat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2046.1.3 Christi Himmelfahrt: was kann man damit heute noch anfangen? . . 2056.1.4 Wort beim Wein: Eine fast unmogliche Sache! . . . . . . . . . . . . . 206

6.2 Besser als die neuste Droge ... Pfingsten (Apostelgeschichte 2) . . . . . . . . 2076.2.1 Fur Eilige: Besser als die neuste Droge ... . . . . . . . . . . . . . . . 2076.2.2 Apg 2 im Original: Petrus wird deutlich! . . . . . . . . . . . . . . . . 2086.2.3 Vom heiligen Geist im neuen Testament . . . . . . . . . . . . . . . . 2096.2.4 20.Jahrhundert: Streit um den heiligen Geist . . . . . . . . . . . . . 2116.2.5 Wort beim Wein: wir brauchen ihn - er ist da! . . . . . . . . . . . . . 212

6.3 Das Original ... - die erste Gemeinde (Apostelgeschichte 2-4) . . . . . . . . 2126.3.1 Fur Eilige: Das Original ... eine Begegnung . . . . . . . . . . . . . . 2126.3.2 Die erste Gemeinde ... Zeitsprung und Abenteuer . . . . . . . . . . . 2136.3.3 Wie leben Christen ... ? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2146.3.4 Wort beim Wein: Enttauschungen mit Christen und Gemeinden . . . 215

6.4 Warum verfolgst du mich? - Erfahrungen eines Schlachters (Apostelge-schichte 9) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2166.4.1 Fur Eilige: Erfahrungen eines Schlachters . . . . . . . . . . . . . . . 2166.4.2 Vom Christenverfolger zum Chefmissionar: Paulus . . . . . . . . . . 2176.4.3 Vom Umgang mit Kritikern und anderen Religionen . . . . . . . . . 2196.4.4 Wort beim Wein: Wahrheit und Modernismus . . . . . . . . . . . . . 220

Roland Potthast 9

6.5 Wort zur Lage - der Bundesprasident spricht ... - die sieben Sendschreiben(Offenbahrung 2+3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2226.5.1 Fur Eilige: der Bundesprasident spricht ... . . . . . . . . . . . . . . . 2226.5.2 Die Sendschreiben I: lieben wie am Anfang ... . . . . . . . . . . . . . 2226.5.3 Die Sendschreiben II: Armut, Reichtum, Wachsein . . . . . . . . . . 2246.5.4 Jesus Christus bei seiner Gemeinde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2276.5.5 Vertrauen Sie Jesus - werden Sie heute Christ! . . . . . . . . . . . . 227

6.6 Ein Blick quer zur Realitat ... - vor Gottes Thron (Offenbahrung 4+5) . . . 2286.6.1 Fur Eilige: Vor Gott stehen ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2286.6.2 Quer zur Realitat - vor Gottes Thron . . . . . . . . . . . . . . . . . 2296.6.3 Die Erzahlung vom Lamm und vom Buch mit den sieben Siegeln . . 2326.6.4 Leben und ”die Offenbarung” im 21. Jh. . . . . . . . . . . . . . . . . 234

6.7 Bilder uber Bilder ... - 7 Siegel, 7 Posaunen, 7 Schalen des Zorns (Offb.6-20) 2356.7.1 Fur Eilige: vom Sinn der Bilder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2356.7.2 Die 7 Siegel - Offenbarung 6-8 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2366.7.3 Die 7 Posaunen - Offenbarung 8-14 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2386.7.4 Die 7 Schalen des Zorns - Offenbarung 15-18 . . . . . . . . . . . . . 2416.7.5 Was ist dran? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242

6.8 Stadteplaner aktiv ... - das neue Jerusalem (Offenbahrung 21+22) . . . . . 2436.8.1 Fur Eilige: Stadteplaner aktiv ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2436.8.2 Der neue Himmel und die neue Erde . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2436.8.3 The End! ... - zwischen Realitat und Realitat! . . . . . . . . . . . . . 2476.8.4 Wort beim Wein: und nun? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249

7 Ein Arzt und ein Philosoph ... - die Evangelien von Lukas und Johannes2507.1 Was mir wichtig ist ... - vom großen Festessen (Evangelium des Lukas 14) . 250

7.1.1 Fur Eilige: Was mir wichtig ist ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2507.1.2 Das Gleichnis vom grossen Fest (Lukas 14) . . . . . . . . . . . . . . 2507.1.3 Auf Gottes Fest . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2527.1.4 TeaTime: Was wir verpassen ...! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253

7.2 Parlamentarischer Untersuchungsausschuß ... - Gleichniss von den Wein-bauern (Lukas 20) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2547.2.1 Fur Eilige: Parlamentarischer Untersuchungsausschuß . . . . . . . . 2547.2.2 Das Gleichnis von den Weinbauern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2557.2.3 Bibel lesen und verstehen: viele Dimensionen . . . . . . . . . . . . . 2577.2.4 TeaTime: Die Bibel ist vielschichtig. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259

7.3 Drei Philosophen blicken durch ... - vom ewigen Leben (Evangelium desJohannes 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2597.3.1 Fur Eilige: Drei Philosophen blicken durch ... . . . . . . . . . . . . . 2597.3.2 Nikodemus und die neue Geburt (Joh. Kap. 3) . . . . . . . . . . . . 2607.3.3 Johannes der Taufer: Leben heißt Umkehren! . . . . . . . . . . . . . 2627.3.4 CoffeeBreak: klarer Blick, ruhige Vernunft . . . . . . . . . . . . . . . 263

7.4 Der Online-Provider Gottes ... - vom Weinstock (Johannes 15) . . . . . . . 2647.4.1 Fur Eilige: Der Online-Provider Gottes ... . . . . . . . . . . . . . . . 264

10 Die Bibel fur Menschen von heute ...

7.4.2 Gleichnis vom Weinstock (... ja, er lebt!) . . . . . . . . . . . . . . . . 2647.4.3 Von Haß und Anfeindung - Bitte Anschnallen! . . . . . . . . . . . . 2677.4.4 Abschluß des Bibelseminars. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268

Roland Potthast 11

0 Einleitung

Die Bibel ist eines der faszinierendsten Bucher der Weltgeschichte. Sie steht einzigartigdar und sticht in ihrer Breite und den vielfaltigen Geschichten und Berichten aus einemZeitraum uber rund 3000 Jahre hinweg klar aus allen anderen literarischen Zeugnissen derMenschheit hervor.

Die Bibel ist ein Buch fur Jung und Alt. Ob Familienvater oder Rentner, Teenie oderStudent - fur alle hat dieses Buch etwas zu bieten. Es geht um das Leben - mit allem, wasuns in dieser Welt angeht. Es geht um Hoffnung und Angst, um Solidaritat und Hilfe, umLiebe und Haß, um Gesellschaft und Gemeinschaft, um Geboren-Werden und Sterben, umSinn und Ziel des Lebens.

Die Bibel kann man nicht an einem Tag lesen. Zu lang und zu weitreichend dieErzahlungen, die vielfaltigen Bilder, die Gedanken und Uberlegungen von Propheten undden neutestamentlichen Aposteln. Die Bibel ist ein Buch, daß einen Menschen das ganzeLeben hindurch begleiten kann - und selbst wenn man sie taglich liest, kann man taglichdarin etwas Neues entdecken.

Die Bibel ist kein wissenschaftliches Buch. Ihr geht es um das Leben mit allem, wasdazugehort. Die Bibel wendet sich an Menschen jeder Bildung, von den ganz einfachenZeitgenossen bis zu den Professoren und fuhrenden Kopfen jeder Epoche.

Wie liest man die Bibel? Man laßt sich ein auf die Erzahlungen und Geschichten, dieGedanken und Bilder, die Erorterungen und Ermahnungen. Man laßt sich darauf ein mitallem, was man an Wissen und Moglichkeiten zur Verfugung hat. Wir wollen die Bibel alsMenschen von heute lesen und ernst nehmen.

Sie ist ein spannendes Buch fur Schuler und ihre Lehrer, Patienten und ihre Arzte, furjede Art von Beruf und Handwerk - weil es um den Menschen geht, wie er lebt, was erglaubt und denkt, was er fuhlt und was er tut.

Die Bibel ist ein Buch fur kluge ebenso wie fur dumme, fur praktische ebenso wie furintellektuelle Menschen. Mit ihr beschaftigen sich Schriftsteller, Komponisten, Wissen-schaftler, Theologen und Prediger. Wieviel herausragende Musik ist in den Jahrhundertenentstanden, weil Menschen durch die Bibel inspiriert und ermutigt worden sind. WievielePredigten sind uber dieses Buch gehalten worden. Wieviele Bucher sind entstanden, weildie Schriftsteller sich anregen lassen durch die Gestalten der Bibel, ihre Fehler und ihrRingen um den Glauben.

Wir wollen gemeinsam die Bibel lesen. Wir nennen das ein Bibelseminar. Es ist keinetrockene Angelegenheit, sondern eher vergleichbar mit einem Tanzkurs. Man kann dasTanzen nicht lernen, wenn man am Tisch sitzt und die Schritte an die Tafel malt. Manmuß schon aufstehen und die Fuße bewegen. Man muß einen Partner in die Arme schließenund mit ihm den Tanz Schritt fur Schritt einuben. Erst geht man dabei nur wenige Meter,bis die Grundschritte sitzen. Dann kann man ein Gefuhl fur die Musik entwickeln. Esbeginnt Spaß zu machen, weil man merkt, daß da der ganze Mensch mit Leib und Seele inBewegung gerat. Glauben ist wie so ein Tanz. Christ-Sein ist wie ein Tanz, der das ganzeLeben verandert und ausfullt.

12 Die Bibel fur Menschen von heute ...

Hinweise fur dieses Bibelseminar:

+ Besorgen Sie sich eine Bibel in moderner Ubersetzung. Wir werden zum Teil aus demaktuellen Text der Luther-Bibel (Deutsche Bibelgesellschaft) zitieren, zum Teil aus der”Guten Nachricht - die Bibel in heutigem Deutsch” (ebenfalls Deutsche Bibelgesellschaft).

+ Das Seminar besteht aus 52 Abschnitten, die in 7 Meilensteine gegliedert sind. Esist so aufgebaut, daß Sie jeweils einen Abschnitt pro Woche als Arbeitshilfe, Impuls undAnregung zum Ausprobieren nutzen konnen.

+ Die Abschnitte beziehen sich jeweils auf Bibeltexte, zum Teil wenige Verse, manch-mal auch mehrere Kapitel eines biblischen Buches. Wir haben den biblischen Originaltextnur in kleinen Teilen aufgenommen. Sie sollten also jeweils den Originaltext selbst le-sen und konnen dann das Seminar als Verstandnishilfe oder Anregung zum Nachdenkennutzen.

+ Die Bibel ist kein neutrales Buch. Sie will Glauben wecken in uns Menschen. Siemochte, daß wir Gott kennenlernen und Christen werden. Wir werden uns mit unseremSeminar genau an diesem Ziel orientieren. Wir werden uns mitnehmen lassen von der Bibelund ihren Autoren zu Jesus, zu Gott und in ein Leben im christlichen Glauben.

+ Bis heute konnen wir die Bibel nicht abschließend analysieren und einordnen. Es gibtverschiedene zeitgenossische Ansatze zum Bibelverstandnis. Neben der klassischen Lesartder katholischen und evangelischen Kirchen und Freikirchen findet man historisch-kritischeAnsatze, tiefenpsychologische Herangehensweisen und entmythologisierendes Vorgehen.Wir werden, soweit es uns moglich ist, nah am erzahlten Text bleiben und die Aussa-gen zuerst einmal so aufnehmen, wie sie von der Bibel gemacht werden. Die verschiedenenStimmen unserer Zeit sollen dann Gehor finden. Sie werden hier kein abgeschlossenesSystem vorfinden, sondern das quicklebendige Lesen eines modernen Wissenschaftlers,Schriftstellers und Musikers, der sich mit der Bibel auseinandersetzt und dabei GottesStimme vernimmt.

Roland Potthast 13

1 Ein neuer Morgen ... das Evangelium des Mattaus.

1.1 Einer dreht durch ... - die Bergpredigt (Matthaus 5-7)

1.1.1 Fur Eilige: ein Hologramm Gottes

Einer dreht durch ... das kennen Sie. Da stimmt nichts mehr zusammen. Total verruckt,vollig durchgeknallt. Genau so kann einem schnell die Bergpredigt Jesu vorkommen: volligdaneben. Unrealistisch. Weltfremd. Uberzogen.

Und doch. Irgendwas ist dran an all dem Verruckten! Was steckt dahinter?

Selig sind die Armen!Selig sind die Barmherzigen!Selig sind, die reinen Herzens sind!Seid frohlich und getrost ...!

Fur die Eiligen sei gesagt: wir wollen lernen, was dahintersteckt. Dazu dienen 52 Ab-schnitte, uber ein Jahr verteilt. Die Bergpredigt ist mehr, als die Bergpredigt! Diese kleinePredigt ist ein Hologramm Gottes - im Kleinen das Bild des Ganzen. Das Ganze im Teil.Gottes Liebe ausgegossen und konzentriert wie nie zuvor. Eben total durchgeknallt, hef-tiger Stoff.

Unsere Tipps fur diese Woche:1) Nehmen Sie sich Zeit - und lesen Sie die Bergpredigt. Lesen Sie im Evangelium

des Matthaus, Kapitel 5-7. Lesen Sie es, wenn etwas Zeit da ist - denn um dieses totalVerruckte zu verstehen, braucht man Zeit!

2) Bitten Sie zuerst Gott, Ihnen doch beim Verstehen der Dinge zu helfen. Letztlichkann Ihnen nur Gott erklaren, was er eigentlich meint. Unser Seminar kann bestenfallseine Krucke dabei sein.

1.1.2 Ein Gang durch die Bergpredigt

Was macht Jesus da eigentlich in der Bergpredigt? Was redet er und warum?Der Evangelist Matthaus berichtet zuerst die Seligpreisungen. Die stehen ubrigens in

etwas anderer Form auch bei Lukas - dem Arzt und Begleiter des Paulus, nebenbei Chronist(er schrieb die Apostelgeschichte) und der dritte der vier Evangelisten.

Seligpreisungen - das heißt: ihr durft glucklich sein! Und glucklich sein durfen die, diebisher auf dieser Erde nicht vom Gluck verfolgt waren. Das ist wirklich revolutionar - werda ruhig bleibt, hat nichts verstanden!

Jesus will, daß die Menschen gleich von Anfang an merken: hier kommt etwas anderes!Es geht nicht so weiter, wie ihr es gewohnt seid! Hort mir zu! Selig sind die Armen!

1.1.3 Genauer nachfragen!

Warum sind die Armen selig? Kann man das verstehen? Warum sind die Barmherzigenselig? Warum die, die reinen Herzens sind? Was soll das?

14 Die Bibel fur Menschen von heute ...

Jesus macht uns auf das aufmerksam, was letztlich zahlt: Es zahlt die Zuwendung undBarmherzigkeit Gottes, des Ersten und Letzten, Alpha und Omega, Anfang und Ende.Wer nichts hat, dem ist Gottes Zuwendung gewiß - das verkundet Jesus laut. Und: werbarmherzig ist, der kann auf Gottes Barmherzigkeit hoffen.

Die Seligpreisungen greifen mitten hinein in unser Wertegefuge - mitten hinein in unserLand, in unsere Stadt. Die Reichen mussen auch heute horen: selig sind die Armen! JesuWorte sprechen auch uns an, die wir unser Leben in vielem auf Leistung und Besitz,auf Konnen und Uberfluß von Dingen, Fahigkeiten und Moglichkeiten aufbauen. Jesusformuliert eine Anfrage an unseren Umgang miteinander: wollen wir unser Leben, unsereMaßstabe von dem was wichtig und gut ist, weiter auf Reichtum und Leistung bauen? Wirkonnen im Angesicht seiner Worte nicht so bleiben, wie wir sind!

Nicht erst neuzeitliche Philosophen wie Nietzsche haben die Umwertung aller Werteerfunden. Jesus macht hier mit Gottes Werten klar, was wirklich zahlt: Gottes Barmher-zigkeit, die in uns und an anderen praktisch werden mochte.

Wir gehen jetzt weiter und setzen unseren Rundgang durch die Bergpredigt fort. Nachden Seligpreisungen sagt Jesus:

”Ihr seid das Salz dieser Erde! Ihr seid das Licht der Welt!”

Das sagt Jesus zu denen, die ihm zuhoren ... damals, ... und wir horen es ja bis heute.Was zeichnet eigentlich die aus, die Salz der Erde und Licht der Welt sind? Jesus beant-wortet es selbst in der Bergpredigt. Das Salz der Erde besteht aus Menschen, die Jesuszuhoren. Wer auf Jesus hort, ist auf dem Weg, Salz der Erde zu sein. Der zweite Schrittist etwas aktives: das Salz soll salzen, also andere anstecken. Das Licht soll leuchten, alsoandere mehr sehen lassen und andere hell werden lassen. Jesus spricht von Handlungen,die ein solches Licht sind.

Es ist viel philosophiert worden uber das Salz der Erde und das Licht der Welt. StarkeBilder - die doch von uns gefullt und verstanden werden mussen. Das konnen wir hier nochnicht einmal anreißen. Aber wir konnen festhalten, daß zum Salz der Erde und Licht derWelt auf jeden Fall Jesus dazugehort und auch ein Leben, daß Salz ist und hell macht.

Dann spricht Jesus vom ”Gesetz”. Damit meint er das Gesetz des Mose, das judischeGesetz. Wir werden uns in spateren Abschnitten ausfuhrlich mit diesem faszinierendenGesetz befassen. Halten wir hier nur fest, daß sich Jesus an dieses Gesetz vollstandighalten bzw. daß er dieses Gesetz erfullen will.

Danach redet Jesus vom Handeln und vom Leben:

Roland Potthast 15

vom Toten,vom Ehebrechen,vom Schworen,vom Vergelten,von der Feindesliebe,vom Spenden,vom Beten,vom Fasten,vom Verurteilen,vom Bitten und Geben,vom Gehorsam,von guten Fundamenten.

Wir werden diese einzlelnen Bestandteile unseres Hologrammes ”Bergpredigt” anspre-chen, wenn wir in den 52 Abschnitten die Bibel kennenlernen. In der Bergpredigt, die wirhier in einigen Schlagworten umrissen haben, sind viele Leckerbissen. Man kann die Zeilenkaum ausschopfen in ihrer Bedeutung. Die Ethik Jesu ist in nichts oberflachlich. Es gehtihm um den ganzen Menschen, nicht nur um einige Handlungen. Es geht ihm um unserVerhaltnis zueinander und unser Verhaltnis zu Gott. Er durchbricht die Kreislaufe desHasses und des Egoismus. Lesen Sie im Detail diese Abschnitte der Bergpredigt!

Bei allem lenkt Jesus unsere Aufmerksamkeit auf Gott, von dem alle Dinge kommenund der zu allem fahig ist. Gott sollen wir uns anvertrauen. Gott sollen wir unsere Sorgensagen und geben. Gott mochte die Verantwortung fur uns ubernehmen. Und Gott sollunser Schatz sein oder werden.

Jesus offnet bei dieser Bergpredigt weit eine Tur, durch die wir zu ihm eintreten durfen.Es ist ein neuer Morgen - der neue Morgen der Nahe Gottes. Und am Ende der Bergpredigtmacht Jesus klar, wie dieser Tag seine volle Kraft entfalten wird: wenn wir unser Haus aufFels bauen und ihm damit ein festes Fundament geben.

Dieses Fundament ist Jesus. Wir bauen darauf, indem wir seinen Worten zuhoren undsie in die Tat umsetzen.

1.1.4 Wort beim Wein: was ist Theologie?

Eng verknupft mit dem Bibellesen ist die Theologie. Theologie, das kommt aus dem Grie-chischen: theos=Gott, logos=Lehre, Geist, Wort, Denken...

Zwei Gedanken beim Wein: (1) Theologie ist systematisches Nachdenken uber Gott.Das kann sehr hilfreich sein! Das kann sich aber auch sehr irren und vollig abgleiten inrealitatsferne Konstruktionen. Schaut man sich die Theologie mancher Philosophen undvon einigen Theologen an, so hat das mit dem biblischen Gott wenig zu tun.

(2) Theologie muß sein. Als menschliche Gemeinschaft - und gerade als christlicheGemeinschaft kommen wir um die Theologie nicht herum. Das liegt daran, daß Menschennachdenken. Das liegt daran, daß alles intellektuelle Wissen in dieser Welt im Gesprachund Diskurs erkampft werden muß - weil ein Einzelner sich schnell irren kann.

Welche Rolle hat die Theologie fur den Glauben? Welches Verhaltnis hat die Theologie

16 Die Bibel fur Menschen von heute ...

zur Bibel und zum Gottesverhaltnis des einzelnen Christen? Kann ein Christ nur durchTheologen etwas von Gott wissen?

Zu der letzten Frage: Nein, ein Christ kann nicht nur durch Theologen oder durchkirchliche Verlautbarungen etwas von Gott wissen. Gott mochte Menschen ansprechen -und das tut er auf ganz unterschiedliche Weise. Manchmal bedient er sich eines Theologen.Manchmal nutzt er kirchliche Angestellte, Pastoren, Diakone, Vikare, Priester ... Aber oftnutzt Gott ganz normale Christen, Glaubige, Missionare, oder das vor Hunderten vonJahren aufgeschriebene Wort der Evangelisten und Apostel, christliche Literatur, Musikund vieles mehr. Also:

Verzichten Sie nicht darauf, personlich nachzufragen. Wer nach Gott sucht, kann sichauf dessen Verheißung berufen: wer mich aus ganzem Herzen sucht, von dem will ich michfinden lassen. Suchen Sie, es lohnt sich!

1.2 Man kann es ja mal lesen ... - Wundergeschichten (Matthaus 8+9)

1.2.1 Fur Eilige: man kann es ja mal lesen ...

Wundergeschichten Jesu - warum sollte man sie nicht mal lesen? Wir lesen sie heutemeist wie Marchen und Sagengeschichten. Von der Beherrschung der Naturgewalten wirdberichtet: z.B. der Stillung eines Sturmes auf das bloße Wort Jesu hin. Und Jesus heilt:Aussatzige, Gelahmte, Fiebrige, Besessene, Blinde und Stumme.

Horen wir ein wenig zu! ”Als Jesus den Berg wieder hinunterstieg, folgte ihm einegroße Menschenmenge. Da kam ein Aussatziger zu ihm, warf sich vor ihm nieder undsagte: ”Herr, wenn du willst, kannst du mich gesund machen.” Jesus streckte die Handaus und beruhrte ihn. ”Ich will es”, sagte er, ”sei gesund!” Im selben Augenblick war derMann vor seinen Augen vom Aussatz geheilt.”

Was erzahlen uns diese Geschichten? Sie sagen zuerst: Jesus macht gesund an Leibund Seele! Die Wundergeschichten erzahlen von dem Wunder, das uns in Jesus Christusbegegnet.

Sie konnen die Wundergeschichten als Marchen lesen, als Mythologie aus einer vergan-genen Zeit, als reine Fiktion. Diese Geschichten konnen auch dann erbaulich und ermuti-gend sein.

Manche Menschen lesen die Wundergeschichten als verschlusselte Botschaften Gottes inder Wundersprache eines vergangenen Zeitalters. Die Wundergeschichten werden dann zukleinen Gleichnissen uber Dinge, die nicht korperlich oder materiell sind: zu Gleichnissenuber den Glauben, uber Geist und Seele.

Sie konne damit beginnen, die Wundergeschichten mit historischen, wissenschaftlichen,soziologischen oder juristischen Mitteln zu untersuchen. Je nach Ihren Vorraussetzungenbei einer solchen Recherche werden Sie zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen kommen.So ist die Entstehung von Schulen und Stromungen in der wissenschaftlichen Theologieverstandlich, die je nach Auspragung, Hintergrund und methodischem Ansatz zu ihrenAussagen uber die Texte kommen. Ein methodisches Vorgehen ist ein wichtiges Mittel,wenn man die Bibel systematischer in den Blick nehmen mochte.

Roland Potthast 17

Die Geschichten uber die Wunder Jesu erzahlen jedoch von Ereignissen, die uber dievon uns untersuchte wissenschaftliche Welt hinausgehen, auch wenn sie mitten darinnenstattfinden. Die Wunder Jesu zeigen, daß Gott hier die Grenzen unserer Welt durchbricht.Jesus tut das Unmogliche: er heilt an Leib und Seele. Beides ist in dieser Welt unmoglich.Beides wird in den Geschichten von Gott durch Jesus gewirkt.

Unsere Tipps fur diese Woche:1) Lesen Sie die Wundergeschichten. Aber lesen sie diese Geschichten als das, was sie

sein wollen: Geschichten, die uns uber unser beschranktes Leben in dieser Welt hinauswei-sen und auf Gottes Moglichkeiten aufmerksam machen wollen.

2) Nehmen Sie sich ein Beispiel an den Personen dieser Geschichten, und gehen Sie auchheute mit Ihren Leiden, Gebrechen und Problemen zum auferstandenen Jesus Christus imGebet.

1.2.2 Bibelseminar: was? wie? warum?

Warum dieses Bibelseminar? Warum nehmen Sie teil? Warum lesen wir gemeinsam in derBibel? Wir gehen davon aus, daß Sie so neugierig sind wie wir auch. Daß Sie wissen wollen,was dran ist an den verschiedenen Texten der Bibel. Daß Sie die Texte kennenlernen undverstehen wollen.

Wie gehen wir vor? Wie liest man die Bibel am besten? Wie spricht man daruber? Wirlesen die Bibel als wache Menschen des beginnenden 21.Jahrhunderts. Das bedeutet, daßwir sie mit dem Einsatz all dessen lesen, das uns als modernen Menschen zur Verfugungsteht. Dabei spielen wissenschaftliche Kentnisse genauso eine Rolle wie der Einfluß allersoziologischen, philosophischen, psychologischen, humanistischen, medizinischen, juristi-schen und technologischen Entwicklungen der vergangenen Jahrhunderte.

Eine Frage im Hintergrund wird wahrend des Seminars bleiben: wie kann ein Menschim beginnenden 21. Jahrhundert die Bibel angemessen verstehen?

All dies bedeutet: Sie werden in unserem Seminar keine einseitig psychologisieren-de Interpretation finden. Wir werden uns nicht mit theologischen oder theoretisierendenAbhandlungen zufrieden geben. Sie werden bei uns keine einseitige Ablehnung oder Uber-betonung medizinischer oder technologischer Entwicklungen finden. Wir werden keinenernstzunehmenden kritischen Fragen ausweichen.

Wie spricht man am besten uber die Bibel? Das hangt naturlich von den beteiligtenMenschen und Themen ab. In unserem Seminar werden wir das Hauptaugenmerk auf dasVerstandnis zentraler Themen und Fragestellungen legen. Unsere Sprache und Stil folgender Tatsache, daß diese Themen spannend, bedeutungsvoll und hochaktuell sind.

Was fur Themen werden aufgegriffen? Was sind die zentralen Fragestellungen? Waswird behandelt?

Eine Liste mit Themen der 52 Abschnitte gibt uns das Inhaltsverzeichnis. Es sindThemen, welche die jeweiligen Bibeltexte mitten hinein in unsere heutige Zeit stellen.

Jeder der 52 Abschnitte des Seminars greift daruber hinaus weitere Themen aus Thelo-gie, Wissenschaft oder Gesellschaft auf und stellt sie in unterhaltsamer und nachdenklicherWeise in den Zusammenhang biblischer Texte.

18 Die Bibel fur Menschen von heute ...

Wir werden im Laufe der Zeit auf wichtige theologische Disziplinen und Fragen zu spre-chen kommen. Wir werden gesellschaftliche Stromungen ansprechen und wissenschaftlicheGrundkonzepte in ihrem Verhaltnis zu den Gedanken, Geschichten und Worten der Bibelin den Blick nehmen.

1.2.3 Rundgang durch die Wundergeschichten

Lassen Sie uns einen kurzen Blick auf die Abfolge der Heilungen in Matthaus 8 und 9 tun.Die Heilung des Aussatzigen haben wir schon angesprochen. Es folgen die Heilung

* des Knechtes des Hauptmanns von Kapernaum* der Schwiegermutter des Petrus* viele Besessene

Dann wird die Stillung des Sturmes durch Jesus berichtet, die Beherrschung der Na-turgewalten durch das gesprochene Wort. Jesus heilt ferner:

* einen Gelahmten* eine blutflussige Frau* die tote Tochter des Jairus* zwei Blinde* einen Stummen* alle Krankheiten* alle Gebrechen

Die letzten beiden Bemerkungen von Matthaus 9 deuten an, daß der Autor des Evan-geliums seine Wundergeschichten nur als Beispielgeschichten aus einer viel großeren Zahlweiterer Begebenheiten sieht.

Wir mochten Sie darauf aufmerksam machen, daß zwischen den korperlichen Heilungenauch noch eine Reihe weiterer Begebenheiten erzahlt werden. Diese haben auch einiges mit”Heilung” zu tun - mit der Heilung der Seele bzw. der Heilung der Grundlagen und Aus-richtung unseres Lebens. Heilung wird hier immer als etwas verstanden, das Korper, Geistund Seele betrifft. Zur Heilung gehort die Ausrichtung meines Lebens. Dazu gehoren dieBindungen, die mich festhalten. Heilung kann auch die Losung meines Lebens von materi-ellem Besitz, Traditionen, Heimat, Beruf und vielem mehr bedeuten. Zur Heilung gehortein Leben in der Nachfolge des großen Arztes Jesus, der uns in ein neues vertrauensvollesVerhaltnis zu Gott hineinfuhren mochte.

Die Heilung durch Jesus hat viele Aspekte - das haben wir angesprochen. Und miteiner ungeheuren Macht bricht sich hier die heilende Kraft Jesu ihre Bahn. Eine riesigeHerde von Schweinen wird in einen See getrieben. Tote stehen wieder auf. Stumme reden.Blinde sehen. Eingefleischte Steuereintreiber verlassen Haus und Geld, um sich von dergroßeren Kraft fuhren zu lassen. Tobende Gewalten werden still und friedlich - Besesseneebenso wie die tosenden Krafte der Natur.

Roland Potthast 19

1.2.4 Worauf hin heilt Jesus?

Viele Menschen in der Weltgeschichte haben bei Heilungen ihre Hoffnung auf Gott gesetzt.Viele Menschen beten auch heute in kleinen und großen Krankheiten und Bedrangnissen.Viele davon erleben eine Gesundung - andere manche ernuchternden Erfahrungen. Weiteregeben enttauscht ihren Glauben auf, weil ihre Krankheit nicht besser werden will.

Die Zusammenstellung der Heilungen in Matthaus legt es nahe, einmal hier direktnachzulesen, worauf hin Jesus eigentlich in diesen Wundergeschichten die Menschen geheilthat.

Schauen wir einmal genauer hin:

• die Heilung des Aussatzigen erfolgt auf eigene Anfrage,

• die Heilung des Knechtes des Hauptmanns auf Anfrage eines Dritten,

• die Heilung der Schwiegermutter des Petrus erfolgt ohne jede Aufforderung,

• die Stillung des Sturmes erfolgt nach einem Hilferuf der Junger,

• die Heilung der Besessenen erfolgt trotz deren negativer Worte gegenuber Jesus - siesind ja auch ganz in der Gewalt der Damonen,

• der Gelahmte wird geheilt als Reaktion auf die Handlungen der Verwandten bzw.Freunde, und dies erst, nachdem Jesus auf das Chaos im Leben des Kranken hinge-wiesen hat,

• die Heilung des Matthaus erfolgt auf dessen schuchternes Interesse hin,

• ... und vieles mehr.

Das einzige Muster ist, daß es kein Muster gibt. Jesus heilt, wie es gerade kommt undwie es der Situation angemessen scheint. Oft heilt er hier auf Anfrage, aber nicht immer.Wer ein System sucht, ist auf dem falschen Weg.

An jeder Heilung kann man etwas spezielles lernen - Stoff fur Hunderte und Tausendevon Vortragen, Buchern, Abhandlungen, Predigten und Gesprachen! Auch fur die Wun-dergeschichten gilt: hier sind viele Leckerbissen zu finden.

Wir mussen aber auch einen Blick uber die Heilungsgeschichten bei Matthaus hinauswagen und feststellen: das neue Testament garantiert nicht die korperliche Heilung jedesGlaubenden zu seinen Lebzeiten! Das ist nicht Gottes Weg mit den Menschen - auch wenner immer wieder seine Macht zeigt und (bis heute) heilend in die Weltgeschichte eingreift.

Gott fuhrt uns einen personlichen Weg, der in der Regel mit unserem Tod und derVerwesung unseres Korpers endet. Aber durch diesen Tod hindurch soll und kann unsdie Gemeinschaft mit Jesus Christus begleiten und leiten. Uber diesen Tod hinaus haltdie Liebe Gottes - der seine Macht uber den Tod viele Male und eindrucksvoll in derAuferstehung Jesu gezeigt hat. Aber zu diesem Thema kommen wir erst spater.

20 Die Bibel fur Menschen von heute ...

1.3 Wofur halt er sich? ... - vom Anspruch Jesu (Matthaus 10+11)

1.3.1 Fur Eilige: Von meinem Selbstbewußtsein

Dunkle Kravatte, grauer Anzug, Vorstandsetage ... gediegenes Selbstbewußtsein, kulturellinteressiert.

Halstuch, T-Shirt, Strickpuli. Okotute und Ersteweltladen. Strom aus Wasserkraft undden Grunenaufkleber am Fahrrad, Zeit fur die Sonne im Schwimmbad.

BMW, Sonnenbrille und Haargel. Fetzige Musik bei offenem Fenster. Nicht viel Geld,aber noch ein Rest fur die Spritztour am Feitag Abend. Gutaussehende Freundin und eineMenge Kumpels, auf die man sich verlassen kann - und manchmal auch nicht.

Wie sieht es aus mit Ihrem Selbstbewußtsein? Fur was halten Sie sich? Welche Rollespielen Sie personlich? Mit was ist Ihre Rolle gedeckt? Ist das notige Kleingeld vorhanden?Die notige Bildung? Sind sie cool genug? Haben Sie Nerven genug?

Heute geht es im Bibelseminar darum, wofur sich Jesus halt. Wie sieht sein Steckbriefaus? Und ist seine Rolle durch die Realitaten gedeckt?

Unsere Tipps fur diese Woche:1. Fragen Sie sich einfach einmal, was eigentlich einen Menschen ausmacht! Wie ist das

mit Rollen und Realitaten? Wofur halten sich die Leute, die mit Ihnen taglich umgehen?Wo sind ihre Starken und ihre Schwachen?

2. Verurteilen Sie nicht andere Menschen! Versuchen Sie stattdessen, ihre Mitmenschenin ihrer ganzen Tiefe zu verstehen.

3. Machen Sie einmal den Versuch, eine positive Perspektive fur jeden der Menschenzu entwickeln, mit denen Sie in dieser Woche zu tun haben. Aber denken Sie daran: essoll eine Perspektive sein, die diesem Menschen wirklich angemessen ist! Bitte Sie Gottum den Blick fur eine solche Perspektive.

1.3.2 Den Anspruch Jesu entdecken: Wofur halt er sich? ...

Wer wachen Geistes die Geschichten der Bibel von Jesus liest, stoßt fruher oder spater aufdiese Frage: wer ist dieser Jesus? Wofur halt er sich eigentlich?

Kennen Sie diese Gedanken? So etwa:”Der denkt wohl, er sei der Chef. Meint er, er sei das Maß aller Dinge? Kommandiert

herum, erzahlt uns, was wir tun und lassen sollen.”In den Kapiteln 10 und 11 im Evangelium des Matthaus ist es besonders deutlich: Jesus

verhalt sich anders, als andere Menschen es tun. Solche Worte sagt keiner, der nicht mehrin sich hatte als andere - oder der vollig verruckt ware, reif fur die geschlossene Abteilungder Psychatrie. Jesus laßt stellt uns vor die Wahl. Entweder ist er verruckt, oder er istmehr als Gut oder Bose, mehr als wir Menschen. Entweder ein Geisteskranker oder mehrals all unser Arbeiten und Dichten, mehr als unser stupides oder kreativs Leben, mehr alsein Handeln mit Muhe oder voller Kraft ...

”Geht und sprecht ...” sendet Jesus seine Leute aus, ” ... das Himmelreich ist naheherbeigekommen.” Das klingt uns noch ertraglich. Doch die Provokation steht erst am

Roland Potthast 21

Anfang: ”Wenn euch jemand nicht aufnehmen und eure Rede horen will ... dem Land derSodomer und Gomorrer wird es ertraglicher gehen am Tage de Gerichts als dieser Stadt.”

Jesus halt seine Worte fur maßgeblich. Er geht so weit, sogar die Worte seiner Leute alsmaßgeblich zu setzen gegenuber den anderen Menschen. Sorgt euch nicht, was ihr redensollt ..., sagt er den Jungern, ... eures Vaters Geist wird durch euch reden!

Wofur halt sich Jesus? Er halt sich fur den, an dem sich alles entscheidet. Er haltsich fur denjenigen Menschen, an dem sich das Schicksal eines jeden anderen Menschenentscheidet.

”Wer nun mich bekennt, zu dem will ich mich auch bekennen vor meinem himmlischenVater. Wer mich aber verleugnet vor den Menschen, den will ich auch verleugnen vormeinem himmlischen Vater.”

Und Jesus sagt:”Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, der ist meiner nicht wert.””Wer sein Leben findet, der wird es verlieren. Wer aber sein Leben verliert um mei-

netwillen, der wird es finden.”All diese Worte mussen eine Zumutung sein und bleiben, wenn nicht Jesus so derart

kostbar und zentral ist, daß dieser Wert, den sich hier in seinem Anspruch ausdruckt,gedeckt ist durch die Realitat.

Und Jesus weist auf die Zeichen, die aus dieser Realitat seiner Person entspringen:Blinde sehen und Lahme gehen. Aussatzige werden rein und Taube horen. Tote stehen aufund Armen wird das Evangelium gepredigt.

Und wieder bekraftigt er seinen Anspruch: selig ist, wer sich nicht an mir argert.Warum nur? Wie kann Jesus einen solchen unglaublichen Anspruch mit sich herum-

tragen? Jesus gibt eine kleine Antwort in Matthaus, Kapitel 11: ”Alles ist mir ubergebenvon meinem Vater.”

Jesus als der Bevollmachtigte Sohn Gottes. Das ist es, wofur sich Jesus halt. So redetJesus. So handelt Jesus. So stirbt Jesus. Noch aber ist es in diesen Zeilen nicht so weit. Nochist Jesus da, um Menschen zu rufen und zu senden. Diese direkte und klare AufforderungJesu, zu ihm zu kommen, ist kaum klarer im neuen Testament zu finden als hier imEvangelium des Matthaus:

”Kommt her zu mir, alle, die ihr muhselig und beladen seid; ich will euch erquicken.”

1.3.3 ”Nehmt meine Herrschaft auf euch ...” - wie mach ich das?

”Nehmt auf euch mein Joch ...” sagt Jesus. Das heißt heute: nehmt meine Herrschaft aufeuch. Nehmt meine Leitung auf euch. Laßt mich den Chef uber euer Leben, Denken undFuhlen sein.”

Jesus sagt gleich dazu den Grund fur seine Aufforderung: ”... denn ich bin sanftmutigund von Herzen demutig.” Aus diesem Grund sollen wir Menschen Jesus den Chef seinlassen in unserem Leben. Und Jesus kundigt die Konsequenzen an:

”... so werdet ihr Ruhe finden fur eure Seelen.” Ruhe fur das eigene Leben - das meint:die Suche und Sehnsucht des Lebens hat sein Ziel gefunden: Jesus. All mein Lebenshungerund Lebensdurst kann hier gestillt werden. Bei Jesus sind wir am Ziel des menschlichenLebens angekommen.

22 Die Bibel fur Menschen von heute ...

Nun werden Sie sagen: wie geht das denn? Wie geh ich heute zu Jesus? Er ist mir dochgar nicht mehr zuganglich.

Es funktioniert heute noch genauso wie damals. Es ist genauso leicht. Es ist genausschwer. Es gibt keine feste Zahl von Handlungen, die ich tun muß, um definitiv bei Jesusanzukommen.

Es geht um den Beginn einer wunderbaren Freundschaft. Die Herrschaft Gottes inmeinem Leben - die nach und nach alles heilen kann, was mich beschwert, krank machtund belastet.

Und naturlich kann man einige erste Schritte vorschlagen: Gehen Sie im Gebet zuGott. Bitten Sie ihn, in ihr Leben sichtbar hineinzukommen und seine Verheißungen wahrzu machen. Bitten Sie Jesus, Sie zu erquicken und zu erleichtern.

Und dann beginnen Sie damit, sich zu Jesus auch offentlich zu stellen. Erzahlen Sieanderen Menschen von ihrem Entschluß, mit Jesus Christus zu leben - dabei konnen Siesehen, wie es ist, sich zu Jesus Christus zu bekennen, und außerdem kann ein solchesGesprach sehr spannend sein. Zur Freundschaft gehort die Solidaritat - in diesem Fall dieSolidaritat mit Jesus Christus.

Und nehmen Sie die Herrschaft Jesu ernst. Folgen sie seinen Worten - es lohnt sich!Suchen Sie die Gemeinschaft von Christen! Sie werden tolle Erfahrungen machen mit derNachfolge, und sie werden feststellen, daß man wirlich sein Leben findet, wenn man es anJesus Christus verliert.

1.3.4 Wort beim Wein: Bin ich theologisch genug gebildet, um mitreden zukonnen?

Wir haben uns auf den spannenden Weg gemacht, in einem Jahr quer durch die Bibel zulesen. Dabei reden wir uber die Bibel, wir reden uber Gott, wir bleiben nicht still, sondernwir werden aktiv und reden mit!

Moment mal!Halt, so einfach geht es nicht. Mitreden in theologischen Fragen - da wurde ich gerne

einmal deine Scheine kontrollieren. Kirchengeschichte? Christologie? Latein? Grichisch?Redaktionsgeschichte? Quellenkunde und Quellenkritik? Leben-Jesu-Forschung? Dogma-tik? Literarkritik? Traditionsgeschichte? ...

Die Frage nach dem Wert des Wortes ist oft die Frage nach der Kompetenz. Diewird allerdings von dem einen oder anderen jeweils anders beurteilt. ”Ich vertrau meinemPastor, der spricht mir aus dem Herzen.” sagen manche Gemeindemitglieder, und erteilendamit den jungen Lowen unter den Theologen eine Abfuhr.

In manchen frommen Kreisen wird an solchen Stellen ganz anderes ins Feld gefuhrt.Da zahlen die Jahre der Gemeindezugehorigkeit, des Predigtdienstes, des Christseins, diean den Bibelschulen verbrachten Monate oder Jahre.

Wem zeigt Gott sein Herz? Wem zeigt Gott seine Wege? Knupft Gott das Geschenkseines heiligen Geistes an das Theologiestudium? Oder knupft er es an die Jahre desDienstes in der Gemeinde?

Immer wieder fallt mein Blick auf das elfte Kapitel des Matthausevangeliums:

Roland Potthast 23

”Zu der Zeit fing Jesus an und sprach: Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und derErde, weil du dies den Weisen und Klugen verborgen hast, und hast es den Unmundigenoffenbahrt.”

Und immer wieder muß ich daran denken, wieviel tiefe Weisheit Gottes ich in denungeubten Worten derer gefunden habe, die nichts uber Barth und Bultmann wußten,und die doch tief hineingeblickt hatten in das Herz Gottes.

Da gibt es naturlich auch noch die Neunmalklugen - die sich fur sehend halten in denFragen der Kirchen, der Prophetien und allen Fragen der Schrift. Es gibt die Unruhestifterum des Rechthabens willen. Herr, erbarme dich unser, um frei zu werden von dem Geistdes Streites und Zanks.

Und dann gehen wir neu heran an Jesus, an Gott, an die Bibel:Wir haben uns auf den spannenden Weg gemacht, in einem Jahr quer durch die Bibel

zu lesen. Dabei reden wir uber die Bibel, wir reden uber Gott, wir bleiben nicht still,sondern wir werden aktiv und reden mit!

Wir durfen mitreden, weil Gott den direkten und personlichen Weg zu ihm freigeschau-felt hat durch Jesus. Wir konnen damit noch nicht Grichisch oder Latein (wenn naturlichmancher es in der Schule gelernt hat, so wie ich personlich). Aber im Allgemeinen sindwir noch keine Gelehrte in Fragen der Kritik oder Geschichte. Dazu brauchen wir dieFachgelehrten und sie haben ihre große Verantwortung.

Doch jeder Christ hat das Recht, uber den Glauben zu reden und seine Fragen zustellen. Er hat das Recht, seine Antworten zu suchen und mit Theologen, Pastoren, Ver-bandsleitern, Predigern und vielen mehr daruber ins Gesprach zu kommen.

Lassen Sie sich nicht mundtot machen, durch den unangemessenen Kompetenzan-spruch, den so viele vor sich hertragen. Locken Sie die Theologen aus ihren Festungen,um Christus zu bekennen und ihm zu folgen.

Der Friede Gottes, der hoher ist als alle Vernunft, bewahre Ihre Herzen und Sinne inChristus Jesus!

1.4 Ich versteh dich nicht! ... - von den Gleichnissen (Matthaus 13)

1.4.1 Fur Eilige: das Gleichnis vom Schatz im Acker

Wie steht es um die Gegenwart Gottes heute in der Welt? ”Gott heute” - was bedeutet daseigentlich? Haben Sie schon einmal daruber nachgedacht, wie es in der Gegenwart Gottesheute aussieht? Wie ist das: Leben im Angesicht Gottes?

Wie ist Gott?

Der Evangelist Matthaus redet vom ”Himmelreich”, wenn er uber die Gegenwart Got-tes heute spricht. ”Himmel” - das kennen Sie, denn es ist vielfach verarbeitet wordenin der Geschichte der Christenheit. Aber ”Himmel” muß heute neu buchstabiert werden,wenn wir diesen Himmel - das Himmelreich Gottes - verstehen wollen. ”Himmel” bedeutet:”Leben in der Gegenwart Gottes”!

Damit sind wir mitten im Gleichnis vom ”Schatz im Acker.” Jesus erzahlt eine Ge-schichte daruber, was es mit dem Leben in der Gegenwart Gottes auf sich hat.

24 Die Bibel fur Menschen von heute ...

”Mit dem Leben in der Gegenwart Gottes ist es wie mit einem riesigen Vermogen,das mit einer innovativen Idee zu verdienen ist. Ein junger intelligenter Unternehmerentdeckt diese Idee. Und er gibt seine letzten Ersparnisse, um das Patent an dieser Ideezu erwerben.”

So ist es mit der Gegenwart Gottes auch heute. Sind Sie bereit, alles zu geben undalles loszulassen, um in die Gegenwart Gottes hineinzutreten?

1.4.2 ”Ich versteh dich nicht! ...” - Zugange zu den Gleichnissen

Wie bekomme ich einen Zugang zu den Gleichnissen Jesu? Gibt es da ein Rezept? Wiegeht es vonstatten? Studieren? Bestimmte Regeln? Was kann ich tun?

Wir wollen den Versuch wagen, einiges zu den Gleichnissen zu sagen. Wir wollengrundsatzlich uberlegen, wie ich einen Zugang bekommen kann. Und es sollen (unter Teil-abschnitt 3) einige Gleichnisse ausgelegt werden.

Durfen wir zugeben, was wir an den Gleichnissen nicht verstehen? Ja wir durfen undsollen es zugeben. Mit dem Entschluß, unsere Unwissenheit zu Gott zu tragen, gleichenwir dem Sunder, der vor Gott steht und ihn um Erbarmen bittet.

Die Gleichnisse sind nicht ohne weiteres zu durchschauen: Der Evangelist Matthauszitiert Jesajas Reden uber die Worte Gottes: ”Mit den Ohren werdet ihr horen und werdetes nicht verstehen, und mit den Augen werdet ihr sehen und werde es nicht erkennen. Denndas Herz dieses Volkes ist verstockt ...”

Es ist unsere Gottesferne, die uns Schwierigkeiten beim Verstandnis der Gleichnissemacht. Wie aber konnen wir die Gleichnisse verstehen? Wie bekommen wir einen Zugangzu ihnen? Sie werden beim weiteren Lesen feststellen, daß wir einen Zugang zu den Gleich-nissen gar nicht in den Gleichnissen selbst sehen, sondern in Ihrem Verhaltnis zu Gott.Bitte lassen Sie sich einfach einmal drauf ein ...!

Roland Potthast 25

Tipps zum Verstandnis der Gleichnisse:

Die folgenden Tipps erheben keinen Anspruch auf Vollstandigkeit! Wir wollen nichtbehaupten, daß es genau so und nicht anders sein muß! Diese Tipps wollen kleine Hilfen undvorsichtige Anregungen sein fur Menschen, die mehr wissen wollen uber Gottes Gleichnisse.

a. Gehen Sie zu Gott und bitten Sie ihn, sich Ihnen zu zeigen in seiner Gegenwart. BittesSie Gott, in ihr Leben hineinzutreten. Nur durch Gott selbst konnen Sie die Gleichnisseverstehen. Die Bitte um Verstandnis konnen Sie taglich wiederholen!

b. Rechnen Sie damit, daß es einige Zeit braucht, bis Gott Ihnen mehr von sich selbstzeigen kann. Richten Sie sich auf einen langeren Veranderungsprozess ein. Gott mochte Sieumgestalten mit Ihrer ganzen Person - und mit jedem Schritt dieser Veranderung werdenSie mehr von den Gleichnissen verstehen. Sie brauchen keine Angst zu haben, denn:

c. Gott geht mit uns kleine Schritte, die wir ertragen konnen und zu denen wir den Mutfinden. Wir brauchen uns nicht zu furchten, daß uns Gott etwas uberstulpt. Nein, wir wer-den entdecken, wie unermeßlich befreiend und erleichternd die Gegenwart Gottes fur unsist! Ein erlostes Kind Gottes gleicht einem oder einer Heimgekommenen, die schluchzendin der Ecke sitzt und die Freude noch gar nicht fassen kann!

d. Bitten Sie Gott konkret um Weisheit fur die einzelnen Gleichnisse und Worte, dieSie nicht verstehen. Und dann geben Sie Gott die Zeit, Sie hineinzufuhren in ein tieferesVerstandnis der jeweiligen Geschichte. Denken Sie daran, daß schon die Heilung einesgebrochenen Beines Wochen dauert. Wie soll es da mit der Heilung einer gebrochenenSeele und eines schwer erkrankten Verstandes sein? Gott wird unseren Blick heilen, wennwir es zulassen ... im Laufe der Zeit!

e. Offnen Sie ihr Herz fur Gottes Wege! Wie offnet man sein Herz? Wir konnen nureinige Dinge ansprechen, die Ihnen vielleicht weiterhelfen konnen ... Mit etwas Mut for-mulieren wir die folgenden Zeilen.

1) Werfen Sie ihre Traume uber Bord und wenden Sie sich Gottes Traumen zu. WerfenSie ”sich selbst” uber Bord und wagen Sie Gedanken und Schritte, die ganz Gott gelten.Aber denken Sie daran, daß Gott sie hoher schatzt als alles, was sie sich an Wert dieserWelt denken konnen. Behandeln Sie sich ebenso!

2) Gestehen Sie sich Ihre Verletzungen ein und bringen Sie diese zu Jesus Christus!Legen Sie sich mit Ihren Fragen und Problemen Gott zu Fußen. Gestehen Sie sich selbstund Gott zu, wo es bei Ihnen drunter und druber geht, und sei der außere Schein noch soperfekt!

3) Lassen Sie die Uberzeugung fallen, Sie konnten sich Gottes Zuwendung verdienendurch Ihre Leistung. Horen Sie auf, um die Anerkennung Gottes durch Taten, Geld, Worteoder Gedanken zu kampfen.

26 Die Bibel fur Menschen von heute ...

4) Gehen Sie als ein Kind zu Gott und horen Sie unvoreingenommen seine Worte! LesenSie neu und unvoreingenommen die Bibel! Werfen Sie allen Ballast an Lehren, Theorien,Grundsatzen und personlichen Erfahrungen uber Bord, um sich einen Augenblick volligeinzulassen auf die Worte Jesu, der durch das neue Testament auch heute zu Ihnen redenmochte.

Mancher Wissenschaftler muß bei diesem Ratschlag, Lehren oder Theorien uber Bordzu werfen, sicherlich stutzen. Aber schon unter Wissenschaftlern ist es eine gute Ubung,jeden Tag eine der Lieblingstheorien uber Bord zu werfen, um die Freiheit zu kreativemDenken und Schlußfolgern zu erlangen. Wieviel sinnvoller ist dies, wenn es um ein tieflie-gendes Verstandnis der Bibel geht.

1.4.3 Beobachtungen aus der Wirklichkeit - Gedanken zur Auslegung einigerGleichnisse

Die Gleichnisse von Matthaus 13 sind vielfaltig. Wir mochten Ihnen einige Gedanken andie Hand geben, die zum Verstandnis helfen. Auch hier gilt: unsere kleinen Kommentarekonnen nicht die Fulle der Literatur und tiefen Gedanken ausschopfen, die von Christenund Theologen in der Zeitgeschichte gesammelt wurden. Horen Sie auf die Weisheit, dievon hingegebenen Nachfolgern Gottes ausgeht, es lohnt sich!

Das Gleichnis vom Samann. Ein Gleichnis uber die Ablenkungen von der Gegen-wart Gottes. Es gibt so viele Dinge, die uns Menschen naher sein konnen als der Ursprungunseres Lebens und unserer Existenz! Es gibt so viele Dinge, die Gottes neues Leben inuns wieder ersticken wollen.

Beobachtungen aus der Wirklichkeit: Wie wichtig werden uns im Laufe der Zeit ganzverschiedene Dinge: Freunde, Familie, Kinder, Job, Auto, Wohnung, Geld, Aussehen, Wir-kung, Ansehen, Dauerhaftigkeit etc etc etc.

Wo bleibt Gottes Gegenwart das bestimmende Moment? Wo bleibt Gottes Liebe dietreibende Kraft unseres Lebens?

Das Gleichnis vom Unkraut unter dem Weizen. Eine Warnung, nicht vor der Zeitdie Guten von den Bosen trennen zu wollen - in und außerhalb der christlichen Gemeinde.Wer kann von sich sagen, daß er klar ein Sproß des Guten ware? Wer kann ausschließen,von Gott abzufallen und Gott zu verleugnen?

Beobachtungen aus der Wirklichkeit: Christen sind nicht besser als andere Menschen.Gerade in christlichen Gemeinden wachsen die Anspruche und es wachst oft der Zank undStreit. Aber es kann auch anders sein. Uberall gibt es Menschen, die ruhig und bescheidenden Weg Jesu gehen. An diesen Menschen sollten wir uns orientieren!

Das Gleichnis vom Senfkorn. Eine Ermutigung fur alle, die verzweifeln wollen ander Ohnmacht des Reiches Gottes. Es ist wie der winzigste Beginn, und wird doch so großwerden, daß sie alle Unterschlupf suchen, groß und klein!

Beobachtungen aus der Wirklichkeit: Unter dem großen christlichen Dach versuchensich heute viele zu bergen. Die Pflanze ist groß geworden ... und doch ist sie immer noch

Roland Potthast 27

klein, wo es um ein Handeln ganz aus dem Geist Jesu heraus geht - um die Liebe und denDienst, der aus der Demut Gottes heraus gewachsen ist!

Das Gleichnis vom Sauerteig. Das Wort Gottes kann nicht ohne Wirkung zuruck-kommen. Das Reich Gottes muß um sich greifen und die Umwelt beeinflussen! Es ist wieeine wichtige Nachricht, die von ihrem Ursprung uberall hin weitergetragen wird, bis siejeden direkt oder indirekt erreicht hat.

Beobachtungen aus der Wirklichkeit: Die ganze Welt scheint durchtrankt von den Ge-danken Jesu - ohne sie als solche zu identifizieren. Menschenrechte, Wurde des Menschen,Naturschutz, Gerechtigkeit und Solidaritat und vieles mehr, sind ganz im Kern der LiebeJesu zu finden.

Hoffen wir darauf, nicht nur viele Menschen indirekt mit christlichen Gedanken zuerreichen, sondern auch ganz konkret zu Nachfolgern Jesu heute zu machen!

Das Gleichnis von der Kostbaren Perle. Ein Gleichnis uber die Bedeutung desReiches Gottes fur einen Menschen. Die Gegenwart Gottes ist mehr wert, als alle anderenDinge. Sie ist wie eine bahnbrechende Entdeckung, die ein Wissenschaftler tat. Und er gaballe andere Forschung auf, um diese eine viel wichtigere Sache zu verfolgen.

Beobachtungen aus der Wirklichkeit: Nicht viele Menschen schaffen den Sprung vonder Bewunderung der kostbaren Perle zu ihrem Erwerb unter Einsatz ihres Lebens. Dochnichts weniger ist der Weg Jesu Christi: Wer nicht alles aufgibt, was er hat, der kann nichtmein Junger sein! Wir wollen diesen Anspruch Jesu besser vermitteln und den Menschenum uns her bekannt machen, um der Liebe willen!

Das Gleichnis vom Fischnetz. Die Gegenwart Gottes ist eine Einladung an jeder-mann! Jeder Mensch kann und soll kommen. So ist es mit dem Fischnetz, mit dem Wort,daß gesprochen wird und auf Antwort wartet. Es erreicht viele verschiedene Menschen.Am Ende der Zeit wird Gott entscheiden, was es mit den Fischen im Netz auf sich hat.Dann erst werden wir entgultig wissen, wie es um uns selbst bestellt ist. Was sich heuteabzeichnet und was Gott vorbereitet, wird dann seine Vollendung finden!

Beobachtungen aus der Wirklichkeit: Bis heute fehlen Menschen, die das passendeNetz auswerfen und mit modernen Worten die moderne Botschaft vom lebendigen Je-sus verstandlich machen. Wollen Sie selbst sich heute berufen lassen von Jesus Christus,um andere zu ihm zu rufen?

1.4.4 Wort beim Wein: An einen anonymen Theologen - von einem anonymenFreund.

Lieber Theologe!

Bitte erlaube mir ein offenes Wort an dich. Weil ich dir nicht personlich schrei-be, kann ich heute ehrlicher und direkter sein, als ich es personlich sein durfte.

Ich mochte Dich auf deinen Dienst als Pfarrer und Theologe ansprechen undauf dein Verhaltnis zu Gott. Dabei geht es auch ein wenig um Deine Lehrenund Deine Theologie.

28 Die Bibel fur Menschen von heute ...

Du hast deine Ausbildung genossen unter dem Einfluß der zeitgenossischentheologischen Schulen. Ich denke es ist gut, daß es all diese verschiedenen Ge-danken und Ansatze gibt, die Bibel zu untersuchen und zu hinterfragen. Essind Fragen, die man sich bei einem systematischen und kritischen (=unter-scheidendem) Vorgehen machen muß.

Aber ich habe den Eindruck, daß du bei all diesen Dingen nicht zum klarenGlauben an Jesus Christus durchgedrungen bist. Sind dir die Theorien nichteher eine Last und ein Hindernis, um Gott naher zu kommen und den leben-digen Jesus Christus auch heute zu entdecken?

Verzeih bitte meine Direktheit, aber es ist mir sehr wichtig. Ich denke auchnicht, daß das kritische Denken einen Menschen von Gott fernhalten muß.Aber ich beobachte immer wieder, daß gerade manche Pfarrer oder Theologennicht den Durchbruch schaffen. Wie kann man Dir behilflich sein, wie ein Kindvor Gott zu stehen und dann auch andere Menschen an diesem wunderbarenVerhaltnis Teil haben zu lassen.

Verstehst du, wie wichtig dieses ist? Es ist fur dich selbst wichtig, weil dochGott sich so sehr danach sehnt, daß du hinter den Interpretationen ihn selbstentdeckst. Und es ist fur die Menschen in deiner Gemeinde unendlich wichtig,weil du fur Sie zum Hirten berufen bist, der ihnen Gott so nahebringen soll, daßSie auf das Wort Gottes hin glauben konnen an den lebendigen Jesus Christus.

Deine Theologie ist eng verknupft mit Deinem Verhaltnis zu Gott. Es machteinen riesigen Unterschied, ob Du eher dem Verstand und theologischen Ka-pazitaten vertraust, oder Gott, der durch das neue und alte Testament zu Dirspricht. Die theologischen Kapazitaten haben ihre Weisheit auch nur aus einerInterpretation der Bibel. Ist das nicht ein guter Grund, sich (unter Berucksich-tigung der in der Geschichte geschriebenen Argumente) zuerst auf die Quellenselbst einzulassen?

Bitte bedenke, daß Du mit dem, was Du den Menschen von Gott erzahlst,einen Unterschied machst! Wer an Jesus glaubt, der lebt in der Gnade Gottes.Zu diesem Glauben kannst Du beitragen! Es ist kein abstrakter Glaube, son-dern die personliche Begegnung mit dem lebendigen Jesus Christus durch seingeschriebenes, gepredigtes und weitergegebenes Wort, durch die Erfahrungenseiner Nachfolger und im Gebet - personlich oder in der Gemeinschaft vonChristen!

Bitte versteh meine Worte nicht als Angriff, sondern als ehrliche und aufrichtigeNachfrage getrieben von dem Wunsch, daß die Menschen in deiner Gemeindemehr von dem wunderbahrsten Wesen dieses Universums kennenlernen - vonJesus Christus, von Vater, Sohn und heiligem Geist.

Dein anonymer Freund.

Roland Potthast 29

1.5 Die letzte Reihe ... - von großem Glauben (Matthaus 15, 21-28)

1.5.1 Fur Eilige: von der Freundschaft ...

”Die zwei Freunde kannten sich schon seit Jahren. Sie waren gemeinsam durch Dick undDunn gegangen, hatten gute und schlechte Zeiten miteinander durchgestanden. Freund-schaft - dieses Wort hatte fur beide eine eine tiefe Bedeutung gewonnen und war durchihr Leben mit Erfahrung erfullt.

Wie hatte diese Freundschaft angefangen? Wie hatten die zwei sich kennengelernt?Manchmal dachten sie zuruck an die Anfange ihrer Gemeinsamkeit. Damals wußten sienicht viel voneinander, sie waren sich im Grunde fremd und unbekannt. Sie hatten nureinige Projekte gemeinsam durchzuziehen. Doch eine tiefliegende Gemeinsamkeit brachtesie enger zueinander ... und ihr Weg begann.

Es war kein einfacher Weg. Ihre Freundschaft wurde oft in Frage gestellt. Zu unter-schiedlich waren sie trotz ihrer Gemeinsamkeiten. Doch gerade in solchen kritischen Au-genblicken faßten sie immer wieder beide den Entschluß, sich treu zu bleiben - dem anderenzu vertrauen und auf die Freundschaft zu setzen, die alle Schwierigkeiten uberwindet.”

Kennen Sie solche Momente, wo Sie auf die Freundschaft gesetzt haben, trotz allerProbleme? Kennen Sie die Momente des Vertrauens, wo Sie sich einlassen auf die Freund-schaft des anderen, daß er Ihnen gut gesinnt ist und sie nicht hangen laßt? Um diese Artvon Glauben wird es gehen, wenn wir uber den ”großen” Glauben reden - und von derletzten Reihe im Reich Gottes.

Tipps fur diese Woche:1) Versuchen Sie sich in der Freundschaft. Pflegen Sie eine alte Freundschaft - und

suchen Sie eine neue in dieser Woche.2) Denken Sie einmal daruber nach, was es mit der Freundschaft zu Gott auf sich

haben konnte!

1.5.2 Von großem Glauben (Matthaus 15, 21-28)

”Und Jesus zog sich zuruck in die Gegend von Tyros und Sidon. Und eine kanaanaischeFrau kam zu Jesus aus dem Gebiet. Und sie sprach ihn an: Ach, Herr, du lange verspro-chener Sohn von Gottes Diener David! Erbarme dich meiner Tochter, sie leidet sehr untereiner unbekannten Krankheit. Aber Jesus sprach kein Wort mit ihr. Und seine Jungerkamen zu ihm und baten ihn: laß sie gehen! Denn sie schreit uns nach. Er aber sagte zuihnen: ihr wißt, daß mein Auftrag ist, zum Volk Israel zu gehen und die Menschen zuGott zu bringen, die verloren sind, nicht mehr! Die Frau aber kam und warf sich vor ihmauf den Boden und sprach: Hilf mir! Er aber sagte zu ihr: es ist nicht in Ordnung, wennein Vater seinen Kindern das Essen vom Teller nimmt, um es den Haustieren zu futtern.Sie sagte: Herr, du hast recht. Und doch fressen die Haustiere das, was die Kinder fallengelassen und ausgespuckt haben. Da antwortete Jesus und sagte zu ihr: Dein Glaube istgroß! Es soll so geschehen, wie wie du es willst. Und ihre Tochter wurde gesund zu dieserStunde.” (Matthaus 15, 21ff)

30 Die Bibel fur Menschen von heute ...

Die Geschichte von Matthaus 15 mochte uns einiges klarmachen uber das Leben, uberden Glauben und uber die Bedeutung der letzten Reihe!

1. Das Leben. Das Leben fangt dort an, wo wir vor Gott zum Bittsteller werden.Fur uns hat dieses Wort Bittsteller heute einen eher negativen Klang - doch so ist dasnicht gemeint. An anderer Stelle wird von der ”Kindschaft” geredet. Solche Kinder Gottessind Menschen, die Gott in seiner Große erkennen und die um sich selbst wissen. Jesussagt selbst: ”Wenn ihr nicht wie die Kinder werdet, konnt ihr nicht in das Reich Gottesgelangen.” Darum gehen sie zu dem, der allein das Leben ist, zu Jesus Christus. Die Frauin unserem Gleichnis ist ein solcher Mensch. Sie erkennt das Leben: Jesus, den verheißenenSohn des Davids.

2. Der freundschaftliche Glaube. Die Frau hat diesen freundschaftlichen Glauben,den wir im ersten Teilabschnitt geschildert haben. Sie vertraut fest darauf, daß Gott sienicht leer ausgehen laßt, daß sie sich auf Jesus verlassen kann. Sie vertraut darauf, obwohldies nicht durch Recht oder Anspruche abgedeckt ist. Das ist Freundschaft. Das ist derfreundschaftliche Glaube, den Jesus bei uns sucht.

3. Die letzte Reihe: von großem Glauben. Die Frau stellt sich selbst in die letzteReihe. Sie erkennt und sagt klar, daß andere zuerst kommen! Sie drangt sich nicht nachvorne, um die anderen auszustechen. Aber doch vertraut sie darauf, daß bei Gott die letzteReihe einen uberwaltigenden und machtvollen Reichtum bedeutet, der fur sie vollauf genugist. Das ist großer Glaube, der nach Gottes Herzen ist.

1.5.3 Seid aller anderen Diener! ... - wie macht man das?

Wir haben gerade uber die letzte Reihe gesprochen. An anderer Stelle sagt Jesus seinenJungern: wer der großte unter euch sein will, der soll der letzte sein und aller Diener!(Markus 9)

Wie macht man das heute: Diener sein? Dienerin sein? Wir haben einige Gedankenzusammengestellt, was das dienen heute bedeuten kann - und was es nicht bedeutet.

Dienen bedeutet:

+ auf ein wenig Vergnugen zu verzichten, um eine andere Art von Vergnugen zu gewinnen:die Erfahrung, einem anderen ohne Eigennutz helfen zu konnen.+ ein Stuck Berechnung aufzugeben und nicht zu erwarten, etwas wiederzubekommen, umdie Freiheit zu spuren, die aus diesem Dienst entspringt.+ auch auf diese indirekten Belohnungen zu verzichten, um sich ganz auf Gott einzulassen,der uns ein wahrer Freund sein will.+ das eigene Leben nicht hoher zu schatzen als das eines jeden anderen Menschen. Jedersoll das Notwendige bekommen und jedem soll ein Leben in Geborgenheit und Vertrauenermoglicht werden.

Roland Potthast 31

Dienen bedeutet n i c h t:

+ allen immer alles recht machen zu wollen.+ immer nur einzustecken.+ ungerechte Anspruche widerspruchslos zu dulden.+ sich immer oder meistens ausnutzen zu lassen.+ sich selbst schlecht zu behandeln oder schlecht behandeln zu lassen.+ anderen nicht an passender Stelle die klare Wahrheit zu sagen, auch wenn sie unange-nehm ist.+ andere immer nur lieb und nett zu behandeln.+ Rechtsbruche ungestraft zu lassen.+ sich immer allem und jedem einfach unterzuordnen.

Dienen kann bedeuten:

+ auf Verantwortung in bestimmten Dingen zu verzichten, aber auch:+ Verantwortung zu ubernehmen im Kleinen und im Großen.+ auf Macht bewußt zu verzichten, aber auch:+ Macht bewußt auszuuben und darin Jesus treu zu bleiben.+ dem Lebenspartner in den alltaglichen Dingen zur Hand zu gehen, aber auch:+ den Lebensparner bestimmte Aufgaben erledigen zu lassen.

Dienst im Sinne des neuen Testaments ist immer zuerst ein Leben in der Freiheit undin der Freundschaft Jesu Christi, gebunden an ihn und seine Worte.

1.5.4 Wort beim Wein: Bereit fur ein Leben mit Gott?

Wir haben so viel uber Dienst gesprochen - das hat zu tun mit einem Leben mit Gott.Beim letzten Treffen ging es um das Verstehen der Gleichnisse ... und auch dort sind wirauf die Frage gestoßen: wie ist das mit unserem Leben? In welchem Verhaltnis stehen wirzu Gott?

Ich mochte die Frage einmal anders stellen: sind wir bereit fur ein Leben mit Gott?Bin ich es? Sind Sie es?

Bitte geben Sie keine schnelle Antwort. Denken Sie einmal in einer ruhigen Stundedaruber nach - vielleicht bei einem Glas Wein oder mit einem Spaziergang. Reden Sieeinmal mit einem Freund daruber: bin ich bereit fur ein Leben mit Gott?

Vielleicht haben Sie durch christliche Freunde, Bucher, Webpages, Emails oder dasEvangeliumsnetz schon einiges uber dieses Leben mit Gott mitbekommen. Sie wissen alsozumindest ein wenig, was das eigentlich bedeutet, oder?

Fragen Sie sich einmal, ob sie dazu bereit sind, mit diesem Gott durch das Leben zugehen. Fragen Sie sich, ob Sie Gott Ihr Leben voll und ganz anvertrauen wurden. Wenn Siediese Frage mit Ja beantworten konnen, dann mochte ich Sie fragen: haben Sie das dennschon getan? Haben Sie Gott ihr Leben anvertraut und vertrauen Sie sich ihm taglich neuan?

32 Die Bibel fur Menschen von heute ...

Machen Sie es jetzt (wieder neu) fest! Das Vertrauen verdient es, taglich ausgesprochenund taglich erneuert zu werden. Gott hat dies schon lange ausgesprochen, indem er sagt:siehe, meine Gute ist jeden Tag neu! Vertrauen ist ja keine einmalige Aktion, sondern einZustand. Aber Vertrauen braucht immer wieder auch klare Entscheidungen.

Wenn Sie noch zogern, lassen Sie sich nicht zu sehr drangen. Raumen Sie in aller RuheIhre inneren Bedenken aus dem Weg. Aber bedenken Sie auch:

Vertrauen ist immer ein Wagnis.Freundschaft braucht immer Mut!Liebe braucht taglich den Mutein klares Ja zu sagen zum anderen!

1.6 Mit Jesus leben ... - große und kleine Schritte (Matthaus 16 & 17)

1.6.1 Fur Eilige: im Zentrum der Liebe

Was bedeutet das Leben mit Gott? Was ist das Wesentliche? Und wie sieht dieses Lebenaus?

Das Wesentliche des Lebens mit Gott ist die Liebe. Wer Gott kennenlernt, der lerntdie Liebe kennen - und bei einem Leben mit Gott macht ein Mensch einen Schritt hineinin dieses Zentrum ... hinein in das Zentrum der lebendigen und ursprunglichen Liebe.

Jeder Mensch kennt die Liebe ... zumindest wurden die meisten Menschen das wohl vonsich behaupten. Wir Menschen sind zur Liebe gemacht, im korperlichen Sinne genauso wieim Sinne unserer gesamten Personlichkeit: zur Liebe zwischen Mann und Frau, zur Liebezu den Mitmenschen und zur Liebe zu Gott, dem Schopfer und Vater.

Und doch ist die Liebe Gottes noch etwas viel Tiefergehendes, als wir uns das denkenkonnen. Hier begegnen wir nicht nur einem liebenden Wesen - hier begegnen wir demUrsprung und der Quelle aller Liebe selbst - und einer Liebe mit einer unubertroffenenFreiheit, Reinheit, Intensitat und Tiefe.

Die Liebe Gottes ist an die Wahrheit und das Recht gebunden und fullt beide vollaus. Diese Liebe ist voller Barmherzigkeit und Wahrhaftigkeit ... geradezu unfaßbar unduberwaltigend. Ein Leben mit Gott kann von dieser Quelle nehmen und geben ...

1.6.2 Schritte beim Leben mit Jesus

Die Begegnung mit der Liebe Gottes lebt nicht im Abstrakten. Ganz konkret hat Jesusseine Nachfolger durch verschiedenste Situationen gefuhrt ... und sie so weiter hinein indie Liebe und Wahrheit Gottes gebracht.

Wir wollen anhand der Abschnitte von Matthaus 16 und 17 einige Bestandteile diesesLebens mit Jesus Christus kennenlernen.

1) Uberwindung des Zweifels (Matth.16, 1-12). Vertrauen kann nicht durchBeweise gewonnen werden. Vertrauen muß gewagt werden aufgrund der Worte und desCharakters eines Menschen ... oder Gottes! Darum ist es ein verkehrtes Geschlecht, welchesdas Vertrauen auf Zeichen grunden will - es geht grundsatzlich vorbei am Wesen Gottes

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und am Wesen der Liebe! Es ist ein kleiner (und doch auch großer) Schritt des Lebens mitJesus, dieses wichtige Fundament der Liebe zu verstehen und zu betreten.

2) Einblick in tiefere Zusammenhange (Matth. 16, 13-20). Petrus erkennt undbekennt Jesus als den Christus, den heilenden Sohn Gottes. Auch dieses ist ein wichtigerkleiner (und wesentlicher) Schritt eines Lebens mit Jesus. Es ist eine Frage der Wahrheitund des personlichen Anteils an der Wahrheit, Jesus als den zu sehen und zu bekennen,der er ist.

3) Bereitschaft zum vollen Einsatz (Matth. 16, 24). Jesus sagt: ”Will mir je-mand nachfolgen, der verleugne sich selbst.” Konkret heißt das: wichtig ist Jesus, ich selbstbin nur, insofern ich an Jesus einen Anteil habe! Das ist ein weitreichender Schritt im Le-ben mit Jesus - und doch auch so elementar, daß man ohne einen Anfang darin kaumetwas von dem wirklichen Jesus mitbekommen wird. Es ist ein Merkmal der Liebe, sichzu verleugnen um des anderen willen. Die Liebe uberwindet die falsche Perspektive einesMenschen, der sich selbst im Mittelpunkt sieht ... und stellt den Geliebten in den Mit-telpunkt. Und in der Begegnung mit dem anderen findet sich der Liebende wieder selbstim Mittelpunkt - durch die Liebe, die ihm erwiesen wird.... nur um diese Aufmerksamkeitselbst wieder weiterzugeben an den anderen, um wieder herauszutreten aus der Mitte unddem anderen den vollen Raum einzuraumen ... Die Selbstverleugnung ist die treibendeKraft des wundervollen belebenden Wechselspiels der Liebe.

4) Meine Identitat (Matth. 16, 25). Das Wechselspiel der Liebe findet sich auchin der Frage meiner Identitat ... der Frage danach, was ich bin. ”Wer sein Leben findet,der wird es verlieren” sagt Jesus.

Wer sich nicht verlieren will, der geht verloren - weil er die Liebe nicht verstehen kannund will.

Und Jesus sagt: ”wer sein Leben verliert um meinetwillen, der wird es finden.” Hierbindet Jesus das Leben nicht nur an die Liebe, sondern auch an ihn selbst. Er selbst i s t dieLiebe - die ursprungliche Liebe in Wahrheit und in tiefem Leben. Jesus sagt hier, daß seineWorte nicht nur eine Lebensphilosophie beschreiben (wie man bei den tiefsinnigen Wortenuber die Liebe denken konnte). Es geht um Wahrheit und Kraft - einer ursprunglichenLebenskraft, an der wir durch unser Leben mit Jesus Anteil bekommen.

5) Die richtige Wahrung (Matth. 16, 26+27). Womit kann ein Mensch seine Seeleauslosen? Wo bekommt ein Mensch eine Wahrung, mit der er in Lebensfragen bezahlenkann?

Die richtige Wahrung des Lebens heißt Jesus Christus ... heißt ”Glaube” an JesusChristus. Dieser Glaube ist die Substanz, aus dem das Leben mit Jesus gemacht ist ... unddieser Glaube ist der Gang durch die Turen und Vorhange, die uns vom Leben trennen.

6) Grenzen uberwinden (Matth. 17, 1-13). Die Junger sehen in einer Vision,einem Traum, einem Bild den schneeweißen verklarten Jesus.

34 Die Bibel fur Menschen von heute ...

Ist das Ausnahme und einmaliges Ereignis? Nein, dieser Blick der Junger ist ein tieferBlick in die Wahrheit. Er ist ein Blick quer durch die oft so undurchdringlichen Schranken,die unser Erkennen, Denken und Leben behindern.

Es gehort zum Leben mit Jesus, die Grenzen unseres Denkens zu uberwinden undJesus auch heute in seiner ganzen Herrlichkeit sehen zu lernen. Das apostolische Glau-bensbekenntnis nimmt diese umfassende Macht Jesu in den Blick: ”.. er sitzt zur RechtenGottes. Von dort wird er kommen, um die Lebenden und Toten zu richten.”

7) Moglichkeiten und Schwierigkeiten (Matth. 17, 14-23). ”Oh du unglaubigesund verkehrtes Geschlecht, wie lange soll ich bei euch sein?” fragt Jesus seine Junger. Unddann: ”Wenn ihr Glauben habt wie ein Senfkorn ...”

Zum Leben mit Jesus gehoren die Moglichkeiten Gottes und unsere Schwierigkeiten,die Wahrheit und Wirklichkeit zu erfassen und in unserem Leben Wirklichkeit werden zulassen.

Zum Leben mit Jesus gehoren die kleinen und großen Schritte, mit dem Glauben undGottes Macht taglich kleine und große Erfahrungen zu machen.

8) Leben im Umgang mit kirchlichen Strukturen (Matth. 17, 24-27). Kaumhat ein Mensch neu begonnen, Gott zu entdecken und mit Jesus Christus zu leben, kom-men die kirchlichen Strukturen und erheben ihre Anspruche. In der Geschichte von derTempelsteuer wird das ganz praktisch erzahlt.

Von wem nehmen die Konige auf Erden Zoll und Steuern? fragt Jesus. Und stellt fest:so sind die Kinder frei! Die Freiheit der Kinder ... das ist die Freiheit der Liebe.

Jesus gibt ein ungeheures Vorbild fur diese Freiheit der Liebe - auch zur Kirche, jasogar zu einer Kirche, die zu Unrecht Anspruche stellt. Er weist die Anspruche zuruck ...und zahlt dann dennoch.

Das Leben mit Jesus wird auch ein Leben mit anderen Christen und mit ganz unter-schiedlichen Formen von Kirche (also von Gemeinschaft von Christen) sein. Nur die LiebeJesu wird uns die Kraft geben, in dieser Gemeinschaft auf Dauer zu leben, wirkliche tiefeGemeinschaft zu finden und zu erhalten.

1.6.3 Perspektive: Modernes Deutschland

Im folgenden finden Sie einige Entwurfe christlichen Lebens und Glaubens fur ein modernesDeutschland. Es handelt sich um eine kleine Auswahl von Skizzen. Lassen Sie sich einfacheinmal mit hineinnehmen in Visionen, was der Geist Gottes unter uns bewirken kann.

An den Straßenecken. Und an warmen Sommerabenden spielten sie neue und alteAnbetungslieder an den Straßenecken ... und die Menschen blieben stehen, horten zu odersangen mit.

Jesus loves me. Ein Mann im dicken BMW hielt am Straßenrand. Wahrend er aus-stieg, brummelte er leise vor sich hin. ”Das kann doch nicht so weitergehen. Da muß ichdoch einfach mal anhalten, Jesus.” Der altere Herr schlenderte zu dem Penner an derEcke und sprach ihn an. ”Sag mal, hast du schon gegessen heute Abend? Ich lade dich

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ein - es gibt da einen guten Italiener um die Ecke.” Und einen Augenblick spater konntendie anderen Passanten die beiden gemeinsam mit dem BMW um die nachste Straßeneckebiegen sehen. Und sie entdeckten auch den kleinen Aufkleber uber dem Nummernschild:Jesus loves me ... and you!

Sag mal, Susi, du hast die verandert. ”Sag mal, Susi, irgendwie hast du dichverandert.” meinte die hubsche junge Dame im Straßencafe zu ihrer Freundin. ”Was meinstdu denn, Beatrice?” Susi beugte sich aus Interesse ein wenig vor, um Beatrice besser folgenzu konnen. ”Nun, du bist soviel geloster als noch vor einiger Zeit. Wie kommt das nur...?” Susi strich sich mit der Hand ihre langen Haare aus der Stirn. ”Ja, weißt du ...”- einen Augenblick zogerte sie, nach passenden Worten suchend. ”Es sind alle gelosterund freundlicher geworden, seit wir mit Jesus leben, findest du nicht?” Beatrice nickte,wahrend ihr klar wurde, wie sehr Susi hier ins Schwarze getroffen hatte. Dieses Land hattesich wirklich verandert durch den lebendigen christlichen Glauben.

Auch der Haß auf die Ungerechtigkeit verzerrt die Zuge. Karl war seit Jugendals faul verschrien. Schon im Kindergarten ließ er sich nur schwer dazu bewegen, aktivund mit Initiative irgendetwas Sinnvolles zu tun. Diese Wesensart hatte sich in der Schulefortgesetzt und brachte Karl nicht viel Vergnugen mit Noten und dem Urteil seiner Lehrerund Eltern. So schloß er sich bald einer Truppe von Prahlern und Unruhestiftern an,einfach weil er dort nichts zu tun brauchte, um etwas zu gelten. Karl war inzwischen 15und auf dem besten Weg, aus der Schule herauszufliegen wegen seiner schlechten Notenund seines Verhaltens.

An diesem Morgen war die erste Stunde der Deutschunterricht. Werner Fassner unter-richtete die Klasse seit zwei Jahren - und er hatte es kaum erlebt, daß Karl seine Aufgabenauch nur halbwegs ordentlich erledigt hatte. Doch diesmal war alles anders. ”Wer mochteetwas uber die Literatur im zweiten Weltkrieg erzahlen?” ”Ich mochte!” meldete sich Karl.Und wahrend Werner Fassner noch mit seinem Erstaunen beschaftigt war, begann Karlzu erzahlen, was er am Abend vorher gelesen hatte - zu aller Kronung waren es Zitateaus dem Lehrbuch. ”Auch der Haß auf die Ungerechtigkeit verzerrt die Zuge.” Zitate vonBerthold Brecht. ”Wissen Sie”, begann Karl zu erzahlen. ”das kenne ich. Ich kenne diesenHaß - auf die Leute, die mich nicht schatzen. Ungerecht finde ich das! Aber es macht michnicht hubscher, wenn ich daruber in Rage gerate. Und es nutzt auch nichts. Es ist ja nichtmein Fehler.”

Werner Fassner war Profi genug, um sich vor der Klasse nichts anmerken zu lassen.Aber er war doch etwas verstort. Da Karl recht ruhig schien, fragte er nach: ”wie kommstdu denn darauf?”.

”Wollen Sie das wirklich wissen?” fragte Karl. ”Das geht nicht in einem Satz.” UndKarl wunderte sich offensichtlich selbst uber seinen Mut, hier vor der Klasse solche Themenanzuschneiden. ”Erzahl, wir haben Zeit”, entschied Werner Fassner, der sich etwas wiedergefangen hatte.

Und dann begann Karl von den letzten Tagen und Wochen zu erzahlen. Er hatteeinige uberzeugte junge Christen kennengelernt. Und diese Jugendlichen hatten ihm eineBegegnung mit Jesus ermoglicht. Eigentlich war es zuerst nur ein Lesen der Bibel gewesen.

36 Die Bibel fur Menschen von heute ...

Aber bald schien es Karl, als wurde Jesus aus dem Buch heraussteigen, und ganz lebendigin sein Leben hineintreten. Und er begann, etwas mehr von sich selbst zu verstehen. Erentdeckte den Haß, von dem auch Bert Brecht etwas zu sagen wußte. Und viele Blockadenfielen von ihm ab, so daß er seine Geschichte jetzt sogar vor der ganzen Klasse vollerBegeisterung erzahlen konnte.

In der Pause nach dieser Stunde war Karl umlagert von einigen Mitschulern. Sie woll-ten einfach mehr horen. Einige fanden seinen Mut cool. Karl stand mit einem mal imMittelpunkt, nur weil er wirklich etwas ernsthaftes v o n s i c h erzahlt hatte, weil er dieMauern eingerissen hatte, die selbst die Teens schon voneinander trennt.

1.6.4 Wort beim Wein: Bibelverstaendnis und Erkenntnistheorie

”Bibelverstandnis ...”Die Bibel ist ein tiefes Buch - und schon viele einfache und gelehrte Leute haben

versucht, sie zu verstehen und nach ihr zu leben.Die Bibel zu verstehen hat seine ganz eigenen Schwierigkeiten. Dies merkt jeder auf-

merksame Leser schnell und unausweichlich. In Tausenden von Jahren sind die Texte ent-standen. Die Kulturkreise haben sich verandert ... und selbst bei Kenntnis des gesellschaft-lichen Umfelds einer Passage treten schnell weitere Fragen und Verstandnisschwierigkeitenauf.

”Erkenntnistheorie ...”Erkenntnistheorie beschaftigt sich mit dem menschlichen Verstehen. Sie fragt, was

der Mensch von sich und der Welt erkennen kann, wie er Erkenntnis gewinnt und wieErkenntnis gesichert wird. Es geht dabei sowohl um ganz praktische Techniken als auchum die philosophischen Grundlagen - um die Kritik der Vernunft und des Verstandes.

In der Bibel selbst beschaftigen sich einige der Texte direkt oder indirekt mit dem Er-kennen. Große Teile des neuen Testaments sind sogar aus dem Grund geschrieben worden,Menschen zu der Erkenntnis bestimmter Sachverhalte und zu der Begegnung mit einemMenschen zu fuhren: mit Jesus Christus. Das neue Testament hat viel mit dem Erkennenzu tun.

”Herausforderungen ...”Eine moderne Erkenntnistheorie, die auch die biblischen Texte angemessen erfassen

will, muß sich mit den inhaltlichen Erkenntnisaussagen der Bibel beschaftigen. Sie mußsich etwa mit dem Anspruch auseinandersetzen:

”Denn die Juden fordern ein Zeichen, und die Griechen fragen nach Weisheit, wir aberpredigen den gekreuzigten Christus, den Juden ein Argernis und den Griechen eine Torheit;denen aber, die berufen sind, Juden und Griechen, predigen wir Christus als Gottes Kraftund Gottes Weisheit.” (1.Kor.22 ff)

Diese Rolle Jesu zu erfassen, ist eine ungeloste und herausfordernde Aufgabe fur eineanalytischen Philosophie, die dem christlichen Glauben wirklich mit Verstandnis begegnenwill. Haben wir eine Vorstellung davon, wie der heilige Geist unser Erkennen verandert?Wie wirkt er ein auf Logik und Begriffsbildung, auf Wahrnehmung und das identifizie-ren von Zusammenhangen? Welche Modelle und Vorstellungen nutzen wir, wenn wir uber

Roland Potthast 37

unser eigenes Erkennen nachdenken? Mußte es nicht so etwas wie eine christliche Erkennt-nistheorie geben, welche die erkenntnisbezogenen Aussagen der Bibel in geeigneter Weiseerfaßt? Geben uns die analytischen Ansatze des 20. Jahrhunderts hier neue Moglichkeitenund neue Ideen?

Philosophie und Glaube. Die Geschichte der europaischen Philosophie ist in weitenTeilen eng verknupft mit den theologischen Grundfragen, auf die wir auch heute mit derBibel geraten. Das liegt u.a. daran, daß uber 1000 Jahre die Philosophie als Magd derTheologie (ancilla theologicae) verstanden wurde.

Viele Fragen sind in der Geschichte schon aufgegriffen, viele Antworten schon in denEpochen europaischer Geistesgeschichte durchgedacht worden. Es kann fur den wachenund philosophisch interessierten Christen von heute sehr nutzlich sein, sich mit diesenGrundfragen und Grundaussagen zu beschaftigen. Nicht, daß wir so Gott finden konnten.Nicht, daß dies unser Leben zur Erfullung fuhren wurde. Man findet die Quelle des Lebensnicht durch die Philosophie - das macht das neue Testament unmißverstandlich klar. Aberes schutzt vor Uberheblichkeit und Irrtumern, wenn man sich die kritischen Fragen auszwei Jahrtausenden ansieht und die unterschiedlichen Konzepte kennenlernt.

Die heutige Welt kann man verstehen, wenn man ihr Wachstum und ihr Entstehenkennenlernt. Es ist nicht etwas fur jedermann, denn ein Mensch benotigt hier Interesse undBegabung. Wir durfen uns freuen, daß es eben nicht das Wissen ist, daß einen MenschenGott nahe bringt. Es ist nicht das Wissen, das einen Menschen mit der Quelle des Lebensverbindet. Und doch kann Wissen fur den Begabten schon sein wie die Musik, wie Sinfonienoder die Pop-Alben und Pop-Konzerte der Gegenwart, weiterfuhrend wie die Dichtung oderdie Malerei. Wissen ist gut, solange es nicht zum Abgott wird fur uns!

Zur tiefliegenden Positionsbestimmung gehoren die Klassiker des Platon und Aristo-teles, die Stoiker, Epikureer und Skeptiker, aber auch die alten Schriften des Hinduismusund Buddhismus. Dazu gehoren die Werke der Kirchenvater wie Augustinus (Patristik),der Zeit des Mittelalters und der Scholastik, Grundung der ersten Universitaten, AlbertusMagnus und Thomas von Aquin, Dante und Roger Bacon, die Zeit der Reformation mitLuther, Calvin und anderen, Nicolaus Cusanus, Giordano Bruno, Francis Bacon, JakobBohme, Descartes, Leibnitz, Pascal, Spinoza, Newton, die Aufklarung mit Locke, Berkeley,Hume, Voltaire, Rousseau, Friedrich dem Großen, Immanuel Kant, Romantik und Idealis-mus mit Herder, Fichte, Schelling, Hegel, die Zeit des Positivismus und Materialismus mitComte, Spencer, Feuerbach und Marx, dann Schopenhauer, Kierkegaard und Nietzsche,schließlich die Existenzphilosophie, Phanomenologie, Sprachphilosophie, die evolutionarenTheorien und Systeme, kritischer Rationalismus, Konstruktivismus, Utilitarismus, Diskur-sethik, Logik, analytische Philosophie und vieles mehr im 20. Jahrhundert.

38 Die Bibel fur Menschen von heute ...

1.7 Kriege, Klugheit und Barmherzigkeit ... - die große Perspektive(Matthaus 22 bis 25)

1.7.1 Fur Eilige: nun mal langsam ...!

Das neue Testament hat einiges zu bieten. Es nimmt uns mit hinein in die Welt Jesuund der ersten Christen. Sie haben sicher bemerkt in den bisherigen Abschnitten desBibelseminars, daß dem aufmerksamen Leser der Bibel einiges zugemutet wird. ”Nun mallangsam!” werden einige sagen: ”Immer mit der Ruhe!” Genau darum soll es gehen imBibelseminar des Evangeliumsnetzes. Wir sehen uns der Reihe nach die Bibel an - mit Ruheund Ausdauer. Wir versuchen, einen Zugang zu den Texten zu bekommen. Dazu gehortes, mal naiv den Gedankengangen zu folgen, dann wieder einen Schritt zuruckzutretenund sich die Worte Jesu im Zusammenhang anzusehen. Diese Woche geht es um meineGerechtigkeit und um die große Perspektive der Welt und des Glaubens.

Tipps fur diese Woche:1) Fragen Sie sich, ob sie selbst auch manchmal zu den Narren und Blinden gehoren,

die Jesus in Matthaus 23 so derb zurechtweist.2) Machen Sie sich Gedanken daruber, ob und wie Sie in der großen Perspektive vor

Gott bestehen konnen.

1.7.2 Bin ich gerecht? Warnungen! - Matthaus 23

Matthaus 23 enthalt harte und weitreichende Worte Jesu: Weh euch ...! ruft er viele Ma-le. Und er benennt Verhaltensweisen, die sich katastrophal auf unser Verhaltnis zu Gottauswirken. Er nennt zerstorerische Verhaltensweisen, die einen Menschen und andere Men-schen von Gott trennen und fernhalten. Bitte lesen Sie einmal Matthaus 23 und fragenSie sich, ob das ein oder andere nicht auch auf Ihr Verhalten zutreffen konnte!

Vielleicht fuhlen Sie sich schuldig. Dann gibt es zwei Dinge zu sagen: 1. Kehren Sieum und andern Sie Ihr Verhalten. 2. Bekennen Sie ihre Schuld vor Gott - und Sie durfendarauf vertrauen, daß Gott Ihre Schuld vergibt!

Vielleicht fuhlen Sie sich aber auch nicht schuldig. Vielleicht tun Sie sogar viel furdie christlichen Helden, verehren Sie und denken, daß Sie selbst in der Tradition derguten Menschen leben. Dazu sagt Jesus: ”Weh euch ..., die ihr den Propheten Grabmalerbaut und die Graber der Gerechten schmuckt, und sprecht: Hatten wir zu Zeiten unsererVater gelebt, so waren wir nicht mit ihnen schuldig geworden am Blut der Propheten!Damit bezeugt ihr euch selbst, daß ihr Kinder derer seid, die die Propheten getotet haben.Wohlan, macht das Maß eurer Vater voll!”

Wir wollen uns um das Verstandnis dieser Worte bemuhen. Warum trennt es mich vonGott, wenn ich mich als guten Menschen sehe?

Es trennt mich nicht von Gott, wenn ich mich als guten Menschen sehe, sondern es zeigtnur, wie sehr ich von Gott getrennt bin. Das liegt daran, daß kein Mensch im Angesichtder Heiligkeit und Liebe Gottes bestehen kann - jeder ist vollig verdorben. Im AngesichtGottes entdecke ich diese Verlorenheit und Verdorbenheit - und erst damit beginnt meine

Roland Potthast 39

Heilung. Im Angesicht Gottes sehe ich, daß ich auch wie die anderen Menschen gehandelthatte ... mit der gleichen Gleichgultigkeit, Blindheit und Bosheit!

Es gehort zu den Paradoxien des christlichen Denkens, daß ich Gerechtigkeit erst er-lange, wenn ich meine Ungerechtigkeit entdecke und bekenne. Darin liegt eine tiefe undfast unauschopfliche Wahrheit.

1.7.3 Die große Perspektive - Matthaus 24 + 25

In den Kapiteln 24 und 25 seines Evangeliums stellt Matthaus Worte Jesu zu der großenPerspektive des Lebens zusammen. Er berichtet von Kriegen, Erdbeben, Hungersnoten -von der Geschichte der Menschheit von Christus bis heute. Jesus spricht die Treue undGeduld an, die im Leben eines Christen eine wesentliche Rolle spielt. Ohne das geduldigeWarten wird niemand Gott sehen. Das wird in den Gleichnissen vom treuen und vombosen Knecht und auch im Gleichnis von den Jungfrauen erzahlt. Ohne Geduld kann mandas Reich Gottes nicht erben.

Jesus nimmt auch das Ende dieser Welt in seinen Blick - in einer riesigen Perspektivestellt er uns quasi mitten hinein in das Geschehen am Ende, in die Zeit, wo Gott demTreiben der Bosen und Guten ein Ende bereitet, um seine Herrschaft zu vollenden.

Die Erzahlungen vom Weltgericht reichen weit uber unser Fassungsvermogen. Konnenwir uns diese Geschichten zeitlich vorstellen? Unsere Welt ist doch so derart kontinuier-lich und durch die Naturgesetze verlaßlich ..., wie kann es sein, daß plotzlich die ganzeGeschichte der Menschheit ein Ende haben soll? Oder sollen wir diese Geschichten alsreine Parabel verstehen, die uns etwas uber Gott sagt? Das allein ist sicherlich nicht ge-meint, sondern die Bibel redet hier von einer Zukunft, die jeden Menschen spatestens mitdem Zeitpunkt seines Todes erreicht. Und gerade dort ist und bleibt das Reden uber dasDanach und Dahinter unserem Verstehen entzogen.

Aber wir konnen die Teile der Texte begreifen, die uber Gottes Maßstabe und GottesWesen erzahlen. Wir konnen Gottes unendlich liebevolle Solidaritat entdecken, der sich mitdem Geringsten zu 100% identifiziert. Bei jedem Menschen dieser Welt haben wir es mitGott selbst zu tun, und jedes unserer Worte bestimmt unser Verhaltnis zu dem Herrn derHerren und Schopfer der Welt und ihrer Kreaturen. Es wird daher unsere eigene Barmher-zigkeit sein, die uber unser Schicksal entscheidet. Barmherzigkeit ist das zentrale Themades Endgerichts - und es ist ein wesentliches Thema fur das gesamte neue Testament.

• Das neue Testament ist auf die Barmherzigkeit Gottes gegrundet: ein neuer Bund,ein neuer Vertrag mit dem einen Inhalt: Barmherzigkeit!

• Die Barmherzigkeit ist der Inbegriff der Liebe Gottes - so wie er sie in seinem SohnJesus gelebt und gezeigt hat.

• Die Barmherzigkeit ist der reinste Ausdruck des Glaubens an Jesus Christus unddas Zeichen der Gemeinschaft mit ihm.

40 Die Bibel fur Menschen von heute ...

1.7.4 Wort beim Wein: Wann, wie, warum Begrundungen?

Wie sieht es aus mit dem Seminar? Was lernst du? Ist es wissenschaftlich? Welche Be-grundungen werden fur die Thesen gegeben?

Lassen Sie uns beim Wein uber die Begrundungen fur die Texte und Aussagen desSeminars reden. Manchen sind die Gedanken schon zu kompliziert, zu wissenschaftlich, zuphilosophisch. Andere mochten gerne mehr Begrundungen, mehr Diskurs, mehr Theologie.

Das Ziel des Seminars sind nicht zuerst Begrundungen. Es geht darum, thematischeinleitende Impulse zu geben. Es sollen Schwerpunkte gesetzt werden - anders kann mandie Bibel auch nicht in so kurzer Zeit angehen und so im Uberblick und Zusammenhangkennenlernen.

Begrundungen sind eine wichtige Sache. Es ist wichtig, daruber nachzudenken, warumdie Dinge so sind, wie sie behauptet werden. Wer nicht nachdenkt und nach Begrundungensucht, der kann sehr schnell unwissend in die Irre laufen. Darum ist es auch wichtig, sichder Kritik zu stellen und offen fur Korrektur zu sein. Das ist genauso wichtig wie dieStandhaftigkeit und Treue zu Gottes Worten.

Begrundungen bemuhen sich in der Regel, eine Sache auf andere Dinge zuruckzufuhrenoder in einen Zusammenhang zu stellen. Welcher Mensch eine Begrundung als stichhaltigoder wasserdicht ansieht, ist nicht von vornherein klar. Es kommt auf den personlichenStandpunkt, das Vorwissen, Ausbildung, Charakter, Erfahrung und vieles mehr an.

Wenn Sie auf der Suche nach Begrundungen sind, fragen Sie bitte im Bibelgesprachs-kreis oder im Thelogenforum des Evangeliumsnetzes konkret nach! Bei konkreten Fragenkann man sich Gedanken daruber machen, was die Voraussetzungen der Frage sind und wieeine Antwort aussehen kann. Nur Mut, einer der Grundsatze des Evangeliumsnetzes ist dieOffenheit fur Fragen und das Bemuhen vieler unterschiedlicher Christen und Theologenum Antworten und Gemeinschaft.

1.8 Manches Ende ist ein Anfang ... - Kreuzigung und Auferstehung(Matthaus 26 bis 28)

1.8.1 Fur Eilige: Manches Ende ist ein Anfang ...

Wer war und ist Jesus? Auf diese Frage geben die Berichte von seinem Tod und seinerAuferstehung eine zentrale Antwort.

Jesus ist der heilende Sohn Gottes, der im Auftrag Gottes die Schuld der Welt auf sichnimmt. Als Unschuldiger ubernimmt er die Todesstrafe, die der heilige Gott den Menschenauferlegt ihrer Schuld, Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit wegen.

Jesus stirbt am Kreuz. Dort am Kreuz findet sich der Angelpunkt der Welt bis heute.Dort am Kreuz ist jener archimedische Punkt, an dem die Welt aus den Angeln gehobenwird: der Weg zu Gott ist wieder frei und Gottes Liebe ist dort fur jeden Menschenzuganglich.

Als ein Siegel dieser Wahrheit und als Zeichen der Treue Gottes wird die AuferstehungJesu zum offentlichen Ereignis und zur Botschaft: Jesus wird am dritten Tag auferwecktvon den Toten.

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Die Auferstehung ist keine zahnlose alte Geschichte, sondern die lebendige Macht Got-tes bis heute! Der Tod Jesu ist nicht das Ende, sondern dieses Ende ist ein Anfang:

a. der Anfang des neuen Lebens Jesu - Jesus ist der Anfang einer neuen SchopfungGottes, an dem er den Menschen Anteil geben will.

b. der Anfang der christlichen Gemeinde: Anfang des neuen Bundes Gottes. Wer anJesus Christus glaubt, hat Anteil an diesem Bund. Es ist der Bund des Vertrauens, derWahrheit und des Lebens Jesu - der Bund unendlich tiefer Liebe.

b. die Auferstehung ist mein personlicher Anfang. Die Auferstehung wird durch meinenGlauben an den auferstandenen Jesus Christus ein Teil meines Lebens. Ich erfahre dieKrafte, die von Kreuz und Auferstehung ausgehen, auch heute.

Tipps fur diese Woche:1) Ringen Sie um ein personliches Verstandnis des Kreuzes Jesu! Die Botschaft vom

Tod und der Auferstehung Jesu will nicht abstrakt bleiben, sondern will Sie - und jedenMenschen - erreichen.

2) Nehmen Sie die Zusagen Jesu ernst: bei jedem Glaubenden zu sein bis an das Endeder Welt. Sprechen Sie ihn an und bitten Sie ihn, in ihr Leben hinein zu kommen undseine Wahrheit in Ihrem Leben Realitat werden zu lassen.

1.8.2 Die Ereignisse und ihre Bedeutung

Mit den Erzahlungen vom Tod und von der Auferstehung Jesu erreichen wir das Endedes ersten großen Abschnitts unseres Seminars und auch das Ende des Evangelium desMatthaus. Tod und Auferstehung Jesu sind zentrale Botschaft des Evangeliums und stehenauch heute im Zentrum jedes christlichen Denkens und Lebens.

Jesus wird gefangengenommen, nachdem er mit seinen Jungern ein spater sehr bekannt-gewordenes Abendessen gehabt hat: das Abendmahl. In den christlichen Kirchen wird esals Zeichen der Erinnerung, als Feier des lebendigen Jesus Christus und zum Bekenntnisdes personlichen Anteils an dem Leben und Bund Jesu gefeiert.

Jesus wird zum Tod verurteilt fur seinen Anspruch, der Sohn Gottes zu sein. Er stirbtam Keuz von Golgatha (Matthaus 27,50). Dieser Tod Jesu ist etwas Besonderes - etwasunfaßbar Bedeutungsvolles! Matthaus beschreibt unglaubliche Ereignisse.

a. Der Vorhang im Tempel, der das Allerheiligste, den Raum Gottes in diesem Gebaude,von dem ubrigen Teil des Tempels getrennt hat, reißt von oben nach unten entzwei. Hierzeigt sich in einem Wunder, was viel wunderbarer durch den Tod Jesu gewirkt wird: dieTrennung von Mensch und Gott wird uberwunden. Schuld und Sunde wird bezahlt.

b. Die Erde bebt, Felsen zerrissen, Graber taten sich auf. Auch hier zeigt sich dieMacht und Gewalt dieses fur die ganze Welt bedeutsamen Ereignisses. Die Uberwindungdes Todes deutet sich an durch die offenen Graber und Erscheinungen.

Jesus wird schließlich begraben in dem Grab des Josef von Arimathaa. Da man Grab-rauber furchtet, wird das Grab von hochster Stelle polizeilich bewacht. Die AuferstehungJesu war angekundigt, darum diese Vorsichtsmaßnahme, um Betrug zu verhindern.

Am Tag nach dem Sabbat kommen einige Frauen zu dem Grab. Die Frauen begegnenzuerst einer Erscheinung - nach Matthaus einem Engel des Herrn. Der berichtet ihnen

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die Auferstehung Jesu und schickt sie zu den Jungern. Die Frauen begegnen sogar Jesusselbst, der eine Verabredung mit den Jungern in Galilaa ausrichten laßt.

Die Junger gehen nach Galilaa und treffen Jesus auf einem Berg. Jesus spricht uberseine Macht, die ihm uber alle Dinge im Himmel und auf Erden gegeben worden ist. Under sendet die Junger in die Welt, um alle Menschen (Volker) zu seinen Nachfolgern zumachen, sie zu taufen und sie all das zu lehren, was er aufgetragen hat. Jesus sagt denJungern seine Gegenwart zu bis an das Ende der Welt.

1.8.3 Ist Jesus auferstanden?

Wir mussen uns die Frage stellen, was es denn auf sich hat mit der Auferstehung Jesu.Wie war es damals? Was ist geschehen? Was konnen wir heute daruber sagen?

Viele Theologen und Wissenschaftler haben sich schon weitreichende Gedanken uberdiese Auferstehung gemacht. Sie wurde bekannt ebenso wie geleugnet. Sie wurde in dasReich der Fabeln verwiesen. Sie wurde zerlegt und mit Argumenten fur unmoglich erklart,die den Anspruch erheben, ”wissenschaftlich” zu sein. Andere halten die Einwande derKritiker nicht fur stichhaltig und sehen die Auferstehung Jesu als eines der bestbelegtenEreignisse des Altertums.

Es geht hoch her im Zusammenhang mit der Auferstehung. Bis heute erscheinen infuhrenden Magazinen Deutschlands alljahrlich Artikel uber den ”toten Jesus”. Fur eineSchlagzeile zur Weihnachtszeit ist dieser Jesus gerade gut. So kann man auf die traditionelleKirche dreinschlagen und alle jene dem Spott aussetzen, welche sich zum auferstandenenJesus stellen.

Darum direkt gefragt: lebt Jesus? Lebt er nicht nur in unseren Gedanken, in unsererErinnerung? Lebt er ”wirklich” - in dieser neuen Wirklichkeit, dieser neuen Schopfung, indie uns die neutestamentlichen Texte mit hineinnehmen wollen? Lebt er mehr als in der Artund Weise, uns durch sein kurzes Leben bis heute zu beeinflussen? Lebt er? Kann man ihnansprechen und antwortet er uns auch heute mit seiner Macht und seinen Moglichkeiten?

Ich personlich bin uberzeugt davon, daß Jesus lebt. Er ist weit lebendiger, als wirMenschen es in dieser Welt jemals sein konnen. Er lebt in voller Einheit mit Gott, demSchopfer. Er lebt, hort uns, ist kurz und knapp der Herr, jener Herr, als den ihn das neueTestament bezeichnet.

Ich habe keinen Beweis im naturwissenschaftlichen Sinne fur sein Leben. Ich kannihnen vielleicht einige seiner Fußstapfen zeigen, aber man kann sich beliebig lange darumstreiten, ob es denn nun SEINE Fußstapfen sind, oder alles nur ein merkwurdiger Zufall.Wir Menschen sind kaum in der Lage, die Ereignisse in unserem Leben und unserer Weltin ihrer Gesamtheit zu beurteilen und einzuordnen.

Ich habe den heiligen Geist Gottes, den Geist Jesu, in tausenden von Erlebnissenund Zusammenhangen erfahren. Er ist mir eine unzweifelbare Realitat, genauso wie dieMachte, die Gott entgegenstehen. Ich lebe als Teil der geistigen Welt - und hier kann ichnicht zweifeln an den Grundaussagen des alten und neuen Testaments, weil sie mir taglicheRealitat sind so wie das Fahrrad, mit dem ich morgens ins Institut fahre.

Ich bin Skeptiker genug, kritischer Rationalist genug, um meine eigenen Konzepte undAussagen immer wieder uber Bord zu werfen, um immer wieder nachzuhaken und Gott

Roland Potthast 43

besser zu verstehen, um immer wieder die Moglichkeit zuzulassen, daß ich schief gewickeltbin, daß mein Glaube oder meine Uberzeugungen in der ein oder anderen Sache oder alsGanzes falsch sind.

Ich bin Mathematiker und als solcher arbeite ich taglich mit Voraussetzungen meinerArgumente. Ich weiß, daß die Voraussetzungen den Ausgang einer Argumentation be-stimmen. Wer mit atheistischen Voraussetzungen die Auferstehungsberichte liest muß sichnicht wundern, wenn er sie als unhaltbar ”entlarft”. Er hat ja schon sein Resultat in seineArgumentation hineingesteckt, bevor er oder sie begonnen hat.

Ich bin Informatiker und ich weiß um die Schwierigkeit von Sprache, die Probleme derModellierung von Ereignissen und Zusammenhangen mit Hilfe von Worten, formalen odernaturlichen Sprachen. Die Begegnung mit dem Auferstandenen, der durch Wande geht,der in seiner Gestalt nur in lichten Augenblicken von den Jungern erkannt wird, der seineNarben noch hat und doch so anders aussieht - all das scheint mir im Grenzbereich unseresLebens, im Grenzbereich dessen, was wir uberhaupt beschreiben, geschweige denn denkenund beurteilen konnen.

Doch bei all den Schwierigkeiten bin ich in meinem Leben zu der einen Schlußfolgerunggekommen: die tiefliegende und konkrete Realitat von Tod und Auferstehung Jesu ist derfeste Punkt, mit dem ein Mensch die Welt aus den Angeln heben kann. Tun Sie sich etwasGutes und lassen Sie sich darauf ein: Jesus lebt!

1.8.4 Ein Lied uber Ende und Anfang

Manches Ende ist ein Anfang

1.Strophe:Manches Ende ist ein Anfang,

manche Nacht das Morgengraun.Mancher Tod bringt neues Lebenund Verzweiflung mehr Vertraun.

Refrain:Geh den Weg mit bis zum Ende,

geh den Weg mit durch die Nacht.Geh durch Tod mit und durch Sterben,

und dann zeig uns deine Macht.

2.Strophe:Deine Hand ertast ich zitternd,

angstlich horch ich, was du sagst.Und ich fange an zu ahnen,

daß du liebst, selbst wenn du plagst.

Refrain:Geh den Weg mit bis zum Ende,

geh den Weg mit durch die Nacht.

44 Die Bibel fur Menschen von heute ...

Geh durch Tod mit und durch Sterben,und dann zeig uns deine Macht.

3.Strophe:Manches Ende ist ein Anfang,

manche Nacht das Morgengraun.Mancher Tod bringt neues Lebenund Verzweiflung mehr Vertraun.

Refrain:Geh den Weg mit bis zum Ende,

geh den Weg mit durch die Nacht.Geh durch Tod mit und durch Sterben,

und dann zeig uns deine Macht.

Text: Jurgen Werth, Melodie: Johannes Nitsch, Rechte: Hanssler-Verlag, Neuhausen-Stuttgart

1.8.5 Wort beim Wein: von einem Liebesbrief

Welche Rolle spielt das Evangelium des Matthaus (oder eines der anderen Evangelien)in meinem Leben? Was mach ich mit diesen Geschichten, Gleichnissen, Erzahlungen undBerichten?

Manche beachten die Bibel wenig. Sie ist nicht mehr als ein Stuck der unendlichenWeltliteratur, und wenige lesen viel. So entstehen die Urteile uber die Bibel durch das, wasan Echos der Geschichten durch die alltagliche Kultur schwingt ... oft durch mannigfaltigeInterferenzen verzerrt und bis zur Unkenntlichkeit entstellt!

Andere sind in einem christlichen Umfeld aufgewachsen. Die biblischen Geschichtensind ihnen von Jugend auf bekannt, sie sind Bestandteil der Alltagskultur. Ob sie dabei inihrer ganzen Tiefe verstanden werden und ob die Liebe Jesu die Herzen erreicht, ist eineandere Frage. Wir Christen sind oft nicht besser als das Volk Israel, das trotz uberreicherSchatze der Uberlieferung uber große Zeitraume ihrer Geschichte geistlich ein Bettlerdaseinfuhrte.

Manche studieren die Bibel von Berufs wegen. Man kann mit verschiedenen intellek-tuellen Werkzeugen an die Bibel herangehen: Textkritik, Formkritik, Literarkritik undvielem mehr. Aufgeschlossene und systematische Gedanken konnen nutzlich sein, um unsin dem Verstandnis mancher Dinge weiter zu bringen. Diese Werkzeuge konnen uns aberauch vom Wesentlichen ablenken und ein Leben lang beschaftigen.

Andere schlachten die Bibel fur ihrer Romane, Geschichten und Artikel aus - Autorenund Journalisten. Die Bibel als ein Steinbruch voller tiefliegender Erzahlungen. Die Bibelals eine Schatzkiste des Allzu-Menschlichen. Die Bibel als ein Ideengeber und als Ort derInspiration.

Die Bibel kann all das sein - und doch ist sie mehr: Sie ist der Liebesbrief Gottes an dieMenschheit! Die Bibel mochte uns Menschen zum Menschsein fuhren - zu dem ersten undeinzigen wirklich wahrhaftigen Menschen Jesus Christus. Die Bibel mochte uns dabei zuGott fuhren - wir durfen die Lebendigkeit Gottes kennenlernen, uns ihr anvertrauen und

Roland Potthast 45

ihre Macht in unserem Leben erfahren. Wir durfen uns von diesem Liebesbrief ansteckenlassen. Der heilige Geist Gottes wird unser Leben verandern und neu gestalten.

Das Evangelium des Matthaus erreicht dann sein Ziel in meinem Leben, wenn es furmich zu dem lebendigen Wort von Jesus wird, dem ich mich anvertraue.

46 Die Bibel fur Menschen von heute ...

2 Drei Stimmen quer durch die Zeit ... - Jeremia, Jesajaund Hesekiel

2.1 Gottes Probleme ... - Berufung eines Propheten (Jeremia 1-3)

2.1.1 Fur Eilige: Gott spricht Menschen an!

Propheten sind Menschen, die in Gottes Namen reden - ja die sogar Gottes Worte anandere Menschen weitergeben. Gott hat in der Weltgeschichte darum Propheten berufen,weil er Menschen ansprechen wollte, und weil er uns auch heute ansprechen will.

Jeremia ist einer der großen Propheten Gottes fur das Volk Israel und fur uns Christenheute. Jeremia, Jesaja und Hesekiel sind die drei Saulen Gottes. Wir haben in unsererUberschrift von drei Stimmen gesprochen, die quer durch die Zeit von Gott berichten,Menschen ansprechen und sie in die Gegenwart Gottes rufen - auch uns heute.

Wir geraten mit dem großen Meilenstein uber die Propheten mitten hinein in dasAlte Testament und damit in die Geschichte Gottes mit dem judischen Volk, mit Israel.Dabei werden sich Ihnen viele verschiedene Fragen stellen - zum inhaltlichen Verstandnisder Texte, zu dem historischen Umfeld, in dem sie entstanden und zu verstehen sind, zuhistorischen und redaktionellen Untersuchungen und Debatten und vielem mehr.

Wir werden wieder einen thematischen Zugang zu den Texten suchen: worum geht esdem Propheten, worum dem Autor der Bucher? Was sagt Gott zu den Menschen und zuuns heute? Was konnen wir uber Gott lernen?

Zunachst kommen wir diese Woche zur Berufung des Propheten Jeremia etwa 630vor Christus. Der Grund fur diese Berufung liegt in Gottes Problemen mit Israel. Essind Probleme, die Gott sicherlich auch heute in ahnlicher Form mit der Christenheitin Deutschland und Europa hat - es ist ein sehr aktueller Abschnitt, der unser Lebenverandern kann, wenn die Worte darin unser Herz erreichen.

Tipps fur diese Woche:1) Uberlegen Sie einmal, womit Gott Probleme in Ihrem Leben haben konnte. Uber-

legen Sie, worin die Probleme mit der Christenheit in Ihrer Heimatstadt und Ihrem Hei-matland liegen konnten?

2) Stellen Sie einmal dar, wie eine Umkehr und geistliche Erneuerung aussehen konnte!Reden Sie mit Bekannten uber diese Moglichkeiten. Gehen Sie selbst kleine und großeSchritte in diese Richtung.

2.1.2 Gottes Probleme ...

Gott hat Probleme mit Israel. In einem ersten Durchgang durch Jeremia 1-3 wollen wirnachfragen, worin diese Probleme bestehen.

Jeremia 1, 16: Gott sagt: ”Und ich will mein Gericht uber sie ergehen lassen um allihrer Bosheit willen, daß sie mich verlassen und anderen Gottern opfern und ihrer HandeWerk anbeten.”

Es ist zuerst die Gottlosigkeit, mit der Gott hier Probleme hat. Zweitens ist es dieTatsache, daß Israel anstelle des wirklichen Gottes geschaffene Machte und Dinge anbetet

Roland Potthast 47

und an die Stelle Gottes setzt.Gottes Verhaltnis zu Israel wird in den Bildern einer Liebesbeziehung, einer Ehe,

erzahlt. So spricht Gott in Jeremia 2,2 von der ”Treue deiner Jugend und der Liebe deinerBrautzeit.” Und so eifersuchtig wie ein Liebender oder eine Liebende eifert Gott um dieAnbetung Israels.

Der Glaube und Unglaube macht sich an ganz konkreten Dingen fest. Zuerst siehtGott hier den 10ten - also die Abgabe, welche jeder Israelit von seinem Einkommen an dieGlaubensgemeinschaft gab. Dieser Zehnte ist ein Indikator fur die Gottesbeziehung einesMenschen.

Immer wieder fragt Gott die Horer: warum habt ihr nicht nach mir gefragt und gesucht?Und: warum folgt ihr anderen Gottern, nicht mir?

Und Gott beginnt, mit Israel zu rechten - also ins Gericht zu gehen. Gott kann nichtanders, als das Unrecht anzusprechen und zu strafen. Das sind ganz handfeste Probleme,die Gott hier mit Israel hat.

Gott vergleicht in Vers 21 (Jeremia 2) das Volk Israel mit einem edlen Weinstock, derzum wilden und schlechten Weinstock geworden ist. Und er spricht davon, wie tiefliegenddiese Schwierigkeiten sind. Keine Lauge und Seife kann helfen, alles außerliche Waschenist vollig unnutz.

Die Bilder des Textes sind faszinierend und eindrucklich. Wie eine Kamelstute in derBrunstzeit ist Israel anderen Gottern hinterher gelaufen.

Ich frage mich bei solchen Bildern stets: was sind es heute fur Gotter, denen wir mo-dernen Menschen in ahnlicher Weise anhangen? Ist es unser Vertrauen in die Wissenschaft,das sicher ahnlich zu bewerten ist wie das Vertrauen eines israelitischen Menschen vor fastdreitauesend Jahren in die Kraft von Pferden, das Vertrauen in die eigenen Fahigkeitenoder sogar das Vertrauen auf die Hilfe von diversen Gottern und Machten. Gott wirft indem Jeremia-Text die Vertrauensfrage auf, und diese Vertrauensfrage beruhrt auch heuteunseren Lebensnerv.

Jeremia 2,31 wirft auch die Frage nach Freiheit und Bindung des Menschen auf. IstFreiheit von Gott oder Freiheit von allen Bindungen unser Ziel oder Leitbild? Freiheit -dieses moderne und wichtige Thema im vereinten Deutschland und in den USA. Kulturell,privat, wirtschaftlich, theologisch ... uberall geht es heute um Freiheit. Doch Gott stellthier klar, daß ein Leben im Glauben viel mit Bindung zu tun hat - mit einer Bindung, dieerst frei macht. Wer diese Bindung lost, gerat in die Abhangigkeit von vielen Machten. Erlost sich von der Beziehung zu Gott - dies benennt die Bibel mit dem Wort ”Sunde.”

Und Gott sucht Einsicht in die Realitat bei seinem Volk Israel. Doch er findet dieseEinsicht nicht. In Jeremia 2,35 geht er darauf ein. Einsicht in die Verfehlungen ware eineBasis, um zu vergeben. Aber ohne Einsicht bleibt Gott nur das Gericht.

Jeremia 3 ist ein einziger intensiver und dringender Apell an das Volk Israel, zu Gott zukommen und eine klare Linie zu fahren. Ein Einziges ist notwendig: erkenne deine Schuldund kehr um! Gott mochte vergeben und mochte die Liebesbeziehung fortsetzen, die ermit diesem Volk begonnen hatte.

Und auch hier bleibt der biblische Text klar nach vorn gerichtet und hat eine Per-spektive, die uber den Tag und das Jahr hinausgeht: es wird die Zeit angekundigt, wo dieBundeslade nicht mehr die zentrale Rolle spielen wird. Es wird ein neuer Bund kommen,

48 Die Bibel fur Menschen von heute ...

ein Bund, an dem alle Heiden Anteil haben. Wir Christen leben heute in diesem Bund,den Gott durch das ”Neue Testament” (=neuer Bund) durch seinen Sohn Jesus Christusbegonnen hat.

Bei diesen wunderbaren Perspektive bleibt leider festzuhalten, daß im Verhaltnis nurrecht wenige Menschen in Israel den Durchbruch schafften. Immer wieder kehrt der Prophetzu den druckenden Problemen zuruck - und das ganze Buch Jeremia gibt Zeugnis von demAusmaß der Schwierigkeiten.

Wir konnen bis heute viel lernen von diesen Schwierigkeiten Jeremias, um unsere ei-gene Welt besser zu verstehen. Das Problem der Gottlosigkeit in einem Land mit vielenKirchenmitgliedern ist uns nicht fremd. Das Problem der Orientierungslosigkeit in geist-lichen Fragen, der Drang nach Freiheit ohne die Bindung an den lebendigen Gott, dasVertrauen zu allem und jedem, nur nicht zu der Macht und Gegenwart Gottes ... all dieseDinge pragen unser Leben und sind zu sehen im Lichte dessen, der uns sagt (Jeremia3,22): ”Kehrt zuruck, ihr von mir fortgelaufenen Kinder, so will ich euch heilen von euremUngehorsam.”

2.1.3 Berufung gestern und heute

Jeremias Berufung ist faszinierend und wichtig fur unser Verstandnis des ganzen Jeremia-Buches. Was ist das fur ein Text, der hier vorliegt? Dichtung oder eine Erfindung desJeremia? Ist es ein fiktiver Text?

”Siehe, ich lege meine Worte in deinen Mund.” sagt Gott zu Jeremia. Das ist absoluterWahnsinn: Gott redet durch sterbliche Menschen! Gott redet durch die Worte des Jeremia- damals und bis heute!

Gott redet durch Menschen - das ist durchgangig in der gesamten Bibel der Fall. DieBucher des Mose, die Propheten und auch das gesamte neue Testament ... immer redenhier Menschen in ihrer ganz speziellen historischen Situation - und immer ist es Gott, derdurch diese Menschen redet.

Wie mussen wir die Texte lesen, wenn Gott durch Jeremia redet? Dies fuhrt uns mittenhinein in wichtige Fragen der Exegese, also der Auslegung der biblischen Texte. Hier gibtes viele sehr tiefreichende und grundsatzliche theologische Fragen, die strittig oder unbe-antwortet sind. Wenn Gott durch Jeremia redet, ist dann jedes der Worte des Jeremia freivon Irrtum? Oder redet Gott trotz mancher Irrtumer? Wie sieht es aus mit redaktionellenBearbeitungen des Buches von Jeremia (und anderer biblischer Bucher)? etc etc.

Wir wollen und konnen diese Fragen hier nicht beantworten. Wir mochten nur dieTragweite der Berufungserzahlung des Jeremia verdeutlichen: Gott spricht durch ihn. Gottspricht, um die Menschen damals anzusprechen. Und Gott spricht uns bis heute an durchdiese Schriften und ermutigt uns zum Vertrauen in den wirklichen Gott und zur personli-chen Umkehr zu ihm.

Auch heute mochte Gott durch Menschen reden, die sich ihm fur diese Aufgabe zurVerfugung stellen. Das konnen Pastoren sein oder Prediger, aber auch ganz normale Chri-sten in unserer Umgebung. Gott kann auch durch uns selbst zu anderen Menschen spre-chen. Gott beruft auch heute noch Menschen in seinen Dienst. Berufungsfragen sind sehrwichtig fur ein Leben als Christ, weil es unsere Aufgaben in der Gemeinde - dem Leib

Roland Potthast 49

Christi auf Erden - betrifft. Berufung hat auch heute direkte Auswirkungen auf des ReichGottes und das Schicksal von Menschen!

Wie geschieht Berufung nun ganz praktisch? Konnen wir dabei von Jeremia etwaslernen?

Sicherlich ist Jeremia eine wichtige und herausragende Personlichkeit, mit dem wiruns in der Regel nicht im geringsten messen konnen. Und doch sind die Texte des altenTestaments zur Ermutigung und zur Lehre geschrieben - auch um in Berufungsfragenetwas zu lernen.

Als erste praktische Frage drangt sich auf: Wie konnte Jeremia das Wort Gottes horen?Horte er eine Stimme? Oder gab es Klarheit im Gebet?

Wichtig ist, daß daruber nichts im Text gesagt wird. Wir sollen nicht festgelegt werdenauf eine bestimmte Art, Gott zu horen. Wir konnen Gott sicherlich durch die Bibel horen- durch die Schriften des alten und neuen Testaments. Und wir konnen Gott um Weisheitund Erkenntnis fur uns personlich bitten.

Wichtig ist auch, daß die Berufung des Jeremia nicht auf Menschenwort gegrundetist und nicht auf Berufung durch die Strukturen der Kirche. Gerade weil auch wundePunkte der Kirche angesprochen werden sollen, braucht es einen Menschen, der Gott ohneRucksicht auf die kirchliche Institution treu ist.

Wichtig ist auch, daß Gott Jeremia viele Probleme ankundigt. Er sagt ihm darin seinevolle Unterstutzung und Behutung zu. Eine Berufung durch Gott kann also viel Schwie-rigkeiten, Angriffe, Probleme und Streit mit sich bringen. Dabei ist es wesentlich, daß derStreit nicht durch die Sunde und Fehler des Propheten ausgelost sind. Nicht der Streitzeigt, daß ein Mensch von Gott berufen ist, sondern seine Treue zu Gottes Wort!

2.1.4 Komm zur klaren lebendigen Quelle!

Was hatte Jeremia heute zu sagen? Was sagt Gott in dieser Woche und diesem Jahr zuunserem Leben?

Gott sagt: ”Komm zur klaren und lebendigen Quelle! Komm zu mir, andere dein Lebenund laß dich voll und ganz auf das Vertrauen ein zum Schopfer und zu seinem Sohn JesusChristus.”

Gott sagt: ”Sieh hinter allen liturgischen und anti-liturgischen Traditionen den Einen,den Gott des Himmels und der Erde! Laß dich nicht blenden von Kirchen, Außerlichkeiten,Halbherzigkeiten, Institutionen, Machtkampfen, Angriffen, Zweifeln, Fragen, engen oderliberalen Theologen ... sondern: sieh mich, den Herren, den Lebendigen hinter all demAllzu-Menschlichen!

Ich, der Herr, bin derselbe von Ewigkeit zu Ewigkeit. Sieh meine Liebe, die ich dirschenke durch meinen Sohn Jesus. Vertraue und hore auf Jesus, den Christus, den Leben-digen!

Beginne ein Leben im Glauben, ein Leben im Vertrauen, der Wahrheit, der Hoffnungund Liebe! Siehe, meine Gute ist jeden Tag neu. Lebe in dieser Gute. Sei ehrlich undfreimutig, aber sei auch klug unter den Menschen dieser Zeit.

Lebe in der Wahrheit und Treue zu mir und meinem Wort! Dies wird dich aufbluhenlassen und du wirst viel Frucht bringen in meinem Reich. Lebe in meinem heiligen Geist,

50 Die Bibel fur Menschen von heute ...

den ich allen schenke, die darum bitten. Lebe in der Treue zu Jesus Christus allezeit!”Das sagt Gott heute.

2.2 Einer packt aus ... - Von neuen Grundlagen (Jeremia 30+31)

2.2.1 Fur Eilige: die Grundlage von Beziehung

Worauf bauen Sie Ihre Beziehungen zu anderen Menschen? Auf Sympathie? Interessen?Gemeinsamen Hobbies?

1. In einem Unternehmen werden manche Beziehungen auf Interessen gebaut. Einer willetwas verdienen durch den anderen, und darum pflegt man gute Beziehungen - geschaftlichgepflegte Abende in Restaurants oder Biergarten.

2. Viele Menschen pflegen Beziehungen im Bereich ihrer Hobbies. Musik im Orchesteroder das Engagement fur ein Pflegeheim konnen Menschen zusammenbringen - und Be-ziehungen beruhen dabei oft auf den gemeinsamen Hobbies, die zum Kristallisationspunktfur das Miteinander werden. Oft sind auch die Beziehungen in der Gemeinde eher von dergerade beschriebenen Art: es ist das ”Hobby” Gemeinde, das Menschen zusammenbringt.

3. Andere Menschen bauen Beziehungen auf die personliche Sympathie. Wer mir sym-patisch ist, zu dem suche ich Kontakt. Wenn die Sympathie nachlaßt, werden meist auchdie Beziehungen schwacher.

In Jeremia 31 beschreibt Gott eine ganz andere Grundlage von Beziehung. Es ist dieBegegnung mit Gottes tiefer Liebe, Heiligkeit und seinem unverdienten Erbarmen. Wennunsere Beziehung zu Gott und zu anderen Menschen auf diesem Erbarmen Gottes steht,auf seiner grundlosen Zuwendung in tiefer Liebe, dann beginnt im Verstandnis der Bibelerst unser Leben. Dann bauen wir tragfahige und zukunftsweisende Beziehungen - zuGott und zu anderen Menschen, die schon ”ewiges” Leben sind und in das ewige Lebenhineinmunden.

Tipps fur diese Woche:1) Uberlegen Sie einmal, worauf ihre Beziehung zu den verschiedenen Freunden, Be-

kannten und Partnern steht? Interesse? Hobby? Sympathie?2) Versuchen Sie sich einmal klarzumachen, wie Gott Beziehungen aufbauen will? Ha-

ben Sie schon einmal eine solche Beziehung erlebt?3) Wagen Sie Beziehungen, die wie Gott auf einer freien und offenen Liebe und Zu-

wendung beruhen und die Sympathie ubersteigt. Probieren Sie es heute noch im kleinenaus!

2.2.2 Einer packt aus ... beeindruckende Worte!

Lesen Sie gemeinsam mit uns Jesaja 30 und 31. Die Worte Gottes, die hier wiedergegebenwerden, sind tief beeindruckend.

Zuerst geht es mitten hinein in die Geschichte Israels. Wann genau sind die Wortegesprochen? Wir wissen es nicht genau und sind auf Vermutungen und Schlußfolgerungenangewiesen. Israel ist in Gefangenschaft und Unfreiheit. Gott sagt zu, das Volk wieder in

Roland Potthast 51

das Land zu bringen, das er Abraham und den anderen Vatern des Volks zugesagt hatte.Lassen Sie uns in den Text einsteigen:

”Aber dich ich will ich wieder gesund machen und deine Wunden heilen, spricht derHerr, weil man dich nennt: die Verstoßene und Zion, nach der niemand fragt. So sprichtder Herr: Siehe, ich will das Geschick der Hutten Jakobs wenden und mich uber seineWohnungen erbarmen, und die Stadt soll wieder auf ihre Hugel gebaut werden, und dieBurg soll stehen an ihrem rechten Platz. Und es soll aus ihr erschallen Lob und Freuden-gesang; denn ich will sie mehren und nicht mindern, ich will sie herrlich machen und nichtgeringer.” (Jeremia 30, 17ff)

Diese Zusagen Gottes sind ganz konkret in eine Situation der Bedrangnis gesprochen.Wenn man nach den Grunden fur die Probleme sucht, kommt man immer wieder zuden Problemen Gottes, uber die wir schon gesprochen haben. Das Volk Israel hat Gottmit Ignoranz und Untreue behandelt, hat sich an Machte gehangt, die es schließlich insVerderben gezogen haben. Und Gott hat dem Volk seinen Willen gelassen - Gottes Gerichtvollzieht sich, indem er den Menschen in sein bewußt gewahltes Verderben rennen laßt.Das ist der grimmige Zorn des heiligen Gottes.

Aber hier zeigt sich nun, wie sehr Gottes Liebe zum Ziel kommt. Das treulose Volkwird vom Erbarmen Gottes eingeholt und Gott sieht eine friedvolle Zukunft: ”Ihr solltmein Volk sein, und ich will euer Gott sein.” (Jeremia 30,Vers 22)

Und damit lost sich Jeremia 31 mehr und mehr von der konkreten Situation und blicktweiter in die Zukunft. ”Ich habe dich je und je geliegt, drum habe ich dich zu mir gezogenaus lauter Gute.” (Jeremia 31, Vers 3)

Die bildhafte Ausdrucksweise des Buches Jeremia ist stark und eindrucksvoll: die Jung-frau Israel schmuckt sich, Pauken schlagen und sie geht heraus zum Tanz. Weinbergewerden gepflanzt und die Fruchte werden genossen. Mit Freuden jauchzen die Menschen,singen und rufen laut: Der Herr hat uns geholfen!

Gott redet von Trost und Geleit. Von Wasserbachen und ebenen Wegen. Menschensind angenommen als Sohne Gottes, reich beschenkt und mit Gaben in Fulle gesegnet.

Im Hintergrund all dessen steht die Umkehr Israels zu dem Gott, der Himmel und Erdegemacht hat. Hart erzogen in Leid und unter fremden Machten wurde das Volk gestraft.Jetzt aber geschieht das Wunder der machtigen Gnade Gottes.

Und dann packt Gott vollends aus, was er tun will und tun wird. Einen ”neuen Bund”(Jeremia 31, Vers 31) will er mit Israel schließen, den Bund des Erbarmens. Er will seinGesetz, daß sie nicht halten konnten, in ihr Herz geben. Er will sich selbst den Menschenzeigen - klein und groß. Er will ihre Schuld vergeben und ihrem Leben in Gottlosigkeit niemehr gedenken.

Gott kundigt hier in Jeremia den neuen Bund an, den er durch seinen Sohn JesusChristus hat Wirklichkeit werden lassen. Wenn ein Mensch zum Christen wird, tritt erhinein in diesen neuen Bund, den Gott mit Israel und aller Welt geschlossen hat: denBund des Erbarmens Gottes durch Jesus und des Glaubens an Jesus Christus.

Darum lassen Sie uns zum Abschluß im Original (nach der Luther-Ubersetzung) nocheinmal die Zeilen lesen:

”Siehe, es kommt die Zeit, spricht der Herr, da will ich mit dem Hause Israel und mitdem Hause Juda einen neuen Bund schließen, nicht wie der Bund gewesen ist, den ich mit

52 Die Bibel fur Menschen von heute ...

ihren Vatern schloß, als ich sie bei der Hand nahm, um sie aus Agypten zu fuhren, einBund, den sie nicht gehalten haben, ob ich gleich ihr Herr war, spricht der Herr; sonderndas soll der Bund sein, den ich mit dem Hause Israel schließen will nach dieser Zeit, sprichtder Herr: Ich will mein Gesetz in ihr Herz geben und in ihren Sinn schreiben, und sie sollenmein Volk sein, und ich will ihr Gott sein. Und es wird keiner den anderen fragen nochein Bruder den anderen lehren und sagen: Erkenne den Herren, sondern sie sollen michalle erkennen, beide, klein und groß, spricht der Herr; denn ich will ihnen ihre Missetatvergeben und ihrer Sunde nimmermehr gedenken.” (Jeremia 31, 31-34)

Wenn wir die ganze Bedeutung dieses Textes verstehen wollen, mussen wir das neueTestament gut lesen und kennen ... und durch Jesu Worte werden die vollen Tiefen desAlten Testaments und auch des Jeremia-Buches erschlossen!

2.2.3 Altes Testament lesen - aber wie?

Wie kann man das Alte Testament lesen und verstehen? Was ist dazu notwendig. Wirgeben einige Tipps und Anregungen, die Ihnen weiterhelfen konnen.

Tipp 1: Das Alte Testament enthalt ganz viel Geschichte des Volkes Israel. Es kannsehr hilfreich sein, sich mit dieser Geschichte zu beschaftigen. Als erste Quelle kann da-bei aber auch die Bibel selbst dienen: wir konnen das Alte Testament zu einem Teil alsGeschichtsbuch uber Gottes Weg mit Israel lesen. Einfach loslegen und gut zuhoren ...

Tipp 2: Das Alte Testament hat zwei geistliche Linien oder Strange. Der erste Strangist der alte Bund, der durch Mose geschlossen wird. Im Zentrum dieses Bundes steht dieZusage Gottes: lebt so, wie es meiner Heiligkeit entspricht (nach den 10 Geboten und denweiteren Gesetzen Mose - z.B. dem Gesetz der Nachstenliebe, des Erbarmens etc.), dannwill ich euch segnen und ihr werdet in Ewigkeit mit mir leben. Zu dieser ersten Liniegehort auch der Ungehorsam Israels und die vielen Strafen Gottes. Er gibt Israel in dieHande derjenigen fremden Machte, mit denen sie ihn betrogen haben. Das Tragische anall diesen Geschichten ist immer, daß der Mensch sein Leid selbst gewahlt hat und blindist fur die wahren Dinge hinter dem Schein.

Der zweite Strang ist die Verheißung der Gnade Gottes durch Jesus Christus. Dabeiwird von Jesus in vielfachen Bildern und Formen geredet - wir werden das noch weiterkennenlernen. Jesus wird als großer Prophet angekundigt, als Herrscher, als Kind, als Frie-defurst, als Elender und Geschlagener, als Lamm Gottes und vieles mehr. Versuchen Siebeim Lesen des Alten Testaments jeweils herauszuhoren, welcher Strang gerade im Vor-dergrund steht. Die zwei Strange sind eng verflochten und gehen teils fließend ineinanderuber ...

Tipp 3: Das alte Testament muß vom Neuen Testament her verstanden werden. Imneuen Testament ist der zweite Strang - das Erbarmens Gottes - ganz rein und klar sicht-bar. Von dieser Basis ausgehend kann man Strang 2 von der Schopfungsgeschichte an biszu den Propheten klar erkennen.

Tipp 4: Gehen Sie davon aus, daß Gott auch heute durch das alte Testament klar undverstandlich zu Ihnen sprechen mochte. Horen Sie mit Ihrem Herzen zu! Verstehen Sie,was Gott Ihnen sagen mochte. Es ist relevant und wichtig fur Ihr Leben! Beurteilen Sieaber die Satze im Rahmen des neuen Testaments: was ist Vergangenheit, was ist Realitat

Roland Potthast 53

im neuen Bund? Sie durfen und mussen das beurteilen!Tipp 5: Suchen Sie die Gemeinschaft von Christen, um sich gegenseitig weiterzuhelfen

im Verstandnis des alten Testaments. In jeder Gemeinde gibt es Menschen, die die Verhalt-nisse der beiden Testamente tief verstanden haben und die Ihnen mehr erklaren konnenuber das teils drastische Verhalten Gottes im alten und neuen Testament. Gemeinschaftund inhaltliches Gesprach mit Christen ist elementar wichtig!

Tipp 6: Versuchen Sie, Gott als den zu sehen, als der er sich durch die beiden Testa-mente zeigt: der heilige und gerechte Gott, der Schuld nicht ungestraft lassen kann - undder liebende und vergebende Gott, der selbst durch seinene Sohn Jesus die Schuld ansKreuz tragt und damit Befreiung schafft fur jeden, der diesen stellvertretenden Tod Jesufur sich annehmen will und kann.

Tipp 7: Bleiben Sie nicht beim rein intellektuellen Horen stehen. Nehmen Sie die WorteGottes in Ihren Alltag. Erst durch den aktiven Umgang mit den Worten Gottes werdenSie mehr davon verstehen. Erst durch die Tat schaffen Sie ein haltbares Fundament furden Glauben und Ihr Zuhoren auf Gottes Worte.

Tipp 8: Versuchen Sie Gottes Handeln sowohl in der jeweiligen Zeit der Texte zuverstehen - in der historischen und kulturellen Situation der beteiligten Personen - alsauch in der ubergeschichtlichen Perspektive eines Gottes, der durch die konkrete Situationhindurch spricht fur alle Menschen bis heute!

Tipp 9: Gehen Sie bei Fragen oder Unverstandnis davon aus, daß es ein tiefliegendesund klares Verstandnis jedes Teiles der Texte gibt, das

a) der historischen Situation angemessen ist,b) in Einklang mit allen anderen Texten steht undc) unserem modernen Verstand zuganglich ist,falls wir uns von falschen Voraussetzungen unseres Denkens befreit haben. Rechnen Sie

aber auch damit, daß ein weitreichendes Verstandnis der Bibel Ihnen nur durch jahrelangesLeben mit Gott und seinem Wort und nur in Ansatzen gelingen kann.

Tipp 10: Bitten Sie Gott taglich darum, Ihnen Verstandnis seiner Worte in der Bibelzu schenken. Ohne dieses anhaltende Gebet wird Ihnen der Großteil der Worte und ihrerBedeutungen verborgen bleiben.

2.2.4 Leben im Geist Gottes ... Skizzen

Was geschieht, wenn Gott uns sein Gesetz in unser Herz gibt? Wie geht das vor sich?Im neuen Testament wird davon geredet, daß der Geist Gottes uns erfullt und wir in

diesem Geist leben. Wie sieht das Leben im Geist aus ...?

Skizzen

... Ich erkenne meine Wut und meinen Haß. Es ist, als hielte Gott mir selbst den Spiegelvor und ich konnte ein Stuck weit hineinblicken in meine eigene Person. Kann man sichdenn sonst so verborgen sein? ... Ja, ja. Erst durch Jesus Christus beginne ich, mich selbstkennenzulernen. ...

... Gott gibt meinem Leben eine Orientierung, es ist, als ob ich Kontakt zu einemgroßen Felsen habe und darauf verankert bin. Das Treiben der Wellen um mich her kann

54 Die Bibel fur Menschen von heute ...

mich nicht mehr hin und herwerfen. Ich habe Wurzeln bekommen, Wurzeln in Gott durchseine Worte. Auch wenn ich manchmal ins nichts abzugleiten drohe, sind diese Wurzelndoch fester Halt. ...

... Im Lichte Jesu ist es moglich, die Heuchlerei vieler Menschen und meiner selbst erstzu erkennen. Puh, ... es ist ein helles Licht, Jesus, das von dir ausgeht. Du bist so klar,rein und konsequent. Wie konnte ich da bestehen? Und doch, deine Zuwendung vertreibtallen Zweifel, dein Erbarmen halt mich fest - auch wenn meine Ungerechtigkeit bestehenbleibt, machst du mich gerecht. Wer soll diese Realitat verstehen, die mich erfullt? ...

... Was ist mir wichtig? Was treibt mein Leben und meine Entscheidungen? Wie ver-bringe ich meine Tage? Seit ich mein Leben in Gottes Hande gelegt habe, mochte ich garnicht mehr von Ihm weggehen. Ich konnte stundenlang mit Christen und in Kirchen ver-bringen - aber auch in der Natur und seiner Gegenwart, oder im Engagement fur Jesus,bei der praktischen Hilfe fur andere. Und wenn ich gebe ist es jedesmal, als wurde ich reichbeschenkt nach Hause kommen. Unglaublich! ...

... Ich habe von Gott die Dankbarkeit gelernt. Ich habe die Freude wieder neu erfahren- eine tiefe und kindliche Freude ... ich dachte, sie gabe es nicht mehr. Er hat alle Bitterkeitin mir besiegt - und hat mich mitten hindurchgehen lassen wie durch einen Vorhang, dervon mir abgestreift ist und ich stehe im Licht! ...

2.3 Da werden die Wolfe bei den Lammern wohnen ... - vom Frieden(Jesaja 9-11)

2.3.1 Fur Eilige: Gerechtigkeit und Friede

Wochen und Monate des Luftkrieges. Krieg in Fernsehen und Zeitschriften. Krieg derPresseerklarungen und Diplomatie um das Kosovo. Dann endlich Waffenruhe: das Endeder Bomben. Eine internationale Schutztruppe soll den Frieden sichern ... Deutschlandmacht Erfahrungen mit Krieg und mit Frieden - 1999!

Friede - endlich Friede! Wieviele Menschen in Deutschland sehnen 1945 den Friedenherbei? Und dann ist er da: Kapitulation ... Friede! Schließlich die Suche nach den Tatern- die Nurnberger Prozesse ... die Suche nach Gerechtigkeit im Frieden ...

Wieder Deutschland: 1989. Massenkundgebungen und Militar. Deutsche Demokrati-sche Republik. Eine Mauer im stillen Krieg. Fluchtlingsstrome ... dann die Offnung derMauer. Freiheit und Friede. Es beginnt der Rechtsstreit um Eigentum und der wirtschaft-liche Kampf um das Uberleben. Ein Krieg im Frieden ... auch heute.

Dreimal Krieg - dreimal Friede - dreimal die Zerstorung der Illusion von Frieden, derharte Kampf mit der schwierigen Realitat:

Wie sieht er aus, der Friede?Was ist wirklicher Friede?Wie kommen wir hin zum Frieden?Der Prophet Jesaja beschreibt in den Kapiteln 9 und 11 des Buches Jesaja Gottes

Sicht und die biblische Vision vom Frieden:

Mitten in unserer Welt -und doch die Welt unendlich uberschreitend.

Roland Potthast 55

Schon jetzt -und doch noch lange nicht.Ganz Gottes Werk -und doch jedem von unsverantwortlich als Aufgabe uberlassen ...

Tipps fur diese Woche:1) Wie stellen sie sich wahren Frieden vor? Denken Sie einmal uber wirklichen Frieden

nach - in gesellschaftlicher Hinsicht, in personlicher Hinsicht, in globaler Hinsicht undin geistlicher Perspektive - Friede mit Gott und den Menschen! Was wird wahrer Friedepraktisch bedeuten?

2) Lassen Sie sich auf Jesaja 11 ein. Beruhrt Sie die Vorstellung vom Frieden dort?Nimmt Sie diese Vision mit und ladt der Text Sie zum Vertrauen auf Gottes Frieden ein?Wagen Sie das Vertrauen, indem Sie Gott um seinen lebendigen Frieden fur Ihr Lebenbitten!

2.3.2 Blicke hinein in Gottes Frieden

Wir mochten gemeinsam mit dem Propheten Jesaja hineinblicken in Gottes Frieden. Ausverschiedenen Blickwinkeln beleuchten die Zeilen von Jesaja 9 bis 11 den Frieden Gottes.Im folgenden werden Ausschnitte der Texte zusammen mit einfuhrenden oder erklarendenWorten zusammengestellt.

Jesaja 9, 1-6: ”Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht, und uberdenen, die da wohnen im finstern Lande, scheint es hell. Du weckst lauten Jubel, dumachst groß die Freude. Vor dir wird man sich freuen, wie man sich freut in der Ernte,wie man frohlich ist, wenn man Beute austeilt. Denn du hast ihr druckendes Joch, dieJochstange auf ihrer Schulter und den Stecken ihres Treibers zerbrochen wie am TageMidians. Denn jeder Stifel, der mit Gedrohn dahergeht, und jeder Mantel, durch Blutgeschleift, wird verbrannt und vom Feuer verzehrt. Denn uns ist ein Kind geboren, einSohn ist uns gegeben, und die Herrschaft ruht auf seiner Schulter; und er heißt Wunder-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater, Friede-Furst; auf daß seine Herrschaft groß werde und desFriedens kein Ende auf dem Thron Davids und in seinem Konigreich, daß er’s starke undstutze durch Recht und Gerechtigkeit von nun an bis in Ewigkeit. Solches wird tun derEifer des Herrn Zebaoth.”

Wer ist das Volk, das im Finstern wandelt? Wer ist es, der im Dunkeln lebt? Was ist dasfur eine Finsternis? Gott redet hier durch Jesaja. Und die in dem Abschnitt angesprocheneFinsternis hat mehrere Bedeutungen, die man aus dem Zusammenhang und den weiterenAusfuhrungen dieser Kapitel entnehmen kann:

- Es ist die Finsternis der Verhaltensweisen Israels, ihre Ungerechtigkeit, Treulosigkeit,Bosheit, Gottlosigkeit.

- Es sind ihre bedruckenden Lebensumstande, die durch Fremdherrschaft und Armutgepragt sind.

- Es ist ihre Gottesferne und Verlorenheit, die ihr ganzes Leben, Denken, Fuhlen, Redenund Handeln pragt.

56 Die Bibel fur Menschen von heute ...

Wer ist nun dieses Volk, von dem hier gesprochen wird. Es ist zuerst das Volk Israel,dem Jesaja angehort und das mit Gott eine jahrtausendelange Geschichte hat. Es ist aberdaruber hinaus jedes Volk dieser Erde, es ist jeder Mensch, der hier angesprochen wird.

Das Volk, das im Finstern lebt, sieht ein großes Licht. Seit 2000 Jahren haben Christendieses Licht in Jesus Christus gefunden. Vor ihm wird alles hell und erkennbar. In seinerGegenwart wird Ungerechtigkeit offenkundig, aber auch Gottes liebende Gegenwart zurbefreienden Realitat.

Es wird hier vom Jubel gesprochen und von der Befreiung. Und wie so oft in der Bibelhat dies sowohl ganz konkrete als auch weitreichende und zunachst unfaßbare Auswirkun-gen.

Und es wird von einem Kind gesprochen, das die Herrschaft auf seiner Schulter tragt.Christen haben spater in diesem Kind das Jesus-Kind wiedergefunden - den als schutzlosenSaugling zum Menschen gewordenen Sohn Gottes, Jesus Christus. Die Zeilen deuten aufden hin, der durch seine Schutzlosigkeit zum Retter wird, der ans Kreuz geschlagen wirdund leiden muß, und dem alle Macht gegeben wird im Himmel und auf Erden.

Der Eifer des Herrn Zebaot, der Eifer des einzigen und wahren Gottes, wird diesen furuns Menschen so merkwurdigen und tiefsinnigen Weg Jesu Christi gehen, um sein Gerichtumzusetzen und um sich mit den Menschen zu versohnen.

Jesaja 10, 1-4: ”Weh denen, die unrechte Gesetze machen, und den Schreibern, dieunrechtes Urteil schreiben, um die Sache der Armen zu beugen und Gewalt zu uben amRecht der Elenden in meinem Volk, daß die Witwen ihr Raub und die Waisen ihre Beutewerden. Was wollt ihr tun am Tage der Heimsuchung und des Unheils, das von Fernekommt? Zu wem wollt ihr fliehen um Hilfe? Und wo wollt ihr eure Herrlichkeit lassen?Wer sich nicht mit den Gefangenen solidarisiert, wird unter den Erschlagenen fallen. Beiall dem laßt sein Zorn nicht ab, seine Hand ist noch nicht ausgereckt.”

Zum Frieden Gottes gehort untrennbar und unverzichtbar die Gerechtigkeit. Ohne Ge-rechtigkeit geht es nicht! Immer und immer wieder hammern uns die Propheten des altenTestaments und die Schreiber des neuen diese elementare Wahrheit Gottes ein. ”Was wolltihr tun am Tage des Gerichts?” fragt Jesaja im Namen Gottes. ”Was wollt ihr tun?” Undauch hier spricht Gott uns Menschen Trost zu und schafft selbst Gerechtigkeit: die Gerech-tigkeit des Sohnes Gottes Jesus Christus. Diese tiefgreifende Gerechtigkeit Jesu ist jedemMenschen durch den Glauben zuganglich und fuhrt mitten hinein in den Frieden Gottes.”Wer an ihn glaubt, ist gerecht”, schreibt der Apostel Paulus, ”und wer ihn bekennt, wirdgerettet.”

Jesaja 11, 1-10: ”Und es wird ein Reis hervorgehen aus dem Stamm Isais und ein Zweigaus seiner Wurzel Frucht bringen. Auf ihm wird ruhen der Geist des Herrn, der Geist derWeisheit und des Verstandes, der Geist des Rates und der Starke, der Geist der Erkenntnisund Furcht des Herrn. Und Wohlgefallen wird er haben an der Furcht des Herrn. Er wirdnicht richten nach dem, was seine Augen sehen, noch Urteil sprechen nach dem, was seineOhren horen, sondern wird mit Gerechtigkeit richten die Armen und rechtes Urteil sprechenden Elenden im Lande, und er wird mit dem Stabe seines Mundes den Gewalttatigenschlagen und mit dem Odem seiner Lippen den Gottlosen toten. Gerechtigkeit wird der

Roland Potthast 57

Gurt seiner Lenden sein und die Treue der Gurt seiner Huften. Da werden die Wolfe beiden Lammern wohnen und die Panther bei den Bocken lagern. Ein kleiner Knabe wirdKalber und junge Lowen und Mastvieh miteinander treiben. Kuhe und Baren werdenzusammen weiden, daß ihre Jungen beieinander liegen, und Lowen werden Stroh fressenwie die Rinder. Und ein Saugling wird spielen am Loch der Otter, und ein entwohntesKind wird seine Hand stecken in die Hohle der Natter. Man wird nirgends mehr Sundetun noch freveln auf meinem ganzen heiligen Berge; denn das Land wird voll Erkenntnisdes Herrn sein, wie Wasser das Meer bedeckt. Und es wird geschehen zu der Zeit, daß dasReis aus der Wurzel Isais dasteht als Zeichen fur die Volker. Nach ihm werden die Heidenfragen, und die Statte, da er wohnt, wird herrlich sein.”

Das Reis aus dem Stamme Isais ist von allen Christen aller Zeiten mit Jesus identi-fiziert worden. Jesus, der Jude - der Nachkomme Abrahams, Isaaks und Jakobs. DiesemJesus ist der Geist Gottes abzuspuren durch alle Uberlieferungen und Verzerrungen bisheute - bis ins 21. Jahrhundert. Wer die Worte Jesu hort und versteht, muß mit einemunausprechlichen Erstaunen auf die Weisheit und Starke dieser Worte reagieren und sichin Furcht und Anbetung vor diesem Menschen beugen.

Jesu Urteil ist um nichts weniger bemerkenswert. In vielen Streitgeprachen uberliefertstellt er sich auf die Seite derer, die nichts haben und nichts ihr eigen nennen. Geradediejenigen, die ihre Unfahigkeit erkennen, finden Gnade vor Gottes Augen. Gerade die sichals die Ungerechten erkennen, konnen Eingang finden in die einzig tragende Gerechtigkeit:durch das Vertrauen auf Jesus Christus und seinen stellvertretenden Tod am Kreuz.

Das Gericht Gottes durch Jesus ist allgegenwartig, und doch unvollendet. Die WorteJesu sind heute schon Realitat, und doch ist er noch nicht fertig mit der Welt und demUniversum, noch ist Zeit, zu suchen und zu finden.

Es ist das Friedensreich Gottes eine Realitat, die sich in der Hoffnung Bahn bricht.Noch ist nicht alles Leid besiegt. Noch ist der Schmerz und der Tod eine Macht, die ihreletzten Zuge auslebt und auskostet, die Menschen in ihren Bann zieht und in tiefster Seeleschreckt. Und mitten in diesem Leid zeigt sich das Friedensreich Gottes und breitet sichmit Macht aus. Der Tod ist uberwunden. Die Feindschaft ist besiegt. Wolfe wohnen beiden Lammern - und die kleinen Knaben treiben alle miteinander.

Begreifen Sie die tiefe Realitat dieser Bilder? Lassen Sie sich anstecken von diesemBlick, der quer durch die Welt hindurchgeht bis in die Ewigkeit Gottes? Gottes Reichmochte heute in Ihnen und durch Sie Realitat werden mitten in dieser Welt.

2.3.3 Das Buch des Jesaja - eine Einfuhrung

Wir haben uns bisher auf inhaltliche Impulse zum alten Testament beschrankt. Wir habeneinfach damit begonnen, z.B. Jeremia oder Jesaja zu lesen und ausgehend vom neuenTestament den Gehalt der Texte zu verstehen.

Naturlich stellt sich auch die Frage nach der Entstehung der Bucher des alten Testa-ments, nach den geschichtlichen Hintergrunden, nach den wissenschaftlichen Erkenntnis-sen zu den Jahrtausende alten Texten und Schriften.

Fur konkrete Fragen zu theologischen Themen mochten wir auf das Theologie-Forumunseres Netzes hinweisen, fur wissenschaftliche Fragen auch auf des Wissenschafts-Forum.

58 Die Bibel fur Menschen von heute ...

Naturlich gibt es einen umfangreichen Katalog von Literatur, in der unterschiedlichsteFragen aufgegriffen, mit sehr verschiedenen Methoden behandelt und zum Teil wider-spruchlich beantwortet werden.

Wir geben im folgenden exemplarisch und in geraffter Form eine kurze Einleitungin das Buch des Jesaja. Fur eine allgemeinverstandliche Einleitung mochten wir das imR.Brockhaus Verlag erschienene Buch ”Handbuch zur Bibel” empfehlen, fur theologischInteressierte die englischsprachigen Einfuhrungen: ”An Introduction to the New Testa-ment” und ”An Introduction to the Old Testament” von D.A.Carson, Douglas J. Moound Leon Morris, Zondervan Publishing House, USA. Im folgenden Ausschnitte aus demzuerst zitierten Buch.

”Das Buch des Jesaja. Jesaja lebte im 8. Jahrhundert vor Christus in Jerusalem. Im 6.Kapitel berichtet er uber seine Berufung, die im Todesjahr des Konigs Usia erfolgte (um 740v. Chr.). Er wirkte uber 40 Jahre lang, in der Regierungszeit der Konige Jotham, Ahas undHiskia.”

”Das Wirken Jesajas war von seiner ersten Vision Gottes in all seiner Herrlichkeit ge-pragt (Kap.6). Er hatte Gott als den Heiligen Israels gesehen. Das konnte er nie vergessen.Andererseits hatte er die abstoßende Wirklichkeit menschlicher Sunde gesehen, die sich ihmunausloschlich einpragte. Er hatte Vergebung erfahren und war von Gott in seinen Dienst ge-nommen worden. Sein Leben lang verkundigte er Gottes Gerechtigkeit, warnte vor dem Gerichtuber die Sunder und trostete sein Volk, indem er es an Gottes Liebe, seine Vergebungsbereit-schaft und all den Segen fur seine Getreuen erinnerte.”

”Das Buch Jesaja enthalt eine Sammlung von Visionen und Reden, die aus verschiedenenLebensabschnitten des Propheten stammen. Es ist nicht immer leicht zu verstehen. Einmalsind uns Sprache und Wesen eines Propheten und Visionars nicht vertraut. Zum andern wis-sen wir nicht, nach welchen Grundsatzen der Stoff so zusammengestellt wurde, wie er unsheute vorliegt. Manches wurde nach der zeitlichen Abfolge zusammengestellt, anderes nachThemen. Außerdem springen die Gedanken des Sehers oft unvermittelt von einem Abschnittzum anderen.”

”In den letzten Jahrzehnten gab es viele Diskussionen uber die Unterschiede zwischenden Kapiteln 1-39 und 40-66. Viele Theologen nehmen an, daß das Buch mehr als einenVerfasser hat. Moglicherweise wurden dann verschiedene Teile schon fruh auf eine Schriftrollegeschrieben, so daß auch das neue Testament von einem Verfasser ausgeht. Diese Theorie mußvor allem deshalb in Frage gestellt werden, weil sie von der Voraussetzung ausgeht, daß dieprophetischen Bucher keine echten Voraussagen uber die Zukunft enthalten konnen. Jesajahatte - so sagt man - im 8.Jahrhundert nicht mit solcher Genauigkeit Ereignisse vorhersagenkonnen, die erst lange nach seinem Tod eintraten [...]. Diese Voraussetzung steht aber imWiderspruch zu den Grundgedanken von Jesaja 40-48: Gott zeigt, daß er allein Gott ist, indemer schon im voraus ankundigt, welche Ereignisse nach seinem Plan in der Zukunft eintretenwerden.”

Roland Potthast 59

2.3.4 Standpunkt: Prophet in Deutschland?

Brauchen wir Propheten wie Jesaja auch heute in Deutschland? Ja - wir brauchen solchePropheten ganz dringend und notwendig! Wir brauchen sie nicht, um noch grundsatzlichneue Dinge uber Gott zu lernen. Alles Wesentliche ist mit Jesus gesagt - die OffenbarungGottes ist abgeschlossen. Die heutigen Propheten sind neutestamentlich, d.h. in vielemganz anders - aber nicht von weniger Bedeutung.

Wir brauchen Menschen, die vor einer großen Offentlichkeit zum Vertrauen auf denlebendigen Gott einladen, die klare Worte finden und von Gott selbst bevollmachtigt sind.

Wir brauchen Menschen, die sich im Kleinen und Großen ganz auf Gott einlassen undverlassen, die damit andere Menschen mitziehen und zu einem Leben in der Wahrheit JesuChristi ermutigen.

Wir brauchen Menschen mit einem Wort, das die Festungen der Eitelkeiten, der Selbst-sucht, der Traditionen und Seilschaften zerschlagt. Wir brauchen sie, die im reinen undwohltuenden Vertrauen auf den Schopfer des Himmels und der Erde leben und handelnund damit vielen anderen zum Segen werden.

Wir brauchen keine Menschen, die sich selbst gefallen, sondern die Gott nahe sind undin der Demut Jesu leben und reden.

Wir brauchen keine Kirchen und Verbande, die mehr an ihrem Verbandsleben als anGottes Liebe oder Gerechtigkeit interessiert sind. Sondern wir brauchen Menschen, dieGottes Liebe Realitat werden lassen - diese Liebe, die jedem personlich und unvoreinge-nommen begegnet.

Wo sind die Propheten in Deutschland, die heute klar und vernehmlich Gottes Wortesprechen - die Worte Jesu weitergeben, leben und auslegen?

Wo sind die Menschen, die ganz rein auf die Liebe und die Gerechtigkeit Gottes hin-weisen? Kann man sie horen in den Medien?

Wo werden ihre Worte weitergetragen und mannigfaltig reflektiert?Es gibt solche Menschen. Gott hat Menschen gerufen und begabt. Gott liebt uns und

gibt uns Hoffnung!Gott mochte auch heute jeden Menschen in Deutschland und daruber hinaus personlich

ansprechen, ihm seinen Trost sagen und ihn zu einem Leben in der Gerechtigkeit Jesueinladen!

Helfen Sie mit, die Propheten in Deutschland zu finden, sie zu horen und ihre Worte zuverbreiten! Werden Sie zu einem Nachfolger und Diener Jesu in diesen Dingen - praktischund taglich: im Beruf, in der Familie, in Ihrer Freizeit.

Gott ruft auch Sie heute zu sich! Er mochte, daß jeder Christ ein kleines Stuck weitzu einem Propheten wird, der von Gottes Evangelium erzahlt. Der Auftrag Jesu, allenMenschen in der Liebe Gottes zu begegnen, gilt heute und gilt allen Christen. Zogern Sienicht, sich seiner Liebe anzuvertrauen. Es lohnt sich.

60 Die Bibel fur Menschen von heute ...

2.4 Das neue Testament im Alten ... - vom leidenden Gottesknecht (Je-saja 50-53)

2.4.1 Fur Eilige: get the Message!

”Get the Message!” sagen wir heute. ”Hor zu, was wir zu sagen haben! ... Hor auf dieSprecher der Nachrichten - und auf den Inhalt ihrer Worte!”

Wie anders klingt solches in den bildhaften Worten orientalischer Rethoriker. Wie vielmehr Tiefe und Bedeutung wird vermittelt durch die biblischen Text des Jesaja, wenner formuliert: ”Wie lieblich sind auf den Bergen die Fuße der Freudenboten, die Friedenverkundigen, Gutes predigen, Heil verkundigen, die zu Zion sagen: Dein Gott ist Konig!”

Get the message! Worum geht es den Boten Gottes, von denen hier die Rede ist?Worum geht es uns heute, wenn wir ihre Worte weitergeben?

Es geht um das Neue Testament im Alten - um das Evangelium von Jesus Christus.Wenn sie die Message des Neuen Testaments verstehen wollen, mussen Sie schon einmal

etwas genauer hinhoren. Es lohnt sich, den Worten der Nachrichtensprecher (der Botschaf-ter) zuzuhoren. Es lohnt sich, sich auf Gott einzulassen.

Dies ist die Einladung, das Neue Testament zu verstehen und hineinzutreten in den”neuen Bund” Gottes mit Israel und allen Menschen. Es ist die Einladung, zum lebendigenGlauben an Jesus Christus zu kommen - heute!

Tipps fur diese Woche:1) Fragen Sie sich wiederholt, ob Sie die Nachricht vom leidenden Gottesknecht, wie sie

in Jesaja 53, aber auch vielfach im neuen Testament beschrieben wird, verstanden haben.Klaren sie offene Fragen!

2) Treten Sie (neu?) hinein in den neuen Bund Gottes mit den Menschen, indem Siesich mit Ihrem ganzen Leben, Besitz, Denken, Wunschen, Fuhlen, Reden und Handeln derHerrschaft Gottes und seines Sohnes Jesus Christus unterstellen.

Gehen Sie diesen Schritt ganz explizit im Gebet!Suchen Sie dann Christen auf, um mit ihnen konkret weitere Schritte zu besprechen.

2.4.2 Der Text: das Neue Testament begreifen

Wir wollen in diesem Abschnitt unseres Bibelseminars den Text nicht von vorn nachhinten lesen, sondern unterschiedliche Abschnitte herausgreifen. Zunachst geht es hier umdas neue Testament und seine Bedeutung, wie sie bei Jesaja mitten im Alten Testamenterklart und vermittelt wird. Teil 3. beschaftigt sich dann mit der Art, wie hier prophetischinmitten einer konkreten geschichtlichen Situation geredet wird.

Neues Testament - worum geht es dabei? Was sagt Jesaja hier seinen Zeitgenossen undallen nach ihm lebenden Menschen? Wir lesen Jesaja 52, Vers 13 bis Jesaja 53,12.

Jesaja sagt Worte Gottes: ”Siehe, meinem Knecht wird es gelingen, er wird erhoht undhoch erhaben sein.”(Jes.52,13) Christen haben in diesem Knecht Gottes, von dem hiergeredet wird, von Beginn an und mit wachsendem Verstandnis Jesus Christus gesehen.

Von dem Knecht Gottes wird hier weiter gesagt: ”Wie sich viele uber ihn entsetzten,weil seine Gestalt haßlicher war als die anderer Leute und sein Aussehen als das der

Roland Potthast 61

Menschenkinder, so wird er viele Heiden besprengen, daß auch Konige ihren Mund vorihm zuhalten. Denn denen nichts davon verkundet ist, die werden es nun sehen, und dienichts davon gehort haben, die werden es merken.” (Jesaja 52,14+15)

Der erste Teil des Satzes wird in der Regel so verstanden, daß Jesus kein großer Kriegermit stattlicher Statur war, sondern eher unbedeutend und haßlich. Manche Ausleger sehenauch Jesu Leidensweg hier durchschimmern, der ihn an das Kreuz fuhrt und zum Spottund Abschaum der Menschheit macht. Der zweite Satzteil bezieht sich auf die Wirkung,die Jesus Christus in der Weltgeschichte hat. Selbst Konige, Staatsmanner und Prasiden-ten beugen sich vor ihm. Gerade die Volker der Erde, die nicht seit jahrtausenden dieprophetischen Uberlieferungen des Volkes Israel zur Verfugung haben, sondern die nichtsvon ihm gehort haben, kommen zum lebendigen Glauben an Jesus Christus.

Die nun folgenden Zeilen Jesajas bilden einen zentralen Abschnitt und Kern des neuenTestaments. Hier geht es ganz konkret um den Weg und die Rolle Jesu. Wir lesen denText:

”Furwahr, er trug unsre Krankheit und lud auf sich unsre Schmerzen. Wir aber hieltenihn fur den, der geplagt und von Gott geschlagen und gemartert ware. Aber er ist um unsrerMissetat willen verwundet und um unsrer Sunde willen zerschlagen. Die Strafe liegt aufihm, auf daß wir Frieden hatten, und durch seine Wunden sind wir geheilt.”

Wir werden durch diesen Text mitten hineingefuhrt in die Situation bei der Kreuzi-gung Jesu. Wie erniedrigend und abstoßend sind die Schmerzen Jesu, sein Leid und seinErscheinungsbild. Doch dieses Leid hat eine tiefgehende Bedeutung! Es ist ”unser” Todund ”unsere” Strafe, die Jesus leidet. Der Sprecher des Textes stellt sich hier an die Seiteder unzahligen Leser des Jesaja-Buches. Er stellt sich an die Seite derer, die nicht gerechtsein konnen, die dringend auf Rettung aus dieser Situation angewiesen sind.

”Wir gingen in die Irre wie Schafe, ein jeder sah auf seinen Weg. Aber der Herr warfunser aller Sunde auf ihn. Als er gemartert ward, litt er doch willig und tat seinen Mundnicht auf wie ein Lamm, das zur Schlachtbank gefuhrt wird; und wie ein Schaf, das ver-stummt vor seinem Scherer, tat er seinen Mund nicht auf. Er ist aus Angst und Gerichthinweggenommen. Wer aber kann sein Geschick ermessen? Denn er ist aus dem Lande derLebendigen weggerissen, da er fur die Missetat meines Volks geplagt war. Und man gabihm ein Grab bei den Gottlosen und bei den Ubeltatern, als er gestorben war, wiewohl erniemand Unrecht getan hat und kein Betrug in seinem Mund gewesen ist.”

Spater wird einer der Titel Jesu ”Lamm Gottes” werden - also derjenige, der wie einLamm fur Gott und die Menschen gelitten hat. Lamm Gottes ist das wichtige Bild, in demim neuen Testament bis hin zur Offenbahrung von Jesus geredet wird.

Hier wird vom Tod Jesu geredet - vom Tode eines Unschuldigen Boten Gottes. Eswird auch schon klar gesagt, daß Jesus stellvertretend fur die Missetat des Volkes leidetund stirbt. Dieses s t e l l v e r t r e t e n d e Sterben Jesu ist einer der wesentlichenPunkte des ganzen neuen Testaments, das immer und immer wieder aus unterschiedlichenBlickwinkeln aufgegriffen und erlautert wird.

”So wollte ihn der Herr zerschlagen mit Krankheit. Wenn er sein Leben zum Schul-dopfer gegeben hat, wird er Nachkommen haben und in die Lange leben, und des HerrnPlan wird durch seine Hand gelingen. Weil seine Seele sich abgemuht hat, wird er dasLicht schauen und die Fulle haben. Und durch seine Erkenntnis wird er, mein Knecht,

62 Die Bibel fur Menschen von heute ...

der Gerechte, den Vielen Gerechtigkeit schaffen; denn er tragt ihre Sunden. Darum willich ihm die Vielen zur Beute geben, und er soll die Starken zum Raube haben, dafur daßer sein Leben in den Tod gegeben hat und den Ubeltatern gleichgerechnet ist und er dieSunde der Vielen getragen hat und fur die Ubeltater gebeten.”

Jesaja stellt klar, daß das stellvertretende Sterben Jesu Gottes Wille und Plan ist. Undes wird auf die Auferstehung und die Wirkungsgeschichte Jesu bis heute verwiesen: er hatNachkommen in Fulle. Gottes Plan der Versohnung gelingt durch die Hand Jesu. Wo sichMenschen personlich Ihm unterstellen und in seiner Nachfolge leben, kann wahrer Friedeeinkehren! Viele Millionen von Menschen haben bis heute zu Jesus Christus gefunden. Siesind s e i n Eigentum geworden ... in der bildlichen Sprache Jesajas der ”Raub” Jesu -seine Beute. Jesus macht diese Menschen vollig gerecht vor Gott durch seinen Tod amKreuz. Das ist neues Testament: frohe und befreiende Botschaft von Jesus Christus.

”Das neue Testament begreifen” ... haben wir unseren Abschnitt uberschrieben. Zudiesem ”Begreifen” gehort es, den Text intellektuell zu erfassen und ihn praktisch zu er greifen. Das intellektuelle Begreifen haben wir in wichtigen Eckpunkten angesprochen.Das praktische Ergreifen ist nun ihre personliche Sache. Sie konnen den Tod Jesu alseinen stellvertretenden Tod annehmen und mit dem lebendigen Jesus auch heute leben!Sie konnen an seiner Gerechtigkeit durch den Glauben teilhaben und ein Kind Gotteswerden und sein. Sie konnen heute im Gebet hineintreten in den lebendigen Glauben andas Lamm Gottes - Jesus Christus.

Dies ist die auf den Texten unmittelbar aufbauende Einladung, diese wichtigen Schrittezu gehen. Es ist auch die Einladung des Bibelseminars des Evangeliumsnetzes heute!

2.4.3 Prophetisches Reden erfahren und verstehen

Lassen Sie uns nun den Text noch einmal unter der Frage nach der Prophetie in historischerPerspektive ansehen. Wie redet Jesaja damals? In welcher Situation redet er? Und wiekann man seine Zeilen angemessen verstehen - ohne die Geschichte zu vernachlassigen,und ohne Gottes Reden uber die konkrete Situation hinaus zu ignorieren?

Alles Reden der Propheten von Jesaja bis Maleachi nimmt seinen Ausgangspunktvon ganz konkreten historischen Situationen. Immer wieder spricht Gott mitten hinein indie historische Situation eines kleinen Volkes - des Volkes Israel. Immer wieder greift erseine eigene Geschichte mit diesem Volk auf, erinnert an die Bundesgeschichte und nimmtaktuellen Bezug zu den Ereignissen und Verhaltensweisen des judischen Volkes.

Doch immer und immer wieder bricht das Reden Gottes in den prophetischen Texteheraus aus der konkreten historischen Situation und wendet sich den zukunftigen Ereig-nissen zu - den Planen Gottes mit den angesprochen Menschen oder der Menschheit alsganzem. Geradezu unvermittelt fuhren einzelne Verse oder ganze Abschnitte den Leserhinaus aus seiner konkreten geschichtlichen Situation und zeigen ihm jahrtausende derkommenden Geschichte Gottes, der Erde und des Universums.

Schon fruh haben judische Theologen in vielen der Texten das Reden vom Messiasgehort. Die Erwartung des ”Gesalbten” Gottes war gerade zur Zeit Jesu groß. Das VolkIsrael war von Gott vorbereitet darauf, daß etwas Besonderes und Weitreichendes gesche-hen wurde. Unser Jesaja-Text ist ein wichtiger Teil dieser Vorbereitung!

Roland Potthast 63

Wie kommen wir nun heute zu einem angemessenen Verstandnis der prophetischenTexte des alten (und des neuen) Testaments?

Unsere Uberzeugung ist es, daß die Auslegung prophetischer Texte eine herausfordern-de und schwierige Aufgabe ist und bleibt. Einzelne Christen konnen dabei eine wichtigeRolle spielen. Auch wird es immer wesentlich sein, in der Gemeinschaft von Christen undTheologen und im Diskurs einen Weg zu einem befriedigenden, tiefen und angemessenenVerstandnis zu suchen. Genauso wichtig fur ein Verstandnis ist auch das Leben im Glau-ben - das tagliche praktische Ringen in der Nachfolge Jesu Christi. Erst das Zuhoren u n dTun wird uns nach dem neuen Testament (Johannes Evangelium, z.B. 7,17) zur ErkenntnisGottes und seiner Worte fuhren!

Die wichtige Rolle einzelner Christen wird im neuen Testament anhand der Geschichteder Begegnung des Philippus mit dem Minister aus Athiopien ganz klargestellt (Apostel-geschichte 8,26ff). Dieser Minister hat den von uns besprochenen Text aus Jesaja gelesenund nicht verstanden. Dann legt Philippus den Text auf Jesus Christus hin aus. Der Mi-nister aus Athiopien versteht daraufhin die weitreichende Bedeutung der Worte, kommtzum Glauben an Jesus Christus und laßt sich taufen.

Das fuhrt uns wieder zu einer wichtigen Sache, die wir schon in den vorausgehendenAbschnittes unseres Bibelseminars angesprochen haben: die prophetischen Texte erschlie-ßen sich von Jesus Christus her, denn sie verweisen auf ihn und fuhren zu ihm hin. Unddie prophetischen Texte mochten uns zum Glauben helfen ... sie sind die immer neue undimmer wieder ursprungliche Einladung zu einem Leben in Gemeinschaft mit dem Schopferder Erde, dem Gott und Vater Jesu Christi.

2.4.4 Wort beim Wein: Hoffnungen und Moglichkeiten fur Deutschland

Ich mochte von Hoffnungen und Moglichkeiten Gottes heute erzahlen. Es sind meine Hoff-nungen - und ich hoffe sehr, daß sie auch Ihre Hoffnungen sind oder werden.

Was kann Gott tun? Was ist heute moglich?* Gott kann Thema der Gesprache zwischen Menschen in Deutschland werden: am

Stammtisch, im Cafe, im Theater, in Kneipen und Restaurants ... Die Message von Je-sus Christus ist es wert, von vielen einfachen und gebildeten Menschen besprochen undausgetauscht zu werden! Glaubend aufgenommen und umgesetzt wird diese Nachricht vonJesus Christus unser Zusammenleben und unsere Gesellschaft verandern!

* Gott kann Thema der Medien werden. In unterschiedlichsten Sendungen in Radiound Fernsehen konnen die aktuellen biblischen Themen zu einem tiefliegenden, wichtigenund belebenden Element werden. In den Zeitungen konnen sich liberalere und strengereTheologen um das bessere Verstandnis der Worte Gottes unterhalten. Uberall wird einge-laden zu einem Leben, das sich an Jesus Christus orientiert... und Millionen von Menschenfolgen diesen Einladungen!

* Unzahlige Menschen richten ihr Leben konkret an Jesus Christus aus. Das hat re-volutionare Konsequenzen. Wenn jede Familie mit einem Gesamt-Einkommen von 3500DM netto plotzlich 300,- DM fur Bedurftige andere Menschen in Deutschland und derWelt gibt, wird dies die Welt und die Weltgeschichte verandern. Wenn wir nicht mehrzuerst uns selbst sehen, sondern bereit werden zum Dienst an anderen - auch wenn es

64 Die Bibel fur Menschen von heute ...

Kraft und Muhe kostet ... wie wunderbar wird diese Gesellschaft sein? Entscheidend istdie personliche Hingabe an Jesus Christus, den Sohn Gottes.

* Der Geist Gottes erfullt unser Zusammenleben. Zuerst außert sich dies in Bescheiden-heit - in der Fahigkeit, k e i n e Anspruche an andere Menschen zu stellen. Es außert sichin der Fahigkeit, anderen zuzuhoren. Es wird Wirklichkeit in der Kraft, Demutigungenzu ertragen und den anderen Menschen dennoch zugewandt zu bleiben. Gottes Macht istunfaßbar tief und weitreichend ... und sie ist jedem Menschen in Deutschland, Europa undder ganzen Welt unmittelbar zuganglich durch den lebendigen Glauben an Jesus Christus!

* Ich hoffe und glaube an eine Renaissance des christlichen Glaubens in Deutschlandund Europa. Ich glaube an die Kraft Gottes, sich auch heute einen Weg zu unseren ver-steinerten Herzen zu bahnen. Ich glaube daran, daß unzahlige Menschen heute mit JesusChristus leben mochten, weil er der erste und einzige wahre Mensch gewesen ist. Weilwir bei ihm tiefen Frieden finden konnen fur unser Leben und unser Sterben. Weil er unsin eine Gemeinschaft mit Gott hineinfuhrt, die unfaßbar und wunderbar ist und tiefsteSehnsucht eines jeden Menschen von Anbeginn bis in heute.

2.5 Brich mit dem Hungrigen dein Brot! ... - von der Umkehr (Jesaja55 bis 58)

2.5.1 Fur Eilige: Wie Gott es meint ...

Wie sieht ein Leben mit Gott aus? Was fur Menschen mochte Gott eigentlich haben?Leben im Glauben, wie ist das gemeint?

Oft scheint ein verhangnisvolles Mißverstandnis um sich zu greifen, was denn ”Glau-ben” sei.

- Das regelmaßige Beten macht noch keinen Glauben!- Etwas fur wahr zu halten macht noch keinen Glauben!- Sonntags in die Kirche zu gehen, ja zu Fasten und bestimmte Dinge zu unterlassen machtnoch keinen lebendigen Glauben.

Gott meint beim Glauben die Umkehr meiner ganzen Person zu ihm und seiner Art.Eine solche Umkehr hat Konsequenzen - das kann nicht oberflachlich oder außerlich blei-ben.

Wie meint es Gott?

Gott meint es ernst!Gott meint es ehrlich!Gott meint es liebevoll ...und liebevoll eifernd um Recht und Barmherzigkeit!

Unser heutiger Bibelabschnitt hat viel davon zu berichten, wie Gott es meint.

Tipps fur diese Woche:1) Untersuchen Sie Ihre eigenen Gewohnheiten darauf, ob dabei ”leere” Verhaltenswei-

sen sind, die nicht der Liebe und dem Willen Gottes entsprechen.

Roland Potthast 65

2) Gehen Sie Ihre eigenen Schritte eines Lebens, wie Jesaja es beschreibt: teilen Sie IhrVermogen zumindest teilweise mit denen, die nichts oder wenig haben. Helfen Sie denen,die gegangelt werden und sich nicht wehren konnen. Sorgen Sie fur gesunde Beziehungenund fur Versohnung in Ihrer Familie.

2.5.2 Einladung und Ermahnung - Jesaja 55 bis 58

Wir lesen nun Teile der Kapitel 55 bis 58 des Jesaja-Buches. Wir lassen uns mitnehmenvon den Einladungen, die hier formuliert werden. Diesmal folgen wir der Ubersetzung der”Guten Nachricht.”

”Komm her, wer Durst hat! Hier gibt es Wasser! Auch wer kein Geld hat, kann kom-men! Kauft euch zu essen! Es kostet nichts! Kommt Leute, kauft Wein und Milch! Zahlenbraucht ihr nicht! Warum gebt ihr euer Geld aus fur Brot, das nicht taugt, und eurensauer verdienten Lohn fur Nahrung, die nicht satt macht? Hort doch auf mich, dann habtihr es gut und konnt euch an den erlesenen Speisen satt essen! Hort doch, kommt zu mir!Hort auf mich, dann werdet ihr leben!” (Jesaja 55,1-3)

Wasser, Brot, Nahrung umsonst ... kann das etwas Gutes sein? Jesaja schockt seinPublikum mit der Umwertung aller Werte.

Brot, das nichts taugt ... der Prophet spricht von den Dingen, an die wir unser Lebenhangen und von denen wir leben. Fur den einen ist dieses Brot der wirtschaftliche Erfolg.Fur den anderen Ruhm, Bekanntheitsgrad, Anerkennung im Freundeskreis, fur wiedereinen anderen Sex und der Erfolg bei Frauen, fur andere Macht und Einfluß hinter denKulissen. Weitere leben vom Vergnugen wie von einer sußen Flussigkeit ... vom Fernse-hen, der Faszination der Schocker, der Science Fiction Serien, der Liebesromanzen, derSeifenopern ... doch all das macht nicht wirklich satt!

Wo gibt es Brot, das satt macht? Jesus Christus selbst behauptet spater von sich, daßer ”das Brot des Lebens” (Johannes 6, 35) sei, das wahre Brot und der wahre Wein. Erbehauptet, daß man bei ihm wirklich satt werden konne (lesen Sie das Johannes Evange-lium). Und hier in Jesaja redet der Prophet ahnlich, indem er (600 Jahre vor Jesus) dieWorte Gottes wiedergibt, der zum wahren Brot einladt und seinen neuen Bund (das neueTestament) bekanntmacht:

”Ich will mit euch einen unaufloslichen Bund schließen. Die Zusagen, die ich Davidgegeben habe, sind nicht ungultig geworden, an euch werde ich sie erfullen.” (Jesaja 55,3)Und Gott konkretisiert seine Einladung und seinen Aufruf zur Umkehr: ”Wendet euch anden Herrn, denn er will sich euch zuwenden. Bringt eure Not zu ihm, denn er will euchhoren! Wer sich gegen den Herrn aufgelehnt hat, wer seine eigenen Wege gegangen ist, sollumkehren und zum Herrn kommen. Der Herr wird ihn wieder annehmen, denn er ist vollGute und Erbarmen.” (Jesaja 55,6+7)

In Jesaja 56-58 wird dann beschrieben, wie die Zuwendung zu Gott konkret aussieht.Haltet Gottes Ordnungen - heißt es. Das meint z.B.:

• Die Auslander sollen voll anerkannt und aufgenommen werden.

• Die Zeugungsunfahigen sollen nicht mit Verachtung betrachtet (damals weitverbrei-tet), sondern als vollwertig angenommen werden.

66 Die Bibel fur Menschen von heute ...

• Zauberei und Hurerei sollen unterbleiben.

• Abgotterei jeder Art soll unterbleiben - es gibt nur einen Gott und einen Mittelpunktallen Lebens. Es gibt nur ein Brot, das wirklich satt macht!

Gott stellt klar, daß er nicht nur ein Gott der Starken, Gerechten und Erfolgreichenist. Ganz klar horen wir Gottes Zusagen in Jesaja 57,15:

”Ich wohne in der Hohe, in unnahbarer Heiligkeit. Aber ich wohne auch bei den Ge-demutigten und Verzagten, ich gebe ihnen Hoffnung und neuen Mut.”

Im 58 Kapitel beschreibt Jesaja dann ein ”Fasten, an dem Gott Gefallen hat.” Fasten- Ausdruck einer religiosen Verhaltensweise ... Fasten, Ausdruck fur ein Leben, daß demGesetz (den Ordnungen) Gottes genugt. Hier sagt Gott nun, wie das wahre Fasten, dasechte, wirkliche Fasten aussieht:

Seht doch, was ihr an euren Fastentagen tut! Ihr geht euren Geschaften nach und beuteteure Arbeiter aus. Ihr fastet zwar, aber ihr seid zugleich streitsuchtig und schlagt sofortmit der Faust drein. Darum kann euer Gebet nicht zu mir gelangen. Ist das vielleicht einFasttag, wie ich ihn liebe, wenn ihr nicht eßt und trinkt, euren Kopf hangen laßt und euchim Trauerschurz in die Asche setzt? Nennt ihr das ein Fasten, das mir gefallt? Nein,Fasten, wie ich es haben will sieht anders aus! Lost die Fesseln eurer Bruder, nehmt dasdruckende Joch von ihrem Hals, macht jeder Unterdruckung ein Ende! Gebt den Hungrigenzu Essen, nehmt Obdachlose in euer Haus, kleidet den, der nichts anzuziehen hat, und helftallen in eurem Volk, die Hilfe brauchen!

Gott bindet diese Gebote an starke Verheißungen:Dann strahlt euer Gluck auf, wie die Sonne am Morgen, und eure Wunden heilen

schnell; eure guten Taten gehen euch voran, und meine Herrlichkeit folgt euch als starkerSchutz. Dann werdet ihr zu mir rufen, und ich werde euch antworten; wenn ihr um Hilfeschreit werde ich sagen: hier bin ich! (Jesaja 58, 4-9)

2.5.3 Gottes unerfaßbare Wege (Jes.55,8-11)

”Denn meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine Wege,spricht der Herr, sondern soviel der Himmel hoher ist als die Erde, so sind auch meineWege hoher als eure Wege und meine Gedanken hoher als eure Gedanken. Denn gleichwieder Regen und Schnee vom Himmel fallt und nicht wieder dahin zuruckkehrt, sondernfeuchtet die Erde und macht sie fruchtbar und laßt wachsen, daß sie gibt Samen, zu saen,und Brot, zu essen, so soll das Wort, das aus meinem Munde geht, auch sein: Es wirdnicht wieder leer zuruckkommen, sondern wird tun, was mir gefallt, und es wird gelingen,wozu ich es sende.”

Der erste Punkt: Gottes Wege sind tiefer und hoher als unsere Wege. In Ansatzenkann man das erahnen, wenn man das alte Testament studiert, die Verheißungen und denUmgang Gottes mit seinem Volk Israel - und dann das neue Testament liest und versteht:Jesus Christus als die Erfullung dieser Verheißungen in seiner Geschichte bis heute.

Roland Potthast 67

Mysterium Christi - Geheimnis Christi ... so wird in den ”alten” Kirchen (insbesondereden orthodoxen Kirchen des Ostens) bis heute diese unausschopfliche Weisheit Gottesgenannt. Obwohl Gott sich in Christus als Mensch gezeigt hat, obwohl wir viel wissen undverstehen, bleibt der Weg Gottes mit uns und dieser Welt doch auch immer geheimnisvoll,unseren Verstand ubersteigend, bewundernswert weitreichend.

Der zweite Punkt sind Gottes Ausfuhrungen uber sein Wort. Wort Gottes ...

das gesprochene,das aufgeschriebene,das weitergetragene und gelebte,das in Jesus Mensch gewordene und dann wiederin mundlicher und schriftlicher Form weitergegebenegepredigte, ausgelegte, besprochene,diskutierte und geliebte Wort Gottes.

Es bewirkt wie der Regen bei einem riesigen Feld das Wachstum des ”Reiches Gottes”mitten in der Welt. Das Reich Gottes wachst und breitet sich aus durch das Wort Gottes- durch nichts anderes!

Es ist eines der Geheimnisse Gottes, daß er Glauben weckt und Menschen zu sicheinladt nicht durch Armeen, Geld oder Macht, sondern durch seinen Geist, der sein Worterfullt und lebendig macht.

2.5.4 Wort beim Tee: christlicher Erlebnispark, christliches Studienzentrum

Wie konnen Menschen in Deutschland heute etwas erfahren uber Jesus Christus, die Bibel,den lebendigen Glauben und uber die Geschichte der vielen unterschiedlichen christlichenKirchen dieser Welt und dieses Landes?

Bei einem Besuch im Phantasialand bei Koln am heutigen Morgen ging mir der folgendePlan nicht mehr aus dem Sinn.

Stellen Sie sich einen christlichen Erlebnispark vor, bei dem jung und alt etwas uberden Glauben an Jesus Christus lernen kann. Man kann teilnehmen an den biblischenGeschichten. Es gibt Spiele, in denen man christliches Verhalten spielerisch ausprobierenkann. Die vielen Wurstchen und Getrankebuden werden dabei kaum storen, sondern dafursorgen, daß Leib und Seele aufnahmefahig bleiben.

Bei naherer Betrachtung wurde mir klar, daß dies kaum so kommerzialisiert wie dasKolner Disneyland ablaufen kann. Aber dennoch: die einladende Atmosphare eines solchenParks kann die Einladung Jesu unterstutzen und das Evangelium kann darin vermitteltwerden.

Naturlich kamen weitere Gedanken. Als Wissenschaftler wunsche ich mir ein dem Er-lebnispark angegliedertes Studienzentrum mit der Moglichkeit preiswerter Unterkunfte,wo der christliche Glaube in tieferer Dimension studiert und besprochen werden kann.Ich wunsche mir einen Teil des Parks, wo in sehr ernsthafter Weise die Geschichte desChristentums dargestellt wird, eine Art ”Modernes Museum des christlichen Glaubens.”

Ich wunsche mir, daß im Rahmen dieses Parks auch kranke, leidende und angeschlageneMenschen Hilfe finden konnen - ein christliches Seelsorge-Zentrum mit Erholungsheim.

68 Die Bibel fur Menschen von heute ...

Ich wunsche mir, daß er Park auch die Moglichkeit von wirklicher Ruhe bietet. Esmuß also ausreichend Platz in der Natur vorhanden sein, welches den gedrangten Teildes Erlebnisbereiches erganzt. Ideal ware ein Waldstuck mit Wanderwegen, Bachen undweiten Wiesen.

Konnten Sie sich vorstellen, einen solchen christlichen Erlebnispark zu unterstutzen undmit aufzubauen? Konnten Sie sich vorstellen, einen Verein oder eine GmbH zu grunden, dieaus dem Glauben an den lebendigen Jesus Christus heraus ein solches Projekt in Angriffnimmt?

Wenn Sie es sich vorstellen konnen, dann gehen Sie ins Gebet: bitten Sie Gott fur dasProjekt, um Leitung und Weisheit und seine Fuhrung. Bitten Sie Gott, daß er Menschenin diese Arbeit sendet und uns in allen Dingen fuhrt. Bitte schreiben Sie mir uber dieErgebnisse Ihres Gebetes. Sollte Gott dieses Projekt in die Hand nehmen, ich ware liebendgerne mit Leib und Seele dabei, wenn er sein Reich baut und auf diese Weise an dieOffentlichkeit tritt.

2.6 Die Wahrungsreform ... - von Gottes Schopferkraft (Jesaja 65 + 66)

2.6.1 Fur Eilige: Die Wahrungsreform ...

Wahrungsreform ... fur Deutschland ist das Zeichen eines Neuanfangs und Neubeginns.Wahrungsreform ... Zeichen, daß etwas Grundlegendes anders und neu geworden ist.

Die Kapitel 65 und 66 des Jesaja Buches lassen uns hineinblicken in eine neue Schopfung,die Gott ankundigt: eine neue Welt mit einer neuen Wahrung. Dort wird mit neuem Geldgezahlt und gerechnet, und die Zehner, Hunderter und Tausender heißen:

Glaube, Liebe, Hoffnung!Jesaja beschreibt die neue Welt Gottes, und er beschreibt die Bilanz, die zu ihrem

Beginn gezogen wird: Was ist die alte Wahrung wert, die wir bringen? Was sind unsereWorte und Taten wert vor Gott?

Die beiden Kapitel verschweigen auch nicht die andere Welt, die nicht teilhat an demReich Gottes. Die Lage der Menschheit ist sehr ernst! Das wird angesprochen, es gehtnicht unter in einer universellen Allversohnung. Denn die Heiligkeit Gottes fordert Gerichtund Vergeltung.

Wir werden diese beiden zentralen Themen des Textes im Detail besprechen - und inden Zusammenhang des Neuen Testaments und unserer Weltgeschichte stellen - von Jesaja600 v. Chr. bis heute.

Tipps fur diese Woche:1) Konnen Sie Gottes Schopferkraft erahnen, wenn Sie die Welt um sich her erblicken?

Gott wird mit derselben unfaßbaren Kraft seine neue Welt erschaffen. Schon jetzt wachstdas Reich Gottes im Verborgenen ... mit allen Menschen, die zum Glauben an JesusChristus gefunden haben.

2) Lassen Sie sich von den Blicken Gottes in seine neue Welt bewegen und pragen! IhrAlltag, Ihr ganzes Fuhlen, Denken und Leben soll davon beeinflußt und erfaßt werden ...um heute schon Realitat werden zu lassen, was sich bald sichtbar Bahn brechen wird: dieneue Schopfung Gottes mit der neuen Wahrung, bestehend aus Glaube und Liebe.

Roland Potthast 69

2.6.2 Blick in eine neue Schopfung (Jes. 65+66)

Wir wollen uns zunachst auf diejenigen Teile der beiden Kapitel 65 und 66 beschranken,in denen Gott uns seine neue Schopfung hineinblicken laßt.

Es heiß dort: ”Ich ließ mich suchen von denen, die nicht nach mir fragten, ich ließ michfinden von denen, die mich nicht suchten. Zu einem Volk, das meinen Namen nicht anrief,sagte ich: Hier bin ich!” (Jesaja 65,1)

Aus der Retrospektive des neuen Testamentes ist dies eine Prophezeihung Gottes,die mit der Mission Jesu an seine Apostel und Nachfolger, alle Menschen zu Jungernzu machen, seine unmittelbare Erfullung gefunden hat. Die vielen Volker der ”UnitedNations” sind aufgerufen, Gott zu horen und ihm zu folgen.

Und ab dem Vers 16 dreht Gott so richtig auf: ”Wer sich segnen wird auf Erden, derwird sich im Namen des wahrhaftigen Gottes segnen, und wer schworen wird auf Erden,der wird bei dem wahrhaftigen Gott schworen. Denn die fruheren Angste sind vergessenund vor meinen Augen verschwunden.” ”Denn siehe, ich will einen neuen Himmel und eineneue Erde schaffen, daß man der vorigen nicht mehr gedenken und sie nicht mehr zu Herzennehmen wird. Freut euch und seid frohlich immerdar uber das, was ich schaffe. Denn siehe,ich will Jerusalem zur Wonne machen und sein Volk zur Freude.[...]” (Jes.65,16-18)

Und in den nun folgenden Versen beschreibt Gott konkret und in sehr menschlichenWorten, wie die neue Welt aussehen wird. Leid und menschlicher Streit sind vergangen.Arbeit bekommt gerechten Lohn. Gott ist nah und lebt mit den Menschen:

”Und es soll geschehen: ehe sie rufen, will ich antworten; wenn sie noch reden, willich horen. Wolf und Schaf sollen beieinander weiden; der Lowe wird Stroh fressen wie dasRind, aber die Schlange muß noch Erde fressen. Sie werden weder Bosheit noch Schadentun auf meinem ganzen heiligen Berge, spricht der Herr.” (Jes. 65, 24+25)

Die umfassende Vision des Friedens, die hier in Kapitel 65 ahnlich wie schon im elftenKapitel des Jesaja Buches offengelegt wird, kann keinen Menschen kalt lassen. Doch wirdsie das Leben verandern? Tun wir diese Bilder als unrealistische Wunschvorstellungen ab,oder lassen wir uns von ihnen auf Gott hin leiten und zum Leben helfen?

Gottes weitere Worte uber seine neue Schopfung nehmen die Form einer sich veraus-gabenden Liebeserklarung an:

”Denn so spricht der Herr: Siehe, ich breite aus bei ihr den Frieden wie einen Stromund den Reichtum der Volker wie einen uberstromenden Bach. Ihre Kinder sollen auf demArme getragen werden und auf den Knien wird man sie liebkosen. Ich will euch trosten, wieeinen seine Mutter trostet; ja ihr sollt an Jerusalem getrostet werden.” (Jes. 66, 12+13)

Wir mussen klar sehen und zugestehen, daß diese neue Welt Gottes noch keine Realitatist in dieser Welt. Trotz aller Errungenschaften moderner Staatswesen (die ja auch starkdurch das romische Recht und Staatswesen gepragt wurden) sind wir weit entfernt vondem Frieden, den Jesaja uns vor Augen malt. Die Worte Gottes, die Jesaja hier uberliefert,gehen weit uber die Welt hinaus, so wie wir sie kennen.

Wie konnten wir uns die Realisierung dieser neuen Erde vorstellen? Im Laufe der 2000Jahre haben Menschen in unterschiedlichsten Bilder einen Zugang zu dieser neuen Weltgesucht. Wird inmitten unserer physikalischen Welt der Mensch so sehr verandert, daß er”neu” ist? Wird die Welt zugrunde gehen und es gibt im physikalischen Sinne ein neues

70 Die Bibel fur Menschen von heute ...

Universum, eine neue Erde ...?Wir wollen und konnen hier keine Antwort auf diese weitreichenden Fragen geben.

Sie durfen diese Fragen gerne in den Foren des Evangeliumsnetzes bereden und weitererforschen. Uns ist wichtig, wie sehr Gott den Zugang zu uns Menschen auch durch dieseVisionen und Bilder seiner neuen Schopfung sucht. Er mochte unser Herz erreichen undunsere Personlichkeit auf ihn hin verandern und erneuern. Wir durfen auf diese EinladungGottes taglich neu antworten und uns von Gottes Geist darin leiten lassen.

2.6.3 Gottes furchterliche Strafe - die Holle

Zu unserer unvoreingenommenen Tour durch das Jesaja Buch gehoren auch die warnendenWorte Gottes. Gott ist der Schopfer und Herr, er ist das maßgebliche Wesen des Univer-sums und der Schopfung und er ist und bleibt ihr Zentrum und Mittelpunkt, auf den hinalles geschaffen ist. Gott ist heilig, rein, ohne Schuld und ohne einen Hauch von Bosheit.

Nur vor diesem Hintergrund sind die Worte der Strafe, der Vergeltung und des Gerich-tes zu verstehen. Und Gott geht deutlich zur Sache.

”Die sollen ein Rauch werden in meiner Nase, ein Feuer, das den ganzen Tag brennt.Siehe es steht vor mir geschrieben: ich will nicht schweigen, sondern heimzahlen; ja, ichwill es ihnen heimzahlen. beides, ihre Missetaten und ihrer Vater Missetaten miteinander,spricht der Herr, die auf den Bergen gerauchert und mich auf den Hugeln geschandethaben. Ja, ich will ihnen heimzahlen ihr fruheres Tun.” (Jes 65, 5-7)

Die Worte Gottes sind eindrucklich und klar - in der ungefilterten Sprache der Zeitdes Jesaja. .”..wohlan, euch will ich dem Schwert ubergeben, daß ihr euch zur Schlachtunghinknien mußt;...” (Jes. 65,12)

Kann man sich im angesicht von Humanismus und moderner Toleranz nicht nur er-schreckt und verabscheut von solchen Versen abwenden? Wie kann man ernsthaft solchegrausamen Worte als die Worte Gottes erfassen und verstehen? Will Gott Menschen ab-schlachten und grausamsten Qualen uberlassen?

Die Losung fur unser Problem wird von vielen Theologen heute in einer Distanz zuden biblischen Texten gesehen. Wenn hier nicht Gott redet, sondern Menschen reden, sindwir alle Schwierigkeiten los. Dann konnen wir uns Gott als umfassend gutmutig vorstellen,einen Gott, der niemandem etwas zuleide tut.

Allerdings gerat man mit der eben geschilderten Auffassung auf einen Pfad, bei demman sich nicht konsistent und ernsthaft auf die Bibel als der Quelle der eigenen Gedankenberufen kann. Die Bibel wird dann allenfalls als eine Art Steinbruch genutzt, aus demman sich das herausbricht, was gerade passt und gefallt. Mit christlichem Glauben hatdas nicht viel zu tun!

Eine zweite Losung fur unser Verstandnisproblem nimmt unsere Gottes- und Weltvor-stellung selbst in den Blick. Wie stellen wir uns Gott und Mensch vor? Wie ordnen wirden Tod und das Leid dieser Welt geistlich und historisch ein? Die Bibel beschreibt Gottals Schopfer der Welt, und der Tod ist Gottes Strafe fur eine Menschheit, die sich gegendie Liebe entschieden hat. Der Tod ist gerechtes und wichtiges Werkzeug Gottes. Die Hei-ligkeit Gottes laßt kein anderes Handeln zu, als Mord und Lieblosigkeit mit Leid und Todzu ahnden. Wir geraten hier mitten hinein in die tiefen theologischen und philosophischen

Roland Potthast 71

Fragen nach dem Wesen und Charakter Gottes. Die Bibel sieht im Tod ein Mittel der Liebeund Heiligkeit Gottes, den er einsetzt und uberwindet gleichzeitig.

Es gibt zwei Stufen der Strafe Gottes. Die erste Stufe ist eine Strafe, die zur Umkehrfuhren soll. Alle Strafe Gottes in dieser Welt gehort zu dieser ersten Stufe seiner Strafen.Unser Text weiß aber auch von einer zweiten Stufe der Strafe Gottes zu berichten:

”Und jeder Mensch wird jeden Monat und jeden Sonntag kommen, um mich anzubeten,spricht der Herr. Und sie werden hinausgehen und die Leichname derer sehen, die von mirabgefallen waren; denn ihr Wurm wird nicht sterben, und ihr Feuer wird nicht verloschen,und sie werden allen Menschen ein Greuel sein.” (Jes. 66, 23+24)

Die zweite Stufe ist die entgultige und ewige Trennung von Gott - ein Leid, aus dem eskeinen Ausweg mehr geben wird. Das ist es, was in der Kirche spater als ”Holle” bekanntgeworden ist. Holle - der Ausdruck fur ein hoffnungsloses Leid ohne jeden Ausweg.

Die Holle ist schrecklich und grausam. Und es ist tragisch und unfaßbar, daß Menschenselbst diese Holle wahlen und sie mehr lieben als das Leben in Gottes Gemeinschaft. Unddoch entspricht dieses Szenario nach dem neuen Testament der Realitat in unserer Welt.

Die Holle ist die letztliche Konsequenz aus einem Leben, das von Gott nichts wissenmochte. Ein Leben, das nicht nach Gott fragt. Ein Leben, das Gottes Liebe nicht notighat. Ein Leben, das aus eigener Kraft gelebt werden kann. Ein Leben, in dem Gott nichtder Mittelpunkt ist.

Das neue Testament nennt Jesus Christus als den, der unsere Strafe getragen hat.Jeder Mensch, der seine Schuld und Gottes heiligen Zorn erkennt, kann Vergebung findendurch den Glauben an Jesus Christus, den Sohn Gottes. Gott hat also selbst den Auswegaus der Holle geschaffen und bietet jedem Menschen diesen Weg an. Auch das gehortzur Schopfungskraft Gottes. Teil der neuen Wahrung ist der Glaube, der Jesus Christusvertraut.

2.6.4 Schwierigkeiten mit der Holle.

Ich hatte im Laufe der Jahre viele Gesprache mit Menschen, die mit der Holle ihre Schwie-rigkeiten haben - Christen und Nichtchristen. Ich kann vieles davon absolut nachvollziehen.

Kann ein Gott, der die Liebe ist, ernsthaft Menschen entgultig in ihr Verderben laufenlassen? Kann ein Gott, der sogar seinen Sohn Jesus ans Kreuz schickt, um uns alle zuretten, noch Menschen verurteilen?

Jesus sagt zu genau diesem Punkt (Johannes Evangelium 3,16ff): ”Wer sich auf denSohn Gottes verlaßt, der wird nicht verurteilt. Wer sich aber nicht auf ihn verlaßt, der istschon verurteilt, weil er Gottes einzigen Sohn ablehnt. So wird das Urteil vollstreckt: DasLicht ist in die Welt gekommen, aber die Menschen hatten die Dunkelheit lieber als dasLicht; denn ihre Taten waren schlecht.”

Wir sind also mitten drin im Gericht. Das Gericht am Ende der Zeit wird kommen undist doch schon da: heute entscheiden wir uns und unsere Entscheidung ist Gottes Gerichtan uns. Wir wahlen die Holle selbst.

72 Die Bibel fur Menschen von heute ...

2.6.5 Glaube im Alltag - Erinnerungen

Gott ist da - auch wenn wir nach funf Stunden Autofahrt auf der A1 zwischen Wuppertalund Koln in 14 Kilometern Stau stehen.

Gott mochte Frieden stiften in unserem Leben - auch wenn es gerade wieder einmaluberhaupt nicht nach Frieden bei uns aussieht.

Gott behutet uns - auch und gerade wenn wir an manchen Dingen leiden und GottesSchutz im Schmerz nun wirklich nicht erkennen konnen.

Gott fuhrt uns einen geraden Weg - auch wenn uns dieser Weg wie ein Zick-Zack-Kursohne Sinn und Linie erscheint.

Gott mochte mehr machen aus unserem Leben - auch wenn wir uns vor Anspruchenund Herausforderungen nicht retten konnen und eher weniger als mehr brauchen konnen.

Gott kennt einen Ausweg - auch wenn wir gerade keine Auswege sehen, wenn wir ratlosam Wegesrand stehen bleiben mochten.

Gott zeigt sich erkennbar - auch wenn wir ihn gerade nicht sehen, horen oder erkennenkonnen, auch wenn wir sehen, und doch nicht verstehen, wenn wir horen, und doch taubbleiben.

Gott weiß einen Weg fur unseren Alltag - auch wenn wir Gottes Gegenwart und Liebekaum in den Sorgen und Notwendigkeiten von Job, Familie und Freundeskreis durchschim-mern sehen.

Gott ist da - was uns auch immer gerade wieder von seiner Gegenwart ablenken will.

2.7 Klare Maßstabe und individuelle Beurteilung - von Gottes Recht(Hesekiel 18)

2.7.1 Fur Eilige: Klare Maßstabe ...!

Wie konnen, durfen und sollen wir leben? Gibt es Maßstabe, die unser Leben bestimmen?Gibt es Regeln, Grundsatze, Leitlinien, die unser Denken und Handeln leiten?

Was schrankt die Entfaltung unseres Lebens ein? Was behindert uns, zu leben? Washindert uns, so zu leben, wie es gut, richtig, lebensvoll ist? Wie kann, darf und soll unserLeben aussehen?

Bei den Fragen nach der Gestaltung des Lebens sind Konflikte zwischen Menschenvorprogrammiert. Leben wir Menschen mit der Gestaltung unseres Lebens in einem freienRaum? Sind wir unabhangig - nur der Gemeinschaft verpflichtet, in und mit der wir leben?Wie weit darf die Gemeinschaft unser Leben bestimmen? Ja, darf uberhaupt etwas in dieGestaltung unseres Lebens eingreifen?

Wir sind mitten hineingeraten in die jede Gesellschaft und jeden Staat bewegendengrundlegenden Fragen nach Recht und Lebensgestaltung. Gibt es grundlegende Rechte,die in jeder menschlichen Gemeinschaft gelten sollen oder gelten mussen?

Zwischen Love-Parade, freiem Sex, Individualismus, Wirtschaftsliberalismus, Okkul-tismus, Spaßkultur, Sozialismus, Konservatismus, Traditionalismus etc. etc. etc. sind dieFragen nach dem Leben heute mehr denn je entfacht!

Woher kommt der Mensch? Wie ist er gemacht? Wie sieht das Recht aus, daß diesemMenschen entspricht?

Roland Potthast 73

Wir wollen uns heute uber G o t t e s Rolle beim Menschenrecht Gedanken machen.Wir wollen Gottes Grundsatze fur die Gestaltung unseres Lebens kennenlernen und auchansehen, was Gottes Rolle als ”Herr der Welt” und ”ewiger Richter” bedeuten.

Freuen Sie sich auf ein spannendes und weitreichendes Thema! Aber bereiten Sie sichauch auf hartes Vollkornbrot vor: Gedanken, die nicht an der Oberflache bleiben.

Tipps fur diese Woche:1) Lesen Sie einmal die ersten Seiten des deutschen Grundgesetzes im Original. In

Verantwortung vor Gott und den Menschen haben die Vater des Grundgesetzes hier ele-mentare Grundsatze des Zusammenlebens formuliert.

2) Versuchen Sie in einzelnen Schritten einmal, die Regeln Gottes fur das menschli-che Leben in die Tat umzusetzen. Damit begeben Sie sich auf die spannende Reise derNachfolge Jesu Christi ... ein Leben in der vertrauensvollen Beziehung zu dem Gott, derHimmel und Erde geschaffen hat.

2.7.2 Von Gottes Recht (Hesekiel 18)

Das 18. Kapitel des Buches Hesekiel beschaftigt sich mit Gottes Recht. Gott setzt klareMaßstabe fur das Handeln und kundigt entsprechende Konsequenzen an. Wir greifen ausden Themen des Kapitels drei wichtige Punkte auf.

1) Ein großer Teil des Kapitels beschaftigt sich mit der Frage, fur w e n und w i eGottes Recht gilt. Ein wesentlicher Grundsatz ist, daß Gottes Recht p e r s o n l i c hist, d.h. jeder Mensch wird fur seine Handlungen personlich zur Verantwortung gezogen.Nicht die Familie oder die Gemeinschaft oder der Staat wird zur Verantwortung gezogen,sondern der einzelne Mensch.

Horen wir auf das Original:(Hes.18,20) ”Denn nur wer sundigt, der soll sterben. DerSohn soll nicht tragen die Schuld des Vaters, und der Vater soll nicht tragen die Schulddes Sohnes, sondern die Gerechtigkeit des Gerechten soll ihm allein zugute kommen, unddie Ungerechtigkeit des Ungerechten soll auf ihm allein liegen.”

2) Zweiter wichtiger Grundsatz ist das Interesse Gottes am Leben eines jeden Men-schen. Gott mochte, daß jeder Mensch durch das Gericht hindurchkommt und lebendarf. Dazu ist allerdings Umkehr notwendige Bedingung. Im Original klingt das wie folgt(Hes.18,23):

”Meinst du, daß ich Gefallen habe am Tode des Gottlose, spricht Gott der Herr, undnicht vielmehr daran, daß er sich bekehrt von seinen Wegen und am Leben bleibt?”

und (Hes.18,31+32):”Werft von euch alle eure Ubertretungen, die ihr begangen habt, und macht euch ein

neues Herz und einen neuen Geist. Denn warum wollt ihr sterben, ihr vom Haus Israel?Denn ich habe kein Gefallen am Tod des Sterbenden, spricht Gott der Herr. Darum bekehrteuch, so werdet ihr leben.”

3) Gott hat klare Maßstabe. Das Kapitel des Buches Hesekiel nennt viele Dinge, dieeinen Menschen in den Tod fuhren, und es nennt Einstellungen, Gedanken und Hand-lungen, die einen Menschen zum Leben fuhren. Wir finden in den Versen 6-18 Konkretesgenannt.

74 Die Bibel fur Menschen von heute ...

Leben und Tod nach Hesekiel 18:

* geschaffene Machte als Gotter zu verehren fuhrt zum Tod* Ehebruch fuhrt zum Tod* Unterdruckung von Mitmenschen fuhrt zum Tod* Betrug fuhrt zum Tod* gewaltsames Aneignen von Dingen fuhrt zum Tod* andere hungern zu lassen fuhrt zum Tod* nicht nach Gottes Gesetzen zu leben fuhrt zum Tod

Umgekehrt gibt es klare Maßstabe fur das Leben:

* Wer Gott als den verehrt, der er ist: Gott und Schopfer des Himmels und der Erde,* und die Ehe achtet und halt,* und keinen Mitmenschen unterdruckt,* keinen betrugt,* keinem Gewalt antut und sich nichts aneignet,* mit den Bedurftigen seinen Besitz teilt* und nach Gottes Gesetzen lebt,

dieser Mensch wird als Gerechter leben.

Wichtiger Hintergund: Die Worte des Propheten Hesekiel sind auf dem Hintergrunddes ”Alten Bundes” geschrieben - des Vertrages zwischen Gott und dem Volk Israel. Dieseralte Bund sagt: wer gerecht lebt, der wird leben. Wer ungerecht lebt, wird sterben. Esgeht darum, dem Charakter und Wesen Gottes und der ursprunglichen Bestimmung desMenschen gemaß zu leben: menschlich, d.h. auf Gott hin orientiert und ihm vertrauend!

Die Besonderheit Israels dabei liegt in der Nahe Gottes durch seine Worte, Gebote undUnterstutzung.

Die Worte Hesekiels weisen schon auf den ”Neuen Bund” hin: macht euch ein neuesHerz!” (Hes 18,31). Kein Mensch kann so leben, wie Gott ist - und darum bleiben dieGebote Gottes ein weltumfassender Hinweis auf den Sohn Gottes Jesus Christus, welcherGottes Gebote erfullt und Gerechtigkeit erwirbt fur jeden Menschen aus Liebe.

Wir wollen diesen Spannungsbogen vom Alten Bund zum neuen Testament in einemweiteren Abschnitt genauer beschreiben und verstehen.

2.7.3 Gottes Recht und Jesus Christus

Man kann als Christ die Worte des Hesekiel nicht lesen, ohne an Jesus Christus und seineApostel erinnert zu werden und Gottes Gebote im Licht des Neuen Testaments zu sehen.

Im Brief an die Romer greift Paulus die wichtigen Grundsatze von Gottes Recht imDetail auf. .”.. der einem jeden geben wird nach seinen Werken” (Romer 2,6) schreibtPaulus. Das neue Testament greift die juristischen Grundsatze Gottes auf und bestatigtsie. Aber es kommt ein vollig neues Element hinzu, das die Vergangenheit in einem neuenLicht sehen laßt und eine neue Zukunft eroffnet.

Roland Potthast 75

”Denn es ist hier kein Unterschied: Sie sind alle Sunder und ermangeln des Ruhmes,den sie bei Gott haben sollten,...” schreibt Paulus (Rom 3,23). Kein Mensch verdient sichvor Gott das Leben durch das Gesetz Gottes! Kein Mensch ist gerecht vor Gott.

Pruft euch! so ruft Paulus es uns Menschen entgegen. Fragt euch: seid ihr wirklichgerecht vor Gott? Und Paulus selbst muß feststellen: er will wohl das Rechte tun. Aber erist unfahig dazu. Und mit ihm alle anderen Menschen. Jeder einzelne. Gefallene Schopfung- unfahig, in Liebe zu leben!

Und doch hat Paulus einen Weg entdeckt, auf dem Gerechtigkeit wohnt. Er schreibt(Rom 3,24): ” ... und werden ohne Verdienst gerecht aus seiner Gnade durch die Erlosung,die durch Jesus Christus geschehen ist.”

Die Evangelien erzahlen von Jesus, dem menschlichen Sohn Gottes. Sie beschreiben,wie er im Vertrauen auf seinen unsichtbaren Vater lebte und starb. Er wurde grausam amKreuz hingerichtet von Menschen, die in ihm einen Gotteslasterer und Aufruhrer sahenund ihn nach den Gesetzen Gottes des ”Alten Testaments” hingerichtet haben.

Durch Jesus wurde das Recht des Alten Testaments erfullt: wer gegen das Gesetzverstoßt, muß sterben!

Doch hier muß jeder Mensch widersprechen: wie kann Gott einen Unschuldigen sterbenlassen? Wieso der Tod seines eigenen Sohnes, um seines Gesetzes willen?

Wir sind an einer zentralen Stelle des alten und neuen Testaments. Gottes Charak-ter und Wesen ... es fordert Gerechtigkeit und Wahrhaftigkeit. Gottes Charakter fordertgleichzeitig alles uberwindende Liebe und Zuwendung. Und durch Jesus versucht Gott,uns Menschen beides vereint verstandlich und zuganglich zu machen!

Jesus stirbt den Tod, den jeder Mensch sterben muß wegen der Heiligkeit und Gerech-tigkeit Gottes. Kein Mensch kann vor Gott bestehen ... doch: Jesus, der Mensch Jesus, derhat es geschafft und ist vertrauensvoll geblieben, wahrhaftig und gerecht vor dem Schopferund seinem Vater.

Das Leben, Sterben und Auferstehen Jesu lost das existentielle Problem jedes Men-schen: wie werde ich Mensch?

Ich werde Mensch, indem ich mich von der Menschlichkeit Jesu anstecken lasse! Ichwerde Mensch, indem ich an der Menschlichkeit Jesu Anteil habe.

Der Glaube an Jesus ist der Anfang einer Beziehung zu Gott, die uns zuruck fuhrtzu der ursprunglichen Bestimmung und Schopfung des Menschen als Kinder Gottes ...geliebte und vertrauende Geschopfe.

2.7.4 Wort beim Wein: Vertrauen konkret ...

Wie geht das Vertrauen auf Jesus Christus konkret? Wie mach ich das: vertrauen? Waserwartet mich beim vertrauen?

Vertrauen in Jesus Christus hat viele verschiedene Ebenen und Konsequenzen. So ganzallgemein kann man das kaum sagen ... und doch gibt es viele sehr konkrete Ratschlage,die praktisch weiterhelfen.

Das neue Testament ist voll von konkreten Hilfen, wie der Glaube gelebt und umgesetztwerden kann.

76 Die Bibel fur Menschen von heute ...

Dabei muß eine erste Warnung ausgesprochen werden: lesen Sie die Anweisungen desneuen Testaments als Hilfen zum Glauben, nicht als Gesetz oder rein ethische Handlungs-anweisungen. Immer wieder sind in der Welt- und Kirchengeschichte diese Hilfen zumGlauben und Leben grundlich mißverstanden worden und geradezu zum Glaubenshinder-nis geworden.

Gott geht es um das Leben - ein Leben, das seine Heiligkeit und Liebe kennengelernthat und das sich darin entfaltet. Dazu gehoren Regeln als wichtige Hilfen, aber mehr sindsie nicht und mehr durfen sie nicht sein: das Gesetz ist fur den Menschen da!

Vertrauen konkret fangt heute abend oder heute morgen bei Ihnen an. Sie schaltenden Fernsehen aus und horen im Gebet und Bibellesen auf Gott, was er Ihnen sagt. MitAugenmaß und Vernunft setzen Sie das dann in die Tat um.

Beispiele:

• Sie verbringen den Abend ohne Alkohol.

• Sie rufen einen Widersacher an, um Probleme zu klaren.

• Sie sortieren Ihre Finanzen neu, um verantwortlich denen zu helfen, die Hilfe brau-chen.

• Sie vergeben Ihrem argsten Feind.

• Sie hangen sich nicht langer an Ihre Leistung als Wertmaßstab sich und anderengegenuber.

Fragen Sie Gott im Gebet, er wird Ihnen schnell wichtige Dinge zeigen!

2.8 Endlich Leben ...! - vom Geist Gottes (Hesekiel 36 + 37)

2.8.1 Fur Eilige: Von innen her neu werden ...

Was ist das Wesentliche, das christliches Leben ausmacht?

Gott geht es um die Erneuerung des Menschen.Gott geht es um Heilung und neues Leben!

Immer und immer wieder wird im alten und neuen Testament dieses neue Leben vonallen Seiten beleuchtet:

* Das neue Leben durch Jesus Christus ist etwas, das von i n n e n her kommt. Es hatzentral mit dem Geist Gottes zu tun, der Menschen als ”neuer” Geist gegeben wird undsie zu einer neuen Kreatur macht.

* Das neue Leben durch Jesus hat mit dem Herzen des Menschen zu tun. Das Herz -unser ganzes Fuhlen, Denken und Wollen wird von Gott geheilt und erneuert.

Wie geht Erneuerung vor sich? Wie soll sich das alles abspielen? Was fur eine Realitatsteckt hinter Gottes Geist?

Wir wollen uns auf diese Fragen einlassen.

Roland Potthast 77

Tipps fur diese Woche:1) Bitten Sie Gott, als lebendiger Herr und mit seinem heiligen Geist in ihr Leben zu

kommen und Sie zu erneuern!2) Fragen Sie Gott, wie sich die Erneuerung konkret in ihrem Leben auswirken soll

und kann. Horen Sie auf die leise Stimme des heiligen Geistes in ihrem Gebet und ihremLeben!

2.8.2 Der Geist Gottes und Gottes Eingreifen (Hesekiel 36 + 37)

Hesekiel ist der dritte der drei großen Propheten neben Jeremia und Jesaja. WahrendJeremia vieles aus Sicht Gottes des Vaters darstellt, redet Jesaja schwerpunktmaßig vonGottes Sohn und Hesekiel von Gottes Geist.

Wenn wir das Kapitel 36 des Buches Hesekiel ansehen, begegnen wir Gott mit derVerheißung der Versohnung nach ausgefuhrter Strafe. Gott will Israel zuruckbringen indas Land Israels. Gott will das Volk bluhen und froh sein lassen.

Das Thema unseres Abschnitts fuhrt uns mitten hinein in in die Art, wie Gott mitIsrael umgehen will - es geht um die innere Erneuerung des Volkes: durch seinen Geist. Inden Versen 24ff heißt es (in der Ubersetzung der ”Guten Nachricht”):

”Ich hole euch aus allen Volkern, ich sammle euch aus allen Landern und bringe euchwieder in eure Heimat zuruck. Dann besprenge ich euch mit reinem Wasserund wasche denganzen Schmutz ab, der durch den Umgang mit euren Gotzen an euch haftet. Ich gebeeuch ein neues Herz und einen neuen Geist. Ich nehme das versteinerte Herz aus eurerBrust und schenke euch ein Herz, das fuhlt. Ich erfulle euch mit meinem Geist und macheaus euch Menschen, die nach meinem Willen leben, die auf meine Gebote achten und siebefolgen.”

Verbluffend und klar: Gott selbst reinigt sein Volk. Keine Taten oder Leistungen sindhier maßgeblich: im Gegenteil! Gott stellt klar, daß Israel es nicht selbst erarbeitet hat:

(Vers 32) ”Ich tu das nicht, weil ihr ihr es etwa verdient hattet. Ganz im Gegenteil,ihr habt allen Grund, euch zu schamen! Das sage ich, der Herr.”

Gottes Handeln erneuert die Menschen von innen her! Neue Menschen werden miteinem neuen Herz und einem neuen Geist ausgestattet. Gefuhle sind Folge dieser OperationGottes. Und die neuen Menschen leben nach dem Willen Gottes - sie achten auf seineGebote und befolgen sie.

Wichtig ist hier die Reihenfolge, die der Ethik Gottes zugrundeliegt. Nicht das Befolgender Gebote macht Menschen zu neuen Menschen. Sondern erst kommt die Erneuerung alsGeschenk. Das nennt das neue Testament ”Gnade.”

In einem zweiten Schritt folgt das Aufbluhen der neuen Menschen, die jetzt in neuer Artund Weise leben konnen und dies auch tun: Ethik in Gottes Reich bedeutet das Befolgender Gebote von Herzen. Wer die Gebote Gottes zahneknirschend befolgt zeigt damit nur,daß er gerade nicht als erneuerter Mensch lebt oder handelt.

Fur die Kirche und die Gemeinde sind die Passagen im Buch des Hesekiel von zentralerBedeutung. Zu lange haben wir weltweit Menschen in die Kirche eingefugt (durch dieTaufe) und dann von ihnen die Ethik des erneuerten Menschen verlangt. Es kann aber nurdann zu einer Erneuerung kommen, wenn diese von Gott durch seinen Geist geschenkt

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wird. Erst muß die Erneuerung durch Liebe und Glauben kommen - und dann die Ethik, dieaus diesem Erneuerungsprozess heraus wachst! Es wird dann keine Ethik der Forderungeneiner hohen Moral sein, sondern eine Ethik, die erneuerte und im Prozess der tiefen Heilungstehende Menschen in Dankbarkeit leben. Dieses ”erst - dann” ist allerdings nicht zeitlichzu verstehen, sondern in seiner inneren Abhangigkeit. Ein erneuerter Mensch wird immerauch sein Verhalten andern.

Dann erzahlt Hesekiel von einer weitreichenden Erfahrung:

”Sein Geist ergriff mich und brachte mich hinaus in die Ebene. Der ganze Boden warmit Totengebeinen bedeckt. [...] Dann fragte er mich: Du Mensch, konnen diese Knochenwieder zu lebendigen Menschen werden? Ich antwortete: Herr, das weißt nur du! Und erfuhr fort: Sprich in meinem Auftrag zu diesen Gebeinen! Ruf ihnen zu: Ihr vertrocknetenKnochen, hort, was Gott, der Herr, euch sagen laßt: Ich bringe Leben in euch! Ich lasseSehnen und Fleisch auf euch wachsen und uberziehe euch mit Haut. Ich hauche euchmeinen Atem ein, damit ihr wieder lebendig werdet. Ihr sollt erfahren, daß ich der Herrbin.” (Hes. 37, 1-6)

Hesekiel tut, wie ihm Gott befohlen hat. Und er sieht das Fleisch und die Sehnenwachsen. Dann soll Hesekiel den Lebensgeist in dieses Fleisch hineinrufen. Und so werdendie Knochen und das Fleisch lebendig: Eine riesige Menschenmenge entsteht.

Gott selbst deutet dieses Bild von den Knochen. Es geht um Israel: es geht um dieMenschen, die zwar leben, aber doch wie die toten Knochen sind! Erst Gottes Geist machtMenschen lebendig. Erst Gottes Geist macht Menschen neu und laßt Sie im Vertrauen zuGott als neu geschaffene Kreaturen leben.

Der Geist Gottes greift hier mit Macht ein - mit der Schopferkraft des Vaters, mit derMacht des Sohnes Gottes Jesus Christus. Gott und der Geist Gottes sind eins - und dochwerden Sie unterschieden. Wir haben wieder einmal einen kleinen Blick hinein getan indas Geheimnis des einen Gottes: Vater, Sohn und heiliger Geist.

Ein gesundes Wissen um den heiligen Geist ist fur alle Menschen heute von zentralerBedeutung.

* Wer nicht im Vertrauen zu Gott lebt, muß den Geist Gottes bitten, zur Erneuerungin sein Leben zu kommen und Glauben zu schenken.

* Wer in seiner Kirche wenig von Jesus Christus und dem heiligen Geist Gottes mitbe-kommen hat, muß die Bibel kennenlernen mit ihren tiefen und weitreichenden Berichtenvon der Erneuerung des Lebens durch Gottes Sohn und Gottes Geist.

* Wer von manchen extremen und emotionalen Gruppen oder Gemeinden verschrecktist, muß eine gesunde und lebendige Lehre vom Geist Gottes kennenlernen, um nichtdas Kind mit dem Bade auszuschutten und sich nicht den Gaben des Geistes Gottes zuverschließen.

* Wer den Geist Gottes aus seiner Einheit mit dem Vater und Sohn und den biblischenErklarungen herausgelost hat und fast nur noch verschiedensten Geisterfahrungen hinter-herlauft, muß die ganze Klarheit und Nuchternheit biblischer Lehre vom Geist Gottes,vom Vater, Sohn und heiligen Geist kennenlernen und darin leben.

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2.8.3 Schichten prophetischen Redens bei Hesekiel und im Alten Testament

Die beiden Kapitel 36 und 37 fuhren uns noch einmal mitten hinein in die verschiedenenSchichten prophetischen Redens im alten Testament.

a. Zuerst stellen wir fest, daß die Worte des Propheten ganz konkret an die Menschenseiner Zeit gerichtet sind. Die Worte Gottes gelten stets zuerst den Menschen der Zeit,in der sie gesprochen wurden. Sie greifen konkrete Probleme auf und beantworten dieseProbleme durch einen Blick auf die unmittelbare Zukunft.

Als Beispiel blicken wir auf Hes. 36,1+2: ”Gott, der Herr, hat gehort, wie die FeindeIsraels uber euch reden.” Das ist konkrete historische Situation. ”Die Edomiter und dieanderen Volker [...] sollen j e t z t meinen Zorn zu spuren bekommen.” Gott spricht in derGegenwart zu den Menschen und lost aktuelle Probleme.

b. Wer aber die Worte nur auf die konkreten Probleme zu beziehen versucht, kommtschnell an Verstandnisprobleme. So weitreichend und universell wird hier geredet. Ist esnur die blumige Ausdrucksweise der Verfasser? Oder soll hier mehr gesagt werden, als diekonkrete Situation als Anlaß vermuten laßt?

Wenn wir dem Text in Hes.36 folgen, stoßen wir spatestens in den Versen 26ff auf dieSchilderung einer Situation, die weit uber eine historische Situation hinausgehen muß, umrealistisch zu sein. ”Dann werdet ihr n i e m e h r aus dem Land vertrieben werden”,heißt es etwa, und weiter: ”Ich werde keine Hungersnot mehr uber euch bringen.” ... Undspatestens in Kapitel 37 sind die Grenzen des Menschenmoglichen uberschritten: ”Siewerden nach meinen Weisungen leben und meine Gebote befolgen.[...] Ich schließe mitihnen einen Bund fur alle Zeiten und verburge ihnen Gluck und Frieden. ...”.

Der Prophet blickt weit hinein in Gottes Plane mit Israel und der Menschheit. Dochnoch ist dieser Blick hier verschleiert ... bleibt ahndungsvoll und andeutungsvoll hinter derkonkreten Situation verborgen.

In Jesaja und Jeremia haben wir ahnliches prophetisches Reden beobachten konnen,mit einem manchmal noch weit klareren Blick in die Zukunft und Gottes Weltgeschichte- bis hin zum Friedensreich Gottes, einem neuen Himmel und einer neuen Erde.

c. Die thematischen und inhaltlichen Aspekte der Worte Gottes sprechen jeden Men-schen gleich welcher Zeit unmittelbar an und mochten ihn zum Vertrauen einladen.

”Ich gebe ihnen einen neuen Geist und ein neues Herz” heißt es da zum Beispiel. Oderdas Bild der toten Knochen, die Gott in seiner Macht lebendig macht, denen er den Geistdes Lebens schenkt.

Selbst diese konkreten prophetischen Zeilen sind die immer neue und immer kreativeEinladung zu einem Leben mit Gott!

d. Gottes Umgang mit Hesekiel und seine Aufgabe sind Muster und Lehre fur Men-schen, die heute mit Jesus Christus leben. Hesekiel wird von Gott als Prophet und Predigergesandt. Hesekiel wird mit Vollmacht ausgestattet und auf sein glaubendes Wort hin erlebter Wunder und Leben.

”Und er fuhr fort: Sprich in meinem Auftrag ...” (Hes.37,4) zeigt uns beispielhaft, wasjedem Christen konkret durch die Missionsbefehle Jesu gegeben ist: ”Geh und erzahle denMenschen von mir! Mach die Menschen zu meinen Nachfolgern. Lehre sie, alles zu halten,was ich gesagt habe. Denn ich bin bei euch alle Tage.”

80 Die Bibel fur Menschen von heute ...

Bis heute konnen wir lernen von den Propheten, die von Gott gesandt wurden umsein Reich lebendig werden zu lassen. Jeder Christ ist ein kleiner Prophet an seinem ganzspeziellen Platz und mit seiner ganz speziellen Aufgabe, die Gott ihm gibt. Im neuenTestament wird das durch die vielen Texte uber ”geistliche Gaben” ausgefuhrt. Dabeisind die Gaben des Geistes vielfaltig. Sie reichen von Predigt bis hin zur Diakonie, zumpraktischen Hilfsdienst, zur Seelsorge, zur Lehre und vielem mehr. Es ist das spannendeund bereichernde Leben in der Gemeinschaft mit Jesus Christus durch seinen heiligenGeist.

2.8.4 Wort beim Wein: Machen Sie mit, Gott braucht Sie!

”Machen Sie mit, bitte machen Sie mit!” mochte ich Ihnen heute Abend schreiben und zu-rufen. Es ist so wichtig, daß Sie als Christ Ihre geistlichen Gaben entdecken und einsetzen.So vieles hangt davon ab!

Sind Sie jung oder alt? Sind Sie erfahren oder ein Greenhorn? Sind Sie mutig oderzuruckhaltend? Gott braucht Sie so, wie Sie sind! Wir brauchen Sie! Andere Menschenbrauchen Sie!

Gottes Reich ist etwas unfaßbar Wunderbares. Gottes Gegenwart und Gottes Reichsind real, sind erfahrbar und lebendig heute und in Ewigkeit. Aber Gottes Reich ist einsanftes Reich - die leise Stimme des Geistes Gottes mochte zu Ihnen durchdringen unddurch Ihre sanfte Stimme andere Menschen heilen und anderen wohl tun!

Gott mochte durch Sie ganz konkret anderen ein Segen sein. Dabei wird er Ihre Be-gabungen entfalten und Sie selbst mehr beschenken, als Sie sich dies in ihren kuhnstenTraumen vorstellen konnen. Nicht immer wie wir es erwarten ist das Reich Gottes tiefer,schoner, herrlicher als alles, was wir Menschen kennen.

Nachfolge Jesu beginnt mit dem Gebet: Herr, komm in mein Leben! Herr, nimm michund mein Leben und mach mich neu!

Nachfolge Jesu beginnt dann zu wachsen in der Liebe zu Gott und den Menschen.Lassen Sie sich die Nachfolge nicht durch die Tragheit der Kirchen und anderer Christenmies machen! Geben Sie Ihr Leben und Ihren Besitzt fur Gott und fur die Menschen. OffnenSie ihr Herz und ihre Turen. Bleiben Sie offen trotz aller Verletzungen, die MenschenIhnen dann zufugen werden. Bleiben Sie offen und verletzlich wie Jesus auf dem Weg andas Kreuz.

Halten Sie sich fern von allem Eifer um Macht und Einfluß - sei es im weltlichen oderim christlichen Bereich. Nicht die Mitgliedschaft in einer spezielle Kirche oder Gemein-schaft ist wesentlich, sondern die Liebe Gottes in Jesus, der Glaube und die konsequenteNachfolge in allen Dingen. Gleichzeitig ist es wichtig, konkret Gemeinschaft mit Christenzu leben, in den Gemeinden mitzuarbeiten und am Reich Gottes auch in den Strukturenvon Kirche mitzubauen! Suchen Sie eine Gemeinde, in der Sie glaubende Nachfolger Jesufinden und in der Sie zum Glauben immer neu ermutigt werden.

Helfen Sie auch ganz konkret in christlichen Organisationen und Projekten. Wichtigsind christliche Medien und Zeitungen, die vielen Hilfsorganisationen, Seelsorge, Lehre,Studium, und die ganze Bandbreite des Lebens. Bitte geben Sie auch mir eine Ruckmel-dung uber Ihren Glauben und Ihr Leben.

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Denken Sie daran: niemand ist wie Sie! Niemand kann Liebe so schenken, wie Sie eskonnen. Niemand hat Ihre Begabungen und Fahigkeiten. Niemand kann Sie ersetzen andem Platz, an den Gott Sie gestellt hat.

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3 Zuruck in die Zukunft ... - die Bucher Mose

3.1 Ein großes Reagenzglas ... - die Schopfung (1.Buch Mose, Kapitel1+2)

3.1.1 Fur Eilige: Die Schopfung ...

Woher kommt die Welt, die uns taglich begegnet? Konnen wir die Welt und uns Menschenverstehen? Wozu sind wir gemacht? Was ist der Sinn, der unserem Leben Ziel und Richtunggibt?

”Zuruck in die Zukunft ...” ist das dritte Kapitel unseres Bibelseminares uberschrieben:Es geht darum, aus den Anfangen und der Geschichte zu lernen, wohin wir gehen und wasuns erwartet.

Am Anfang ... da wollen wir uns auf ein großes Reagenzglas einlassen, auf das Reagenz-glas Gottes, die Schopfung! In den ersten beiden Kapiteln Mose begegnen uns Berichtevon der Schopfung des Himmels und der Erde, von der Schopfung der Pflanzen und Tiere... und vom Menschen, geschaffen als Mann und Frau.

Horchen Sie mit, wenn es um den Odem des Lebens geht, um die Erkenntnis des Gutenund Bosen, um Mann und Frau, die fureinander gemacht sind.

Horchen Sie mit uns gemeinsam unvoreingenommen und auf Gott horend, was er unsdurch diese alten Erzahlungen sagen kann und mochte. Uber Jahrtausende konnten sichMenschen kaum der tiefen und vielfaltigen Kraft der Schopfungsberichte entziehen, denErzahlungen vom Paradis, von dem Garten in Eden, vom Baum des Lebens ...

Horchen Sie mit, wie Adam die Eva entdeckt als ein Wesen, daß ihm gleich sei. LassenSie sich mit hineinnehmen in die Begegnung von Menschen, die nackt voreinander ste-hen ... und doch ohne Scham, offen fureinander, voller Interesse, Hingabe, Annahme undZuwendung.

Tipps fur diese Woche:1) Denken Sie einmal nach uber die Ursprunglichkeit einer unvoreingenommenen Be-

gegnung zwischen zwei Menschen nach. Konnen Sie sich eine ganz offenen und unvoreinge-nommene Begegnung vorstellen? Versuchen Sie einmal vorsichtig, anderen Menschen offenund unvoreingenommen entgegenzugehen!

2) ”Zuruck in die Zukunft” ... Konnen Sie sich vorstellen, daß ein Verstandnis derVergangenheit fur Sie eine neue und weitreichende Zukunft eroffnet? Beschaftigen Sie sicheinmal mit der Vergangenheit:

* Mit Ihrer personlichen Vergangenheit, von Kindheit, Schule, Ausbildung bis heute.Wie sehr bestimmt Ihre eigene Vergangenheit Ihren personlichen Umgang mit der Zukunft?

* Mit der Vergangenheit unseres Landes. Wie viele gesellschaftliche Zustande sindverstandlich auf dem Hintergrund der Geschichte?

* Mit der Vergangenheit und Geschichte der Kirchen und Freikirchen. Verstehen Siedie Rolle von Kirchen und Gemeinden auf dem Hintergrund der christlichen Geschichte?

* Mit der Geschichte der Welt und des Menschen. Was fur Machte und Gewaltenpragen diese Geschichte? Wie wird die Geschichte verstandlich? Unter welchen Blickwin-keln konnen wir die Entwicklung von Staaten, Gesellschaft, Kultur, Religion, Technologien

Roland Potthast 83

und Wissenschaft wirklich in ihrem Inneren verstehen? Welche Perspektiven gibt es furdie Zukunft?

3.1.2 Die Schopfung der Welt (1.Mose 1+2)

”Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Und die Erde war wust und leer, und es warfinster auf der Tiefe; und der Geist Gottes schwebte uber dem Wasser. Und Gott sprach:Es werde Licht! Und es ward Licht. Und Gott sah, daß das Licht gut war. Da schied Gottdas Licht von der Finsternis, und nannte das Licht Tag, und die Finsternis Nacht. Daward aus Abend und Morgen der erste Tag.”

Schopfung ... Anfang der Welt ... Anfang des Universums ... des Himmels und der Erde.Wir mochten Sie mit hineinnehmen in die Erzahlungen des ersten Buches Mose. Wir

mochten die Augen offnen fur dieses Lied, das hier die Bibel eroffnet und den Grund legtfur alles weitere, das von Gott und den Menschen erzahlt wird.

”Am Anfang schuf Gott ...!” Kein Zweifel ist hier uber den Akteur dieser Stunde: denHerren und Schopfer der Welt. Einfach und doch tiefgreifend wird eine Geschichte erzahlt.

Zuerst schafft Gott Himmel und Erde. Der Geist Gottes ist an der Schopfung beteiligt.Gott schafft durch sein Wort: ”Es werde ...!” Schopfung aus der Macht und Kraft Gottesheraus.

Lesen Sie die sechs Schopfungstage im Detail. Lesen Sie uber die Schaffung des Him-melsgewolbes am zweiten Tag, uber die Schaffung der Meere und der Kontinente, die Schaf-fung der Pflanzen am dritten Tag. Am vierten Tag werden in diesem ersten Schopfungs-bericht die Planeten, Sonne und Mond als ”Lichter” oder ”Lampen” am Himmelszeltbefestigt. Am funften Tag schafft Gott die Tiere und die Fische. Gott schafft die Fort-pflanzung und Fruchtbarkeit. Und immer wieder stellt diese Ballade fest: Gott sah, daß esgut war.

Schließlich nahert sich diese Schopfung ihrem Hohepunkt am sechsten Tag: ”Lassetuns Menschen Machen, ein Bild, das uns gleich sei!” Die Erschaffung des Menschen ist vonzentraler Bedeutung. ”Fullet die Erde und nehmt sie in Besitz!” Der Mensch als hochstentwickeltes Lebewesen wird mit Gottes-Ahnlichkeit geschaffen. Unfaßbar ... und unausfor-schlich scheint dieses Gleichnis zu sein. Mensch und Gott ... wir werden die theologischenKonsequenzen dieser Worte noch genauer auszuloten haben!

Schließlich der siebte Tag: Gott ruhte von allen seinen Werken. Gott schafft die Ruhe,die Erholung, die kreative Pause. Auch dies ist von unermeßlicher Bedeutung fur unsMenschen ... bis hin zur Hektik und getriebenen Aktivitat moderner Tage. ”Gott segneteden siebten Tag und heiligte ihn, weil er an ihm ruhte ...”

Wir haben den ”ersten Schopfungsbericht” aufgenommen. Wir haben uns ansprechenlassen von weitreichenden Worten. Nun werden Sie fragen: wie konnen wir diesen Berichtverstehen? Wie war es denn damals, zum Beginn des Universums? Sie werden fragen: washaben all diese Dinge zu bedeuten?

Wir mochten Stellung nehmen zu diesen Fragen und damit Anregungen geben zumWeiterdenken. Dabei konnen wir nicht alle Fragen klaren oder alle tiefliegenden Problemebeantworten. Das muß im Diskurs von Theologie, Wissenschaft und Glauben geschehen.Hier zunachst einige einleitende Gedanken.

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Der Schopfungsbericht ist zunachst einmal unzweifelhaft ein Lied - eine Ballade, in deruber viele Jahrtausende hindurch eine judische und christliche Sicht auf die Erde und dieSchopfung vermittelt wird. (Ich habe damit noch nichts daruber gesagt, ob diese Textemehr sein konnen als ein Lied und was es meint, ein Lied zu sein.)

Durch den Schopfungsbericht spricht Gottes Weisheit und Geist zu den Menschengeschichtlicher Zeiten, von dem Volk Israel Jahrhunderte vor Christus bis heute, bis indie moderne Zeit wissenschaftlicher Denkmodelle. Als Beispiel sei die Deutung von Sonne,Mond und Sternen als ”Lampen” am Himmel genannt. Dies ist eine zentrale Aussage furalle die Volker und Menschen, welche Krafte und Gewalten in den Gestirnen verkorpertsehen und sahen, bis hin zur heutigen Astrologie. Dieser Schopfungsbericht stellt klar: alldiese Planeten sind von Gott geschaffen, so wie alle Wesen der sichtbaren und unsichtbarenWelt.

Der Schopfungsbericht bedient sich der Weltsicht des Altertums. Es werden Bilder desHimmelsgewolbes aufgegriffen und es wird mit diesen Bildern argumentiert. Es handeltsich nicht um eine wissenschaftliche Abhandlung, die unmittelbar in wissenschaftlicheAussagen ubersetzt werden kann! Die eigentlichen Aussagen liegen eine Ebene unter derbildhaften Argumentation dieser inspirierten Liedzeilen. Auch die Abfolge der Schopfungenvon Licht und Finsternis, Tag und Nacht, Sonne und Mond lassen sich nicht ohne weiteresmit heutigen Vorstellungen von unserem Sonnen- und Zeitsystem in Einklang bringen.

Der Schopfungsbericht stellt uns Menschen die Aufgabe, der Schopfung Gottes mitEhrfurcht und Neugier zu begegnen. ”Macht euch die Erde untertan” fuhrt in letzterKonsequenz mitten hinein in die moderne Wissenschaft der Neuzeit. Der mit Intelligenzund Vernunft begabte Mensch erforscht und ordnet die Welt um sich her.

Die Herausforderung fur den Menschen besteht in besonderem Maße im Rahmen seinerEbenbildlichkeit Gottes. Was bedeutet es, nach dem Bilde des Schopfers geschaffen zu sein?

Der Schopfungsbericht legt uns nicht fest auf eine bestimmte wissenschaftliche Vorstel-lung von der Entstehung der Erde. Wissenschaftliche gesprochen bedeutet dies: die Bildermussen als Bilder verstanden und in ihrer wissenschaftlichen Relevanz bewertet werden.Theologisch ist dies die Einsicht von Gottes Wort im Menschenwort - Gott spricht durchfehlbare und zeitgebundene Menschen zu uns Menschen bis heute. Gott spricht! Und Gottsagt: versteht, was ich sage. Hort zu.

Wir konnen die Aussagen des ersten Schopfungsberichtes in der Weltgeschichte bisheute wiederfinden. Der Mensch hat sich die Erde untertan gemacht. Der Mensch hat wiekein anderes Wesen Besitz von der Erde ergriffen. Der Mensch hat in seiner Kreativitat sei-ne Ebenbildlichkeit zu Gottes Schopferkraft gezeigt und zeigt sie auch heute. Der Menschbraucht die kreativen Pausen. Der Mensch braucht den Ruhetag am siebten Tage - sei esam Samstag (dem Sabbat) oder am Sonntag. Der Mensch braucht einen ”geheiligten” (dasheißt einen herausgenommenen) Tag, der ihm Ruhe und neue Kraft fur sein Leben gibt.

Nach den Schopfungsberichten ist der Mensch geschaffen nach dem Bilde Gottes. DerMensch ist damit in besonderer Weise mit Gott verbunden - und bis heute kennen wirkein anderes Lebewesen, fur welches dies in gleicher Weise gelten konnte.

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Wir werden in der kommenden Woche davon horen, wo dieses Bild Gottes zerstortund verdorben wurde, wo es immer noch seine Wirkungen zeigt, und wir werden uber dieKonsequenzen und Realitaten dieser Welt nachdenken!

3.1.3 Schopfung oder Evolution? Mythologisch oder wortlich?

Wie ist die Welt entstanden, wie ist der Mensch entstanden?Dieses WIE hat verschiedene Dimensionen. Da ist die wissenschaftliche Dimension.

Es geht darum, die physikalischen, chemischen und biologischen Ablaufe zu klaren. Esgeht darum, die Entstehung von Planeten, Meeren, Algen und Pflanzen, Tieren und desMenschen in ihrer Gestalt auf die Realisierung von Naturgesetzen zuruckzufuhren. Es gehtdarum, die einzelnen Schritte zeitlich einzuordnen.

Es gibt dann die Dimension Gottes. Die Bibel gibt ja keine konkrete Erklarung, w i eGott in der Schopfung wirkt. Er ist nicht nur der erste Beweger, auf den ihn die Philosophiein der Neuzeit reduzieren wollte. Er ist der in der Schopfung bestandig wirkende Schopferund Herr. Gott wirkt nicht nur uber oder außerhalb der Naturgesetze. Er bedient sichganz selbstverstandlich der Naturgesetze. Somit ist es kein Widerspruch, das HandelnGottes auf Naturgesetze zuruckfuhren zu konnen. Es ist geradezu naturlich, daß wir dazuin vielem in der Lage sind.

Betrachte etwa die ersten drei Satze der Bibel. Ich habe keine Schwierigkeiten darin,die konkrete Realisierung des ”es werde Licht” in einem Prozess zu sehen, in dem sich dieVerbrennungsvorgange der Sonne entzunden und ein Sonnensystem im geradezu wortlichenSinne ”ins Licht” getaucht wird. Ich habe aber auch keine Schwierigkeiten darin, mit einemWirken Gottes zu rechnen, bei dem alle mir bekannten Gesetze der Physik, Chemie undBiologie verletzt und durchbrochen sind. Bisher erfahre ich jedoch das Handeln Gottes inder Regel in ganz erklarbaren Dingen. Gott geht ”verlaßlich” mit uns um, und eine solcheVerlaßlichkeit begegnet uns unter anderem in Form von Naturgesetzen. Ich gehe davonaus, daß diese Naturgesetze auch erfullt sind, wenn ich willentlich den Satz formuliere,den Sie gerade lesen. Ich entscheide, ich fuhre aus - und wenn sie nachboren, dann werdensie doch nur physikalisch die Schrift, das Papier, meine Arme, meine Nerven und mehrfinden, aber den Geist und Willen, mit dem ich das steuere, der wird Ihnen zumindest aufdieser Ebene verborgen bleiben.

Betrachten wir den sechsten Vers der Bibel: ”Im Wasser soll ein Gewolbe entstehen,das die Wasser trennt.” Wir konnen hier die Vorstellung von dem Urmeer sehen, vondem jetzt der Himmel getrennt wird. Ist das nun ”mythologisch”? Es ist eine Erzahlung.Und doch kann man in den Bildern jener Zeit einen Vorgang beschrieben sehen, wie sichOzeane, Kontinentalplatten und die Atmosphare unseres Planeten getrennt haben. Ver-steht man die Bilder als einen Weg, mit den Menschen einer Epoche zu kommunizieren,so ist dieser Schopfungsakt absolut zutreffend so beschrieben, wie wir ihn uns derzeit inwissenschaftlicher Terminologie denken.

Mit dieser Art des Lesens nehmen wir die biblischen Schopfungsberichte ernst, lesensie aber so, wie sie gesprochen sind in bildlicher Redeweise jener Epoche, in der sie zuerstsprechen. Ihre Bedeutung kann dann durch geeignete Ubertragung erschlossen werden -Gott spricht und es geschieht.

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Eine Frage ist es, was es mit den Schopfungstagen auf sich hat. Kann man die als ”Tage”verstehen, also als 24 Stunden a 60 Minuten? Ich sehe nicht, wie wir damit weiterkamen.Eine solche Interpretation passt nicht in alles, was wir uber die Zeit heute gelernt haben.Und ich sehe keinen Ansatzpunkt, wie wir dann die Funde und Rekonstruktionen derWissenschaft halbwegs plausibel erklaren konnten.

Schauen wir uns einmal einige physikalische Hintergrunde an. Die Zeit ist nicht dasgleichmaßige Etwas, als das sie der Mensch im Alltag oft erlebt. Die Zeit ist biegsam, einevierte Dimension, die in enger Wechselwirkung mit der Dynamik und der Struktur desphysikalischen Raumes steht. Hier gibt die spezielle und allgemeine Relativitatstheorie unddie Erkenntnisse der Quantenfeldtheorie und der Quantenchromodynamik tiefliegendenEinblick. Fur den Normalburger sind das unbekannte Welten. Doch die moderne Physikkann nachweisen, daß die Zeit von der Bewegung eines Korpers beeinflußt wird. Sie wirdauch von der Masse von Korpern beeinflußt.

Zeit ist verbluffend - und ich wurde als Konsequenz aus allem, was ich uber die Zeitund uber Gott gelernt habe, einen ”Schopfungstag” auf eine vollig unbestimmte (d.h.mir unbekannte und unzugangliche) Lange von uns bekannten ”Jahren”, ”Jahrtausenden”oder ”Jahrmillionen” datieren.

Laßt man also die Lange eines ”Schopfungstages” offen, so entsteht die Moglichkeit,die heutige Sichtweise von vielen Millionen Jahren Entwicklung des Universums und desLebens mit den biblischen Erzahlungen in Einklang zu bringen. Wir dann keine Schwie-rigkeiten, die Entstehung des Universums, der Erde, der Pflanzen und Tiere zu verstehen.”Dann befahl Gott: Im Wasser soll sich Leben regen, und in der Luft sollen Vogel fliegen!”Es ist durchaus moglich, hier die Entwicklung von Arten zu denken, die uber Jahrmillionengeschah. Heute datiert man die Entstehung des pflanzlichen Lebens auf den Zeitraum seitrund 1,5 Milliarden Jahren. Aber hier sind sicherlich noch einige Uberraschungen beimwissenschaftlichen Fortschritt zu erwarten.

Um eines ganz klar zu sagen: ich sage nicht, daß es so gewesen sein muß! Ich lassemich auf den Gedanken ein, daß es so gewesen sein konnte, und ich frage mich, wie dieszu belegen ist und was dagegen spricht. Die Evolutionstheorie ist eine Theorie, die vieleBeobachtungen integriert, aber es bleibt eine Theorie. Wissenschaftliche Theorien kommenund werden durch bessere oder andere ersetzt - so ist der Lauf der Wissenschaft. Auchdie mechanistische Vorstellung des Atoms mußte um 1920 aufgegeben werden und wurdedurch eine wesentlich bessere Theorie, die Quantentheorie, ersetzt.

Kommen wir zur Entstehung des Menschen. Am sechsten Schopfungstag, so 1.Mose26, wurde der Mensch als Mann und Frau geschaffen, ein Wesen, das Gott gleich sei. Dieheute bekannten altesten Menschenfunde werden mit dem Neandertalers auf rund 180.000- 118.000 v.Chr. datiert. Die Chro Magnon Funde datiert man auf einen Zeitraum zwi-schen 118.000 bis 10.000 vor Christus. Dabei sieht man den Ubergang vom Neandertalerzum Chro Magnon Menschen um 60.000 vor Christus. Hier werden vielfaltige Werkzeug-funde berichtet. Die Entstehung der Kunst des Menschen wird auf etwa 60.000-40.000vor Christus datiert, im wesentlichen durch Funde von Kleinstkunstwerken in datierbarenGesteinsschichten.

Die fruhen Hochkulturen finden sich z.B. in Agypten, Mesopotamien, Indien in einerZeit zwischen 10.000 vor Christus und 3.000 vor Christus. Irgendwann in dieser Zeit setzt

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der Ubergang von der Vorgeschichte zur ”Alten Geschichte” ein. Stadtische Siedlungenentstehen um 3.000 vor Christus in Agypten und Vorderasien, wenig spater auch in In-dien. Es ist außerst spannend, daß uns die ersten Teile des ersten Mose-Buches genauin diese fruhen Hochkulturen hineinfuhrt. Die Bibel fuhrt uns damit zuruck in eine Zeit,als der Mensch mit seiner Kultur zu dem wurde, was wir als ”menschlich” ansehen. Esist verbluffend, die fruhen Zeugnisse der Menschen zu studieren - griechische Mythologie,die Upanishaden in Indien und weiteres. Der Schopfungsbericht der Bibel halt in meinenAugen absolut stand gegenuber dem Zahn der Zeit und der Entwicklung der Wissenschaftund der menschlichen Einsicht seit 4000 oder 5000 Jahren bis heute. Das ist ein sehrseltenes Phanomen in der Menschheitsgeschichte.

Schauen wir uns nun den zweiten Schopfungsbericht an.

3.1.4 Mann und Frau im Garten Eden (1.Mose 2)

Der zweite Schopfungsbericht steht im zweiten Kapitel des ersten Mosebuches ab Vers 5.Dabei geht es im wesentlichen um die Erschaffung des Menschen - als Mann und Frau.

”Da machte Gott den Menschen aus Erde vom Acker und blies ihm den Odem desLebens in seine Nase. Und so ward der Mensch ein lebendiges Wesen.”

Der Mensch ist von Erde genommen! Das ist eine der ersten Einsichten dieses Schopfungs-berichtes. Der Mensch ist Teil dieser Schopfung - gemacht aus Kohlenstoff, Wasser undweiteren Zutaten. Dabei konnte man sich fast in ein heutiges Chemielabor versetzt sehen.

Und dann werden wir mitgenommen in den Garten von Eden, in den Gott den Men-schen hineinsetzt. Dieser Garten bietet verlockende Baume und Fruchte - und den Baumdes Lebens inmitten des Gartens. Irgendwo zwischen tiefer Wahrheit und orientalischerErzahlkunst wird der moderne Betrachter mit verschiedenen Erzahlebenen konfrontiert.Die Strome Pischon, Gihon, Tigris und Euphrat fließen aus dem Strom des Gartens vonEden. Auch hier finden wir visionare Kraft der uberlieferten Zeilen verbunden mit derganz konkreten Lebenswelt der Zuhorer. Gott spricht Menschen an.

”Und Gott gebot dem Menschen und sprach: Du darfst essen von allen Baumen imGarten, aber von dem Baum der Erkenntnis des Guten und Bosen sollst du nicht essen;denn an dem Tage, da du von ihm issest, mußt du des Todes sterben.”

Ein Gebot Gottes im Garten. Wort Gottes zur Weisung und Hilfe. Wort Gottes, um ihmzu vertrauen und sich ihm anzuvertrauen. Wort Gottes, um Entscheidung zu ermoglichen- Freiheit zwischen Leben und Tod!

Die unfaßbaren weltumspannenden Auswirkungen dieser Zeilen werden wir in der kom-menden Woche streifen ... heute soll es primar um Mann und Frau gehen, um den Men-schen.

”Und Gott sprach: es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei; ich will ihm eine Hilfeschaffen, die zu ihm paßt.”

Da ist der Mensch: Mann und Frau. Was ist der Mensch?Wie zentral fur die Weltgeschichte sind die Fragen nach dem Menschen, nach Mann

und Frau! Die Herrschaft des Menschen uber den Menschen ... Sklaverei und Rassismus.Die Herrschaft des Mannes uber die Frau: Patriarchat und sexuelle Erniedrigungen. DieEmanzipationsbewegungen, Schulen fur Jungen und Madchen, Unterschiede und Quoten-

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regelungen ... wie durfen wir das Wort von der ”Hilfe” verstehen, von der ”Mannin”, vondem Menschen, der dem ersten Menschen zur Erganzung und zum Gegenuber geschaffenwurde?

Zuerst mussen wir klarstellen, daß die Bibel das Wort ”Hilfe” nicht als Abqualifizierungversteht, daß hier keine Hirarchie etabliert wird. Gott selbst, der Herr und Herrscher,bezeichnet sich als ”Hilfe” des Menschen - als Mutter und Vater, als Freund und Stutze.Nein: ”Hilfe” fur die Frau ist ein Ehrentitel Gottes! Es bedeutet Macht und Ehre, eineHilfe sein zu konnen.

Die Frau ist Fleisch vom Fleisch des Menschen. Die Frau ist voller und ganzer Mensch.Der erste Mensch hat das begriffen und ruft begeistert: ”Das ist doch Bein von meinemBein und Fleisch von meinem Fleisch; man wird sie ”Mannin” nennen, weil sie vom Mannegenommen ist.” Die Frau als Gegenuber des Mannes ist ein vollwertiges Gegenuber undgleichwertiger Mensch.

Und die Gemeinschaft von Mann und Frau wird uber die Gemeinschaft der Familie,uber Vater und Mutter gesetzt. Sie werden ”ein Fleisch” sein ... weitreichende Worte!Zwei Menschen und doch wie ein Lebenwesen, wie ein Fleisch. Zwei Wesen und dochverbunden durch Liebe und Ehe ... hier wird uber eine Gemeinschaft gesprochen, diewir nur ansatzweise heute erleben konnen - uber die von Gott im Anfang geschaffenenGemeinschaft von Mann und Frau.

”Und sie waren beide nackt, der Mann und seine Frau, und schamten sich nicht.”Nackt sein - das heißt, nichts voreinander verbergen zu konnen. Offen und verletzlichvoreinander stehen - und dabei doch zugewandt und liebevoll zu bleiben ist der Traum unddie unerreichbare Hoffnung einer menschlichen Beziehung bis heute. Hier wird klargestellt,wie Gott die Beziehungen schuf: sie waren nackt und schamten sich nicht.

Heute wird der Bericht vom Garten Eden wieder neu aktuell. Gemeinschaft von Mannund Frau in einer durch Jesus Christus wiederhergestellten ursprunglichen Beziehung zuGott. Nicht die Gleichheit der beiden komplementar aufeinander hin geschaffenen Men-schen ”Mann” und ”Frau”, sondern ihre Gleichwertigkeit in ihrer ganz spezifischen Be-sonderheit. Nicht einer der Herrscher des anderen, sondern zwei Liebende, die aufeinan-der bezogen sind: Geschenke fureinander! Unschatzbarer Wert der von Gott geschaffenenGeschopfe.

Kirche muß heraustreten aus dem Kampf, den sich die gefallene Schopfung liefert ...und muß ein Vertrauen leben, das auf den Garten Eden hinweist, auf das Reich Got-tes. Mann und Frau in ungetrubter liebender Gemeinsamkeit. Vollendete Gleichstellung,Emanzipation und Achtung von Menschen, die sich einander gegenseitig unterordnen. DieVergangenheit wird zur neuen Zukunft .... eine neue Schopfung, in der Gerechtigkeit wohnt.Mehr als alle anderen Texte der Bibel sind schon diese ersten Zeilen Vision des ReichesGottes, auf das wir hoffnungsvoll zugehen und das wir zusammen mit der ganzen leidendenSchopfung voller Vorfreude hoffend erwarten.

3.1.5 Wort beim Wein: Traume und Realitat

Die Schopfungsberichte verweisen uns auf eine ursprungliche Realitat, die doch heute vonden Ereignissen des Sundenfalles uberlagert sind. Sie fuhren uns mitten hinein in die Frage

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nach der Realitat des Reiches Gottes, in die Frage nach Traumen und Realitat christlicherBotschaft ...

Die vorausgehenden Abschnitte bringen viele Beispiele der unmittelbaren Realitat derbiblischen Bilder. Die Ebenbildlichkeit Gottes in Kreativitat und Machtstellung des Men-schen. Die Ruhebedurftigkeit des Schaffenden. Die Gleichheit und Bezogenheit von Mannund Frau. Die Sehnsucht nach Nacktheit und Akzeptanz.

Und doch haben diese Visionen von Paradis etwas Traumerisches. Wo in der Weltwerden sie Realitat? Wo setzen sich diese Dinge durch und konnen eine Gemeinschaftpragen?

”Das Reich Gottes kommt nicht so, wie ihr es erwartet.” sagt Jesus. ”Das Reich Gottesist in euch.” Der Sohn Gottes sieht das Paradis schemenhaft Realitat werden schon heute,schon seit Pfingsten. Die Kraft Gottes verandert und erneuert Menschen ... schrittweiseund in einem Prozess des Wachstums ... mit einem unmerklichen Beginn - und doch mitder Zeit groß wie die Baume, die unser Alleen saumen, die weithin sichtbar sind und dieuns Schutz vor Wind und Wetter geben konnen.

Das Paradis beginnt schon, neue Realitat zu werden. Durch den heiligen Geist Gottesist das Paradis jedem Menschen heute zuganglich, der an Jesus Christus glaubt. Inmit-ten des Leidens und Schmerzes der Schopfung keimt neues Leben. Dieses neue Leben istgleichzeitig Hoffnung und Realitat - schon und noch nicht ... machtlos und doch kraftvoll.

Wenn wir vor Jesus Christus stehen, ist der Garten Eden erfahrbare Realitat. Wenn wirder Liebe Gottes durch die beiden Testamente begegnen, wird der Garten Eden Wirklich-keit. Wo wir uns Gott anvertrauen, finden wir uns mitten im Garten Eden wieder ... auchwenn wir noch Teil dieser Welt sind, die sich vom Vertrauen in den Schopfer gelost hat.Auch wenn wir viele Leiden und Ruckschlage ertragen mussen, den Menschen ausgeliefert,dem Hass und der Verachtung.

Ich wurde gerne mit Ihnen ins Gesprach kommen uber die Realitat des Reiches Gottes.Es wird ein Gesprach uber Vater, Sohn und heiligen Geist werden

... uber Erfahrungen und Hoffnungen,

... uber jubelnde und trostlose Stunden,

... uber den Schopfer in seiner unermeßlichen Schonheit,

... und uns Menschen ... mit unseren guten und bosen Zugen

Offnen Sie sich fur ein Gesprach... im kleinen Kreis,... oder im großen Kreis,... unter uns,... oder unter vielen,... unter Christen,... und mit vielen Religionen... mit vielen Konfessionen und christlichen Kirchen... im Evangeliumsnetz!

90 Die Bibel fur Menschen von heute ...

3.2 Großer Krach mit Nachspiel ... - der Sundenfall (1.Buch Mose, Ka-pitel 3+4)

3.2.1 Fur Eilige: Blickwinkel auf das Bose ...

Was ist das Bose? Wie kommt es, daß Menchen andere Menschen qualen und ihnen Bosestun? Wo ist der Ursprung fur all diese negativen Seiten der Schopfung?

Die Bibel erzahlt in ihrem dritten Kapitel (1. Mose 3) den ”Sundenfall” des Menschen- die Trennung von Gott und damit den Beginn jenes tragischen Dramas, das wir alsWeltgeschichte mit Licht und Schatten kennen und mit der wir uns durch die Zeitenbewegen.

Dieser Sundenfall ist wie ein Schlussel fur unser Verstandnis der Welt, in der wir leben.Wie ein kleiner Kristall, in dem sich das Licht von vielen Seiten bricht und der uns durchimmer neue Drehungen und Blickwinkel mehr und mehr von sich zeigt, so wollen wir dieErzahlung vom Sundenfall aus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchten.

Da ist an erster Stelle die Aufkundigung des Vertrauens durch Adam, durch den erstenMenschen. Gottes Wort steht gegen das Wort der Schlange.

Da ist die Rolle des Gehorsams - eines fur Deutschland so schwierig gewordenen Wortesnach dem Mißbrauch durch den Nationalsozialismus und die jahrhundertelangen Unter-druckungen von Menschen durch unterschiedlichste Gruppen von anderen Menschen.

Der Sundenfall sagt aber auch etwas aus uber Willen und Motive von Menschen, uberdas Verhaltnis von Mann und Frau, uber die Muhsal des Lebens und Arbeitens, uberEgoismus und Selbstsucht ...

Der Sundenfall beruhrt das Thema von einer bosen die Schopfung beherrschendenMacht, von Satan und seinem Einfluß, bis heute. Es geht um die Faszination, zu sein wieGott in dieser oder jener Beziehung.

Nicht zuletzt geht es beim Sundenfall um die Vertreibung aus dem Paradis, um dieSterblichkeit des Menschen und damit um die Perspektive jedes menschlichen Lebens, umHoffnung, um Tod und Leben selbst.

Die Erzahlung vom Sundenfall ist bis heute unmittelbar am ”Puls der Zeit”, einezentrale und wegweisende Erzahlung ...

Nun aber los mit dem Studium des Originals!

Tipps fur diese Woche:1) Die Bibel sieht in der Aufkundigung des Vertrauens gegenuber Gott den Ursprung

allen Ubels in dieser Welt. Konnen Sie verstehen, daß Menschen, die Gott nicht mehr”von innen her” kennen und ihn als absolut vertrauenswurdiges Gegenuber wissen, schnelldurch ihre Handlungen auch anderen Leid zufugen?

2) Denken Sie einmal nach, wie ein Vertrauensbruch geheilt werden kann! Kann Ver-trauen durch Gesetze wiederhergestellt werden? Kann man Vertrauen wiederherstellen,indem man sich eine bessere Beziehung erarbeitet? Vertrauensbruch kann nur durch neuesVertrauen, durch ”Glauben” geheilt werden, wenn sich dieses Vertrauen im Leben bewahrt!Haben Sie damit schon Erfahrungen gemacht?

Roland Potthast 91

3.2.2 Der Sundenfall (1. Mose 3)

Wir wollen hier zunachst die Erzahlung vom ”Sundenfall” des Menschen kennenlernen.Der Rahmen dieser Geschichte wird durch 1. Mose 2 mit der Erschaffung des Menschenals Mann und Frau gegeben und mit den Geboten Gottes, nicht vom Baum der Erkenntniszu essen.

”Aber die Schlange war listiger als alle Tiere auf dem Felde, die Gott der Herr gemachthatte, und sprach zu der Frau: Ja, sollte Gott gesagt haben: ihr sollt nicht essen von allenBaumen im Garten? Da sprach die Frau zu der Schlange: Wir essen von den Fruchten derBaume im Garten; aber von den Fruchten des Baumes mitten im Garten hat Gott gesagt:Esset nicht davon, ruhrt sie auch nicht an, daß ihr nicht sterbt! Da sprach die Schlangezur Frau: Ihr werdet keineswegs des Todes sterben, sondern Gott weiß: an dem Tag, daihr davon eßt, werden eure Augen aufgehen, und ihr werdet sein wie Gott und wissen, wasgut und bose ist.”

Wir sind hier im Zentrum und Mittelpunkt der Vertrauensfrage. Was hat Gott gesagt?Wie meint es Gott mit mir? ...

Die erste Frau steht mitten in einem Konflikt. Sie kennt das Wort Gottes ... und hierhort sie das Wort der Schlange: ”Ihr werdet keineswegs des Todes sterben.” ...

Es geht um das Vertrauen: wem vertraut diese Frau? Es geht auch um den Kampfzwischen verlockenden Angeboten und einer gesetzten Grenze, einer hier von Gott selbstgesetzten Grenze.

Bevor wir weitere wichtige Details ansprechen, wollen wir den zentralen Handlungs-strang weiter verfolgen:

”Und die Frau sah, daß von dem Baum gut zu essen ware und daß er einen Genuß furdie Augen sei und verlockend, weil er klug macht. Und sie nahm von der Frucht und aßund gab ihrem Mann, der bei ihr war, auch davon, und er aß.”

Schnell nimmt das Drama seinen Lauf. Der Entschluß wird nicht weiter diskutiert -er außert sich in der Tat! Die Fruchte sind gegessen und die Konsequenzen kommen ingroßen Schritten auf diese Menschen zu. Horen wir weiter.

”Da wurden ihnen beiden die Augen aufgetan, und sie wurden gewahr, daß sie nacktwaren, und flochten Feigenblatter zusammen und machten sich Schurze.”

Die erste Konsequenz der beiden ersten Menschen beim Sundenfall ist das Versteck-spiel. Sie konnen sich nicht mehr offen begegnen - sie fuhlen sich nackt und unbedeckt.Erst spielen sie voreinander Versteck, dann vor Gott.

Das Versteckspiel der Menschen voreinander bis heute konnen wir taglich beobachten,unter Kollegen und Freunden, in unserer Familie und auch im offentlichen Bereich, inPolitik und Wirtschaft.

Weitere Konsequenzen werden nun geschildert. Zuerst ist es nun Gott, der handelt.Gott erkennt das Problem, spricht zunachst Adam und dann die Frau darauf an. UndGott verflucht die Schlange.

An diesem Punkt kommen wir nicht darum herum, nach dieser Schlange zu fragen.Wer war es, der hier die erste Frau verfuhrte? Wofur steht die Schlange? Handelt es sichum ein konkret identifizierbares Wesen oder eine Person?

Wenn man sich die weiteren Bucher der Bibel ansieht, finden wir immer wieder die

92 Die Bibel fur Menschen von heute ...

Interpretationen dieser Schlange. Sie gilt als Bild fur das Wesen mit Namen ”Satan” oder”Teufel”, den gefallenen Engel Gottes - ein Teil der geistigen Welt, welche die bekanntephysikalische Welt umfaßt und deren Teil jeder Mensch durch seinen Geist ist.

Die Erzahlung vom Sundenfall ist ein Prototyp einer Geschichte, die sich millionen-und billionenfach bis heute ereignet hat: Satan und die gefallene geistliche Welt verfuhrtMenschen zum Mißtrauen gegenuber Gott. Diese Geschichte vom Sundenfall ist der Beginneines Dammbruches, der sich durch die ganze Menschheitsgeschichte zieht: der Menschmißtraut Gott und fugt seinen Mitmenschen Leid zu.

Unsere Geschichte sagt aber noch wesentlich mehr aus, als wir bisher angesprochenhaben. Gott zieht klare Konsequenzen: zuerst wird die Frau bestraft durch Leiden inder Schwangerschaft und durch eine Unterordnung im Verhaltnis zu ihrem Mann. Diemodernen Menschen unter uns werden aufschreien und sich emporen uber Gott, der hierdas Patriarchat begrundet. Der zweite Schopfungsbericht stellt die Verhaltnisse innerhalbder Schopfung als eine Strafe und Konsequenz des souveranen Gottes, eine Reaktion aufdas Verhalten der Frau dar. Das ist oft als Mittel einer von Mannern gepragten Gesellschaftgesehen worden, um die Frauen zu unterdrucken. Als Kritiker sehen wir hier nicht GottesKonsequenz, sondern die Machtpolitik von Unterdruckern am Werk. Aber das liegt daran,daß wir nichts von Gottes Liebe, seiner eigenen Unterordnung und Hingabe kennen. Dasliegt daran, daß die Manner die Unterordnung, die hier der Frau verordnet wird, nicht alsein Grundprinzip Gottes erkannt haben, welches fur sie selbst ebenso gilt. Gott ist derHerr - und doch macht er sich als solcher zum Diener der Menschen. Der Mann aber hatdas in der Weltgeschichte zur Unterdruckung genutzt - welch eine tragische Entwicklung.

Zwei wichtige Dinge sind anzumerken:1. Die Zeilen beschreiben, was dann Tatsache war. Der Mann hat die dominanten Rolle

in der menschlichen Gesellschaft gespielt und tut es zum Teil bis heute.2. Jesus hebt diese Strafe Gottes auf bzw. er nimmt die Verlorenheit des Menschen

auf sich! Durch das Handeln Jesu Christi geht das hier beschriebene Wort Gottes auf ineiner neuen Gesellschaftsordnung: der Gemeinschaft in der umfassenden Liebe Gottes. Dasneue Testament greift unmittelbar diese Strafe Gottes auf, schlagt sie auf den Sohn Gottesund befreit damit Mann und Frau zu einem neuen und gleichberechtigten Verhaltnis imkommenden Reich Gottes. Mann und Frau sind gleichberechtigt vor Gott und werdenaufeinander verwiesen!

Weitere Konsequenzen des Sundenfalls sind festzuhalten:Der Mensch muß mit Schweiß und Muhen sein Brot verdienen und sich ernahren. Auch

dies sind unzweifelhaft Dinge, die wir in der Welt um uns her taglich erleben und die zuden pragenden Erfahrungen der Menschheit bis heute gehoren.

Und als weitreichendste aller Konsequenzen verdammt Gott den Menschen zum Tode -er muß wieder zu Erde werden, von der er genommen ist. Der Tod beherrscht die Schopfungbis heute ... heißt es im neuen Testament. Erst die Auferstehung Jesu Christi beendetden immerwahrenden Lauf des Geboren-Werdens und Sterbens - und schafft eine neueHoffnung auf ewiges Leben in der Gemeinschaft mit Gott.

Wir konnen die Bedeutung dieser Zeilen kaum erfassen. Der Tod kam in die Schopfung.Es begann nun eine Schopfung, die wesentlich verschieden war von dem, was Gott vorher

Roland Potthast 93

gemacht hatte. Es war eine Schopfung geworden, die vom Tod beherrscht wird.

3.2.3 Der Tod in der Weltgeschichte

Bei allen Detailfragen danach, was sich von der Erzahlung des Sundenfalls genau wieereignet hat, was Bild und Gleichnis ist, was konkrete Realitat, bleibt die wesentlicheFrage nach dem Tod und der Stellung des Todes fur den Menschen:

* Ist der Tod die Normalitat fur das menschliche Leben? Ist der Tod Teil unserer Natur,so wie es viele Menschen es im Angesicht des Hauptstromes wissenschaftlicher Theorienheute verstehen?

* Oder ist der Tod etwas Unnaturliches, gegen das sich jeder Mensch mit Recht auf-lehnt? Ist der Tod der Stachel, der uns Menschen qualt und uns zu diesen oder jenenTorheiten nur noch mehr anstachelt?

* Was ist die Ursache und Konsequenz unseres Verhaltens, des menschlichen Ver-haltens? Darf der Mensch ewig leben? Oder ist der Tod die Erleichterung und einzigeMoglichkeit fur den Menschen, so wie wir ihn in unserer Welt kennen?

* Handelt es sich bei dem Tod, von dem im zweiten Schopfungsbericht gesprochenwird, um einen ”geistlichen Tod”? Oder geht es um mehr, auch um den physikalischenTod des menschlichen Korpers?

Wir durfen beeindruckt und sogar erschlagen sein von den unendlichen Auswirkun-gen dieser Fragen nach Leben und Tod, nach Schuld und Vertrauen, nach Bosheit undGerechtigkeit.

Die Frage der historischen Realitat. Ich mochte nun die Frage nach der histori-schen Realitat des Sundenfalls aufgreifen. Was ist wann geschehen? Wie konnen wir dieseErzahlung sinnvoll in unsere historische Vorstellung der Weltgeschichte einordnen?

Vorherrschende Theorie uber die Entstehung des Lebens ist heute die Evolutionslehre.Das Evolutionskonzept sieht im Tod vieler Individuen erst die Moglichkeit einer Entwick-lung der Population Es ware der Tod dann integraler und sogar wichtiger Bestandteil desMensch-Seins. Durch den Tod bekommt in dieser Philosophie die Menschheit eine Entwick-lungschance. Das Evolutionskonzept sieht also im Tod eine treibende Kraft der Evolution,weil die besser angepaßten Individuen sich besser durchsetzen und so Fortschritt hervor-bringen, die Entwicklung der Arten und des Menschen.

Ich sehe einige Schwierigkeiten, das Todeskonzept der Evolutionstheorie mit den christ-lichen Erfahrungen und der Gesamtheit des alten und neuen Testaments in Einklang zubringen. Hier gibt es meiner Ansicht nach eine ernsthafte Herausforderung fur den christ-lichen Glauben.

Aber machen wir uns zuerst die Situation klar. Die Evolutionstheorie stellt sich inSchulbuchern gerne als historische Wahrheit dar. Doch sie ist noch nicht einmal einewissenschaftlich belegte Theorie, sie ist stattdessen ein Konzept, eine Philosophie, einProgramm. Wie genau sich die ”Entwicklung der Arten” abgespielt hat, ist uns heuteverborgen. Es gibt weder realistische bio-mathematische Modelle noch klare Belege fur diekontinuierliche Entwicklung der Arten auseinander. Wir beginnen gerade erst, uns mit denMechanismen auseinanderzusetzen, wie Gott das Leben konkret geschaffen haben konnte.

94 Die Bibel fur Menschen von heute ...

Der Tod ist von den Menschen immer als Storenfried empfunden worden. Schaut mansich das Verhaltnis der Menschen aller uns zuganglicher Zeiten und Epochen an - alsobis hin zu den fruhen Hochkulturen, dann ist das menschliche Dasein durch die intensi-ve Auseinandersetzung mit dem ”Feind” Tod gepragt. Selbst in den alten hinduistischenSchriften, den Upanishaden, geht es um Leid und Tod und ihre Uberwindung durch dasEins-Werden mit dem pantheistisch verstandenen Gott des Universums. In allen Weltreli-gionen geht es um die Uberwindung des Todes, der dem Menschen als im Grunde auf Dauerangelegtem Einzelwesen entgegensteht. Der Menschliche Tod ist vom ersten Menschen angenau das, als was er im Schopfungsbericht beschrieben wird: das Ende von Leben, dasfur mehr gemacht ist!

Schaut man sich die Bibel als Ganzes an, betrachtet man die Weltgeschichte und dieverschiedenen Religionen so komme ich zu dem Schluß: es muß mehr historische Wahrheitan diesem Schopfungsbericht dran sein, als die psychologisierende Deutung uns geben kann.Und wir durfen uns noch auf viele Uberraschungen und Veranderungen der Evolutionslehreeinstellen - sie wird nicht so haltbar sein, wie sie von einer Reihe von Wissenschaftlernkonzipiert worden ist.

Machen wir uns abschließend klar: Es ist bekannt, daß die Theorie der Entwicklung desMenschen durch Mutation und Auslese ihre tiefliegenden Probleme hat, und wir solltensie als das behandeln, was sie ist: ein Erklarungskonzept, an und mit dem gearbeitet wird.Die Zeit der kulturellen Entwicklung seit etwa 6000 v.Chr. ist winzig im Vergleich zu denZeitraumen, in denen sich evolutionare Prozesse abspielt haben mußten. Der Mensch, demwir in dieser Zeit begegnen, ist im wesentlichen stets der gleiche Mensch geblieben - inbiologische-genetischer Hinsicht wie in seiner Kapazitat zu Denken und Sprache, Kulturund Gesellschaft. Der Mensch als Mensch, so wie wir ihn kennen, ist erst seit maximal50.000-10.000 vor Christus ein Teil der Weltgeschichte. Seit 10.000-3.000 entstehen dieersten Hochkulturen, in ihrer Nachfolge Schrift und Stadte. Und schon ist hier die Bibelmitten drin und redet von Gott, dem Schopfer, der die Menschen wiederzufinden sucht,die verloren sind.

3.2.4 Das Nachspiel (1. Mose 4 ff)

Wir haben schon andeutungsweise von dem Nachspiel des Sundenfalls gesprochen: vonder Weltgeschichte bis heute. In diese Weltgeschichte steigt das vierte Kapitel des erstenMosebuches unmittelbar ein.

Kain und Abel sind die Sohne Adams und Evas, der ersten beiden Menschen. Und dieErzahlung steigt in die Geschichte ein ”nach etlicher Zeit”, also hat sich einiges getan nachdiesen Menschen Nummer 3 und 4. Beide opfern, d.h. sie geben etwas ihnen Wertvollesfur Gott. Nun behandelt Gott aus irgendeinem Grund die Opfer verschieden: er nimmtdas Geschenk des Abel an, aber das Geschenk des Kain weißt er zuruck. Dann gibt esStreit: Kain wird zornig uber die Zuruckweisung seines Opfers und zeigt damit, was inihm steckt: das Mißtrauen und die Mißgunst. Und Kain erschlagt seinen Bruder Abel -die Weltgeschichte beginnt mit einem Brudermord.

Das vierte Kapitel des 1.Mose fuhrt uns mitten hinein in die vielfachen Fernsehsendun-gen des 21. Jahrhunderts. Im Action und Romantik um 20:15 Uhr sehen wir taglich das

Roland Potthast 95

immer wiederholte Morden - immer neu die uralte Geschichte von den ersten Menschen,die sich aus Mißgunst aus dem Weg schaffen. Keiner kann sagen, die Bibel sei kein absolutaktuelles Buch!

Und bis heute herrscht der Betrug und das Mißtrauen zwischen den Menschen undzwischen Gott und den Menschen. Es herrscht bis auf einen einzigen Punkt: wo Menschendurch den Glauben dieses Mißtrauen uberwinden. Das Vertrauen uberwindet das Mißtrau-en ... wir werden das in den weiteren Abschnitten immer und immer wieder kennenlernen:’der Glaube ist es, der die Welt uberwindet’ (Paulus)!

3.2.5 Wort beim Wein: Die Bibel als Wort Gottes erfahren ...

Was ist das eigentlich fur ein Bibelverstandnis, daß Sie lehren? Wenn Sie den Schopfungs-bericht als ”Lied” verstehen, konnen sie alles in der Bibel anzweifeln und bahnen damitden Kritikern ihren Weg. So und ahnlich argumentieren manche der Leser und Zuhorerunseres Seminars. Darum die Anfrage und Antwort: wie verstehen wir die Bibel? Was istBibelverstandnis und Lehre uber die Bibel? Ich will diese Frage mit folgendem kleinenBericht beantworten, der gleichzeitig eine Art Anweisung zum Bibelverstandnis gelesenwerden kann. Die Bibel wird hier also als praktisches Buch gelesen. Es ist eine aktions-und kommunikationsbasierte Erkenntnistheorie.

Wir mussen einige Schritte gehen, um angemessen uber die Bibel und unser Bibel-verstandnis reden zu konnen. Hier einige Schritte, die Sie auch personlich gehen konnen:

1. Schritt: die Bibel ist ein uberlieferter Text, den ich lese.Das sagt zunachst einmal nicht viel uber die Bedeutung der Inhalte aus. Ich lese einfach

die Geschichten und lassen mich uberraschen. Ich lesen offen und horend, worum es dabeiwohl geht.

Wichtig: was anderes sollte ich als ersten Schritt tun? Solle ich mit weiterreichendenUberzeugungen an die Bibel herangehen? Wenn ich die Bibel als ”Gottes Wort” vordefinie-re, beraube ich mich der Unbefangenheit. Wenn ich die Bibel als ”menschliche fehlerhafteTexte” vordefiniere, beraube ich mich genauso der Unbefangenheit. Darum: ich lese einenText, der mir uberliefert wurde - das ist die Bibel definitiv! - und versuche, das Gelesenezu verstehen. So versuche ich, mir ein eigenes Bild von der Bibel zu machen. Naturlichmache ich mir dabei auch Gedanken uber all das, was andere Menschen, Wissenschaftleroder Theologen uber die Bibel und ihre einzelnen Teile sagen!

2. Schritt: nach ersten Verstandnisversuchen stelle ich fest, daß hier weitreichendeDinge gesagt werden. Ein Mensch namens Jesus spricht in großen Teilen des neuen Te-staments uber den Menschen und uber Gott. Was er sagt, finde ich in meiner Erfahrungwieder und seine Verheißungen sprechen mich an. Jesus begegnet Menschen in einer Weise,die fasziniert und vollig beeindruckt. Das bleibt nicht ohne Konsequenzen.

3. Schritt: ich komme an den Punkt, wo ich mich personlich vor die Frage nach demVertrauen auf Jesus gestellt sehe. Vertraue ich ihm, so wie er durch diese Texte zu mirspricht? Oder gehe ich an ihm voruber? Ich entscheide mich fur das Vertrauen in diesemund jenem Punkt, in einem ersten Schritt, dann einem zweiten und so fort. Dabei macheich Erfahrungen mit diesem Vertrauen.

96 Die Bibel fur Menschen von heute ...

4. Schritt: vorbereitet durch Vertrauen in einzelnen Schritten und den Erfahrungenfinde ich mein Vertrauen immer und immer wieder bestatigt. Auch diverse Krisen fuhrenmich doch wieder zu diesem Jesus. Ich stehe vor der Frage, ob ich nicht mein ganzes Lebendiesem Jesus von Nazareth (dem Christus) und seinem Gott anvertrauen mochte. Ich gehediesen Schritt!

5. Schritt: Zuerst passiert nichts. Doch weil mich Jesus Christus immer und immerneu begeistert und anzieht, lerne ich mehr und mehr von ihm und der Bibel intensivkennen. Ich bin erschlagen von der Tiefe dieses heiligen Buches - von den Auswirkungender Worte auf mich und mein Leben. Und ich beginne vorsichtig, meinen Weg zu gehenals ein Nachfolger Jesu.

6. Schritt: Ich beginne, Verantwortung zu ubernehmen in kleinen Dingen fur Jesus.Ich nehme seine Worte und auch seine Befehle sehr ernst. Das fuhrt zu vielen Erfahrungenmit Gott und mit dem heiligen Geist Gottes. Die Berichte des neuen Testaments haltenEinzug in mein Leben - ich erfahre die Gaben des heiligen Geistes und ihre Realitat auchheute.

7. Schritt: Gott ruft mich in tiefere und weitere Verantwortung. Er gibt mir weitrei-chende Aufgaben und eine klare Berufung. Ich gehe diesen Weg und erfahre durch vieleAnfechtungen und Schwierigkeiten, daß sein Wort und seine Berufung Wahrheit ist undWirklichkeit. Und ich lerne unendlich viel von der Demut und Liebe Gottes kennen, derso anders ist als wir Menschen es sind - heilig und voller Liebe.

8. Schritt: Die Verantwortung, die Gott mir gibt, fuhrt mich immer und immer wiederin ein tieferes Bibelverstandnis hinein. Doch es gibt auch viele tiefliegende Probleme, dieich nach und nach kennenlerne. Die Bruche der christlichen Gemeinschaften und Kirchen,die Gemeinheit von Brudern und Schwestern bei ihrem Kampf, die von ihnen vermeintlicherkannte Wahrheit durchzusetzen ... und die echten wissenschaftlichen und theologischenFragen, die unbeantwortet eine ganze christliche Generation lahmlegen.

9. Schritt: Gott gibt mir klare Aufgaben, und doch kenne ich nicht den Weg, dener mich fuhren wird. Noch ist die Zukunft offen und die Antworten sind nicht klar. Nochbin ich durch viele ganz alltagliche Dinge abgelenkt und mit Familie und Beruf belegt ...wahrend ich u.a. in langen Abendstunden und vielen Wochenenden meinem Ruf folge undGottes Weisheit nachspure. Ich hoffe auf Bruder und Schwestern, die mir unter die Armegreifen, und die Gott in seiner tiefen Weisheit mir zur Erganzung und Belehrung begabtund ausrustet ... damit wir gemeinsam diesen spannenden Weg weitergehen konnen.

3.3 Eine Familiensaga ... - Abraham & Co (1. Buch Mose, Kapitel 12-25)

3.3.1 Fur Eilige: Gott in der personlichen Geschichte

Wo ist Gott? Was kann ein Mensch mit Gott erleben und von Gott erfahren? Ist Gottabstrakt und ferne - weit entfernt von jeder personlichen Geschichte?

Das ganze alte (und neue) Testament wimmelt von personlichen Geschichten, in de-nen Gott mit ganz konkreten Menschen unterwegs ist. Gott ist nicht der abstrakte Gott... sondern es ist ”der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs”! Gott ist ein Gott, der mitMenschen unterwegs ist und der sich durch sein Wort, seine Zusagen und sein Handeln als

Roland Potthast 97

ein menschlicher und naher Gott zeigt ... als ein Gott, der dem Menschen nachgeht undnachspurt.

Unser heutiger Bibelabschnitt umfaßt die gesamte Geschichte Gottes mit Abraham.Uber 13 Kapitel des ersten Mosebuches werden die Wege und Erlebnisse Abrahams ge-schildert. Mit spannenden Zusagen Gottes macht sich Abraham auf den Weg ... und ererlebt uber Jahre und Jahrzehnte, daß Gott seine Zusagen einlost.

Wir durfen einsteigen in eine spannende Familiensaga, bei der Gott sich mit seinenPlanen fur die Welt und die Menschheit an einen ganz konkreten Menschen bindet: anAbraham. Und wir durfen nachdenken daruber, von welch weitreichender Bedeutung einsolches Verhalten Gottes fur unser Verhaltnis zu Gott und die praktische Gestaltung un-seres Lebens ist.

Tipps fur diese Woche:1) Sind Sie ganz personlich mit Gott unterwegs und im Gesprach? Vertrauen Sie Gott

auch in den praktischen Dingen Ihres Lebens? Erleben Sie Gottes Fuhrung und Eingreifen?Machen Sie sich neu auf den Weg, sich Gott in den praktischen Fragen Ihres Lebensanzuvertrauen!

2) Kennen Sie personliche Verheißungen Gottes fur Ihr Leben? Rechnen Sie damit, daßGott Ihnen auch heute solche kleinen und großen Verheißungen geben mochte? Horen Sieauf Gott im Gebet und lassen Sie sich darauf ein, Gottes Plane fur Ihr Leben zu erfahren!Glauben Sie Gott seine Worte und Zusagen, so wie Abraham es tat.

3.3.2 Eine Familiensaga ... Abraham & Co (1. Mose 12-25)

Das Leben und die Erlebnisse Abrahams konnen wir im ersten Buch Mose ab Kapitel12 kennenlernen. Wir mochten mit Ihnen einen Durchgang durch dieses Leben Abrahamsmachen ... zunachst, um einfach diese Geschichte im Original kennenzulernen und zuverstehen.

* Berufung und Weg nach Kanaan (Kap 12)Die Bibel erzahlt Abrahams Berufung als eine klare Anweisung Gottes: Geh... in ein

Land, das ich dir zeigen werde. Gott gibt Abraham (der zu diesem Zeitpunkt noch denNamen Abram tragt) weitreichende Verheißungen mit auf den Weg: ”ich will dich zumgroßen Volk machen und dich segnen ... und in dir sollen gesegnet werden alle Geschlechterauf Erden.” Unfaßbar große und weitreichende Verheißungen ... dies alles steht in einemdeutlichen Kontrast zu dem kleinen Leben Abrams. Allerdings darf man sich Abram nichtals mittellosen Wanderer vorstellen. Sein Umgang mit den Pharaos in Agypten schilderneinen selbstbewußten und einflußreichen Besitzer von Vieh, Silber und Gold. Abram glaubtGottes Verheißung und Auftrag und zieht nach Kanaan. Gott verheißt dort diesem Abramund seinen Nachkommen das Land ... eine Zusage, die bis heute in Israel fur Unruhe undKampfe sorgt.

* Abram und Sarai in Agypten (Kap 12)Durch eine Hungersnot wird Abram nach Agypten getrieben. Dabei gibt er seine Frau

Sarai als seine Schwester aus (was keine Luge war, da sie Tochter seines Vaters war).

98 Die Bibel fur Menschen von heute ...

Aber durch diese Halbwahrheit wird Sarai in das Haus des Pharaos gebracht. Das ist aberEhebruch, der hier klar als Unrecht erkannt und von Gott bestraft wird. Der Schwindelfliegt auf und Abram wird aus Agypten verwiesen.

* Abram und Lot trennen sich (Kap 13)Abrams Neffe Lot ist mit Abram nach Kanaan gezogen. Nun kommt es zum Konflikt

zwischen den Großfamilien. Die beiden Familienclans teilen das Land unter sich auf: Lotwahlt den fruchtbaren Teil am unteren Jordan (im Osten) und Abram wohnt im LandeKanaan bei Hebron. Gott wiederholt und bestatigt seine Verheißungen an Abram.

* Abram rettet Lot und wird von Melchisedek gesegnet (Kap 14)Verschiedenste Stadtkonige jener Zeit liefern sich Auseinandersetzungen und Streitig-

keiten. Bei einer solchen Auseinandersetzung wird auch Lot bei einer Eroberung Sodomund Gomorras verschleppt. Abram erfahrt von der Verschleppung, stellt den Entfuhrernnach und befreit Lot. Bei der Ruckkehr von diesem Sieg wird Abram von einem Konigund Priester namens Melchisedek beschenkt und gesegnet, den die Bibel als ”Priester desHochsten” beschreibt. Diesem Melchisedek gibt Abram den Zehnten Teil seiner Beute.Melchisedeks Autoritat und die Zahlung des ”Zehnten” lassen ihn spater als eine Vorab-bildung des Messias erscheinen.

* Bund Gottes mit Abram und Verheißung eines Sohnes (Kap 15)Abrams Frau Sarai ist nicht in der Lage, Kinder zu bekommen. Diese wurde von der

Gesellschaft, in der Abram lebte, als riesige Demutigung und Schande angesehen. Gottverheißt in dieser aussichtslosen Lage dem Abram einen leiblichen Sohn, der sein Erbe undNachfolger sein soll, und dem das Land Kanaan gehoren wird. Dazu sagt die Bibel: ”Abramglaute dem Herrn, und das rechnete er ihm zur Gerechtigkeit.” Gott besiegelt diese Zusagein einem wundersamen Erlebnis des Abrams, in dem er ein Feuer durch einige zerteilteTiere hindurchfahren laßt - in der Sprache der damaligen Zeit eine unmißverstandlicheBestatigung der Zusage Gottes.

* Abram versucht, die Erfullung der Verheißung selbst in die Hand zu nehmen: seinSohn Ismael. (Kap 16)

Nachdem Jahre vergehen, ohne daß Abram und Sarai ein Kind bekommen, greift Ab-ram zu einer damals wohl anerkannten Sitte: er zeugt mit einer Magd einen Sohn. Eskommt zum Konflikt zwischen dieser Magd namens Hagar und der Hausherrin Sarai.Hagar wird verstoßen - und durch Eingreifen der Engel Gottes gerettet. Es kommt zurRuckkehr Hagars in das Haus Abrams.

* Ewiger Bund und neue Namen. Verheißung Isaaks und die Beschneidung. (Kap 17)Gott spricht erneut Abram an und schließt einen Bund (Vertrag) mit Abram. Gottes

Leistung in diesem Vertrag besteht in der Zusage eines Sohnes und der Zusage reichen Se-gens fur die Nachkommen Abrams. Abrams Leistung und die seiner Nachkommen bestehtin einem Leben nach Gottes Maßstaben. Zeichen und Bestandteil dieses Bundes ist die Be-schneidung aller Manner und mannlichen Knaben, am achten Tag nach ihrer Geburt. Einesolche Beschneidung muß durchaus gangige Praxis bei einigen Volkern jener Zeit gewesen

Roland Potthast 99

sein - hier wird diese Verhaltensweise von Gott in sein Verhaltnis zu Abram eingebundenund mit einem neuen Sinn erfullt. Um die Bedeutung dieses Bundes aufzuzeigen, erhaltenAbram und Sarai neue Namen: Abram wird in Abraham umbenannt, Sarai in Sara.

* Der Herr besucht Abram und Abram bittet fur Sodom. (Kap 18)In Form dreier Reisender begegnet Abram Gott selbst in seinem Heimatort. Diese

Reisenden bestatigen die Zusage eines leiblichen Sohnes mit Sarai. Diese Reisenden ziehenweiter nach Sodom und machen das ungerechte und verfehlte Leben der Menschen dieserStadt zum Thema. Abram bittet fur die Stadt, sollten sich dort einige Gerechte aufhalten.Gott in Form der Reisenden laßt sich auf diese Diskussion ein.

* Der Untergang Sodom und Gomorras. (Kap 19)Gott vernichtet die Stadte Sodom und Gomorra. Lot wird dabei von zwei Engeln Gottes

vor dem Untergang gerettet. Berichtet wird von Feuer und Schwefel ... in Ubereinstimmungmit einer archaologisch belegten Katastrophe, die der Besiedlung in diesem Bereich einEnde machte. Die Salzfelsen am Toten Meer zeugen noch heute vom Schicksal von LotsFrau, die sich weigerte, mit ihm Sodom zu verlassen, und als Opfer der Katastrophe vomSalzregen verschuttet wurde.

* Erneute Reisen und Schwierigkeiten mit Sara (Kap 20)

* Isaaks Geburt (Kap 21) und Streit um IsmaelSchließlich erfullt sich nach 25jahrigem Warten die Verheißung eines leiblichen Sohnes

fur Abraham. Isaak kommt als Sohn Abrahams und Saras zur Welt. Es kommt dann zumKonflikt zwischen Sara und Ismael - und wieder wird Hagar mit Ismael vertrieben. Wiederwerden beide in wundersamer Weise gerettet. Diesmal bleibt Hagar mit Ismael dem HausAbrahams fern. Gott hat auch ihr verheißen, die Nachkommen Ismaels zu einem großenVolk zu machen. Bis heute werden die Araber - die arabischen Volker - dieser Wurzelzugeschrieben.

* Versuchung Abrahams durch Opfer Isaaks, Bestatigung der Verheißung (Kap 22)Es kommt zur Prioritatenfrage zwischen Gott und Abraham. Was ist Abraham wich-

tiger, Gott oder sein Sohn Isaak? Gott klart diese Frage durch eine klare Anweisung anAbraham: Opfere deinen Sohn Isaak zum Brandopfer auf einem Berge. Abraham folgtdieser Anweisung und wird erst im letzten Augenblick von Gott selbst an diesem Mordgehindert. Gleichzeitig zeigt das Handeln Abrahams, daß er Gott die erste Stelle in seinemLeben einraumt und daß selbst der so lang ersehnte Sohn nicht zwischen ihnen steht. Gotterkennt im Handeln Abrahams den uneingeschrankten Vertrauensbeweis und bestatigt dieweitreichenden Verheißungen an Abrahams Nachkommen.

* Abrahams Frau Sara stirbt (Kap 23)* Abraham sucht eine Frau fur Isaak und findet mit Gottes Hilfe Rebekka (Kap 24)* Abraham heirat ein zweites mal, ordnet seinen Nachlaß und stirbt. Isaak ubernimmt

seine Rolle und Gott segnet den Sohn Abrahams.

100 Die Bibel fur Menschen von heute ...

3.3.3 Abrahams Leben im Spiegel der Geschichte

Das Leben Abrahams hat seit vielen Jahrtausenden die Menschen bewegt und hat dieweitere Bibel und die Weltgeschichte in tiefer Weise beeinflußt. Dieses Leben ist nur derAnfang der Familiensaga, die sich uber Isaak und Jakob, Mose, die Richter und KonigeIsraels bis hin zu David und Salomo erstreckt und dann weiter fortsetzt.

Wir haben uns mit hineinnehmen lassen in einen Anfang, der spannender und aktuellerals jeder Roman und jedes Geschichtsbuch mitten hineinreicht in die Kultur-, Rechts- undGesellschaftsgeschichte der Welt bis zu den modernen Kriegen um Kuwait, um Siedlungs-gebiete in Palastina, bis hin zu Auseinandersetzungen im Kosovo, arabisch-israelische undarabisch-christliche Konflikte und Schwierigkeiten. Wir sind mit der Familiengeschichtedes Abraham mitten in unserer heutigen Weltgeschichte!

Abrahams Leben ist ein Leben, das sich an erster Stelle als ein Leben im Bezug zuGott entfaltet und dort seinen wesentlichen Bezugspunkt hat. Abraham ist der Prototypdes glaubenden Juden und Christen ... das Modell des Gott vertrauenden und sich Gottanvertrauenden Menschen. Als solcher Urvater des Glaubens hat Abraham die großenWeltreligionen der Juden, Christen und den Islam in zentraler Weise beeinflußt. Abrahamist damit in kultureller Hinsicht wahrlich zu einem Vater unzahlbarer Volker geworden.Gott hat seine Verheißungen in einer Weise zur Realitat werden lassen, die kaum erahnbaroder denkbar gewesen ware zu Lebzeiten Abrahams.

Die großen Zuge der Familiensaga um Abraham lassen uns erschauern und beein-druckt stille werden. Doch auch die kleinen Details konnen uns unendlich viel lehren uberGott, der mit den Menschen den Bund des Vertrauens schließen mochte. Die Berichte undErzahlungen von Abraham laden uns ein, es diesem Menschen gleich zu tun und Gottzu vertrauen. Der Umgang Gottes mit Abraham, aber auch mit dessen Magd Hagar undseinem Sohn Ismael mussen uns tief beeindrucken: Bei Gott ist niemand abgeschrieben!Gott sieht und liebt jeden Menschen - ungeachtet der Aufgaben und Verheißungen, die erihm gibt.

Der Bund, den Gott mit Abraham schließt, ist bis heute die Grundlage fur das Lebender Juden in aller Welt. Er wird von glaubenden Juden auch als die eigentliche Grundlagefur den Staat Israel gesehen, der 1948 neu in Palastina entstanden ist. Hier leben undhandeln Menschen, die sich in der unmittelbaren Nachfolge Abrahams befinden, auf denendie Zusage und Verheißung Gottes bis heute ruht: ”ich will dein Geschlecht segnen [...]und durch dein Geschlecht sollen alle Volker auf Erden gesegnet werden.”

Der Bund, den Gott mit Abraham schließt, mundet ein in den ”neuen Bund”, deruns allen als das ”Neue Testament” bekannt ist. Wir geraten hier mitten hinein in dieneutestamentliche Theologie, wie sie zum Beispiel Paulus im Brief an die Romer formuliertund ausfuhrt. Der neue Bund als die Uberwindung des alten Bundes, den die NachkommenAbrahams nicht zu halten in der Lage waren! Der neue Bund durch Jesus Christus als dieErfullung des Lebens Abrahams: Leben in einem Glauben, der Gerechtigkeit schenkt.

Die Familiensaga Abrahams ist so derart direkt, personlich und menschlich, daß wiruns in den Erlebnissen und Handlungsweisen wiederfinden konnen. Da geht es nicht umferne Stars oder um die Trugbilder, die uns moderne Werbung und Strategien gerne vonPolitikern und Leitern vor Augen malen mochten. Die Bibel erweist sich in ihrer Deut-

Roland Potthast 101

lichkeit und Klarheit gegenuber dem allzu Menschlichen als ein wahrhaftiges Buch, als einmenschliches Buch. Und doch geht diese Menschlichekeit immer weit hinaus uber die welt-liche Gesellschaft. In jeder Zeile konnen wir Gottes Gegenwart und Gottes Leben spuren... es ist der Geist Gottes, der hier zu uns spricht, der uns personlich ruft und zum Glaubenan diesen Gott Abrahams einladen mochte.

3.3.4 Wort beim Wein: Gottes Geschichte heute

Wie sieht Gottes Geschichte heute aus? Konnen wir Ahnliches erleben wie Abraham da-mals? Oder ist heute alles ruhig und langweilig geworden - was fur Erfahrungen mit Gottkennen wir?

Gottes Geschichte mit der Welt und uns Menschen ist nicht am Ende! Es ist und bleibtspannend - und mehr denn je ist der Weg zu einem Leben mit Gott heute offen durch JesusChristus. Wie bei Abraham kann jeder Mensch sich auf den Weg machen, auf Gott imGebet zu horen, personlich Gottes Verheißungen fur sein Leben zu empfangen und imRingen um die lebendige Hoffnung die Erfullung dieser Verheißungen zu erwarten. Gottmochte, daß wir personlich mit ihm leben!

Dieser Weg mit Gott ist nicht frei von vielen Schwierigkeiten und Irrwegen. Das warschon bei Abraham eines der großen Probleme: Abraham hat so oft auf menschliche Wegevertraut und die Verheißungen Gottes selbst in die Tat umsetzen wollen. Sind wir besserals Abraham? Die meisten von uns Glaubenden heute haben ahnliche Probleme.

Glucklich ist der Mensch, der Gott solches Vertrauen wie Abraham entgegenzubringenvermag - ich will ihm meine Hochachtung aussprechen und vor ihm zurucktreten!

Gottes Geschichte heute ist noch mehr als damals eine Geschichte des Erbarmens.Durch Jesus hat das Erbarmen Gottes eine menschliche Gestalt und unfaßbare Machtbekommen. Gott erbarmt sich der Kirchen und christlichen (Dach)Verbande - und sie alleund wir alle haben dieses Erbarmen ungeheuer notig! Wie bei Abraham ist das ErbarmenGottes eine unverdiente und freie Zuwendung und Liebe. Gott beschenkt jeden von uns soreich, daß aller Neid, alle Mißgunst, alle Not und alle Unbefriedigung dabei voll und ganzgeheilt und gestillt werden.

Gott erbarmt sich auch der vielen Religionen und der verweltlichten Menschen - woauch immer auf dieser Erde sie leben!

Wir Christen konnen nicht anders, als jedem Volk und jedem Menschen unseren Friedenzuzusprechen und anzubieten. Uber die Grenzen jeder Gerechtigkeit hinaus mussen wirhelfen, zuhoren, unsere Hand ausstrecken und mit Geld, Bildung, Know-How, Achtung,Liebe und Glaube aktiv sein.

Machen Sie mit, gehen Sie den Weg Jesu Christi, und lassen Sie sich nicht entmutigen!Denn der Herr lebt, der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs ist lebendig bis heute.

102 Die Bibel fur Menschen von heute ...

3.4 Parabel oder Realitat ...? - Mose und der Auszug aus Agypten(2.Mose 1-14)

3.4.1 Fur Eilige: Gottes Sicht geht tiefer ...

Es gibt Ereignisse und Geschichten, die wurden wir als ganz simple Dinge sehen ...: sowar es halt. Doch in manchem verbirgt sich mehr, als wir Menschen sehen konnen: GottesSicht geht tiefer ...

Die Erzahlung von Mose und dem Auszug aus Agypten ist eine solche Begebenheit.Da scheint es sich auf den ersten Blick nur um eine Geschichte zu handeln - im BestenFall um ein historisches Ereignis viele Jahre vor unserer Zeit. Und doch ist es mehr ... vielmehr! Gott sieht tiefer und mochte uns vieles klarmachen durch die Ereignisse.

Wir wollen uns auf die Spurensuche begeben, wollen die Berichte studieren und dabeifragen: was hat Gott sich dabei gedacht, auf genau diese Art mit den Menschen umzuge-hen? Wie ist Gottes Sicht auf die Dinge?

Tipps fur diese Woche:1) Denken Sie einmal daruber nach, wo Gott Ihnen in Ihrem personlichen Leben etwas

durch ganz alltagliche Ereignisse sagen mochte. Formulieren Sie die Dinge (schriftlich) undsprechen Sie es mit einem befreundeten Christen durch.

2) Gott hat uber Jahrhunderte versucht, das Volk Israel auf das Leben Jesu Chri-sti vorzubereiten. Konnen Sie das nachvollziehen? Verstehen Sie Gottes Weg mit JesusChristus voll und ganz? Formulieren Sie Ihre Frage und stellen Sie diese Fragen in IhremBekanntenkreis und im Evangeliumsnetz!

3.4.2 Die Berichte von Mose und dem Auszug aus Agypten

Mose - ein Kind wird im Nil ausgesetzt. Hintergrund ist die Unterdruckung eines ganzenVolkes: Israel in der Sklaverei in Agypten.

Die Geschichte ist faszinierend und verbluffend. Ein Kind levitischer Eltern wird vonder Tochter des Pharao aufgenommen und erzogen. Mose wachst am agyptischen Hof aufund wird zu einem Teil der Elite Agyptens.

Irgendwie muß Mose von seiner Herkunft erfahren haben. Und Mose ist das Volk Israelnicht gleichgultig. Er nimmt Anteil an dem Leiden und mischt sich ein. Mose wird zumRacher und Morder und muß fliehen aus Agypten.

Dieser Mose flieht nach Midian und wird dort von einer Familie aufgenommen. Erheiratet und findet fur 40 Jahre ein Heimat in der Fremde. Mose wird zum Schafhirtendort in Midian.

Doch mitten zwischen den Schafen wird die Geschichte des Mose erst spannend. Jederheute kennt die Erzahlung von dem brennenden Dornbusch, durch den Gott zu Mosespricht. Gott beruft Mose, um Israel aus seinem Leid zu fuhren. Nach vielen Diskussionengeht Mose los, um seinen Auftrag zu tun.

Dann beginnt der große Streit zwischen dem Pharao und Gott, vertreten durch seinenGesandten Mose. Aaron hilft Mose, weil er ein guter Redner ist und weil Mose mit demReden seine Schwierigkeiten hat.

Roland Potthast 103

Es kommt zur Auseinandersetzung mit dem Pharao, die sich von Seiten Gottes durchdie Plagen, von Seiten des Pharao durch die immer starkere Unterdruckung des VolkesIsrael zeigt. Diese Plagen finden ihren Hohepunkt in der zehnten Plage: der Totung derErstgeburt der Agypter - also der verantwortlichen Erben jedes Hauses.

Diese zehnte Plage wird begleitet von der ”Einsetzung des Passafestes” - ein tief be-deutsames Ritual wird begrundet durch eine Anweisung Gottes selbst. Ein fehlerlosesmannliches Lamm soll geschlachtet und das Blut soll an die Turpfosten gestrichen wer-den, um den Tod an jenem Haus voruberziehen zu lassen. Dieser Tag soll Gedenktag seinfur ganz Israel fur die Befreiung, die Gott bewirkt.

Gott fuhrt seinen Plan durch - und die erstgeborenen Sohne der Agypter sterben injener Nacht. So kommt das zahlreiche Volk Israels frei und beginnt seinen Marsch in dieHeimat. Das Passafest wird begrundet - das Fest des Auszuges mit ungesauertem Brot -wegen der Eile der Flucht.

Und der Pharao verfolgt das Volk Israel, nachdem er zur Besinnung gekommen ist.Dramatisch die Szenen, die nun folgen: eingekeilt zwischen dem Schilfmeer und den her-anruckenden Streitmachten Agyptens ist das Volk Israel gefangen. Es wird dann von jenemZug Israels durch das Meer berichtet: Das Meer teilt sich und die Menschen konnen le-bend an das andere Ufer gelangen. Die Streitmachte Agyptens aber, die hier folgen wollen,werden durch das zuruckstrohmende Wasser vernichtet.

Abschließend faßt die Bibel zusammen: ”So errette der Herr an jenem Tage Israel ausder Agypter Hand. Und sie sahen die Agypter tot am Ufer des Meeres liegen. So sah Israeldie machtige Hand mit der der Herr an den Agyptern gehandelt hatta. Und das Volkfurchtete den Herrn, und sie glaubten ihm und seinem Knecht Mose.” (2.Mose 14,30ff)

3.4.3 Christus in der Geschichte von Mose

Die Erzahlung von Mose ist voll von bedeutsamen Bildern, tiefliegenden Zeichen undvorbildhaften Handlungen und Erfahrungen. Kurz gesagt: Gott sieht viel mehr in denErfahrungen des Mose, als die einfachen dies Handlungen hergeben konnten!

Bevor wir in deuten und interpretieren muß gefragt werden: was war damals eigentlichlos? Was hat Gott damit zu tun? Und: was kann uns heute nach vielen Jahrtausendendiese Geschichte zu sagen haben?

Mose und der Auszug aus Agypten: Parabel oder Realitat? ... das war der Titel unseresAbschnitts. Da ist an erster Stelle die Frage, was sich damals ereignet hat. Dies ist eineFrage an die historichen Untersuchungen - an die Geschichtswissenschaft und Archaologie,welche die alten Berichte der Tora in ihren historischen Wurzeln studiert und bewertet.Wir gehen davon aus, daß diese Berichte der Bibel die historischen Ereignisse treffen:Israelitische Stamme, die in Agypten Schutz vor einer Hungersnot gesucht und gefundenhaben. Dann eine Zeit, in der die Schutzmacht zur Unterdruckungsmacht wurde. EinFuhrer Israels, der am Hof Agyptens aufgewachsen ist und Mose hieß - und der nachvielen Auseinandersetzungen mit den agyptischen Machthabern sein Volk aus dem Landefuhren konnte.

Die Erzahlungen von Mose sind in der Geschichte des Judentums und des Christentumsohnegleichen. Tief sind die Interpretationen und Deutungen. Mose, der große Prophet ...

104 Die Bibel fur Menschen von heute ...

der nur durch Jesus Christus selbst ubertroffen wird: durch den Sohn Gottes, der GottesLiebe offenbahr macht. Mose, der demutige Diener Gottes, der das Volk Israel aus Agyp-ten und bis zu dem gelobten Land fuhrt. Mose, der mit Gott selbst geredet hat ... alsMittler und Sprachrohr. Mose, der Uberbringer der 10 Gebote und der Gesetze Gottes:heiliges Leben mit Konsequenz, Nachstenliebe und Akzeptanz fur Auslander, Feinde undWidersacher.

Die Anweisungen Gottes zum Passafest und die Bedeutung des Lammes, welches seinBlut lassen mußte um Israel zu retten, wurde in der Geschichte des neuen Testamentsimmer klar auf Jesus Christus bezogen. Jesus ist das wirkliche und wahre Lamm Gottes,auf das der Auszug aus Agypten gleichnishaft verweist. Jesus ist die Erfullung dieserbildhaften Prophetie, die Gott durch reale Ereignisse in die Geschichte hinein schreibt.Jesus Christus ist das Ziel und Zentrum der Geschichte.

Geradezu unfaßbar schreibt Gott uns die Geschichte direkt in unser Herz hinein. Durchreale Ereignisse mochte Gott zu uns reden und uns verstandlich machen: ich gebe michfur dich hin. Ich rette dich. Ich begleite dich und sorge fur dich. Vertraue mir!

Wir durfen uns auf den Weg machen, die vielen weiteren Bedeutungen der Geschichtedes Mose zu verstehen. Da ist das Wasser des Schilfmeeres - spater aufgegriffen in der Taufe,durch die ein Christ stirbt und neues Leben empfangt. Da ist der lange Weg durch dieWuste ... ein Weg zu dem Land des Glaubens und der Verheißung. Da ist die Schwierigkeit,an Gottes Starke zu glauben trotz erlebter Große Gottes.

Die Geschichte des Mose ist eine Geschichte gelebten Glaubens. Hier kampfen Men-schen um den Glauben. Es versagen Menschen. Doch manche dringen durch zum Vertrau-en ... Die immer alte und neue Geschichte des Glaubens ist geschichtliche Realitat in denBuchern des Mose, des großen Propheten und Dieners Gottes.

Wir durfen uns anstecken und ermutigen lassen, dem Glauben des Mose auch heutenachzufolgen - in unsere personlichen Geschichte mit der Welt und mit Gott.

3.4.4 Wort beim Wein: Herausforderung fur Dich!

Wir mochten dich gerne mit hineinnehmen in eine Aufgabe, die du nur mit Gottes Hilfeund dem lebendigen Glauben meistern kannst. Es geht um den Dienst im Reich Gottes.Es geht um ein Leben, das etwas von Gott wiederspiegelt und dabei anderen Menschenzum Segen wird. Ob du bereit bist, dich auf ein solches Unternehmen einzulassen?

Wir mochten einfach mal einige Schritte beschreiben, die dich in ein solches Lebenhineinfuhren konnen. So muß es nicht unbedingt sein - aber so k a n n es sein. Darum dieErmutigung: versuch es doch einmal!

1. Offne dich und dein Leben fur Jesus Christus. Geh im Gebet zu Jesus, sag ihm, daßdu dein Leben voll und ganz mit ihm leben mochtest. Sag ihm, er soll Herr und Heilanddeines Lebens sein.

2. Mach dich auf den Weg, die Worte Jesu jeden Tag in die Tat umzusetzen. Laßdich nicht durch Mißerfolge ermutigen. Jesus ist bei dir im Alltag. Er wird dir jeden Taghelfen, Gott besser kennenzulernen und mit ihm personlich zu leben. Jesus wird dir dieLiebe Gottes zeigen!

3. Ubernimm Verantwortung fur Jesus. Beteilige dich in einer christlichen Gemeinde,

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wo lebendige Christen leben. Mach mit Augenmaß und Engagement dort mit und beteiligedich mit den Begabungen, die Gott dir geschenkt hat! Suche Gemeinschaft mit anderenChristen.

4. Erzahle anderen Menschen von Jesus Christus und deinen Erfahrungen mit ihm. Laßdich auf Gesprache und Fragen ein. Wenn du etwas nicht beantworten kannst, so beteiligechristliche Freunde und Bekannte an dem Gesprach.

5. Unterstutze christliche Missionswerke und Projekte durch Gebet, Spenden und durchMitarbeit. Ubernimm verantwortliche Aufgaben im Kleinen und im Großen! Nimm dir einBeispiel an Mose, der so lange ein unbedeutender Schafhirte war: Gott mochte dich unddein Leben anderen zum Segen setzen!

Schreib mir von deinen Erfahrungen, von deinen Schwierigkeiten und Hoffnungen!Schreib mir von deinem Glauben und von Gott!

3.5 Ethik braucht Leitlinien ... - die 10 und weitere Gebote (2.Mose20-24)

3.5.1 Fur Eilige: ”Du sollst (nicht)!” - wozu Ethik?

Du sollst nicht ... du darfst nicht ... du mußt dieses tun und jenes lassen ... Was steuertmein Verhalten?

Der eine will dieses ... der andere jenes ... nicht nur zwischen einer Mutter und derzweijahrigen Tochter gibt es so Konflikte! Auch die Unterdruckung ganzer Volker und dieProbleme aller Staats- und Regierungsformen haben bei der Frage nach dem Verhaltenund dem Umgang miteinander ihre Quelle. Wem gehort was? Wer darf Dinge nutzen undeinsetzen? Wer soll sich wie verhalten?

Wir sprechen von Ethik, wenn wir uber Regeln fur das Verhalten reden. Ethik sagt,was ein Mensch tun soll und was er nicht tun soll.

Kein Mensch kommt um Ethik herum! Jeder Mensch und erst recht jede Gemeinschaftvon Menschen braucht und entwickelt Regeln und damit Ethik.

So ist das auch mit der Gemeinschaft jener Menschen, die mit Gott gemeinsam leben.Und Gott gibt diesen Regeln einen hohen Stellenwert: die 10 Gebote werden nicht nebenbeiausgetauscht und die weiteren Gebote sind praxisnah und weitreichend.

Die Gebote aus dem 2. Buch Mose greifen in alle Bereiche meines Lebens hinein: inmein Verhaltnis zu Gott, meine Worte und Reden, den Sonntag, Verhaltnis zu den Eltern,Verhaltnis zum Ehepartner, Besitz und Diebstahl ..., ja sogar in mein Wollen und meineWunsche, wenn es um den Besitz oder die Ehepartner anderer Menschen geht. Bis hinzur Feindesliebe, zum Verkauf und Wiedergewinn von (Acker-)Land, dem Verhaltnis zuden Schwachen und Armen und vielem mehr gibt Gott hier Leitlinien fur eine gelingendeGestaltung menschlichen Lebens.

Wir durfen uns mit Neugier auf die Ratschlage und Gebote Gottes einlassen, sie inunserem Leben in die Tat umsetzen und dabei erfahren, wie tiefliegend und weitreichendsie unser Leben verandern, heilen und bereichern.

Tipps fur diese Woche:1) Schauen Sie sich einmal ihr eigenes Verhalten daraufhin an, ob es den 10 Geboten

106 Die Bibel fur Menschen von heute ...

und den weiteren Regeln und Geboten aus dem zweiten Mosebuch entspricht. BeachtenSie dabei die Bemerkungen aus den Abschnitten 2 und 3.

2) Uberlegen Sie sich, wie ihr Leben aussehen mußte, um den Regeln Gottes zu folgen.Probieren Sie einmal einen Tag lang, so zu leben. Und ziehen Sie abends Bilanz! VersuchenSie es am folgenden Tag besser zu machen.

3.5.2 Die 10 Gebote verstehen - ein Versuch

Schon viele haben den Versuch unternommen, die 10 Gebote zu verstehen. Predigten,Interpretationen und Essais sind entstanden. Auch wir wollen Sie mitnehmen zu einemRundgang durch die 10 Gebote und mit Gedanken und Erlauterungen versuchen, derBedeutung dieser alten Regeln Gottes nachzuspuren. Wir lesen die Gebote in einer Ubert-ragung des Evangeliumsnetzes, welches die universale Bedeutung dieser Gebote in denMittelpunkt stellt.

1.Gebot: Ich bin der Herr, dein Gott, der dich aus der Abhangigkeit von weltlichenMachten gefuhrt hat. Du sollst keine anderen Gotter neben mir haben.

Erlauterung: Wortlich heißt es: ”dein Gott, der dich aus Agypten, aus der Sklaverei,gefuhrt hat.” Gott nimmt hier in der speziellen historischen Situation Israels Bezug aufihre personliche Geschichte. Dieser Bezug muß heute durch unsere ganz individuelle Ge-schichte erganzt werden, um der Bedeutung dieses Gebotes zu entsprechen. Gott befreitin einer konkreten personlichen Situation! Diese Befreiung ist sein Ausgangspunkt, umunser Gottesverhaltnis zu heilen und um unser Leben zu erneuern. Sie durfen hier ihrepersonlichen Erfahrungen einsetzen!

Das Gebot, nur diesen einen Gott als wirklichen Gott zu verehren, ist weiterhin Spreng-stoff in der pluralistischen Gotterwelt des modernen Globus. Christen konnen nicht andereGotter anbeten - und sie haben eine unmißverstandliche Meinung zu dem Thema, wer oderwas denn der einzige Schopfer des Universums und ”der Herr” (die tiefliegendste Machtder Welt) ist.

2. Gebot: Du sollst nicht versuchen, Gott durch Bilder oder Skulpturen zu personi-fizieren, auch nicht Gleichnisse oder geistliche Bilder. Du sollst diese Bilder, Skulpturenoder Gleichnisse nicht anbeten, denn ich bin ein eifernder Gott, der die Gottlosigkeit nichtohne Folgen sein laßt fur dich und deine Nachkommen.

Erlauterung: Wie stellen wir uns Gott vor? Was fur ein Bild von Gott machen wir uns?Gott warnt hier klar: euer Bild ist so unvollkommen und mißverstandlich, daß es euch zumHindernis in eurer Beziehung zu mir wird! Ich bin der Herr, der Gott des Himmels undder Erde. Euer Bild von mir wird euch zum Abgott, zum Gottesersatz! Hutet euch davor!

Das Bilderverbot hat in der christlichen Geschichte zu viel Tragik gefuhrt. In der Ost-kirche des romischen Reiches haben sich zwischen 600 und 800 die Ionoklasten und ihreGegner erbitterte Kampfe geliefert und so wesentlich zur Vorbereitung der großen Kirchen-spaltung von orthodoxer und romisch-katholischer Kirche beigetragen. Es ging darum, obin Form der Ikonen Bilder von Jesus Christus, Maria und den Heiligen gemalt, verehrtund angebetet werden durften. Die theologische Dimension dieser Frage wurde durch eini-ge Konzilien schließlich geklart: Verehrung von Heiligenbildern und Christusbildern wurde

Roland Potthast 107

erlaubt, ihre Anbetung klar verboten. Doch die soziale Dimension des Streits konnte nichtvoll aufgelost werden.

3. Gebot: Du sollst den Namen Gottes nicht mißbrauchen, denn der Herr, dein Gott,wird den Menschen nicht ohne Strafe lassen, der seinen Namen mißbraucht.

Erlauterung: Gottes Namen zu mißbrauchen, ist unserer modernen Gesellschaft eineriesige Gefahr. Ob es die ”christliche” Gesellschaft als ganzes ist oder das ”christliche”Menschenbild der ”christlichen” Parteien in Deutschland. Wie schnell wird Gottes Namein leichtfertiger Weise im Mund gefuhrt. ”Mein Gott ...” hort man immer wieder, nurum festzustellen, daß der Sprecher mit Gott doch wenig anzufangen weiß. Du sollst denNamen Gottes nicht mißbrauchen ist ein sehr aktuelles Gebot. Seine Einhaltung wurdeviele Menschen zu einem bewußten und neuen Glauben fuhren ... welch eine Chance!

4. Gebot: Beachte den Sonntag (Sabbat, in vorchristlicher Zeit der Samstag), daßdu ihn unterscheidest von den anderen Tagen (heiligst) und deine Arbeit an diesem Tagruhen laßt.

Erlauterung: Wir konnen die Bedeutung des Sonntags fur den Menschen und die Ge-sellschaft kaum ermessen. Wie schnell geht dieser Sonntag verloren - wenn Arbeit, sozialerAktivismus, Ignoranz gegenuber kreativen Pausen und der Drang nach Ausnutzung allerwirtschaftlichen (oder wissenschaftlichen) Ressourcen die Uberhand gewinnen. Die judi-sche Tradition feiert den Sabbat von Sonnenuntergang zu Sonnenuntergang, ein weiserRatschlag fur uns Menschen bis heute. Und Gott segnet die Ruhe, die wir uns ganz bewußtfur 24 Stunden einmal in der Woche gonnen - als einzelne und gemeinsam als Gemeindeund Gemeinschaft ... dies ist einen Versuch wert!

5. Gebot: Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren, so daß du ein langes Lebenhast dort, wohin dich dein Gott fuhrt.

Erlauterung: Ein Gebot, welches weit hineingreift in unser Verhaltnis zu Autoritatenund in unser eigenes Leben mit der Entwicklung zwischen Abhangigkeit und Selbststandig-keit. Du sollst Vater und Mutter ehren spricht mitten hinein in unseren Nerv von Bezie-hung, eine Beziehung, die fur jeden Menschen zuerst die Beziehung zu Mutter und Vateroder deren Ersatz ist. Wir sind aufgefordert, mit Achtung all dem zu begegnen, das unsereleiblichen und geistlichen Eltern uns gegeben haben (und mag es noch so viele Problemedabei geben). Wir durfen den Menschen, die uns Beziehung im Guten und Bosen gelehrthaben, mit Ehrung gegenubertreten. Welch ein tiefgreifendes Gebot!

6. Gebot: Du sollst niemanden toten.Erlauterung: Das Gebot als Verneinung des Mordes gelesen ist heute klar verstandlich.

Aber wie sieht es mit der Todesstrafe aus? Wie steht es um Abtreibung, Euthanasie undSelbstmord? Die Entwicklung der medizinischen Technologie und die Moglichkeiten derLebenserhaltung bringen viele Fragen mit sich. Ein weiterer Bereich ist die Frage nachdem Krieg, nach Verteidigung und Wehrpflicht, nach Berufssoldaten und ihrem Auftrag.”Du sollst niemanden toten” ... tote ich durch ”nicht-Toten”? So klar das Gebot in seinerunmittelbaren Form ist, so schwer ist die praktische Linie zu finden, das Gebot in dieWirklichkeit umzusetzen.

7. Gebot: Du sollst die Ehe, die offentliche und vertrauende lebenslange Gemeinschafteines Mannes und einer Frau, nicht brechen.

108 Die Bibel fur Menschen von heute ...

Erlauterung: Es ist nicht selbstverstandlich uberhaupt zu wissen, was ”Ehe” im positi-ven Sinne biblischen Verstandnisses uberhaupt bedeutet. Darum hat unsere Ubertragungden biblischen Ehebegriff mit hineingenommen in dieses Gebot. Ehe ist eigentlich die im-mer neue Hingabe und der selbstlosen Einsatz jedes der zwei Partner fureinander. Im Hinund Her der Liebe finden beide eine Erfullung, die nur das immer neue grundlose Geschenkvon Zuneigung, Zuwendung und Zartlichkeit geben kann. Ich gebe mich ganz dem anderen,der in freier Entscheidung mein Geschenk erwidert und mich durch seine Hingabe zu einervollig neuen Personlichkeit macht ... gelebte Schopfung durch die Liebe!

8. Gebot: Du sollst nicht stehlen und nicht etwas an dich nehmen, das anderen Men-schen gehort.

Erlauterung: Diebstahl fangt nicht mit dem Raub der Kasse einer Bankfiliale an. Dieb-stahl beginnt im Kleinen: wo wir unseren Eltern ein paar Mark abschwindeln. Wo wirunseren Freunden einiges abnehmen. Wo wir unseren Arbeitgeber betrugen durch un-berechtigte Ausnutzung der Ressourcen des Unternehmens oder des Staates. Die Bibelerkennt das Eigentum von Menschen an - auch wenn sie es in eine soziale Verantwortungstellt. Diebstahl berucksichtigt die bestehenden Gesetze und Verordnungen. Heute aktuellist der Diebstahl von Steuern, Software, Arbeitszeit und Subventionen. Wir durfen denSchritt wagen, unseren Diebstahl zu beenden und ehrlich zu werden im Kleinen und imGroßen!

9. Gebot: Du sollst nichts Falsches uber einen anderen Menschen sagen oder bezeugen.Erlauterung: Wie schnell sind bose oder herabwurdigende Worte uber die Lippen ge-

gangen. Schnell ubertreiben wir Menschen, wenn wir erregt sind oder wenn uns Unrechtgetan wurde. Und doch sind solche Worte Gift fur unser eigenes Leben und die Gemein-schaft, in der wir leben. Nichts Falsches uber einen anderen Menschen zu sagen muß unsoftmals den Mund verschließen ... und wird eine segnende und heilende Auswirkung aufall unsere Beziehungen haben. Wir durfen uns auf die Wahrheit einlassen ... und sie wirdunser Leben erneuern!

10. Gebot: Du sollst das Haus deines Nachbarn nicht besitzen wollen. Du sollst nichtdie Frau, Sekretarin, Chouffeur, Auto, Geld noch irgendetwas, was ein Bekannter hat, furdich haben wollen.

Erlauterung: Schwerer als alle Handlungen sind unsere Gedanken und unser Willezu steuern und zu beeinflussen. ”Du sollst nicht begehren ...” greift mitten hinein in dieGrundlagen unseres Lebens, in Wunsche und Ziele, in Willen und Ausrichtung unserer Exi-stenz. Damit ist dieses Zehnte Gebot wie das erste Gebot ein direkter Weg zur BergpredigtJesu im neuen Testament: wer eine Frau ansieht und sie begehrt, hat die Ehe gebrochenin seinem Herzen. Gott mochte unsere ganze Person mit Glauben, Zielen, Worten undHandlungen erneuern und fur sich gewinnen.

3.5.3 Die Rolle weiterer Gebote und der Gott, der durch sie redet

Wir haben uns die 10 Gebote angesehen ... und doch ist die Rechtsordnung und EthikGottes, die im zweiten Buch Mose formuliert wird, noch mehr und weitreichender als diesezehn Meilensteine. Wir mochten mit Ihnen einige ausgewahlte und zentrale Bestandteiledieser Ethik Gottes kennenlernen.

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A. Das Sabbatjahr im siebten Jahr. Sowohl in 2.Mose 21,2 als auch in den Passagenvon 2.Mose 23,10ff wird das Sabbatjahr behandelt. Das Prinzip des Ruhetages wird aufdas siebte Jahr ubertragen: dieses Jahr soll der Acker unbestellt bleiben und seine Fruchtefur jeden zur freien Verfugung sein. Doch das Gebot des Sabbatjahres geht noch weiter:Hebraische Sklaven sollen im siebten Jahr freigelassen werden - das Eigentumsrecht wirdhier aufgelost und die Menschen erhalten ihre Wurde wieder. Im dritten Buch Mose,Kapitel 25 wird eine weitere Eskalation dieses Prozesses angeordnet: im 50sten Jahr, alsonach sieben mal sieben Jahren, soll jeder wieder zu seinem Acker und Eigentum kommen.Es wird ein Befreiungs- und Versohnungstag ausgerufen. Wir begegnen hier schon im AltenTestament einer praktischen Auspragung der Weisheit Jesu Christi des Neuen Bundes: ihrseid alle Gaste und Fremdlinge auf Erden. Ihr habt nichts hineingebracht, ihr werdet auchnichts mit hinausnehmen konnen. Wir werden darauf zuruckkommen.

B. Vergehen an Leib und Leben (2.Mose 21,12ff). Das Alte Testament kennt die Todes-strafe und es kennt rigorose Strafen fur Korperverletzungen. Der Grundsatz heißt: Augeum Auge, Zahn um Zahn. Dabei sind diese Strafen auf den Schutz der Mißhandeltenoder Geschlagenen und auch der Tater ausgerichtet. Verletzte Sklaven mussen freigelassenwerden ... das sind weitreichende Menschenrechte in der damaligen Zeit!

Bei allen Geboten und Gesetzen mussen wir uns das gesellschaftliche Umfeld vor Au-gen halten und ihre Bedeutung in diesem Umfeld verstehen. Gott spricht nicht abstraktzu den Menschen, sondern in einer verstandlichen und fur die gesellschaftliche Situationbrauchbaren Weise. In dieser Situation ist die klare Bestrafung angemessen und notwen-dig. Heute gibt es wesentliche neue Aspekte durch das Leben Jesu Christi und die weitereEntwicklung der menschlichen Gesellschaft.

C. Ersatzleistungen (2.Mose 21,33 - 2.Mose 22,16). Die Ersatzleistungen regeln dasVerhalten im Fall von Diebstahl oder Veruntreuung. Die Einsicht dieser Regeln ist ver-bluffend. Immer steht das Interesse des Geschadigten im Vordergrund, aber auch derSchutz von Menschen vor uberzogenen oder unberechtigten Anspruchen oder vor falschenAnschuldigungen! Auch diese Regeln mussen in ihrer historischen Situation erfaßt undverstanden werden.

D. Rechtsschutz fur die Schwachen (2.Mose 22,20ff). Hier wird der Schutz fur Auslanderund Gaste im Lande angeordnet. Auch Waise und Witwen genießen besonderen Schutzdes Einzelnen und der Gemeinschaft. Wer sich Geld leihen muß, soll nicht durch Wucherniedergehalten werden. Wer Pfand von einem Menschen nimmt, soll ihn damit nicht inseinen elementaren Bedurfnissen einschranken (ihm nicht seinen Mantel uber Nacht weg-nehmen). Gott zeigt sich hier als einer, der die Schwachen sieht und auf sie in besondererWeise hort. Auch hier scheint uns das neue Testament unmittelbar vorweggenommen: seligsind die Armen!

E. Zauberei und sexuelle Perversion (22,17ff). Auf Zauberei oder sexuelle Perversionsteht die Todesstrafe in der alten judischen Welt. Es werden auf diese Weise Maßstabe furein Leben in voller Realitatsnahe gesetzt: der heilige Gott ist mitten unter den Juden. DieBibel geht davon aus, daß die letzte Konsequenz von Zauberei und sexuellen Perversionendie volle Trennung von Gott und damit der Tod ist.

Fur den modernen Menschen sind diese rigorosen Strafen unverstandlich und wir ste-

110 Die Bibel fur Menschen von heute ...

hen in der Tradition Jesu, der diese Strafen auf sich genommen hat - so sind wir frei,diesen als ’Graueln’ beschriebenen Verhaltensweisen ruhig und mit Toleranz zu begegnen.Uberwindet das Bose durch das Gute!

Als Christ kann man die Hexenverbrennungen, an denen sich die Kirche in großemStil in den Jahrhunderten beteiligt hat, nur als eine Reihe weitreichender Verirrungenverstehen. Da haben Menschen die Geduld und Liebe Christi verlassen oder nie gekannt,auch wenn sie sich auf Jesus Christus berufen. Sie nannten ihn ”Herr, Herr”, ohne ihmdoch zu folgen. Ich bitte an dieser Stelle stets neu um Ihre Vergebung gegenuber der Kircheund gegenuber all denen, die sich Christen nennen. Wir haben in der Geschichte immerwieder viel Schuld auf uns geladen und tun das in manchen Punkten auch heute.

Doch kommen wir noch einmal zur Substanz dieser heftigen Strafen zuruck. Was kannuns dabei zum Verstandnis fuhren? Eine Moglichkeit ist es sicherlich, die Schopfung aus derSicht des Schopfers zu betrachten. Fur Gott ist manches Verhalten eine Entgleisung, die erkorrigieren muß. Der Mensch, geschaffen zum Gegenuber und zur Gemeinschaft mit Gott,darf in seiner Perversion nicht uberleben, sondern soll geheilt oder gestoppt werden. Dasneue Testament kennt die Diskussion um das Recht Gottes, das Bose auszumerzen - undPaulus selbst argumentiert hier fur das Recht des souveranen Gottes an seiner Schopfungund am Menschen. Es ist aber ein Recht, daß nur Gott selbst hat, nicht der Mensch undnicht die Kirche. Das werden wir spater noch zu diskutieren haben.

F. Gebote der Gerechtigkeit und Nachstenliebe (2.Mose 23). Die Feindesliebe ist keineErfindung des neuen Testaments. Schon hier im Alten Testament finden wir die Feindes-liebe in ganz praktischen Geboten ausgepragt und umgesetzt.

Und immer wieder wird zur Achtung von Auslandern aufgerufen. Immer wieder zuHilfe und Gerechtigkeit fur die Wehrlosen und Schwachen.

Gott fordert hier auch klar Zivilcourage: den Mut, nicht einer Gruppe oder Menge vonMenschen auf bosem Weg zu folgen.

G. Gebot, Gott zu dienen und Gott anzubeten. Gott fordert von jedem Menschen seinganzes Leben. Immer und immer wieder wird dieses Gebot und dieser Anspruch Gotteserneuert und in unterschiedlichen Variationen ausgesprochen. ”Gott dienen” lautet derbiblische Fachbegriff. ”Dem Herrn, eurem Gott, sollt ihr dienen.” Der Dienst Gottes be-steht darin, das ganze Leben in der Beziehung zu dem Schopfer und Heiland zu leben undzu gestalten. Es ist schon im alten Bund eine Liebesbeziehung, wo sie den Geboten Gottesgemaß gelebt wird.

Und immer wieder wird von Anbetung geredet. Gott anzubeten, nicht die weltlichenMachte und Gewalten, ist auch heute ein aktuelles Gebot. Anbetung artikuliert sich inFesten und Feiern, in Lobreden und Gedachtnisveranstaltungen. Zwischen den Film- undFernsehpreisen bleibt die Anbetung Gottes gerade heute auf der Strecke. Viele kirchlicheRiten und Symbole sind nicht mehr verstandlich ... und es gibt keinen Ersatz an Gestenund Verhaltensweisen, die den modernen Menschen auf Gott verweisen und zur Anbetungfuhren. Charismatische Spezialisten konnen diese Lucke kaum fullen. Und das erste Gebotwird zur großten Herausforderung des 21. Jahrhunderts!

H. Der Bundesschluß am Sinai. Gott gibt weitreichende Verheißungen fur den Fall,daß die Menschen und das ganze Volk auf seine Gebote horen und danach leben. Es wird

Roland Potthast 111

ein Vertrag (ein Bund) zwischen dem Volk Israel und Gott gegrundet und besiegelt. DieserBund wird durch klare Zeichen und einen Festakt beschlossen und durch ein eindeutigesWunder besiegelt.

Der Bundesschluß am Sinai ist eine historisch einmalige Angelegenheit. Bei aller uni-versalen Bedeutung der Gebote mussen wir die Wirksamkeit dieses Bundes in seiner ge-schichtlichen und gesellschaftlichen Situation und Beschrankung verstehen. Zunachst istdieser Bund wegweisend fur die Menschheit und fur Israel, wird aber spater abgelost durchden neuen Bund, den Gott nach Bruch des alten Bundes durch das Leben seines SohnesJesu Christi mit der Menschheit und mit jedem Menschen schließt:

”wer an Jesus glaubt, der wird leben!”

Wir sind heute aufgerufen, die Gebote Gottes im alten Bund in ihrer heilenden undhelfenden Funktion zu begreifen, die dem Glauben eine Linie und eine Orientierung gebenwill und kann. Wir durfen sie als Grundlage und Erganzung fur die Liebe Gottes erfassen,die uns Menschen gerecht spricht durch das Vertrauen auf den Sohn und Heiland GottesJesus Christus, in der grundlosen Zuwendung und Liebe des einen Gottes: Vater, Sohnund heiliger Geist.

3.5.4 Wort beim Wein: Personliches Wort zwischen den Kirchen, Organisa-tionen und Werken

Ich mochte Sie einmal personlich ansprechen auf unsere Lage mit den verschiedenen Kir-chen, christlichen Organisationen und Werken. Sie sind Teil Ihrer Kirche, Ihrer Orga-nisation ... vielleicht ein Verantwortungstrager, vielleicht aber auch nur Zuschauer undverwunderter oder aufgebrachter Betrachter.

Wir Christen konnen nicht anders, als ganz konkret in Kirchen, Gemeinden und Orga-nisationen unseren Glauben leben. Wir brauchen dabei auch klare Worte, was wir glaubenund was wir als falsch oder schadlich ablehnen.

Und doch haben diese Institutionen immer die Tendenz, andere Christen auszugrenzenoder zu verurteilen. Die Institutionen haben die fast unvermeidliche Eigenschaft, sich selbstin den Mittelpunkt zu stellen, Werbung fur die eigene Organisation zu machen und andereOrganisationen mit Distanz, Neid oder Ignoranz zu betrachten. Wir lassen uns von anderenermutigen, solange sie nicht in direkter Konkurrenz zu uns stehen. Sobald aber dieseKonkurrenz da ist - sei es im Bezug auf Einfluß, offentliches Interesse, Gelder, Spenden,Mitarbeiter, Mitglieder und vielem mehr - gibt es heißen oder kalten Krieg.

Machen wir uns klar, daß all dies nicht Gott entspricht. Vielleicht konnen Sie mituns gemeinsam die Gottesferne all dieser Verhaltensweisen und inneren Impulse erkennen.Sehen Sie, wie sehr wir alle den ”weltlichen” Machten verfangen sind ...? Sehen Sie, wiesehr wir es notig haben, uns von Gott erneuern, heilen und in einzelnen Schritten leitenzu lassen?

Ich mochte Sie ermutigen, unvoreingenommene Schritte hin zu anderen Menschen zugehen. Und ich mochte Ihnen den Segen Gottes zusprechen fur ein Leben, Handeln undReden, das die Person nicht ansieht, auch nicht die Kirche oder Konfession, sondern das

112 Die Bibel fur Menschen von heute ...

dem anderen Menschen in der Liebe und Zuwendung Gottes begegnet, so wie er sie unsund jedem Menschen in Jesus Christus zeigt.

Es begleite und behute Sie der allmachtige Gott!

3.6 Mein Haus, mein Auto, mein Boot ... - von Sabbatjahr und Erlaßjahr(3. Mose 25)

3.6.1 Fur Eilige: Wem gehort die Welt ...?

Wem gehort die Welt ...? Gehort die Welt den Grundbesitzern? Ist es die Welt des Geldes,der Borse, der aufstrebenden dynamischen Jungunternehmer? Eine Welt der großen Kon-zerne, der multinationalen Konsortien, der Taktik und Strategie? Oder gehort die Weltdem Staat, den Politikern, den Ideologen, den Offentlich-Rechtlichen ...? Eine Welt derLehrer und Professoren? Oder eine Welt der Verleger, Journalisten und Medienstars?

Gehort die Welt dem Volk? Wir sind das Volk!...? Oder doch eine Welt des Militars?Eine Welt, in der letztlich nur militarische und polizeiliche Gewalt fur Ordnung sorgenkann? Vielleicht aber eine Welt der Religion oder Religionen? Eine Welt der Papste undMullahs, der Buddhas, Mohammeds, der Pastoren und Priester? Vielleicht eine Welt derWahrsager und Weissager, der Kartenleger, Sternendeuter, Medien und der verborgenenMachte?

Wem nun gehort die Welt? Welchen Beitrag liefert die Bibel zu dieser Frage? Steht siein der Reihe der Machte und Gewalten? Die Bibel erzahlt von dem Gott, der Himmel undErde gemacht hat. Sie erzahlt von dem ”Sohn Gottes”, der in ”sein Eigentum” kam, unddort als Mensch lebte, von Jesus Christus. Sie erzahlt von Jesus als einem Menschen, derseine Macht und Herrlichekeit abgelegt hat, der unter den Machten der Welt gelitten hat- bis zum Tod am Kreuz.

Die Welt gehort nicht den vielen Machten, die in ihr wirken und die viel Einflußausuben! Die Welt ist und bleibt ”sein Eigentum” - eine Welt Gottes, die er seinem Sohnubergeben hat: die Welt des Vaters, Sohnes und heiligen Geistes. Uber alle weltlichenMachten wird letztlich die Kraft Gottes ihre ungebrochene Macht zeigen und wird GottesFrieden in die Realitat bringen. Dieser Zukunft durfen wir mit Hoffnung entgegengehenund sie schon heute in unserem Leben Realitat werden lassen.

Unser Bibelabschnitt heute fuhrt uns zu einem besonderen Kapitel israelitischer Ge-schichte: zum Sabbatjahr und Erlaßjahr und damit zu der Wirtschaftsgesetzgebung nachdem Herzen Gottes! Lesen Sie mehr in Abschnitt 2.

Tipps fur diese Woche:1) Durch ihr Leben, ihr Denken und ihre Entscheidungen geben Sie ein Stuck weit Ihre

Antwort auf die Frage: wem gehort die Welt? Was fur eine Antwort ist es, die sie geben?2) Was tun sie mit Ihrem Besitz? Mit Einkommen, Grundbesitz, Hausern und Wohnun-

gen, Aktien und Kapital, mit geistlichen und geistigen Rechten und Besitztumern? SetzenSie diese Dinge voll und ganz im Sinne Gottes und als von Gott geliehenes Eigentum ein?Uberlegen Sie einmal, welche Schritte Sie dazu gehen mußten!

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3.6.2 Wirtschaftsgesetzgebung nach Gottes Herzen - Sabbatjahr und Er-laßjahr in 3.Mose 25

Die Wirtschaftsgesetzgebung Gottes konnen wir im 3.Buch Mose, Kapitel 25 kennenlernen.Aber aufgepaßt und festgehalten ...: hier geht es ab, da ist nichts so, wie wir es gewohntsind. Gott setzt klare Maßstabe und bringt unsere schone heile Wirtschaftsordnung ziem-lich durcheinander.

”Sechs Jahre sollst du dein Feld besaen und sechs Jahre deinen Weinberg beschnei-den und die Fruchte einsammeln, aber im siebenten Jahr soll das Land dem Herrn einenfeierlichen Sabbat halten; da sollst du dein Feld nicht besaen noch deinen Weinberg be-schneiden.”(3.Mose 25,3+4)

Konnen Sie sich das vorstellen? Sie haben ein Geschaft, ein Unternehmen, eine Firma... und nach sechs Jahren stellen Sie Ihre Arbeit fur ein Jahr ein? Gott unterbricht immerwieder unser Leben - unsere eingefahrenen Wege. Und er tut dies durch diese klarenRegeln regelmaßig im Abstand von sieben Jahren. In der Landwirtschaft hat man inJahrhunderten die weitreichende Funktion von brachliegendem Land gelernt und damitden Sinn dieser Gebote konkret erfahren.

Doch das war noch lange nicht alles... horen wir zu:”Und du sollst zahlen sieben Sabbatjahre, sieben mal sieben Jahre ...[...] und ihr sollt

das funfzigste Jahr heiligen und sollt eine Freilassung ausrufen im Lande fur alle, die darinwohnen; es soll ein Erlaßjahr fur euch sein. Da soll jeder bei euch wieder zu seiner Habeund zu seiner Sippe kommen.” (3.Mose 25,8-10)

Zunachst wird die Arbeit im Erlaßjahr vollig verboten: ”Ihr sollt nicht saen und, wasvon selbst wachst, nicht ernten, auch was ohne Arbeit wachst, im Weinberg nicht lesen.”

Dieses Gebot halt sich noch nahe an das Sabbatgebot, den Ruhetag am siebten Wo-chentag. Aber das Erlaßjahr ist weitgehender. Es betrifft das Eigentum, welches durchHandel seinen Besitzer gewechselt hat:

”Wenn du nun deinem Nachsten etwas verkaufst oder ihm etwas abkaufst, soll keinerseinen Bruder ubervorteilen, sondern nach der Zahl der Jahre vom Erlaßjahr an sollst dues von ihm kaufen; danach, wieviel Jahre noch Ertrag bringen, soll er dir’s verkaufen.”(3.Mose 25,14+15)

Im Erlaßjahr wechseln die Dinge ihren Eigentumer und gehen wieder in die Handederer uber, die in den funfzig Jahren etwas verkauft haben. Diese Art der Wirtschaft istverbluffend: eine Leihwirtschaft. Die Dinge sind einem jeden nur geliehen! Du darfst dieFelder, Gegenstande, Besitztumer nutzen fur eine begrenzte Zeit. Dieses Nutzungsrechtwird ”marktwirtschaftlich” bezahlt. Aber das Erlaßjahr markiert eine Grenze.

Es ist sicherlich interessant, dieses Modell alttestamentlicher Wirtschaft zu analysierenund seine historische Realisierung zu studieren.

Wir wollen uns hier auf seine neutestamentlichen Bezuge konzentrieren. Wir haltenseine Nahe fest zu dem Wort Jesu: ”Ihr sollt euch nicht Schatze sammeln auf Erden!”(Matthaus 6,19) Jesus lehrt, daß wir Menschen Gaste sind auf der Erde - so wie wir alsBabys hineingekommen sind ohne Besitz, so werden wir diese Welt ohne Besitz wiederverlassen mussen. In der Zwischenzeit sollen wir uns Kleidung und Essen genugen lassen!

Im Lichte der neutestamentlichen Perspektive gewinnt das alttestamentliche Gebot

114 Die Bibel fur Menschen von heute ...

vom Erlaßjahr eine noch großere Tiefe. Es spiegelt sich Gottes Wirklichkeit in den sopraktischen und weltlichen Regeln - inmitten einer Zeit, in der Sklavenhandel und Men-schenhandel tagliche Wirklichkeit war. Mitten hinein spricht Gott: in meinem Volk ist esanders! Bei mir und unter allen Menschen, die zu mir gehoren, soll es anders sein!

Der Sabbat, das Sabbatjahr und das Erlaßjahr sind teil einer alttestamentlichen Wirt-schaftsgesetzgebung Gottes. Auch hier wichtig und weiterfuhrend: Gott mischt sich einmitten in die weltlichen Gesetze seiner Leute. Gott redet klar mit, wenn es um Geld undGeschaft geht. Gott hat einen Anspruch auf unser ganzes Leben!

Es ist ein Anspruch, der uns frei macht von der Abhangigkeit von Besitz, von Machtund Gut. Im Erlaßjahr spiegelt sich diese Freiheit andeutungsweise wieder in dem Gebot,die erworbenen Guter wieder abzugeben. Wer dieses Gebot befolgt, wird sein Leben anWichtigerem ausrichten konnen als an Geld und Besitz. Wer dieses Gebot befolgt, kannGottes Wirklichkeit ungeblendet kennenlernen:

Gottes Liebe und Gottes Erbarmen.Gottes Heiligkeit und Gerechtigkeit.Gottes Schonheit und die Schonheit seiner Schopfung.

3.6.3 Christen und Wirtschaft im 21.Jahrhundert

Welche Rolle konnen Christen in der Wirtschaft des 21. Jahrhunderts spielen? Wie konnteeine christliche Wirtschaftsordnung aussehen?

Wir konenn diese Fragen nur anreißen, konnen nur einige Impulse geben und einigeProbleme ansprechen. So mochten Sie bitte unser gesamtes Bibelseminar verstehen: alseinen Versuch, die zentralen Themen zu erfassen, den Nerv biblischer Erzahlung und derWorte Gottes zu treffen und weiterzugeben.

a. Zuerst mussen wir die Gesamtsituation ins Auge fassen: Christen in der Welt vonheute. Viele Menschen leben in der Welt, in den sogenannten ”christlichen” oder west-lichen Landern und in den vielen weiteren Staaten der Erde. Es gibt nirgendwo einen”christlichen” Staat - ja es ist noch nicht einmal klar, wie ein solcher Staat denn aussehensollte. Der Versuch, einen christlichen Staat zu errichten, ist in der Geschichte vielfachjammerlich gescheitert und hat zu Leid und Unterdruckung gefuhrt. ”Mein Reich ist nichtvon dieser Welt” hat Jesus selbst gesagt. Immer sind es Christen als einzelne Menschenund als Gemeinschaft von Glaubenden, die in einem Staat leben und dort mitwirken ander Gestaltung der Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung.

b. Christen konnen viel tun, um in der Gesellschaft und unter den Menschen, mitdenen sie leben, Gottes Frieden auszubreiten. Christen konnen aus der Kraft Gottes herausleben. Christen konnen unabhangig sein von den Machten des Geldes und den Machtendes Erfolges. Christen konnen eine unverdiente Zuwendung leben und anderen schenken.Christen konnen Einsatz geben ohne Lohn, weil sie von Gott getragen und reich belohntwerden. Christen werden gebraucht, um mit ihrem lebendigen Glauben ”Licht der Welt”und ”Salz der Erde” zu sein.

c. Christen konnen durch ihr Wort und ihren Einsatz die Wirtschaftsordnungen dieserErde verandern. Gerechtigkeit und Unparteilichkeit konnen Einzug halten in allen Landernder Erde - wenn Menschen bereit sind, dafur zu kampfen und in Wahrheit und Lauterkeit

Roland Potthast 115

dafur zu leben.Christen konnen es nicht hinnehmen, daß der Krieg viele Millionen Menschen taglich

ihrer Lebensgrundlagen beraubt.Christen konnen nicht untatig bleiben, wenn der Hunger, die Armut und unwurdige

hygienische Verhaltnisse Millionen von Menschen den Lebensmut nehmen - in Entwick-lungslandern und Schwellenlandern ... bis hinein in unsere Großstadte!

Christen mussen helfen, wo immer Katastrophen, Erdbeben, Uberschwemmungen undSturme Menschen in Not und Armut gebracht haben. Wir brauchen eine organisierteweltweite Nothilfe genauso wie die kleine, emotionale und mitdenkende Hilfe des Nor-malburgers, der mit Geld oder im Bekanntenkreis seinen kleinen Beitrag gibt.

d. Welche Elemente wird eine christliche Wirtschaftsordnung haben? Zuerst mussen wirfeststellen: in dieser Welt bleiben wir in einer gefallenen Welt. Es gibt immer Glauben undUnglauben, Licht und Schatten, Wahrheit und Luge in einer geradezu untrennbaren Nahe -in und außerhalb der christlichen Gemeinden und Gemeinschaften. Jesus rat darum, nichtvor der Zeit beides trennen zu wollen und die Menschen zu richten - sondern zu warten,bis Gottes Zeit gekommen ist.

e. Wie nun soll eine ”christliche” Wirtschaftsordnung aussehen, inmitten dieser bipo-laren Welt? Was ist das ”christliche” an einer Wirtschaftsordnung, welche wir Christenunterstutzen und voranbringen konnen und sollten? Christliche Wirtschaftspolitik und ei-ne christlich orientierte Wirtschaftordnung muß der Situation der Welt in ihrer ganzenDramatik Rechnung tragen. Das sollte sicherlich bedeuten:

• Schutzrechte aufzubauen fur die Schwachen, fur die Unvermogenden, fur die Armen

• Die Freiheit des Menschen zu akzeptieren und ihr Entfaltungsraum zu geben - imGuten wie im Bosen.

• Moglichkeiten fur aktive Hilfe, organisierte Unterstutzung fur Menschen und Staatenzu schaffen.

• Soweit es geht Gerechtigkeit zu fordern - im

- juristischen wie im

- sozialen und

- wirtschaftlichen Sinne.

Gerechtigkeit im Sinne von Wirtschaftsregeln, die allen eine faire Chance geben.

Gerechtigkeit im Sinne von nachvollziehbaren Gesetzen und Gerichten, die unpartei-isch urteilen konnen.

Gerechtigkeit im Sinne von klarer Hilfe fur die Schwachen, welche sich nicht selbsthelfen konnen.

Gerechtigkeit im Sinne einer universalen Menschenwurde, welche jeden Menschen inseiner Einzigartigkeit und seinem unermeßlichen Wert vor Gott und den Menschenerkennt und fordert.

116 Die Bibel fur Menschen von heute ...

f. Christliche Wirtschaftspolitik ist sicherlich nicht fern von dem Leitspruch von ”Frei-heit in sozialer Verantwortung”, der fur die Bundesrepublik Deutschland eine solche Be-deutung gewonnen hat. Sie hat aber auch zu tun mit der ”Freiheit zur Hingabe und zumVerzicht”, der im Leben Jesu eine zentrale Rolle gespielt hat, und ganz wesentlich mitdem Gebot Jesu: ”Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit,so wird euch das alles zufallen.” (Matthaus 6,33)

Christliche Wirtschaftspolitik ist nicht zu trennen von dem Glauben, der sich mit JesusChristus auf den Weg macht. Es ist der Glaube, der im Vertrauen eigenen Schritte wagt,der sich einlaßt auf die Realitat Gottes heute, auf Gottes Macht und Gottes Wege inmitteneiner sich wandelnden Welt.

3.6.4 Ein Gebet

Herr, Vater des Himmels und der Erde!Bitte leite unsere Gedanken und Sinne bei dem Versuch, unser Wirtschaftsleben nach

deinem Willen zu gestalten.Bitte schenke uns deinen heiligen Geist, deine Weisheit und deinen Durchblick, um die

wichtigen wirtschaftlichen Entscheidungen fur unseren personlichen Haushalt und unsereStadte und Gemeinden zu treffen.

Herr, wir bitte um deine Weisheit bei der Aufteilung unseres Einkommens. Zeige uns,was wir den christlichen Gemeinden, den Hilfswerken, den internationalen Hilfsorganisa-tionen geben sollen. Leite unsere Worte und Hande in allen Dingen!

Herr, wir bitten um deine Weisheit bei den Beschlussen um Haushalte in den Stadtenund Kommunen. Leite unsere Gedanken, Diskussionen und Debatten, und unsere Ent-scheidungen! Wir mochten unser Geld in deinem Sinne in der richtigen und guten Weiseeinsetzen, und wir benotigen deine Hilfe dabei!

Herr, wir bitten um deine Weisheit bei den Entscheidungen um den Bundeshaushalt,um die Aufteilung von Steuern und Abgaben, um die Verteilung von Geldern jeglicherArt. Bitte hilf uns und schenke uns Weisheit und Wahrheit, Ehrlichkeit und Lauterkeit.Wir schaffen es nicht allein. Bitte reinige uns und begleite uns in allen Dingen!

Herr, erbarme dich unser! Bitte schenke uns deine unverdiente Gerechtigkeit und Liebe.Laß uns zu Menschen werden, die dich kennen, welche in deiner Wahrheit und Gerechtigkeitleben. Laß uns zu Menschen werden, die zum Segen fur alle anderen Menschen diesesLandes und dieser Erde werden. Herr, komm in unser Leben, in unsere Worte, Gedanken,Taten und unser Land hinein mit deinem Frieden!

Amen.

Es begleite und behute Sie der allmachtige Gott!

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3.7 Sieg der Angst ... - Kein Einzug nach Kanaan (4. Mose 13+14)

3.7.1 Fur Eilige: Glaube und Wirklichkeit ...

Glauben heißt ”nicht wissen” - sagen manche. Glauben - bedeutet das ”vermuten”? In derArt: ”ja, ich glaub das, es konnte wahr sein”?

Oder vielleicht Glauben im Sinne von: ich halte mich an Ideale, Ziele, Regeln? Glaubenals der Glaube an das Gute oder an die Menschlichkeit?

Das ”ich glaube ihm” kennen wir auch im Sinne von ”vertrauen.” Dies bringt unsunserer Frage naher: Was hat Glaube mit der Wirklichkeit zu tun?

Die Bibel redet in einem sehr weitgehenden Sinn von ”Glauben.”

• Glauben ist etwas, das sehr realistisch ist. Glaube hat mit der Wirklichkeit zu tun,denn Glaube erkennt die Realitat und Macht Gottes. Glaube vertraut Gott, derwahrlich vertrauenswurdig ist. Glaube ist damit viel naher an der Wirklichkeit als derUnglaube, der Gott ubersieht und damit nur einen kleinen Teil der Welt wahrnimmt!

• Glaube hat mit meiner eigenen Person zu tun. Ich kann mein Denken, Reden undHandeln und damit meine ganze Existenz nicht trennen vom Glauben. Glaube be-einflußt mein Beten und Handeln. Durch Gottes Eingreifen in mein Leben beeinflußtmein Glauben und Vertrauen mein personliches Schicksal - ganz real!

• Glaube rettet. Der Glaube an Gott und seinen Sohn Jesus Christus rettet uns Men-schen vor der Dummheit, ein Leben ohne Gott zu leben und damit das eigentlicheLeben verpassen.

Glaube rettet vor der Katastrophe, auf die jeder Mensch letztlich zusteuert, der ohneGott lebt: die Katastrophe eines Lebens ohne den Schopfer, ohne die lebensstiftendeMacht des Universums.

Und Glaube kann uns vor den vielen kleinen und großen Dummheiten des taglichenwirklichen Lebens retten - Rettung im Alltag durch ein Leben im Vertrauen zu Gott,dem Vater, Sohn und heiligen Geist. Rettung ganz konkret in Tausenden von kleinenSchritten: erfahrbar und real!

Wir werden heute in 4.Mose 14 ein Beispiel des Unglaubens kennenlernen - wo Men-schen die tiefe Realitat Gottes nicht erkennen wollten und sich auf eine Wirklichkeit ohneGott eingelassen haben. Dabei geht es um Glaube und Wirklichkeit in seiner ganzen Tiefeund universalen Dimension.

Wir werden eine Einladung zum Glauben horen, ihr folgen konnen und dann uberkonkrete Schritte nachdenken: Glaube in Europa und der Welt des 21.Jahrhunderts.

Tipps fur diese Woche:1) Denken Sie einmal uber die Wirklichkeit nach, in die Sie der christliche Glaube mit

hineinnehmen will. Es ist die Wirklichkeit des auferstandenen Jesus Christus, der durchseinen heiligen Geist mitten unter uns Menschen ist und der auch in Ihnen wohnen mochteund ihr Leben segnen und leiten kann.

118 Die Bibel fur Menschen von heute ...

2) Machen Sie sich einmal klar, warum die Bibel von Rettung redet, wenn Sie uberJesus Christus und den lebendigen Glauben spricht. Konnen Sie erkennen, daß ein Lebenohne den Glauben an Jesus Christus verloren ist? Nehmen Sie diese zentrale Frage so ernstwie moglich.

3.7.2 Sieg der Angst ... - 4.Mose 13+14

Die Kapitel 13 und 14 des 4. Buches Mose erzahlen, wie die Israeliten nach ihrem Wegvon Agypten nach Palastina zu den Grenzen des Landes kommen, in welches Gott siehineinfuhren mochte. Das Land ist bewohnt und so werden zunachst Kundschafter aus-gesandt. Fur 40 Tage sind diese Manner unterwegs und kommen schließlich zuruck undberichten:

”Wir sind in das Land gekommen, in das ihr uns sandtet; es fließt wirklich Milch undHonig darin, und dies sind seine Fruchte. Aber stark ist das Volk, das darin wohnt [...].”(4. Mose 13,27ff)

Das Volk Israel wird hier mitten hineingefuhrt in einen Konflikt um Glauben undRealitat. Auf der einen Seite ist hier der Glaube, der sich auf Gottes Macht verlaßt undGottes Leitung folgt. Auf der anderen Seite steht die Angst vor den starken Menschendort in jenem Land.

Von diesem Augenblick an leben die Menschen Israels unter dem Sieg ihrer Angst. DieAngst vor der vermeintlich großen Ubermacht gewinnt und im Licht der Angst sprießendie Geruchte: ”Das Land, durch das wir gegangen sind, um es zu erkunden, frißt seineBewohner und alles Volk, das wir darin sahen, sind Leute von großer Lange. Wir sahendort auch Riesen, Anaks Sohne aus dem Geschlecht der Riesen, und wir waren in unserenAugen wie Heuschrecken und waren es auch in ihren Augen.” (4.Mose 13,32)

Der Angst folgt der Aufstand gegen Gott. Es folgt das Vergessen all dessen, was Gottin ihrem Leben getan hat. Es folgen Vorwurfe und Beschwerden ganz ungerechter Art:falsche Anklagen und die Verachtung der erlebten Befreiung. Im Original:

”Und alle Israeliten murrten gegen Mose und Aaron, und die ganze Gemeinde sprachzu ihnen: Ach, daß wir in Agqptenland gestorben waren oder noch in der Wuste sturben!”(4.Mose 14,2)

Es kommt auch zum Konflikt mit den Leitern, mit denjenigen Menschen, die Gottfolgen wollen. Es wird ihnen die Todesstrafe, die Steinigung, angedroht.

Und in diesem Augenblick berichtet die Bibel vom Zorn Gottes, der uber die Ungerech-tigkeit entbrennt und das ganze Volk vertilgen will. Die Bibel nimmt uns mitten hinein indie Spannung aus der Gerechtigkeit Gottes, der die Gottlosigkeit nicht hinnehmen kann,und der Barmherzigkeit Gottes, der grundlos vergeben kann und mochte. Dabei spielt hierdas Gebet des Mose eine zentrale Rolle. Mose bittet um Barmherzigkeit und Vergebungfur sein Volk - und sein Gebet wird erhort.

Gott vergibt dem Volk die Ungerechtigkeit. Und doch bleibt das Verhalten des VolkesIsrael nicht ohne Konsequenzen. Trotz der Vergebung andert Gott sein Verhalten - undauch das ganze Leben und Schicksal der beteiligten Menschen nimmt eine neue Wendung.Gott straft diese Menschen mit ihren eigenen Wunschen: sie werden ihr Leben als Hirtenin der Wuste verbringen und dort sterben. Vierzig Jahre soll das Volk durch die Wuste

Roland Potthast 119

wandern und so lernen, ”was es sei, wenn ich [Gott] die Hand abziehe.”Das Volk Israel jedoch zeigt durch seinen nachsten Schritt, daß es immer noch nichts

gelernt hat und Gott nicht naher gekommen ist. Wieder siegt die Angst: diesmal vor Gott.Sie wollen jetzt auf eigene Faust ihre Versaumnisse nachholen und in das ”gelobte” Landeinfallen. Nun aber hat sich die Situation geandert. Gott hat ein klares Leitwort gegeben- dem gehorcht man nicht und die in Kanaan einfallenden Israeliten werden vernichtendgeschlagen und zerstreut.

Dieser mißlungene Einzug in das gelobte Land ist eine der zentralen Erzahlungen desalten Testaments. Es geht um Glauben und um Wirklichkeit. Es geht um die Angst, undum ein Verhalten, das sich auf Gott verlaßt und Gott vertraut.

Wir durfen ungeheuer viel lernen uber die Wirklichkeit und den Glauben aus denErzahlungen. Der Glaube erfaßt die wahre Wirklichkeit - und ohne den Glauben lassenwir uns von einer falschen Realitat blenden. Die ganze Bedeutung dieser Worte konnenwir bis heute kaum erfassen. Gerade angesichts der naturwissenschaftlichen Denkweise istes an der Zeit, sich neu auf die Bedeutung des Glaubens einzulassen - Glaube im 21.Jahrhundert. Wir werden daruber in Abschnitt 4 nachdenken.

Bei allen erschreckenden Konsequenzen des Unglaubens Israels ist die Erzahlung docheine Einladung zum Glauben. Wir wollen diese Einladung aus alt- und neutestamentlicherSicht aufgreifen und uns darauf einlassen. Das wird in Abschnitt 3 geschehen.

3.7.3 Einladung zum Glauben: Jesus Christus

Das alte und das neue Testament sind die immer neue und immer wieder aktuell formulierteEinladung zum Glauben an Gott, an seinen Sohn Jesus Christus und an den heiligen Geist- die Kraft und Weisheit Gottes.

Der Glaube ist etwas ganz Konkretes. Nicht abstrakt und abgehoben, sondern personlichund von unmittelbarer Bedeutung in Gedanken, Worten und Handlungen außert sich Glau-be - ja er entsteht und wachst erst in der konkreten Umsetzung!

Wir mochten Sie zum Glauben einladen, zum Glauben an Gott, den Schopfer, zumGlauben an Jesus Christus, den Sohn und Heiland Gottes, und zum Glauben und Ver-trauen auf den heiligen Geist, die lebendige Kraft Gottes bis heute.

Erst wenn wir die geradezu unvorstellbare Kontinuitat Gottes von den ErfahrungenIsraels vor Tausenden von Jahren bis in unsere Lebenswirklichkeit begreifen, nahern wiruns der weitreichenden Wirklichkeit Gottes in einer realistischen Weise. So wird unserGlaube zu einem Vertrauen, das sich hineinstellt in eine 6000 Jahre alte Tradition, die bisheute in fortschreitender Weise modern geblieben ist durch die lebendige Leitung Gottesdurch Jesus Christus, seinen auferstandenen Sohn.

Glaube an Jesus heute - bitte haben Sie Verstandnis, wenn ich dabei immer auchpersonlich werde. Bei aller Universalitat der Macht Gottes ist Gott doch immer der Gott,der uns Christen personlich begegnet und in unsere Lebenswirklichkeit eingreift. So redenwir von Gott als dem Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs. Es ist der Gott des Mose. Es istder Gott, der durch Jesus Christus Mensch wird und uns Menschen noch einmal in ganzunahnbar menschlicher Weise begegnen mochte.

Es ist wesentlich, daß wir uns mit unserem Leben ganz auf diesen Gott einlassen. Erst

120 Die Bibel fur Menschen von heute ...

durch das uneingeschrankte Anvertrauen unseres Lebens erkennen wir die WirklichkeitGottes an, die seine Heiligkeit, universelle Macht und grenzenlose Liebe und Barmherzig-keit umfaßt.

Wir mochten als Angebot Schritte zum Glauben formulieren. Wir konnen diese Schrit-te anbieten - gehen mussen Sie diese Schritte selbst. Es soll auch nicht der Ansprucherhoben werden, es musse so und nicht anders laufen. Aber doch konnen die von uns vor-geschlagenen Glaubens-Meilensteine Ihr personlicher Meilenstein auf dem Weg zu und mitGott sein. Die zugrundeliegende Erkenntnis besteht darin, daß Glaube konkrete Schrittebraucht, in denen er entsteht und wachst.

1. Schritt: Ich bete zu Gott: Herr, Gott des Himmels und der Erde. Bitte komm inmein Leben hinein. Zeige mir, wer du bist und wie ich mehr von dir erkennen kann. Bittehilf mir, mit mir selbst und mit den Anforderungen an mein Leben fertig zu werden. Ichbrauche dich und deine Hilfe. Herr, erbarme dich meiner!

2. Schritt: Ich bete zu Gott: Herr, Gott des Himmels und der Erde. Laß mich verstehen,was es mit deinem Sohn Jesus Christus auf sich hat. Laß mich Jesus als den Lebendigenerfahren, falls er lebt. Schenke mir deinen heiligen Geist und laß mich erfahren, was esdamit auf sich hat!

3. Schritt: Ich beginne damit, Erfahrungen mit Gott und Gottes Wort zu machen.Ich nehme die Worte Jesu ernst und setze einzelne Teile davon in meinem Alltag um. Soerfahre ich die Realitat Gottes im Kleinen und Großen.

4. Schritt: Gebet: Herr, ich mochte mein Leben mit dir leben. Ich mochte dir dieLeitung meines Lebens uberlassen und mich dir in allen Dingen anvertrauen. Bitte nimmmich und mein Leben und gestalte mich nach deinem Willen und aus deiner Liebe heraus.

5. Schritt: Ich erfahre die Heilung Gottes in meinen Gedanken, Worten und Werken.Ich lerne es, aus der Liebe Gottes und mit den Augen Gottes andere Menschen anzusehen.Ich lerne es, in Gottes Art zu anderen zu reden. Ich lerne es, barmherzig zu sein. Immermehr von den Worten Gottes in der Bibel wird mir verstandlich.

6. Schritt: Erfahrungen mit Christen und Nichtchristen. Ich lerne es, meinen Glaubenoffentlich zu vertreten. Ich lerne es, die Fehler und Niedertrachtigkeiten von Christen undNichtchristen zu kennen und ihnen trotzdem verzeihen: trotz immer neuer Fehler mit ihnenzu leben. Ich beginne mit meinem kleinen Glauben zu reifen.

7. Schritt: Gebet und Handeln: Herr, ich mochte taglich in allen Dingen so leben, wiedu bist und wie du lebst. Leite mich und hilf mir in den vielen Einzelheiten meines Alltags,angefangen bei der Zeitgestaltung, uber Finanzen und Beziehungen bis hin zur Aufgabemeines Lebens, Beruf und Berufung, Engagement und Tatigkeiten.

3.7.4 Wort beim Wein: Glaube im 21.Jahrhundert

Wie wird der christliche Glaube im 21. Jahrhundert aussehen? Lassen Sie uns einmalrealistische Perspektiven betrachten!

Dazu die erste Frage: was ist realistisch? Ist es realistisch, sich von dem großen saku-laren Trend in Europa blenden zu lassen? Ist es realistisch, Angst zu bekommen vor den

Roland Potthast 121

starken Machten, die uns wegfuhren wollen von dem realistischen Glauben an Gott, denSchopfer, und an seinen lebendigen Sohn Jesus Christus?

Diese alte Geschichte vom Einzug nach Kanaan will uns gerade heute lehren: wir durfender Angst nicht nachgeben. Wir durfen uns nicht von falschen Realitaten verunsichern undleiten lassen. Es ist von zentraler Wichtigkeit, heute die Bedeutung des Glaubens neu zuerfassen.

* Glaube im 21. Jahrhundert wird sich auf die Realitat Gottes einlassen!* Glaube im 21. Jahrhundert wird die Heilung Gottes erfahren - im intellektuellen, im

emotionalen und im gesellschaftlichen Bereich!* Glaube im 21. Jahrhundert wird in einer jetzt noch nicht erahnbaren Weise die

wissenschaftliche Denkweise versohnen mit der geistigen und geistlichen Sicht auf unse-re Welt. Gott wird eine eine ganze Reihe bedeutender Wissenschaftler zum lebendigenGlauben fuhren und ihnen tiefe Einsichten in die geistig-geistlichen Zusammenhange vonSchopfung, in Glaube, Allmacht und Liebe Gottes und in die historische Wirklichkeit Got-tes in der Weltgeschichte schenken. Jesus Christus als der menschgewordene Sohn Gotteswird sich als Herr der Schopfung erweisen.

* Glaube im 21. Jahrhundert wird verbunden sein mit einer Erneuerung des Glau-bens in den Kirchen - in der orthodoxen, der katholischen und der evangelischen Kirchein Deutschland und Europa. Die Machte des Sakularismus, Pantheismus und der All-versohnung werden unterliegen im Angesicht der Heiligkeit und Liebe Gottes, des Vaters,Sohnes und heiligen Geistes. Wir stehen vor einem ungeahnten geistlichen Aufbruch inEuropa am Anfang des 21. Jahrhunderts: neuem Glauben aus den heutigen Ruinen.

* Glaube im 21. Jahrhundert wir an erster Stelle die Barmherzigkeit des einzelnenMenschen mit den anderen Menschen sein. Der Glaube wird von Menschen vorangebrachtwerden, die sich nicht vordrangen, die nicht uber anderen stehen wollen, sondern die Gottessanfte Heiligkeit verstehen und die anderen in Gottes heilender Art begegnen konnen.

Wir durfen mit Vorfreude und Hoffnung auf den Durchbruch der Macht Gottes warten.Wir durfen uns vorbereiten, indem wir in unserem Leben dem Reich Gottes entgegenfie-bern ... unvollkommen und immer wieder fallend, und doch jeden Morgen erneuert durchdie Liebe und Gegenwart Gottes, des Einen und Ewigen. Wir durfen uns sattessen an derLiebe Gottes, die er uns immer und immer wieder neu zuspricht und schenkt.

3.8 Grundgesetz zum Leben ... - das alte Testament/der alte Bund (5.Mose 29+30)

3.8.1 Fur Eilige: Ein Bund zum Leben

Altes Testament ... das Volk der Juden und sein Gott schließen einen Bund - einen Vertrag!Durch viele Jahrtausende der Weltgeschichte hat dieser Bund die Menschen bewegt unddie Religionen inspiriert!

Das ”Alte Testament” ist ein Bund zum Leben! Es wird ein Vertrag geschlossen, derMenschen zum vollen und reichen - zu einem gesegneten Leben fuhren soll. Wenn derVertrag erfullt wird, sind Gluck und Reichtum, Wohlergehen und Lebensfreude die Kon-sequenzen. Bei Nichterfullung des Vertrages warten auf die menschlichen Vertragspartner

122 Die Bibel fur Menschen von heute ...

Scheitern und Verfall, Niedergang und Tod.Das ”Alte Testament” ist ein den Menschen sehr freundlicher und naher Bund. Die

Worte, in welchen dieser Bund formuliert ist - die Gebote und Gesetze, die dabei eine Rollespielen, sie sind verstandlich und ”nahe deinem Herzen, daß du sie tust.” Der Alte Bundist ein Meisterwerk Gottes - in seiner ganzen Gute, aber auch in seinen weitreichendenDimensionen: ”Siehe, ich habe dir heute vorgelegt das Leben und das Gute, den Tod unddas Bose.”

Wir werden im heutigen Abschnitt die Bundesschließung kennenlernen und uber diesenso weitreichenden und bedeutenden ”alten Bund” nachdenken. Wir wollen aber auch aufden ”neuen Bund” - das neue Testament - blicken und verstehen, welche Bedeutung JesusChristus fur den alten Bund einnimmt. Es erwartet uns ein sehr spannender und zentralerTeil der Bibel.

Tipps fur diese Woche:1) Haben Sie einmal uber ihr eigenes Leben nachgedacht: wie steht es um das, was

sie selbst aus Ihrem Leben machen? Wie verhalten Sie sich gegenuber Kollegen, Nach-barn, Mitmenschen ...etc? Was bestimmt Ihr Leben? Worauf richten Sie sich aus in ihremDenken, Reden und Handeln?

2) Wurden Sie dem alten Bund genugen konnen? Halten Sie alle Gesetze (vielleicht ingeeignet an unsere Lebenswelt angepaßter Form)? Haben Sie nie gestolen, niemals gelogen,nie das Eigentum eines Mitmenschen fur sich haben wollen, immer Gott die erste Stelle inIhrem Leben eingeraumt (1.Gebot), den Sonntag herausgehoben und von allen weltlichenZielen befreit ... etc?

Konnten Sie mit dem alten Bund leben? Oder brauchten Sie etwas anderes - etwasBesseres - besser in dem Sinne, daß es Ihrem Versagen in Bezug auf Gottes Gebote ange-messener ist? Dann brauchen Sie Jesus Christus!

3.8.2 Der ”alte” Bund - Mose 5, 29+30

Finale - Gipfeltreffen - Verabschiedung des ”Grundgesetzes” - die Reprasentanten treffensich und beschließen.

Dann die Pressekonferenz: es wird bekannt gemacht, was beschlossen wurde. Hier stei-gen wir ein: Mose redet zu Israel.

Zunachst gibt Mose eine Ruckschau auf die vergangenen Jahre der Geschichte: Gottgeht voran mit Israel. Auszug aus Agypten ... der Zug durch die Wuste ... der Sieg derAngst und die 40 Jahre Wustenwanderung ... dann er Einzug ins gelobte Land. Mose erin-nert an die Macht Gottes - und an seine Gerechtigkeit. Er erinnert an die Gebote Gottes:bleibt bei der Wahrheit! Bleibt Realisten! Fur die Lugner, die Giftigen, die Ungerechtenwird nur der Tod bleiben.

Mose erinnert an die weitreichende zeitliche Dimension dieses Bundes: kunftige Ge-schlechter und Generationen! Es geht um ein riesiges Stuck Weltgeschichte. Und immergeht es um die Treue und den Glauben: ”Darum, weil sie den Bund des Herrn, des Gottesihrer Vater, verlassen haben, den er mit ihnen schloß, als er sie aus Agyptenland fuhrte,und sind hingegangen und haben andern Gottern gedient und sie angebetet, Gotter, die

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sie nicht kennen und die er ihnen nicht zugewiesen hat, darum ist des Herrn Zorn ent-brannt gegen dies Land, daß er uber sie hat kommen lassen alle Fluche, die in diesem Buchgeschrieben stehen.” (5.Mose 29,24-26)

Worin nun genau besteht der Bund Gottes mit Israel? Auf Gottes Seite wird Fursorge,Hilfe und Segen zugesagt. Gott erhebt Israel in den Status eines ”Volkes Gottes.” Aufder Seite Israels ist Gehorsam gegenuber den Geboten Gottes gefordert: kein Diebstahl,keine Luge, kein Ehebruch, kein Neid, keine Mißgunst, volles Vertrauen in den wahrenGott und kein Vertrauen auf andere (falsche) Gotter... Gott stellt klar, daß ein Bruch desBundes auch den Entzug seiner Hilfe nach sich zieht. Gott kann die Ungerechtigkeit nichtunterstutzen!

5.Mose 30 beschreibt noch einmal die ganze Dramatik dieses Bundes mit der Wahlzwischen Leben und Tod. Inmitten dieser Beschreibung der juristischen Details findensich dabei immer wieder sehr intime Passagen: ”Und der Herr, dein Gott, wird dein Herzbeschneiden und das Herz deiner Nachkommen, damit du den Herrn deinen Gott, liebstvon ganzem Herzen und von ganzer Seele, auf daß du am Leben bleibst.” (5.Mose 30,6)oder: ”Denn das Gebot, das ich dir heute gebiete, ist dir nicht zu hoch und nicht zu fern.[...] Denn es ist das Wort ganz nahe bei dir, in deinem Munde und in deinem Herzen, daßdu es tust.” (5.Mose 30, 11-14)

Es ist die Liebe, die letztlich zum Leben fuhrt. Diese Liebe außert sich in Gehorsam undHingabe. Der alte Bund vermittelt Gottes Liebe und Gottes Gerechtigkeit gleichermaßen.

3.8.3 Ein neuer Bund durch Jesus Christus

Als Christen konnen wir nicht vom alten Bund reden, ohne auf den neuen Bund zu sprechenzu kommen - ohne von Jesus Christus zu erzahlen! Der neue Bund ist so eng verwoben mitdem alten, daß der alte Bund geradezu als Voraussetzung fur den neuen Bund erscheint.Und gleichzeitig ist der neue Bund so andersartig und so unabhangig vom alten, daß erohne ein Verstandnis des alten Bundes zuganglich ist.

1. Zugang: (ausgehend vom alten Bund)Gott schließt mit Israel den ”alten” Bund. Doch welcher Mensch konnte den halten?

Wer konnte durch seine Taten und die Gestaltung seines Lebens gerecht werden vor Gott?Immer wieder sind weitreichende Gerichte Gottes uber das Volk Israel hinweggezogen.Immer wieder sind ganze Generationen des Volkes ”fur Gott verloren”, weil sie nichts vonihm wissen wollen.

In diese Situation hinein beschließt Gott, einen Retter zu senden, der fur Abhilfe sorgt(genauer gesprochen ist das schon langst beschlossen, schon bei Bundesschluß des altenBundes, uns Menschen kaum voll zuganglich in zeitlicher Parallelitat und einem HandelnGottes, der Vergangenheit und Zukunft kennt und in seinem Umgang mit uns berucksich-tigt). Gott schickt seinen gottlichen Sohn als Menschen in die Welt: Jesus Christus. Jesuslebt als Mensch und Jude und erfullt das Gesetz. Jesus leidet und wird nach dem Gesetz(allerdings unschuldig) hingerichtet. Diesen Tod erkennt Gott als einen stellvertretendenTod an fur jeden Menschen, der dem Gesetz nicht genugt und darum den Tod verdienthat, sofern dieser Mensch an seinen Sohn Jesus glaubt und ihm vertraut!

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Im neuen Bund ist nicht mehr das Befolgen der Gebote Gottes maßgeblich fur unserGottesverhaltnis, sondern der Glaube an Jesus Christus und die tiefe Liebe Gottes imunschuldigen Sterben seines menschlichen Sohnes.

Der neue Bund besiegelt die Kapitulation des Menschen: er kann das Gute nicht tun.Er kann das Gute nicht wahlen. In der Kapitulation ruft er sein ”hilf mir” zu Gott undGott beantwortet diesen Hilferuf und schenkt die Gerechtigkeit unverdient durch Jesus.

2. Zugang: (unabhangig vom alten Bund)Gottes menschlicher Sohn Jesus Christus lebt vor 2000 Jahren in Palastina und zeigt

der Menschheit unendlich viel von Gott. Jesus uberzeugt durch seine Worte, durch seineTaten und seine ganze Person ... und Jesus ladt uns Menschen ein, es ihm gleichzutun undin einem kindlichen und vertrauenden Verhaltnis zu Gott, dem Schopfer des Universums,zu leben.

Jesus befreit Menschen damit aus der Gottesferne und ”Verlorenheit.” Wer ihm glaubtund an ihn glaubt, der findet damit den Weg zu Gott und wird uber alle Zeit hinweg indieser Gemeinschaft mit Gott leben.

Die Frage der Gerechtigkeit hat bei diesem zweiten Zugang weniger mit dem Gesetzzu tun, das vielleicht sogar unbekannt ist, als mit der Begegnung mit Gott durch JesusChristus. Die Gerechtigkeit Jesu halt mir einen Spiegel vor, in dem ich meine eigeneUngerechtigkeit vor Gott erkennen kann und die mich gleichzeitig gerecht spricht durchdas Vertrauen auf ihn.

3.8.4 Wort beim Wein: Leben und Tod in Gottingen?

Ein sonniger Sommertag in Gottingen. Ein Teil des Innenstadtringes liegt bei 30 Grad vormir, langsam bewegen sich einige Autos durch die grune Welle und einige studentischeRadfahrer radeln auf den Fahrradwegen entlang. Sonne uber Gottingen, gefullte Eiscafes,abends die Bierkneipen der Innenstadt - Studentenleben live ....

Wie ist das dabei mit so weitreichenden Dingen wie Leben und Tod, die in den Bucherndes Mose beschrieben werden? Haben diese alten Bucher etwas mit diesem Gottingen zutun, das da vor mir liegt und in dem ich lebe?

Jugendzentrum Innenstadt - das Szenezentrum fur Alternative und Kommunisten.Schwarzer Block und Antifa, undogmatische Sozialisten ... Daneben die Geschaftsleute mitihren kleinen Laden - Juweliere, Imbißbuden, Karstadt ... Dazwischen die universitarenInstitute, die Metallphysik, Biologie, Geschichte, Mathematik, Aula der Universitat, Kli-nikum, ...

Wo ist Gott? Was tut Gott? Was ist mit Jesus Christus?Ich bin gewiß, daß Gott da ist. Gott sucht auch heute Menschen, die sich ihm zuwenden

wollen, die sich auf ihn einlassen und sich offnen fur Jesus Christus. Gottes heiliger Geist istauch heute lebendig - mitten in Gottingen, an dem heißen Sommertag, im Jugendzentrum,in den Laden, in den Instituten und Aulen! Gott mochte, daß wir ihn kennenlernen auchheute.

Wir konnen unserer Wege gehen, konnen demonstrieren, einkaufen und verkaufen,konnen studieren und lehren, forschen und Bucher schreiben - und dabei Gott unbeachtet

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lassen. Oder wir konnen uns einlassen auf das Abenteuer eines Lebens in der GegenwartGottes. Wir konnen uns einlassen auf das Vertrauen zu Jesus Christus - um mehr zu lernenvon diesem Ersten und Letzten, um die Religionen zu verstehen und um unserem Lebenein unendlich reiches, tiefes und wahres Fundament zu geben.

Leben und Tod sind auch heute allgegenwartig - mitten im modernen Gottingen.

• Leben als der Glaube an den, der Ursprung und Quelle allen Lebens ist: Vertrauenund Gemeinschaft mit Gott, der durch den leiblichen Tod hindurchtragt.

• Tod als ein Verlorengehen fur die tiefe und weitreichende Gegenwart Gottes: anQuelle, Ziel und Mittelpunkt der Schopfung vorbei, darin schon tot und einmalgestorben fur immer.

Tiefliegende Dinge an einem sonnigen Sommertag in Gottingen, wo die Welt so ruhigdaliegt, zwischen Eiscafes und Kiessee. Dabei spielt es keine Rolle, ob ich in Sydney sitze,in Tokyo oder San Franzisco. Es ist egal, ob neben mir die pulsierenden Lebensadern einermodernen Metropole vibrieren, oder ob ich in einer landlichen Umgebung den Gestankder Schweine einatme. Es ist nicht wichtig, ob ich Millionen von Euro oder Dollar bewege,oder ob ich von der Sozialhilfe lebe. Jeder Mensch steht unmittelbar vor Gott - wo immerer lebt. Jeder Mensch kann den Schopfer entdecken.

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4 Ringen um die klare Linie ... - Romer-, Galater-, Ephe-serbrief

4.1 Hauptverhandlung im Bundesverfassungsgericht ... - von Gerichtund Glaube (Romerbrief Kapitel 1-3)

4.1.1 Fur Eilige: Hauptverhandlung im Bundesverfassungsgericht ... Pauluslegt los!

Hauptverhandlung beim Bundesverfassungsgericht. Da geht es um die grundsatzlichenDinge. Wie sieht das Recht aus? Was ist recht und gerecht?

Hauptverhandlung - hier wird entgultig Recht gesprochen. Die Autoritat dieser Richterist nicht mehr hinterfragbar - keine hohere Autoritat steht da fur Menschen in Deutschland.

Der Romerbrief des Apostels Paulus beschreibt so eine Hauptverhandlung beim Bun-desverfassungsgericht. Es geht um die Frage: wie wird ein Mensch gerecht vor Gott? Unddie Antwort ist so klar - so allesdurchdringend:

”Denn darin wird offenbart die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, welche kommt ausGlauben in Glauben; wie geschrieben steht (Habakuk 2,4): Der Gerechte wird aus Glaubenleben.” (Rom1,17)

Wir werden einen Blick tun hinein in diese Hauptverhandlung. Mitten hinein in diezentralen Augenblicke, wo es um die Gerechtigkeit geht.

Und wir werden uns Gedanken machen uber den Glauben: was ist das eigentlich genau?Was hat es mit Handlungen zu tun? Welche weltbewegenden Konflikte hat die Fragenach dem Glauben ausgelost? Wir sind damit mitten in der Reformation. Aktuelle undspannende Fragen!

Tipps fur diese Woche:1) Wissen Sie, was christlicher Glaube bedeutet? Nehmen Sie sich Zeit, daruber einmal

nachzudenken!2) Wie steht es bei Ihnen mit der Gerechtigkeitsfrage? Sind Sie gerecht vor Gott? Wie?

Warum? Klaren Sie die Gerechtigkeitsfrage!

4.1.2 Grundlegendes verstandlich ausgedruckt - der Romerbrief Kapitel 1-3

Es gibt populare Fachbucher, die man nur bewundern kann. Da werden komplizierte Sach-verhalte vereinfacht und klar ausgedruckt. Und oft ist sogar der Fachmann beeindruckt,weil alles stimmt - nichts Falsches hat sich in die klaren Darstellungen eingeschlichen.

Der Romerbrief des Paulus ist so ein populares Fachbuch. Das Thema: die Gerech-tigkeit eines Menschen vor Gott. Einfach verstandlich ausgedruckt - und doch unendlichtiefliegend, beeindruckend, ja geradezu erschlagend in seiner weitreichenden Bedeutung istdieser ”Brief an die Romer.”

Der Romerbrief enthalt viel Stoff uber verschiedene Themen. Wir wollen uns auf daszentrale Thema konzentriefen: die Frage nach dem Recht. Und da kommt Paulus nachseinen einleitenden Ausfuhrungen gleich mit einigen Paukenschlagen:

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”Denn Gottes Zort wird vom Himmel her offenbart uber alles gottlose Wesen ...” (Rom1,18)

Kawumm!...Kawumm! Weitreichende Worte, die die Gerechtigkeit Gottes und die Si-tuation der Menschheit mitten ins Herz treffen. Gottes Zorn wird vom Himmel her of-fenbart uber alles gottlose Wesen. Gottlosigkeit ist die Ursunde und Wurzelsunde derMenschheit. Abwendung, fehlendes Vertrauen zu dem, der die Wahrheit und die Liebe ist.Kawumm! ... Kawumm!

Wer hat Paulus diese Worte eingegeben? Was treibt diesen Apostel Jesu Christi? Wirhoren mit und haben Anteil daran ... mitten hinein in die Hauptverhandlung sind wir gera-ten. Und so treffen uns weiter die Paukenschlage wie Kanonendonner: Kawumm!...Kawumm!

”Denn Gottes unsichtbares Wesen, das ist seine ewige Kraft und Gottheit, wird seitder Schopfung der Welt ersehen aus seinen Werken, wenn man sie wahrnimmt, so daß siekeine Entschuldigung haben.” (Rom 1,20)

Es wird die Frage der Zurechnungsfahigkeit und Schuldfahigkeit gepruft und entschie-den. Die Schuld wird zugerechnet. Die Schuldfahigkeit ist da. Die Menschen hatten eswissen mussen. Es gibt keine Entschuldigung - die Schuld ist da. Kawumm!...Kawumm!

”Denn obwohl sie von Gott wußten, haben sie ihn nicht als Gott gepriesen noch ihmgedankt, sondern sind dem Nichtigen verfallen in ihren Gedanken, und ihr unverstandigesHerz ist verfinstert. Da sie sich fur Weise hielten, sind sie zu Narren geworden.” (Rom1,21)

Kawumm! Auch und gerade die Unterlassung ist Schuld. Und welche Unterlassung: demNichtigen verfallen. Abhangigkeit von dem, was keinen Bestand hat. Mit einem Strich wirdBilanz gezogen und diese Bilanz fallt katastrophal aus! Kawumm!

Und Paulus bleibt nicht im Abstrakten. Jetzt werden die Konsequenzen der Gottlo-sigkeit im Detail benannt: Scheinwerfer an ... im gleißenden Licht der Hauptverhandlungkann nichts verborgen bleiben.

.”..schandliche Leidenschaften, Mann mit Mann, Frau mit Frau ... sexuelle Verirrun-gen.”

und”Ungerechtigkeit, Schlechtigkeit, Habgier, Bosheit, Neid, Mord, Hader, List, Nider-

tracht, Zutrager, Verleumder, Gottesverachter, Frevler, hochmutig, prahlerisch, erfinde-risch im Bosen, den Eltern ungehorsam, unvernunftig, treulos, lieblos, unbarmherzig.”(Rom 1,24-31)

Wo stehen Sie? Sind sie bei den Gerechten, die nun die anderen in ihrer Schuld sehen?Paulus laßt die Gerechtigkeit seiner Zuhorer nicht gelten. ”Darum ...” schreibt er,

”Darum, o Mensch, kannst du dich nicht entschuldigen, wer du auch bist, der du richtest.Denn worin du den andern richtest, verdammst du dich selbst, weil du ebendasselbe tust,was du richtest.” (Rom 2,1)

Und Paulus spricht auch die an, denen das Gesetz vollig egal ist - die also weder richtennoch sich um Gericht kummern.

”Du aber mit deinem verstockten und unbußfertigen Herzen...” (Rom 2,5)”Alle, die ohne Gesetz gesundigt haben, werden auch ohne Gesetz verlorengehen; und

alle, die unter dem Gesetz gesundigt haben, werden durchs Gesetz verurteil werden.” (Rom2,12)

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Kawumm! ...............Nachdem Paulus in einem grundlegenden Teil Gottes Gericht in hellem Licht hinaus-

gerufen hat, widmet er sich den etwas komplizierten Fragen der Rolle des judischen Volkesund aller Menschen, die Gottes Gesetz kennen und meinen, sie wurden sich daran halten.Immer wieder stellt er klar, daß Gott die Person nicht ansieht. Das bedeutet: jeder wirdgerichtet nach dem, was er tut. Wer viel weiß, den wird ein harteres Urteil erwarten alsden Unwissenden. Aber alle sind schuldig: jeder hatte viel uber Gott wissen und sich daranhalten konnen!

Paulus widmet sich ausgibig den Fragen nach Israel. Er stellt die Inkonsequenz undHeuchlerei unter vielen ”Gesetzestreuen” fest und benennt sie ohne falsche Rucksichten.

Fur uns Menschen im 21. Jahrhundert ist es interessant zu beobachten, wie Paulus hiermit den alten uberlieferten Worten argumentiert. Er stellt klar: die alten Lieder Davidssind prophetisch zu lesen. Gott spricht darin uber die Menschen - Juden und Christen bisheute! ”Denn keiner ist da, der Gutes tut, auch nicht einer.” (Rom 3,12)

Und noch einmal horen wir tiefliegende Paukenschlage durch die Worte des Paulus:.”..weil kein Mensch durch die Werke des Gesetzes vor ihm gerecht sein kann. Denn

durch das Gesetz kommt die Erkenntnis der Sunde.” (Rom 3,20)Kawumm! ...Und Paulus beschreibt in seinen Worten das Fundament der Gerechtigkeit, die vor

Gott gilt:”Ich rede aber von der Gerechtigkeit vor Gott, die da kommt durch den Glauben an

Jesus Christus zu allen, die glauben.” (Rom 3,22)und”So halten wir nun dafur, daß der Mensch gerecht wird ohne des Gesetzes Werke, allein

durch den Glauben.”Kawumm! ...In der Stille nach diesen Worten durfen wir mit Recht nach Luft schnappen. Wie

tiefe Saulen quer durch Raum und Zeit beschreiben die Worte des Paulus den christlichenGlauben und die weitreichenden Ereignisse um und in Jesus Christus.

4.1.3 Glaube versus Werke - Paulus versus Jakobus, Reformation versus ka-tholische Kirche ???

Die Frage nach dem Glauben war einer der Hauptfragen der Reformation. Luther hat alsMonch auf vielfaltige Weise versucht, durch Taten vor Gott gerecht zu werden und dabeiden Romerbrief wiederentdeckt mit dem klaren Wasser zum Glauben, das wir geradekennengelernt haben.

Nun war die Reformation nicht nur eine geistliche Auseinandersetzung zwischen dengelehrten Konzilien und Zirkeln, sondern hat viele Konige und Fursten mit hineingezogenin eine letztlich doch oft sehr weltliche Auseinandersetzung um Macht und Einfluß. Darummußten wir nun konkret die historische und gesellschaftliche Situation ansehen, um etwasuber die Vorgange damals sagen zu konnen.

Wir wollen stattdessen einen anderen Weg beschreiten und die geistlichen Fragen an-gehen, die als Anlaß fur die Kriege damals gedient haben. Wir wollen neben den oben klar

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herausgearbeiteten Glauben auch die biblisch bezeugte Rolle der ”Werke” stellen. Nur sokonnen wir die geistlichen Positionen hinter der katholische Rolle verstehen und erfassen.

Jakobus greift in seinem Brief die Rolle der Werke auf. Er schreibt: ”Was hilft’s, liebeBruder, wenn jemand sagt, er habe Glauben, und hat doch keine Werke? Kann denn derGlaube selig machen?” (Jak 2,14)

Stop! Halt! Moment mal! muß jeder von uns hier rufen angesichts der Worte des Paulus,die wir gerade gehort haben. Ist das nicht unmittelbar widerspruchlich? Haben wir hiernicht einen klaren Beweis, wie widerspruchlich das neue Testament ist?

Aber so einfach ist die Sache nicht. Jakobus redet ja nicht ”pro Werke” allein, sonderner will die Werke einordnen in ihrem Bezug zum Glauben: ”So ist auch der Glaube, wenner nicht Werke hat, tot in sich selber.” (Jak 2,17) Jakobus stellt die Dinge hier hart gegendie Glaubensworte des Paulus.” Ich will dir meinen Glauben zeigen aus meinen Werken”(Jak.2,18). Die katholische Tradition hat diese beiden Briefe vereinigt in ihrem ”Glaubeund Werke.”

Wir wollen das aber so nicht stehen lassen, sondern durch einen Ausflug in denPhilipperbrief nocheinmal eine Stufe tiefer graben. Der Philipperbrief enthalt den Aufruf:”Schaffet, daß ihr selig werden, mit Furcht und Zittern.” (Phil 2,12) Auch hier der Aufrufzur Tat - mit dem Ziel, selig zu werden. Auch hier spielt die Tat eine wesentliche Rolle:”Seid unter euch gesinnt, wie es auch der Gemeinschaft in Christus Jesus entspricht:...”(Phil 2,5)

Dies sind hier die Worte des Paulus selbst. Gleichzeitig warnt Paulus vor dem Ruckfallin die Gesetzesgerechtigkeit. Es ist Christus, durch den Gerechtigkeit kommt. Und umnoch einen darauf zu legen setzt Paulus den obigen Satz fort: ”Schaffet, daß ihr seligwerden, mit Furcht und Zittern. Denn Gott ist’s, der in euch wirkt beides, das Wollen unddas Vollbringen, nach seinem Wohlgefallen.”

Weder Glaube, noch Wollen, noch Tun liegt in des Menschen Hand - es ist Gott, derdieses bewirkt aus Gnade. Die Bibel lost nicht alle Fragen entgultig auf. Es bleiben dieSpannungen bestehen zwischen:

1. Glaubeund2. Werken,

3. der Verantwortlichkeit des Menschenund4. der Unfahigkeit, das Gute zu tun

5. dem freien Willen des Menschenund6. der freien Wahl Gottes, der alles wirkt.

Wir durfen Gott in all diesen Worten nachspuren. Gott will sich finden lassen - durchdie Worte des Paulus, durch die des Jakobus und der weiteren Apostel. Wir durfen dietiefe Realitat begreifen, die all diesen Paradoxien zugrunde liegt!

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130 Die Bibel fur Menschen von heute ...

4.1.4 Wort beim Wein: Komm, glaube und tu!

Das Wort beim Wein soll heute eine Einladung sein, zu glauben, aber auch zu tun! Glaube,was ist das eigentlich? Erschopft sich Glaube in einer Meinung? Fur wahr halten? Nein,christlicher Glaube ist etwas, das meine ganze Person betrifft und sie verandert. Glaubeist eine große Liebe, die mein Denken, mein Fuhlen und mein Handeln neu macht underfaßt.

Kennen Sie Menschen, die so mit ihrer ganzen Person glauben? Es gibt solche Menschenauch in Ihrer Umgebung. Oft sind sie ganz unscheinbar, meist posaunen sie ihren Glaubennicht groß herum. Aber auch die Menschen, die mit ihrem ganzen Leben ”glauben”, habenund behalten ihre menschlichen Schwachen. Darum lassen Sie sich nicht blenden von demAllzu-Menschlichen. Sehen Sie hindurch und entdecken Sie den Glauben, der auch Sie zumGlauben ermutigen kann!

Glaube ist nur lebendig, wenn er sich in Handlungen, in Worten, in Gedanken undVerhaltensweisen zeigt und unser Leben pragt! Darum: lassen Sie sich von Gott pragen -jeden Tag! Gott ist da und wird Sie verandern. Es gibt nichts Schoneres, als Gottes Guteund Liebe lebendig zu erfahren.

4.2 Die Quelle einer besonderen Lebenskraft... - Leben im Glauben(Romerbrief Kapitel 7,8 und 12)

4.2.1 Fur Eilige: Die Quelle von Lebenskraft ...

Was ist die Quelle des Lebens? Woher nehmen wir besondere Befriedigung? Was gibt unsbesonders viel?

Fur unterschiedliche Menschen sind die Dinge sehr verschieden, die unser Leben trei-ben, die motivieren und bewegen. Fur den einen ist es zum Beispiel die Musik, die seinLeben erfullt und die ihn antreibt. Musik als Orchestermusiker oder Musik als Gitarristin einer Band. Musik ist fur manchen die zentrale Kraft in seinem Leben.

Einen anderen treibt die karitative Tatigkeit, Dasein fur andere, Helfen und Geben.Dabei fließt seine Lebenskraft aus dem Gefuhl, durch die ”gute” Tatigkeit wertvoll zu sein.So ist es auch bei manchen Muttern und Hausfrauen.

Da gibt es den erfolgreichen Geschaftsmann und Manager. Er lebt davon, sich imMittelpunkt seiner Geschafte zu fuhlen, lebt von der Macht, die ihm der finanzielle Erfolggibt und von der Bewunderung der Menschen um ihn herum. Oder eine erfolgreiche Arztin- gesellschaftlich anerkannt, gut ausgebildet, fahig und erfolgreich.

Vielleicht begegnen sie der Wissenschaftlerin, die ganz auf das Forschen ausgerichtetist. Sie lebt von der Faszination, Grundlegendes zu entdecken und an fundamentalen Fra-gen zu forschen. Sie lebt von der Verbindung mit den genialen Geistern der Geschichte undden Jahrhundertfragen ... ebenso wie von den kleinen Fortschritten des Forschungsalltags.

Der Apostel Paulus weist im Romerbrief auf die viel tieferliegende Quelle des Lebenshin - auf Jesus Christus - und Paulus beschreibt ein Leben im Bezug zu dieser Quelle desLebens.

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* Erst im Bezug zu dieser Quelle gewinnen die eben beschriebenen Lebenskrafte ihreursprungliche Rolle zuruck: das Leben zu bereichern und dem Menschen in Freiheit zudienen.

* Erst ”in Christus” wird der Mensch frei, sein Leben mit Hilfe der Krafte Gottesund des Geistes Gottes zu gestalten. Bei Christus gewinnt ein Mensch die ursprunglicheBeziehung zu Gott zuruck: kindliches Vertrauen.

* Erst in der konsequenten Lebensgestaltung konnen die Krafte Gottes wachsen, Ge-stalt gewinnen und so zur unerschopflichen Quelle personlicher Lebenskraft werden!

Tipps fur diese Woche:1) Bitten Sie Gott, Ihnen zu zeigen wie ein Leben im Glauben zur Quelle einer beson-

deren Lebenskraft werden kann! Bitten Sie Gott, Sie in ein lebendiges Leben im Glaubenhineinzufuhren.

2) Gehen Sie konsequente Schritte des Glaubens in Ihrem personlichen Leben. GebenSie z.B. einen Teil ihres Einkommens fur eine christliche Gemeinde oder ein christlichesWerk. Nehmen Sie sich Zeit fur andere Menschen - fur die Gemeinschaft mit Christen undfur Menschen, die Hilfe notig haben.

4.2.2 Zugang zur Quelle und Leben im Glauben.

Wir beschaftigen uns mit den Kapiteln 7, 8 und 12 des Romerbriefes. Darin sind zweigroße Themen bzw. Fragestellungen behandelt:

1) Das erste Thema ist die Stellung des judischen Gesetzes im Verhaltnis zu Christusund der Gnade Gottes. Dies wird unser Thema im Abschnitt 3 sein.

2) Das zweite Thema ist das Leben im Glauben an Jesus Christus und die Lebensge-staltung in diesem Glauben. Auf diese Lebensgestaltung wollen wir uns nun einlassen.

Das Tor zur QuelleWir steigen ein mitten im Kapitel 7 des Romerbriefes. Paulus ringt um eine gute Le-

bensgestaltung und beschreibt sein Scheitern. Mit zerknirschtem Sinn erkennt er: ”Wollenhabe ich wohl, aber das Gute vollbringen kann ich nicht.” (Rom 7, 18). Seine Lebenskrafteversiegen. Durch die intensive Auseinandersetzung mit dem judischen Gesetz erkennt Pau-lus, wie sehr sein Leben mit all seinen Erfolgen, seinem Reichtum und seinen tiefen Er-kenntnissen (Paulus war ein Schriftgelehrter) dennoch gescheitert ist. Paulus lebt nicht so,wie Gott ist - er lebt nicht nach dem Gesetz. Durch sein eigenes Handeln ist ihm damitder Zugang zum Leben (zu Gott) versperrt. ”Ich elender Mensch” schreit Paulus aus ”werwird mich erlosen von diesem todverfallenen Leibe?”

Und mitten hinein in die Schilderung der Nichtigkeit und Verganglichkeit aller mensch-lichen Lebenskrafte, Ziele und Erfolge beschreibt Paulus den Zugang zur Quelle des Lebens:”Dank sei Gott durch Jesus Christus, unseren Herrn!” (Rom 7, 25) und ”So gibt es nunkeine Verdammnis fur die, die in Christus Jesus sind.” (Rom 8,1)

Gott selbst in Jesus Christus ist die Quelle des Lebens. Gott selbst befreit aus der Nich-tigkeit der von Gott losgelosten Krafte und Faszinationen. Gott befreit durch den Glaubenan Jesus Christus: hinein in ein Verhaltnis, das Paulus als ”Kindschaft Gottes” beschreibt.

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Wer ein Kind Gottes wird, bekommt damit Zugang zu den Kraften und Schatzen Gottes- durch den Glauben und durch ein Leben im Glauben.

”Denn welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder.” (Rom 8, 14)Und Paulus beschreibt diese Kindschaft:”Denn ihr habt nicht einen knechtischen Geist empfangen, daß ihr euch abermals

furchten mußtet; sondern ihr habt einen kindlichen Geist empfangen, durch den wir rufen:Abba, lieber Pappa!

Die Quelle ausschopfenDurch Jesus und durch unseren Glauben an Jesus ist die Quelle des Lebens fur uns

geoffnet. Wir konnen und durfen daraus schopfen. Dieses Schopfen nennt die Bibel ”Lebenim Glauben” - es geht darum, aus der Quelle immer und immer wieder zu trinken unddavon satt zu werden. Es geht darum, sich wirklich vom Geist Gottes treiben” zu lassen- denken Sie an das Zitat aus Romer 8, Vers 14. Es geht darum, geistlich am Leben zubleiben und zu wachsen.

Dieses Schopfen fuhrt dazu, daß ein Christ Jesus selbst immer ahnlicher wird im Laufeder Zeit. Weil er sich von ihm ernahrt, wird er immer mehr wie er. Das hatten wir schon inden Bildern vom Weinstock Jesu (Matthaus-Evangelium) kennengelernt. Hier beschreibtPaulus es in Romer 8, Vers 29. Sie werden Christen finden, die viel von Christus ausstrahlenund denen man die lange Gemeinschaft abspurt. Sie werden allerdings auch viele finden,die geistlich am Rande des Existenzminimuns leben und bei denen man sich viel Muhegeben muß, das geistliche Leben zu entdecken, das noch in ihnen glimmt. Auch dabei gibtJesus trostliche und helfende Worte indem er sagt: ”den glimmenden Docht werde ichnicht ausloschen.” Bei aller ernsten Warnung vor der Halbherzigkeit ist es doch immer dasErbarmen, welches uns in Jesus begegnet.

Das Schopfen aus der Quelle des Lebens besteht in konsequentem Leben aus dem GeistGottes heraus. Paulus nutzt hier das Bild vom Opfer, das ganz weggeschenkt wird. Gottmochte ein Leben, das ihm ganz geschenkt wird und nur noch aus der wahren Quelletrinkt.

Es ist spannend, daß der Mensch an diesem Leben mit seiner ganzen Person beteiligtist. Durch Entscheidungen und Handlungen schopfen wir Christen (oder tun es nicht undhungern dadurch im spirituell-geistlichen Sinn) aus der Quelle des Lebens mit dem NamenJesus Christus.

In dem Verweis auf die lebendige Quelle sind nun auch die ethischen Gebote von Pauluswirklich ”frohe Botschaft” - wahres Evangelium. Es ist die Aufforderung, immer neu tiefeSchlucke aus der Quelle des Lebens zu trinken:

• Die Liebe sei ohne Falsch. Haßt das Bose, hangt dem Guten an!

• Die bruderliche Liebe untereinander sei herzlich. Einer komme dem anderen an Ehr-erbietung zuvor.

• Seid nicht trage in dem, was ihr tun sollt. Seid brennend im Geist. Dient dem Herrn.

• Seid frohlich in der Hoffnung, geduldig in Trubsal, beharrlich im Gebet.

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• Ubt Gastfreundschaft.

• Segnet, die euch verfolgen. Segnet und flucht nicht.

• Freut euch mit den Frohlichen und weint mit den Weinenden.

• Seid eines Sinnes untereinander. Trachtet nicht nach hohen Dingen, sondern halteteuch herunter zu den geringen. Haltet euch nicht selbst fur klug.

• Vergeltet niemand Boses mit Bosem. Seid auf Gutes bedacht gegenuber jedermann.

• Racht euch nicht selbst, meine Lieben, sondern gebt Raum dem Zorn Gottes; dennes steht geschrieben (5.Mose 32,35): Die Rache ist mein, ich will vergelten, sprichtder Herr.

• Wenn deinen Feind hungert, gib ihm zu essen. Durstet ihn, gib ihm zu trinken.

• Laß dich nicht vom Bosen uberwinden, sondern uberwinde das Bose mit Gutem.

(Romer 12, 9-21)

4.2.3 Die Rolle des judischen Gesetzes bei Paulus.

Wir wollen nun die Rolle des judischen Gesetzes beschreiben, so wie Paulus sie versteht.Die Kapitel 7 und 8 des Romerbriefes mit ihren vielen gedanklichen Schleifen und paulini-schen ”Fachbegriffen” sind meist fur den Einsteiger recht schwer zu entschlusseln. Darumwollen wir Ihnen eine eigene kleine Darstellung prasentieren. Es ist eine Aufgabe fur Fort-geschrittene, die einzelnen Bestandteile in Eigenarbeit im Originaltext zu finden und zuubersetzen.

Das Gesetz und Jesus ChristusWir stellen uns einen Augenblick uber die Weltgeschichte und blicken auf viele tausend

Jahre judischer und christlicher Geschichte. Es war der eine Gott, der Abraham zu sichrief, der Mose das Gesetz gab und der den mosaischen Bund, den ”Alten Bund”, mitdem Volk Israel schloß. Dieses Gesetz haben wir schon besprochen - es ist ein Spiegel derHeiligkeit und Liebe Gottes, und es stellt Israel unter einen weitreichenden Anspruch: seiso heilig, wie ich - Gott - bin!

Israel konnte nicht so sein, wie Gott ist. Das Gesetz wurde gebrochen - und immer undimmer wieder hat Gott in ganz weltlichen Gerichten die Boshaftigkeit und Lugenhaftigkeitdes judischen Volkes bestraft.

Doch schon im Anfang legte Gott die Verheißungen seiner Liebe und Gnade an - schonbeim Auszug aus Agypten sprechen die Bilder von ”Christus”, lange vor dem Gesetz. Gottwird die Menschen erlosen von dem Anspruch, gut zu sein. Er wird den Menschen seineHeiligkeit unverdient schenken durch den ”Heiland” - durch eine Person, die heilt undversohnt.

Paulus stellt sich der Frage, welche Rolle dann noch jenes heilige Gesetz und der alteBund hat. Er stellt sich den tiefsinnigen Fragen, ob denn ein Gesetz, daß letztlich nicht

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gehalten werden konnte und damit die Menschen der Strafe ausgesetz hat, nicht ”schlecht”gewesen sei, also im Grunde nicht heilig, nicht gut - im Grunde gottesfern, also ”sundig.”

Und mit der Antwort ordnet Paulus die Gebote Gottes ein in die Heilsgeschichte (d.h.in die Ankundigung, das Kommen und die Wirkung Jesu Christi uber 5000 Jahre hinweg):das Gesetz diente der Klarheit und Wahrheit. Das Gesetz macht die Stellung des von Gottgelosten Menschen ganz eindeutig klar: der Mensch hat sich von der Heiligkeit und vomLeben entfernt und ist damit gestorben - dem Nichtigen verfallen. Das Gesetz ist damiteine Hilfe fur jeden Menschen: er kann damit Gott selbst und die Rolle und BedeutungJesu besser verstehen. Weil Gott im Gesetz seine Heiligkeit zeigt, ist das Gesetz Hilfe undVerweis auf Jesus, in dem Gott uns seine Heiligkeit personlich zuspricht.

Die inneren Kampfe um das GesetzIm ersten Teil des Kapitels 8 des Romerbriefes beschreibt Paulus die inneren Kampfe,

die jeden Christen erwarten. Paulus beschreibt sie mit den Worten ”Geist” und ”Fleisch”,die er gegenuberstellt als jene Machte, die einen Menschen zu beeinflussen suchen. ”Geist”meint den heilenden Geist Gottes. ”Fleisch” meint die von Gott abgefallene Welt mit allihrem Einfluß auf den Korper, die Seele und den menschlichen Geist.

Der spannende Hintergrund der Passagen des Paulus besteht darin, daß offensichtlichauch ein Christ - also ein Mensch, den der Geist treibt, - nicht vollig frei ist von ”fleisch-lichem” Handeln. Auch Christen konnen sich an den weltlichen Machten orientieren.

Gott befreit Menschen, und ihre Freiheit bleibt erhalten! In einzelnen Handlungen, beivielen alltaglichen Entscheidungen, konnen wir uns an den Geist Gottes halten oder unsvon den gottfernen Machten beeinflussen lassen.

Auf diesem Hintergrund sind die vielen Gebote verstandlich, die das neue Testamententhalt. Die Gebote sind Hilfen fur gute Entscheidungen. Die Gebote helfen uns, aus derreinen Quelle des Lebens - aus Jesus Christus - zu trinken.

4.2.4 Wort beim Wein: eine Vision - mach mit!

Zum Abschluß mochte ich Sie in eine Vision mitnehmen und Sie auffordern, sich doch ander Umsetzung zu beteiligen. ”Vision” ist hier im allgemeinen Sinn gemeint: ein Bild voneinem Ziel (bzw. einer Situation), zu dem Gott mich drangt und das mir tief am Herzenliegt.

Blicken Sie mit mir quer durch die deutschen Stadte und Dorfer, die Metropolen unddie kleinen Siedlungen uberall im Land. Dort in jeder Straße konnte es christliche Ge-meinschaft geben. Beginnend mit kleinen Gruppen von unvoreingenommenen, ehrlichenund offenen Christen, die mit moderner Musik Gott loben und die herzlich offen sind furGemeinschaft mit anderen Menschen, komme wer wolle! Am Tag oder am Abend konntenRaumlichkeiten geoffnet sein - so wie jetzt die vielen Restaurants, Kneipen und Hotels.Man findet dort herzlichen Empfang, offene Ohren, Lobpreis mit klassischer oder fetzigerMusik und vieles mehr ... vor allem aber ehrliche und wahrhaftige Christen und Gemein-schaft.

In dem Bild gibt es weiterhin die verschiedenen christlichen Kirchen und Konfessionen.Die Christen gehen Sonntags jeder in seine Kirche, in seine Gemeinde, in seine Konfession.

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Dort hat jeder Christ sein Zuhause und seine Verantwortung. Aber daruber hinaus entstehtuberall die uberkonfessionelle Gemeinschaft, unkompliziert, an Jesus Christus orientiert,praktisch helfend, musikalisch anregend, beruhigend, heilend, einladend ...

Durch Plakatwande und Einladungen erfahrt jeder Bewohner und jeder Gast einesStadtteils oder einer Straße, wo dort lokal das offene christliche Haus ist. Die Gaste undReisenden erhalten so eine Anlaufstation - offene Herzen inmitten der geschlossenen priva-ten Domizile. Wer Gemeinschaft sucht, kann sie hier finden! Und wer Gott kennenlernenwill, findet hier Menschen mit Hintergrund und Erfahrung, findet Jesus Christus ...

Neben vielen unterschiedlichen Organisationen kann auch das Evangeliumsnetz seinenBeitrag zu dieser Entwicklung leisten. Wir vernetzen engagierte Christen in ganz Deutsch-land und daruber hinaus, mit unterschiedlichen Rubriken, Foren, Gesprachen, Aktionen... Daruber hinaus gibt es die engagierte Arbeit weiterer Werke, z.B. Campus fur Christus,der geistlichen Gemeindeerneuerung oder der charismatischen Erneuerung innerhalb derkatholischen Kirche.

Machen Sie mit! Engagieren Sie sich fur eine ortsnahe engagierte christliche Arbeit inkleinen einladenden und offenen Kreisen, in musikalischen Beitragen, Lobpreis etc. Dassoll naturlich durch die lokalen Gemeinden geschehen, aber auch uber den oft sehr engenTellerrand der Gemeinden hinaus, um die ganze Vielfalt des Leibes Jesu Christi wahrzu-nehmen und um viele Menschen mit dem heilenden Evangelium von Jesus zu erreichen.

Machen Sie mit!

4.3 Die Freiheit nehm ich mir ...! - Schwacher und Starker Glaube(Romerbrief Kapitel 14)

4.3.1 Fur Eilige: Die Freiheit nehm ich mir ...!

Freiheit ist wichtig und in vielem wesentlich:

• die Freiheit, im Land und uber Grenzen zu reisen

• die Freiheit, die eigene Meinung zu sagen und die eigene Meinung zu schreiben

• die Freiheit, Handel zu treiben, Firmen und Verlage, Vereine und Zusammenschlussezu bilden

• die Freiheit zu Freundschaften, zur Wahl des Ehepartners

• die Freiheit zu Demonstrationen, Informationen, offentlichen Aktionen und Zusam-menkunften

• die Freiheit zur Wahl der Ausbildungsstelle, der Universitat, des Studiengangs, derArbeitsstelle

• die Freiheit des Glaubens, der Ideale und Uberzeugungen

• die Freiheit der Kreativitat, der kunstlerischen Darstellungen, der Forschung undLehre

136 Die Bibel fur Menschen von heute ...

• die Freiheit zur Freizeitgestaltung mit Kinos, Theatern, Konzerten, Freunden, Spa-ziergangen, Unterhaltungen, Parties, Stille, Meditation, Gebet, Wanderungen undRadtouren ...

• die Freiheit zu einem menschenwurdigen Leben, das die Hilfestellung und Entfal-tungsmoglichkeiten bekommt, die es benotigt

• die Freiheit von sozialem oder psychischem Druck und Zwang, von Familienklungelund der Ausnutzung durch falsche Geschaftspartner, Vorgesetzte oder Freunde

• die Freiheit zu eigenstandigen Lebensentscheidungen, zum Erwachsenwerden und zueiner Reife in Charakter und Personlichkeit

• die Freiheit zu einem Alter in Wurde und in der Zuwendung von Freunden undFamilie

• die Freiheit zur Verantwortung, zum engagierten Einsatz, zur Mitarbeit und Mithilfe

• ...

Heute werden wir uber die Freiheit nachdenken - in ihren vielen Aspekten und Aus-pragungen. Wir werden insbesondere danach fragen, in welchem Verhaltnis Freiheit stehtzu dem Leben im Glauben an Jesus Christus. Wir werden anhand einiger Worte des Pau-lus uber die Freiheit des ”starken” und des ”schwachen Glaubens”, Freiheit und Gebote,Freiheit und Gewissen und uber Freiheit und die Beziehungen zwischen Menschen reden.

Die Frage nach der Freiheit trifft den Nerv unserer Gesellschaft. Darum wird es diesmalbesonders spannend. Los gehts!

Tipps fur diese Woche:1) Uberdenken Sie die Dinge, die Sie aus der Freiheit Ihres Lebens heraus tun. Was ist

wirklich gut, zu tun. Was sollten Sie lieber lassen?2) Empfinden Sie den christlichen Glauben als befreiend? Denken Sie sehr ernsthaft

daruber nach, warum Sie ihn in verschiedenen Aspekten so oder so empfinden. An dieserFrage konnen Sie erkennen, wieviel Sie von Gott mitbekommen und verstanden haben -dazu gleich mehr ...

4.3.2 Freiheit - wie, wovon, wieweit, wozu?

Freiheit ist das große Thema der Aufklarung und des ganzen modernen Zeitalters. DieSuche und der Drang nach Freiheit sind treibende Krafte bei der Entstehung der sozialenBewegungen und des Sozialismus, ja sogar des Kommunismus. Es geht um die Freiheitdes Menschen von der Bevormundung und Ausnutzung durch wirtschaftlich ubermachtigeandere Menschen, Unternehmen, Clans, Unternehmer oder Klassen von Menschen. DerDrang nach Freiheit hat die humanistische Bildung, die Entstehung der Menschenrechte,die Auspragung der Forschung und Lehre an unseren Universitaten und an den Schulenund damit die ganze Gesellschaft tief bewegt und beeinflußt. Der Drang nach Freiheit hatzum Fall von Staaten und manchmal zu Kriegen und Auseinandersetzungen gefuhrt. Nicht

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zuletzt der Fall der DDR ist ein Ausdruck des nicht zu unterdruckenden Verlangens desMenschen nach Freiheit.

Freiheit ist eines der Hauptthemen Jesu im neuen Testament. Wieder einmal kommtunsere moderne Zeit damit den Quellen des Christentums unendlich nahe und wir streifendie tiefen Wurzeln unserer Kultur und unserer Zeit. Horen wir Jesus zu:

”Jesus antwortete ihnen und sagte: Ich sage es euch wie es ist: Wer Sunde tut, istein Dienstleister [Knecht] der Sunde. Der Dienstleister bleibt nicht lange im Haus; derSohn des Eigentumers aber ist der Erbe und bleibt. Wenn nun der Sohn euch von eu-rem Abhangigkeitsverhaltnis frei macht, so seid ihr wirklich frei.” (Ubertragung aus demEvangelium des Johannes, Kapitel 8, Vers 34ff)

Freiheit im Sinne Jesu ist

• Freiheit von der Gottesferne, also die Freiheit zum Vertrauen auf Gott

• Freiheit von Schuld, Bitterkeit, Hoffnungslosigkeit

• die Freiheit zum Guten, zum Vertrauen, zur Sorglosigkeit, zur Kindlichkeit, zur Lie-be, zur Herzlichkeit, zur Freundlichkeit ...

Diese phantastische Aussicht werden wir noch weiter beleuchten und vertiefen. LassenSie uns hier das Thema dieses Abschnitts aufgreifen und klarlegen:

Freiheit: wie?Wie komme ich in die Freiheit hinein, die Jesus meint? Ich trete ein durch den Glauben

und das Vertrauen auf Jesus Christus. Ganz praktisch kann das durch ein Gebet geschehen:”Herr, komm in mein Leben und laß mich in Dir und fur Dich leben in der Freiheit, demVertrauen und der Kindlichkeit, die Gott entspricht!”

Die Freiheit Jesu - die Freiheit Gottes, des Schopfers - ist nicht ohne Gott zu haben. Wernicht in der lebendigen Beziehung zu Gott lebt, kommt unweigerlich in die Abhangigkeitvon weltlichen Machten - die ”Knechtschaft” oder das Dienstleistungsverhaltnis, von demJesus oben spricht. Freiheit hat also auch im ganz weltlichen Sinne mit Macht zu tun -mit der Macht Gottes, der Menschen befreit!

Freiheit: wovon?Worin macht Jesus frei? Dazu gibt es zahlreiche Stellen der Bibel. Wir wollen hier den

Brief des Paulus an die Galater herausgreifen. Dort heißt es in Kapitel 5, Vers 19ff: ”Of-fenkundig sind aber die Handlungen, die dem Verhalten eines Lebens ohne Gott [Werkendes Fleisches] entsprechen, als da sind:

• Geringachtung der lebenslangen mit Liebe erfullten sozialen und sexuellen Gemein-schaft von Mann und Frau [Unzucht/Ehebruch],

• Leben mit mißgunstigen, verlogenen, falschen Gedanken, Motiven, Worten und Wer-ken [Unreinheit],

• haltloses und disziplinloses Leben, das uber die Grenzen des Gesunden hinweggeht[Ausschweifung],

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• Leben in der Ausrichtung auf Dinge, Menschen, Machte, Ideale, Ziele, Betatigungen,die nicht Gott sind [Gotzendienst],

• Beeinflussung von Ereignissen durch verborgene Machte oder durch Leben mit Ver-haltensweisen, die solche Machte zu etwas bewegen sollen [Zauberei],

• Feindschaft,

• Streit,

• Eifersucht,

• Zorn,

• Zank,

• Zwietracht,

• Spaltungen,

• Neid,

• Saufen,

• Fressen

... und dergleichen. Davon habe ich euch vorausgesagt und sage noch einmal voraus:die solches tun, werden das Reich Gottes nicht erben.” (Ubertragung) Was an die Stelleder Unfreiheit tritt, werden wir mit der letzten Frage weiter unten beantworten.

Freiheit: wieweit?Wieweit geht die Freiheit, die Gott schafft? Diese Frage gewinnt angesichts der Ent-

wicklung mancher Teile der Landeskirchen in Deutschland eine weitreichende Bedeutung.Darf man einem Menschen mit seinem Leben den Segen Gottes absprechen? Soll mannicht alle segnen und lieben, egal, was sie tun und wie sie leben?

Jesus stellt klar: man soll jeden segnen, um ihm die Nahe und den Segen Gotteszuzusprechen. Aber man soll nicht jedes Verhalten segnen! Es gibt Verhaltensweisen, dieeinen Menschen von Gott trennen.

Ganz konkret: ist die Freiheit Gottes auch die Freiheit zur freien Liebe und freienSexualitat? Ist die Freiheit Gottes die Freiheit zur Gemeinheit, zur Luge, zum Mord, zurZauberei, zur Gemeinschaft mit den von Gott gelosten Machten, mit den Geistern desTodes und der Totenwelt?

Unsere Rolle ist nicht die der Anklage oder der Anprangerung von Mißstanden. Aberum des Glaubens willen mussen wir an dieser Stelle deutliche Worte sprechen: Leiderhaben manche der Amtstrager christlicher Kirchen jegliches Gefuhl dafur verloren, wases mit Gottes Heiligkeit und mit der Freiheit des Glaubens z u m G u t e n auf sichhat. Die Freiheit Jesu ist immer auch die Freiheit zu einem verbindlichen Leben in derGerechtigkeit und Heiligkeit Gottes. Das kostenlose Angebot der Liebe Gottes und seiner

Roland Potthast 139

Freiheit ist verbunden mit dem Geschenk eines neuen Lebens in Wahrheit. Die FreiheitGottes kann nur mit dem Einsatz meiner ganzen Person und Personlichkeit angenommenund gewonnen werden!

Im Original des neuen Testaments kling das wie folgt: ”Ich bin das A und O, derAnfang und das Ende. Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassersumsonst. Wer uberwindet, der wird es alles ererben, und ich werde sein Gott sein, under wird mein Sohn sein. Die Feigen aber und Unglaubigen und Frevler und Morder unddie Ehe verachtenden [Unzuchtigen] und verschiedenste Machte beeinflussenden [Zauberer]und auf verschiedenste Dinge mit ihrem Leben ausgerichteten Menschen [Gotzendiener]und alle Lugner, deren Teil wird in dem Loch [Pfuhl] sein, das voll von Feuer und Schwefelbrennt; das ist der zweite Tod.” (Offenbahrung Kapitel 21, Vers 7+8)

Sie lernen hier, woher die mittelalterlichen Vorstellungen von der Holle stammen: ausder Bibel. Aber Sie lernen auch, daß das neue Testament keinen Zweifel laßt an der Ernst-haftigkeit der Entscheidung und des Lebens. Es geht um Leben oder Tod – und die Freiheitzum Leben bedeutet nicht gleichzeitig die Freiheit, auch noch tot zu sein!

Freiheit: wozu?Das neue Testament fullt die Freiheit Jesu - die Freiheit des Lebens in der vertrau-

ensvollen und kindlichen Beziehung zu Gott in immer neuen Passagen, Beschreibungen,Anregungen, Ermahnungen und Aufforderungen. So soll echte Hilfestellung gegeben wer-den - Hilfe zum Leben. Wir nehmen hier die oben zitierten Passagen des Galaterbriefesauf und lesen im Original: ”Die Auswirkung des heiligen Geistes ist

• Liebe,

• Freude,

• Friede,

• Geduld,

• Freundlichkeit,

• Gute,

• Treue,

• Sanftmut,

• Keuschheit;

gegen all diese ist das Gesetz des Mose nicht. Die aber zu Jesus Christus gehoren, diehaben ihr weltliches Leben ans Kreuz von Golgatha gehangt mit all ihren Leidenschaften,Wunschen, Zielen und Begierden. Wenn wir im Geist Gottes leben, so laßt uns auch imGeist Gottes handeln und unser Leben gestalten. Laßt uns nicht nach verganglicher Ehresuchen, uns nicht gegenseitig herausfordern und beneiden.” (Galater Kapitel 5, Verse 22-26)

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4.3.3 Starker und Schwacher Glaube

Die Freiheit des Glaubens fuhrt stets zu einer Reihe von Entscheidungen. Gott gibt zwarviele Hilfestellungen - aber ”Kindlichkeit und Vertrauen” bedeuten eben nicht, daß einluckenloses Regelwerk mit Eindeutigkeit prasentiert wird. Wer das neue Testament alsunmißverstandliches ethisches Regelbuch liest, geht an Gott grundlich vorbei: Wo Freiheitist, sind auch Entscheidungen von Menschen. Und um diese Entscheidungen geht es Paulusim Kapitel 14 und dessen Umfeld im Brief an die Romer.

”Der eine glaubt, er durfe alles essen; wer aber schwach ist, der ißt kein Fleisch.”schreibt Paulus. Der Hintergrund sind die alttestamentlichen Speiseregeln: Verbot desGotzenopfers und damit auch die Konsequenz, nicht das den Gotzen geopferte Fleisch zuessen. Die Gebote und damit die Probleme haben - wie wir schon wiederholt festgestellthaben - auch ihre Bestatigung im neuen Testament.

Paulus spricht hier von ”Schwache” dessen, der kein Fleisch ißt. Gemeint ist ein ”schwa-cher” Glaube, ein schwaches Vertrauen auf die Liebe und Gute Gottes. Es gibt viele Men-schen, die mochten Gott gefallen; und Teil ihrer Hingabe ist es, alles zu vermeinden, dasnicht im Sinne Gottes sein konnte. Dabei gewinnen manche alttestamentliche Gebote einenstarken ja einen unangemessenen Raum, der einem Leben in der Liebe Gottes - ”in Jesus”- nicht entspricht. Fur Paulus ist das schwacher Glaube. Hat nicht Jesus gesagt (MatthausKap. 15, Vers 17): ”Was zum Mund hineingeht, das geht in den Bauch und wird danach insKlo ausgelehrt.” Ist es nicht dem Menschen erlaubt, alles zu essen? Der mit dem starkenund gereiften Glauben vermag Gott auch ohne solche außerlichen Dinge zu vertrauen.

Aber Paulus vermeidet eine letztgultige Wertung. Paulus erkennt, daß jeder Menschseinen personlichen Weg finden und gehen muß! Dabei gibt er eine Reihe von grundsatzli-chen Leitlinien: Wer Gott treu sein mochte, in dem er nicht von dem den Gotzen geopfer-ten Fleisch ißt, der soll nicht die sorglos vertrauenden Menschen verachten, wenn sie ohneBedenken essen. Und die vertrauenden Menschen in ihrer Sorglosigkeit sollen nicht diegewissenhaften und genauen Menschen verachten, die hier Gottes Gebot beruhrt sehen.

Wir erleben in den Worten des Paulus klare und aktuelle Worte zu den Verhaltenswei-sen von Christen und Kirchen, wenn es um das Leben im Glauben geht. ”Geht uber eureGrenzen von Lehre und Denken, wenn ihr anderen Christen begegnet!” sagt uns Paulusbis heute. Im Original: ”Darum nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hatzu Gottes Lob.” (Rom. 15,7)

Gleichzeitig nennt Paulus das Gottlose gottlos und das Bose bose. Es geht also nichtdarum, alles gleichzuschalten, es geht nicht um die Vereinigung von Gottes Heiligkeitund der Gottlosigkeit und Verlorenheit der Welt. Es ist wie beim Ubergang vom Tagzur Nacht: man kann graduell verschiedene Grenzen ziehen, aber zweifellos gibt es einenfundamentalen Unterschied zwischen Tag und Nacht zwischen Licht und Finsternis.

Paulus nennt einige Punkte, die in seiner Zeit und Kultur von zentraler Bedeutungwaren: Gotzenopferfleisch und die Beachtung von Feiertagen. Der Ratschlag des Paulusfur die damals aktuellen Streitpunkte: ”keiner lebt sich selber und keiner stirbt sich selber.Leben wir, so leben wir dem Herrn; sterben wir, so sterben wir dem Herrn. Darum: wirleben oder sterben, so sind wir des Herrn. Denn dazu ist Christus gestorben und wiederlebendig geworden, daß er uber Tote und Lebende Herr sei.” (Rom 14,7-9)

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Jeder Mensch wird an Gott verwiesen. Keiner soll in solchen Dingen seinen Bruder(seinen Mitchristen) richten. Und Paulus gebietet, daß wir Christen uns einander unter-ordnen sollen - gegenseitig. Jeder soll so leben, daß es den anderen in seinen Uberzeugungenrespektiert und ihn unterstutzt (ohne sich von ihm knebeln zu lassen).

Wo sind die Punkte, die uns heute bewegen? Wo sind die Streitpunkte im Verhaltenvon Christen?

Es bedarf einiger Weisheit, in den Entscheidungen und Problemen um den richtigenWeg einen friedlichen und Gott angemessenen Pfad zu finden.

In der Auseinandersetzung zwischen Konservativen und Progressiven, zwischen Evan-gelikalen und Liberalen, zwischen offenen und konsequenten Christen treffen die fast zwei-tausend Jahre alten Worte des Paulus mitten ins Schwarze. Wo immer wir ein Lebengestalten im Vertrauen auf Jesus Christus, laßt uns die Gemeinsamkeit des heiligen Gei-stes feiern und zum Segen werden lassen in Konsequenz, Offenheit und Liebe!

4.3.4 Wort beim Wein: Paulus nutzt Paradoxien

Gehoren Sie eigentlich zu den Starken im Glauben?Bei dem tieferen Nachsinnen uber diese Frage mußte ich einsehen, wie viel tiefer diese

Etiketten des Paulus reichen, als ein erster und oberflachlicher Blick es enthullt.Stark im Glauben ... das sind doch eigentlich die Konsequenten, die engagiert Glau-

benden, oder? Stark im Glauben sind die Leute, die sich an Gottes Geboten orientieren,die ihr Leben nach diesen Geboten ausrichten. Wenn Menschen konsequent sind in ihremGlauben, dann sind sie doch die eigentlich Starken, oder nicht?

Und dann sind da die, die sich keinen Kopf machen um diese oder jene gottliche Regel.Das sind doch eigentlich die Schwachen ... die nicht zur Konsequenz Jesu Christi findenkonnen! Ist nicht die Inkonsequenz nahe an der Grenze zur Halbherzigkeit? Sind nichtdiese ”Schwachen im Glauben” in der Gefahr, aus Gottes Reich herauszufallen?

Paulus dreht die Etiketten um - er will hier unseren Hochmut zerstoren. Die eigentlich”Starken” werden zu den Schwachen ... alles wird auf das Vertrauen in die Gute Chri-sti reduziert. Und die schwachlichen Nachfolger werden zu den ”Starken” gemacht: sieempfangen im Blick auf den Herrn. Sie bauen auf die Gute Gottes ohne die Krucken derVerhaltensweisen.

Das scheint so nicht ganz im Einklang mit den ernsthaften Ermahnungen zu einemLeben in der Nachfolge Jesu Christi. Und doch ist es in der Paradoxie - der scheinbarenund offen kundigen Widerspruchlichkeit - genau im Einklang mit dem Leben und WerkJesu. Jesus stellt das Gesetz vom Kopf auf das Herz. Er bestatigt, erfullt und lost damitauf. Jesus stellt die Gerechtigkeit von der Tat auf die Gnade. Er bestatigt die Tat, handeltund macht damit die Tat zweitrangig.

Ubrigens denke ich, daß die Freiheit in der uberwaltigenden Liebe Gottes uns zurKonsequenz fuhren wird. Die Liebe Gottes wird den ”schwachen” Glauben stark und den”starken” Glauben schwach machen... So ist die Liebe :-)

142 Die Bibel fur Menschen von heute ...

4.4 Konsequenzen fur Falscher! ... - vom klaren Evangelium (Galater-brief Kapitel 1)

4.4.1 Fur Eilige: Konsequenzen fur Falscher

Uberall, wo es etwas Gutes und Originales gibt, entstehen schnell auch ahnliche Dinge ... esgibt abgekupferte Versionen, es gibt Variationen, es gibt Nachahmungen und Falschungen.

Auf Falschung steht in jedem Fall in unserer Gesellschaft eine Strafe. Wer etwas falscht,der verandert es und behauptet, es sei das Original. Falschung ist eine gezielte Luge.Falschung ist eine Straftat und wird entsprechend schwer geahndet.

Auch bei Nachahmungen haben wir ja etwas anderes vorliegen als das Original. Solangeeine Nachahmung nicht behauptet, das Original zu sein, ist sie oft nicht strafbar. Aller-dings gibt es nicht wenige Situationen, in denen Nachahmung von Dingen katastrophaleAuswirkungen haben kann und in den Bereich der Falschung ruckt: Immer dann, wennetwas mit der Nachahmung nur Ausserlich das trifft, was es nachahmen mochte, wenn dasEigentliche fehlt. Ein nachgeahmtes Medikament ohne die eigentlichen Wirkstoffe kann furden Patienten schwerwiegende Schaden nach sich ziehen. Ein vorgegaukelter Experte ohnedas notige Fachwissen wird die Probleme nicht losen konnen. Ein nachgeahmtes Produkthat oft nicht annahernd die Qualitat des Originals.

Mit den unterschiedlichen Versionen und den Variationen liegen die Dinge noch an-ders. Es konnen unterschiedliche Versionen eines Originals vorliegen - sie konnen zumOriginal dazugehoren. Es konnen auch unterschiedliche Lesarten oder Verstandnisweiseneines Originals vorliegen. Die wesentliche Frage ist oft, wie genau das Original aussiehtund was noch zum Original gehort. Eine ungeschickte oder falsche Variation kann dasganze Original zerstoren ... es konnen also auch Variationen katastrophale Auswirkungenhaben.

Wir werden uns heute mit dem Original des Evangeliums beschaftigen und mit der Fra-ge nach Falschungen, Nachahmungen und Variationen. Zuerst lesen wir die Ausfuhrungendes Paulus zu dem Thema. Dabei wird es auch um die Konsequenzen gehen, die Falschun-gen oder Verdrehungen mit sich bringen. Paulus ist hier sehr rigoros.

Dann fragen wir danach, wie denn das Original genau aussieht und schliesslich schauenwir, welche Art von Falschungen, Nachahmungen und Variationen es gibt.

Tipps fur diese Woche:1) Versuchen Sie sich einmal klar zu machen, wie das Original des Evangeliums aussieht.

Lesen Sie noch einmal Passagen aus den Evangelien und aus den Briefen der Apostel zumEvangelium.

2) Lauschen Sie auf die Stimmen um Sie her zum ”christlichen” Glauben. Was daran istwirklich originales Evangelium, was ist klare Falschung, was ist Nachahmung ohne innereSubstanz und wo sind die Variationen, die den Sinn des Originals verdrehen?

4.4.2 Klares Evangelium und Warnungen bei Paulus

Der Galaterbrief des Paulus greift gleich zum Beginn ein schwerwiegendes Problem derGemeinde in Galatien auf. Paulus kommt gleich zur Sache:

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”Mich wundert, daß ihr euch so bald abwenden laßt von dem, der euch berufen hat indie Gnade Christi, zu einem andern Evangelium, obwohl es doch kein andres gibt; nur daßeinige da sind, die euch verwirren und wollen das Evangelium Christi verkehren.” (Galater,1, Verse 6+7)

Es geht um das Problem des Originals. Paulus schreibt engagiert und heftig, weil erdas originale und eigentliche Evangelium von Jesus Christus in Gefahr sieht. Dabei sinddie wesentlichen Punkte des Paulus:

• Es gibt nur e i n Evangelium

• Das Evangelium ist so wichtig und wesentlich, dass jede Veranderung und Verdre-hung katastrophale Folgen hat sowohl fur den Falscher als auch fur die Betrogenen.Das Evangelium hat Konsequenzen!

• Die ein anderes Evangelium predigen als die Gute Nachricht von der Liebe Gottes inJesus Christus werden schlimmste Strafen erleiden. ”Verflucht sei, wer ...” schreibtPaulus. Verflucht zu sein bedeutet die entgultige Trennung von Gott, ein Leben ohnedie Mitte und Quelle des Lebens und der Wahrheit.

Paulus hat das klare Evangelium schon gleich im Anfang seines Briefes formuliert:”Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Chri-stus, der sich selbst fur unsre Sunden dahingegeben hat, daß er uns errette von diesergegenwartigen, bosen Welt nach dem Willen Gottes, unseres Vaters; dem sei Ehre vonEwigkeit zu Ewigkeit! Amen.” (Galater 1,Verse 3-5)

Die Zuwendung Gottes ist in Jesus Christus zu bekommen. Jesus selbst hat sich durchseinen Tod am Kreuz fur uns dahingegeben, um uns Menschen aus der von Gott entfrem-deten Welt zu retten in die Liebe und Zuwendung Gottes.

Der wesentliche Streitpunkt des Paulus in der Auseinandersetzung mit den Galaternist die Rolle der Werke - also die Spannung zwischen dem alten Bund durch Mose unddem neuen Bund durch Jesus Christus. Der Mensch wird gerecht durch den Glauben anJesus Christus, nicht durch seine Taten und Handlungen.

Wir haben dieses Spannungsverhaltnis zwischen Glauben und Handeln schon einigemale aufgegriffen. Heute treffen wir wieder darauf bei dem Nachdenken uber Falschungund Variationen. Paulus stellt hier klar: wer den Werken vor Gott einen falschen Platzzumisst, der predigt damit ein falsches Evangelium und gehort zu den Falschern.

Warum ist das so wichtig?Das falsche Evangelium kann nicht in die durch Jesus Christus neu geschaffene vertrau-

ensvolle und kindliche Beziehung zu Gott hineinfuhren. Das falsche Evangelium ist damitBetrug und der Falscher halt Menschen von Gott fern! Das ist tragisch und unendlichschlimm.

Handlungen von Menschen haben Konsequenzen - so ist der Hintergrund der Ausfuhrun-gen des Paulus. Menschen konnen andere Menschen von Gott fernhalten durch ihre Hand-lungen. Schon Jesus selbst hat ja im Evangelium des Markus gewarnt: (Mk 9, 42ff) ”Undwer einen dieser Kleinen, die an mich glauben, zum Abfall verfuhrt, fur den ware es besser,daß ihm ein Muhlstein an den Hals gehangt und er ins Meer geworfen wurde.”

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Darum lassen Sie uns noch einmal im Originalton des Paulus lesen, wie er uber dasoriginale Evangelium schreibt. Es ist das Evangelium von Jesus Christus und der Gerech-tigkeit durch den Glauben an Jesus.

”So war es mit Abraham: Er hat Gott geglaubt, und es ist ihm zur Gerechtigkeit ge-rechnet worden (1. Mose 15,6). Erkennt also: die aus dem Glauben sind, das sind AbrahamsKinder. Die Schrift aber hat es vorausgesehen, daß Gott die Heiden durch den Glaubengerecht macht. Darum verkundigte sie dem Abraham (1. Mose 12,3): In dir sollen alleHeiden gesegnet werden. So werden nun die, die aus dem Glauben sind, gesegnet mit demglaubigen Abraham. Denn die aus den Werken des Gesetzes leben, die sind unter demFluch. Denn es steht geschrieben (5.Mose 27,26): Verflucht sei jeder, der nicht bleibt beialledem, was geschrieben steht in dem Buch des Gesetzes, daß er’s tue! Daß aber durchsGesetz niemand gerecht wird vor Gott, ist offenbar; denn der Gerechte wird aus Glaubenleben (Habakuk 2,4). Das Gesetz aber ist nicht aus Glauben, sondern: der Mensch, der estut, wird dadurch leben (3. Mose 18,5). Christus aber hat uns erlost von dem Fluch desGesetzes, da er zum Fluch wurde fur uns; denn es steht geschrieben (5. Mose 21,23): Ver-flucht ist jeder, der am Holz hangt, damit der Segen Abrahams unter die Heiden kommein Christus Jesus und wir den verheißenen Geist empfingen durch den Glauben.” (GalaterKap. 3, Verse 6-14)

4.4.3 Probleme mit dem Evangelium heute

Wir haben anhand des Galaterbriefes einige Schwierigkeiten kennengelernt, die zur Le-benszeit des Paulus mit dem Evangelium bestanden. Es war vielen Juden schwer, dieRolle des fur sie so zentralen Gesetzes des Mose in neuem Licht zu sehen ... und so kam eszu Variationen und Veranderungen der Botschaft von der Liebe Gottes in Jesus. Irgendwomuss sich ein wesentlicher Ubergang vollzogen haben von der Gerechtigkeit durch Jesuszu einer Gerechtigkeit durch das gerechte Leben - ein Ubergang, der die Menschen von derLiebe Gottes entfernte - der sie aus der frisch gewonnenen Gemeinschaft mit Gott durchden lebendigen Jesus wieder hinausfuhrte.

Interessant sind die Ausfuhrungen des Paulus aus einer ganzen Reihe aktueller Grunde.Da sind

a) die Beobachtung, dass Paulus mit Menschen redet, die sehr vehement einer religiosenUberzeugung nachgehen. Er redet doch eigentlich mit ”Glaubenden” uber den Glauben.Nur glauben diese Menschen in einer Art, die sie nach Paulus Gott nicht nahe bringt unddie sie nicht in die Gerechtigkeit Gottes hineinfuhrt.

b) Paulus und mit ihm das neue Testament lassen ein oft angefuhrtes Argument:”jeder hat halt seinen Glauben” oder ”ich bin doch auch Christ” nicht gelten. Es gehteben doch darum, worin dieser Glaube bzw. dieses Christsein eigentlich bestehen. Dasfalsche Evangelium und damit auch der falsche Glaube konnen nicht retten und bringeneinen Menschen nicht zu Gott.

Damit sind wir mitten in der aktuellen Diskussion zwischen den Menschen in unse-rem Land uber die Rolle des christlichen Glaubens und uber den christlichen Glaubenselbst. Da gibt es geradezu unendlich viele Versionen und Variationen des ”christlichen”Glaubens. Und wir mussen sehr genau hinsehen, was die verschiedenen Glaubenssatze

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und Uberzeugungen mit dem originalen Evangelium von Jesus Christus zu tun haben. Umdiese Arbeit kommen wir nicht herum.

Lassen Sie uns einige Punkte herausgreifen!(1) Nicht wenige Menschen setzen den christlichen Glauben mit Humanitat gleich. Es

ist sicherlich richtig, dass originale Christen immer sehr humane und menschenfreundlicheMenschen sein werden. Solidaritat und weitgehende Hingabe sind Grundprinzipien desLebens Jesu. Doch die Reduktion [Verkurzung] des Glaubens auf rein humanitares Handelnund das Verschweigen der weitreichenden Aussagen Jesu uber sich als Sohn Gottes unduber Gottes Heiligkeit, Liebe und Macht sind eine echte Falschung, eine modernisierte”Version” des Evangeliums, die in nichts einer vollen Falschung nachsteht.

(2) Andere setzen den christlichen Glauben mit Liebe gleich. Es ist sicherlich richtig,dass der Glaube an Jesus unendlich viel mit Liebe zu tun hat - mit der heiligen LiebeGottes, der sich in seiner verzehrenden Liebe selbst schenkt und fur den Menschen inden Tod gibt. Allerdings verwechseln wir zu schnell diese heilige Liebe Gottes mit unserenselbstbezogenem Liebesbegriff und vergessen, wie schmerzhaft Gott sein Lieben gekommenist am Kreuz. Es geht so weit, dass unter dem Deckmantel der ”Liebe” zerstorerischeVerhaltensweisen salonfahig gemacht werden. Wir vergessen, dass Gott nicht nur die Liebe,sondern auch die Wahrheit und die Heiligkeit in Person ist. Damit wird das Evangeliumvon dem machtlosen und zahnlosen ”lieben Gott” zu einer ausgewachsenen Falschung. Siehat leider katastrophale Auswirkungen, weil sie in nicht wenigen unserer Kirchen gepredigtund von Millionen von Menschen mit dem wahren Evangelium verwechselt wird.

Dies sind zwei wichtige Beispiele aktueller Falschungen des originalen Evangeliums vonJesus Christus. Die Worte des Paulus an die Galater treffen uns Christen und Kirchen inDeutschland gerade heute! Und weil die Dinge so aktuell sind, mussen wir auch uber denUmgang mit den Falschungen reden.

Wir fragen daher: Wie gehe ich mit den Leitern, Pastoren, Priestern oder Presbyternmeiner Gemeinde oder Kirche um, wenn ich die modernen Variationen und Falschungendes Evangeliums entdecke?

Verhaltensvorschlage:A. Ruhe bewahren. Wenn Sie sich aufgeregt haben, regen Sie sich wieder ab und

schlafen erst einmal eine Nacht daruber. Vorschnelle Briefe, Telefonate, Worte sind seltengut gewahlt und erreichen selten etwas, das im Sinne Gottes ist.

B. Denken Sie zuerst daruber nach, wo das wesentliche Problem liegt. Worin bestehtIhrer Meinung nach die Verdrehung in den Verhaltensweisen, Uberzeugungen, Worten oderTexten, die Sie ins Auge gefasst haben?

C. Sorgen Sie dafur, dass Sie fur Ihre Kritik ein sorgfaltig bestatigtes biblisches Funda-ment haben. Sie sollten z.B. die Dinge mit einem Freund oder einer Freundin durchspre-chen, bevor Sie sich mit einem ausgebildeten Theologen auf ein Streitgesprach einlassen.

D. Machen Sie sich klar, was Sie eigentlich erreichen wollen. Ist es im Sinne JesuChristi? Entspringt es der Liebe und Heiligkeit Gottes, oder sind Ihre Motive vielleichteher Ihre eigenen Verletzungen, Neid, Missgunst ...?

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E. Schliessen Sie zuerst fur sich Frieden mit der Person, die Sie auf die Falschungenansprechen wollen. Konnen Sie frei und ausgeglichen in ein Gesprach hineingehen?

F. Bitten Sie Gott fur die Person, die Sie auf ein schiefes oder falsches Evangeliumansprechen wollen. Segnen Sie diese Person aus ganzem Herzen und bitten Sie Gott, dieGesprache zu leiten und mit dabei zu sein durch seinen heiligen Geist.

G. Im Gesprach selbst fragen Sie zuerst offen nach, ob Sie eigentlich die Verhaltenswei-sen oder Worte richtig verstanden haben. Lassen Sie sich die Dinge zunachst bestatigen,bringen Sie dann erst Ihre Kritik an.

H. Erwarten Sie nicht, stets im ersten Anlauf Erfolg zu haben oder ohne Widerspruchzu bleiben. Seien Sie dabei lernfahig, auch sich selbst und die eigenen Uberzeugungen zukorrigieren, falls dies den Worten der Bibel entspricht. Bleiben Sie fest im Vertrauen aufJesus Christus und sagen Sie SEINE Wahrheit ruhig und klar!

4.4.4 Wort beim Wein: Von den Besserwissern

Beim Nachdenken uber die Falschungen und die gefahrlichen Variationen des Evangeliumskonnen uns nicht wenige Beispiele in den Sinn kommen von Entleerungen der Worte Jesu.In zu vielen Predigten fehlt die originale Kraft und das tiefe Verstandnis des lebendigenJesus.

Es sollte uns im Umgang mit den kraftlosen Predigern und kraftlosen ”Christen” zuerstdie Barmherzigkeit leiten: der ruhige Frieden Gottes, die lebendige und lebensspendendeKraft des auferstandenen Jesus Christus.

Leider gibt es eine Macht, die auch die tiefste Erkenntnis uber Jesus Christus zerstorenwill, indem sie zum Zetern und zu heftigen Attacken gegen den vermeindlichen Falscheraufwiegelt. Diese Macht hat mit Gott nichts zu tun! Diese Macht spielt mit den ”Bes-serwissern”: der Bose verfuhrt all jene, die nicht auch im Angesicht der Ungerechtigkeit,Luge, Bosheit und Gemeinheit ihren Ruhepunkt haben in einem Leben in der WahrheitChristi. Die Macht des Bosen will zur Uberheblichkeit verfuhren. Auch die Ansichten, alleszu wissen, alles klar zu sehen, es sei doch alles schwarz auf weiss niedergeschrieben etc.haben mit Gott wenig zu tun.

Gott, behute uns vor der Seuche der Besserwisserei!Herr, Jesus, erbarme dich unser!

Roland Potthast 147

4.5 Von der Freundschaft ... - Geist Gottes in dir (Galaterbrief 5+6)

4.5.1 Fur Eilige: Freundschaft und Gottes Geist

Jeder Mensch hat Sehnsucht nach Freundschaft - nach Freunden oder Freundinnen.Ein Freund ist ein Mensch, der mich personlich kennt und akzeptiert, ein Mensch, den

ich sympathisch finde und der seinerseits mich mag.Freundschaft bedeutet noch mehr: einem Freund oder einer Freundin kann man viel

von sich anvertrauen, da kann man offen sein, ohne Ablehnung oder Spott furchten zumussen. Mit Freunden kann man in unbefangener Weise Dinge unternehmen, Gesprachefuhren und ein Stuck Weg gemeinsam zurucklegen.

Jeder Mensch sehnt sich nach Freundschaft - und das hat viel mit Gott zu tun und derArt, wie Gott Menschen geschaffen hat. Gott mochte in einem tiefen und umfassenden Sin-ne unser Freund sein! Gott mochte uns mit seinem Geist erfullen und so in unbegreiflicherNahe mit uns leben.

Wir werden uns gleich eingehender uber die Freundschaft unterhalten. Um verschie-denste Bestandteile von Freundschaft geht es in Teil 2. Die Frage nach Wahrheit in derFreundschaft greifen wir in Teil 3 auf. Schließlich fragen wir nach den Enttauschungen,die jeder Mensch immer wieder in Freundschaften erleben kann.

Tipps/Fragen fur diese Woche:1) Was haben Sie fur eine Vorstellung von einer ”schonen” oder ”guten” Freundschaft?

Welche Erwartungen haben Sie an den Freund oder die Freundin? Was bringen Sie selbstin die Freundschaft ein? Was erwarten Sie von sich selbst?

2) Haben Sie schon einmal Gott als Freund sehen konnen? Wie konnte eine Freund-schaft mit Gott aussehen? An welchen Punkten bleiben Sie hangen und denken: ”irgendwiepaßt doch Freundschaft nicht dazu, wie ich mir Gott vorstelle”? Versuchen Sie einmal, Gottals einen Freund zu sehen, der Ihre Freundschaft sucht!

4.5.2 Was bedeutet Freundschaft?

Freundschaft beinhaltet ganz unterschiedliche Dinge. Einige haben wir oben schon ge-nannt. Wir wollen nun die Kapitel 5 und 6 des Galaterbriefes unter der Frage lesen: wassind Bestandteile von Freundschaft. Wir werden einen reichen Fang machen. Freundschaftbedeutet:

Freiheit”Zur Freiheit hat uns Christus befreit. So steht nun fest und laßt euch nicht wieder das

Joch der Knechtschaft auferlegen!” schreibt Paulus in Galater 5, Vers 1. Die Freiheit in derpersonlichen Zuwendung gehort zur Freundschaft. Diese Zuwendung kann nicht erzwungensein - nicht befohlen oder diktiert. Zur Freiheit in der Freundschaft mit Gott gehort es,daß Jesus Christus uns Menschen durch seinen Tod am Kreuz von der Forderung Gottesbefreit, heilig und tadellos zu sein, bevor wir mit ihm in eine engere Beziehung tretenkonnen. Der Weg zu Gott ist durch Jesus Christus freigeraumt und jeder Mensch kanndiesen Weg durch den Glauben an Jesus betreten.

148 Die Bibel fur Menschen von heute ...

Einstehen fur den anderen”Ihr aber, liebe Bruder, seid zur Freiheit berufen. Allein seht zu, daß ihr durch die

Freiheit nicht den gottfernen Machten [orig. ”dem Freisch”] Raum gebt, sondern durch dieLiebe diene einer dem anderen.” (Gal 5,13) Dieses ”dem anderen dienen” kann vielfachgefullt werden. Wir haben hier an erster Stelle die Solidaritat und das einstehen fur denanderen herausgegriffen. In Kapitel 6, Vers 2 schreibt Paulus die bekannten Worte ”Einertrage die Last des anderen, so werdet ihr das Gesetz Christi erfullen.” Also gehoren zumDienst am anderen Menschen - dem Dienst am Freund auch:

HilfeDie personliche und die tatkraftige Hilfe mit allen Mitteln, die mir zur Verfugung

stehen. Dazu zahlen Zeit, Geld, Macht, Einfluß, Worte, Taten ...

Einsatz und VerzichtLasten zu tragen hat immer in der ein oder anderen Weise mit Verzicht zu tun. Da ist

der Verzicht auf freie Zeit, der Verzicht auf Entfaltung, die vielleicht in dieser Zeit moglichgewesen ware. Es ist Verzicht auf Geld notig, das jetzt fur den Freund eingesetz wird. Ananderer Stelle fordert Paulus sogar den Verzicht auf das Recht: ”warum laßt ihr euch nichtlieber Unrecht tun?” (Was nicht bedeutet, daß nicht Unrecht ein Unrecht bleibt, aber essoll auf Gerichtsprozesse vor Unglaubigen verzichtet werden.)

Freundschaft bedeutet weiter:

Liebe”Denn das ganze Gesetz ist in einem Wort erfullt, in dem (3.Mose 19,18):Liebe deinen

Nachsten wie dich selbst!” (Galater 5,14) Die Liebe ist immer wieder das Zentrum desneuen Testaments. Und dabei geht es um Gottes heilige Liebe ... das wird von Paulusin den nun folgenden Abschnitten im einzelnen dargelegt: ”Lebt im Geist, so werdet ihrdie Begierden der gottfernen Machte [des Fleisches] nicht leben.” (Gal 5,16). Wir habendie Verse 19 bis 23 aus Galater 5 schon vor Wochen angesprochen und greifen nun einigewichtige Dinge heraus. Freundschaft bedeutet

Wahrheitzwischen den Freunden. Die Freundschaft darf nicht auf Lugen oder Ubertreibungen

aufgebaut sein und diese durfen nicht darin vorkommen. Nur wenn man sich auf denFreund oder die Freundin verlassen kann, wird die freundschaftliche Beziehung Bestandhaben. Paulus fordert in Galater 6,1 klar, in der Freundschaft klare und wahre Worte zufinden, wenn der Freund oder die Freundin auf einem falschen Weg ist. Auch dieser Mutzum klaren Wort gehort zur Freundschaft.

Vertrauen und GlaubeVertrauen spielt eine wesentliche Rolle, wenn es um Jesus Christus geht. Glaube ist

ein Vertrauen, welches Konsequenzen in Gedanken, Worten und Taten hat. Paulus selbstvertraut hier inmitten all seiner Ermahnungen den Christen in Galatien, wenn er schreibt:”Ich habe das Vertrauen zu euch in dem Herrn, ihr werdet anders gesinnt sein.” Vertrauen

Roland Potthast 149

kann ermahnen, wird dann aber den Freund loslassen und ihm die Freiheit geben, selbstzu entscheiden.

GeduldDie Geduld eines Freundes ist besonders wichtig, wenn es Meinungsverschiedenheiten

oder Unklarheiten gibt. Gerade bei ernsthaften Unterschieden in Planen oder Ansichtenkann es schnell Streit geben - und dann ist die Sanftmut und Geduld der Freundschaftgefragt. Damit haben wir noch eine weitere wichtige Eigenschaft der Freundschaft:

Sanftmut (Friede)

Paulus nennt noch weitere wichtige Eigenschaften bzw. Verhaltens- oder Denkweisen.Zur Freundschaft gehort die

Gute”Darum, solange wir noch Zeit haben, laßt uns Gutes tun an jedermann, allermeist

aber an des Glaubens Genossen.” (Galater 6,10) .”..laßt uns Gutes tun und nicht mudewerden.” (Gal 6,9) .”..der gebe Anteil an allem Guten.” (Gal.6,6)

Die Gute gehort zur Freundschaft. Die Gute ist zuerst eine Einstellung, die aber dannvielerlei Konsequenzen hat. Wer wird einen wahrhaft gutigen Menschen furchten? Werwird einem Menschen Mißtrauen, der Gottes Gute ausstrahlt und verbreitet. Auch hiersieht man allerdings, daß Geben allein nicht wesentlich ist, sondern der Geist, der in alldem steckt und sich in der Gute ausdruckt. Zur Freundschaft gehort auch die

Freundlichkeit, freundliche ZuwendungWie wohltuend fur die Seele kann ein freundliches Wort sein. Wie herzlich erfrischend

und belebend sind Zuwendung und Worte eines Freundes oder einer Freundin.

TreueDie Treue macht die Freundschaft zu einer lebenslangen Beziehung, die auf Dauer und

Bestand angelegt ist. Treue laßt den anderen nicht im Stich, auch wenn es schwierig wirdoder Nachteile in Kauf genommen werden mussen. Treue gehort zu jeder Freundschaftdazu.

Bescheidenheit”Laßt uns nicht nach verganglicher Ehre trachten, einander nicht herausfordern und

nicht beneiden.” schreibt Paulus in Galater 5,26. Und etwas spater fugt er hinzu: ”Essei fern von mir mich zu ruhmen als allein des Kreuzes unseres Herrn Jesus Christus...” (Galater 6,14). Bescheidenheit bedeutet nicht, sich kleiner zu machen als man ist (unddamit unwahrhaftig zu werden). Sondern Bescheidenheit bedeutet, daß in der Freundschafteine wahre und gleichberechtigte Begegnung erfolgt, die nicht durch Neid und die Suchenach Bestatigung durch Außerlichkeiten belastet wird.

150 Die Bibel fur Menschen von heute ...

4.5.3 Freundschaft, Wahrheit und Gott in dir

Das Thema Freundschaft und Wahrheit wollen wir in zwei wichtigen Aspekten weiterausfuhren.

A. Bei der Freundschaft mit Gott treffe ich auf Gottes Wesen!B. Wahrheit im personlichen Umgang muß sehr sorgfaltig bedacht werden.

Lassen Sie uns zuerst den Punkt A angehen. Die Bibel laßt keinen Zweifel daran, daß dieFreundschaft mit Gott sofort auf seine Heiligkeit trifft und davon grundlegend beeinflußtwird. Wir haben schon gelesen, wie Paulus uns auffordert: ”Lebt im Geist!” (Gal 5,16).Der Geist Gottes mochte Menschen erfullen und ”Wohnung in ihnen nehmen.” Das kanner nur, wenn Menschen durch den Glauben an Jesus vor Gott heilig geworden sind. Und erkann es nur insofern sich diese Menschen nicht wieder in Teilen oder im Ganzen den vonGott gelosten Machten hingeben. Aus diesem Grund haben die Ermahnungen des Pauluseinen nicht zu vernachlassigenden Stellenwert: lebt im Geist. Folgt nicht den gottfernenMachten, sondern laßt euch vom Geist erfullen. Paulus bringt ein Bild, worin der Geistmich und mein Leben fuhren und leiten will. Der Geist Gottes mochte sich gleichsam ”inmir” ausbreiten und mich ganz in das Reich Gottes hineinwachsen lassen. Und ich habeAnteil an diesem Wachstum durch die Entscheidungen, die ich taglich treffe. Ich kann z.B.dem Zorn Raum geben oder dem Frieden, der aus dem Geist Gottes heraus wachst.

Der christliche Glauben mit all seinem Reichtum und seinen Schwierigkeiten hat damitzu tun, daß Gott eben nicht mein Diktator, sondern mein Freund sein mochte. Er ist einheiliger und machtiger Freund, der mich aber in seiner Macht nicht erdruckt, sondern zurEntfaltung bringen mochte. Er ist ein Freund, der die Wahrheit ist und der Richter. Gottweiß als Schopfer, was dem Menschen zu einem gesunden und heilen Leben hilft. Unddoch will er mich mit seinem Wort nicht gangeln, sondern wirkliche Hilfe zu einem solchenheilen Leben leisten.

Gottes erste und fundamentale Tat der Freundschaft ist die Erlosung von meiner zwin-genden Verurteilung durch seine unbestechliche Gerechtigkeit. Jeder Mensch muß von demheiligen Gott verurteilt werden um seiner Bosheit, seines Neides, seiner Unwahrhaftigkeitund Schlechtigkeit willen. Doch Gott, der Freund, hat diese Strafe auf sich selbst genom-men durch seinen Sohn Jesus Christus. Wer das annimmt, ist frei und ”durch das Gerichthindurchgekommen.”

Gottes Freundschaft sucht uber das Kreuz Jesu hinaus die lebendige Gemeinschaft mitjedem Menschen. Er mochte seinen Geist in den Menschen hinein senden und so diesenMenschen zu einem Teil seines Lebens werden lassen. Das wird in den Bildern von denChristen als Teil des Leibes Jesu Christi oder vom Geist Gottes, der Wohnung in einemChristen nimmt, ausgedruckt. Diese Bilder werden zu lebendigen Erfahrungen bei allenMenschen, die ernsthaft und bestandig mit Jesus Christus unterwegs sind.

Punkt B: Wahrheit im personlichen Umgang muß sehr sorgfaltig bedacht werden.Freundschaft braucht Wahrheit, das haben wir in Teil 2 festgestellt. Doch wie ist das

mit den Gedanken, Wunschen, Vorstellungen und dem ganzen Innenleben eines Menschen.Bedeutet ”Wahrheit”, den Freund nun mit all dem zu konfrontieren, was in mir vorgeht?

Roland Potthast 151

Die Bibel stellt an vielen Stellen klar, daß der Mensch immer ein ”vor Gott gefallener”Mensch ist und bleibt. Der Mensch ist nicht von sich aus ”gut”, er ist nicht ohne Neid,ohne Luge, ohne Heuchelei. Der Mensch ist nicht rein von sich selbst her. Darum mußjeder Mensch sorgfaltig mit der Wahrheit uber sich selbst umgehen. Die Liebe zur Wahr-heit muß sich mit der Fursorge verbinden. Nicht jeder Unrat, der mir durch den Kopfoder durch meine Gefuhle geht, soll meinen Freund erreichen. Paulus verlangt eine gutePortion Selbstdisziplin von uns Christen, wenn wir mit anderen Menschen - mit Freunden- umgehen! Die meisten seiner Gebote dienen dazu, mich einerseits mit der ernuchterndenWahrheit uber mich zu konfrontieren und gleichzeitig dazu aufzurufen, mich bewußt davonzu losen und mich von Gott verandern zu lassen.

Ein wichtiges Beispiel ist der Zorn. Paulus ermahnt uns wiederholt, nicht dem Zornfreien Raum zu lassen. Stattdessen soll der Grund des Zornes im sofortigen Gesprach mitdem christlichen Bruder angesprochen und geklart werden. Der Zorn ist zunachst einmaldie Wahrheit uber meine Gefuhle. Der Zorn ist die Wirklichkeit. Und dennoch soll dieseWahrheit den Freund nicht ungefiltert erreichen - nicht kopflos und unbedacht. Ohne dieWahrheit einzuschranken soll diese Wahrheit in einer hilfreichen, weiterfuhrenden undheilenden Weise angesprochen werden.

Man kann im Umgang mit der Wahrheit an zwei Seiten vom Pferd herunterfallen. Dereine verheerende Fehler ist es, ”um der Liebe willen” die Wahrheit zu verschweigen. Daskann und wird nicht funktionieren - und Gott macht uns im alten und neuen Bund auchetwas ganz anderes vor. Die andere Seite, auf der man vom Pferd herunterfallen kann, istdie ungefilterte und unbedachte Umgang mit der Wahrheit. Wer die Wahrheit allein umder Wahrheit willen sagt, hat schon vollig Gott aus den Augen verloren. Gott sagt dieWahrheit um des Freundes willen in sanfter und heilender Klarheit!

Es geht darum, die Wahrheit hilfreich und heilend, in voller Achtung und Zuwendungzu sagen.

4.5.4 Wort beim Wein: Enttauschungen mit Freunschaft

Wer Freundschaften eingeht und kennt, lernt auch die Enttauschungen kennen, die tiefeBeziehungen zu anderen Menschen mit sich bringen.

Enttauschungen hangen mit Erwartungen zusammen, die wir an uns oder an anderehaben. Nur wo eine Erwartung ist, kann auch eine Enttauschung kommen.

Welche Art von Enttauschung haben Sie mit Freunden erlebt? Vielleicht haben Sie sichan der einen oder anderen Stelle Treue erhofft - und sind dann im Stich gelassen worden.Oder sie haben Wahrheit erwartet - und sind doch nur zum Teil eingeweiht gewesen odersogar belogen worden. Oder ein Freund hat sich abfallig vor anderen uber Sie geaußert.Solche und tausend andere Dinge konnen schmerzhafte Wunden hinterlassen. Ich selbstbin voll von solchen Wunden, die ich immer klarer sehe, je langer ich mit Gott unterwegsbin.

Unsere naturliche menschliche Reaktion bei Verletzungen und Enttauschungen ist derRuckzug und die Abhartung. Wir erwarten dann gar nichts mehr - wir haben in diesemoder jenem Bereich die Freundschaft aufgegeben.

Machen wir uns klar, daß die naturliche Reaktion zu einem Absterben von Beziehung

152 Die Bibel fur Menschen von heute ...

in diesem oder jenem Bereich fuhrt. Erwartungen in die Freundschaft eines Freundes odereiner Freundin gehoren zum Leben dazu - und die Erwartungen umfassen all das, wasFreundschaft ausmacht. Wir erwarten mit Recht eine gesunde und heile Beziehung! WoLeben ist, ist auch die Gefahr von Verletzungen da.

Ich kenne nur eine einzige Moglichkeit, in gesunder Weise mit den Verletzungen undden Enttauschungen von Freundschaften unzugehen. Es ist die Begegnung mit Gott selbst,mit der Quelle des Lebens, der Liebe, der Freundschaft und aller Heilung, welche dieseWelt kennt. Bei Gott werden meine Enttauschungen aufgefangen und geheilt. Bei Gottselbst kann ich neue Kraft tanken und dann den Freunden im Frieden begegnen. Bei Gottkann ich meinen Haß und meinen Zorn abladen. Gottes lebendige Kraft erfahre ich immerund immer wieder gerade in Fragen der Freundschaft - personlich und im Umgang mitChristen, Gemeinden und christlichen Werken.

4.6 Der ganz alltagliche Wahnsinn ... - von Einheit und Vielfalt derGemeinde (Epheser 4)

4.6.1 Fur Eilige: Der ganz alltagliche Wahnsinn ...

Das Zusammenleben von Menschen ist nicht immer einfach. Da reibt sich einer am ande-ren, es gibt unterschiedliche Ziele, Vorlieben, Gewohnheiten. Einer versteht etwas so, einanderer anders, und schon bilden sich Gruppen und Fraktionen. Streit und Schwierigkeitengehoren dazu, wo immer Menschen miteinander zu tun haben!

Gerade auch in der christlichen Gemeinde geht und ging es oft drunter und druber.Man ist wahrlich geneigt, da vom alltaglichen Wahnsinn zu reden. Die einen wollen etwasBesonderes gelten, die anderen sind beleidigt, weitere lehnen Dritte grundweg ab, die einentaufen auf diese, andere auf eine andere Weise. Wir sind mit unserer Kirche oder Gemeindebis heute nicht wesentlich weitergekommen seit Paulus an die Gemeinde in Ephesus schrieb.Der Epheserbrief mit seinen Kapiteln zu Gemeinde spricht mitten hinein in unsere Zeit!Wir werden heute von Gottes Reden uber Gemeinde nachdenken. Wir fragen:

Gemeinde, was ist das eigentlich?Wie steh ich personlich in der Gemeinde?Was ist m e i n e Rolle und Aufgabe?

Tipps fur diese Woche:1) Kennen Sie ein lebendiges Gemeindeleben, das nicht nur gelegentliche Gottesdienste,

sondern auch ein tagliches Leben in der Gemeinschaft von Christen kennt?2) Kennen Sie I h r e Aufgaben in Gottes Reich? Kommen Sie diesen Aufgaben, mit

denen Gott Sie beschenkt hat, praktisch nach?

4.6.2 Was ist Gemeinde? Antworten nach Epheser 4

Gemeinde ... Paulus beschreibt in immer neuen Anlaufen Kennzeichen und Leben derGemeinde, so wie Gott sie durch Jesus Christus berufen hat. ”Lebt so, wie Gott euchgemacht und bestimmt hat”, schreibt Paulus in Epheser 4, 1+2. ”Lebt in Demut, Sanftmutund Geduld.”

Roland Potthast 153

Demut, Sanftmut ... konnen wir das fullen? Wissen wir, wie wir dahin kommen konnen,demutig und sanftmutig zu sein? Demut ist sicherlich nicht das Gegenteil von Mut, sondernvon Hochmut bzw. von Stolz. Demutig zu sein bedeutet, nicht stolz auf sich selbst und dieeigene Leistung oder Position zu sein. Der Demutige kann von sich aufblicken, um seineMitmenschen und Gott zu erkennen.

”Ertragt einer den anderen in Liebe.” sagt Paulus weiter. Ein solches Ertragen kannund darf nicht bestandig klagen und meckern ... wer jemanden in Liebe ertragt, der wirdstill werden und zur Akzeptanz auch schwieriger oder unangenehmer Seiten des anderenfinden.

”Seid darauf bedacht, die Einheit im Geist zu bewahren durch das Band des Friedens.”Mensch Paulus, ist man geneigt zu sagen. Wem sagst du das? Hattest du die heutigeSituation der Kirchen erlebt, ware dir das Ermahnen vergangen. Wo ist die Einheit imGeist? Wo ist das Band des Friedens? Doch die Ausfuhrungen des Paulus haben ihre eigeneKraft auch heute. Horen wir zu!

.”..ein Leib und ein Geist, wie ihr auch berufen seid zu e i n e r Hoffnung eurer Berufung:ein Herr, ein Glaube, eine Taufe; ein Gott und Vater aller, der da ist uber allen und durchalle und in allen.” (Epheser 4,4-6)

Diese Ermahnungen gehen heute in die Situation von katholischer und evangelischerKirche, von verschiedenen Freikirchen, konservativen, evangelikalen, liberalen und charis-matischen Gruppen und Gemeinden. Es ist an der Zeit, zur Einheit des Glaubens und zurEinheit der Anbetung Gottes zuruckzukehren! Es ist an der Zeit, e i n H e r r zu sagen.E i n e Hoffnung auf Jesus Christus. E i n e Taufe, das Zeichen des gekreuzigten undauferstandenen Jesus Christus. E i n himmlischer Vater, der uns ruft und beruft!

Paulus verlaßt das Thema der Einheit der Gemeinde und widmet sich nun den Aufga-ben und Fahigkeiten, die verschiedenen Menschen durch Gott gegeben sind. ”Einem jedenist die Gnade gegeben nach dem Maß der Gabe Christi ...” (Epheser 4,7)

Paulus sieht die Gaben (Geschenke) Jesu an jeden einzelnen Menschen als individuelleGaben und Auftrage, wie wir sofort sehen werden. Die Gaben sind verschieden, es ist abere i n Ursprung der Gaben, das ist Christus, und es ist e i n e Kraft, das ist die KraftJesu Christi. ”Und er [Gott/Jesus] hat einige als Apostel eingesetzt, einige als Propheten,einige als Evangelisten, einige als Hirten und Lehrer ...” (Epheser 4,11) Paulus benenntverschiedene Aufgaben:

Apostel waren die Gesandten und bevollmachtigten Vertreter Jesu. Sie hatten in derAnfangszeit des Christentums im wesentlichen die Aufgabe, Gemeinden zu grunden undGemeinden zu leiten. Dabei galt ihr Wort weit uber die Grenzen einer einzelnen Gemeindehinaus ... die Apostel waren die Saulen der ganzen weltweiten christlichen Gemeinde.

Propheten sind Menschen, die von Gott beauftragt waren, seine Worte und seineBotschaften weiterzugeben. Im Neuen Testament war es allerdings nicht mehr die Auf-gabe der Propheten, grundsatzliche Lehrfragen oder Gottes Wege mit der Menschheitzu offenbaren. Diese Offenbarung war in Jesus Christus zu einer nicht zu ubertreffendenVollendung gekommen. Nur in wenigen Ausnahmen - etwa im Leben des Paulus oder beider Offenbarung des Johannes, finden wir weitreichende prophetische Elemente auch im

154 Die Bibel fur Menschen von heute ...

neuen Testament. Die Aufgabe der Propheten im neuen Testament war ansonsten we-sentlich kleiner und praktischer: die einzelnen Gemeinden auf ihrem konkreten Weg zubegleiten.

Evangelisten sind Menschen, die das Evangelium von Jesus Christus bekannt mach-ten. In besonderer Weise hat Gott manchen Menschen diese Begabung und Aufgabe ge-geben.

Hirten sind Menschen, welche eine Gemeinschaft von Christen leiten und mit allemnotwendigen versorgen konnten. Hirten - oder ”Pastoren” sind bis heute wichtige undzentrale Figuren jeder Gemeinde.

Lehrer konnen anderen Menschen die Worte Gottes erklaren und die Zusammenhangeverstandlich darstellen. Auch Lehrer sind sehr wichtig fur die Versorgung und das Wachs-tum der Gemeinde.

Paulus nennt auch das Ziel all dieser Begabungen: es geht darum, den ”Leib Christi”,das meint die Gemeinschaft aller Christen, damit zu entwickeln und zu versorgen. ZentralesZiel ist ”die Erkenntnis des Sohnes Gottes” (Eph. 4,13) - also das Kennenlernen JesuChristi, des Lebendigen. Es geht darum, von der unendlichen ”Fulle Christi” zu nehmenund reich beschenkt zu werden.

Schließlich widmet sich Paulus den ganz praktischen Auswirkungen der ”ErkenntnisChristi.” Es ist Wahrhaftigkeit und Liebe. Es ist ein Leben, daß sich nicht an der Vergang-lichkeit der Welt orientiert, sondern an Jesus Christus.

”Zieht den neuen Menschen an!” schreibt Paulus in Eph 4,24. Den Menschen, ”der nachGott geschaffen ist in wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit!” Das ist die Aufforderung, heiligzu sein! Unfaßbar weitreichend beschreibt Paulus ein Leben, das schon heute viel von derkommenden Welt Gottes, vom Reich Gottes, in sich tragt.

• ”Legt die Luge ab!”

• ”Redet die Wahrheit, ein jeder mit seinem Nachsten!

• ”Stehlt nicht!”

• ”Arbeite fur deinen Lebensunterhalt!”

• ”Redet kein faules Geschwatz!”

• ”Alle Bitterkeit, Grimm, Zorn, Geschrei und Lasterung seien fern von euch samtaller Bosheit.”

• ”Seid untereinander freundlich und herzlich. Vergebt einer dem anderen, wie auchGott euch vergeben hat in Christus.”

Die Worte des Paulus beschreiben ein Leben, wie Gott es in seiner Gemeinde ha-ben mochte. Wenn wir auch nur im kleinsten Anfang etwas davon realisieren, so werdensich unser Leben, unsere Familien, unsere Freundschaften und Bekanntschaften, unsere

Roland Potthast 155

Arbeitswelt, und unsere Gemeinden so grundlegend verandern, daß wir uberrascht unduberwaltigt sein werden.

Lassen Sie uns die Zeilen nicht wieder unbeachtet an uns voruberziehen lassen! GottesWorte mochten uns tief ins Herz fallen, den Verstand und unseren Willen durchdringen,und heute ”Geburt Jesu” lebendig werden lassen - Gottes Nahe in mir und Jesu Friedemitten in meinem Alltag und meinem Leben!

4.6.3 Vollmacht und Auftrag durch Gott?!

Wir haben eben gelesen, daß Gott Menschen zu bestimmten Aufgaben begabt und beruft.Das sind die Worte des Paulus uber die Gemeinden im ersten Jahrhundert nach Christusund das neue Testament laßt keinen Zweifel daran, daß dies der Weg der christlichenGemeinde bis heute ist und bleibt.

Verschiedene Fragen entstehen nun, wenn es um die konkreten Aufgaben und Beru-fungen bis heute geht.

• Wie erkennt man eine Berufung?

• Wie wird die Berufung in der Kirche oder den Gemeinden anerkannt oder nachvoll-zogen?

• Gibt es in einer konkreten Gemeinde die Moglichkeit, das die Mitglieder ihre Beru-fungen entfalten?

Ein aktuelles Problem sieht wie folgt aus: In den Kirchen hat sich im Laufe der Zeitein ausgeklugeltes System von Amtern entwickelt, die auf die biblischen ”Amter” bzw.Aufgaben zuruckgefuhrt werden. Auch in verschiedenen Freikirchen gibt es starke Amter-Lastigkeit des Berufungs- bzw. Aufgabenverstandnisses. Oft scheinen Amter ohne Ruck-sicht auf die personliche Berufung Gottes vergeben zu werden. Und die Amtsinhaber wer-den nicht durch eine lebendige Gemeinde aufgefangen, erganzt und korrigiert.

Wir wollen einige Eckpunkte des Berufungsverstandnisses des Neuen Testaments fest-halten:

1. Im Neuen Testament sind die Gaben Christi und auch die Aufgaben uber die ganzeGemeinde verteilt. Die Gemeinde wird immer als Ganzheit, als eine Einheit, be-griffen. Jeder hat s e i n e Gaben und Aufgaben - und nur wenn alle gemeinsamfureinander arbeiten, kann der ”Leib Christi” gesund leben.

2. Gaben sind Geschenke Jesu an einen einzelnen Menschen. Sie sind auf die Gemein-schaft bezogen, sollen der Gemeinschaft in Demut dienen und konnen sich nur indiesem Dienst wirklich entfalten.

3. Menschen sollen ihren Dienst in der Vollmacht Gottes tun. Gott steht mit seinerganzen Macht und seinen Moglichkeiten hinter dem einzelnen Diener, den er selbst

156 Die Bibel fur Menschen von heute ...

begabt und mit dem er seinen Weg geht. Ein solcher Weg kann schwer sein und kannviel Widerstand beinhalten. Darum ist es um so wichtiger, die Berufung Gottes klarverstanden zu haben und sich der Aufgaben gewiß zu sein.

4. Die Auftrage und Begabungen Gottes stehen immer im Gesamtzusammenhang desneuen Testaments. Seine Gaben konnen naturlicher oder ubernaturlicher Art sein -sie konnen ganz unterschiedliche Pragungen haben. Stets aber werden Sie Menschenmehr von der Liebe, Wahrhaftigkeit und Sanftmut Jesu Christi lehren und Menschenzu Jesus Christus hinfuhren.

5. Das neue Testament laßt keinen Zweifel daran, daß die Teilnahme an Gottes Kraftdurch Begabungen (damit sind auch die Gaben des heiligen Geistes gemeint, diesogenannten Charismen) und konkrete Aufgaben fur jeden Menschen der Gemeindeein neutestamentliches und lebendiges Prinzip Gottes sind. So geht Gott mit unsMenschen um - wir sind zu Kindern, zu Sohnen und Tochtern berufen, und wir sindbegabt und beauftragt, in Gottes Namen zu reden und zu handeln.

Wir durfen auch heute mit Gottes Berufung rechnen. Wir durfen diese Berufung Got-tes, die sich in geistlichen Gaben und menschlichen Begabungen außert, an anderen Men-schen erleben und fur uns selbst ernst nehmen.

4.6.4 Wort beim Wein: Laß dich berufen!

Gott beruft jeden Christen zu seinen ganz personlichen Aufgaben. Darum konnen undsollen wir weitergeben:

Laß dich von Gott berufen!

Das ist eine Aufforderung und Ermutigung Gottes fur Sie und mich heute. Ein Leben inder Berufung wird uns in der Nahe zu Jesus Christus wachsen lassen. Wir werden erfahren,daß wir auf diese Weise Gott besser und besser kennenlernen!

Laß dich von Gott berufen!

Gottes Berufung ist zuerst die zu einem Leben im Glauben an Jesus Christus. Es istdie Berufung zur Liebe, Wahrheit und Sanftmut Jesu, zu seiner Geduld, seiner Reinheit,seiner Konsequenz und Ehrlichkeit.

Laß dich von Gott berufen!

Gottes Berufung besteht in seinen Geschenken, die er Dir personlich mit auf den Weggibt. Gottes Gaben konnen naturlicher oder ubernaturlicher Natur sein. Sie werden stetsdazu helfen, andere Menschen zu beschenken und andere naher zu Jesus Christus zubringen. Es wird eine Entfaltung in der Liebe und Wahrheit Gottes sein.

Laß dich von Gott berufen!

Roland Potthast 157

Lerne es taglich neu und taglich mehr, Gottes sanfte und klare Stimme zu horen. Inder Bibel, in den Worten anderer Christen, in Taten und Ereignissen zeigt sich Gott undredet mit uns an jedem Tag. Seine Gute ist jeden Morgen neu!

4.7 Wie steht es um deinen Charakter ...? - Vom alten und neuen Men-schen (Epheser 4+5)

4.7.1 Fur Eilige: Charakter ...

Charakter ... das ist die Art, wie ein Mensch ist, wie er sich verhalt, wie er redet, handelt,arbeitet, fuhlt, entscheidet ...

Charakter ist mehr. Charakter ist die Art, in der ich andere Menschen behandle. Cha-rakter meint die Art, in der ich mein Leben gestalte.

”Der hat Charakter!” sagt man uber manche Menschen. Und man spricht von gu-tem oder ublem Charakter, von einer guten oder schlechten Art, mit sich und anderenumzugehen.

Wie steht es um deinen Charakter? So fragt das Thema unseres heutigen Bibelsemi-nars. Wir werden uns damit beschaftigen:

• was die Bibel zum Thema Charakter zu sagen hat,

• was der Glaube an Jesus Christus mit unserem Charakter zu tun hat,

• wie Gott meinen Charakter verandert,

• wie ich selbst meinen Charakter pragen kann und ihn zwangslaufig prage,

• was Gott zu Charakter beim Zusammenleben von Mann und Frau sagt.

Es wird personlich heute, aber auch tiefsinnig beim Thema: ”ich und mein Charakter”.

Tipps fur diese Woche:1) Was haben Sie fur einen Charakter? Ist es ein ehrlicher Charakter, ein schmeicheln-

der, ist Ihr Charakter angepaßt, eigen, selbstbezogen, gutherzig, unbeteiligt, empfindlich?Sind Sie opportunistisch? Vielleicht erfolgsorientiert? Was macht Ihren Charakter aus?

2) Fragen Sie einmal Gott, was er zu Ihrem Charakter denkt und zu sagen hat! Fra-gen Sie im Gebet ganz direkt und personlich. Und dann lassen Sie Gott heran an IhrenCharakter ... es lohnt sich!

4.7.2 Was bildet meinen Charakter?

Charakter, wie komm ich eigentlich dazu? Wie kam es zu meinen Eigenheiten? Warumbin ich so, wie ich bin?

Die Frage nach dem, was mich, mein Sein und mein Verhalten, bestimmt, ist komplexund hat viele Dimensionen und Aspekte. Wir nennen einige davon.

158 Die Bibel fur Menschen von heute ...

A. Wissenschaftlich untersuchte FragenDie Medizin und Biologie untersucht die physiologischen und genetischen Grundlagen

meines Korpers und damit auch die biologisch-medizinischen Gegebenheiten, die mich alsMensch und die meinen Charakter ausmachen.

Die Psychologie fragt nach den psychischen Bestandteilen meiner Seele und meinesGeistes. Viele Aspekte meines Charakters sind Reaktionen und Ergebnisse meiner Ver-gangenheit, wurden herausgebildet durch Kindheit und die Erfahrungen meines Lebens.

Die Soziologie fragt nach den gesellschaftlichen Umstanden, in denen sich Charakterausbildet und die ich durch Charakter mit beeinflusse.

Die Padagogik fragt, wie man Charakter durch Bildung und Erziehung pragen undausbilden kann.

Eine etwas andere Perspektive pragt den folgenden Gedanken: Charakter hat Auswir-kungen auf meine wissenschaftliche Arbeit, auf die Art, in der ich Fragen und Problemeangehe und lose. Ob ich einfuhrende Bucher schreibe, ob man von mir wissenschaftlicheDurchbruche und Kreativitat erwarten kann, oder ob ich verschiedene Fachgebiete zusam-menfuhre, hat mit meinem Charakter zu tun.

B. Personliche Beziehungen privat und beruflichBekannte, Kollegen und Freunde werden bei der Frage nach dem Charakter die personli-

chen Beziehungen, gemeinsame Unternehmungen und Gesprache, im Vordergrund sehen.Wie begegne ich ihnen und was pragt ihr Verhaltnis zu mir. Charakter ist dabei einewesentliche Variable!

Charakter hat einen Einfluß darauf, ob meine Worte und mein Verhalten verlaßlichist. Mein Charakter wird mein Verhalten in vielen Situationen bestimmen - angefangenbei der Sorgfalt, mit der ich meine Arbeit und Aufgaben erledige bis hin zur Treue undRucksicht, mit der ich andere behandele.

C. Gottes Sicht meines CharaktersGottes Sicht meines Charakters umfaßt alle angesprochenen Punkte. Gottes Analyse

und Sicht meines Charakters geht allerdings weit tiefer, als die wissenschaftlichen undpersonlichen Beobachtungen es konnten.

Gott sieht nach dem neuen Testament zunachst einmal tief hinein in die Abgrundemeines Charakters. Es heißt da: kein Mensch konnte gerecht und gut leben, nicht einervon ihnen! (siehe z.B. Romerbrief, Kapitel 3, Vers 20ff) Gott sieht zuerst einmal den”Bankrott” meines Charakters, wenn es um ein Leben im Bezug auf die Quelle des Lebensgeht. Gottes Reaktion auf mein Versagen ist die konkrete Hilfe. Durch Jesus Christusreagiert Gott auf die Schwierigkeiten, die ich mit meinem Charakter habe - mit der Art,wie ich bin. Jesus nimmt die Versaumnisse meines Charakters auf sich! Jesus heilt dadurchmeinen Charakter.

Das neue Testament geht von den folgenden Grundtatsachen aus, in denen es ummeinen Charakter geht:

Erstens: ich selbst kann mich nicht ohne Gottes Eingreifen verandern. Ich bin gefangendurch die ”Machte dieser Welt”, durch ”die Sunde”, d.h. durch Machte und Zustande, dievon Gott entfernt, entfremdet und getrennt sind.

Roland Potthast 159

Zweitens: wenn Gott mich befreit, werde ich verandert und erneuert. Gott heilt undheiligt mich und mein Leben. Ich bin schon heilig und gerecht vor Gott, ohne mein Tunund ohne meinen Charakter. Dann: Gott bildet und formt mich und meinen Charakterdurch seinen heiligen Geist und seine umfassende Macht. Diese Befreiung geschieht ”durchden Glauben an Jesus Christus”!

Drittens: ich bin aktiv beteiligt an der Bildung meines Charakters. Ich bilde meinenCharakter taglich durch meine Entscheidungen, meine Gedanken, Worte und Werke. Ichbin selbst gefordert, meinen Charakter nach Gott auszustrecken und von Gott formen zulassen unter meiner aktiven Mithilfe.

4.7.3 Charakter in Epheser 4 und 5

Die Worte des Apostels Paulus im Brief an die Epheser, Kapitel 4 und 5, stehen auf demHintergrund der Situation unseres Charakters, wie wir ihn im zweiten Abschnitt dargestellthaben.

”So sage ich nun [...], daß ihr nicht mehr leben durft, wie die Heiden leben in derNichtigkeit ihres Sinnes.” (Eph.4,17)

Paulus sieht den Charakter und die Ausrichtung von Menschen, die von Gott entfrem-det sind und wenig uber Gott wissen, den ”Heiden.” Und Paulus fordert von den an JesusChristus glaubenden Menschen (den ”Christen”), daß sie anders leben. Dabei geht es umbewußte Entscheidungen von Menschen mit freiem Willen. Es geht um die Pragung deseigenen Lebens und des eigenen Charakters durch Entscheidungen und Taten.

”Legt von euch ab den alten Menschen mit seinem fruheren Wandel, der sich durchbetrugerische Begierden zugrunde richtet. Erneuert euch aber in eurem Geist und Sinnund zieht den neuen Menschen an, der nach Gott geschaffen ist in wahrer Gerechtigkeitund Heiligkeit.” (Eph.4,22-24)

Paulus setzt voraus, daß Gott schon die Veranderung unseres Charakters vorbereitethat. Der ”neue Mensch” ist schon geschaffen - wir mussen ihn nur noch ”anziehen.” DiesesBild beschreibt die Situation des Menschen zwischen der Macht Gottes, die allein unsereVeranderung bewirken kann, und der Rolle des eigenen Willens, mit dem ich selbst durchmeine Entscheidungen die Veranderungen mit herbeifuhre.

Paulus beschaftigt sich nun mit den inhaltlichen bzw. qualitativen Bestandteilen desCharakters. Wie sieht denn g u t e s Denken und Handeln aus? Paulus beschreibt das ganzkonkret und wir haben schon viele male einige Aufstellungen solcher Verhaltensweisendurchgesprochen. Da ist stets an erster Stelle die Wahrheit: ”legt die Luge ab!” (Eph.4,25)

Wir wollen hier noch einmal die Situationsbeschreibung des Paulus ins Auge fassen, mitder er den Menschen zwischen Gut und Bose beschreibt. Paulus und das neue Testamentkennen verschiedene Formen, in denen sich ”das Bose” zeigt und uns begegnet:

- Das Bose begegnet mir in Form meiner Natur und meines naturlichen Charakters,der von Gott entfremdet ist. Mein Neid, meine Ziele und meine Worte sind nicht so, wiesie sein mußten vor dem heiligen Gott.

- Das Bose begegnet mir in Form der Ignoranz anderer Menschen, die mir nicht inFreundlichkeit und Liebe begegnen. Das Bose begegnet mir aber auch in der Form meinereigenen Ignoranz, der ich nicht besser bin als die anderen und die anderen auch nicht liebe

160 Die Bibel fur Menschen von heute ...

und ihnen nicht mit einer tiefen und wahrhaftigen Freundlichkeit entgegengehe.- Das Bose begegnet mir in Form von Zustanden oder Verhaltnissen, die mich von der

Entfaltung und Entwicklung abhalten. Das konnen familiare Zwange sein, gesellschaftlicheStrukturen, meine Situation am Arbeitsplatz oder sogar meine Beziehungen im Bekannten-oder Freundeskreis. Solche Zustande konnen Armen und Reichen entgegenstehen, Jungenund Alten, Intelligenten und Dummen!

- Das Bose begegnet mir in der Person des ”Teufels” oder ”Satans.” Das ist ein gei-stiges Wesen, ein ”gefallener” (d.h. von Gott entfremdeter) ”Engel”, der die großte undbestimmende Macht in dieser Welt ist und der - direkt und indirekt - Einfluß auf meinDenken, mein Leben und meine Entscheidungen gewinnen mochte.

Paulus fordert uns auf, nicht ”Gemeinschaft zu haben mit den Werken der Finsternis”(Eph.5,11) Es ist in seinen Augen unsere Aufgabe, in eigener Verantwortung hier Entschei-dungen zu treffen und selbst zu wahlen. Einen Augenblick spater geht er sogar so weit,zum Aufwachen aufzufordern, ja zum ”Lebendig-Werden”:

”Wach auf, der du schlafst, und steh auf von den Toten, so wird dich Christus erleuch-ten.” (Eph. 5,14)

Auch hier liegt wieder eine neutestamentliche Situationsbeschreibung zugrunde, dievom Evangelium des Matthaus bis zur Offenbarung durchgehalten wird: die Menschen ohneeine lebendige Verbindung zu Gott werden als ”tot” bezeichnet. Erst duch den Glaubenwird ein Mensch ”neu geboren” (vgl. Evangelium des Johannes, Kapitel 3).

Und wieder geht Paulus auf den Charakter ein, wenn er in Epheser 5,18 vor demunmaßigen Alkoholgenuß warnt. Das ”unordentliche Wesen”, wie es Luther ubersetzt, dasist der Charakter des Menschen. Auch hier sehen wir wieder viele kleine Entscheidungen,die dann den Charakter bestimmen und zentralen Einfluß auf das Leben eines Menschenhaben. Diese Warnung ist nur eine unter vielen - der Ermahnung zur sorgfaltigen

Zeiteinteilung und Zeitplanungfur den modernen Menschen zwischen Job, Familie, Freunden und Freizeit und Ge-

meinde sicherlich eine wichtige Sache! Paulus schatzt die

Musik”Ermuntert einander mit Psalmen und Lobgesangen und geistlichen Liedern, singt und

spielt dem Herrn in eurem Herzen.” Das kann ganz klassisch mit Streichinstrumenten oderKlavier sein, aber auch mit Orgel in dicken Kirchenmauern, mit Band, E-Gitarren undKeyboard in großen Arenen, in der kleinen Gemeinschaft zu Hause oder in den Haus- undBibelkreisen ... wo immer es um ein Leben im Geist Jesu Christi geht!

Schließlich widmet sich Paulus dem

Leben von Mann und Frau und der FamilieDie letzten Passagen des Epheserbriefes sind heiß diskutiert und heftig umstritten in

und außerhalb der christlichen Gemeinschaft. Redet Paulus da aus der Situation seinerZeit heraus? Oder orientiert er sich an zeitlosen Dingen (der ”Schopfungsordnung”) - ander Art, wie der Mensch in Mann und Frau geschaffen ist?

Die westliche Gesellschaft hat die Fragen langst auf ihre Art beantwortet: keine Unter-ordnung von irgendwem unter den anderen, sondern ”gleiche Rechte” und ”Gleichheit in

Roland Potthast 161

allem fur Mann und Frau.” Die Gleichheits- und und Freiheitsprinzipien unserer Gesell-schaft sind in vielen Dingen sehr nah an den Geboten Jesu fur seine Nachfolger: Ich bineuer Meister, ihr aber seid a l l e B r u d e r!

Gleichzeitig aber vergißt unsere Gesellschaft in vielem, daß nur in der Hingabe anGott und der personlichen Aufgabe des ”alten” Wesens durch den Glauben an JesusChristus Menschen wirklich lebendig werden konnen. Es geht eben nicht um eine falschverstandene Souveranitat des von Gott gelosten Menschen, sondern um die Souveranitatdes Gott vertrauenden und sich Gott anvertrauenden Kindes Gottes.

Erst auf dem klaren Verstandnis und Hintergrund, daß Mann und Frau in der kindlichvertrauenden Beziehung zu Gott leben, macht im biblischen Sinne die Frage nach demVerhaltnis von Mann und Frau und ihren ganz spezifischen Fahigkeiten und Aufgaben inder Ehe Sinn. Erst wenn sowohl Mann aus auch Frau sich von der Liebe Gottes erfullenlassen, konnen wir uns auf die Suche nach der Bedeutung der Worte des Paulus machen:”Denn der Mann ist das Haupt der Frau, wie auch Christus das Haupt der Gemeinde ist,[...]”(Eph.5,23) Diese Beziehung zwischen Mann und Frau in der Abhangigkeit beider vonGott kann und wird nie zu einer irgendwie gesellschaftlich sanktionierten oder unterstutz-ten Unterwerfung der Frau unter den Mann fuhren, sondern im Gegenteil zur Entfaltungbeider Partner in ihren geschlechtsspezifischen Besondernheiten.

Um es noch einmal ganz klar zu sagen: wo immer in der Geschichte Christen oderdie Kirche das Patriarchat - die Herrschaft von Mannern uber Frauen - unterstutzt odergefordert haben, sind sie verhangnisvollen Mißverstandnissen des neuen Testaments auf-gesessen und haben tiefe Schuld vor Gott auf sich geladen! Wo immer Christen oderdie Kirche die ungebundene Emanzipation fordern, verlassen sie den Weg Jesu, der zu-erst in der Selbstaufgabe und Unterordnung bestand: ”Seid so unter euch gesinnt, wie esauch der Gemeinschaft in Christus Jesus entspricht: [...] entaußerte sich selbst und nahmKnechtsgestalt an, [...] er erniedrigte sich selbst ...” (Philiper 2,5ff). Im Angesicht blinderUnterordnungsforderungen von Teilen der Kirchen in der Geschichte und bis heute kannman allerdings die Rebellion vieler Frauen und vieler Manner unterschiedlichster Positio-nen gut verstehen, die sich gegen den Mißbrauch der Worte Jesu aus machtpolitischemUnverstand sperren und einen eigenen, dem lebendigen Jesus angemessenen und nahenWeg suchen.

4.7.4 Wort beim Wein: ”Be different - sei anders!”

Der Epheserbrief kann uns ermutigen, gemeinsam mit anderen den ”Weg Jesu” zu gehen:

Be different - sei anders!

Dies ist die Aufforderung und Ermutigung, einen Charakter zu bilden, der dem leben-digen Jesus Christus nahe ist. Gott mochte uns auch heute erfullen und pragen in seinerfreundlichen Art.

Be different - sei anders!

162 Die Bibel fur Menschen von heute ...

Laß dich nicht von den Wertmaßstaben deiner Mitmenschen zu sehr pragen, sondernsieh, wie Gott ist und wie stark seine heilige Liebe dich verandern und erfullen kann undwill.

Be different - sei anders!

Folge nicht den Schlagworten und Werbespruchen deiner Zeit. Die ”schnellste Innova-tion” - die ”popularste Sangerin” - die ”großte Datenbank” ... das sind nicht Gottes Wege!Gerade die christlichen Gedanken, Werbespruche und Aktionen mussen auf andere Weisewerben ... mit etwas Charakter.

Be different - sei anders!

Setze deine Ziele nicht durch geheime Absprachen, Beeinflussung, personliche Geldmit-tel oder durch Ausnutzung von Freundschaften durch. Sei ehrlich mit anderen Menschenund fair deinen Konkurrenten gegenuber.

Be different - sei anders!

Gestalte dein Leben in der Gemeinschaft mit Jesus Christus. Nimm Jesus als den heuteLebendigen ernst, du wirst seine Gegenwart erfahren und seinen Frieden kennenlernen. Erwird dich durch seinen heiligen Geist in jedem Einzelpunkt lehren und dein Leben in guter,gesunder und weiterfuhrender Weise pragen.

Hab den Mut, heute und an jedem Tag neu dein Leben, deine Gedanken, Worte undWerke, deinen Charakter und dein Wesen gestalten zu lassen von dem lebendigen Gott,Vater, Sohn und heiligem Geist!

Be different - sei anders!

4.8 Durchsetzungsfahigkeit gefragt ... - die geistliche Waffenrustung(Epheser 6)

4.8.1 Fur Eilige: Situationsanalyse

Was ist die Situation eines Menschen zwischen anderen Menschen, zwischen Gott und denMachten dieser Welt?

Wir haben im Seminar schon viel vom Verhaltnis eines Menschen zu Gott gesprochen,von der Rolle Jesu, von menschlicher Schuld und Vergebung. Immer wieder sind wir aufdie unfaßbar tiefe Liebe Gottes gestoßen. Wir haben aber auch die Schwierigkeit kennenge-lernt, diese Liebe Realitat werden zu lassen in unserem Leben, unserem Alltag, in Familienund Gemeinden, Freundschaften und Partnerschaften.

Heute wird es um die Durchsetzungsfahigkeit dieser Liebe Jesu Christi gehen: Durch-setzungsfahigkeit gefragt! Mit der ”geistlichen Waffenrustung” redet der Apostel Paulusdavon, in welchen Konflikten ein Christ steht. Und er beschreibt Schutzmechanismen undMoglichkeiten eines an Gott orientierten Umgangs mit den verschiedenen menschlichen,

Roland Potthast 163

weltanschaulichen, knallhart machtpolitischen oder sogar kriegerischen Konflikten, die unsbestandig begegnen.

Tipps fur diese Woche:1) Machen Sie sich einmal Gedanken daruber, wie ihr personlicher Umgang mit Kon-

flikten aussieht. Weichen Sie Konflikten eher aus? Losen Sie Konflikte? Wenn ja - w i elosen sie Konflikte? Mit Gewalt? Durch Gesprach und Diskussion?

2) Welche tiefen geistlichen Konflikte in dieser Welt (in Deutschland heute) konnen Sieerkennen? Sehen Sie die Wurzeln der Konflikte? Was bewegt die Konfliktparteien? WelcheWege Jesu gibt es fur den Umgang mit den Konflikten?

4.8.2 Die geistliche Waffenrustung nach Epheser 6

Mit der geistlichen Waffenrustung begegnet uns ein wichtiger Abschnitt des Epheserbrie-fes. Und doch kann er auch schnell mißverstanden werden und ruft unterschiedlichsteReaktionen herauf. Wir wollen in diesem Abschnitt zunachst einmal lesen und verstehen.Unter Abschnitt 3. werden wir dann die verschiedenen kontroversen Fragen aufgreifen.

”Seid stark in dem Herrn und in der Macht seiner Starke.” (Eph.6,10) schreibt Paulus.Die Macht Gottes ... die Starke Gottes ... Menschen aller Jahrhunderte hatte ihre Schwie-rigkeiten damit, diese Macht zu verstehen und einordnen zu konnen. Warum scheint Gottin vielem nicht einzugreifen? Wie kann man die offensichtliche Schwache Jesu verstehen,der elend an das Kreuz geschlagen wird? Wie soll man stark sein in der Macht Gottes? Istder Weg Jesu seine Starke?

Paulus fahrt fort: ”Zieht die Waffenrustung Gottes an, damit ihr gegen die listigenAnschlage des Teufels bestehen konnt.” (Eph.6,11) Wir werden diese Waffenrustung sofortim Detail kennenlernen. Hier ist zunachst die Beschreibung der Situation hochinteressant.Der Teufel ist lebendig und jeder Mensch muß mit seinen ”listigen Anschlagen” rechnen.Was ist das fur eine Weltsicht, aus der Paulus hier schreibt und argumentiert. Wir werdendas in Abschnitt 3 noch einmal aufgreifen. Hier halten wir nur fest: Paulus argumentiert aufder Basis einer physischen und einer geistigen Welt. Konkret schreibt er zur Erlauterung:”Denn wir haben nicht mit Fleisch und Blut zu kampfen, sondern mit Machtigen undGewaltigen, namlich mit den Herren der Welt, die in dieser Finsternis herrschen, mit denbosen Geistern unter dem Himmel.” (Eph.6,12)

Von den Herren der Welt wird im neuen Testament an ganz unterschiedlichen Stellengesprochen. Jesus selbst sagt, daß sein Reich ”nicht von dieser Welt” sei. Es steht ”derWelt” entgegen, und wachst doch mitten darinnen. Wir werden uns mit diesem Verhaltnisgleich noch weiter beschaftigen.

”Ergreift die Waffenrustung Gottes ...” schreibt Paulus, ”damit ihr an dem bosen TagWiderstand leisten und alles uberwinden und das Feld behalten konnt.” (Eph.6,13) Wasbedeutet dieses ”das Feld behalten”? Was bedeutet das ”Uberwinden” des Bosen? Es gehtPaulus nicht um einen Kampf mit gleichen Mitteln. Es geht nicht um einen Krieg Panzergegen Panzer, um Macht gegen Macht im weltlichen Sinn. Ganz klar stellt Jesus das durchseinen Satz: ”Uberwindet das Bose durch das Gute!” sowie durch das Gebot ”Liebe deineFeinde!”

164 Die Bibel fur Menschen von heute ...

Nun konnen wir die Rustung Gottes im Detail kennenlernen.

1. An den Huften der Gurtel der Wahrheit

2. umhullt vom Panzer der Gerechtigkeit,

3. mit den Stiefeln der Bereitschaft, fur das Evangelium des Friedens einzutreten, dasist ein offener und evangelistischer Lebensstil,

4. ausgestattet mit dem Schild des Glaubens. Der Glaube kann wie ein Schutzschildbenutzt werden, um die ”feurigen Pfeile des Bosen” auszuloschen. Glaube: das Ver-trauen in Jesus Christus, die Bereitschaft zu Entscheidungen, der Weg in vertrau-ensvoller Nachfolge.

5. Schutz bietet auch der Helm des Heils. Dieser Helm ist die Gewißheit um die Liebeund Zuwendung Gottes, gerade auch wenn man in schweren Situationen steckt. DerHelm des Heils ist gefullt mit der Befreiung und Heilung, die Gott meiner ganzenPerson schenkt.

6. Die einzige offensive Waffe des Christen ist das Schwert des Geistes, ”welches ist dasWort Gottes”. Die von Gott gesprochenen und weitergegebenen Worte haben eineungeheure Macht bis heute. Diese Macht durfen wir erfahren und auf unserem Wegin Anspruch nehmen.

7. Schließlich gehort zur Waffenrustung Gottes das bestandige Gebet, das dringendeund drangende Flehen ”im Geist” fur ”die Heiligen”, d.h. fur die anderen Christen.

Die Worte des Paulus sind Ermutigung und Aufforderung in einem. Lebt mit dieserWaffenrustung, schreibt er drangend an die Gemeinde in Ephesus. Macht Erfahrungen mitden Waffen Gottes! Wir durfen uns bis heute diese christlichen Waffen ergreifen und unszu eigen machen.

• Wir durfen in unseren Worten ganz wahrhaftig werden.

• Wir durfen durch den Glauben an Christus gerecht werden und durfen diese Gerech-tigkeit auch ganz praktisch in unserem Leben umsetzen.

• Wir durfen offen unseren Glauben bekennen.

• Wir durfen durch den Weg des Glaubens die vielen Anfechtungen ergreifen und ihnenbeherzt begegnen - nicht in Flucht oder Angst vor Argumenten, Worten, Artikelnoder Polemik, sondern offen und ausgestattet mit der Weisheit des Geistes Gottesund der intellektuell soliden Grundlage des christlichen Glaubens.

• In den Schwierigkeiten des Lebens durfen wir unseren Glauben bewahren durch dieGewißheit, daß Gott auch von den Toten erweckt und uns halten wird.

• Wir durfen selbst aktiv werden und mit dem Wort Gottes Menschen begegnen,Menschen zu Jesus Christus rufen und im Glauben wachsen lassen.

Roland Potthast 165

• Und wir durfen im Gebet bestandig Gemeinschaft mit Gott pflegen und erleben.Gott will den Weg des Lebens gemeinsam mit uns gehen - in einer ernsthaften,tiefen und lebendigen Beziehung.

4.8.3 Was ist Sache? Kontroverse Themen!

Nicht wenige Sachfragen unseres heutigen Abschnitts sind umstritten - werden oft kontro-vers diskutiert und fuhren zu Mißverstandnissen und manchmal auch zu Verleumnungen.Worum geht es? Drei Punkte:

a. Wie sieht die Situation dieser Welt aus? Gibt es den Satan, den Teufel? Fur vie-le Menschen ist dieses Wesen eine Sagengestalt und hat in einem aufgeklarten Zeitalternichts zu suchen. ”Das Bose” wird eher als Entgleisung vom Guten betrachtet ... meist inabstrakter Weise. Das personalisierte Bose - eine lebendige Person ”Satan” kennt das mo-derne Weltbild nicht. Parallel zu den geschilderten weltanschaulichen Dingen gibt es einewachsende Gruppe von Menschen, die sich mit esoterischen, astrologischen oder sonstigen”geistigen” Welten und Machten beschaftigt. Viele dieser Menschen in Deutschland oderauch in anderen Staaten (Industriestaaten wie Japan oder vielen Entwicklungslandern)erleben die geistige Welt als real und machtvoll.

Weiter verwickelt wird diese Situation durch viele Vorurteile und Miß-Urteile, die Men-schen uber andere haben, welche die geistige Welt ernst nehmen. Christen werden schnellals ”konservativ” oder ”fundamentalistisch” empfunden oder bezeichnet, wenn sie mit derMacht geistiger Machte oder Wesen rechnen. Eine unvoreingenommene Haltung und eineoffene Auseinandersetzung mit den Fragen und Zusammenhangen ist wichtig und notwen-dig!

b. Machtfragen werden mit der Machtpolitik der großen Kirchen (oder in kleinen Kir-chen mit den negativen Erfahrungen mit manchen Leitern) verbunden. Zu schnell geht esden Kirchen um ihren Einfluß, ihren Bekanntheitsgrad, die Anzahl ihrer Mitglieder, dieSchonheit ihrer Kirchen, die Durchsetzungsfahigkeit ihrer Dogmen und Beschlusse. Ganzanders aber ist die Macht, von der Paulus und Jesus reden: die Macht der Wahrheit undLiebe, der Hingabe und konsequenten Hilfe fur andere. Gerade auch die Kirchen mussensich und ihre Institutionen immer und immer wieder vor das Kreuz Jesu legen und dortganz klein werden.

c. Das Wort Gottes wird von vielen Menschen benutzt und genutzt. Das ist aber leidernicht immer im Sinne Gottes. Schon die Versuchungen Jesu berichten davon, daß hierder Satan selbst das Wort Gottes benutzt - er mißbraucht es, um Jesus vom Vertrauenzu seinem Vater wegzufuhren. Jesus verteidigt sich dabei genau mit diesem Wort Gottes- in Form von Zitaten aus dem (heute) Alten Testament. Wenn wir heute als Christendie Bibel zitieren, mussen wir immer auf der Hut sein, daß wir nicht zum Mißbrauchdes Wortes Gottes verleitet werden. Dieses Wort soll Menschen heilen, nicht Menschenerschlagen. Dieses Wort soll in alle Wahrheit leiten, also zum Verstandnis helfen. Es sollnicht als Mittel zum Beenden von Gesprachen oder Abwurgen von Fragen benutzt werden!Es soll zu guten und weiterfuhrenden Fragen ermutigen und im Gesprach Menschen mitMenschen zusammenbringen und Menschen mit Gott in Beziehung setzen.

Das Wort Gottes ist weiterhin ein großes, wunderbares und lebensspendendes Reden -

166 Die Bibel fur Menschen von heute ...

auch wenn es mißbraucht, zerpfluckt, geschunden und vielfach mißverstanden worden ist.

4.8.4 Wort beim Wein: The fight of peace ...

Sind sie dabei? Machen Sie mit und stehen Sie in der Reihe, bei dem großen ”fight ofpeace”, dem Kampf des Friedens? Dann passen Sie auf - werden Sie ganz wach und munter!Es wird ernst, und es ist wirklich ein harter Kampf, mit dem der Frieden errungen werdenmuß.

The fight of peace ist nicht durch Nachlassigkeit zu gewinnen. Wie schnell sind wirselbst hereingefallen durch Bitterkeit, Lugen, Betrug, Neid, Selbstsucht. Wie schnell habenwir Gott aus den Augen verloren, haben das Schild des Glaubens sinken lassen und sindvon den ernsthaften Anfechtungen schwer getroffen.

Wie schnell zieht das Mißtrauen in die Gemeinschaft von Christen ein. Und oft mitRecht, wenn es um weltliche Macht geht und nicht im Geist Jesu gelebt wird. Doch geradewenn eine Institution oder ein Werk in wichtigen Fragen abgleitet vom christlichen Weg,gerade dann mussen wir die geistliche Waffenrustung anziehen und dort um den Friedenund die Liebe Jesu kampfen! Nicht im Mißtrauen, nicht in der Distanz, nicht durch wil-de Beschimpfungen. Gerade dann benotigen wir den Helm des Heils und den Schild desGlaubens. Dort werden wir selbst zum Frieden finden, mit dem wir dann auch den in dieGottesferne gefallenen anderen Christen begegnen konnen. Wir brauchen den engagiertenEinsatz und das intensive Gesprach, das uns gemeinsam zuruckfuhrt zu Gott, dem Vater,und zu seinem Sohn Jesus Christus!

Es ist ein Kampf, in dem Jesus gestanden hat. In diesem Kampf ist er bis ans Kreuzgegangen, durch den Tod hindurch, auferstanden durch die Liebe und Macht Gottes. SeinWeg hat den ”fight of peace” begonnen und vollendet in einem.

Kampfen Sie mit - es lohnt sich:Fight the fight of peace!

Roland Potthast 167

5 Weisheit oder Erkenntnis? ... - Salomo, Spruche, Korin-therbrief

5.1 Rat einer Freundin ... - von der Weisheit (Spruche 1-4)

5.1.1 Fur Eilige: Was ist Weisheit?

Was ist Weisheit? Weisheit hat etwas mit Tiefblick zu tun, mit Ausgeglichenheit, mitEinsicht. Aber Weisheit ist mehr als bloße Erkenntnis. Nicht nur das Wissen um dieZusammenhange oder die Bestandteile - sondern auch der gute, der weiterfuhrende, dergesunde Umgang mit den Dingen, mit anderen Menschen und mir selbst gehoren zurWeisheit.

Zur Weisheit gehoren Recht und Gerechtigkeit, es gehoren zur Weisheit Wahrheit undKlarheit, aber auch Sanftmut, Freundlichkeit. Zur Weisheit gehort ein gerader Weg. DieWeisheit hat Ethik zu tun, mit Entscheidungen und mit dem Denken, Reden und Handeln.

Bei all dem werden wir feststellen, daß die Weisheit unendlich viel mit Gott zu gemein-sam hat. Die Weisheit wird mit den biblischen Bildern als ”Liebling” Gottes beschrieben,sie war bei der Schopfung dabei und gestaltet seitdem die Schopfung in allen Dingen. DieWeisheit wird als eigene Person beschrieben, als Spielgefahrtin Gottes. Die Weisheit istdiejenige Freundin, die mit dem heiligen Geist bei den Menschen einziehen mochte.

Wir mochten uns in den kommenden Abschnitten des Seminars auf die Entdeckungs-reise zur Weisheit machen. Es werden spannende und faszinierende Abschnitte ...

Tipps fur diese Woche:1) Versuchen Sie einmal aufzuzahlen, was fur Sie ”weise Verhaltensweisen” sind.2) Bitten Sie Gott um Weisheit und um die Moglichkeit, die Weisheit Gottes zu ver-

stehen!

5.1.2 Rat einer Freundin (Spruche 1-4)

”Dies sind die Worte Salomos, des Sohnes Davids, des Konigs, von Israel, um zu ler-nen Weisheit und gutes Verhalten und zu verstehen verstandige Worte, daß man annehmeZuruckhaltung, die klug macht, Gerechtigkeit, Recht und Redlichkeit, daß die Unverstandi-gen klug werden, die jungen Menschen vernunftig und besonnen.” (Sprichworter 1,1-4)

Die Bucher der Spruche beschaftigen sich mit dem ”guten und gesunden Verhalten” -mit der Weisheit. Inmitten der ganz praktischen Einsicht in die Zusammenhange der Welt,von ”Business” und ”Staat”, vom Gerangel um Macht und Einfluß, vom Vergnugen undden Menschlichen Bedurfnissen stellt ein hochgebildeter und begabter ”Bundeskanzler”die Frage nach dem gesunden und guten Leben.

”Wer weise ist, der hore zu und wachse an Weisheit, und wer verstandig ist, der lassesich raten, daß er verstehe Spruche und Gleichnisse, die Worte der Weisen und ihre Ratsel.”(Spichworter 1, 5+6)

Es gibt viel zu beobachten am Umgang Salomos mit der Weisheit. Einige Schwerpunktewerden wir beim Durchgang durch den sehr reichen Text setzen. Zuerst stellen wir fest:

168 Die Bibel fur Menschen von heute ...

Es geht um Wachstum an Weisheit. Weise zu werden ist ein Wachstumsprozess. Niemandist auf einen Schlag weise.

Und gleich zu Beginn macht dieser Text die Basis deutlich, auf der Weisheit steht undauf der allein Weisheit zu erlangen ist: ”Die den Menschen ganz erfassende Hochachtungvor Gott [die Furcht des Herrn] ist der Anfang der Erkenntnis.” (Sprichworter 1,7)

1. Schwerpunkt: Vom ZuhorenDie Sprichworter bilden eine konkrete Situation nach: ein Vater und eine Mutter ma-

chen sich Gedanken uber die Gesundheit ihres Sohne und ihrer Tochter. Ein Vater, dermit der Begabung (dem Charisma=Geistesgabe) der Weisheit beschenkt ist, redet undschreibt seinem Sohn.

”Mein Sohn, gehorche den Regeln deines Vaters und verlaß nicht das Gebot deinerMutter...” Mitten hinein in jeden Erziehungskonflikt zwischen Eltern und Kindern, zwi-schen verantwortlichen Leitern und anvertrauten Menschen spricht die Bibel hier klareWorte: Weisheit erlangt ein Mensch, indem er zuhort und sein Horen auch praktisch um-setzt. Weisheit bedarf des Rates - des Rates von weisen Vatern und Muttern in diesemspeziellen Fall - allgemeiner des Rates der Weisheit selbst, dieser gottlichen Urkraft undMitschopferin (dazu in einem spateren Abschnitt unseres Seminars mehr).

2. Schwerpunkt: KonsequenzenDann wird Salomo konkret. Nicht irgendein abstraktes Verhalten ist weise, sondern

ganz konkrete Regeln werden hier gegeben: kein Blutvergießen, kein Raub, Diebstahl,nicht Unschuldigen Boses tun, kein unrechter Gewinn.

Es werden auch die Konsequenzen eines unrechten Verhaltens geschildert. Es fuhrt insVerderben, es fuhrt letztlich zum Tode. Diese betrubliche Konsequenz, welche die Bibelvon der ersten bis zur letzten Zeile schildert, wird auch hier offen und klar ausgesprochen.

Dem Weg ins Verderben wird der ”Ruf der Weisheit” entgegengestellt: ”Die Weisheitruft laut auf der Straße und laßt ihre Stimme horen auf den Platzen. Sie ruft im lautestenGetummel, am Eingang der Tore, sie redet ihre Worte in der Stadt: Wie lange wollt ihrUnverstandigen unverstandig sein und ihr Spotter Lust zu Spotterei haben und ihr Torendie Erkenntnis hassen? Kehret euch zu meiner Zurechtweisung! Siehe, ich will uber euchstromen lassen meinen Geist und euch meine Worte kundtun.” (Sprichworte 1,20-23)

Wie konnen wir diesen ”Ruf der Weisheit” begreifen? Meint Salomo die Weisen, dieauf Platzen und an den Toren lehren? Oder mussen wir diesen Ruf der Weisheit tieferverstehen: den Geist Gottes begreifen, der immer und uberall zu den Menschen redenmochte, zu einem jeden, der sich ihm offnet und zuwendet !? In jedem Fall ist die Aussageklar: es sind die Menschen, die ihre Ohren verschließen. Die Weisheit Gottes ist lautund klar vernehmlich zu horen, selbst im Getose heutiger Stadte, selbst im Gewuhl derFußgangerzonen und selbst im Winter- und Sommerschlußverkauf.

Und immer wieder geht es um die Konsequenzen des Umgangs mit der Weisheit. Mitdiesen Konsequenzen verhalt es sich ahnlich wie mit dem christlichen Glauben ganz allge-mein: der Mensch lebt nicht im neutralen Raum, ja es kann letztlich diesen neutralen Raumgar nicht geben. Es gibt das Horen auf die Weisheit - und seine Konsequenz ist das Leben.

Roland Potthast 169

Es gibt die Ignoranz gegenuber der Weisheit, und die Konsequenz ist die Katastrophe undder Tod. Im Originalton horen wir:

”Denn den Unverstandigen bringt ihre Abkehr den Tod, und die Toren bringt ihreSorglosigkeit um; wer aber mir gehorcht, wird sicher wohnen und ohne Sorge sein undkein Ungluck furchten.” (Sprichworter 1,32+33)

3. Schwerpunkt: Wissenschaft und die Erkenntnis Gottes”Mein Sohn, wenn du meine Rede annimmst und meine Gebote behalst, so daß dein

Ohr auf Weisheit acht hat, und du dein Herz der Einsicht zuneigst, ja, wenn du nachVernunft rufst und deine Stimme nach Einsicht erhebst, wenn du sie suchst wie Silber undnach ihr forschest wie nach Schatzen, dann wirst du die Furcht des Herrn verstehen unddie Erkenntnis Gottes finden. Denn der Herr gibt Weisheit und aus seinem Munde kommtErkenntnis und Einsicht.” (Sprichworter 2,1-6)

* Einsicht,* Vernunft,* Wissenschaft

stehen der Weisheit Gottes nicht entgegen. Salomo stellt ganz klar, daß Erkenntnisund Weisheit von Gott kommt. Christen mussen es stets hoch schatzen, wenn Menschensich der Erkenntnis und der Einsicht widmen. Interessant ist hier, daß die Konsequenzvon Einsicht und Erkenntnis nach der Auffassung Salomos die Erkenntnis Gottes seinwird. Wer ihn aufrichtig sucht, von dem wird Gott sich finden lassen - das ist eine derVerheißungen des alten und neuen Testaments und auch die Jahreslosung des Jahres 2000.Leider bedeutet dies noch nicht, daß jede wissenschaftliche Theorie auch richtig oder weiseware und leider auch nicht, daß jeder Wissenschaftler bei Gott ankommt und zu einemlebendigen Christen wird. Doch grundsatzlich gibt Gott sein klares Ja zur Wissenschaft!

”Der Herr hat die Erde durch Weisheit gegrundet und nach seiner Einsicht die Him-mel bereitet. Kraft seiner Erkenntnis quellen die Wasser der Tiefe hervor und triefen dieWolken von Tau.” (Sprichworter 3,19-20)

4. Schwerpunkt: Gott beschutzt die FrommenDas alte Testament kennt die Zusage des Schutzes Gottes fur all diejenigen, die sich

nach seiner Gerechtigkeit und Wahrhaftigkeit ausstrecken. In unserem Text wird dies sehrklar und geradezu anstoßig” deutlich ausgesprochen: ”Er laßt es den Aufrichtigen gelin-gen und beschirmt die Frommen. Er behutet, die recht tun, und bewahrt den Weg seinerFrommen.” (Sprichworter 3,7+8) und weiter unten ”denn die Gerechten werden im Lan-de wohnen und die Frommen darin bleiben, aber die Gottlosen werden aus dem Landausgerottet und die Treulosen daraus vertilgt.” (Sprichworter 3,21+22)

In orientalischer Sprache heißt es uberdeutlich: ”Der Gerechten Pfad glanzt wie dasLicht am Morgen, das immer heller leuchtet bis zum vollen Tag. Der Gottlosen Weg aberist wie das Dunkel; sie wissen nicht, wodurch sie zu Fall kommen werden.” (Sprichworter4,18) Wie konnen wir diese klaren Schwarz-Weiß-Bilder mit unseren Erfahrungen zusam-menbringen? Wir greifen dieses umfangreiche Thema im dritten Abschnitt auf: Weisheitund die Realitat der Welt.

170 Die Bibel fur Menschen von heute ...

5. Schwerpunkt: Weisheit, Verstand, BosesDie Sprichworter greifen auch die Frage nach den Prioritaten von Glauben und Weisheit

auf, von Vertrauen und Erkenntnis.”Verlaß dich auf den Herren von ganzem Herzen, und verlaß dich nicht auf deinen

Verstand, sondern gedenke an ihn in allen deinen Wegen, so wird er dich recht fuhren.Dunke dich nicht, weise zu sein, sondern furchte den Herrn und weiche vom Bosen!”(Sprichworter 3,5-6)

Der Hintergrund fur diese Ermahnungen ist die tiefe und umfassende Weisheit Gottes,die der Mensch nicht ausschopfen kann. Daher ist es nur konsequent, Gott mehr zu ver-trauen als dem eigenen menschlichen Verstand. Ich will damit nicht hinter die Gedankender Aufklarung zuruck, die den Verstand von den Fesseln einer engen und in meinen Augenin vielem schiefen Theologie befreit hat. Doch Gottes Fursorge geht uber unser Verstehenhinaus ... dazu gleich noch mehr! Fur ein weises Verhalten gilt:

• das Vertrauen in Gottes Weisheit soll uber die eigene Weisheit hinausgehen!

• die Ermahnung ”Weiche vom Bosen” wird jede wirkliche Weisheit als Grundlage undelementaren Bestandteil beinhalten.

• Weisheit bedeutet nicht, immer alles zu verstehen!

5.1.3 Weisheit und die Realitat der Welt

Nicht erst die Neuzeit ist mit tiefliegenden und schwierigen Fragen konfrontiert gewesen,wenn es um Gottes Umgang mit den Menschen - insbesondere mit ”seinen” Leuten (alsomit den Frommen) ging. Viele alttestamentliche Geschichten greifen das Problem auf, daßgerechten und ehrlichen Menschen Boses begegnet und geschieht. Nicht zuletzt das ganzeBuch Hiob ist eine weitreichende Auseinandersetzung mit der Frage nach dem Schicksal,eine weitreichende Verteidigung (Apologie) eines Vertrauens in Gott, das Verstand undmanchmal sogar Erfahrung ubersteigt.

Wie ist das nun mit unseren Erfahrungen? Ist der ”Pfad des Gerechten” so, daß erimmer glanzen und bestandig heller werden wurde? Ist nicht die durchgangige Erfahrungdieser Welt genau eine andere, die sich in dem Satz ”Der Ehrliche ist der Dumme” wie-derspiegelt? Sind es nicht die Gauner und Halunken mit und ohne Nadelstreifenanzug, diesich im Kleinen und Großen, im Dorf oder auf den glanzenden Pfaden der Globalisierungund internationalen Wirtschaft durchsetzen konnen? Regiert nicht das Geld die Welt?

Das Wort Gottes in Form der gesammelten Sprichworter stellt sich hier und an vielenanderen Stellen gegen diese Erfahrungen. In direkter Konfrontation wird dem Bosen dieMacht abgesprochen, dem Bosen in welch glanzender Form auch immer.

Wir durfen verschiedene Schichten des Problems und verschiedene Spitzen der Aussa-gen Gottes erkennen:

A. Die Schicht der personlichen Erfahrung. Es wird dem Gerechten die Hilfe Gotteszugesagt. ”Ich will dich den Weg der Weisheit fuhren; ich will dich auf rechter Bahnleiten, daß, wenn du gehst, dein Gang dir nicht sauer werde, und wenn du laufst, du nichtstrauchelst.” (Sprichworter 4,11+12) Wenn wir mit Menschen reden, die uber lange Jahre

Roland Potthast 171

den Weg des Glaubens gegangen sind, wird diese Zusage Gottes auf mannigfaltige Weisebestatigt und mit konkreten Erfahrungen gefullt.

B. Die Schicht der Wirksamkeit und historischen Bedeutung. Es wird dem Weisen eineweitreichende Wirksamkeit zugesprochen. ”Achte sie hoch, so wird sie dich erhohen undwird dich zu Ehren bringen, wenn du sie beherzest. Sie wird dein Haupt schon schmuckenund wird dich zieren mit einer prachtigen Krone.” (Sprichworter 4,8+9) Wir durfen hierdie unmittelbare Wirkung von Weisheit und Einsicht im Lebensumfeld eines Menschen be-obachten, aber auch die uber Jahrhunderte reichende Wirkung etwa der biblischen Buchermit ihrer umfassenden Weisheit.

C. Die Schicht der globalen Sicht Gottes. Gottes Sicht wird durch die Worte uber denglanzenden Pfad des Gerechten beschrieben. Gott sieht die Helligkeit, die von gerechtenMenschen ausgeht. Er sieht das gleißende Licht, das nur noch von seiner taghellen Heiligkeitubertroffen wird. Aus der Sicht Gottes, der nicht nur inmitten der Schopfung ist, sondernder auch uber der Schopfung und uber der Geschichte steht, werden die Gerechten einmalihre Erfahrungen und Erlebnisse anders als zu Lebzeiten erfassen konnen. Die SprucheSalomos mochten uns heute schon ein klein wenig von dieser Sicht Gottes vermitteln unduns mit hineinnehmen in die Weisheit, mit der Gott in die Welt hineinschaut.

5.1.4 Wort beim Wein: Steps to Wisdom!

Die Sprichworter sind solch reichhaltige Nahrung, daß wir eigentlich wenig Gutes hin-zufugen konnen. Ermahnungen beschreiben die Schritte zur Weisheit, die ”Steps to Wis-kom”! Hier sind einige davon:

• Rede kein falsches (unehrliches) Wort!

• Sei kein Lastermaul!

• Wende deinen Fuß vom Bosen!

• Sei bescheiden!

• Laß dich nicht verfuhren!

• Sei aufrichtig!

• Bleibe besonnen!

• Suche nach Einsicht!

• Hor auf Gott!

• Richte dein ganzes Leben an Jesus Christus aus!

172 Die Bibel fur Menschen von heute ...

5.2 Ruckkehr der Kindheit ... - von Gottes Liebling (Spruche 8)

5.2.1 Fur Eilige: Ruckkehr der Kindheit ...

Wer von uns wunscht sich nicht manchmal in die Kindheit zuruck, vielleicht in die eigenenErfahrungen von Geborgenheit ... oder in eine erahnte und nie gewesene Kindheit vonVertrauen und Zuwendung.

Kindheit ... das bedeutet Spiel und Unbefangenheit. Kindheit ist der Ausdruck einesLebens ohne die Last von Verantwortung, Kindheit bedeutet ein Leben in einer kindli-chen und unmittelbaren Freude an vielen interessanten Dingen, die entdeckt und ertastetwerden.

Ruckkehr der Kindheit ... ein Traum - fur manche auch ein Alptraum. Was dem einenwunschenswert erscheint, laßt den anderen erschauern. Mancher mochte auch weglaufenvor den schmerzhaften Erfahrungen der Kindheit ... Jeden von uns hat seine Kindheit tiefgepragt!

In Spruche 8 nimmt uns die Weisheit Gottes mit zuruck in i h r e Kindheit - eineKindheit an der Seite Gottes, des Schopfers. Wir werden mit hineingenommen in dieSchopfung, als die Meere noch nicht waren und als er die Erde noch nicht gemacht hatte.Wir nehmen Sie heute mit auf eine spannende Reise zuruck in die Kindheit der Schopfungund die Kindheit der Weisheit Gottes.

Tipps fur diese Woche:1) Was verbinden Sie mit Kindheit? Forschen Sie einmal in ihre eigene Kindheit hinein

... wie war das mit unbefangenem Spiel, mit Vertrauen, mit Zuwendung und Freude anden Dingen der Welt?

2) Horen Sie die Weisheit reden in Ihrem Leben? Lieben Sie die Weisheit? Oder gibt esDinge in Ihrem Leben, welche Sie von der Weisheit fernhalten? ... Uberlegen Sie einmal!

5.2.2 Einladung und Verheißung der Weisheit

A. Wir folgen Spruche 8 und horen den ”Ruf der Weisheit”:”Ruft nicht die Weisheit, und laßt nicht die Klugheit sich horen? Offentlich am Weg

steht sie und an der Kreuzung der Straßen; an den Toren am Ausgang der Stadt undam Eingang der Pforte ruft sie: Ihr Manner, euch rufe ich und erhebe meine Stimme zuden Menschenkindern. Merkt auf, ihr Unverstandigen, auf Klugheit, und ihr Toren, nehmtVerstand an! Hort, denn ich rede, was edel ist, und meine Lippen sprechen, was recht ist.”

Wieder und wieder macht die Weisheit im Buch der Spruche klar, daß sie offen ver-nehmbar ist: in den Fußgangerzonen, in den Kaufhausern, an den Ortsausgangsschildernunserer Stadte und Ortschaften. All das macht klar, daß es bei der Weisheit nicht um eineGeheimlehre geht. Es geht nicht um etwas, das nicht erkannt und begriffen werden konn-te. Es geht nicht um etwas, das nur durch esoterische Verhaltensweisen erfahren werdenkonnte. Die Weisheit ist offen zuganglich, kann verstanden, ausgesprochen und begriffenwerden. Die Weisheit ist mit dem menschlichen Verstand erfaßbar und der Geist Gottesmochte jeden Menschen teilhaben lassen an seiner Weisheit.

Roland Potthast 173

”Nehmt Verstand an!” ruft die Weisheit. Und uber das rein intellektuelle Verstehenhinaus spricht sie Handeln und Besitz an: ”Nehmt meine Zucht an lieber als Silber undachtet Erkenntnis hoher als kostbares Gold.”

B. Um unser ganzes Leben geht es der Weisheit! Das Erkennen ist ihr genauso zueigen wie die Tat und die Macht: ”Mein ist beides, Rat und Tat, ich habe Verstand undMacht. Durch mich regieren die Konige und setzen die Ratsherren das Recht. Durch michherrschen die Fursten und die Edlen richten auf Erden.” (Spruche 8, Verse 14-16)

Die enge Verbindung von Macht und Weisheit, die uns dieser Text vermittelt, mußsicherlich in einer differenzierten Weise verstanden werden. Nicht jeder Furst durfte mitWeisheit regiert haben - nicht jeder Politiker beachtet stets das Recht. Und doch: nur durchWeisheit kann dauerhaft und mit bleibendem Gewinn regiert werden. Politiker mussen dieWeisheit lieben lernen, soll ihr Wirken der Stadt oder dem Land zum Guten helfen.

Wir kommen mit den Zeilen uber die Weisheit der Konige nahe an die neutestament-lichen Worte des Paulus im Romerbrief: ”jede Obrigkeit ist von Gott” (Romer 13). Hinterjeder Macht, die einem Menschen gegeben ist, steht Gottes Wirken. Jede Macht ist mitVerantwortung verbunden, und Gott wird diese Verantwortung einfordern. Darum mussengerade diejenigen, die in ihrem Leben Macht und Einfluß erringen, Gott um Weisheit undLeitung bitten.

Und wir durfen in den Worten der Weisheit, die sich selbst hinter den Handlungender Machtigen offenkundig macht, Hilfe und Zuspruch dieser Schopfungsmacht erkennen.Nicht die Machtigen sind es, die aus eigener Macht regieren. Sondern durch die Weisheitregieren die Konige, und nur durch die Weisheit konnen die Machtigen ihre Macht erhalten.Nur durch die Weisheit konnen die Machtigen ihre Macht recht einsetzen.

Darum kann und muß die Weisheit ihre ermutigenden Worte abschließen mit einermesserscharfen Warnung: ”Wer aber mich verfehlt, zerstort sein Leben; alle, die michhassen, lieben den Tod.” (Spruche 8,36)

C. Weitere ganz materielle Verheißungen werden uns von der Weisheit auf den Wegmitgegeben: ”Reichtum und Ehre ist bei mir, bleibendes Gut und Gerechtigkeit. MeineFrucht ist besser als Gold und feines Gold, mein Ertrag ist besser als erlesenes Silber.Ich wandle auf den Wegen der Gerechtigkeit, mitten auf der Straße des Rechts, daß ichversorge mit Besitz, die mich lieben, und ihre Schatzkammern fulle.”

Das alte Testament kennt nicht die Trennung von geistlichem und materiellem Wohl-ergehen. Es gibt auch nicht die Unterschiede von geistlicher und korperlicher Gesundheit.Beides gehort zusammen: Geist, Seele und Leib (Korper).

Diese Einheit des Menschen ist in vielen christlich beeinflußten Gesellschaften derNeuzeit in den Hintergrund getreten. Geist und Glaube wurde zu etwas, daß entfernt istvon der alltaglichen und von der materiell-physischen Welt. Aber das entspricht wederdem alten noch dem neuen Testament. Stets war Gott derjenige, der a l l e s gemacht hatund der in a l l e s eingreift. Die Wunder Jesu greifen in Seele und Leib ein - der ganzeMensch wird geheilt. Das Gericht Gottes soll sogar die ganze Erde erfassen, und das ganzeUniversum zusammenrollen wie einen Teppich, um etwas neues zu schaffen.

Wir durfen die Verheißungen der Weisheit als Kompaß und Zusage fur unser eigenes

174 Die Bibel fur Menschen von heute ...

Leben nutzen. Eine spannende Entdeckungsreise erwartet uns, wenn wir dem Rat der Weis-heit folgen und uns das zeigen lassen, was ”besser ist als Gold und feines Gold.” Und wirdurfen die Schatze entdecken, welche die Weisheit in unsere Schatzkammern hineinraumt... ganz praktisch den Segen der Weisheit Gottes im geistlichen und materiellen unseresLebens erfahren!

5.2.3 Gottes Liebling, die Weisheit

Die Weisheit Gottes nimmt uns mit in die Anfange der Schopfung: zuruck in die Kindheit:”Der Herr hat mich schon gehabt im Anfang seiner Wege, ehe er etwas schuf, von Anbeginnher.” (Spruche 8,22)

Faszinierend und verbluffend: die Weisheit als eine Person, als ein Wesen, das im An-beginn war. Wir erfahren dann mehr von dieser Beziehung der Weisheit zu Gott: ”Ich bineingesetzt von Ewigkeit her, im Anfang, ehe die Erde war. Als die Meere noch nicht wa-ren, ward ich geboren, als die Quellen noch nicht waren, die von Wasser fließen.” (Spruche8,23+24)

Und wir durfen uns ganz mit hineinnehmen lassen in die Darstellung der Schopfung,das Einsenken der Berge, die Gestaltung des Himmels, die Fluten der Tiefe - im Weltbilddes Altertums unterhalb der Erde, die auf Saulen darin ruhte, den ”Grundfesten der Erde.”

Vor all diesem wurde die Weisheit geboren. Bei allen Teilen der Schopfung war dieWeisheit da! Und ganz zuruck in die Kindheit fuhren uns die Zeilen: ”... da war ich alssein Liebling bei ihm; ich war seine Freude taglich und spielte vor ihm allezeit; ich spielteauf seinem Erdkreis und hatte meine Freude an den Menschenkindern.” Zuruck vor dieZeit, als die Menschheit sich von Gott loste. Zuruck zu den ”guten” Anfangen, zu denenGott sagte: ”und Gott sah, daß es gut war” (1. Mose 1).

Wir durfen und mussen nach den Realitaten fragen, die den beeindruckenden Schilde-rungen dieser Worte zugrunde liegen. Dazu einige Bemerkungen.

a) Wir durfen das ”Einsetzen der Berge”, die ”Gestaltung des Himmels”, die ”Grundfe-sten der Erde”, die ”Fluten der Tiefe” sicherlich als Bilder begreifen, in denen die machti-gen Schopfungsvorgange bei der Schopfung angemessen beschrieben werden. Niemand wirdheute zum physikalischen Weltbild des Altertums zuruckkehren wollen, mit dem diese Bil-der in ihrer Zeit als physikalische Beschreibungen verstanden wurden. Doch auch die unsheute bekannten Realitaten werden durch die Bilder sehr zutreffend, nur eben ”bildhaft”,beschrieben.

b) Die Personifizierung der Weisheit ist mehr als ein literarisches Stilmittel. Immerwieder taucht die Weisheit in den kanonischen und apokryphen Schriften auf und agiert alslebendige Person - als eine der Personen Gottes. Wir werden so mitten hineingefuhrt in dieFrage nach dem einen Gott in Vater (Schopfer), Sohn (Jesus Christus) und heiligem Geist.Diese weitreichende Diskussion konnen wir hier nur streifen. Festzuhalten ist hier zunachst,daß Gott in sich, bevor die Erde und die Menschen geschaffen waren, Begegnung, Freude,Kommunikation war und aus verschiedenen Personen bestand. ”Ich war sein Liebling”schreibt die Weisheit. ”Ich spielte vor ihm allezeit.” Die Weisheit hat Gott als eigenePerson bei der Schopfung begleitet - ja ”durch Weisheit hat Gott die Erde gegrundet”

Roland Potthast 175

(Spruche 3,19).c) Von dem ursprunglichen Gott wird erzahlt als B e z i e h u n g - als Gesprach,

Freude, Liebe, Zuwendung. Wir erhalten hier weitreichende Hinweise auf die Ziele Gottesmit uns Menschen bis heute - so wie es im ganzen neuen Testament immer und immer wie-der formuliert wird: Gott mochte uns zuruckholen in die Gemeinschaft des unbefangenenVertrauens und der heiligen Zuwendung. Nichts mehr und nichts weniger als ein ”Zuruckin die Kindheit” bedeutet dieses Ziel - zuruck in unsere eigene Kindheit, und zuruck in dieKindheit der Schopfung. Konnen wir die ganze Tiefe und Weite dessen ermessen, worumes dem christlichen Glauben somit geht?

5.2.4 Wort beim Wein: Vorsicht mit naivem Vertrauen!

Wir haben viel uber Vertrauen und Zuwendung geschrieben. Darum mussen wir mit einerklaren und offenen Warnung schließen: Sei vorsichtig mit dem naiven Vertrauen in Men-schen! Vertrau dich Gott an, aber verlaß dich nicht zu sehr auf andere Menschen. Geradewenn Menschen Christen werden und die Liebe Gottes erfahren, kommen oft schnell undverletzend negative Erfahrungen mit anderen Menschen, tiefe Enttauschungen mit anderenChristen.

Christen sind auch nur Menschen, die in einer ”gefallenen Welt” leben und abgrund-tief von dieser gefallenen Welt beeinflußt sind. Auch Menschen, die von Jesus Christusangesteckt sind, bleiben Teil der ”Welt” - d.h. sie verletzen immer wieder andere, sindignorant, unwahrhaftig in dieser oder jener Sache, blicken nicht durch und tun dadurchanderen unrecht, reden schlecht uber andere, wo sie es nicht tun sollten, sind ungerecht inihren Worten oder Urteilen. Darum: Sei vorsichtig mit dem naiven Vertrauen in Menschen!

Wenn wir das Vertrauen aufrichen wollen in unserer Gesellschaft und im privatenLebensumfeld, so muß dies immer wieder ein bewußtes und gewagtes Vertrauen sein:

• Vertrauen - wo es eigentlich nicht angebracht ist und unser Vertrauen eher belacheltoder verachtet wird,

• Liebe - wo keine Liebe uns entgegenkommt und wir liebend in vielem tief verletztwerden,

• Offenheit, wo die Heimlichkeit regiert und man unsere Offenheit zu unserem Nachteilausnutzt,

• Gute, wo um jede Mark gekampft wird und unser Gute wie Wasser im Sand derWuste zu versickern scheint,

• Einsatz, wo Einsatz mißbraucht und ausgenutzt wird und manche Organisation dabeii h r e Ziele durchsetzen will,

• eine gerade Linie, wo Fahnen nach dem Wind ausgerichtet werden,

• Verbindlichkeit, wo die Unverbindlichkeit und der Eigennutz des Vergnugens an derTagesordnung sind.

176 Die Bibel fur Menschen von heute ...

Sei vorsichtig mit dem naiven Vertrauen in Menschen! Aber wage das bewußte Vertrauender heiligen Liebe Gottes.

Zur Veranschaulichung:

Das Bild vom Raubtier Mensch. Stellen Sie sich vor, sie mochten das Vertraueneines Raubtieres erringen. Sollen Sie naiv vorgehen, einfach blind vertrauen und sich fressenlassen? Nein, naives Vertrauen ist todlich. Besser ist es, bewußt die Beziehung zu demRaubtier suchen. Z.B. konnten Sie ihm regelmaßig Nahrung geben. Sie zeigen sich immerwieder und das Raubtier wird sie kennenlernen. Sie kommen auch einmal naher heran -in gebuhrender Vorsicht. Sie mussen dabei einiges wagen. Wenn das Raubtier in seinengewohnten Bahnen reagiert, wird es irgendwann die Tatze heben und sie konnen dabeieinige Kratzer abbekommen. Darum ist Vorsicht angebracht. Wenn sie bestandig undstetig vertrauenswurdig sind, haben sie zumindest die Chance, daß das Raubtier nach undnach gezahmt wird. So geht Gott mit uns Menschen um, mit dem ”Raubtier Mensch.” JaGott ist sogar noch weiter gegangen und hat sich fressen lassen: in Jesus Christus ist erans Kreuz von Golgatha gegangen, um uns seine Liebe zu zeigen.

5.3 1000 Tipps fur Lebenskunstler ... - Worte der Weisen (Spruche 22-28)

5.3.1 Fur Eilige: 1000 Tipps fur Lebenskunstler

Einen so richtigen Lebenskunstler - kennen sie den? Einen, der die Kunst zu Leben ver-steht? Was ist die Kunst zu Leben?

Einige Menschen sehen in moglichst vielen ”Vergnugungen” die eigentliche Lebens-kunst. Dabei gibt es sehr unterschiedliche Schwerpunkte bei den Vergnugungen: Parties,Discos, gepflegte Restaurants, Feinschmecker, Abende mit Freunden beim Spiel, Sport,Literatur, Pop, Rap oder klassische Musik ...

Einige Menschen denken, die eigentliche Kunst zu leben liegt in besonderem Erfolgdurch Ideen in Wirtschaft oder in der Wissenschaft. Da ist die Vorstellung vom erfolg-reichen Jungunternehmer oder die vom genialen Wissenschaftler ... Andere haben dieVorstellung von der alternativen und umweltfreundlichen Lebensweise. Anders sein, sanft,konsequent, biologisch, naturnah - die eigentliche Lebenskunst ...

Wo liegt die wahre Kunst zu Leben? Ist das Leben einfach Ansichtssache? Was furTipps und Einsichten konnen wir gewinnen fur die Lebenskunstler und jeden Menschen,der nach dem gelungenen Leben, nach der Kunst zu Leben fragt?

Wir werden heute aus der reichen Schatzkammer des Buches der Spruche schopfen ...werden 1000 Tipps fur Lebenskunstler zusammenstellen. Eine spannende und praktischeSache ...

Tipps fur diese Woche:1) Worin besteht fur Sie die ”Kunst zu Leben”? Konnen Sie das formulieren?2) Haben Sie einmal uber Jesus Christus im Zusammenhang mit der Kunst zu Leben

nachgedacht? Konnen Sie nachvollziehen, daß das neue Testament Jesus als die Tur zurwirklichen Lebenskunst darstellt? Uberlegen Sie einmal!

Roland Potthast 177

5.3.2 Lebensklugheit und ein klarer Blick fur Gott

Die einfachen und doch bahnbrechenden Einsichten der ”Spruche” sind unnachahmlich.Da werden wir schlicht und doch beeindruckend mit den wichtigen Dingen des Lebens undder Kunst zu Leben bekannt gemacht: ”Reiche und Arme begegnen einander; der Herr hatsie beide gemacht.” (Spruche 22, 2)

Die Bibel greift mitten hinein in die Realitat der Welt ... Reiche, Arme, Erfolgreiche undErfolglose, Intelligente und Einfache, Gelehrte und Ungelehrte ... sie begegnen einander -und doch konnen wir sie erst in der Perspektive ihres Ursprungs in Gott richtig sehen!

Beim Lesen der Spruche sind zwei Grundlinien zu beobachten:

1. Es wird sehr klar gesagt, daß Gott da ist mitten in der Welt und daß Gott beteiligtist an den Ereignissen und den Entwicklungen.

2. Es werden ganz praktische Tipps gegeben, die auf einer allgemeinen Lebensklugheitberuhen und die typische Entwicklungen aufgreifen.

Die Spruche sind eine bunte und deftige Mischung aus klaren Anweisungen zum Gu-ten, aus Lebensansichten, aus Hinweisen auf die Realitat Gottes - des Schopfers und All-gegenwartigen - und aus amusanten Betrachtungsweisen und Beobachtungen, z.B.: ”DerFaule spricht: ”Es ist ein Lowe draußen, ich konnte getotet werden auf der Gasse.” (Spruche22,13)

Wir wollen nicht den aufwendigen Versuch unternehmen, die Spruche zu gliedern oderzu sortieren. Nehmen Sie sich einfach die Zeit, hier zu stobern, sich zu unterhalten unddie unterschiedlichen Hinweise und Aufforderungen auf sich wirken zu lassen.

Wir wollen hier exemplarisch Verweise auf Gott in den Blick nehmen. Da finden wirz.B. die folgenden Zeilen: ”Damit deine Hoffnung sich grunde auf den Herrn, erinnere ichdaran heute gerade dich.” (Spruche 22,19) Immer wieder stellen die Spruche klar: es gehtum ein Leben, daß auf Gott gegrundet ist. Es geht um d i c h!

Die Spruche sagen uns: ”Dein Herz sei nicht neidisch auf den Sunder, sondern trachtetaglich nach der Furcht des Herrn.” (Spruche 23,17) Wie schnell orientieren wir Menschenuns am Erfolg, der durch unlautere Mittel oder durch grundsatzlich schiefe Lebensweisenerzielt wurde. Das ist ”Neid auf den Sunder”, um die es hier geht.

Oder die folgende Verheißung: ”Ein Gerechter fallt siebenmal und steht wieder auf,aber die Gottlosen versinken im Ungluck.” (Spruche 24,16) Wir mussen die oft verborgeneHilfe und Gegenwart Gottes als inneren Kern des Spruches begreifen. Diese Verborgenheitund doch bestandige Gegenwart Gottes wird in Kapitel 25 in besonderer Weise klargestellt:

”Es ist Gottes Ehre, eine Sache zu verbergen; aber des Konigs Ehre ist es, sie zuerforschen.” Neben den wesentlichen Aussagen uber Gott, der viele seiner Weisheiten vorden sich fur reich haltenden Toren der Welt verbirgt, ist hier auch das positive Verstandnisdes alttestamentlichen Konigtums zu beobachten.

Schließlich kommen wir zu einigen sehr ”neutestamentlichen” Passagen der Spruche.”Hungert deinen Feind, so speise ihn mit Brot, durstet ihn, so tranke ihn mit Wasser,denn du wirst feurige Kohlen auf sein Haupt haufen, und der Herr wird dir’s vergelten.”(Spruche 25,21) Die Feindesliebe und helfende Art Gottes wird hier klar gelehrt. Wir

178 Die Bibel fur Menschen von heute ...

haben diese Feindesliebe schon in den Buchern Mose gefunden - und dann naturlich imLeben, Sterben und in der Lehre Jesu Christi.

”Wer seine Sunde leugnet, dem wirds nicht gelingen: wer sie aber bekennt und laßt, derwird Barmherzigkeit erlangen.” (Spruche 28,13) Auch hier werden wir mitten hineingefuhrtin das neue Testament. Die umfassende Vergebung der Sunden auf den Glauben hin - aufdas Bekenntnis und die Umkehr hin - sind Kernbestandteile der Worte Jesu Christi, allerSchreiber des neuen Testaments und christlichen Kirchen bis heute.

5.3.3 Die Lebenskunstler ... eine Einladung!

Die Spruche beinhalten die Einladung, zum Lebenskunstler im biblischen Sinne zu werden!Also machen wir uns auf den Weg. Manche Spruche sind hart und direkt, andere tiefsinnigoder tiefblickend. Weitere Spruche sind saftig und voller Lebensblut, wieder andere sindsanft und zierlich ... es ist wie ein reiches und vielfaltiges Festessen, das Sie hier prasentiertbekommen ... es sind 1000 Tipps fur Lebenskunstler.

• Achten wir auf kommendes Ungluck und werden beizeiten aktiv! (Spruche 22,3)

Nirgendwo in der Bibel wird der blinden Hingabe an das Schicksal das Wort geredet.

• Seien wir demutig und vorsichtig im biblischen Sinne. (Spruche 22,4)

Das bedeutet: wir konzentrieren uns auf das, was Gott uns als Begabung, Aufgabeund Lebens-Anteil gegeben hat und kummern uns nicht um viele Ziele, Moglichkeitenund Reichtumer.

• Seien wir freigibig gegenuber denen, die weniger oder nichts haben. (Spruche 22,9)

”Den frohlichen Geber hat Gott lieb” - klingt dies im neuen Testament wieder.

• Huten wir unsere Worte und reden nicht leichtfertig uber andere Menschen undDinge. (Spruche 22,14)

”Eure Rede sei Ja, ja, nein, nein.” sagt Jesus, ”alles weitere ist von Ubel.”

• Horen wir auf die Lehren der Bibel und versuchen, sie wirklich zu verstehen. (Spruche22,17ff)

Billige Polemik und leichtfertige Meinungen sind eine riesige Torheit - wo immer sieauftreten.

• Seien wir unparteiisch und gerecht gegenuber allen Menschen, ob arm oder reich,ohne Einfluß oder in einflußreicher Position! (Spruche 22,22)

Diese elementare Lebensweisheit wird leider in viel zu vielen kleinen und großenFragen und Verhaltensweisen immer wieder ignoriert.

• Achten wir die Dinge, die unsere Vater geschaffen haben. (Spruche 22,28)

Die grundsatzliche Achtung vor den Diskussionen, Kampfen und Leistungen unsererEltern ist ein Grundbestandteil der Lebenskunst. Jesus hat hier die 10 Gebote klarbestatigt: du sollst Vater und Mutter ehren!

Roland Potthast 179

• Bleiben wir vorsichtig, zuruckhaltend und diszipliniert in allen Dingen [wende deinZerz hin zur Zucht]. (Spruche 23,12)

Nur durch Disziplin werden die großen Dinge geboren - und nur durch Disziplingibt es Bestand in personlichen Dingen. Die moderne Sprache kennt relativ wenigepositiv belegte Worte, welche die alten Tugenden Treue, Bestandigkeit, Disziplin,Fleiß etc. aufgreifen und in den Lifestyle der Menschen von heute einbauen. Aberauch wenn wir es schwer modern formulieren konnen - diese Dinge sind zentral furein gelingendes Leben! Wir sagen vielleicht eher:

- sie steht voll dahinter ...

- er macht das konsequent ...

- wir machen in diesem Punkt keine Kompromisse...

- sie ist immer voll dabei...

- er ist echt zuverlassig...

• Seien wir nicht neidisch auf andere Menschen. (Spruche 23,17)

”Du sollst nicht begehren ...” heißt das 9. und 10. Gebot. Neid ist eine Wurzel vielenUbels ... bis heute.

• Lassen wir nicht unserem Zorn uber die bosen Menschen freien Lauf. Ereifern wir unsnicht uber die Menschen, die Gott nicht kennen und nicht mit Gott leben. (Spruche24,19)

Wir mochten diese wenigen Zeilen nur als einen Einstieg anbieten. Erst wenn Sie sichvertraut gemacht haben mit den Spruchen, werden Sie wirklich weiterkommen und zumLebenskunstler werden. In jedem Satz steckt mehr, als man zunachst denken kann. Esmacht Sinn, sich die Worte auf der Zunge zergehen zu lassen und immer wieder darubernachzusinnen!

Tauchen Sie ein in die Spruche - und nach einiger Zeit werden Sie die immer wie-derkehrenden Grundthemen kennen. Die Dinge schlagen dann Wurzeln in Ihrem Leben!Beobachten Sie die Menschen und ihre Umwelt im Licht der Spruche. Sie werden erstauntsein, wieviel Lebensweisheit Sie hier finden. Die Spruche offnen Ihren Blick fur die Zusam-menhange des Lebens und menschlicher Gesellschaften!

Bei allem denken Sie daran: ”Wenn du einen siehst, der sich weise dunkt, da ist fureinen Toren mehr Hoffnung als fur ihn.” (Spruche 26,12)

5.3.4 Wort beim Wein: Gebet und Lebenskunst

Wie konnten wir uber Lebenskunst reden, ohne uber das Gebet zu sprechen. Gebet - dasGesprach mit Gott in Reden und Horen - gehort ohne Zweifel zum Kern jeder echtenLebenskunst!

Warum eigentlich Gebet? Wozu und wie bete ich?

180 Die Bibel fur Menschen von heute ...

Gebet im biblischen Sinne ist das Gesprach mit Gott. Dazu gehort es, vor Gott zutreten. Ein Mensch offnet sich mit seinem Leben fur den Schopfer. Der Mensch sprichtden Schopfer an und bringt ihm seine Lebenssituation: Gutes und Schwierigkeiten. ZumGebet gehort auch das Horen auf Gott, das Lauschen auf das Reden des heiligen Geistes.

Jedes Gebet steht in einer personlichen Situation. Und je mehr der Beter von Gottmitbekommt, um so besser weiß er: es kommt letztlich darauf an, daß ich mich mit meinenGedanken, Worten, Werken, Zielen, Planen, Wunschen, Gefuhlen, Hoffnungen, Verlet-zungen, Enttauschungen, Idealen, Eigenheiten, Fehlern, Sunden, Ecken und Kanten Gottanvertraue und mich von ihm fuhren und leiten lasse.

Der wahre Lebenskunstler ist der Beter, der sich Gott in allen Dingen seines Lebensanvertraut!

Gebet im biblischen Sinn wird den Beter weiter in der Erkenntnis Gottes fuhren.Der Beter spricht Gott an und stellt sich in jenem Augenblick vor Gott, den Ersten undLetzten. Auch wenn er noch nicht weiß, warum er sich Gott nahern kann und darf - derGeist Gottes wird ihm die Nahe und Liebe Gottes vermitteln. Und der Beter wird dieHeiligkeit Gottes erfassen konnen - dieses gerechten Schopfers des Himmels und der Erde.Die Heiligkeit Gottes ist heute zuganglich - fur jeden Menschen. In Jesus Christus durfenwir uns Gott nahern. Jeder kann Gott suchen, zu Gott beten und Gott ansprechen. Jederwird von Gott gehort und erhort, wenn er sich nur ernsthaft und ehrlich an den Schopferwendet. Versuchen Sie es: sprechen Sie Gott heute an! Beten Sie zum Schopfer, zu demGott Jesu Christi. Bitten Sie ihn, sich Ihnen zu zeigen - er wird es tun. Offnen Sie IhrLeben fur den Gott, der in Jesus Christus seinen Sohn auf die Erde sandte, und der bisheute durch Jesus und seine Nachfolger die Menschen ansprechen und heilen mochte.

Herr, mein Gott! Laß mich zu einem ehrlichen und wahrhaftigen Lebenskunstler indeiner Nachfolge werden. Zeige dich mir in all deiner Herrlichkeit. Hilf mir, deinen Wegzu gehen. Fuhre meine Gedanken, Worte und Werke von heute an in allen Dingen! Amen.

5.4 Aufgeblasen und nichts dahinter ... - von der Verganglichkeit (Pre-diger Salomo 1-3)

5.4.1 Fur Eilige: Es ist alles nutzlos ...

Was bringt das Leben? Was lohnt sich, zu tun? Was ist ”echt geil”? Was bleibt gut? Wennwir ernuchtert die Welt betrachten: ist nicht letztlich alles nutzlos? Was lohnt, daß wir estun?

Wir lernen heute einen Menschen kennen, der schon viele verschiedene Dinge auspro-biert hat in seinem Leben ... Dieser Mensch ist zu dem Schluß gekommen: ”es ist alles imGrunde Unsinn ... und wie der Versuch, den Wind einzufangen.” Worum geht es dabei?

• Es geht um die Muhe, die der Mensch hat unter der Sonne: Arbeit, Ziele, Probleme...

• Es geht um die taglichen Ablaufe, um das Wasser, das bestandig ins Meer lauft, dasverdunstet, das wieder herabregnet ... immer und immer wieder. Inovationen, und

Roland Potthast 181

wieder, immer wieder die neuste Innovation, der Durchbruch ... zum 100.000 mal derDurchbruch ...

• Es geht um das Neue ... das doch im Grunde nur das Alte ist, schon geschehen ...vor langer Zeit ... ob modern oder ”leading edge” ...

• Es geht um das Vergessen, um die Menschen, die fruher gewesen sind. An wenerinnert man sich wirklich?

• Es geht um Dummheit und Intelligenz ... auch die sind nutzlos. Ob Dummkopfoder Genie ... niemanden kennt man fur immer. Warum hast du dann nach Wissengesucht?

• Es geht um die Verzweiflung. Um das Verzagen am Leben und am Sterben. DieFlucht in Alkohol oder Drogen. Die Flucht ins einfache Leben. Doch auch das istnutzlos und ohne Sinn.

... und dieser Mensch findet im Guten und im Bosen, in der Dummheit und in derIntelligenz, in der Hoffnung und in der Verzweiflung den einen Haltepunkt: ”Doch dies sahich auch, daß es von Gottes Hand kommt. Denn wer kann frohlich genießen ohne ihn?”Ist das ein Punkt, der wirklich halt? Ist der nicht auch ”nutzlos”? In der Begegnung mitdem Prediger Salomo konnen wir einen der weitblickensten Menschen der Weltgeschichtekennenlernen. Kommen Sie mit ...!

Tipps fur diese Woche:1) Was macht wirklich Sinn? Denken Sie ernsthaft daruber nach!2) Kennen Sie Gottes Rolle in der Frage nach dem Sinn des Daseins? Was bedeutet

Ihnen Jesus Christus, Gottes Sohn? Haben Sie Jesus als den heute lebendigen Sohn Gotteskennengelernt?

5.4.2 Aufgeblasen und nichts dahinter ... (I) - das Leben (!)

Im Buch Kohelet - dem Buch des Predigers Salomo wird das Leben betrachtet mit seinenunterschiedlichen Facetten und Moglichkeiten. Und der Prediger Salomo stellt bei denunterschiedlichsten Dinge fest: es ist nichts dahinter. Es ist doch ganz nutzlos (eitel).

Wir mochten Sie einfach mitnehmen in den Originalton. Horen wir zu und beginnenwir, die tiefe Ernuchterung Salomos zu verstehen: ”Was hat der Mensch fur Gewinn vonall seiner Muhe, die er hat unter der Sonne?” (Salomo 1,3)

Etwas moderner wurden wir sagen: was bringt der ewige Wettlauf um die neustenInnovationen, um Leadership und Wirtschaftsmacht, um Wettbewerbe, Talkshows, Lotto-gewinne ...?

”Ich sah alles Tun, das unter der Sonne geschieht, und siehe, es war alles eitel undHaschen nach dem Wind.” Der treusorgende Familienvater oder das kinderlose Ehepaarmit doppeltem Einkommen aus leitender Stellung ... was bringt das Sorgen, wohin fuhrtes uns? Macht es uns besser, voller Stolz, tief befriedigt ...? Was bleibt am Ende wirklichubrig? Klammern wir uns an den eingebildeten Erfolg unseres Lebens?

182 Die Bibel fur Menschen von heute ...

Salomo ist ernuchtern ehrlich und ohne jede Illusion. ”Ich tat große Dinge: ich baute mirHauser, ich pflanzte mir Weinberge, ich machte mir Garten und Lustgarten und pflanzteallerlei fruchtbare Baume hinein [...] Als ich aber ansah alle meine Werke, die meine Handgetan hatte, und die Muhe, die ich gehabt hatte, siehe, da war es alles nutzlos [eitel] undHaschen nach Wind und kein Gewinn unter der Sonne.” (Prediger 2,5-11)

Und Salomo kommt zur Verzweiflung und zur Verachtung aller Hoffnung: ”Darumverdroß es mich zu leben, denn es war mir zuwider, was unter der Sonne geschieht, daßalles eitel ist und Haschen nach dem Wind.” (Prediger 2,17)

Salomo erkennt inmitten dieser Dinge, daß alles von Gott kommt: ”Doch dies sah ichauch, daß es von Gottes Hand kommt. Denn wer kann frohlich essen und genießen ohneihn?” (Prediger 2,24) Ist hier nun der Ruhepunkt und eine Uberwindung des Nihilismus(einer alles fur Nichts achtenden Einstellung) des Salomo erreicht? Nein - auch in GottesUmgang mit den Menschen sieht Salomo hier das Haschen nach dem Winde: auch Gottessehr verschiedener Umgang mit unterschiedlichen Menschen scheint ihm eitel (nutzlos)und ein Haschen nach dem Wind...!

Eine weitere Entwicklung der Empfindungen und Gedanken des Predigers Salomo erle-ben wir im dritten Kapitel des Buches der Prediger. ”Alles hat seine Zeit ...” heißt es hier.Nicht mehr ”alles ist eitel (nutzlos).” Nein ...! Nachdem Salomo sich den Zweifeln und derHoffnungslosigkeit ohne Verdrangung ausgesetzt hat, kommt ein Stuck weit die Auflosungseiner Gefuhle durch die Einsicht und den tiefen Blick hinein in die Weltgeschichte: ”alleshat seine Zeit!”

Geboren werden hat seine Zeit.Sterben hat seine Zeit.Pflanzen hat seine Zeit.Ausreißen hat seine Zeit.Toten hat seine Zeit.Heilen hat seine Zeit.Weinen hat seine Zeit.Lachen hat seine Zeit.Klagen hat seine Zeit.Tanzen hat seine Zeit.

Immer noch bleibt die Sicht des ernuchternten Predigers: ”man hat keinen Gewinndavon ...” (Prediger 3,9) Doch auch hoffnungsvolle Momente erwachen: ”Und Gott hat dieEwigkeit in das Herz des Menschen gelegt.” (Prediger 3,11)

Selbst in seinem Nihilismus und seiner bodenlosen Ernuchterung stellt der Predigerfest: ”Gott wird richten den Gerechten und den Gottlosen.” (Prediger 3, 17+18) Salomoschließt diese Passage mit dem Rat: ”So sah ich denn, daß nichts besseres ist, als daß derMensch frohlich sei in seiner Arbeit; denn das ist sein Teil.” (Prediger 3,22)

Roland Potthast 183

5.4.3 Aufgeblasen und nichts dahinter ... (II) - das Sterben (!)

Die Begegnung mit dem Prediger Salomo und seinen ernuchternden Einsichten in dasmenschliche Leben fuhren uns direkt zur Frage nach dem Sterben. Wenn das Leben sonutzlos ist ... wie ist es mit dem Tod bestellt ... was zahlt wirklich? Gibt es ein Leben nachdem Tode? Dabei werden wir mitten hineingefuhrt in das neue Testament ... in tiefere undweiter reichende Einsichten in die Zusammenhange von Leben und Tod!

Lassen Sie uns die Fortsetzung der Geschichte ansehen und auch die Aufgeblasenheitund Nutzlosigkeit des Todes und der Verganglichkeit erfahren. Ja, gerade diese Grenzeallen menschlichen Lebens - ja allen Lebens dieser Erde uberhaupt - hat seine Schranke:”Der Tod ist verschlungen vom Sieg” (1.Korinter 15)

Im Neuen Testament wird dieser Sieg immer und immer wieder bekannt gemacht: ”Undsie gingen eilends weg vom Grab ... da begegnete ihnen Jesus.” (Matth. 28,11) – ”Was suchtihr den Lebenden bei den Toten? Er ist nicht hier, er ist auferstanden.” (Lukas 24,5+6) –”Diesen Jesus hat Gott auferweckt; dessen sind wir alle Zeugen.” (Apostelgeschichte 2,32)

Und im Lichte der Auferstehung wird ein ganz neues Licht auch auf das menschlicheLeben, die menschlichen Muhen und Arbeit geworfen. Paulus spricht dies klar aus imKorinterbrief: ”Darum, meine lieben Bruder, seid fest, unerschutterlich und nehmt immerzu in dem Werk des Herrn, weil ihr wißt, daß eure Arbeit nicht vergeblich ist in demHerrn.” (1. Korinther 15,58) Darum kann Paulus triumphierend, ja geradezu ubermutigausrufen:

Tod, wo ist dein Sieg?Tod, wo ist dein Stachel?

Die Nutzlosigkeit des Todes ist besiegt. Die Verzweiflung ist voruber durch die MachtGottes in Jesus Christus.

5.4.4 Wort beim Wein: Einladung zur Hoffnung ...

Wir mochten Sie heute einladen zur Hoffnung. Das bedeutet: zu einer Hoffnung uberdie Muhen und Schwierigkeiten des Lebens hinaus. Aber auch: zu einer Hoffnung uberdie Freuden und schonen Dinge des Lebens hinaus. Zu einer Hoffnung auf ein Leben inungetrubter Gemeinschaft mit dem, der Anfang und Ende ist ”Alpha und Omega”, derErste und Letzte, der ”Menschensohn”, ”Wunderrat, ewig Vater, Friedefurst”.

Wir laden Sie ein zu einem Leben im Glauben an Jesus Christus, den Sohn und HeilandGottes. Es ist ein Leben, daß uber den Tod hinaus denkt und handelt, hofft und glaubt.Der Geist Gottes heilt und erneuert unsere Hoffnung an jedem Tag.

Beginnen Sie ein Leben mit Jesus Christus im Gebet, im direkten Gesprach mit Gott,dem Schopfer des Himmels und der Erde, und mit seinem Sohn Jesus Christus ... er sitztzur Rechten Gottes, von dort wird er kommen zu richten die Lebenden und die Toten.

Glauben Sie mit uns, wie die Apostel glaubten. Dieser Glaube ist zusammengefaßt imApostolischen Glaubensbekenntnis.

184 Die Bibel fur Menschen von heute ...

Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmachtigen,den Schopfer des Himmels und der Erde,- einziger Gott, Schopfer aller Machte und Gewalten -und an Jesus Christus,seinen eingeborenen Sohn, unseren Herrn,- den Sohn Gottes, Gott von Ewigkeit -empfangen durch den heiligen Geist,geboren von der Jungfrau Maria,- Mensch geworden, wirklicher und voller Mensch -gelitten unter Pontius Pilatus,gekreuzigt, gestorben und begraben,hinabgestiegen in das Reich des Todes,- er trug unsere Schuld, er litt fur uns -am dritten Tage auferstanden von den Toten,aufgefahren in den Himmel;- Beginn einer neuen Schopfung,Macht Gottes uber Korper und Geist -er sitzt zur Rechten Gottes, des allmachtigen Vaters;- er ist bei den Seinen in jeder Minute ihres Lebens -von dort wird er kommen,zu richten die Lebenden und die Toten.- Gott schafft Gerechtigkeit. -Ich glaube an den heiligen Geist,- der uns erfullt, heilt, besanftigt -die heilige christliche Kirche,- heilig trotz aller ihrer Fehler und Irrtumer,heilig durch das stellvertretende Leidenund Sterben Jesu Christi -Gemeinschaft der Heiligen,- die Gemeinschaft von Menschen, die anJesus Christus glauben, mit ihm heute leben unddurch Gottes Geist verbunden sind -Vergebung der Sunden,- das offene Tor zu Gott durch Jesus Christus -Auferstehung der Toten- Tod, wo ist dein Sieg? -und das ewige Leben!

Mit der Einladung zum Glauben schließt die Bibel:

Und der Geist und die Braut [die Gemeinde],sie sprechen: Komm!Und wer es hort, der spreche: komm!Und wer da Durst hat, der nehme das Wasserdes Lebens umsonst! (Offb. 22,17)

Roland Potthast 185

5.5 Ein desillusionierter Akademiker ... - am Ende einer Suche (PredigerSalomo 8-12)

5.5.1 Fur Eilige: am Ende einer Suche

Da hat einer viele Bucher gelesen, er hat studiert und viel gelernt, Er hat sich in derPraxis bewahrt, hat viele Dinge angefaßt, Großes bewegt, ist als Reprasentant, als Poli-tiker, als Fuhrer vieler Menschen zu Macht und Ansehen gelangt. Nun zieht er ein Fazitseines Weges, ist am Ende seiner Suche nach Wissen, Macht, Erkenntnis und Weisheitangekommen.

Wir begegnen Salomo, dem großen Konig Israels, bzw. einem Prediger, der in der Rolleund Nachfolge Salomos redet. Die Autorenfrage werden wir ubrigens ausklammern undstets einfach von ”Salomo” sprechen, dem Autor (bzw. den Autoren) des Buches Salomo.

Salomo nimmt uns mit in die ernuchternden Tiefen seiner Weisheit - er ist ein desillu-sionierter Akademiker, aber auch ein weitblickender Herrscher und Machthaber.

Wir werden uns heute auf die Frage fuhren lassen, wie es um das verborgene WirkenGottes steht. Es wird Stellung bezogen zur Frage nach dem Schicksal ... und Salomo hatuns eine ganze Reihe wichtiger Hinweise in amusanter oder in eindringlicher Form mit aufden Weg zu geben ...

Tipps fur diese Woche:1) Haben Sie sich schon einmal daruber geargert, daß es Leuten gut geht, die anderen

Gewalt antun oder die ihren Reichtum erschwindelt haben? Wie, denken Sie, sieht Gottdiese Dinge? Denken Sie einmal vorsichtig daruber nach!

2) Welche gesunde Einstellung gibt es zu Genuß und Arbeit, zu zielgerichteter Lebens-gestaltung oder einem ”Carpe Diem” - einem am jeweiligen Tag ausgerichteten Leben?Wie gestalten Sie Ihr Leben in dieser Spannung? Beschaftigen Sie sich damit!

5.5.2 Lebenseinsichten mit Durchblick ...

Den Ausfuhrungen des Predigers Salomo kann man sich auf ganz unterschiedliche Weisenahern. Die einen lesen munter drauf los ... und lassen sich vom Autor durch die Hugel undTaler der Gedanken und Einsichten begleiten. Andere suchen systematisch ein Thema nachdem anderen heraus und gruppieren die Einsichten thematisch ... schon sortiert und immerder Reihe nach. (Naturlich gibt es auch noch die redaktionskritischen, literarkritischen,historischen, skeptischen, systematischen und weitere Herangehensweisen, die wir aberhier nur im Hintergrund stehen lassen und nicht explizit in den Blick nehmen.)

Wir wollen uns heute ein klein wenig am zweiten Vorgehen orientieren und einigeThemen anschneiden.

I. Thema: das Schicksal von Gerechten und Ungerechten, von Glaubigenund Unglaubigen. Salomo beobachtet messerscharf, daß der Glaube an Gott nicht unbe-dingt weltliches Wohlergehen nach sich zieht. ”Und weiter sah ich Gottlose, die begrabenwurden und zur Ruhe kamen; aber die recht getan hatten mußten hinweg von heiligerStatte und wurden vergessen in der Stadt. Das ist auch nutzlos.” (Prediger 8,10)

186 Die Bibel fur Menschen von heute ...

”Es ist nutzlos, was auf Erden geschieht: es gibt Gerechte, denen geht es, als hattensie die Werke der Gottlosen getan, und es gibt Gottlose, denen geht es, als hatten sie dieWerke der Gerechten getan. Ich sprach: Das ist auch nutzlos.” (Prediger 8,14) Salomo istvollig desillusioniert. Und er halt dem Glaubenden nicht als ein Muß die Hoffnung entgegen,nicht leere Worte: Gott wird schon alles richten. Nuchtern und ohne jede Kraftanstrengungmuhsamer Positivitat stellt er fest:

”Es begegnet dasselbe dem einen wie dem andern: dem Gerechten wie dem Gottlosen,dem Guten und Reinen wie dem Unreinen; dem, der opfert wie dem, der nicht opfert.[...] Das ist das Ungluck bei allem, was unter der Sonne geschieht, daß es dem einen gehtwie dem andern.” (Prediger 9,2+3) ”Da ist ein Gerechter, der geht zugrunde in seinerGerechtigkeit, und da ist ein Gottloser, der lebt lange in seiner Bosheit.” (Prediger 7,15)

Bei all dem mussen wir die Art und Weise der Ernuchterung Salomos festhalten. Salomoist ernuchtert im Angesicht Gottes, d.h. er ist nicht gottlos in seinem Durchblick undseinem Skeptizismus. Gerade weil Salomo Gott ganz treu und zugewandt ist, werden seineWorte um so gewichtiger und reiner. Keine Falschheit ist in den Einsichten, keine Anklage,kein Haß.

Sie mogen vielleicht einwenden, daß Salomo hier doch nur einen kleinen Teil der Wahr-heit sieht, durchaus zu recht. Aber gerade diese Beschranktheit seines Blicks - ja desmenschlichen Blicks fur die Zusammenhange der Welt uberhaupt - wird von Salomo sehrklar und deutlich erkannt. Damit sind wir bei Thema II:

II. Thema: Verborgenheit des Handelns Gottes . Die Verborgenheit Gottes undseines Handelns in der Weltgeschichte und dem Leben von Menschen hat verschiedeneAspekte. Da ist die Unwissenheit des Menschen: bei all seiner Einsicht in die Natur unddie Naturvorgange (z.B. die Naturgesetze) ist er doch blind fur die Gesamtzusammenhangeund blind fur Gottes Wirken in der Welt.

Salomo schreibt: ”Denn er [der Mensch] weiß nicht, was geschehen wird, und wer willihm sagen, wie es werden wird?” (Prediger 8,7) ”Und ich sah alles Tun Gottes, daß einMensch das Tun nicht ergrunden kann, das unter der Sonne geschieht. Und je mehr derMensch sich muht, zu suchen, desto weniger findet er. Und auch wenn der Weise meint,ich weiß es, so kann er es doch nicht finden.” (Prediger 8,17)

Ein zweiter und zentraler Aspekt der Verborgenheit Gottes ist die Verborgenheit desGerichtes. Salomo kommt immer wieder zu den zwei Fundamenten seiner Einsicht in dasGericht Gottes zuruck:

1. Fundament: jedes Vorhaben, jeder Gedanke, jedes Wort und jede Handlung wirdgerichtet werden zu seiner Zeit (Existenz des Gerichts). Dabei tut Salomo einen tiefenBlick hinein in das, was im ganzen alten und neuen Testament als die abgrundtiefe Sunde(Zielverfehlung) des Menschen beleuchtet wird: ”Denn jedes Vorhaben hat seine Zeit undsein Gericht, und des Menschen Bosheit liegt schwer auf ihm.” (Prediger 8,6).

2. Fundament: das Gericht Gottes liegt teils innerhalb, teils jenseits der weltlichenLebenswirklichkeit des Menschen (Immanenz und Transzendenz des Gerichts). Salomoschreibt: ”Weil das Urteil uber boses Tun nicht sogleich ergeht, wird das Herz der Menschenvoll Begier, Boses zu tun.” (Prediger 8,11) ”... aber wisse, daß Gott dich um alles vor

Roland Potthast 187

Gericht ziehen wird.” (Prediger 11,9)Daß dieses Gerichtsthema nicht unwesentlich ist, macht spatestens das Fazit am Ende

des gesamten Salomo-Buches klar. Der letzte Satz versucht dem Leser die Dringlichkeitnoch einmal ganz ungeschminkt vor Augen zu malen: ”Laß uns die Hauptsumme allerLehre horen: Furchte Gott und halte die Gebote; denn das gilt fur alle Menschen. DennGott wird alle Werke vor Gericht bringen, alles, was verborgen ist, es sei gut oder bose.”(Prediger 12,13+14)

III. Thema: Wertlosigkeit der Weisheit. Nach viel Lob der Weisheit, das wirin den Abschnitten uber die Spruche kennengelernt haben, holt uns hier Salomo wiederauf den Boden der Tatsachen zuruck. Salomo ruckt die Wertlosigkeit der Weisheit in denBlickpunkt unserer Aufmerksamkeit. Er stellt die Wertlosigkeit der Weisheit in eine Reihemit der Wertlosigkeit von Starke, Schnelligkeit, Geschicklichkeit ...:

”Wiederum sah ich, wie es unter der Sonne zugeht: Zum Laufen hilft nicht schnell sein,zum Kampf hilft nicht stark sein, zur Nahrung hilft nicht geschickt sein, zum Reichtumhilft nicht klug sein; daß einer angenehm sei, dazu hilft nicht, daß er etwas gut kann,sondern alles liegt an Zeit und Gluck.” (Prediger 9,11) Oder: ”Des Armen Weisheit wirdverachtet und auf seine Worte hort man nicht.”

Auch hier mussen wir verstehen, daß Salomo uns nicht ein System zur Gesamtbeur-teilung der Welt geben will. Wir werden mit verschiedenen - ja in mancherlei Hinsichtwiderspruchlichen Einsichten konfrontiert, die man wie kleine Meßlatten an einen ver-schlungenen Weg oder eine gebirgige Landschaft legen kann.

IV. Thema: zwischen Jugend und Alter. ”So freu dich, Jungling, in deiner Jugendund laß dein Herz guter Dinge sein in deinen jungen Tagen.” (Prediger 11,9) Salomo gibtguten Rat allen jungen Leuten, Jugendlichen genauso wie den jungen Familien und denreifen Vierzigern.

A. Nutzt die Zeit, die euch gegeben ist! - so der erste Rat des Predigers. Nutzt dieZeit und genießt das, was euch zur Verfugung steht. ”So geh hin und iß dein Brot mitFreuden und trink deinen Wein mit gutem Mut; denn dies dein Tun hat Gott schon langstgefallen.” (Prediger 9,7)

B. Denke fruhzeitig an deinen Schopfer und verlaß dich nicht auf Jugend oder Kraft!So lautet der zweite Rat des Predigers. (vgl. Prediger 12,1) Denk daran, daß du alt undzittrig werden wirst, daß deine Krafte nachlassen und du schließlich wieder zu Erde wirst,wovon du genommen bist.

C. Tu, was dir Freude macht und was dich erfullt, aber bedenke, daß dich Gott um alleszu Gericht ziehen wird. (Prediger 11,9) Den Rat Salomos, das Leben als Fest zu begehen,werden wir im Abschnitt 4 aufgreifen.

5.5.3 Wirtschaft, Politik und Familie

Wir wollen nun einige weitere Worte des Salomo zu Wirtschaft, Politik und Familie ken-nenlernen und versuchen, ihre heutige Bedeutung herauszufinden.

1. Hute dich davor, daß viel gute Muhe verdorben wird durch ein wenig Bosheit. ImOriginal sagt Salomo: ”Weisheit ist besser als Kriegswaffen; aber ein einziger Bosewicht

188 Die Bibel fur Menschen von heute ...

verdirbt viel Gutes.” (Prediger 9,18) ”Tote Fliegen verderben gute Salben.” (Prediger10,1)

Modern: Einige korrupte Politiker verderben eine ganze Partei. Ein bestechliches Vor-standsmitglied zieht das Unternehmen in den Bankrott. Kluge Voraussicht spart viel Geld,aber wer auf schnellen Gewinn aus ist, hat keinen Sinn fur dauerhaften Wohlstand.

2. Toren halten oft andere fur Toren und sich selbst fur klug. ”Auch wenn der Tor aufder Straße geht, fehlt es ihm an Verstand, doch er halt jeden andern fur einen Toren.”(Prediger 10,3) ”Der Tor macht viele Worte.” (Prediger 10,14) Modern: Sei vorsichtig,wenn jemand vorgibt, in vielem Bescheid zu wissen! Wer viel redet, kann nicht in allemrichtig liegen. Wenn einer meint, andere belehren zu mussen, da ist fur jeden Unwissendenmehr Hoffnung als fur den.

3. Gelassenheit in Turbulenzen bringt Gewinn. ”Wenn des Herrschers Zorn wider dichergeht, so verlaß deine Statte nicht; denn Gelassenheit wendet großes Unheil ab.” (Pre-diger 10,4) Modern: Wenn du in Arger und Vorwurfen steckst, da bleibe ruhig, denn dasGewitter wird voruberziehen! Verschlimmere nicht den Zorn von Menschen durch deineeigene Reaktion, sondern bleibe ruhig und besanftige sie, um dann in Ruhe die Sachfragenklaren zu konnen.

4. Fleiß baut ein Haus auf und bringt Wohlstand. ”Durch Faulheit sinken die Balken,und durch lassige Hande tropft es im Haus.” (Prediger 10,18) ”Die Arbeit ermudet denToren.” (Prediger 10,15) ”Wenn ein Eisen stumpf wird und an der Schneide ungeschliffenbleibt, muß man mit ganzer Kraft arbeiten. Aber Weisheit bringt Vorteil und Gewinn.”(Prediger 10,10) Modern: Mit dem richtigen Werkzeug kann man in Minuten leisten, wassonst Tage oder Wochen dauert. Wer fleißig und zuverlassig ist, der wird geschatzt unddessen Rat und Arbeit wird gesucht. Dem Fleißigen gibt seine Arbeit neue Kraft.

5. Vorsicht und Umsicht sind wichtig. ”Wer eine Grube grabt, der kann selbst hinein-fallen, und wer eine Mauer einreißt, den kann eine Schlange beißen. Wer Steine bricht, derkann sich dabei wehe tun, und wer Holz spaltet, der kann dabei verletzt werden.” (Prediger10,9) Modern: Wer mit dem Auto fahrt, kann einen Unfall haben. Eine Investition kannverloren gehen. Bei der Hausarbeit kann man sich verletzen. Wer Sport treibt, kann sichZerrungen und Prellungen holen. Im Winter bekommt man schnell eine Grippe.

6. Rede nicht schlecht uber andere, auch nicht in deinen eigenen vier Wanden oderin Gedanken. ”Fluche dem Konig auch nicht in Gedanken und fluche dem Reichen auchnicht in deiner Schlafkammer; denn die Vogel des Himmels tragen die Stimme fort, und dieFittiche haben, sagen es weiter.” (Prediger 10,20) Modern: Wunsche keinem Machtigenoder Reichen Boses - auch nicht in Gedanken oder bei dir zu hause im Geheimen.

5.5.4 Nimm das Leben als ein Fest! ...

Salomos Fazit seiner Erfahrungen ist die Aufforderung, das Leben frohlich zu leben. Erbeschreibt das Leben als Feier oder Fest: ”Laß deine Kleider immer weiß sein, laß deinemHaupt Salbe nie mangeln.” (Prediger 9,8)

Diese Ermutigung zum bewußten Genuß wollen wir uns noch ausfuhrlicher ansehen:”Genieße das Leben mit deiner Frau, die du lieb hast, solange du das nutzlose Leben hast,das dir Gott unter der Sonne gegeben hat; denn das ist dein Teil am Leben und bei deiner

Roland Potthast 189

Muhe unter der Sonne.” (Prediger 9,9) Weiter heißt es: ”Alles, was dir vor die Handekommt, es zu tun mit deiner Kraft, das tu; denn bei den Toten, zu denen du fahrst, gibtes weder Tun noch Denken, weder Erkenntnis noch Weisheit.”

Salomo ermutigt hier klar, daß Leben zu nutzen, zu genießen und in der Verantwortungvor Gott alle Moglichkeiten auszuschopfen. Wie kann man nun diese Aufforderungen imLicht des neuen Testaments sehen? Sie werden einerseits relativiert und auf neue Art undWeise bestatigt.

Durch das Leben Jesu ist ein vollig neues Moment in das Leben des glaubenden Men-schen getreten. Jesus raumt alle Schuld zwischen Gott und dem Menschen weg, Jesus offnetdie unbeschrankte Gegenwart des heiligen Geistes und ermoglicht dem sich Gott offnendenMenschen weitreichende Gemeinschaft mit Gott. Diese Gemeinschaft begrundet ein ganzneues Fest: das Fest der Gegenwart Gottes und eines Lebens in kindlichem Vertrauen.

Das sehr weltliche Fest des Lebens, das uns der Prediger Salomo nahelegt, wird durchJesus Christus mit neuem Leben erfullt: ”Darin ist erschienen die Liebe Gottes unter uns,daß er seinen menschgeborenen Sohn gesandt hat ...”

Es sind dann auch nicht mehr alle weltlichen Moglichkeiten auszuschopfen, sondernder Weg und die Botschaft Jesu fuhren zu einer neuen Bewertung der Moglichkeiten. Waswirklich wichtig ist, ist das Leben und die Botschaft Jesu Christi: das Evangelium. Denndurch das Evangelium erlangen Menschen Kenntnis von der Liebe Gottes und durch dasweitergegebene Wort Jesu konnen sie die heilende Gegenwart Gottes erfahren.

Fazit: wir sind seit der Entstehung des neuen Testaments zu einem weiterreichendenFest des Lebens eingeladen: das Fest der heilenden Liebe Gottes in Jesus Christus.

5.6 Moderne Tiefseetaucher ... - Gottes Weisheit in Christus (1.Korin-ther 1+2)

5.6.1 Fur Eilige: Die Weisheit vom Kreuz ...

Wir haben heute von einer Weisheit zu berichten, die ist nicht so ohne weiteres zu begreifen.Man kann sich sogar streiten, ob es uberhaupt eine Weisheit ist fur viele. In einer Zeit, inder alles fur alle zuganglich ist, soll diese Weisheit doch vielen verborgen sein! Das ist eineungeheuerliche Zumutung!

Die Weisheit um die es geht ist ”das Wort vom Kreuz” - der Bericht vom Tod JesuChristi als Verbrecher und Aufruhrer am Kreuz der Schadelstatte ”Golgatha.” Was hatein solcher Bericht mit ”Weisheit” zu tun? Wir werden uns das fragen. Wir werden unsauch mit ”weltlicher Weisheit” beschaftigen, das meint: Weisheit, die unsere Gesellschaftals Weisheit sieht und empfindet.

Weisheit heute bedeutet: Wissenschaft, Engineering Science, Technologie, neue undalte Medien, Medizin, Geschichtsforschung, Literatur und Kunst, Film und Theater ...uberall finden wir Weisheit! Fragen Sie mit uns nach dem Verstandnis des Apostels Paulusvon der Weisheit. Fragen Sie mit uns nach Gottes Weisheit und was sie heute bedeutet!Unsere Tour durch die Bibel ist und bleibt spannend.

Tipps fur diese Woche:1) Denken Sie einmal daruber nach, was das Ziel von Weisheit ist. Formulieren Sie

190 Die Bibel fur Menschen von heute ...

Ziele!2) Konnen Sie im Tod Jesu eine Weisheit erkennen? Was konnte den Zugang zu dieser

Weisheit ermoglichen?

5.6.2 Von Torheit und Weisheit (1.Kor.1+2)

Woraus besteht Weisheit und Erkenntnis? Was ist das Fundament von Weisheit? ”Ichdanke meinem Gott allezeit ...”, schreibt der Apostel Paulus an die Gemeinde in Korinth,”dass ihr in allen Stucken reich gemacht seid, in aller Lehre und in aller Erkenntnis.”

Hohes Lob aus apostolischem Mund. Doch Paulus erklart auch, warum er so voll derpositiven Worte uber diese Gemeinde ist: ”Denn die Predigt von Christus ist in euchkraftig geworden, so dass ihr keinen Mangel habt an irgendwelcher Gabe und wartet nurauf die Offenbarung unseres Herrn Jesus Christus.”

Paulus stellt Christus in den Mittelpunkt der Weisheit und der Erkenntnis. Durch die”Predigt von Christus” kommt Weisheit ... diese Predigt ”wird machtig”, die Predigt vonChristus hat geradezu eine eigene Macht. Dabei distanziert sich Paulus in aller Weisheitvon ”klugen Worten”: ”Denn Christus hat mich nicht gesandt, zu taufen, sondern dasEvangelium zu predigen - nicht mit klugen Worten, damit nicht das Kreuz Christi zunichtewerde.”

Es ist eine verbluffende Einsicht, dass ”kluge Worte” eine Weisheit zerstoren oderzumindest ihre Wirkung zunichte machen konnen. Doch fur das Evangelium von Christusscheint das zuzutreffen: es muss in einfachen Worten weitergegeben und erklart werden!

Dann kommt Paulus zu tiefliegenden Ausfuhrungen uber die Weisheit Gottes. Er er-klart die Art und Weise, wie die Weisheit vom Kreuz erfasst und verstanden werden kann.”Denn das Wort vom Kreuz ist eine Torheit denen, die verloren werden; uns aber, die wirselig werden, ist’s eine Gotteskraft.”

Das ist eindeutig: nicht fur jeden ist die Weisheit erkennbar - einige betrachten sieals Torheit. Ja ist denn die Weisheit nicht fur jeden da? Doch, aber es erscheint dochvielen als eine Torheit. Und Paulus stellt klar, dass es sich hierbei nicht um ein Versehenhandelt, nicht um eine eher hilflose Erklarung der Nachfolger Jesu. Gott selbst hat es sogewollt: ”Denn es steht geschrieben: Ich will zunichte machen die Weisheit der Weisen,und den Verstand der Verstandigen will ich verwerfen. Wo sind die Klugen? Wo sind dieSchriftgelehrten? Wo sind die Weisen diese Welt?”

Das ist harter Toback ... wie schon so oft erklart Paulus in seiner geradlinigen Artfundamentale Zusammenhange und vermittelt grundlegende Einsichten. ”Hat nicht Gottdie Weisheit der Welt zur Torheit gemacht? Denn weil die Welt, umgeben von der WeisheitGottes, Gott durch ihre Weisheit nicht erkannte, gefiel es Gott, durch die Torheit derPredigt selig zu machen, die daran glauben.”

Paulus redet hier auf verschiedenen Ebenen. Einmal benutzt er die Terminologie derweltlichen Menschen - also ”Weisheit” fur das, was Menschen als ”Weisheit” empfindenund was sie darunter verstehen. Mit dieser Weisheit haben sie jedoch Gott nicht erkennenkonnen - darum machte Gott durch ”die Torheit der Predigt” Menschen selig. Auch hierist ”Torheit der Predigt” wieder im Denken der weltlichen Menschen formuliert - dennnur fur sie, die nicht zu Gott finden konnen, ist die Predigt Torheit. Darauf spielt Paulus

Roland Potthast 191

dann spater an, wenn er sagt:”Wovon wir aber reden, das ist dennoch Weisheit bei den Vollkommenen; nicht eine

Weisheit dieser Welt, auch nicht der Herrscher dieser Welt, die vergehen. Sondern wirreden von von der Weisheit Gottes ...” (1.Kor.2,6+7)

Zunachst aber beschaftigt sich Paulus mit der Weisheit der Welt ganz konkret. Er ana-lysiert das Verhalten von Juden und Griechen - die hier mit ihrem Weisheitsverstandnissehr verschiedene Wege gehen. Die Juden ”fordern Zeichen”, d.h. sie suchen Gott durchBeweise seiner Macht in Form von Wundern oder wunderahnlichen Ereignissen zu erken-nen. Die Griechen dagegen ”fragen nach Weisheit”, d.h. sie wollen uber den Verstand einenZugang zu Gott bekommen, sie suchen das Logos, die der Welt innewohnende Weisheitund die Erkenntnis, die durch den menschlichen Geist zu erreichen ist.

Heute sind wir nicht so weit entfernt von diesen damals machtvollen geistigen Stromun-gen. Die Weisheit im Europa des 21. Jahrhunderst haben wir schon angedeutet: Wissen-schaft und Kultur sind unsere Weisheit, welche uns tiefe Einsichten in die Welt gebrachthat. Kultur ist eine schopferische Kraft, die den Menschen erfullen und reich machen kann- und in jeder guten Kultur liegt viel Weisheit. Gleichzeitig will unsere Kultur Gott prak-tisch erleben. Das Erleben und Erfahren ahnelt in vielem der Suche der neutestamentlichenJuden nach den Zeichen des Messias. Das Erkennen Gottes, der seine Boten in die Weltsendet, ist heute nicht leichter geworden als zu Lebzeiten Jesu!

Paulus hat eine klare Antwort auf die Frage nach der Weisheit und die Frage nachGott: ”denen aber, die berufen sind, predigen wir Christus als Gottes Kraft und GottesWeisheit.”

Christus ist das Zentrum der Weisheit Gottes. Christus - zu ihm gehort sein Leben,aber auch sein Sterben am Kreuz, zu ihm gehort die Auferstehung und die Himmelfahrt,das Kommen des Geistes Gottes und die bestandige Gegenwart des Sohnes Gottes: ”Siehe,ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.” (Evangelium des Matthaus)

Paulus bietet uns dann eine Form von statistischer Analyse von Gottes Berufung. ”...nicht viele Weise nach dem Fleisch, nicht viele Machtige, nicht viele Angesehene sindberufen. Sondern was toricht ist vor der Welt, das hat Gott erwahlt, damit er die Weisenzuschande mache; und was schwach ist vor der Welt, das hat Gott erwahlt, damit erzuschande mache, was stark ist; und das Geringe vor der Welt und das Verachtete hatGott erwahlt, das was nichts ist, damit er zunichte mache, was etwas ist, damit sich keinMensch vor Gott ruhme.”

Paulus stellt klar: Es geht um Jesus Christus, den Gekreuzigten. Nicht um weise Ein-sichten, nicht um tiefliegende Erkenntnisse, nicht um schongeistige Worte. Es geht umnackte und machtvolle Tatsachen: ”Denn ich hielt es fur richtig, unter euch nichts zuwissen als allein Jesus Christus, den Gekreuzigten ... damit euer Glaube nicht stehe aufMenschenweisheit, sondern auf Gottes Kraft.” (1.Kor.2, 2+5)

5.6.3 Vom Geist Gottes - vom geistlichen Menschen

Paulus schreibt immer wieder uber den Geist Gottes. Gerade angesichts einer jahrhunderte-wahrenden Vernachlassigung des Redens uber den Geist Gottes und einer in einigen christ-lichen Bewegungen des 20. und beginnenden 21. Jahrhunderts ublichen starken Fokussie-

192 Die Bibel fur Menschen von heute ...

rung auf Geistesphanomene mussen wir uns die reichen neutestamentlichen Passagen uberden Geist Gottes mit besonderer Sorgfalt ansehen.

Paulus leitet seine Ausfuhrungen uber den Geist Gottes ein mit Worten uber die Er-kenntnis Gottes: ”Was kein Auge gesehen hat und kein Ohr gehort hat und in keinesMenschen Herz gekommen ist, was Gott bereitet hat denen, die ihn lieben.” (1.Kor.2, 9)

Es ist eine neue Zeit angefangen mit der Ausschuttung des heiligen Geistes zu Pfing-sten. Nachdem Jesus Christus alle menschliche Schuld auf sich genommen hat, nachdemdie Strafe vollstreckt und der Tod eingetreten ist, nachdem Gott sich zu seinem Sohn be-kannt und ihn von den Toten auferweckt hat, ist der Weg frei fur eine uneingeschranktemenschliche Gemeinschaft mit Gott. Diese Gemeinschaft ist eine Gemeinschaft ”durch denheiligen Geist”.

In den Passagen von Kapitel 2 des 1. Korintherbriefes geht es zunachst um die durchden Geist Gottes vermittelte Erkenntnis. Paulus schreibt von direkten Offenbarungen”durch den Geist”: ”Uns aber hat Gott offenbart durch seien Geist; denn der Geist er-forscht alle Dinge, auch die Tiefen der Gottheit.”

Der Geist Gottes ist lebendiges Wesen, wird als Person behandelt, die forscht, dieoffenbart, die redet, die lehrt. ”Wir aber haben nicht empfangen den Geist der Welt,sondern den Geist aus Gott, dass wir wissen konnen, was uns von Gott geschenkt ist.”

Paulus stellt klar, dass der Geist Gottes etwas ”ubernaturliches” ist - besser solltenwir wohl sagen ”uberweltlich”, denn er ist nicht der ”Geist der Welt” ... es ist der ”Geistaus Gott.” Die durchgangige Behandlung des Geistes Gottes als Gott, die wir im neuenTestament fast von der ersten bis zur letzten Zeile beobachten, legt die altkirchliche Lehrevon der Trinitat sehr nahe: Gott in Vater, Sohn und heiligem Geist. Doch unsere Aufgabeist es nicht, Dogmen zu vertreten oder zu rechtfertigen, sondern herauszuarbeiten, inwelchen biblischen Berichten und Passagen sie ihren Ursprung haben. Der Geist Gotteshandelt wie Jesus, der Sohn Gottes, in gottlicher Kompetenz und Autoritat.

Und noch einmal stellt Paulus die weltliche Weisheit dem Geist Gottes gegenuber:”Und davon reden wir auch nicht mit Worten, wie sie menschliche Weisheit lehren kann,sondern mit Worten, die der Geist lehrt, und deuten geistliche Dinge fur geistliche Men-schen.”

Wie zwei Welten scheinen die ”weltliche” Welt und die ”geistliche” Welt voneinandergetrennt. Unuberbruckbar und ohne eine Moglichkeit der Kommunikation: ”Der naturlicheMensch aber vernimmt nichts vom Geist Gottes; es ist ihm eine Torheit, und er kann esnicht erkennen; denn es muss geistlich beurteilt werden.”

Sicherlich durfen wir hier fragen, wie denn der naturliche Mensch Gott kennenlernensoll, wenn er nichts vom Geist Gottes vernimmt. Die Antwort hat Paulus schon selbstgegeben: durch die ”Torheit der Predigt” wird jeder Mensch angesprochen - durch dieBerichte, Lieder, Vortrage, Erzahlungen von Christen. Ein Mensch kann hineintreten indie Gegenwart Gottes und zum ”geistlichen Menschen” werden, kann sich offnen fur dasKreuz Jesu und fur die Realitat des Geistes Gottes.

Roland Potthast 193

5.6.4 Wort beim Wein: Vom Vergnugen eines Bibelseminares ...

Die Worte uber den Geist Gottes, und die Erfahrungen, die ich wieder beim erstellen diesesBibelseminares machen mochte, sind eng miteinander verwoben und ich mochte Sie heuteein wenig daran teilhaben.

Der Geist Gottes lehrt - heißt es in den Passagen. Das erlebe ich immer und immerwieder, wenn ich mich intensiv mit der Bibel auseinandersetze. Ich versuche, die Passagenzu verstehen und bitte Gott, mich bei meinen Gedanken und beim Erstellen der Texte zuleiten. Oft weiss ich selbst vorher nicht so recht, wie ich es anfassen soll. Ich weiss sicherlichvieles uber die Texte, habe fast alle Texte schon viele male studiert, durchgearbeitet, inBibelstunden oder Predigten bearbeitet oder etwas daruber gehort. Und doch brauchtes mehr, wenn ich wirklich weiterkommen will: es braucht den Geist Gottes, der mir dieZeilen erklart, sie in den Zusammenhang stellt, und der mich belebt und meinen Sinn klarmacht.

Ich erlebe die Gegenwart des Geistes Gottes ubrigens sehr real und praktisch. Ichdenke, das muss nicht unbedingt so sein - jeder Mensch hat eine ihm eigene Art zu emp-finden, zu arbeiten, zu denken. Aber bei mir ist es ganz warm und voller Liebe, wennder Geist Gottes sich mir direkt zuwendet. Er befreit mich von jedem Zwang, von jederSelbstuberschatzung, von vielen Dingen, an die ich mich immer wieder innerlich hangenwill. Es ist ganz unbeschreiblich - aber wunderschon und ermutigend, diese Erfahrungenzu machen. Glucklicherweise kommen diese Momente immer und immer wieder - geradewenn ich intensiv die Bibel studiere und auch gerade, wenn ich die vielen Stunden desBibelseminares zusammenklaube.

In meiner Lebenserfahrung habe ich festgestellt, dass der Geist Gottes mich nichtimmer vor Irrtumern bewahrt. Das ist letztlich aber auch sehr trostlich. Ich darf meineEinsichten ernst nehmen, aber ich bin auf andere Menschen angewiesen, an denen ich dieDinge messe und die mir zur Korrektur gegeben werden. Solche Korrektur mussten selbstPetrus oder Paulus erfahren, und das empfinde ich als sehr beruhigend und befreiend.

Wir haben uber die Einfachheit gesprochen, uber ”das Geringe”, welches Gott erwahlt.So leitet der Geist Gottes mich deutlich dazu, nicht ein Bibelverstandnis in ausgeklugeltenTheorien zu suchen, sondern die einfachen Worte ernst zu nehmen, sie aber auch in denZusammenhang des neuen und alten Testaments zu stellen. Er selbst will sie dann erklaren- sowohl unmittelbar als auch durch die Einsichten, Worte und Texte von Christen ausvielen Jahrtausenden.

Ich mochte Ihnen ahnlich erwarmende Erfahrungen mit dem Geist Gottes wunschenund herzlich zusprechen: nehmen Sie hin den heiligen Geist! Sie erfahren damit bruchstuck-haft, worauf alle Christen warten, wenn das Reich Gottes zu ganzer Macht durchdringtund Gott seine Herrschaft aufgerichtet hat.

194 Die Bibel fur Menschen von heute ...

5.7 Und hatte ich die Liebe nicht ... - das Hohelied der Liebe (1. Ko-rinther 13)

5.7.1 Fur Eilige: Liebe und Berechnung ...

Und hatte ich die Liebe nicht ... nicht nur Jugendliche entdecken in der Liebe die wichtig-sten Dinge, die ein Mensch im Leben geben und erfahren kann!

Und hatte ich die Liebe nicht ... sagt Paulus, und wenn ich noch so schon Singen oderReden konnte, noch so gelehrt, noch so mitreissend ... ich ware doch wie eine hohle Glocke,eine laute Leere, viel Larm um nichts!

Und hatte ich die Liebe nicht ... alle Anstrengungen, Gott zu gefallen, alle Opfer undEntbehrungen, alle Hingabe, aller Gehorsam, all das Befolgen von Regeln und Gesetzen,es ware mir nichts, aber auch gar nichts nutze!

Und hatte ich die Liebe nicht ... alle Wissenschaft, alle Theologie, ob Literaturwis-senschaft, Parteivorsitz, Geld, Erfindungen, Ehre, Erfolge ... ob Bucher oder Veroffentli-chungen, Bestseller, Talkshows, Hits, Videos ... alles ware mir nichts, aber auch gar nichtsnutze!

Warum all das? Warum die Liebe? Was hat es auf sich mit der Liebe?Daruber wollen wir uns unterhalten. Es bleibt spannend im Bibelseminar :-).

Tipps fur diese Woche:1) Was ist fur Sie Liebe? Wann fuhlen Sie sich von einem anderen Menschen geliebt?

Beobachten Sie sich und andere ... ganz unterschiedlich sind die Empfindungen von Liebe!2) Woran denken Sie, wenn Sie horen, dass Gott ”die Liebe” ist? Was bedeutet das

uberhaupt?

5.7.2 Wie ist die Liebe? Mal ernsthaft!

Wie ist die Liebe?Die Frage ist gar nicht so einfach, wie sie zuerst scheint ... auch wenn Sie vielleicht

sagen: klar, Liebe ist doch ... so und so.Es ist nicht so einfach, ”die Liebe” zu beschreiben. Denn einmal versteht jeder Mensch

etwas ein klein wenig anderes unter Liebe, und dann haben wir mit ein paar Erfahrungenmit menschlicher Liebe noch nicht ”die” Liebe verstanden ... wir haben Gott noch nichtkennengelernt, der als ”die Liebe” bezeichnet wird.

Paulus schreibt im ”Hohelied der Liebe” uber die Liebe. Er sagt:

• die Liebe ist absolut notwendig!

Wenn ich ohne Liebe handele, ist es vor Gott nichts wert. Ein Handeln ohne Liebenutzt mir nichts vor Gott, es ist hohl und leer. Paulus spricht insbesondere machtvolleWorte und Redevermogen an, ferner Macht und Hingabe. Ja, gerade das, was dochder Liebe am nachsten zu sein scheint: das Opfer, gerade das Opfer oder die Hingabeohne die Liebe ”ware mir nichts nutze” (1. Korinther 13,3).

• Liebe ist mehr als Hingabe und Liebe ist mehr als ”Taten der Liebe”!

Roland Potthast 195

Paulus versucht die Beschreibung ”der Liebe.” Dabei geht er negativ wie positiv vor,d.h. er beschreibt, was Liebe nicht ist und er stellt eine ganze Reihe von Handlungenoder Wesenszugen vor, welche die Liebe auszeichnen.

Es ist hilfreich, sich diese Wesenszuge der Liebe vor Augen zu halten:

• Liebe hat langen Atem

• Liebe ist freundlich

• Liebe wird nicht schnell zornig

• Liebe ist nicht mutwillig

• Liebe blaht sich nicht auf

• Liebe halt sich an gesellschaftliche Regeln

• Liebe versucht nicht, eigene Vorteile zu erringen

• Liebe wird nicht bitter

• Liebe rechnet jemandem Boses nicht an

• Liebe freut sich uber Wahrheit und freut sich nicht uber Ungerechtigkeit

Und am Ende blickt Paulus gleichsam tief hinein in eine Welt, die von der Liebegefuhrt wird:

• Die Liebe ertragt alles, glaubt alles, hofft alles, duldet alles. (1.Korinther 13,7)

Diese Liedzeilen uber die Liebe scheinen wie aus einem deftigen Heimatfilm. Sindsie nicht gleichsam weltfremd, schon, traumhaft, und auch ein klein wenig unwirklich?Wie wirklich sind die Zeilen des Paulus uber die Liebe? Wieviel Illusion, Selbstbetrug,Tauschung, Rausch und Flucht ist in unserer Traumwelt von der Liebe?

Wir mussen die Beschreibung der Liebe durch den Apostel Paulus zusammen mit denvielen anderen Texten zur Liebe betrachten, die das neue Testament uns mit auf den Weggibt: ”Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele undvon ganzem Gemut. Du sollst deinen Nachsten lieben wie dich selbst.”(Matth.22,37)

Die Liebe ist nicht als schoner Traum gedacht, nicht als eine Flucht aus der Wirk-lichkeit, sondern die Liebe ist die wahre Wirklichkeit! ”Gott ist die Liebe, und wer in derLiebe bleibt, der bleibt in Gott, und Gott in ihm.” (1.Joh. 4,16)

Die Liebe ist der Raum, in dem Christen leben und in dem allein sie leben konnen.Wo die Liebe nicht ist, ist der Tod! Und weil nur in der Liebe Leben ist, mussen sich dieApostel im neuen Testament immer wieder der Frage stellen: wie ist die Liebe? Was istLiebe in diesem Augenblick, gegenuber dem Mitmenschen, gegenuber den Dingen, mit denZielen, Gedanken, Notwendigkeiten ...

Und in immer neuen Beschreibungen wird Gott beschrieben, der die Liebe ist, die einzigwahre und lebendige Liebe. ”Furcht ist nicht in der Liebe” schreibt der Apostel Johannes

196 Die Bibel fur Menschen von heute ...

im 1. Johannesbrief. Auch er kommt zu den Liebesliedern, zu den Beschreibungen Gottes,zu den Realitaten der Liebe, so wie Paulus im Hohenlied der Liebe.

Die ganze Bibel ist ein Liebesbuch, ein Liebeslied, ein Gesang und Zeugnis einer tiefenund unersattlichen Liebe: der Liebe Gottes zu den Menschen und der Liebe einzelnerMenschen zu Gott. ”Wie der Hirsch lechzt nach frischem Wasser ...” schreibt der Psalmistim 42 Psalm ... Worte der Liebe, Worte der Sehnsucht: ”..so schreit meine Seele, Gott, zudir.”

5.7.3 Zwischen heute und Zukunft - was wir wissen ...

”Denn unser Wissen ist Stuckwerk ...” schreibt Paulus. ”Und unser prophetisches Redenist Stuckwerk.”

Es geht darum, was wir Menschen von Gott wissen konnen. Unvollstandig sind unsereErkenntnisse, sie sind immer nur ein sehr vorsichtiger und nebelbehafteter Blick hinein ineine andere Wirklichkeit.

”Jetzt sehen wir durch einen Spiegel ein dunkles Bild,” schreibt Paulus. Wir durfen unsdie Spiegel paulinischer Zeiten wie unser Spiegelbild in einem Fluss oder Weiher vorstellen,dunkel und schemenhaft!

”Jetzt erkennen wir stuckweise!” ... Den Theologen und Besserwissern moderner undvergangener Zeiten mochte man diese Zeilen unter die Augen reiben. Gerade von demApostel, dem von Gott ungeheuer viel gezeigt wurde, der die intellektuell anspruchvollsteneutestamentliche Theologie formulieren durfte, der bis heute die Gemuter und Geisterbewegt und pragt ... gerade dieser Paulus schreibt klar und ohne Zogern: Unser Wissenist Stuckwerk!

Und Paulus erhebt seinen Blick und schaut in die Zukunft hinein - in eine Welt, inder Gottes Gegenwart zur sichtbaren Realitat geworden ist. ”Wenn aber kommen wirddas Vollkommene” ... heisst es in der ubersetzung nach Luther, also: wenn Gott seineHerrschaft aufrichtet, wenn Gottes Reich fur alle sichtbar Realitat geworden ist, ”dannwird das Stuckwerk aufhoren.”

Paulus vergleicht diese kommende Erkenntnis mit dem Erwachsenwerden. Kinder sehennur unvollstandige Teile der Wirklichkeit. Die genaueren Zusammenhange sind ausserhalbihres Fassungsvermogens.

Und schliesslich besinnt sich Paulus auf das, was Bestand hat. Was wird den Um-bruch uberleben, den Umbruch von dieser weltlichen Welt, von der christlichen Gemeindeinmitten von Gottesferne und modernen Irrtumern?

Wird die theologische Lehre uberleben? Paulus sagt: nein! Wenn das Vollkommenekommt, wird dieses Stuckwerk aufhoren!

”Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei;” schreibt der Apostel. Diesedrei werden bleiben... bleiben in der Gegenwart Gottes!

Glaube: das lebendige handelnde Vertrauen auf Gott - Vater, Sohn und heiligen Geist.

Hoffnung: die Zuversicht in die Gute und Hilfe Gottes in allen Dingen.

Liebe: das vertrauende und sich schenkende Verhaltnis umfassender Zuneigung.

Roland Potthast 197

Und Paulus bringt zum Abschluss seiner ”Millennium-Worte” die Wichtigkeiten nocheinmal in die Richtige Reihenfolge: ”Aber die Liebe ist die Großte unter ihnen.”

5.7.4 Wort beim Wein: Lets start today! Come and join us, now!

Lets start today!Starten wir heute!Gehen wir heute los,und gehen Gottes Wege,folgen wir heute den Spuren der Liebe!

Ganz praktisch wollen wir uns herausfordern lassen,eine reale und realistische Liebezu leben, zu verwirklichen, zu glauben!

Liebe:endlich ernsthaft den Millionen Hungernden helfen,in den Landern Afrikas, Asiens, Lateinamerikas!

Liebe:die Kriegstreiber achten und ihnen mitSanftmut und Bestimmtheit entgegentreten.

Liebe:endlich ernsthaft den Jugendlichen Raum geben,den Erfolgreichen und Angepaßten,aber auch den Außenstehenden,den Drogenabhangigen, Hauptschulern,Aufsassigen, Widerspenstigen!

Liebe:die Natur ernst nehmen und den Dreck verwerten,die Dosen im Park genauso wie dieAtombrennstabe. Erst denken, dann Mull machen!

Liebe:ehrlich werden gegenuber Geschaftspartnern,nicht mit falschen Zahlen arbeiten,die Angestellten achten und ihre Entfaltung fordern.

Liebe:die Arbeitszeit mit vollem Einsatz nutzen,die Firma, den Staat und den Chef nicht betrugenum Zeit, Einsatz, Geld ...

Liebe:auch keine faulen Kompromisse. Flieht dieUngerechtigkeit, die Luge, den Betrug!

198 Die Bibel fur Menschen von heute ...

Liebe:Zeit haben fur andere, fur sich selbst, fur Gott.Du sollst den Sonntag (Sabbat) heiligen!

Liebe:die falschen Ziele loslassen! Nicht mehr sichselbst in den Mittelpunkt stellen, sondernGott, den Schopfer und allein wahrhaft Liebenden.

Liebe:keine falschen Nachrichten mehr. Nicht mehrdie Ablenkung mit gemachten Schlagzeilen.Nicht mehr die Dummheit zum Kommerz.

Liebe:den Menschen fordern und entfalten.Die Kranken pflegen. Die Alten achten und siein den Mittelpunkt stellen. Den JungenVerantwortung geben. Die Familien entlasten.

Liebe:Gott, den Lebendigen, als Realitat erleben.

5.8 Mit dem Holzhammer kann man nicht Geige spielen ... von derSchwachheit (2.Korinther 12)

5.8.1 Fur Eilige: Von der Schwachheit ...

”Zukunft wird aus Ideen gemacht ...” wirbt ein leistungsfahiger deutscher Telekommunika-tionskonzern. ”Nichts ist unmoglich ...!” klingt es durch die Spots eines Automobilherstel-lers. Wir leben in einer Zeit, in der die Starke zahlt, nicht die Schwache. Leistungsfahigkeitist gefragt!

Starke, das kann vieles sein. Wenn es den politischen Parteien um Stimmenanteile geht,geht es ihnen um politische Starke. Starke in der Wirtschaft kann in Umsatz und Gewinnvor Steuern gemessen werden. Wer andere Unternehmen schlucken kann, demonstriertdamit Starke. Wer viele Menschen beschaftigt, demonstriert Starke.

Aber auch im Privaten kennen wir die vielen kleinen Symbole von Erfolg und Starke:den PS-starken Motor unter der Haube, die Grosse des Hauses oder der Wohnung, Ein-richtungsgegenstande, ... oder einfach den modernen PC, der durch den Laptop erganztwird. Vielleicht noch ein Palmtop mit mobilem Internetzugang in der Manteltasche...?

Starke in der Wissenschaft: uralte Probleme losen. Neue Gebiete einfuhren. Viel wissen,viele ”Paper” und viele Bucher schreiben, Editor sein von vielen Zeitschriften, Plenarvor-trage auf Konferenzen ... Stark sein.

Echt stark, ey! Starke bedeutet: Moglichkeiten! Starke bedeutet: nicht abhangig sein.Starke ist schon ...! Wir lieben starke Menschen, ihre Fahigkeiten, ihre Souveranitat.

Was hat dies mit der Schwachheit zu tun? Warum spricht Gott mit Paulus uber dieSchwachheit? Wir werden danach fragen!

Roland Potthast 199

Tipps fur diese Woche:1) Uberlegen Sie einmal, in welchen Situationen Sie schwach sind. Wie fuhlen Sie sich

wenn Sie schwach sind?2) Was bedeutet Ihnen Starke und Schwache?

5.8.2 Lass dir an meiner Gnade genugen” (2.Kor 12)

Der Apostel Paulus war ein ”starker Typ.” Mit einer unendlichen Energie hat er seineZiele verfolgt. Er ist fur seine Uberzeugungen eingetreten, war gebildet und ist so in derjudischen Karriereleiter weit emporgestiegen: er hatte den offiziellen Auftrag, die Chri-sten zu verfolgen und zu erledigen - ein Auftrag, den ihm sein Eifer gegen die Christeneingebracht hatte.

Dieser Paulus hat nach seiner Bekehrung mit demselben Eifer Jesus Christus (denAuferstandenen und lebendigen Jesus) unter den Menschen im Mittelmehrraum bekanntgemacht. Von Ort zu Ort ist er gezogen in vielen Missionsreisen, um Menschen zu Jesuszu bringen, um zum Glauben einzuladen!

Paulus hat tiefe Einsicht erlangt in die alten Schriften der Juden. Und er hat vielerfahren von Jesus Christus - hat Erfahrungen mit Gott gemacht, Visionen und ”un-beschreibliche” Erlebnisse gehabt. Davon schreibt Paulus in 2.Korinther 12 (nach derLutherubersetzung):

”Ich kenne einen Menschen in Christus; vor vierzehn Jahren - ist er im Leib gewesen?ich weiss es nicht; oder ist er ausser dem Leib gewesen? ich weiss es auch nicht; Gottweiss es -, da wurde derselbe entruckt bis in den dritten Himmel. Und ich kenne denselbenMenschen - ob er im Leib oder ausser dem Leib gewesen ist, weiss ich nicht; Gott weiss es-, der wurde entruckt in das Paradis und horte unaussprechliche Worte, die kein Menschsagen kann. Fur denselben will ich mich ruhmen; fur mich selbst aber will ich mich nichtruhmen außer meiner Schwachheit.”

Paulus spricht hier von sich selbst wie von einem anderen Menschen - wenn er uberdie tiefen Erlebnisse schreibt, in die Gott ihn gefuhrt hat und die letztlich die Grundlageseiner Tatigkeit als Missionar gewesen sind. Er stellt dies seiner ”Schwachheit” gegenuber,derer er sich ruhmen will.

Ruhm der Schwachheit. Warum das? Stellen Sie sich einen modernen Werbespot im er-sten deutschen Fernsehen vor: ”Paulus, Missionar in seiner Schwache. Er kann es nicht. Erist krank, geschlagen, misshandelt, verfolgt, in Angsten. Kommen Sie zu Jesus Christus!”

Die menschliche Schwache spielt fur den Glauben eine wichtige Rolle. Die Rolle derSchwache ist ganz vielfaltig und zieht sich durch die Evangelien und die Briefe der Apostelhindurch. Doch wir mussen genau hinsehen - es geht nicht um die Schwache an sich, nichtum eine Verherrlichung der Schwache! Auch der Ruhm der Schwachheit, den Paulus hierausspricht, hat einen klaren Zielpunkt: Paulus stellt seine Schwache der vermeintlichenStarke seiner innergemeindlichen Kontrahenden gegenuber.

Einige kleine Beispiele zur Rolle der Schwachheit im Matthausevangelium: ”Ich bingekommen, die Sunder zu rufen, nicht die Gerechten.” sagt Jesus nach Matthaus 9,13.Jesus ruft die Schwachen. Die Tur zum Reich Gottes offnet sich fur all diejenigen Menschen,die ihre Verlorenheit ohne Gott erkennen. ”Kommt alle her, die ihr muhselig und beladen

200 Die Bibel fur Menschen von heute ...

seid.” (Matthaus 11,28) – ”Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, so werdetihr nicht ins Himmelreich kommen. Wer nun sich selbst erniedrigt und wird wie dies Kind,der ist der Grosste im Himmelreich.” (Matthaus 18,3+4) – ”Ein Reicher wird schwer insHimmelreich kommen.” (Matthaus 19,23)

Paulus wird inmitten seiner Starke und seiner Schwachheit von Gott gelehrt: ”Lassdir an meiner Gnade genugen...”. Dieser eine Satz stellt alles Ringen um Gerechtigkeit,allen Einsatz fur Gott, alle menschliche Starke und Leistung ”auf die Fusse”: Es ist Gottesunverdiente Gnade und Zuwendung, aus der heraus ein Mensch vor Gott gerecht wird undaus der heraus wir Gottes Liebe und Zuwendung empfangen.

Nicht die Leistung und Starke ist das Fundament der Beziehung und Annahme Gottes,sondern Gott wendet sich uns zu in unserer Schwache, in unserer ganz spezifischen Artmit unseren Starken und unserem Versagen! Er selbst spricht uns gerecht ”in Christus.”

5.8.3 Christlich Leben: Schwachheit und Glaube ?!?

Christ sein bedeutet immer, an der Entwicklung des Reiches Gottes teilzunehmen. Gotthat grundsatzlich jeden Christen zu einem ”Arbeiter” in seinem Reich berufen, hat ihnmit Fahigkeiten und ”geistlichen Gaben” ausgestattet und ihm seinen Platz geschaffen,an dem er (Gott) den Christen einsetzen mochte.

Paulus hatte sicherlich eine zentrale Stellung fur die Verbreitung des Evangeliums unddie Grundung von Gemeinden vor 2000 Jahren. Fur diese Stellung wurde Paulus mitVisionen vorbereitet und ”von Kindesbeinen an” von Gott begleitet. (Wir durfen davonausgehen, dass Gott jeden Menschen von Kindesbeinen an begleitet und vorbereitet, auchwenn ein Mensch noch nicht zu Jesus gefunden hat, wie Paulus vor seiner Bekehrung.)

Paulus schreibt: ”Und damit ich mich wegen der hohen Offenbarungen nicht uberhebe,ist mir gegeben ein Pfahl ins Fleisch, namlich des Satans Engel, der mich mit Faustenschlagen soll, damit ich mich nicht uberhebe. Seinetwegen habe ich dreimal zum Herrngefleht, dass er von mir weiche. Und er hat zu mir gesagt: Lass dir an meiner Gnadegenugen; denn meine Kraft ist in den Schwachen machtig. Darum will ich mich am al-lerliebsten ruhmen meiner Schwachheit, damit die Kraft Christi bei mir wohne.” (2.Kor12,7ff)

Die Schwache des Paulus ist so wichtig, weil in dieser Schwache Gott seine Starkeerkennen lassen will. Gott mochte unseren Blick nicht durch die Leistungen und den Glanzder Starke ablenken! Es geht um Kindschaft im Reich Gottes ... es geht darum, dass wir beider Bekehrung und in unserem Leben als Christen wirklich freie und ausgeglichene Kinderdes grossen Gottes sind. Es geht nicht um ein Regelwerk ethischer Religiositat, wenn auchRegeln und Verhaltensweisen sehr wichtig sind. Zuerst aber geht es darum, Gott nahe zukommen ohne uber unsere eigene vermeintliche Starke in religiosen oder weltlichen Dingenzu stolpern.

Gott selbst hat schon im alten Testament das Fundament fur das Wachstum seinesReiches formuliert: ”Nicht durch Herr oder Macht soll es geschehen, sondern durch meinenGeist, spricht der Herr.” (Sach 4,6)

Tief verknupft mit dem Charakter und der Art Gottes sind diese Einsichten in GottesUmgang mit der Welt. Es geht um einen neuen Geist, es geht um die Sanftmut, die auch

Roland Potthast 201

Jesus Christus zeigt und mit der uns einladt, mit Gott zum leben. In dem Vertrauen aufdie Macht Gottes, der in unserer Schwache seine Starke zeigen wird, durfen wir Christenam Reich Gottes mitarbeiten und mitwirken. Nur dieser Glaube und dieses Vertrauen wirdBestand haben, nicht die vermeintliche Starke des Geldes oder der ”christlichen” Organi-sationen! Gott kann die Starke oder das Geld nutzen und tut dies auch immer wieder: WoMenschen in ihrer Kindschaft zu Gott nicht gefahrdet sind, in Abhangigkeit von Geld oderMacht zu geraten, segnet Gott nicht selten auch durch ganz weltlichen Reichtum, Einfluss,Jahrhundert-Ergebnisse, geniale Kreationen oder Kompositionen. Johann Sebastian Bachetwa hat mit seiner christlichen Musik Milliarden von Menschen bewegt und bereichert -ein klarer Segen Gottes. Die Gedichte Paul Gerhards sind bis heute unerreichte Kleinodedichterischer Einfachheit und Durchdringlichkeit.

Und Gott segnet auch Menschen, die noch ausserhalb der christlichen Gemeinschaftstehen. Die bahnbrechenden Ergebnisse Albert Einsteins in seiner speziellen und allge-meinen Relativitatstheorie sind Segen Gottes an einen Menschen, der in seiner Genialitatimmer bescheidener Mensch geblieben ist, auch wenn er nie zu einer wirklich tiefen Einsichtin die Rolle Jesu Christi kam und in vielen zentralen christlichen Fragen an der Oberflachesteckengeblieben ist.

Unsere christliche Arbeit soll ein klein wenig vor der Liebe und dem Segen Gotteswiederspiegeln: den Glaube an die Macht und Moglichkeiten Gottes, auch wenn wir selbstschwach sind. Die Gestaltung unseres Lebens als Kinder des Hochsten, bei dem nichtLeistung zahlt, sondern die Liebe und die Freundlichkeit.

5.8.4 Biblebrunch: Relax in Christ!

Leben als Kind Gottes bedeutet Entspannung. Entspannung: Relax in Christ!An alle Faulen unter uns: diese Entspannung meint nicht den Schlendrian. An alle

Suchtigen: die Entspannung meint nicht, der Sucht entspannt weiter nachzugehen. An alleUnfreundlichen: die Entspannung meint nicht, jetzt entspannt andere Leuten anzumachen!

Entspannung in Christus bedeutet zuerst einmal: das Leben auf eine solide und span-nungsfreie Grundlage zu stellen: auf Gottes unverdiente Zuwendung und das Geschenkseiner Gerechtigkeit. Die Bibel nennt das ”Gnade”, die Gnade Gottes, die durch denGlauben an Jesus Christus vermittelt wird.

Die Entspannung in Christus hat eine Reihe von praktischen Auswirkungen. Wenn wirentspannt in Christus leben, wird das auch unser Verhalten beeinflussen.

Warnung an alle Religiosen: versuchen Sie nicht, die Entspannung zu imitieren. Esist so unecht, als ob Sie als Mann versuchen, Frau zu spielen, als Europar ein Chinesesein wollen oder als ob sie ihren Hund imitieren, wenn er Ihnen begeistert im Vorgartenentgegenspringt.

Die Entspannung in Christus wird von innen nach aussen gehen, vom Geist des Men-schen zu seinen Worten, Gedanken und Verhaltensweisen.

Praktische Auswirkungen:

• Anderen Menschen ausgeglichen begegnen, weil das eigene Selbstbewusstsein nichtan Außerlichkeiten hangt, sondern vom Geist Gottes und dem Zuspruch Gottes

202 Die Bibel fur Menschen von heute ...

getragen wird.

• Gott um Hilfe oder um Erkenntnis bitten und dann abwarten. Gott antwortet, auchwenn es manchmal Wochen, Monate oder Jahre braucht.

• Sich in der Erkenntnis nicht uber andere Menschen stellen, sondern in Bescheidenheitdie Wahrheit suchen, andere ernst nehmen in ihren Meinungen, sich an den heilendenWorten Gottes und seiner Evangelisten orientieren, wie sie in der Bibel uberliefertsind.

• Nicht krampfhaft Menschen mit der ”guten Nachricht” (dem Evangelium) totschla-gen, sondern warten, bis ihre Zeit gekommen ist. Gott selbst ruft Menschen zu sich.Und ein jegliches Ding hat seine Zeit: geboren werden hat seine Zeit!

• Mit dem Sonntag Gott ehren, indem wir fur 24 Stunden unsere Arbeiten, Hobbiesund sonstigen Aktivitaten unterbrechen und uns einfach Zeit nehmen, Mensch zusein, der im Angesicht Gottes lebt und sich gezielt Gott zuwendet.

Relax in Christ, der Herr ist treu.

Roland Potthast 203

6 Zwischen Realitat und Realitat ... - Apostelgeschichte undOffenbahrung

6.1 Startrek mal anders ... - von Christi Himmelfahrt (Apostelgeschich-te 1)

6.1.1 Fur Eilige: Startrek mal anders ...

Vielleicht gehoren Sie auch zu der Gruppe der Fans der Fernsehserie ”Startrek” - inDeutschland auch als ”Raumschiff Enterprise” bekannt. ”Beam me up, Scotty” gehortzu den immer wieder rezitierten Klassikern der Trekki-Welt: der Transport von Personenvon der Oberflache eines Planeten in ein Raumschiff in der Erdumlaufbahn ist eines derfaszinierenden Reisemoglichkeiten der Star-Trek-Welten. Sicherlich: viele Episoden der Se-rie Enterprise mogen nicht zu den tiefsten literarischen Schopfungen der Neuzeit gehoren.Aber unsere Phantasie wird doch angeregt durch faszinierende Entwurfe einer aus ver-schiedensten Zivilisationen bestehenden auf friedlicher Koexistenz angelegten intergalak-tischen Foderation. Und einen Anknupfungspunkt fur Gesprache uber die HimmelfahrtChristi (und manch andere christliche Berichte) bietet die Serie allemal.

Wir bewegen uns mit dem aktuellen Bibelseminar hinein in die Apostelgeschichte unddamit in die Zeit gleich nach dem Tode und der Auferstehung Jesu. Bis hin zur Offen-barung, die als letztes biblisches Buch den sogenannten Kanon des Neuen Testamentsabschließt, werden wir uns mit dem christlichen Glauben beschaftigen, wie er ohne dieleibliche Anwesenheit Jesu seinen Weg in die Welt hinein und damit in die Weltgeschichtefindet. Darum mussen wir heute fragen: Christi Himmelfahrt - was hat es damit auf sich?Was konnen wir heute mit dem ersten Kapitel der Apostelgeschichte anfangen?

Ganz kurz hier die biblische Version zum Merken und Nachdenken: Jesus wurde ge-kreuzigt, Jesus starb am Kreuz, er wurde begraben. Am dritten Tag wurde er von Gottauferweckt. Dann begegnet Jesus vielen seiner Junger und Nachfolger, bis er schließlich anHimmelfahrt bis zu seiner Widerkehr in unbestimmter Zukunft auf einer Wolke in Rich-tung Himmel verschwindet. Als Stellvertreter sendet er Pfingsten den heiligen Geist (dazumehr im kommenden Abschnitt dieses Seminars).

Weitere unserer Fragen: was bedeutet Himmelfahrt? Handelt es sich um ein biblischesMarchen? Oder ist das knallharte Realitat? Kann man das denn heute, im 21. Jahrhundert,noch ernsthaft so glauben? Ist die Wissenschaft und Theologie nicht schon viel weiter?Verstehen wir die Apostelgeschichte?

Tipps fur diese Woche:1) Als wie real haben Sie bisher Gott und den heiligen Geist erlebt? Wo beginnt fur

Sie die Realitat des Glaubens?2) Glauben Sie, daß Gott ganz konkret in Ihr Leben eingreifen kann? Glauben Sie, daß

Gott Sie erneuern mochte, daß er einen (guten) Plan fur Ihr Leben hat?3) Versuchen Sie, Gott ernst zu nehmen in einigen ausgewahlten Punkten. Gehen

Sie die realen Schritte des Glaubens und reden Sie mit befreundeten Christen uber IhreErfahrungen!

204 Die Bibel fur Menschen von heute ...

6.1.2 Zwischen Realitat und Realitat

Der sechste Meilenstein unseres Seminars beschaftigt sich mit der Apostelgeschichte undmit dem Buch der Offenbarung, dem letzten Buch des neuen Testaments. Dabei wird esimmer wieder um unsere Realitat gehen. Immer wieder werden wir ringen und diskutierenum die richtige, gute, passende, angemessene Beurteilung dessen, was Realitat ist.

In der Apostelgeschichte geht es zunachst ganz konkret und historisch um die Erfah-rungen und Erlebnisse der ersten Christen und der ersten Gemeinden. Dabei werden wirauch Paulus begegnen, dem großen Heidenapostel und zentralen Missionar Jesu Christi.

Die Offenbarung schließlich fuhrt uns in einem geradezu unfaßbaren Bogen hineinund hindurch durch die Weltgeschichte bis heute. In weitreichenden visionaren Bildernbeschreibt der Apostel Johannes in diesem Buch die Situation der Gemeinden um 100nach Christus. Gleichzeitig reicht der Blick durch Weltreiche und Zeitabschnitte hindurchbis zum Handeln Gottes am ”Jungsten Tag”, bis zum Ende der Geschichte, dem Ende deralten Erde, bis zu einer Zeit, in der die Realitat Jesu fur alle offensichtlich werden wird.Auch hier werden wir uns wieder mit Realitat zu beschaftigen haben: mit der Realitat desauferstandenen Jesus Christus.

Zwischen Realitat und Realitat - worauf spielt das an? Wir mochten versuchen, dasdurch die folgende Gegenuberstellung zu verdeutlichen.

Realitat der Welt:Wir leben alle als Menschen in der Realitat unserer Zivilisation und Gesellschaft. Diese

Realitat und unser Realitatsbewußtsein wird wesentlich durch die Einsichten und Haltun-gen der Gesellschaft als ganzes bestimmt. Wir lernen uber die Geschichte in den Schulen.Wir lesen Bucher, die von Autoren bestimmter Stromungen verfaßt wurden. Wir lernenso Wissenschaft, Kunst, Politik, Soziologie, Musik, Horen und Sehen, Denken und Kate-gorien, Fuhlen und Reden ...! Es gilt als real”, was in einer Gemeinschaft von Forschernoder Kunstlern oder Politikern als real” anerkannt ist. Die Entwicklung der modernenWissenschaft mit ihren Regeln spielt dabei eine zentrale Rolle. Heute ist real, was fur dieWissenschaft als real gilt. Und es ist real, was von den Medien als real” verbreitet wird.Diese Realitat ist die Realitat der menschlichen Gesellschaft und Zivilisation.

Die Realitat des auferstanden Jesus Christus:Die Bibel redet in vielen Dingen von der oben beschriebenen weltlichen Realitat. Doch

dieser Realitat wird eine vollig neue und weitere Dimension und Realitat eroffnet: dieRealitat des lebendigen Jesus, des lebendigen Gottes und des lebendigen heiligen Geistes.

Die Realitat Jesu ist nicht unbedingt in allem vergleichbar mit den Fakten der Alltags-welt oder mit den Experimenten und Beweisen der wissenschaftlichen Welt. Es handeltsich um eine andere Art von Realitat. Sie ist nicht weniger real”, nicht weniger bedeut-sam, nicht weniger machtig und nicht weniger einflußreich fur das personliche Leben jedesMenschen. Und doch ist die Realitat Jesu anders als die Realitat der Welt. Die RealitatJesu - das Reich Gottes - lebt fur uns bis heute im Verborgenen. Sie ist da, ohne immeroffensichtlich erkannt zu werden. Das Reich Gottes benotigt den lebendigen Glauben, umerkannt und erfahren zu werden. Die Realitat Jesu mochte, daß wir uns ihr anvertrauenund uns ihr offnen, damit wir ihre umfassende Wirklichkeit wahrnehmen konnen.

Roland Potthast 205

Vielleicht sind die Beschreibungen und Erklarungen der vorausgehenden Abschnittefur Sie unverstandlich - vielleicht fragen Sie sich: was meint er, wenn er dies so schreibt?Ein erster Schritt ist es, wenn ich Sie neugierig gemacht habe auf die Realitat, die Jesus inden Evangelien und im neuen Testament beschreibt. Schauen Sie sich das genau an! (Z.B.Johannes 18,36 oder Lukas 17,20). Es lohnt sich, die Erlebnisse der Nachfolger Jesu zu stu-dieren und zu erleben, wie diese die Realitat Gottes in ihrem Leben in manchen scheinbarganz ”weltlichen” Dingen erfahren. Fragen Sie sich und Gott nach Seiner Realitat!

6.1.3 Christi Himmelfahrt: was kann man damit heute noch anfangen?

Christi Himmelfahrt wird in Apg 1 (Apostelgeschichte 1) beschrieben. Schauen Sie mal indie Verse 6 ff. hinein. Da heißt es:

”Die Junger nun, als sie zusammengekommen waren, fragten ihn [Jesus] und sagten:Herr, stellst du in dieser Zeit fur Israel das Reich wieder her? Er sprach zu ihnen: Es istnicht eure Sache, Zeiten oder Zeitpunkte zu wissen, die der Vater [Gott] in seiner eigenenVollmacht festgesetzt hat. Aber ihr werdet Kraft empfangen, wenn der heilige Geist aufeuch gekommen ist; und ihr werdet meine Zeugen sein, sowohl in Jerusalem als auch inganz Judaa und Samaria und bis an die Enden der Erde. Und als er dies gesagt hatte, wurdeer vor ihren Blicken emporgehoben, und eine Wolke nahm ihn auf vor ihren Augen weg.Und als sie gespannt zum Himmel schauten, wie er auffuhr, siehe, da standen zwei Mannerin weißen Kleidern bei ihnen, die auch sprachen: Manner von Galilaa, was steht ihr undseht hinauf zum Himmel? Dieser Jesus, der von euch weg in den Himmel aufgenommenworden ist, wird so kommen, wie ihr ihn habt hingehen sehen in den Himmel. Da kehrtensie nach Jerusalem zuruck von dem Berg, welcher Olberg heißt, der nahe Jerusalem ist,einen Sabbatweg entfernt.” (Elberfelder Ubersetzung 1992)

Eine spannende Geschichte: da ist der auferstandene Jesus mitten unter seinen Jungern.Er verspricht Ihnen, sie auszustatten fur die Aufgabe, die er ihnen anvertraut hat: machtalle Menschen zu meinen Nachfolgern, macht alle zu ”Christen”, weckt in ihnen den Glau-ben - das umfassende kindliche Vertrauen. Tauft Sie. Lehrt sie alles zu halten, was icheuch mitgegeben habe! Die Ausstattung besteht in dem kraftvollen heiligen Geist. Kraftzum Zeugnis fur Jesus. Kraft zur Nachfolge und die Autoritat eines heiligen Geistes, dereins ist mit Gott, dem Vater, und Jesus, dem Sohn.

Mitten hinein in diese unfaßbaren und geradezu unglaublichen Berichte von der Auf-erstehung und den Gesprachen mit dem Auferstandenen lesen wir die Berichte von derHimmelfahrt Jesu: da verschwindet der gerade glucklich wieder erschienene Jesus nunvollends, um die Junger als Einzelne und als Gemeinschaft in die Welt hinein zu senden.

Ganz offen gesprochen: ”puh..., muß ich sagen.” Da ubersturzen sich die Ereignisseund ein Bericht ist heftiger als der andere. Leben Jesu, die Wunder, seine Worte (diewunderbarer sind als alle offensichtlichen Wunder!), dann der Tod Jesu, seine schmahlicheHinrichtung in Leiden und Verspottungen ... all das ist schon schwierig zu verfolgen. DieAuferstehung ist wunderbar und unverstandlich. Nun ist er wieder da, der Jesus. Gotthat gesprochen: ”dies ist mein geliebter Sohn, dem sollt ihr glauben!” Entgultig durch dieAuferstehung bestatigt: Jesus. Und dann geht er wieder, fahrt hinauf in den Himmel.

”Puh..!” Christi Himmelfahrt ist kein leichter Stoff. Was kann man damit heute noch

206 Die Bibel fur Menschen von heute ...

anfangen?Sie werden vielleicht mitbekommen haben, daß nicht wenige Menschen, ja sogar nicht

wenige Theologen, heute mit der Himmelfahrt als konkretem historischem Ereignis weniganfangen konnen. Es werden manche Modelle und Grunde angefuhrt, die Erzahlungen”mythisch” zu verstehen, d.h. als Uberlieferungen der ersten Gemeinden, welche ”ihren”Gott als gottlich darzustellen bestrebt waren. Berichte von Himmelfahrten gibt es durchauseinige in alter Literatur.

Wir mochten Sie aber dennoch ermutigen, die Berichte der Wunder, die Passionsbe-richte genauso wie die Auferstehungsberichte und in dieser Linie auch die Erzahlung vonder Himmelfahrt Jesu Christi in ihrem historischen Kern als real und wichtig anzunehmen.Wir denken, daß dies auch im 21. Jahrhundert richtig und zeitgemaß ist. Ja es ist und bleibtsogar ein wesentlicher Bestandteil des Christlichen und ein Schlussel zum Verstandnis derRealitat Jesu Christi heute.

Immer wieder stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage: soll ich denn nun diese”Marchen” einfach fur wahr halten und ist das dann christlicher Glaube? Aber aus einemreinen ”Fur-wahr-halten” alter Geschichten besteht der Glaube an Jesus Christus ebennicht! In seinem Brief sagt Jakobus sogar: ”Du glaubst, daß nur einer Gott ist? Das glaubendie Damonen auch und zittern.” Es geht nicht um das fur wahr halten irgendwelcherGeschichten. Glaube ist vielmehr ein Teilnehmen an der Realitat Jesu! Indem ich michJesus anvertraue, offnet sich mir seine Realitat und damit bekomme ich ein vollig neuesund anderes Verhaltnis zu den Berichten und Erzahlungen.

Also nochmal gefragt: wie kann ich mit Christi Himmelfahrt etwas anfangen? Wiekann ich mit der Auferstehung etwas anfangen? Wie kann ich mit den Wundern undHeilungsgeschichten etwas anfangen? Indem ich beginne, Jesus zuzuhoren und - wenn ichihn zu verstehen beginne - mich ihm glaubend anvertraue. Dann kann ich in sinnvollerund vernunftiger Weise zu einem begrundeten Glauben kommen. So kann ich auch im 21.Jahrhundert in moderner und zeitgemaßer Weise die Himmelfahrt Christi ernstnehmen.Dann kann ich inmitten von Kunst, Kultur und Wissenschaft die Realitat Gottes mitseiner wunderbaren und unausschopflichen Macht bis heute kennenlernen.

6.1.4 Wort beim Wein: Eine fast unmogliche Sache!

Haben Sie schon einmal versucht, die Realitat Gottes ernstzunehmen? Sind Sie Christ?Vielleicht haben Sie es mit dem Glauben versucht und haben frustriert nach einiger Zeitaufgegeben?

Wir kennen die Schwierigkeiten des Glaubens und haben darum den Titel dieses vier-ten Abschnitts gewahlt: eine fast unmogliche Sache! Glauben ist fast unmoglich - ja: wennein Mensch an Jesus Christus glaubt und in einem solchen lebendigen Glauben lebt (wasein und dasselbe ist), so ist dieses ein genauso großes Wunder wie die Heilung des Gicht-bruchigen, die Stillung des Sturmes oder die Erweckung des Lazarus von den Toten. WirMenschen sind von unseren ”naturlichen” Anlagen nicht so, daß wir ohne weiteres Gottvertrauen wurden. Wir sind selbstbezogen, sind an den unmittelbaren sichtbaren Tatsa-chen der Welt orientiert und denken in kurzfristigen Zeitabschnitten... kurz: wir sind zumLeben im Glauben an Jesus Christus eigentlich vollig unfahig! Kein Mensch kann glauben

Roland Potthast 207

(und Paulus bestatigt, daß kein Mensch ohne die Gnade Gottes in Jesus gerettet werdenkann). Darum wundern Sie sich nicht, wenn Sie mit dem Glauben Schwierigkeiten haben.Sie sind nicht allein! Nur wenn man sich selbst etwas vormacht, hat man keine Schwie-rigkeiten mit dem Glauben. Nehmen Sie ihre Schwierigkeiten als das an, was sie sind:unmißverstandlicher Hinweis auf die Richtigkeit der Bibel in altem und neuem Testamentin ihrer Beschreibung der Verlorenheit des Menschen. Mit dem Sundenfall des Menschenist die ganze Schopfung einen Weg gegangen, der sie in die Gottesferne katapultiert hat.

Nun ist die von uns beschriebene Unfahigkeit des Menschen zum Glauben nur dieeine Seite der Wahrheit. Durch die Macht Gottes in Jesus Christus ist die Fahigkeit zumGlauben vorhanden. In Jesus mochte uns Gott den Glauben mit all seinen Konsequenzenzum Geschenk machen. Gott mochte an jedem Menschen personlich ein herrliches Wundervollbringen und echten Glauben wecken.

Glaube entsteht und wachst ... wie ein neugeborenes Kind gedeiht der von Jesus ge-schenkte Glaube in einem Menschen. Das bedeutet nicht, daß er nicht auch Anfechtungenund viele Fragen mit sich herumtragen wurde. Um den Glauben muß immer wieder gerun-gen werden. ”Kampft den Kampf des Glaubens!” schreibt Paulus, .”.. daß ihr den Siegpreiserringt!”. Das neue Leben ”in Christus” ist angefochten und bedroht - es ist aber auchbeschutzt durch Gott, den Herren des Universums und der Erde.

Wir mochten Sie ermutigen, die fast unmogliche Sache zu verfolgen, den Glaubenan Jesus Christus zu suchen und im Glauben zu reifen. Es ist nicht immer leicht. DieSchwierigkeiten und manche Enttauschung mochten uns entmutigen. Doch es ist eine un-beschreibliche Freude, wenn wir uns Gott entgegenbewegen und IHN in seiner liebendenund eifernden, unendlich heiligen, tiefblickenden und geduldigen Art erfahren und kennen-lernen.

6.2 Besser als die neuste Droge ... Pfingsten (Apostelgeschichte 2)

6.2.1 Fur Eilige: Besser als die neuste Droge ...

Besser als die neuste Droge ... Wow, was kann das sein? Was bringt die Droge? Wohlgefuhlund den Eindruck des Fliegens? Das Gefuhl, erfullt zu sein? Sinn und Ziel fur das Leben,wenigstens fur eine kurze Zeitspanne? Den Kick, der sich einfach nur gut anfuhlt? Etwas,das uber unsere eigenen naturlichen Moglichkeiten hinausgeht? Oder nur den Kater oderdie Ubelkeit am nachsten Morgen?

Heute geht es in unserem Seminar etwas, das besser ist als alle Drogen - besser als dieneuste Droge und der neuste Trend! Es geht um den heiligen Geist Gottes. Es geht umGott pur, Gott nahe, Gott in Aktion und Gott real!

Der heilige Geist Gottes ist eine Kraft und lebendiges Wesen, der von Gott kommt undder die Menschen beeinflussen und ”bewohnen” mochte. Heiliger Geist, Kraft Gottes ...heiliger Geist, die Macht, so zu leben, wie Jesus Christus lebte, und von Jesus zu erzahlenwie er war und ist. Heiliger Geist ist ein wesentliches Bindeglied zwischen Gott in seinerunendlichen Große und der taglichen Lebenswirklichkeit des Menschen: der heilige Geistist da und bringt uns Gott nahe.

Wir werden uns heute intensiv mit diesem heiligen Geist Gottes beschaftigen. Von

208 Die Bibel fur Menschen von heute ...

einigen verschiedenen Seiten werden wir seine Realitat und sein Wirken bis ins 21. Jahr-hundert beleuchten. Ubrigens sprechen einige feministische orientierte Pastorinnen auchvon ”Geistin”, weil das ursprungliche griechische Wort ”pneuma” femininum, also weib-lich, ist. Wie auch immer Sie das handhaben wollen, die Sache mit dem heiligen Geist isteine ganz spannende Geschichte.

Tipps fur diese Woche:1) Uberlegen Sie einmal, wo Sie bei einem anderen Menschen die Gegenwart des Heili-

gen Geistes erleben! Machen Sie sich Gedanken daruber, wie Sie die Gegenwart des GeistesGottes erkennen.

2) Sind Sie bereit, sich dem Geist Gottes zu offnen? Die wesentliche Frage hierbei istes, ob Sie Gott in ihr Leben hineinlassen mochten. Gott, der Allmachtige - darf er in IhrLeben hineinsprechen und es verandern? Darf Gott das Bose, Ignorante, Stolze und Gott-Ferne hinauswerfen und die Charakterzuge Jesu Christi in Ihr Leben hineinbringen undwachsen lassen?

6.2.2 Apg 2 im Original: Petrus wird deutlich!

Tun Sie sich etwas Gutes - lehnen Sie sich zuruck und lauschen Sie auf den Originalberichtaus der Apostelgeschichte. Es geht um das Pfingsterlebnis und um den Augenblick, alsPetrus deutlich wird. Wir folgen der ”Guten Nachricht - die Bibel in heutigem Deutsch”,herausgegeben von der Deutschen Bibelgesellschaft.

”Am judischen Pfingstfest waren wieder alle, die zu Jesus hielten, versammelt. Plotz-lich horte man ein machtiges Rauschen, wie wenn ein Sturm vom Himmel herabweht. DasRauschen erfullte das ganze Haus, in dem sie waren. Dann sah man etwas wie Feuer,das sich zerteilte, und auf jeden von ihnen ließ sich eine Flammenzung nieder. Alle wur-den vom Geist Gottes erfullt und begannen in verschiedenen Sprachen zu reden, jeder wiees ihm der Geist Gottes eingab. Nun lebten in Jerusalem fromme Juden aus aller Welt.Als sie das machtige Rauschen horten, stromten sie alle zusammen. Sie waren besturzt,denn jeder horte die versammelten Junger in seiner eigenen Sprache reden. Außer sichvor Staunen riefen sie: Die Leute, die da reden, sind doch aus Galilaa! Wie kommt esdann, daß wir sie in unserer Muttersprache reden horen? Unter uns sind Parther, Mederund Elamiter, Leute aus Mesopothamien und Kappadozien, aus Pontus und aus der Pro-vinz Asien, aus Phrygien und Pamphylien, aus Agypten, dem libyschen Zyrene und ausRom, aus Kreta und Arabien, Menschen mit judischer Herkunft und solche, die sich derjudischen Gemeinde angeschlossen haben. Und trotzdem hort jeder sie in seiner eigenenSprache die großen Taten Gottes verkundigen. Erstaunt und verwirrt fragten sie einander,was das bedeute. Andere machten sich daruber lustig und meinten: Die Leute sind dochbetrunken!

Da standen Petrus und die elf anderen Apostel auf, und Petrus rief laut: Ihr Judenaus aller Welt und alle Bewohner Jerusalems! Hort mir zu und laßt euch erklaren, washier vorgeht.”

- Werbepause: Der Geist Gottes ist in diesem Bericht machtvoll aktiv. Wir durfenihn bewundern und uns freuen an dem machtvollen Eingreifen Gottes. Aber allein die

Roland Potthast 209

Faszination des Ubernaturlichen ist nicht das Wesentliche an der Sache. Allein die Aus-strahlungskraft der erlebten und praktischen Nahe Gottes ist nicht das, worum es Gotthier geht. Darum ist das Pfingsterlebnis nicht ohne die Pfingstpredigt des Petrus zu habenund zu lesen. Hier einige Auszuge... -

”Petrus rief laut: Ihr Juden aus aller Welt und alle Bewohner Jerusalems! Hort mir zuund laßt euch erklaren, was hier vorgeht. Diese Leute sind nicht betrunken; es ist vielmehr,was Gott durch den Propheten Joel angekundigt hat: Wenn die letzte Zeit anbricht, sagtGott, werde ich alle Menschen mit meinem Geist erfullen. Manner und Frauen in Israelwerden dann zu Propheten, alte wie Junge haben Traume und Visionen. Allen, die mirdienen, Mannern und Frauen, gebe ich meinen Geist, und sie werden als Propheten reden.[...] So kundigt sich der große und strahlende Tag des Herrn an. Wer sich dann zum Herrnbekennt und seinen Namen anruft, wird gerettet.

Ihr Leute [Anm: jetzt redet wieder Petrus] von Israel, hort, was ich euch zu sagen habe!Jesus von Nazareth kam zu euch im Auftrag Gottes; das konntet ihr an den wunderbarenTaten sehen, die Gott durch ihn geschehen ließ. [...] Diesen Jesus hat Gott vom Toderweckt, das konnen wir alle bezeugen. Er wurde zu dem Ehrenplatz an Gottes rechterSeite erhoben und erhielt von seinem Vater die versprochene Gabe, den heiligen Geist,damit er ihn an uns weitergibt. Was ihr hier seht und hort, sind die Wirkungen diesesGeistes. [...] Alle Menschen in Israel sollen daran erkennen, daß Gott diesen Jesus, denihr gekreuzigt habt, zum Herrn und Retter der Welt gemacht hat. Dieses Wort traf dieZuhorer mitten ins Herz, und sie fragten Petrus und die anderen Apostel: Bruder, wassollen wir tun? Petrus antwortete: Kehrt jetzt um und macht einen neuen Anfang! Laßteuch alle auf den Namen Jesu Christi taufen! Dann wird Gott euch eure Schuld vergebenund euch seinen heiligen Geist schenken. [...] Etwa 3000 Menschen fuhrte der Herr andiesem Tag der Gemeinde zu.” (siehe Apostelgeschichte 2)

Petrus wird deutlich: Jesus lebt. Jesus ist beim Vater und sendet den heiligen Geist.Dabei geht es um Umkehr: macht einen neuen Anfang! Kehr um! Im gleichen Absatz sagter auch: ”Laßt euch erretten von dem Verderben, das uber diese schuldbeladene Generationhereinbricht!”

Wenn die zitierten Zeilen und unsere Worte bei Ihnen nicht im Kleinen und Großen eineUmkehr und einen neuen Anfang bewirken, wenn nichts in Ihr Herz fallt, dann werden alleErklarungen und Erlauterungen dieses Seminars ins Leere gehen. Darum ist es wesentlich,daß Sie den Weg zum lebendigen Glauben an Jesus Christus finden.

6.2.3 Vom heiligen Geist im neuen Testament

Wir mochten Sie mit hineinnehmen in die Geschichte des heiligen Geistes mit der Gemein-de. Darum begleiten Sie uns auf einen kleinen Streifzug durch das neue Testament, um zuentdecken, wie eng verwoben die Geschichte der christlichen Gemeinden mit dem Wirkendes heiligen Geistes ist.

Spot 1: Hananias und Saphira betrugen den heiligen Geist. (Apostelgeschichte5) Da sind zwei Mitglieder der Gemeinde, die lugen uber ihr Vermogen gegenuber denLeitern der Gemeinde. Nicht, daß jemand sie zu Auskunften verpflichtet hatte! Hananiasund Saphira wollen als groß gelten und schließen sich dem Trend zur Spende des eigenen

210 Die Bibel fur Menschen von heute ...

Vermogens an. Allerdings betrugen sie dabei die Gemeinde und behalten Geld fur sich,von dem sie offiziell behaupten, es gespendet zu haben. In unfaßbarer Weise kommen beidezu Tode durch das Wirken des heiligen Geistes.

Spot 2: Hinrichtung des Stephanus. (Apg. 7,55) Stephanus aber blickte [im Au-genblick seiner Hinrichtung] zum Himmel empor, vom Geist Gottes erfullt. Dort sah erGott in seiner Herrlichkeit und Jesus an seiner rechten Seite und rief: ”Ich sehe den Himmeloffen, und an der rechten Seite Gottes steht der Menschensohn.”

Spot 3: Vision des Petrus. (Apg. 10) Der heilige Geist zeigt dem Leiter der welt-weiten Gemeinde, dem Apostel Petrus, in einer Vision, daß er alles essen darf, daß dieReinheitsgebote des alten Testaments ausgesetzt sind durch das, was in Jesus Christusgeschehen ist.

Spot 4: Paulus und Barnabas werden vom heiligen Geist auf die erste Mis-sionsreise gesandt. (Apg.13) Der heilige Geist redet zu den Propheten und Lehrern derGemeinde von Antiochia, Paulus und Barnabas auszusenden.

Spot 5: Weisungen durch den heiligen Geist. (Apg 16,6) Der heilige Geist erlaubtPaulus nicht, in der Provinz Asien die gute Nachricht zu verkundigen. Stattdessen sendeter sie durch Phrygien und Galatien [heutige Turkei] nach Mazedonien [Griechenland].

Lesen Sie die Apostelgeschichte, und Sie werden vielfaltigste Berichte vom Wirken desheiligen Geistes finden! Aber auch in den Evangelien, in den Briefen des Apostels Paulus,den weiteren Briefen und der Offenbarung ist der Geist Gottes in tiefgreifender Weise aktivund an der Gestaltung des Geschehens beteiligt.

Spot 6: Die Aufgabe des heiligen Geistes nach dem Evangelium des Johan-nes. (Joh.16, 7 ff.) Jesus sagt dort: .”.. es ist gut fur euch, wenn ich fortgehe, denn sonstwird der Stellvertreter nicht zu euch kommen. Wenn ich aber fortgehe, dann werde ichihn zu euch senden. Wenn er kommt, wird er den Menschen dieser Welt beweisen, daßsie schuldig sind, und er zeigt ihnen, was Sunde ist und Gottes Gerechtigkeit und seinGericht. [...] [...] Wenn der Geist der Wahrheit kommt, wird er euch in die ganze Wahrheiteinfuhren. Was er sagen wird, hat er nicht von sich selbst, sondern er wird euch sagen,was er hort. Er wird euch in Zukunft den Weg weisen. Er wird meine Herrlichkeit sichtbarmachen.”

Spot 7: Das neue Leben der Christen nach Epheser 4, 17 ff. ”Ihr durft nichtmehr wie die Gottlosen leben, die von ihrem verkehrten Denken in die Irre gefuhrt werden.[...] Laßt eure Gesinnung vom Geist Gottes erneuern! Zieht den neuen Menschen an, denGott nach seinem Bild geschaffen hat und der so lebt, wie Gott es haben will. Der Wegdazu ist euch durch das Wort der Wahrheit eroffnet, das nicht trugt.”

Wenn Sie es ernst meinen, mit Gott und Jesus Christus Ihr Leben zu gestalten, dannwerden Sie viele spannende Erfahrungen manchen mit dem heiligen Geist Gottes. Und erwird mit Ihrer Hilfe auch andere Menschen zu Jesus Christus einladen, so wie dies in denletzten Absatzen der Bibel, im Buch der Offenbarung beschrieben ist:

”Und der Geist und die Braut [=die Gemeinde] sprechen: Komm! Und wer es hort, derspreche: Komm! Wer durstig ist, der komme zu mir und nehme das Wasser des Lebensumsonst!” (Offenbarung 22,17ff)

Roland Potthast 211

6.2.4 20.Jahrhundert: Streit um den heiligen Geist

Die Sache mit dem heiligen Geist ist nicht immer einfach gewesen in den christlichenGemeinden. Es gab handfesten Streit um den Geist Gottes, um seine Wirkungen undseine Gegenwart.

Ein wenig vom Streit um den heiligen Geist, der im 1. Jahrhundert nach Christusaktuell war, konnen wir in den Briefen des Apostels Paulus an die Gemeinde in Korinthnachlesen, z.B. in den Kapiteln 12 folgende. Dabei geht es um die sogenannten ”Charis-men”, die Gaben des Geistes Gottes. Einige Christen scheinen diese Gaben stark uber-bewertet zu haben. Paulus muß mit viel Muhe und Geduld den mehr gefuhls- und dengeistbetonten Christen zureden. Fragen von Legetimitat und Autoritat haben vor 2000Jahren eine wichtige Rolle gespielt. In langen Passagen versucht Paulus, die Sachverhalteso klar wie moglich zu machen und die Gemeinde zusammenzuhalten, die ”ein Leib” istmit ”vielen Gaben.”

Auch das 20. Jahrhundert kennt viele tiefe Auseinandersetzungen um den Geist Gottes,die durchaus mit denen des 1. Jahrhunderts nach Christus vergleichbar sind. Charisma-tische Bewegungen entstanden Anfang des Jahrhunderts mit der Pfingstbewegung, dannmit der charismatischen Erneuerung innerhalb der evangelischen und katholischen Kir-chen, schließlich mit der sogenannten ”dritten Welle des Geistes”, bei der sich eine weitereSchwerpunktverschiebung in Richtung der ”Macht” und ”Zeichen” Gottes vollzieht. Dabeisind die Kennzeichen des Streits nicht nur in unterschiedlichen Lehrauffassungen zu finden,sondern die Meinungsverschiedenheiten gehen bis an den Nerv des Christseins. Da verur-teilt die ”evangelikale” Welt, die sich als ”bibeltreu” versteht, die ”Pfingstler” als ”vonunten”, also von Satan, getrieben. (siehe Berliner Erklarung vom 15. Sept. 1909). Auf deranderen Seite konnen Pfingstler oft nicht verstehen, daß sich geistgetaufte Christen weiterin den ”alten” Kirchen aufhalten, die sich vom Weg Jesu abgewandt haben. Sehr vieleweitere solcher Verurteilungen und Machtkampfe sind traurige Realitat in der deutschenund europaischen Christenheit. Eine tiefere Analyse der verschiedenen Gemeinden undRichtungen der charismatischen Bewegung wurde ebenso den Rahmen dieses Seminarssprechen wie die Darstellung der Reaktionen und der Situation in den alten Kirchen. Wirkonnen Sie nur herzlich einladen, regelmaßig verschiedene Gemeinden und Christen zubesuchen, um ein Verstandnis fur deren Haltung zu entwickeln und in Ihnen ernsthaft anJesus Christus orientierte Bruder und Schwestern zu entdecken. Auf dieser Basis konnenSie dann ein Gesprach beginnen, um die Wahrheit Jesu nacher zu erforschen und gemein-sam nach der Wahrheit und Realitat des auferstanden Jesus und des heiligen Geistes zusuchen.

Eine biblische Hilfe zur Verstandigung mochten wir Ihnen noch geben. Bedenken Sie:nicht jeder Christ muß in gleicher Weise den Geist Gottes in seinem Leben erfahren undin seinem Denken von Gott prasent haben. Vergleichen Sie die drei großen Propheten desalten Testaments: Jeremia, Jesaja und Hesekiel. Jeremia hat als Fokus Gott den Vater. Je-saja stellt Jesus Christus, den Sohn Gottes, in zentraler Weise heraus. Und Hesekiel erganztdieses Bild um das Wirken des heiligen Geistes. Drei zentrale Propheten - drei Begabun-gen und drei Sichtweisen mochten uns die Toleranz lehren und mochten sich erganzen, umGottes Große wiederzuspiegeln in menschlichen Erfahrungen und Worten.

212 Die Bibel fur Menschen von heute ...

6.2.5 Wort beim Wein: wir brauchen ihn - er ist da!

Wir brauchen den heiligen Geist. Nur durch ihn konnen wir Gott vertrauen. Er schafft inuns den Glauben an Jesus Christus! Ohne ihn waren wir nicht in der Lage, Jesus heutedurch die Worte der Bibel zu verstehen. Wir brauchen ihn - er ist da!

Wir brauchen den heiligen Geist. Nur durch ihn konnen wir tun, was Gott will. Erschafft in uns die Fahigkeit, Jesus zu folgen, nur er erschafft die Liebe Gottes in uns! Ohneihn waren wir nicht in der Lage, heute das zu halten, was Jesus uns aufgetragen hat. Wirbrauchen ihn - er ist da!

Wir brauchen den heiligen Geist. Nur durch ihn wissen wir, wohin uns Gott fuhrt. Erbefahigt uns, Gottes Willen zu erkennen! Ohne ihn waren wir nicht in der Lage, auf denlebendigen Gott in konkreten Situationen zu horen. Wir brauchen ihn - er ist da!

Wir brauchen den heiligen Geist. Nur durch ihn lebt die Hoffnung in uns. Er erneu-ert jeden Morgen unsere Geduld und Liebe! Ohne ihn waren wir nicht in der Lage, mitZuversicht in den Tag zu gehen. Wir brauchen ihn - er ist da!

6.3 Das Original ... - die erste Gemeinde (Apostelgeschichte 2-4)

6.3.1 Fur Eilige: Das Original ... eine Begegnung

Wie leben Christen? Wie ist christliche Gemeinschaft? Haben Sie sich schon einmal gefragt,wie denn ein Leben aussieht, das der Gemeinschaft mit Jesus Christus entspricht?

Anders herum gefragt: wie wird das Zusammenleben unterschiedlicher Menschen wirk-lich gesund, wohltuend, bestandig? Was muß geschehen? Wie sieht ein solches Leben aus?

Unsere Tour durch die Apostelgeschichte fuhrt uns heute mitten hinein in die er-ste christliche Gemeinde und damit auf die Frage, wie eigentlich Christen zusammenle-ben. Wir werden die Hohepunkte eines vom heiligen Geist gepragten Gemeinschaftslebenskennenlernen. Wir werden auch einen Blick werfen in die Schwierigkeiten, die eine engemenschliche Gemeinschaft mit sich bringt.

Die Begegnung mit dem Original von christlicher Gemeinde - mit der ersten Gemeinde- ist spannend und interessant. Wir bleiben aber nicht nur in historischer Perspektive,sondern fragen auch nach dem Leben von Christen und Gemeinden heute.

Tipps fur diese Woche:1) Notieren Sie einmal, was sie von einer gesunden Gemeinschaft von Menschen erwar-

ten. Notieren Sie zu jeder Erwartung auch, wo diese Erwartung einige oder alle Menschenuberfordern konnte.

2) ”Gesunde Gemeinschaft benotigt letztlich Menschen, welche die Quelle und denMittelpunkt ihres Lebens in Gott gefunden haben.” Konnen Sie dieses Grundprinzip nach-vollziehen? Suchen Sie Argumente pro und contra :-).

Roland Potthast 213

6.3.2 Die erste Gemeinde ... Zeitsprung und Abenteuer

Zeitsprung! Reisen wir zuruck etwa in das Jahr 33 anno domini. Ort: Jerusalem, Palastina.Ein markanter ehemaliger Fischer predigt vor einer großen Menschenmenge. Er hat Muhe,das erregte Volk zu beruhigen, die Feuerzungen und das Sprachenwunder zu erklaren. ”IhrJuden aus aller Welt und alle Bewohner Jerusalems” ruft er, ”hort mir zu!”

Im letzten Abschnitt unseres Seminars konnten Sie mit uns erleben, wie Petrus uberVerlorenheit und Rettung redete, wie er Jesus Christus als den Sohn und Heiland Gottesvorstellt und Sie einladt, in Gemeinschaft mit Jesus zu leben. Dort springen wir hinein indie Geschichte, nachzulesen in der Apostelgeschichte Kapitel 2, Vers 40 folgende:

”Petrus beschwor und ermahnte sie noch weiter: Laßt euch retten vor dem Verder-ben, das uber diese schuldbeladene Generation hereinbricht! Viele nahmen seine Worte zuHerzen und ließen sich taufen. Etwa 3000 Menschen fuhrte der Herr an diesem Tag derGemeinde zu.”

Wir erleben den Ursprung, sind Zeugen des Originals: der ersten christlichen Gemein-de. Spater wird man sagen: ”der Glaube kommt durch die Predigt.” 3000 Menschen folgenan diesem Tag der Stimme Gottes und der Stimme ihres Herzens. Sie bekennen mit derTaufe, daß sie ”mit Christus gestorben” sind und ”in ihm leben.” Wir werden mit hinein-genommen in eine faszinierende Gemeinschaft. Schauen wir weiter hinein:

”Sie alle blieben bestandig beisammen, ließen sich von den Aposteln unterweisen undteilten alles miteinander, feierten das Mahl des Herrn und beteten gemeinsam. Durch dieApostel geschahen viele wunderbare Taten, und jedermann in Jerusalem spurte, daß hierwirklich Gott am Werk war.”

Die Gemeinschaft dieser ersten Christen ist in einer weitreichenden Weise auf das LebenJesu ausgerichtet. Gemeinschaft von Nachfolgern Jesu bedeutet: gemeinsam mit anderenChristen den Glauben besprechen und leben, sich helfen und ermutigen, gemeinsam han-deln. Die Apostel sind von Christus gelehrt worden und geben das Gelernte nun weiter.Alle teilen alles miteinander: das Eigentum des Einzelnen wird nebensachlich angesichtsder Gegenwart Gottes. Jesus ist da durch seinen heiligen Geist. Zu dieser Gemeinschaftgehort das, was spater als ”Sakrament” in die Kirchen einging: Abendmahl - das Erinnernund Teilnehmen am Tod Jesu. Abendmahl - die Teilnahme an dem ”neuen Bund” in JesuBlut. Diese tiefen und viele tausend Jahre alten Bilder aus dem alten Testament, die Jesusaufgreift und zu ihrer Vollendung bringt, versuchen wir Christen bis heute auszuschopfenund zu begreifen.

Die erste Gemeinde betet! Sie weiß um die offenen Ohren des lebendigen Gottes. Sieweiß um ihre Abhangigkeit von Gott – wie die Abhangigkeit von Kindern von ihren Eltern.Gottes Macht zeigt sich in ”vielen wunderbaren Taten.” Fur die Christen ist die GegenwartGottes offensichtlich und gewiß!

Kennen Sie personlich christliche Gemeinschaft, die gesund und ermutigend die leben-dige Gegenwart Gottes widerspiegelt? Kennen Sie die lebendige Gemeinschaft von wachenChristen? Suchen Sie diese Gemeinschaft in Ihrer Stadt! Sie ist da, es gibt sie! HabenSie schon einmal Zeiten erlebt, in denen Gott in Ihrem Leben mit wunderbaren Tateneingegriffen hat? Es hat solche Zeiten gegeben und wird sie wieder geben. Gott wirbt undbemuht sich um jeden Menschen. Offnen Sie Ihre Augen und sehen Sie Seine Gegenwart.

214 Die Bibel fur Menschen von heute ...

Wir wollen mit Ihnen gemeinsam noch ein wenig an der Freude und Ausgelassenheitder ersten Gemeinde teilnehmen.

”Alle, die zum Glauben gekommen waren, taten ihren ganzen Besitz zusammen. Wennsie etwas brauchten, verkauften sie Grundstucke und Wertgegenstande und verteilten denErlos unter die Bedurftigen in der Gemeinde. Tag fur Tag versammelten sie sich im Tempelund in ihren Hausern feierten Sie in jubelnder Freude und mit reinem Herzen das gemein-same Mahl. Sie priesen Gott und wurden vom ganzen Volk geachtet. Der Herr fuhrte ihnenjeden Tag weitere Menschen zu, die er retten wollte.” (Apg 2,44ff)

Als Folge der Ausrichtung auf Jesus erlebt die erste Gemeinde eine beispiellose Blute.Wir erfahren in den Kapiteln 3 und 4 der Apostelgeschichte viele weitere Details undspannende Dinge:

• Wunder: die Christen und die Apostel erleben das wunderbare Eingreifen Gottesdurch Krankenheilungen.

• Widerstand: die Leiter der Gemeinde erfahren erbitterten Widerstand durch staat-liche Stellen und die etablierte religiose Schicht.

• Furchtlosigkeit: ”Gib uns deinen Dienern jetzt die Kraft, deine Botschaft mutig undentschlossen zu verkunden. [...] Und alle wurden vom heiligen Geist erfullt. OhneFurcht verkundeten sie allen die Botschaft Gottes.” (Apg. 4, 29-31)

• Einheit: ”Die ganze Gemeinde war ein Herz und eine Seele. Wenn einer ein Vermogenhatte ... ” (Apg 5,32f)

• Versorgung: ”Niemand in der Gemeinde brauchte Not zu leiden.” (Apg 5,34)

... lesen Sie selbst!

6.3.3 Wie leben Christen ... ?

Die Berichte von der ersten Gemeinde sind spannend und ermutigend. Doch sie sind nichtdie einzigen Berichte und Passagen im neuen Testament, in denen es um das Zusammen-leben von Christen geht. Sie sind ein Anfang, ein (vielleicht einmaliger) Hohepunkt. Siesind aber auch Maßstab und Hinweis auf das, was Gott moglich machen kann. Sie zeigenwas Wirklichkeit wird, wenn Menschen konsequent im Glauben an Jesus Christus leben.

Wie leben Christen? Wir mochten heute ernsthaft diese Frage stellen. Wie leben Chri-sten im 20. oder 21. Jahrhundert? Mussen alle Christen ”Gutergemeinschaft” haben? Ha-ben sich heute die sogenannten ”christlichen” Gesellschaften weit entfernt von der LehreJesu? Ist die Gegenwart Christi uns verlorengegangen und sind wir damit wieder herausge-fallen aus dem Reich Gottes? Sind wir in Deutschland und Europa nicht im Sinne Christilangst in vielem eine ”verlorene” Gesellschaft?

Wie leben Christen? Lassen Sie uns einen realistischen Bick hineinwerfen in unsereGesellschaft und in das neue Testament. Einige Highlights, die zum Denken anregen:

Roland Potthast 215

A. Christsein reduziert sich fur viele auf Kirchenmitgliedschaft, einige Rituale bei Ge-burt, Heirat und Tod und auf ”christliche Ethik” im Sinne von Ehrlichkeit und Barmher-zigkeit. All das ist gut, aber Gott selbst - seine lebendige Gegenwart und sein Anspruchauf die Gesamtheit des Lebens - ist verschuttet! Aber: Christen leben in der GegenwartGottes und des auferstandenen Jesus Christus durch seinen heiligen Geist.

B. Christen leben mit ”Ziel Jesus”! Nur wer so lebt, ist damit einer der ”Jesus anhangt”- ist damit ein Christ. Ob Sie in einer sakramentalen Kirche zum ”Christen” getauft wurdenoder durch Umkehrerlebnisse in einer evangelikalen Veranstaltung ”Christ” geworden sind.Es wird die lebendige Beziehung zu Jesus sein, die Sie ”Rebe am Weinstock” sein laßt. Esist ”der Herr”, der Sie von innen her hell macht und ”Licht der Welt” sein laßt - LichtIhrer Umgebung durch die Verbindung zu Jesus!

C. Christen leben nicht ohne Muhe, Ruckschlage und Probleme. ”Geduld ist notig,damit ihr den Siegpreis erringt.” Zum Leben mit Gott gehort es dazu, die Anspruche anein gesichertes Leben abzubauen. Gott selbst will der Fels sein! Wenn wir uns auf Geld,Gut, Gesundheit, Menschen oder Fahigkeiten verlassen, verdrangen wir Gott aus seinerureigensten Position. Sicherheit gibt es nur im Vertrauen auf den, der ”Anfang und Ende”ist, ”Alpha und Omega”, allmachtiger Herr.

D. Christen leben im Gehorsam. Es ist wichtig und wesentlich, Jesus zuzuhoren undzu tun, was er sagt. Lesen Sie das neue Testament unvoreingenommen und offen. Es gibtkein moderneres Buch! Es gibt keinen gesunderen und aufgeklarteren Lebensstil als aufJesus zu horen.

E. Christen konnen nichts tun ohne Jesus. Darum suchen Christen das Gebet unddie Gegenwart Gottes. Darum fragen Christen nach dem Willen Jesu fur ihr Leben. Dar-um warten Christen auf das lebendige Handeln Jesu in ihrer Umwelt, unter Freunden,Kollegen, Kunden, Bekannten, Nachbarn und Verwandten.

Schauen Sie selbst genau hin, wie ”Christen” und ”Christen” handeln, denken, leben!Aber lassen Sie sich nicht entmutigen, denn der Herr lebt, Jesus Christus ist uberall da.

6.3.4 Wort beim Wein: Enttauschungen mit Christen und Gemeinden

Zum Leben als Christ/in gehort die verbindliche Gemeinschaft mit anderen Christen.Das ist mehr als ein Nett-Sein, mehr als gelegentliche Ermutigungen im Urlaub oder amWochenende. Verbindliche Gemeinschaft bedeutet Verantwortung, Bestandigkeit, Nahe.Zu ihr gehort es, sich ernsthaft auf andere Christen einzulassen - gemeinsam Gott zufolgen.

Jede engere Gemeinschaft fuhrt zu Reibung, Spannungen und Konflikten. Wo immerwir Verantwortung wahrnehmen werden wir mit den Charakterzugen der anderen Men-schen konfrontiert, mit ihren (nicht selten verletzenden) Maßstaben, mit ihren Schwachenund den Bruchen in ihrem Denken und Handeln. Die anderen stoßen in gleicher Weise aufunsere eigenen Starken und Schwachen, auf unsere Ecken und Kanten.

216 Die Bibel fur Menschen von heute ...

Engere Gemeinschaft fuhrt zu Enttauschungen - das macht keine Ausnahme bei Chri-sten oder bei christlichen Gemeinden. In jeder Gemeinde gibt es Spannungen, Bruche,Verletzungen, Meinungsunterschiede und Enttauschungen. Werfen Sie alle Illusionen uberBord, es wurde anders sein!

Wie gehe ich mit den schwierigen Dingen in den Gemeinden und beim Umgang mitanderen Chisten um? Einige Gedanken:

A. Leben Sie aus der Quelle! Bauen Sie Ihr Christsein und Ihr christliches Leben aufJesus Christus. Bauen Sie nicht auf Menschen - auch nicht auf christliche Menschen! GehenSie im Gebet direkt zu Jesus. Lesen Sie seine Worte unmittelbar in einer guten modernenUbersetzung der Bibel. Uberfrachten Sie nicht die Gemeinde oder ihren Pastor mit zugroßen Erwartungen. Aber erwarten Sie viel vom lebendigen Jesus.

B. Gestehen Sie anderen Menschen und vor allem Christen Fehler zu! Erlauben Sieauch wiederholtes Fehlverhalten, selbst wenn es nicht von diesen als solches erkannt undnicht ”bereut” wird. Warten Sie nicht auf eine Entschuldigung, bevor Sie verzeihen! LassenSie sich nicht von der Schuld anderer an Ihnen gefangen nehmen, sondern bleiben Sie inder Freiheit Jesu. Aber: sagen Sie anderen klar, womit Sie Probleme haben und was Sieverletzt! Sprechen Sie umgehend und ohne Umschweife, aber sanft und mit Rucksicht aufden anderen.

C. Lassen Sie sich von Gott in verantwortliche Aufgaben fuhren nach Ihren Begabungenund Gaben, die der Geist Gottes Ihnen gibt. Arbeiten Sie mit in einer Gemeinde und einemMissionswerk und dienen Sie so anderen Menschen. Erwarten Sie dabei weder Lohn nochAnerkennung! Tun Sie die Arbeit, weil es richtig ist und Gottes Willen entspricht. ArbeitenSie sorgfaltig, zuverlassig und bestandig! Lassen Sie sich die Bestatigung von Gott direktgeben im Gebet - Gott gibt mehr als alle Menschen es jemals konnten.

6.4 Warum verfolgst du mich? - Erfahrungen eines Schlachters (Apo-stelgeschichte 9)

6.4.1 Fur Eilige: Erfahrungen eines Schlachters

Schlachter hat es in der Weltgeschichte immer wieder gegeben: Menschen, die mit brutalerGewalt ihr Weltbild durchsetzen wollten. Menschen, die uber Leichen gegangen sind, wennes um ihre Auffassung der ”Wahrheit” ging - ihrer Wahrheit.

Auch Paulus, der spatere große Apostel, war ein solcher Schlachter. Unnachsichtigverfolgte er die, welche den judischen wahren Glauben zu zerstoren drohten. Unnachsichtigverfolgte er Jesus Christus und seine Anhanger.

Die Frage nach dem Umgang mit den Schlachtern ist aktuell wie eh und je. Die Span-nungen zwischen den Weltreligionen sind am Anfang des 21. Jahrhunderts nach Christuskeineswegs aufgelost. Ob in Indien, in China oder in der arabischen Welt - uberall gibt esAusbruche von Gewalt, wenn es um die ”wahre” Religion geht. Die Spannungen um denStaat Israel und in Jerusalem sind nur ein Teil der Geschichte. Oft vermischt sich Glaubemit rein gesellschaftlichen Entwicklungen, politischen Fragen und sozialen Spannungen,die mit dem Glauben selbst wenig zu tun haben. Auch heute wird mit Gewalt die Ausrot-tung des Andersdenkenden und Andersglaubenden betrieben, auch in Deutschland - auch

Roland Potthast 217

mitten in Europa.Demgebenuber steht der Relativismus - die Auffassung, daß nichts endgultig wahr sei.

Zumindest alle Glaubensdinge werden von diesem Relativismus erfaßt. Und der Relati-vismus versucht, sich global mit institutioneller Gewalt durchzusetzen - still, aber nichtweniger machtvoll! Da wird verboten, einen Unterschied im Lichte der Wahrheit zu ma-chen. Jeder Glaube an Wahrheit wird als Fundamentalismus in die rechte oder linke Eckegestellt. Jede Wahrheit ist ”diskriminierend” - und darum darf es keine Wahrheit geben(außer der Wahrheit, daß keine Wahrheit ist). Wo ist die gesunde Akzeptanz fur die An-deren, die dennoch nicht die Offenheit fur die Frage nach der Wahrheit aufgegeben hat?

Auf unserer Tour durch die Apostelgeschichte begegnen wir heute dem Umgang Gottesmit einem Schlachter: Paulus! Diese spannende Geschichte sollten Sie sich nicht entgehenlassen und ihre vielen Aspekte wie einen funkelnden Edelstein von verschiedenen Seitenbetrachten. Es lohnt sich wirklich!

Tipps fur diese Woche:1) Wie gehen Sie mit Menschen um, die vollig entgegengesetzt zu Ihren Ansichten

stehen? Welchen Umgang wunschen Sie sich von anderen, die nicht Ihrer Grunduberzeu-gungen sind, mit Ihrer Person?

2) Wie reagieren Sie auf Gewalt? Wie reagieren Sie auf tatliche Gewalt, wie auf stilleund institutionelle Gewalt? Bleiben Sie dabei in der Wahrheit?

3) Was erhoffen Sie sich von Gott, wie er mit der Gewalt in der Welt umgehen soll?Was konnen Sie daruber sagen, wie Gott real mit Gewalt umgeht?

6.4.2 Vom Christenverfolger zum Chefmissionar: Paulus

Unsere Tour durch die Apostelgeschichte fuhrt uns heute zu den Erlebnissen des Paulus,zu den Erfahrungen eines Schlachters mit Jesus Christus.

Steigen Sie mit ein im Kapitel 9 der Apostelgeschichte. Es geht um Saulus, der spaterPaulus genannt wurde, nach den Ereignissen, die uns gerade mit Lichtgeschwindigkeitentgegenkommen:

”Unterdessen ging Saulus noch imer heftig gegen die Junger des Herrn vor und tatalles, um sie auszurotten. Er ließ sich vom Obersten Priester Empfehlungsbriefe an diejudischen Gemeinde in Damaskus geben. Auch dort wollte er nach Anhangern des neuenGlaubens suchen und sie gefangen nach Jerusalem bringen, Manner wie Frauen.” (Apg. 9,Verse 1+2)

Paulus war gebildet, konsequent, hatte gute Beziehungen und folgte voll ”der Wahr-heit”, er folgte Gott und seinen Geboten, wie er und die Mehrheit der Juden jener Zeit sieverstanden. Als Musterjude und gleichzeitig romischer Staatsburger konnte er eine einzig-artige Mission durchfuhren und den neuen christlichen Glauben uberregional bekampfen.Paulus war ein Schlachter aus heutiger Sicht - er war jemand, der mit menschenverachten-der Gewalt brutal gegen die neue Religion vorging. Paulus bejahte den brutalen Mord. Wirverstehen das Verhalten des Paulus aber nur richtig, wenn wir es im Lichte des alten Testa-ments und damit im Lichte Gottes selbst sehen. Fur den konsequenten nicht-christlichenJuden des ersten Jahrhunderts stand jeder Christ außerhalb des judischen Glaubens und

218 Die Bibel fur Menschen von heute ...

damit außerhalb der Heiligkeit und Heilsordnung Gottes. Gott hatte sich ja durch Abra-ham, Isaak und Jakob SEIN Volk erwahlt. Gott hatte ja alle falschen Gotter verurteiltund sie dem Tod hingegeben. Auf Gotzendienst stand die Todesstrafe, die Paulus hier inaller Konsequenz durchfuhrte.

Der judisch-christliche Konflikt des ersten Jahrhunderts beruht aus christlicher Sichtauf einem tragischen und weitreichenden Mißverstandnis der judischen Tradition, welcherein betrachtlicher Teil des judischen Volkes erlegen war. Die Apostel Jesu waren Juden,welche Jesus als Ziel und Erfullung der judischen Tradition erkannten: Gott selbst zeigtsich in Jesus, der als Mensch Gottes Liebe und Heiligkeit fur alle Menschen offnet. Gottbegegnet uns bis heute im Neuen Testament und damit durch Juden - vorbereitet uberJahrhunderte durch das judische Volk. Durch die Nachkommen Abrahams soll allen Men-schen Gesundheit und Heilung zukommen. Christen haben als Mutter das judische Volk -bis heute! In aller Tragik der Gewalt, Konflikte und der Toten uber die letzten 2000 Jahre -es ist ein Brudermord, der sich damals bei Paulus vollzog, der in den antisemitischen Aus-bruchen des Mittelalters tobte, der im Holocaust in Deutschland Millionen von Menschenunfaßbares Leid und den Tod brachte, und der bis heute die Weltgeschichte durchzieht.

Doch kehren wir zuruck zu den Ereignissen um ”Saulus”, horen wir, wie Gott ihmbegegnete und sich sein Leben veranderte: ”Auf dem Weg nach Damaskus, kurz vor derStadt, umstrahlte ihn plotzlich ein Licht vom Himmel. Er sturzte zu Boden und horteeine Stimme: Saul, Saul, warum verfolgst du mich? Wer bist du, Herr? fragte er. Ich binJesu, den du verfolgst, sagte die Stimme. Doch nun steh auf und geh in die Stadt! Dortwirst du erfahren, was du tun sollst. Den Mannern, die Saulus begleiteten, verschlug esdie Sprache. Sie horten zwar die Stimme, aber sie sahen niemand. Als Saulus aufstandund die Augen offnete, konnte er nicht mehr sehen. Da nahmen Sie ihn an der Hand undfuhrten ihn nach Damaskus. Drei Tage lang war er blind. Wahrend dieser Zeit aß undtrank er nichts.” (Apg. 9, 3-9)

Gott selbst tritt dem Saulus entgegen. Gott selbst hat schon detaillierte Plane, wie wirgleich genauer erfahren werden. Licht umstrahlt Paulus - Licht ist im neuen Testamentdas Bild fur die Wahrheit. Licht ist das, wo alles hell und erkennbar wird. Im Licht zusein bedeutet, den Grund des Glaubens und die Wirklichkeit der Welt klar und deutlicherkenne zu konnen. Paulus gerat mitten hinein in dieses Licht. Und im Licht redet Gottmit ihm: direkt und offen.

Mit der Berufung des Paulus, deren Zeugen wir gerade werden, sind wir erneut aneinem der wenigen einmaligen Hohepunkte der Weltgeschichte. Selten hat Gott oder Jesusin so klarer und unmittelbarer Weise direkt gesprochen. Meist ist Sein Reden indirekt -durch andere Christen vermittelt. Meist spricht Gott durch das stille Reden des heiligenGeistes - durch Texte, Predigten und Gesprache mit anderen Christen. Hier spricht Jesusdirekt zu Paulus, doch auch dabei wird Paulus sogleich auf Christen verwiesen, die ihmgenaueres mitteilen. Auch hier verweist Gott gleich auf die christliche Gemeinschaft, inwelcher jeder Mensch nur ein Teil am Gesamtorganismus ist - ein ”Glied” am ganzen LeibJesu Christi.

”In Damaskus lebte ein Junger Jesu namens Hananias. Dem erschien der Herr undsagte: Hananias. Ja, Herr, antwortete er. Der Herr sagte: Geh in die Gerade Straße in dasHaus von Judas und frage nach Saulus aus Tarsus. Er ist dort und betet. In einer Vision

Roland Potthast 219

hat er gesehen, wie ein Mann namens Hananias zu ihm kommt und ihm die Hande auflegt,damit er wieder sehen kann. [....]”

Hananias hat Bedenken. Soll er doch zu dem Schlachter gehen, zu dem, der die Christenins Gefangnis werfen laßt und totet? Doch er geht diesen Weg, den Gott ihm auftragt. Erlegt Saulus die Hande auf und Saulus erhalt sein Augenlicht zuruck. Das unglaubliche -ja unmogliche - geschieht: Saulus geht gleich los und setzt die neuen Einsichten in die Tatum: er geht in die Synagogen und sagt allen, daß Jesus der Sohn Gottes ist, durch den einMensch geheilt und neu werden kann.

Lesen Sie selbst weiter in dieser Geschichte. Und bedenken Sie, wie Gott hier durchwenige Worte einen seiner scharfen Gegner besiegt durch Zuwendung und Wahrheit. Pauluswird in die Knie gezwungen durch die Begegnung mit dem heiligen Gott. Seine korperlicheBlindheit macht ihm die geistige Blindheit erlebbar. Und ”in die Knie” gegangen wird er zueinem gesunden und neuen Menschen - er wird zu jemandem, der die Liebe Gottes erfahrtund der spater zu solchen Glanzleistungen fahig ist wie dem ”hohen Lied der Liebe” undseinen Briefen an die Korinther, Epheser oder Galater.

Paulus lernt die Toleranz durch den lebendigen Gott ... dazu mehr in unserem drittenAbschnitt.

6.4.3 Vom Umgang mit Kritikern und anderen Religionen

Wie gehen Menschen mit ihren Kritikern um? Wie geht Paulus mit seinen Kritikern um?Wie behandelt Gott selbst seine Kritiker?

Was ist mit den anderen Religionen? Wie stehen Christen zu Juden, zu Moslems, zuHindus, zu Buddhisten, zu den Atheisten und den Relativisten moderner Pragung? Wassagt Gott zu den verschiedenen Religionen?

Als Paulus noch ein nicht-christlicher Jude ist, spricht Gott uber ihn (vgl. Apg 26,15ff): ”Doch steh nun auf; denn ich bin dir erschienen, um dich in meinen Dienst zunehmen. Du sollst weitersagen, was du heute gesehen hast und was ich dir noch zeigenwerde. Ich sende dich zu Juden wie Nichtjuden und werde dich vor ihnen schutzen. Dusollst ihnen die Augen offnen, damit sie aus der Finsternis ins Licht kommen, aus derGewalt des Satans zu Gott. Denn wenn sie mir vertrauen, werde ich ihnen ihre Schuldvergeben, und sie erhalten einen Platz unter denen, die Gott erwahlt hat.”

Gott beruft Menschen, die noch nicht Christen sind. Gott wendet sich Menschen zu, dieweder ihn noch seinen Sohn Jesus kennen. Gott liebt die Menschen in unaussprechlicherWeise. Die Liebe Gottes opfert sich fur diejenigen, die ihn hassen, ignorieren, foltern undhinrichten. Jesus ist damit ”tolerant” in einem weitreichenden und umfassenden Sinn!Jesus ertragt die Menschen in ihrer Ungerechtigkeit. Jesus als der ”wahre” Mensch istsolidarisch mit allen Menschen!

Diese Liebe Gottes setzt den Maßstab fur den Umgang mit allen Religionen, mit denAndersdenkenden, den Nicht-Christen und Andersartigen. Christen werden Menschen ineiner erfrischenden und wohltuenden Akzeptanz begegnen. Einem Menschen, der JesusChristus folgt, kann man vertrauen und sich ihm anvertrauen

- auch wenn viele Gegner dieses Vertrauen madig machen wollen und die Christen hartattakieren und beschimpfen,

220 Die Bibel fur Menschen von heute ...

- auch wenn in der Geschichte immer wieder Menschen als sogenannte ”Christen”andere vergewaltigt und getotet haben in voller Verwirrung ihres Fuhlens, Denkens undHandelns,

- auch wenn Christen nicht fehlerlos sind, wenn sie fallen und Vertrauen enttauschen,aber lebendige Christen werden immer wieder aufstehen und bereuen, einen neuen

Anfang suchen und damit lebendig Jesus Christus nachfolgen!

Annahme und Wahrheit. Die Liebe Gottes nimmt Menschen an, sie mutet al-len Menschen aber auch die Wahrheit und Wirklichkeit Gottes zu: seine Heiligkeit, seineMaßstabe und seine brennende Gerechtigkeit. Nur dort am Kreuz Jesu kann ein Menschvolle Gerechtigkeit erhalten durch den Tod dessen, der unschuldig die Schuld der Welt aufsich nahm. Nur durch Jesus konnen wir Menschen wirklich leben! Wir kommen also nichtdarum herum, klar zu sagen:

• Der Relativismus ist ein Abgott, eine Macht, die sich an die Stelle Gottes setzt.

• Bei allen Wahrheiten, die die Religionen in ihren Lehren verarbeitet haben, bleibtein Mensch ohne die heilende Macht Jesu doch ”verloren.” Es gibt viele Gotterund viele weitreichende Machte in der Welt. Es gibt viele Gebete zu den Quellender Religionen, die erhort werden, weil es eine geistige Welt mit Machtigen undGewaltigen darin gibt. Aber sie gehen am Schopfer vorbei - und damit fuhren sieden Betenden in eine tragische Abhangigkeit von falschen Gottern!

• Durch die Macht Jesu konnen Christen heute die Menschen zu Gott einladen unddurch das Evangelium heilend und wohltuend einwirken auf Glauben und Uberzeu-gungen. Durch den Tod Jesu konnen Christen anderen Menschen - gleich welchenGlaubens - mit Akzeptanz, Toleranz und Liebe begegnen. Wir mussen und wer-den einander helfen, uns annehmen und gemeinsam leben! Und wir werden uberdie Wahrheit ins Gesprach kommen, und die Wahrheit wird ihre Macht zeigen: derlebendige Schopfer schweigt nicht.

6.4.4 Wort beim Wein: Wahrheit und Modernismus

Am Anfang des 21. Jahrhunderts gibt es verschiedene Stromungen, welche den Verstandund die Diskussion der modernen Menschen pragt. Wir mochten einige wichtige Stromun-gen herausgreifen:

Der Relativismus: Wir haben ihn schon mehrfach erwahnt und im Abschnitt 3 alsMacht eingeordnet, die sich jeder Suche nach Wahrheit in Fragen nach Gott entgegen-stellt. Der Relativismus laßt nicht zu, daß eine Wahrheit (außerhalb seiner selbst) ange-nommen wird. Gleichzeitig tritt der Relativismus mit absolutem Wahrheitsanspruch auf.Er geht mit Macht und Gewalt gegen diejenigen vor, die sich dem Relativismus nichtunterordnen wollen. Zum Relativismus gehort als konkrete Auswirkung zum Beispiel dasNeutralitatsgebot des Staates in jener Lesart, die das offene Bekenntnis der Betroffenenverbietet. Man verbietet z.B. muslimischen Frauen das Tragen des Kopftuches im Dienst,

Roland Potthast 221

weil es nicht ”neutral” genug bzw. ein Zeichen der Unterdruckung sei. Aber diese Art von”Neutralitat” wird damit selbst zur sich mit Macht durchsetzenden Weltanschauung. Mitder gleichen Argumentation konnte man das Kreuz verbieten, weil es einerseits Bekenntnisund andererseits durch die Kreuzzuge ein Zeichen des Volkermords ist.

Die Spaßgesellschaft: Als moderne Form alter helenistischer und romischer Philoso-phien tritt uns die Grunduberzeugung entgegen, daß an erster Stelle der Spaß oder dieFreude am Leben das wirklich erstrebenswerte sei. Die Spaßgesellschaft hat die jugendlicheVariante, die mit schicken Kleidern und super Parties die Cliquen pragt. Aber auch die Bil-dungsreisen, die Kreuzfahrt-Euphorie und manche Extravaganzen in Film und Fernsehensind Ableger der Spaßgesellschaft. Hier ist Gott der Spaß, und er herrscht mit eisernemRegiment!

Die Businessgesellschaft: Sie ist globale Gesellschaft, mit den Seitenansichten Borse,New Economy und Grunder-Society. In neuem Gewand finden wir hier alte Tugenden. Esgilt etwas, wer etwas leistet. Geld regiert die Welt. Wie mit neuer Fahigkeit zu fliegenheben die jungen und alten Wilden der Businessgesellschaft ab zur Schwerelosigkeit inder kommerziellen Welt. Und wie pragend sind die Erfahrungen von Macht, Einfluß undAchtung, die mit dem Erfolg in wirtschaftlicher Hinsicht verknupft sind. Die Businessge-sellschaft hat den Erfolg als Gott, dem sie vollig erlegen ist.

Die Mediengesellschaft: Der existiert, uber den man spricht und der in Film, Fern-sehen, Presse, Zeitungen und Magazinen prasent ist. Es geht darum, Aufmerksamkeitzu erregen - ob durch ”gute” oder ”anstoßige” Mittel. Da werden Glitzer und Glimmeraufgefahren, High-Tech der vierten Generation, oder machmal auch einfach Bar-Code aufnackten Hintern in Wandgroße an jeder Plakatwand. Die Mediengesellschaft hat einen kla-ren Gott: den Bekanntheitsgrad. Gebetserhorungen werden an Einschaltquoten gemessenund in Umfragen zur Sympathie und Popularitat.

Ein Leben mit dem lebendigen Gott braucht eine klare Distanz zu den vielfaltigenGottern, die in der Gesellschaft verehrt werden. Wir mochten Sie heute ermutigen, injener gesunden Distanz zu leben, die Jesu Christus uns vorgelebt hat und in die er unsheute taglich neu hineinfuhrt. Es ist eine Distanz, die sich den Menschen offnet, ohne denAbgottern zu erliegen.

222 Die Bibel fur Menschen von heute ...

6.5 Wort zur Lage - der Bundesprasident spricht ... - die sieben Send-schreiben (Offenbahrung 2+3)

6.5.1 Fur Eilige: der Bundesprasident spricht ...

Sie alle kennen die Aufmerksamkeit, die der Bundesprasident in der politischen und kul-turellen Landschaft in Deutschland findet. Wenn der hochste Reprasentant des Staatesredet, dann horen alle zu. Hier konnen Worte etwas bewirken, selbst wenn keine exekutiveMacht hinter den Worten steht. Die Prasidenten in Deutschland haben diesen Einfluß gutgenutzt. Weizsacker, Herzog, Rau ... sie haben als moralische Instanzen friedensstiftendin die Gesellschaft hinein gewirkt. Wenn Jesus Christus das Wort erhebt, geschieht sehrviel mehr als beim Bundesprasidenten: Jesus, der Sohn Gottes, - von Gott eingesetzt zumHerrn und Heiland - redet mit Autoritat und Vollmacht. Was das eigentlich bedeutet, wases damit auf sich hat, und worum es inhaltlich dabei geht, ist unser heutiges aktuellesThema.

Die Geschichte des auferstandenen Jesus Christus mit seiner Gemeinde - in ihren vielenunfaßbaren Dimensionen - fuhrt uns heute hinein in das Buch der Offenbarung. Wir erle-ben, wie Jesus fur jede Gemeinde individuell ein ”Wort zur Lage” redet. Jesus analysiertdie Situation und stellt sie hinein in seine Geschichte mit der Welt. In einer Mischung ausliebevollem Werben und umfassender Unbestechlichkeit begegnet uns Gott, der Herr derErde, in den vom Apostel Johannes aufgeschriebenen Worten des lebendigen Jesus.

Mit den Sendschreiben an die Gemeinden von Ephesus, Smyrna, Pergamon, Thyatira,Sardes, Philadelphia und Laodizea sind uns kostbare Analysen uberliefert, die bis heutevon einer unbeschreiblichen Aktualitat in jede Form von Gemeinde und Kirche hineinspre-chen. Gleich mehr dazu ...

Tipps fur diese Woche:1) Analysieren Sie einmal Ihre personliche Lage! Wie ist es um Sie bestellt, wie steht

es um Ihren Glauben und Ihr Verhaltnis zu Gott?2) Verstehen Sie die kraftvollen Bilder, in denen die Offenbahrung von den Realitaten

der Welt redet? Nehmen Sie die Bilder auf, und sprechen Sie mit befreundeten Christenuber die Bedeutung dieser Bilder!

3) Jesus schreibt in dem Brief an die Gemeinde von Ephesus tiefreichende Worte:”Ihr liebt mich nicht mehr wie am Anfang? Kehr um!” Jesus zeichnet der Gemeinde dieKonsequenz ihres Weges auf: ihr Leuchter wird vom Platz gestoßen werden. Die ”ersteLiebe” ist wichtig, ja wesentlich! Beschaftigen Sie sich mit diesem zentralen Punkt deschristlichen Glaubens!

6.5.2 Die Sendschreiben I: lieben wie am Anfang ...

Bevor wir naher in die Offenbarung hineinschauen, mussen wir uns noch einmal die gesamteSituation vergegenwartigen, in der wir sind und die uns das neue Testament vor Augenmalt: Jesus Christus, menschlicher Sohn und Heiland Gottes, ist nach seinem Tod amKreuz auferstanden. Jesus lebt. Er erschien den Jungern, lehrte sie und klarte sie auf uberdie Zusammenhange dieses unfaßbaren Geschehens. Wie geht uns modernen Menschen

Roland Potthast 223

das heute: konnen wir die Realitaten erfassen, mit der die Bibel uns konfrontiert? Sindwir offen fur die Realitat des auch heute lebendigen und gegenwartigen Jesus Christus?Glauben, erleben und erfahren wir die Gegenwart und Begleitung Jesu ... dieses Jesus, derhier an sieben Gemeinden neutestamentlicher Zeit schreibt? Erfahren Sie personlich dietiefe Liebe Gottes?

Vielleicht konnen Ihnen die Situationsanalysen und personlichen Worte Jesu an dieGemeinden von damals heute weiterhelfen, mehr von der Realitat zu sehen? Vielleichtkonnen gerade diese Worte fur Sie den Vorhang offnen und Ihre Sinne bereit machen furdas Reich Gottes! Horen wir einfach einmal zu: ”Diese Botschaft kommt von dem, der diesieben Sterne in seiner rechten Hand halt und zwischen den sieben goldenen Leuchterneinhergeht.” (Offenbarung, 2.Kapitel, Vers 1)

Die sieben Sterne sind die sieben Gemeinden - auch die sieben goldene Leuchter sinddiese Gemeinden. Sie sind ”Licht der Welt” (dies hat Jesus in den Evangelien fur seineNachfolger so formuliert). Diese Gemeinden halt Jesus in seiner Hand. Er kennt sie, er gehtzwischen ihnen hin und her. Jesus macht klar, daß er lebendig ist, kein Mythos, der dieGemuter trosten soll. Keine Hoffnung aus dem Nichts. Keine Vertrostung auf ein Spater.Jesus ist da!

”Ich kenne euer Tun. Ich weiß, wieviel Muhe ihr euch gebt und wie geduldig ihr seid. Ichweiß, daß ihr keine schlechten Menschen duldet. Die Leute, die sich als Apostel ausgeben,aber keine sind, habt ihr gepruft und ihre Lugen aufgedeckt. Ihr habt Ausdauer. Ummeinetwillen habt ihr gelitten und doch nicht den Mut verloren.” (Offenbahrung 2, Vers2ff) Jesus lobt zuerst einmal seine Gemeinde und macht klar, daß er ihr Engagementsieht und es schatzt. Muhe, Ehrlichkeit, Ausdauer, Leidensfahigkeit ... all das atestiertder lebendige Jesus seiner Gemeinde in Ephesus. Diese Tugenden sind der Gemeinde undJesus wichtig.

Doch dann folgen zentrale Zeilen, welche das Engagement und die Tugenden erst indas richtige Licht rucken. All die aufgezahlten Dinge sind nicht das Wesentliche ... es gehtum viel mehr:

”Aber etwas habe ich an euch auszusetzen: Ihr liebt mich nicht mehr wie am Anfang.Denkt daruber nach, von welcher Hohe ihr herabgesturzt seid! Kehr um und handeltwieder so, wie zu Beginn! Wenn ihr euch nicht andert, werde ich zu euch kommen undeuren Leuchter von eurem Platz stoßen. Doch eins spricht fur euch: Ihr haßt das Treibender Nikolaiten genauso wie ich. Wer horen kann, der achte auf das, was der Geist denGemeinden sagt!”

Es geht um viel mehr als um gutes Handeln, und darum sagt Jesus: ”Ihr liebt michnicht mehr wie am Anfang.” Die Luther Ubersetzung schreibt: ”ich habe wider dich, daßdu deine erste Liebe verlaßt!” Alle Tugenden, alle Muhe und Ausdauer, aller Kampf istnicht das Wesentliche. All das muß seinen Grund haben und finden: die erste Liebe!

Worum geht es beim christlichen Glauben? Was steht im Vordergrund? Was machtden Glauben und einen Christen aus? Jesus sagt hier, was fur ihn selbst das Wesentlicheist: bleibe in der ersten Liebe. Das ist das hochste Gebot: du sollst Gott, deinen Herrn,lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, mit deinem ganzen Gemut, Fuhlen, Denken,Wissen, Willen und Verstand. Gott mochte uns erfullen mit der Liebe wie mit einemfeinen, lebendigen und wunderbaren Wasser. Fur die erste Liebe kann man nur poetische

224 Die Bibel fur Menschen von heute ...

Worte finden, kann man nur schweigend stille werden, oder mit schuchternen Versuchenungelenke Silben wagen. Man kann aber auch das immerwahrende Feuer der ersten Liebewahrnehmen ... einer Liebe, die sich ganz und fur immer anvertraut, die nicht zu besiegenist, die ihre Quelle direkt bei dem hat, der Leben ist aus sich selbst heraus: der heiligeGott.

”Denkt daruber nach, aus welcher Hohe ihr herabgesturzt seid.” sagt Jesus zu de-nen, welche die erste Liebe verlassen haben. Jesus beschreibt Abgrunde - und durch dieseBeschreibung hindurch schimmert das Ringen des heiligen Gottes um die Liebe des Men-schen. Es schimmert hindurch die lichtjahreweiten Distanzen zwischen der Welt Gottesund einer in die Gottesferne geratenen Menschheit. ”Zwischen dieser und jener Welt aberist ein großer Graben, den niemand uberwinden kann.” - so beschreibt Jesus in Lukas 16die Distanzen, die zwischen der Welt der ersten Liebe liegen und der anderen Welt, dieGottes Liebe zuruckgewiesen hat. Wir verstehen so auch die eindringliche Warnung Jesu:”wenn ihr euch nicht andert, werde ich kommen und euren Leuchter von seinem Platzstoßen.” Wenn ein Mensch die erste Liebe verliert, verliert er damit auch den wesentlichenBestandteil dessen, was ”Reich Gottes” ausmacht. Johannes beschrieb das in seinen Brie-fen durch die bekannten Zeilen: ”Denn Gott ist die Liebe, und wer in der Liebe bleibt, derbleibt in Gott und Gott in ihm.”

Es geht bei all dem um Gottes heilige Liebe - sie wird im griechischen Agape genanntund ist vom Eros, der korperlichen Liebe zwischen Mann und Frau unterschieden. Got-tes Liebe ist großer, weiter, heiliger und umfassender als alles, was wir Menschen in dermenschlichen Liebe kennenlernen. Menschliche Liebe ist ein schwaches Abbild der LiebeGottes. Doch heute konnen wir der Liebe Gottes begegnen und direkt aus der Quelle trin-ken. Jesus offnet diese Quelle und wir haben Anteil daran im Glauben durch den heiligenGeist.

”Wer den Sieg erlangt”, sagt Jesus, ”dem gebe ich das Recht, vom Baum des Lebenszu essen, der im Garten Gottes wachst.” Den Sieg erlangen - es geht um ein Leben inder ersten Liebe. Es geht um die lebendige Begegnung mit dem reinen Wasser, welchesJesus auch heute fur Sie, mich und jeden Menschen taglich bereit halt. Ob in Munchen,Koln oder Berlin ... in landlichen oder stadtischem Umfeld, Sie sind herzlich eingeladen,umzukehren zu dem lebendigen Gott und an seiner heiligen Liebe teilzuhaben.

6.5.3 Die Sendschreiben II: Armut, Reichtum, Wachsein

Wir mochten mit Ihnen einen Blick in weitere Sendschreiben werfen. Wir greifen im folgen-den einige wichtige Aspekte heraus. Lassen Sie sich nicht von dem Vergnugen abbringen,die Sendschreiben in voller Lange in der Offenbarung nachzulesen!

”Diese Botschaft kommt von dem, der der Erste und Letzte ist, der tot war und wiederlebt. Ich weiß, daß ihr verfolgt werdet und daß ihr arm seid. Aber in Wirklichkeit seid ihrreich! Ich kenne die ublen Nachreden, die von Leuten uber euch verbreitet werden, die sichals Angehorige des Gottesvolkes ausgeben. Aber das sind sie nicht, sondern sie gehorenzum Satan. [...] Wer horen kann, der achte auf das, was der Geist den Gemeinden sagt!”(Offb. 2,8-11)

Jesus hat einen klaren Blick fur Armut und Reichtum. Nicht die blinkenden Glaspalaste

Roland Potthast 225

der modernen Businesswelt sind entscheidend. Es geht nicht um globale Wirtschaft undum die Innovationspreise der Medienkonzerne und staatlicher Organisationen. Es geht umden Reichtum, der aus der Verbindung mit der lebendigen Quelle des Lebens kommt. Esgeht um den Frieden, den nur Gott selbst in das Herz eines Menschen legen kann. Es gehtum das Voll-Sein mit dem Geist, der am Anfang war und der am Ende sein wird. ”Machteuch Geldbeutel, die nicht rosten!” sagt Jesus in den Evangelien.

Wir ”aufgeklarten” Menschen glauben nicht mehr an Geister - und damit ist sicherlichvielem Hokus-Pokus der Boden zu Recht entzogen. Aber die geistige Welt haben wirdamit leider oft aus den Augen verloren oder nehmen nur noch eine reduzierte Versiondavon wahr. Wir wissen nichts mehr zu sagen uber die ”Machtigen und Gewaltigen unterdem Himmel”, von denen Paulus redet, von den ”geistigen Machten.” Der Satan wirdals Comic-Figur mit rotem Fell und kleinen Hornern dargestellt. Welch ein Zerrbild derwirklichen Verhaltnisse. Dies ist nicht der Ort, die Situation genauer zu analysieren. Dochnehmen wir zur Kenntnis, daß der Satan im neuen Testament als aktives machtvollesWesen beschrieben wird, der mit seiner Herrschaft viele Menschen in einer Art ”UnkenntnisGottes” gefangen halt.

An die Gemeinde in Pergamon schreibt Jesus: ”Diese Botschaft kommt von dem, derdas scharfe und zweischneidige Schwert hat. [...] Ihr seid mir treu geblieben und habt euerBekenntnis zu mir nicht widerrufen. [...] Unter euch gibt es Anhanger der Lehre Bileams.Der stiftete Balak an, die Israeliten zur Sunde zu verfuhren. [...] Kehr um! [...] Wer horenkann, der achte auf das, was der Geist den Gemeinden sagt!”

Das scharfe zweischeidige Schwert ist die Richtermacht Gottes, ”die schneidet Seele undGeist, Mark und Bein.” Jesus ist der Herr, der Richter, der die ganze Welt richten wird. DieSendschreiben gehen in den Bildern der Selbstbeschreibung Jesu durch die wesentlichenEigenschaften Christi und sind als solche selbst Evangelium. Jesus macht klar, daß er”Sunde” nicht duldet und ruft zur Umkehr auf. Es ist also im neuen Testament nichtgleichgultig, wie man sich verhalt. Die Liebe Gottes tuncht nicht alles Bose und jedesdem Menschen unwurdige Verhalten uber. Sondern im Licht Gottes wird alles sichtbar,offenkundig und aufgedeckt. Jesus selbst deckt die Dinge auf und spricht ja in diesenSendschreiben das Verhalten seiner Leute an.

Werfen wir einen Blick auf das Sendschreiben an die Gemeinde in Thyatira: ”DieseBotschaft kommt von dem Sohn Gottes, dessen Augen wie Feuer gluhen und dessen Fußewie gleißendes Gold glanzen. Ich kenne euer Tun. Ich kenne eure Liebe, euren bestandigenGlauben, euren Dienst und eure Ausdauer. [...] Aber eins habe ich an euch auszusetzen:Ihr duldet diese Isebel, die sich als Prophetin ausgibt. Mit ihrer Lehre verfuhrt sie meineDiener zu Sexualitat außerhalb der lebenslangen verbindlichen Gemeinschaft von Mannund Frau, und Fleisch von Tieren zu essen, die als Gotzenopfer geschlachtet worden sind.Ich habe ihr Zeit gegeben, sic zu andern; aber sie will ihr zuchtloses Leben nicht aufgeben.Darum werde ich sie aufs Krankenbett werfen. [...] Ich werde mit jedem von euch nacheuren Taten verfahren.”

Der, dessen Augen gluhen wie Feuer ... der Sohn Gottes beschreibt seine Allwissenheitund seine Macht. Hier geht es um die Herrlichkeit Jesu Christi, die in Bildern, Visionen undErlebnissen schon zu seinen Lebzeiten fur die Junger sichtbar wurde. Die dann folgendenPassagen uber Isebel mussen uns erschrecken und das sollen sie auch. Denn es geht um

226 Die Bibel fur Menschen von heute ...

schreckliche und weitreichende Dinge: um Gottes Gericht, welches gerecht und heilig ist,unbestechlich und konsequent. Die heftige Realitat Jesu bis heute ist auch die Realitatdes Gerichtes Gottes uber die Ungerechtigkeit, die Lieblosigkeit, die Falschheit und jedesLeben, welches nicht in der Heiligkeit Gottes lebt. Es ist damit die fortdauernde Geschichtedes Todes Jesu Christi am Kreuz von Golgatha, der Schadelstatte. Nur unter dem KreuzJesu ist heilende Gerechtigkeit. Außerhalb von Jesus ist nur das Verderben. Beim KreuzJesu treffen sich die Gerechtigkeit Gottes und die lebendige Liebe Gottes - nur dort konnenwir Gott in seiner ganzen Universalitat und Große kennenlernen und verstehen. Und nurdort finden wir personlich volle Gerechtigkeit.

Wir blattern weiter durch die Sendschreiben und kommen zur Botschaft an Sardes:”Diese Botschaft kommt von dem, dem die sieben Geister Gottes dienen und der diesieben Sterne in der Hand halt. Ich kenne euer Tun. Ich weiß, daß man euch fur einelebendige Gemeinde halt; aber in Wirklichkeit seid ihr tot. Werdet wach und starkt das,was noch Leben hat, bevor es abstirbt.”

Die Unbestechlichkeit Jesu ist schweißtreibend! Er schaut nicht auf außerliche Formen,nicht auf Aktivitaten, nicht auf all das, was ”die Welt” fur ’lebendig’ halt. Ganz knallhartsagt er dieser Gemeinde: ihr seid tot! Ihr seid eingeschlafen - keinen lebendigen Glaubenkann man bei euch finden. Werdet wach! Wenn Sie das heute einer Gemeinde sagen -ob sie einer der großen deutschen Landeskirchen angehort oder einer Freikirche ... siewerden heftige Widerworte ernten und haben sich damit selbst vom weiteren Gesprachausgeschlossen. Das aber bestatigt nur das Problem und darum: Jesus selbst geht hierin die volle Konfrontation mit seiner Gemeinde. Knallhart und ehrlich analysiert er dieSituation.

Wir brauchen Gemeinden, die horen, was der Geist Gottes heute zu sagen hat. Wirbrauchen Gemeinden und viele viele Christen die fragen: sind wir nicht im Grunde tot?Trifft nicht auf uns das zu, was Jesus an Sardes zu sagen hatte? Machen wir uns klar:diese Ermahnung kann nicht von den Angehorigen einer Gemeindeform an die Angehorigeneiner anderen Kirche kommen - sie muß aus den einzelnen Gemeinden vorgebracht werden!Lebendige Christen wissen, wie sehr sie zu kurz laufen, denn sie kennen den heiligen Gott!Darum sind lebendige Gemeinden auch selbstkritische Gemeinden. Sie sind Gemeindenauf dem Weg, Gemeinden unterwegs mit Jesus!

Das vorletzte Sendschreiben geht an die Gemeinde in Philadelphia: ”Diese Botschaftkommt von dem, der heilig und zuverlassig ist. Er hat den Schlussel Davids. Wo er offnet,kann keiner mehr zuschließen, und wo er zuschließt, kann keiner mehr offnen. [...] Ich habeeuch eine Tur geoffnet, die keiner mehr zuschließen kann.”

Jesus ist verlaßlich und als solcher wurde ihm von Gott der Schlussel des Reiches Gottesanvertraut: das ist die Richterrolle Jesu. Die Worte Jesu hier reichen jedoch weiter. Es gehtum den Glauben und um die Ausbreitung des Glaubens. Es geht darum, daß Menschendas Evangelium horen und annehmen. Jesus selbst kann hier ”Turen offnen” - ja er kannTuren offen oder geschlossen halten. Machen Sie sich die unfaßbare Macht klar, die hierbeschrieben wird. Nicht Sie selbst haben ihren Glauben in der Hand. Nicht Sie selbsthaben den Glauben anderer in der Hand. Mit all Ihrem Engagement konnen Sie nichtsBleibendes schaffen. Doch Jesus hat den Schlussel Davids. Wenn er ihnen und anderenTuren aufschließt, dann kann keiner mehr zuschließen. Wo er aber die Turen zuschließt,

Roland Potthast 227

kann keiner mehr offnen ...Und schließlich spricht Jesus Christus zur Gemeinde in Laodizea: ”Diese Botschaft

kommt von dem, der Amen heißt. Er ist der wahrhaftige und treue Zeuge, von dem alleskommt, was Gott geschaffen hat. Ich weiß, daß ihr weder warm noch kalt seid. [...] Ihr seidlauwarm. Darum werde ich euch ausspucken aus meinem Mund.”

Der treue Zeuge: Jesus macht uns Menschen Gott bekannt. Durch die Evangelien, dieBriefe der Apostel und die Offenbarung konnen wir Gott kennenlernen und Gott kennen.Gott ist heilig, wahrhaftig und treu. Die Wahrhaftigkeit Jesu haben wir schon in verschie-denen Sichtweisen kennengelernt. Hier nun lernen wir, daß es bei dem Weg Jesu keineHalbheiten geben kann, keine Lauheit. So sehr Menschen immer wieder die scharfe Grenzeangreifen und aufzuweichen versuchen, die im neuen Testament gezogen wird - sie ist Rea-litat und wird hier von Jesus bestatigt. Es geht um das Ganze. Es ist nicht moglich, Gottund anderen Gottern gleichzeitig zu dienen. Sie konnen nicht Christ und Muslim sein,nicht Christ und Hindu, nicht Christ und Buddhist, nicht Christ und Atheist, nicht Christund geldgierig, nicht Christ und ruhmorientiert, nicht Christ und gleichzeitig jemand, dersein Leben auf die Wissenschaft, auf Sympathie, auf einen anderen Menschen oder eineGruppe grundet.

Und immer wieder werden wir aufgefordert: ”Wer horen kann, der achte auf das, wasder Geist den Gemeinden sagt!” Wer horen kann, der achte darauf ... auch in dieser Woche!

6.5.4 Jesus Christus bei seiner Gemeinde

Wie ist die Situation heute? Die sieben Sendschreiben sind alt und fur viele lang vergangeneGeschichte. Auch sind sie ja an Gemeinden gerichtet, die vor fast 2000 Jahren lebten unddie uns heute kaum interessieren ... oder?

Nein, Jesus ist heute bei der Gemeinde - so wie vor knapp 2000 Jahren bei den siebenGemeinden. Jesus ist lebendig, ist da. Und auch heute spricht er durch seinen Geist zuallen, die horen mochten und horen konnen. Heute, und nehmen Sie das aktuelle Datum,– heute ist Jesus da. Heute ringt er um Ihre erste Liebe ... um die ganze Gemeinde alslebendigen Organismus!

Wie bei den sieben Gemeinden laßt Jesus nicht einfach eine Gemeinde fallen. Auchwenn eine Gemeinde langst tot ist (der Pastor mag ja immer noch Sonntags vor wenigenoder vielen seine Predigt halten), gibt Jesus die Gemeinde nicht auf. ”Werde wach undstarke, was absterben will!” sagt der Auferstandene.

Werden Sie heute wach!Starken Sie, was absterben will!Wecken Sie, was eingeschlafen ist!Wecken Sie die erste Liebe.

6.5.5 Vertrauen Sie Jesus - werden Sie heute Christ!

”Hort gut zu”, sagt Jesus zu der Gemeinde in Laodizea. ”Ich stehe vor der Tur und klopfean. Wenn jemand meine Stimme hort und offnet, werde ich bei ihm einkehren. Und ichwerde das Abendmahl mit ihm halten und er mit mir.” (Offb. 3,20)

228 Die Bibel fur Menschen von heute ...

Sie horen heute die Stimme Jesu, wenn Sie diesen Abschnitt lesen. Er spricht die obigenWorte durch die alten Texte zu ihnen auch heute: ”Ich stehe vor deiner Tur und klopfean!”

Jesus steht vor ihnen und mochte eingelassen werden. Er mochte die Leitung in ihremLeben ubernehmen, mochte Sie zur Liebe Gottes fuhren. ”Kommt her zu mir, die ihrmuhselig und beladen seid ... ich will euch erquicken.” Und sein Wesen ist sanftmutig undvon Herzen demutig. Man kann sich Jesus anvertrauen.

Gehen Sie im Gebet jetzt diesen Weg. Ubergeben Sie ihr Leben Jesus Christus - demlebendigen und auferstandenen Sohn Gottes. Offnen Sie jetzt, gehen Sie in eine ruhigeEcke Ihres Zimmers, setzen Sie sich oder gehen Sie auf die Knie, heben Sie die Hande undgeben Sie Gott ihr Leben.

Herr, mein Gott. Herr Jesus Christus! Heute mochte ich mein Leben in deine Handelegen. Ich mochte die Liebe zu dir lernen, ich mochte, daß du mich erfullst mit deinemHeiligen Geist! Bitte vergib mir meine Schuld und laß mich erkennen, wer du bist und wieich so leben kann, wie du es gelehrt und vorgelebt hast. Herr, nimm mein ganzes Lebenin deine Hand! Amen.

”Wenn jemand meine Stimme hort und offnet, zu dem werde ich einkehren.” sagt Jesus.Er kommt und der Heilige Geist nimmt Wohnung bei Ihnen. Er nimmt Sie beim Wort undstellt Ihr Leben unter seinen Schutz und seine Herrschaft.

”Ich werde das Abendmahl mit ihm halten.” sagt Jesus. Das Abendmahl ist das Mahlder Verbundenheit mit dem stellvertretenden Tod Jesu am Kreuz. Er starb fur Sie, er hatIhre Schuld auf sich genommen und Sie durfen damit frei und wie ein Kind vor Gott stehen.Es ist das Mahl des neuen Bundes in seinem Blut, er hat Sie ein fur allemal angenommenals sein Kind.

Rejoice, rejoice! - freu dich, sing vor Freude! sagt ein modernes englisches Gemeindelied.Rejoice, rejoice, Christ is in you, the lord of glory in your heart. He lives, he lives, his breathis in you ... Freu dich, Christus ist in dir, der beruhmte Herr in deinem Herzen. Er lebt,er lebt, sein Atem ist in dir ... Rejoice!

Wenn Sie den Weg zu Jesus gefunden haben, durfen Sie an dieser kindlichen Freudeteilnehmen!

6.6 Ein Blick quer zur Realitat ... - vor Gottes Thron (Offenbahrung4+5)

6.6.1 Fur Eilige: Vor Gott stehen ...

Im Rahmen der unserer modernen sakularisierten Weltsicht gehort es eher in den Bereichder Marchen, vor Gott zu stehen. Da fallen uns alte Geschichten ein ... manchen Gebil-deten die Sagen und Mythen der Griechen, anderen Kindergeschichten vom lieben Gott,die vielleicht Großeltern noch erzahlt haben mogen, wieder anderen kommen Gedankenzu buddhistischen und hinduistischen Traditionen und Tempeln. Manche eher kirchlichgepragten Zeitgenossen verbinden mit dem ”vor Gott stehen” vielleicht Augenblicke ihrereigenen Hochzeit (wo sie vor dem Altar einer Kirche gestanden haben), oder die Taufeder eigenen Kinder ... zarte Sauglinge, mit denen man ”vor Gott” getreten ist. Moderne

Roland Potthast 229

Jugendliche denken eher an die Heldensagen von Xena und Herkules, die allsonntaglichuber die Satellitenkanale die alten Gottersagen in Form bequemer seichter Unterhaltunglebendig werden lassen. Und viele Horrorfilme greifen die Macht von Damonen und bosenGeistern auf und spielen damit wie im Negativ eines Bildes mit der Realitat geistigerMachte und mit der Realitat Gottes.

Gott - der große Unbekannte? Wie ist es, vor Gott zu stehen? ”Niemand hat Gottje gesehen” - heißt es im neuen Testament. Und doch nimmt uns die Offenbarung mithinein in eine Begegnung mit dem lebendigen Gott in Form einer Vision des Johannes, inder Form eines visionaren Erlebnisses. Wir werden uns auf dieses Erlebnis des Johanneseinlassen, werden miterleben, wie er zu Gottes Thron mitgenommen wird und werden uberdie Realitat, die er dort erlebt, nachdenken.

Tipps fur diese Woche:1) Die Bibel sagt, daß niemand Gott je gesehen hat. Sie sagt aber auch, daß Gott uns

in seinem Sohn Jesus begegnet - ”wer Jesus sieht, sieht den Vater [Gott].” Wie kommenSie personlich zu Ihren Ansichten uber Gott?

2) Ist Ihnen der lebendige Gott eine Realitat, die in ihr Leben hineinwirkt, die in derWelt aktiv ist? Oder verschwindet die Realitat Gottes fur Ihr Leben hinter anderen Dingen- ihrer unmittelbaren Umgebung, Fernsehen, Literatur, Musik ... etc.?

3) Schreiben Sie einen Brief an Gott, indem Sie alles zusammenfassen, was Sie ihnimmer schon mal fragen wollten. Wenn Sie ihn beendet haben, dann nehmen Sie sich einenstillen Ort, sprechen Sie Gott im Gebet an und lesen Sie ihm den Brief vor. Erwarten Sieeine Antwort in absehbarer Zeit - Tage, Wochen, Monate ...!

6.6.2 Quer zur Realitat - vor Gottes Thron

Fernsehgala, Staatsbanquett, Abschlußabend ... die Bilder der Offenbarung und die Er-lebnisse des Johannes vor dem Thron Gottes finden in ihrer Intensitat und tiefliegendenBedeutung kaum eine Entsprechung in unserem kulturellen Leben. Kommen Sie nun mitund begegnen Sie Gott, ”dem der ist, und der war, und der kommt und den sieben Geisternvor seinem Thron.”

”Danach blickte ich auf und sah im Himmel eine offene Tur. Die Stimme, die vorher zumir gesprochen hatte und die wie eine Trompete klang, sagte: Komm herauf! Ich werde dirzeigen, was nach diesen Ereignissen geschehen muß. Sofort nahm der Geist von mir Besitz.Im Himmel stand ein Thron, darauf saß einer. Sein Gesicht glanzte wie die kostbarenEdelsteine Jaspis und Karneol. Uber dem Thron stand ein Regenbogen, der leuchtete wieein Smaragd.” (Offb. 4,1-3)

Johannes wird mitgenommen direkt in den Mittelpunkt des Reiches Gottes. Hier im”Himmel” sieht er Gott auf seinem Thron. Ganz direkt und unumwunden wird er dorthingebracht. Er wird gefuhrt vom Geist Gottes - vom heiligen Geist. Das Verbluffendste andieser Sache ist es, daß Johannes keinerlei Widerstande uberwinden muß, um hier direktzu Gott zu gelangen. Der so ferne Gott - der heilige Gott -, mit all der Macht, die wirgleich noch genauer erleben werden, ist vollig einfach zuganglich: ”im Himmel stand einThron, darauf saß einer.” Erst spater fallt Johannes auf, was noch alles um diesen Thron

230 Die Bibel fur Menschen von heute ...

herum vor sich geht. Zunachst scheint er geradezu allein zu sein mit Gott. Und er erlebtGott wie einen Menschen, dessen Gesicht glanzt und strahlt. Edelsteine mit ihrem hellenStrahlen sind da ein naheliegender Vergleich. Vielleicht wurde Johannes heute die Bilderder gangigen Fernseh-Galas wahlen, um die Erfahrungen seiner Vision weiterzugeben.

”Um den Thron standen im Kreis vierundzwanzig andere Throne. Darauf saßen vier-undzwanzig Alteste. Sie trugen weiße Kleider und goldene Kronen. Von dem Thron gingenBlitze, Rufe und Donnerschlage aus. Vor dem Thron brannten sieben Fackeln, das sinddie sieben Geister Gottes. Im Vordergrund war etwas wie ein glasernes Meer, so klar wieein Kristall.” (Offb. 4,4-6)

Nachdem Johannes zunachst Gott selbst mit seinem hellen Glanz sah, schweift seineWahrnehmung nun quer durch das ganze Szenario. Er sieht die Altesten - also die geist-lichen Leiter des Reiches Gottes. ”Die Altesten” - das ist fur jeden Juden und fur jedenChristen des neuen Testaments ein klarer Begriff. Die Altesten sind die geistlichen Leiter.Als solche sind sie liebende, demutige, tiefblickende, zuverlassige und weise Menschen,welchen von Gott ein großes Stuck Verantwortung fur seine Gemeinde und sein Reich an-vertraut wurde. Diesen besonderen 24 Altesten ist eine große Macht und Verantwortunggegeben, was die Throne nahe dem Thron Gottes sichtbar machen. Sie sind gemeinsammit Gott an der Leitung des Reiches Gottes beteiligt. Merken Sie auf: es sind hier Men-schen Teil des Reiches Gottes. Es sind Menschen Teil der Leitung des Reiches Gottes -und zwar Menschen, an die ein weitreichender Anspruch auf Liebe, Demut und Beschei-denheit gestellt wurde. Es sind Menschen, die Gott selbst ahnlich sind in ihrem Wesenund Charakter.

Weitere benutzte Bilder sind:

• die weißen Kleider der Altesten. Weiße Kleider stehen im Neuen Testament stets furdie neu gewonnene Gerechtigkeit und Schuldlosigkeit durch Jesus Christus.

• die goldenen Kronen. Sie sind Zeichen der tiefen Verantwortung und Macht, die Gottdiesen Menschen gegeben hat.

• Blitze, Rufe und Donnerschlage. Sie zeigen die Dynamik des Geschehens und sindWiderhall der Macht und des Wirkens Gottes.

• sieben Fackeln. Die Zahl Sieben steht im NT stets fur die Vollstandigkeit der Anzahl.Sieben x ist eine Auswahl von sieben Vertretern fur x, welche diese reprasentierenund darstellen.

• sieben Geister Gottes. Sowohl das alte als auch das neue Testament kennt die GeisterGottes. Sie sind Gott selbst bzw. Eigenschaften Gottes. Etwa die ”Weisheit Gottes”wird in den Psalmen und Spruchen als ein solcher Geist Gottes beschrieben, derGott gleich ist, Teil Gottes ist, und doch bei Gott ist wie ein Kind - mit Gott spielt.Auch der heilige Geist im neuen Testament hat diese Eigenschaften.

• glasernes Meer wie Kristall. Die Reinheit und Klarheit Gottes spiegelt sich hier inden Vordergrund der von Johannes erlebten Szene. Die Eigenschaften Gottes nehmenGestalt an, realisieren sich in Dingen, Gegenstanden, Lebewesen der Vision.

Roland Potthast 231

Und weiter gehts in die unendlichen Weiten ...”In der Mitte, rings um den Thron, waren vier machtige Gestalten, die ringsum voller

Augen waren. Die erste sah aus wie ein Lowe, die zweite wie ein Stier, die dritte hatte einGesicht wie ein Mensch, die vierte glich einem fliegenden Adler. Jede hatte sechs Flugel,die innen und außen mit Augen bedeckt waren.” (Offb. 4, 6-8)

Die schonsten und machtvollsten Exemplare der Tier- und Menschenwelt, der lebendenSchopfung, vertreten hier ihre Spezies und die ganze Schopfung vor dem Thron Gottes.Die Flugel sind ihre Mobilitat - die Augen zeigen ihre universelle Wahrnehmung. ”Es kannkein Spatz vom Himmel fallen,” sagt Jesus, ”ohne daß euer himmlischer Vater es zulaßt.”Hier finden wir das andere Ende dieser universellen Aussage Jesu wieder: die AllwissenheitGottes. Und wieder wird die Schopfung selbst mit hineingenommen in die Betreuung undVerwaltung des Reiches Gottes und des Universums: Lowe, Stier, Adler, Mensch sind esselbst, die mit Fahigkeiten ausgestattet die Aufgaben wahrnehmen.

”Tag und Nacht singen sie unaufhorlich: Heilig, heilig, heilig ist der Herr, der Gott, derdie ganze Welt regiert, der war und der ist und der kommt! Die vier machtigen Gestaltensingen Lieder zum Lob, Preis und Dank fur den, der auf dem Thron sitzt und in alleEwigkeit lebt. Jedesmal, wenn sie das tun, werfen sich die vierundzwanzig Altesten niedervor dem, der auf dem Thron sitzt, und beten den an, der ewig lebt. Sie legen ihre Kronennieder und sagen:

”Du bist unser Herr und Gott!Du hast die ganze Welt erschaffen;weil du es gewollt hast, ist sie entstanden.Darum bist du allein wurdig,daß alle dich preisen und ehrenund deine Macht anerkennen.”(Offb.4, 8-11)

Der Gesang der vier machtigen Gestalten verbalisiert und artikuliert das Leben dererdie im Reich Gottes zu Hause sind: ”Heilig, heilig, heilig ist der Herr.” Die Musik fuhrtuns hinein in die Tiefen des Denken, Empfindens und Wollens der geheilten Schopfung.Alle Lebewesen, welche in die Gegenwart Gottes zuruckgefunden haben, werden von derLiebe Gottes erfaßt und reagieren darauf mit lobenden Worten und Dankbarkeit.

Wie in einem großen Finale sehen wir die Altesten, die sich niederwerfen vor Gott, demErsten und Letzten. Wir durfen dies nicht als eine außere Geste auffassen. Gerade weil wirEuropaer jede Unterwurfigkeit heute als verachtlich empfinden, mussen wir an dieser Stelledie Verhaltensweisen in ihrem Kern erfassen: die tiefe Achtung und umfassende Hingabe,welche diese Menschen vor Gott empfinden und zum Ausdruck bringen. Den Altesten istMacht und Gewalt gegeben, in Form der Kronen und Throne. Und doch legen Sie dieseKronen nieder vor Gott. Gerade die Fahigkeit, nicht an der eigenen Macht festzuhalten,sondern Sie voll und ganz an Gott abzutreten und sich ihm anzuvertrauen, ist eines derwesentlichen Charakterzuge eines reifen Christen.

Anbetung ist das tiefe Durchdrungensein von der Liebe, Reinheit, Heiligkeit und Großedes lebendigen Gottes.

232 Die Bibel fur Menschen von heute ...

6.6.3 Die Erzahlung vom Lamm und vom Buch mit den sieben Siegeln

”Ende Teil I” ... mochte man sagen. Werbepause, holen Sie sich etwas zu Trinken undein paar Chips! Denn gleich geht es weiter mit einem atemberaubenden zweiten Teil.Actionszene 1: das Buch des Lebens. Actionszene 2: Wer hat den Schlussel? Actionszene3: ”Das Lamm” nimmt die Buchrollen. Und Actionszene 4: Billionen von Engeln und alleGeschopfe ... [Ende Vorschau]

”Ich sah eine Buchrolle in der rechten Hand dessen, der auf dem Thron saß. Sie warinnen und außen beschrieben und mit sieben Siegeln verschlossen.” Gott halt in seinerrechten Hand das Buch des Lebens. Es ist versiegelt mit sieben Siegeln - es ist also un-zuganglich und verschlossen. Dieses Buch des Lebens steht als Zeichen fur die entgultigeund abschließende Weisheit Gottes. Im Lebensbuch sind all diejenigen verzeichnet, die inGottes Welt hineingelangen konnen, vgl. Offb. 21,27. Es sind diejenigen Menschen, diezum lebendigen Glauben an Jesus Christus gefunden haben und darin leben. Es ist einfaszinierendes Geheimnis um das Buch des Lebens. Wer verzeichnet etwas darin? Werhat die Kontrolle uber das Geschehen? Wie hangt der Glauben an Jesus Christus damitzusammen? Wieviel personliche Freiheit hat ein Mensch, in das Buch des Lebens hinein-zukommen?

Das neue Testament kennt zwei auf den ersten Blick widerspruchliche Wahrheiten:Erstens ist jeder Mensch eigenverantwortlich fur seine Taten, seinen Glauben, sein

Denken und Handeln. ”Die Menschen liebten die Finsternis mehr als das Licht”, sagtJesus. Die Menschen sind die aktiv Handelnden, die sich selbst in der Freiheit des Menschenentscheiden, ob sie sich auf Jesus Christus einlassen wollen.

Zweitens kann ein Mensch nicht selbst den Entschluß fassen zu glauben. ”Gott wirktbeides, das Wollen und das Vollbringen”, schreibt Paulus. Junger werden von Jesus durchsein direktes Wort zum Glauben gerufen und folgen diesem. Da ist es der lebendige Herr,welcher handelt.

Es gibt viele philosophische und theologische Diskussionen um diese Fragen. Doch derWiderspruch ist nur dann ein Widerspruch, wenn man Gottes Umgang mit Menschen alsstatisches Geschehen auffaßt. Wir leben aber in der Zeit und damit in einem dynamischenGeschehen. Das alte Testament lehrt uns in einem zeitlichen Geschehen Gottes Umgangmit den Menschen. Es ist Gott, der Menschen verstockt. Doch Gott tut dies als Reakti-on auf das Verhalten der Menschen. Im Bild gesprochen sucht Gott in jedem Menschenden Glauben und das Vertrauen wie ein Winzer aus einer Rebe den letzten guten Saftherauszupressen versucht, um sie nicht verwerfen zu mussen. Das Buch des Lebens ist eingeniales Bild fur den Umgang Gottes mit den Menschen und fur den Ernst der Sache, dieweitreichenden Entscheidungen, um die es hier geht!

”Und ich sah einen machtigen Engel, der mit lauter Stimme fragte: Wer ist wurdig,die Siegel aufzubrechen und das Buch zu offnen? Aber man fand keinen, der es offnen undhineinsehen konnte, weder im Himmel, noch auf der Erde, noch unter der Erde. Ich weintesehr, weil keiner wurdig war, das Buch zu offnen und hineinzusehen.”

Das Buch des Lebens soll geoffnet werden, die Siegel sollen aufgebrochen werden.Worum geht es dabei? Bedenken Sie die Bedeutung des Buches des Lebens: die Weisheit

Roland Potthast 233

Gottes und die Entscheidung uber Tod oder Leben, uber den Lebensweg eines Menschenund ob er hineingeht in das Reich Gottes, im spateren Bild ”das neue Jerusalem.” DasAufbrechen der Siegel ist ein Bild fur das Gericht Gottes. Hier wird nach einem gesucht,der zu diesem Gericht fahig ist, der genug Weisheit, Unvoreingenommenheit, Reinheit,Recht und Heiligkeit besitzt, um die Menschheit und das Universum zu richten. Es istkeiner da, der zum Richter taugen wurde. Nicht im Himmel, nicht auf der Erde, nichtunter der Erde (dem Bild fur das Reich der Toten, der bosen Geister, der Damonen - furdie von Gott geloste geistige Welt.)

”Da sagte einer der Altesten zu mir: Hor auf zu weinen! Der Lowe aus Judas Stammund Nachkomme Davids hat den Sieg errungen. Er kann die sieben Siegel aufbrechen unddas Buch offnen.”

Der ”Lowe aus Judas Stamm” ist ein Bild fur Jesus Christus. Auch ”NachkommeDavids” ist ein solches Bild, welches in den alttestamentlichen Prophetien fur den Messiasgenutzt und im neuen Testament aufgegriffen wird. Ein weiteres zentrales Bild fur Jesusist ”das Lamm Gottes.”

”Da sah ich mitten vor dem Thron, umgeben von den vier machtigen Gestalten undden Altesten ein Lamm stehen. Es sah aus, als ob es geschlachtet ware. Es hatte siebenHorner und sieben Augen; das sind die sieben Geister Gottes, die in die ganze Welt gesandtworden sind.”

Johannes sieht hier Jesus Christus im Bild mit seiner personlichen Geschichte: er gingan das Kreuz von Golgatha und wurde dort ”das Lamm Gottes, welches die Sunde derWelt tragt.” Dieser Gang wird in judischer Tradition als ”Schlachtung” des Opferlammesgesehen und knupft damit an die jahrtausendealten Traditionen nach dem Auszug ausAgypten an. Die sieben Horner und die sieben Augen zeigen die vollstandige Macht undumfassende Allwissenheit Jesu, die sich durch den heiligen Geist in der Welt manifestieren.

”Das Lamm ging zu dem, der auf dem Thron saß, und nahm die Buchrolle aus seinerrechten Hand. Da warfen sich die vier machtigen Gestalten und die vierundzwanzig Alte-sten vor dem Lamm nieder. Jeder der Altesten hatte eine Harfe und eine goldene Schalemit Weihrauch, das sind die Gebete des Volkes Gottes. Sie sangen ein neues Lied:

Du bist wurdig, das Buch zu nehmen und seine Siegel aufzubrechen! Denn du wurdestals Opfer geschlachtet, und mit deinem vergossenen Blut hast du Menschen fur Gotterworben, Menschen aus allen Sprachen und Stammen, aus allen Volkern und Nationen.Zu Konigen hast du sie gemacht und zu Priestern fur unseren Gott; und sie werden uberdie Erde herrschen. (Offb. 5, 7-10)

Jesus allein besitzt die Heiligkeit und Reinheit, um zu richten. Und nur durch den TodJesu kann ein Mensch an dieser Heiligkeit teilnehmen - nur so konnen wir ”gesund” werden!”Kommt zum Licht!” ist die immer wiederkehrende Einladung des neuen Testaments. DasLicht ist euch offen zuganglich! Macht die Augen auf und nehmt das Wasser des Lebensumsonst!

Ob wir das Geschehen und den Tod Jesu wirklich verstehen und erfassen konnen?Welcher Mensch ist dazu in der Lage? Mit allen modernen Begrifflichkeiten sind wir nichtweiter als die Zeitgenossen des Johannes wenn es um die Weisheit in geistigen Fragen geht.Wir haben Technik geschaffen, haben die Wissenschaft entwickelt - und doch sind das ehermechanische Fahigkeiten. Selbst der Humanismus und die Aufklarung haben niemals die

234 Die Bibel fur Menschen von heute ...

Hohe der biblischen Einsichten und Weisheiten beruhrt, sondern allenfalls in diesen wie ineinem Steinbruch geschopft und viele Dinge den eigenen sakularen Modellen eingeordnet.

Zum Abschluß wollen wir noch hineinblicken in die wogende Szene, mit welcher dieOffenbarung hier die Episode abschließt.

”Dann sah und horte ich Tausende und aber Tausende von Engeln, eine unubersehbareZahl. Sie standen mit den vier machtigen Gestalten und den Altesten um den Thron undsangen mit lauter Stimme: Das geopferte Lamm ist wurdig, Macht zu empfangen, Reichtumund Weisheit, Kraft und Ehre, Ruhm und Anbetung! Und ich horte alle Geschopfe imHimmel, auf der Erde, unter der Erde und im Meer laut mit einstimmen: Anbetung undEhre, Herrlichkeit und Macht gehoren ihm, der auf dem Thron sitzt, und dem Lamm, furimmer und ewig. Die vier machtigen Gestalten antworteten: Amen! Und die Altesten fielennieder und beteten an.”

6.6.4 Leben und ”die Offenbarung” im 21. Jh.

Wie ist das gegenwartig mit dem Buch der Offenbarung. Wie konnen und sollen wir damitumgehen? Was kann uns das Buch nutzen?

Wie wir bei unseren bisherigen Abschnitten sehen konnten, spiegeln viele Teile derOffenbarung nichts anderes wider, als schon in den Evangelien wiedergegeben ist. DieOffenbarung bestatigt damit die Evangelien und die Evangelien bestatigen in inhaltlicherWeise die Offenbarung.

Wir haben auch gesehen, daß die Offenbarung sich mit der Weltgeschichte beschaftigt,wie sie durch die lebendige Gegenwart des auferstandenen Christus gepragt wird. Das istunsere Situation auch heute. Die Bilder und Visionen der Offenbarung konnen uns somithelfen, die Gegenwart besser zu verstehen. Insbesondere wenn es um das Gericht und Ein-greifen Gottes geht, werden wir in den kommenden Abschnitten viel aus der Offenbarunglernen.

Die Offenbarung beschreibt in uberzeugender Weise die Verhaltnisse von Gott, demSchopfer und Vater, Jesus Christus, dem Sohn und Heiland Gottes, dem heiligen Geistund der christlichen Gemeinde. Es werden durch die Offenbarung die Faden, Erklarungenund Erlauterungen der Evangelien und Briefe der Apostel vervollstandigt und in einereindrucksvollen Weise zusammengebunden.

Bei all dem ist die Offenbarung ein in hohem Maße ”evangelistisches” oder ”evangeli-sches” Buch in dem Sinne, daß es in ansprechender und offener Weise einladt zum Glaubenan Jesus Christus. Das Drangen und die Liebe Gottes gegenuber allen Menschen, in dieGemeinschaft des Vertrauens hineinzukommen, findet seinen lebendigen Widerhall in die-sem letzten Buch der Bibel: ”Und der Geist und die Braut [=die christliche Gemeinde]sprechen: Komm! Jeder, der dies hort, soll sagen: Komm! Wer durstig ist, soll kommen,und wer von dem Wasser des Lebens trinken mochte, wird es geschenkt bekommen.” (Offb.22,17)

Roland Potthast 235

6.7 Bilder uber Bilder ... - 7 Siegel, 7 Posaunen, 7 Schalen des Zorns(Offb.6-20)

6.7.1 Fur Eilige: vom Sinn der Bilder

Bilder ... jeder Mensch benotigt Bilder um sich in der Welt zurechtzufinden. Wir sprechenin Bildern von vielen Dingen, benutzen Bilder, leben mit und in Bildern.

Fruher waren die Bilder in Mitteleuropa oft naher an der Natur, waren von der Le-benswirklichkeit bauerlicher Landwirtschaft oder aber von koniglicher Feudalherrschaftgepragt. Vor Jahrtausenden hatten die Griechen i h r e speziellen Bilderwelten aufgebautund nutzten diese Bilder, um die Welt darzustellen. Die griechischen Gotter und Mythensind Geschichten, in denen die Lebenswirklichkeit der Menschen gespiegelt werden konnte.

Heute haben wir eher technische oder technologische Bilder. Da werden ”Spannun-gen” bemuht, um uber seelische Zustande zu sprechen - Spannungen ist das technischeBild, welches aus der Statik, Mechanik oder Elektromagnetik kommt. Auch innerhalb derTechnologie nutzen wir dabei Bilder: z.B. das eben genannte Bild von elektrischen ”Span-nungen”, welche zur Bewegung der geladenen Teilchen fuhren, die dann den Strom bilden- es ist historisch von der Elektrodynamik auch nur geliehen bei der Mechanik.

Wir Menschen denken und leben in Bildern - ob im wissenschaftlichen, gesellschaftli-chen oder privaten Bereich!

Wir begegnen heute in der Offenbarung einer Reihe weitreichender Bilder, die der SeherJohannes in einer Vision von Gott empfangt. In tiefliegenden Bildern blickt er durch diegesamte Weltgeschichte hindurch und sieht Gottes Handeln und Gottes Gericht am Endeder Geschichte.

Die Bilder der Offenbarung gehoren zu den geheimnisvollsten und tiefsten Schopfun-gen der Weltliteratur. Sie haben nun uber Jahrtausende die Menschen inspiriert undbeschaftigt. Sie ermoglichen Einblicke und Durchblicke, die weit uber den Lebensbereichund Lebenshorizont eines einzelnen Menschen oder einer Generation hinausgehen. Gleich-zeitig konfrontieren Sie uns mit unserer Unwissenheit und unserer Schranken. Die Inter-pretation der Bilder der Offenbarung ist eine geradezu unlosbare Aufgabe, gleichzusetzenmit dem weitreichenden Einblick in Gottes Umgang mit der Welt und dem Universuminsgesamt. Aber bei der Auseinandersetzung mit den Bildern der Offenbarung stellen wirauch fest, wie viel wir lernen uber Gott und uber Gottes Weg mit der Welt. Gott sprichtzu uns durch die Bilder dieses biblischen Buches, Gott lehrt uns, seine Worte ernst zunehmen. Er hilft uns, die Ereignisse in der Welt einzuordnen - und einen klaren Kopf zubehalten.

Wir wollen uns gemeinsam mit Ihnen nun auf den Weg machen, die biblischen Bilderder Offenbarung kennenzulernen und sie einzuordnen. Es geht um ein Grundverstandnis,auch wenn wir nicht fur jedes Bild eine konkrete geschichtliche Deutung vorlegen werden.Gehen Sie mit und begegnen Sie:

- einem der großten Bucher der Weltliteratur,- tiefliegenden Bildern uber unsere Welt, gultig vor 2000 Jahren und gultig heute,- Gottes Werben um Ihre personliche Aufmerksamkeit und Ihre Nachfolge.

236 Die Bibel fur Menschen von heute ...

Tipps fur diese Woche:1) Lesen Sie im Zusammenhang die Kapitel 5 bis 22 der Offenbarung. Dafur mussen

Sie sich schon einmal einen vollen Abend nehmen. Ab besten ist es sogar, sich die Bilderlaut vorzulesen. Es kann hilfreich sein, wenn ein Christ dabei ist, der die Bibel gut kennt.

2) Rechnen Sie mit Gottes konkretem Eingreifen in die Weltgeschichte? Haben Sieschon einmal daruber nachgedacht, daß viele moderne Katastrophen nur ein kleines Bruch-stuck der Katastrophen sein konnten, die in der Offenbarung geschildert werden?

6.7.2 Die 7 Siegel - Offenbarung 6-8

Wir haben im vorangehenden Abschnitt des Bibelseminars uber die Siegel gesprochen, mitdenen das ”Buch des Lebens” verschlossen ist. Jesus Christus allein - im Bild das ”LammGottes” - ist es wert und in der Lage, diese Siegel zu offnen und damit Gottes Gerichtzu vollziehen. Die Kapitel 6-20 der Offenbarung nehmen uns mit in diesen Prozess, inwelchem die Siegel geoffnet werden.

Wir sehen die folgenden Bilder als aktuelle Beschreibungen unserer Menschheits- undWeltgeschichte. Wir sind also ”mitten drin” bei dem, was hier dargestellt wird. Es hatschon begonnen, es ist noch nicht vollendet, die Siegel werden aufgebrochen und wir erle-ben, was dabei passiert.

(1) Das erste Siegel: ein Reiter auf einem weissen Pferd zieht aus, um ”abermals zusiegen.” Der Reiter auf dem weissen bzw. pfahlen Pferd wird von manchen als Christusgesehen, von anderen jedoch als der Tauscher und Betruger, der wieder uber viele siegt, dieer in seinen Bann zieht. Eine abschlieende Interpretation dieses einen Satzes fallt schwer.

(2) das zweite Siegel: ein Reiter mit einem roten Pferd wird ermachtigt, Krieg in dieWelt zu bringen, damit sich die Menschen gegenseitig toten sollten. Der Krieg ist ein Teildes heftigen Gerichtes Gottes uber die Erde. Krieg - seit 2000 Jahren sehen wir Kriegewohin das Auge blickt. Nie gab es mehr Kriege als im 20. Jahrhundert ...

(3) das dritte Siegel: ein Reiter auf einem schwarzen Pferd bringt Teuerungen, Hungerund riesige Ungleichgewichte zwischen den Menschen, den Gesellschaften und den Staaten.Auch diese Dinge ziehen sich seit Jahrhunderten durch die Menschheitsgeschichte - bis hinin das 21. Jahrhundert, in dem sich wenige Prozent der Menschheit 90% ihres Reichtumsunter sich aufteilen.

(4) das vierte Siegel: ein leichenfarbenes Pferd bringt den Tod: durch das Schwert,durch Hunger, durch Seuchen und wilde Tiere werden Menschen getotet. Seuchen sindnicht verschwunden - wir haben im 20. Jahrhundert mit Aids eine der umfassendsten Seu-chen der Menschheit nach der Pest des Mittelalters erlebt. Auch aktuelle Entwicklungenwie BSE, SARS etc etc gehoren zu dieser Kategorie von Gottes Gericht, die aktuell sindwie eh und je.

(5) das funfte Siegel: die Seelen der Menschen, die um Jesu willen getotet wurden,schreien zu Gott und bitten um Gerechtigkeit. Sie erhalten lange weiße Kleider - Zeichenihrer Reinheit vor Gott durch Jesus Christus. Und sie werden zur Geduld gemahnt: wartetnoch, die Zeit ist noch nicht voll. Die Bosheit der Menschen soll sich noch soweit auswach-sen, daß das Verlangen ihrer Herzen offensichtlich wird. Es mussen noch mehr Christengetotet werden, wie Gott bestimmt hat.

Roland Potthast 237

Werden Christen heute getotet? Leider werden in vielen Teilen der Erde auch heuteChristen verfolgt und getotet - gemeinsam mit anderen religiosen Minderheiten.

(6) das sechste Siegel: ein gewaltiges Erdbeben geschieht. Die Sonne wird dunkel, derMond verfarbt sich, Sterne fallen vom Himmel und der Himmel verschwindet wie eineBuchrolle, die man zusammenrollt. Berge und Inseln werden durcheinandergewirbelt, unddie Menschen versuchen, sich vor all diesen Dingen zu verstecken. Das sechste Siegel fuhrtuns in universelle Dimensionen hinein und beschreibt weltweite Katastrophen, die unserSonnensystem und unseren Globus als ganzen betreffen.

Eine wichtige Frage ist hier sicherlich: wie realistisch scheint uns eine solche Darstel-lung, die wir hier beim sechsten Siegel antreffen? Dazu ein Gedanke:

Die Erde und das Sonnensystem befindet sich in einem durchaus sehr empfindlichenGleichgewicht. Wir verstehen heute durch moderne Astronomie und Geophysik einigesvon den Zusammenhangen unseres Sonnensystems. Eine globale Katastrophe, bei welcherdie Sonneneinstrahlung drastisch herabgesetzt wird und die Erde von Meteoriten oder garPlaneten getroffen wird, ist nicht vollig abwegig. Solche Szenarien haben seit Jahrzehntendie Autoren von Science-Fiction Produktionen bewegt und gehoren eher zum gangigenAngstekanon, mit dem die Kinos gefullt werden konnen. Die Offenbarung konfrontiert unsmit einer solchen globalen Katastrophe als einem Bestandteil des Gerichts Gottes mit derMenschheit.

Die globale Katastrophe kundigt den ”Tag des Zorns” an, an welchem das Lammund der Herr der Welt (”der, der auf dem Thron sitzt”) abrechnen. Das Szenario istbeeindruckend: die Engel an den vier Enden der Erde halten die Winde zuruck und dieDiener Gottes werden versiegelt - all diejenigen, welche Gott voll und ganz treu gewesensind. Es wird von zwolftausend gesprochen fur jeden Stamm des Volkes Israel. In dieserZahl zwolftausend spiegelt sich die Potenzierung der Stamme Israels ebenso wie der Zahlder Junger Jesu wider: eine volle, runde Zahl derer, die Gott treu sind. 12 mal 12 sind144 - hier schließt sich der Kreis und macht die Rettung Gottes vollkommen auch in derZahlensymbolik der Vision des Johannes.

Bedenken Sie an dieser Stelle auch auch die Rolle des Volkes Israel, welches hier wei-terhin in zentraler Position beschrieben wird. Ja, es wird auch von der ”großen MengeMenschen” gesprochen, die vor Gottes Thron stehen und ihm ”in weißen Kleidern” die-nen und ihn allein anbeten. Hier spiegeln sich die Christen aller Zeiten, aller Nationen,Stamme, Volker und Sprachen. Aber weiterhin sind die Stamme von Israel nicht verges-sen und werden hier namentlich genannt: Juda, Ruben, Gad, Ascher, Naftali, Manasse,Simeon, Levi, Issachar, Sebulon, Josef und Benjamin.

(7) das siebte Siegel: ”als das Lamm das siebte Siegel aufbrach, war es eine halbeStunde im Himmel ganz still. Dann sah ich, wie die sieben Engel vor Gottes Thron siebenPosaunen erhielten.”

Mit dem siebten Siegel ist das Buch des Lebens offen und dies bedeutet nun dasentgultige Gericht Gottes. Dieses entgultige Gericht vollzieht sich im Rahmen des Schallsvon sieben Posaunen, die von den Engeln geblasen werden.

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6.7.3 Die 7 Posaunen - Offenbarung 8-14

Jetzt halten Sie sich fest und schnallen Sie sich gut an. Es geht ans Eingemachte unddie Katastrophen nehmen kein Ende. Die Visionen der Offenbarung konnen mit jedemKatastrophenfilm aus Hollywood mithalten und stellen alle seichte Kinounterhaltung inden Schatten.

(1) die erste Posaune: Hagel und Feuer, mit Blut gemischt, fiel auf die Erde. Ein Drittelder Erde und ein Drittel aller Baume wurden verbrannt, kein Grashalm blieb ubrig.

(2) die zweite Posaune: etwas wie ein großer brennender Berg wurde ins Meer geworfen.Ein Drittel des Meeres verwandelte sich in Blut [ein Bild fur den Tod dieser Meeresteile].Ein Drittel aller Meerestiere starb und ein Drittel aller Schiffe wurde vernichtet.

(3) die dritte Posaune: ein großer brennender Stern sturzte vom Himmel. Ein Drittelder Flusse und Quellen wurde bitter und viele Menschen starben durch vergiftetes Wasser.

Auch diese Katastrophen sind nicht so abwegig. Wir haben schon die durchaus realeMoglichkeit von Meteoriten oder Kometen angesprochen. Das Gleichgewicht von Meeres-teilen kann schnell umkippen und ganze Meere zu toten Wassern werden lassen, die giftigsind.

(4) die vierte Posaune: Ein Drittel der Sonne, des Mondes und der Sterne wurde durchSchlage getroffen. Ihr Licht verlor ein Drittel seiner Helligkeit und ein Drittel des Tagesund der Nacht wurde finster.

An dieser Stelle durfen, ja mussen wir nach dem konkreten Realitatsbezug der Bilderfragen. Wie war das mit dem sechsten Siegel: war dort nicht schon die Sonne verfinstert. Istdies nun, in der Darstellung zeitlich spater angeordnet, wieder im alten Zustand? Konnenwir diese Dinge in eine sinnvolle chronologische Ordnung bringen? Ist das uberhaupt sinn-voll, ist es so gedacht?

Gerade wenn wir weiterlesen werden Sie immer mehr feststellen, wie sehr sich diezeitlichen Linien auflosen. Die Bilder scheinen manchmal in die Zeit der ersten Christen zupassen und sind damals wohl auch ganz konkret auf romische Kaiser hin ausgelegt worden,z.B. die Zahl 666 auf den Kaiser Nero, die sieben Hugel auf die Stadt Rom. Gleichzeitigscheinen die Bilder in der zeitlichen in eine Zukunft zu gehoren, die uns fern und unwirklicherscheint. Wir werden dies ab Kapitel 12 als eine gigantische Ruckschau begreifen, welchedie christliche Geschichte in dieser letzten Phase des Gerichts als ”gewaltige Erscheinung”rekapituliert.

Unser Hauptaugenmerk wird darauf liegen, die Bilder als sehr realistische Beschreibun-gen der Vergangenheit, Gegenwart und moglichen bzw. kommenden Zukunft zu verstehen:als Reden Gottes zu uns auch heute.

(5) die funfte Posaune: ein Stern [=Engel] offnet den Abgrund und Rauch verdunkeltdie Sonne. Aus dem Rauch kamen Heuschrecken denen die Macht von Skorpionen gegebenwar. Sie durften nur die Menschen qualen, die nicht mit dem Siegel Gottes gekennzeichnetwaren. Diese ”Heuschrecken” sind den Berichten vom Auszug aus Agypten entnommen.Sie werden in sehr illustrierter Weise mit Kronen, Gesichtern, Haar und Lowenzahnenbeschrieben. Der Engel herrscht uber sie als Konig. Es sind Schlachtgerausche, die hierzu horen sind. Die funfte Posaune beschreibt eine große Qual, welche Menschen zugefugtwird durch Tiere. So wie die Bilder hier formuliert sind, konnen die Heuschrecken fur

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alles stehen - es wird im wesentlichen ihre Wirkung und die Angst beschrieben, die sieauslosen. Ja, es geht hier um eine ernste Warnung vor dem Schrecken des Gerichtes ohnejede Beschonigung.

(6) die sechste Posaune: vier Engel werden freigelassen, die am Euphrat gefangen ge-halten worden waren. Sie haben die Macht, ein Drittel der Menschheit zu toten. Sie haben200 Millionen Reiter in ihrem Gefolge. Auch hier haben wir wie bei den Heuschrecken einesehr phantastische Schilderung: die Reiter toten mit den Schwanzen der Pferde, die wieSchlangen aussehen. Gleichzeitig werden Feuer, Rauch und Schwefel genannt als die dreiKatastrophen, durch die ein Drittel der Menschheit sterben muß.

Die Bilder von Feuer, Rauch und Schwefel und die bizarren Darstellungen der ”Pferde”konnen eher an eine altertumliche Beschreibung moderner Vernichtungswaffen erinnern alsan die Darstellung wirklicher Pferde oder Heuschrecken (oben). Es ist eine sehr realistischeMoglichkeit, daß durch einen oder mehrere Kriege ein Drittel der Menschheit vernichtetwird. Im 20. Jahrhundert - in einer Zeit n a c h Aufklarung und Humanismus - waren wirnicht weit entfernt von solchen Szenarien.

Wichtig sind aber gerade auch die Zeilen, die den Katastrophendarstellungen folgen:”aber die Menschen, die nicht bei diesen Katastrophen getotet wurden, anderten sichnicht. Sie horten nicht auf, Damonen und Gotzen aus Gold, Silber, Bronze, Stein und Holzanzubeten [...]. Nein, sie anderten sich nicht; sie horten nicht auf zu morden, Zauberei undUnzucht zu treiben und zu stehlen.”

Hier werden wir auf die Punkte gefuhrt, um die es geht: die Heiligkeit Gottes, der dasBose schrittweise entlarft und vernichtet.

Wir uberschlagen an dieser Stelle die Erzahlungen von den zwei Zeugen und demTier aus dem Abgrund und gehen direkt zur siebten Posaune und den nachfolgendenEreignissen.

(7) die siebte Posaune: mit der siebten Posaune ist die zweite Phase des Gerichtesabgeschlossen und es beginnt der dritte und letzte Teil, der in den sieben Schalen desZorns kulminiert und dann seinen Abschluß in der Hochzeit des Lammes findet.

”Dann blies der siebte Engel seine Posaune. Da erhoben sich im Himmel laute Stimmen,die sagten: Jetzt gehort die Herrschaft uber die Erde unserem Gott und dem Konig, dener eingesetzt hat, und sie werden fur immer und ewig regieren.”

Mit der siebten Posaune beginnt das entgultige Verderben fur alle Lebenwesen, dienicht durch Jesus Christus rein und heilig geworden sind. In einem Schrecken ohne Endevollzieht sich nun das abschließende Gericht.

(a) Die Frau und der Drache: es wird von einer Frau geschrieben, mit der Sonnebekleidet, die kurz vor der Geburt steht. Und von einem roten Drachen, der ein Drittelder Sterne vom Himmel auf die Erde schleudert und welcher den Sohn der Frau nach derGeburt verschlingen will. Dieser Sohn soll die Erde mit eisernem Zepter regieren.

Mit dem Beginn des 12. Kapitels der Offenbarung nimmt die Vision des Johannes wiein einer Ruckschau noch einmal die christliche Heilsgeschichte in den Blick. Es geht umdas Volk Israel: die Frau mit der Krone mit zwolf Sternen. Es geht um Jesus Christus: denSohn, der zum Herrscher berufen ist. Jesus wird gleich nach der Geburt (30 Jahre sindein Augenblick vor Gottes Augen) zu Gott gebracht. Die Frau ist in die Wuste getrieben- Israel in der Diaspora. Der Drache ist der Satan, welcher mit einem Drittel der Engel in

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Rebellion gegen Gott steht und die Menschen unter seine Gewalt bringt. Er wurde mit derAuferstehung und Himmelfahrt Jesu aus dem Himmel verbannt und in von ungeheurerWut aktiv auf der Erde.

(b) der Drache, die zwei Tiere: Der Drache verfolgt Israel durch die Jahrhunderte, under verfolgt diejenigen Menschen, die Jesus Christus treu sind. Nun wird die Geschichte derersten Jahrhunderte in den Bildern von den zwei Tieren dargestellt: der romische Kaiserund die verschiedenen Herrscher. Die umfassende Macht und der wahnsinnige Anspruchder damaligen ”Gotter.”

Wenn hier von ”Wundern” die Rede ist, die ein Tier tun konnte, so durfen Sie durchausan die Leistungen einer solchen Kultur denken. Auch heute sind es ”Wunder der Tech-nologie” und die wirklich weitreichenden und wunderbaren Leistungen von Wissenschaft,Medizin und Technik, die uns in ihren Bann ziehen.

Wenn in den Bildern von ”todlichen Wunden” die Rede ist und einem Tier, das ”wie-der ins Leben zuruckgekehrt” ist, so durfen wir das ganz weltlich so verstehen, daß einHerrscher in seiner Gewalt und seinem Einfluß ”todlich verwundet” war und dann dochdiese Macht wiederherstellen konnte und danach um so mehr die Bewunderung der Zeit-genossen auf sich ziehen konnte. In diesen Zeiten war die Ausubung des Glaubens an JesusChristus mit unmittelbarer Lebensgefahr und der Verbannung aus allen gesellschaftlichenTransaktionen verbunden!

Der Text gibt eine Auslegung seiner Bilder auf konkrete Situationen der damaligen Zeitdurch die Zahl 666, welche im Hebraischen eine alphabetische Bedeutung hat. Gleichzeitiglaßt dieser prophetische Text wie oft in den alttestamentlichen Vorbildern offen, ob ersich nicht in der Zukunft in weiterfuhrender Weise erfullt und damit gleichzeitig erfullteProphetie und Zukunft ist. Wir durfen sicherlich mit genau diesem Phanomen rechnen,welches durch die Propheten Jesaja, Jeremia und Hesekiel und ihre Auslegung durch Jesusund die Apostel wohlbekannt ist.

Nach dieser Ruckschau fuhrt uns Kapitel 14 wieder ganz zum Ende des Gerichts aufden Zionsberg und damit zur entgultigen Herrschaft Jesu, des Lammes. Mitten im letztenGericht:

• die 144.000 Menschen auf dem Zionsberg, die sich rein gehalten haben und die freivon aller Luge und allem Tadel sind.

• Der Engel, der die ewige Botschaft Gottes allen Menschen verkundigt: ”nehmt Gotternst und erweist ihm die Ehre! Betet ihn an, der den Himmel, die Erde, das Meerund die Quellen gemacht hat!” (Offb. 14,7)

• Ein weiterer Engel ruft: gefallen, das machtige Babylon ist gefallen [dazu wird inKapitel 17 und 18 der Offenbarung mehr erzahlt].

• Warnungen: ”wer das Tier verehrt, der wird den Wein Gottes trinken mussen, dener unverdunnt in den Becher seines Zornes gegossen hat.” Kurz gesagt: folge nichtden falschen Gottern!

• Ermutigungen: ”Schreib auf: Freuen durfen sich alle, die von jetzt ab im Dienst desHerrn sterben!”

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• Es ist die scharfe Sichel in der Hand des Schnitters, die Weinpresse, die den ZornGottes bedeutet... Jetzt wird Recht gesprochen und getan.

Und das Gericht wird abgeschlossen durch weitere sieben Katastrophen, die diesmal vollzuschlagen.

6.7.4 Die 7 Schalen des Zorns - Offenbarung 15-18

Zunachst werden diese Katastrophen der Herrlichkeit Gottes gegenubergestellt. Die Men-schen, die Jesus treu geblieben sind, stehen bei Gott und haben Klaviere, Gitarren, Key-boards und viele weitere Musikinstrumente [in der Offenbarung kurz ”Harfen” genannt]dabei. Sie singen das fetzige Lied von der Herrschaft Gottes:

Herr, unser Gott, du Herr der ganzen Welt, wie groß und wunderbar sind deine Taten!In allem, was du planst und ausfuhrst, bist du wahrhaftig und gerecht, du Konig uber alleVolker! Wer wagt es, dem Herrn nicht zu gehorchen und deinen Namen nicht zu ehren?Alle Volker werden kommen und sich vor dir niederwerfen; denn deine gerechten Tatensind nun fur alle sichtbar.”

Gottes Tempel im Himmel ist geoffnet, das heilige Zelt, in dem Gott anwesend ist.Und alle warten darauf, daß das Gericht abgeschlossen wird. Es wird wieder heftig - undnoch einmal gibt es weitere Phasen dieses Gerichts. Gott macht es sich nicht leicht.

Die sieben Schalen des Zorns:

1. erste Schale des Zorns: schlimme Geschwure fur alle, welche das Zeichen des Tieres(Satans) tragen.

2. zweite Schale des Zorns: das Meereswasser wird giftig und alle Lebenwesen daringehen zugrunde.

3. dritte Schale des Zorns: alle Flusse und Quellen werden zu Blut (giftig, ungenißbar,totlich).

Die Gerechtigkeit Gottes wird noch einmal bestatigt.

4. vierte Schale des Zorns: die Sonne wird in ihrer Hitze unertraglich und die Menschenwerden von gluhender Hitze versengt.

5. funfte Schale des Zorns: Dunkelheit fur den ganzen Herrschaftsbereich des Tieres.Fluche der Menschen wegen ihrer Schmerzen, aber keine Umkehr: also keine Einsichtin die Gerechtigkeit des Gerichtes. Auch hier ist also noch die Moglichkeit einerUmkehr grundsatzlich vorhanden.

6. sechste Schale des Zorns: der Euphrat trocknet aus. Den Konigen im Osten wirdein Weg nach Westen gebahnt. Drei unreine Geister werden frei und versuchen, alleKonige zum Kampf zu sammeln an einem Ort namens Harmagedon.

7. siebte Schale des Zorns: Zerstorung der großen Hure Babylon - das ist die Stadt, dieals Zeichen und Sinnbild der Ungerechtigkeit gilt. (Kapitel 17+18)

242 Die Bibel fur Menschen von heute ...

Wir werden dann in den Kapiteln 19 und 20 mitgenommen zur Hochzeit des Lammes,das ist die Vereinigung von Jesus mit all denen, die an ihn glauben. Diese Vereinigungumfaßt wieder drei Phasen: Kampf, Tausendjahriges Reich und abschließendes personlichesGericht.

- Kampf: Jesus wird als Reiter auf dem weißen Pferd dargestellt, der jetzt den Satangefangen nimmt und seine Heere vernichtet.

- Tausendjahriges Reich: In Kapitel 20 wird vom ”tausendjahrige Reich” Jesu berichtet,in welchem Jesus mit all denen herrscht und lebt, die offentlich fur ihn eingetreten unddabei hingerichtet worden waren. Dies wird die ”erste Auferstehung” genannt. Nach dentausend Jahren gibt es nach Kapitel 20 noch eine weitere Episode, in denen der Satan ineinem letzten Versuch die Volker der Erde zu sich zu ziehen sucht. Wieder gibt es einegroße Schlacht, in welcher der Teufel entgultig besiegt wird.

- Abschließendes personliches Gericht: Jeder wird nach seinen Taten gerichtet und eswird uber sein Schicksal entschieden je nachdem, ob er im Buch des Lebens steht odernicht. Alle Menschen, alle Toten, sind zum letzten Gericht lebendig geworden. Jeder, dessenName nicht im Buch des Lebens steht, wird in ”den See von Feuer” geworfen.

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6.7.5 Was ist dran?

Was ist dran an der Offenbarung? Was ist dran am Gericht? Wieso diese phantastischenGeschichten? Was nun?

Sicherlich ist es leicht, die Offenbarung ins Phantastische abzuschieben und dann zuvergessen. Auch fur Christen ist es ein leichter Ausweg, die Offenbarung einfach linksliegen zu lassen und sich nicht weiter um die Schwierigkeiten der Visionen zu kummern.Und doch ist es wichtig, diese Dinge wahrzunehmen und klar zu sehen: Gottes Gericht istschrecklich. Es ist unausweichlich. Und es ist real und schmerzhaft. Die Visionen deckensich mit den Endzeitprophetien, die z.B. im Matthaus-Evangelium festgehalten sind. DieMenschen werden sich bis zum letzten Tag so verhalten, wie sie es stehts getan haben: unddas Ende wird plotzlich und mit Schrecken kommen.

Wir durfen uns nicht von der alten und sehr ”orientalischen” Form der Geschichtenabschrecken lassen. Die Aussagen sind in vielen Dingen sehr klar und verstandlich, wennauch nicht alle Details der historischen Zuordnung fur uns einsichtig sind.

Die Geschichten sind heftig, unfaßbar, erschreckend, weitreichend! Und leider undglucklicherweise mussen wir sagen: es ist was dran! Die Sachen sind wahr. Es kommtdas Gericht. Darum: lassen Sie sich versohnen mit Gott. Ja, bitte, offnen Sie sich fur dieLiebe und Heiligkeit Gottes in Jesus Christus! Gehen Sie heute diesen Schritt - ob zumersten mal oder als Neuanfang. Gehen Sie jetzt ins Gebet.

Leider und glucklicherweise mussen wir sagen: es ist was dran!

Leider: weil wir Ihnen nicht den Gefallen tun konnen, sie mit schrecklichen Dingen zuverschonen. Ein Friede-Freude-Allversohnung gibt es im neuen Testament nicht. Ein ”Jederkann tun was er will” gibt es dort auch nicht, auch keine ”Gott-toleriert-alles”-Einstellung.

Roland Potthast 243

Der ”liebe Gott” ist ein heiliger und eifernder Gott, der seinen Sohn nicht verschohnt hat,Sie und uns zu retten. Er tat das, weil das Gericht schrecklich und unausweichlich ist.

Glucklicherweise: weil Gott Gerechtigkeit schafft in jeder Hinsicht. Weil er selbst alleTranen abwischen will von unseren Augen, weil er alles Leid besiegt und allen Schmerz.Weil das Leben in der Gegenwart Gottes wunderbar und herrlich ist - unvorstellbar schonerals die schonsten Dinge dieser Welt. Dazu nachste Woche mehr.

6.8 Stadteplaner aktiv ... - das neue Jerusalem (Offenbahrung 21+22)

6.8.1 Fur Eilige: Stadteplaner aktiv ...

Stadteplaner, Architekten, Bauingenieure, ... Designer, Kunstler, Literaten und Auto-ren, ... Wissenschaftler, Politiker, Burgerinitiativen ... Viele Menschen heute sind damitbeschaftigt, unser Land und unsere Stadte zu bauen. Wir entwerfen Plane und machen unsVorstellungen daruber, w i e unsere Stadte aussehen sollen. Wir denken daruber nach, wiedie Gesellschaft in unseren Stadten sich entwickelt, wo Orte der Begegnung sein konnen,was die Inhalte sein werden, wie alles sich kommerziell tragt etc. etc. Es entstehen Bildervon der Welt um uns her und von der Welt in uns. Und dann wird diskutiert und gerungenum die Umsetzung dieser Bilder.

Wir begegnen auf unserer Tour durch die Offenbarung heute den Entwurfen Gottesvon der neuen Welt, so wie sie nach Gottes entgultigem Eingreifen Gestalt annehmen wird.Wir kommen damit zuruck auf eine der zentralen christlichen Visionen vom Menschseinuberhaupt. Sie zieht sich durch das ganze alte und neue Testament, scheint in unter-schiedlicher Intensitat bei vielen Propheten und in den Evangelien durch, wird in ihrenethischen Dimensionen von den Aposteln reflektiert und nimmt dann ganz am Ende desneuen Testaments in einer wunderschonen Vision eine konkrete und handfeste Form an.

Tipps fur diese Woche:1) Gehen sie bevor Sie weiterlesen einmal I h r e n personlichen Visionen nach zu einer

Welt, die sie selbst als vollkommen empfinden. Wie kann eine solche Welt aussehen?2) Versuchen Sie nach dem Studium von Offb. 21+22 einmal die vielen Verbindun-

gen dieser Vision zu den unterschiedlichen Bibelteilen aufzudecken. Vergleichen Sie z.B.die entsprechenden Teile der alten Propheten Jesaja und Jeremia. Vergleichen Sie mitden Korintherbriefen von Paulus, insbesondere mit den Schilderungen der Fruchte (nichtder Gaben/Charismen) des heiligen Geistes. Vergleichen Sie mit der Bergpredigt Jesu imEvangelium des Matthaus.

6.8.2 Der neue Himmel und die neue Erde

Nachdem wir uns in den vorausgehenden Abschnitten mit dem Gericht Gottes uber seineganze Schopfung beschaftigt haben, befinden wir uns heute in der Zeit n a c h diesemGericht. Der unendlichen Zerstorung, dem Leid und den Grausamkeiten folgt nun einegroße Stille und ein helles Licht.

Wir mochten mit Ihnen nun dieser Vision lauschen, in die Johannes mit hineingenom-men wird: ”Dann sah ich einen neuen Himmel und eine neue Erde. Der erste Himmel und

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die erste Erde waren verschwunden, und das Meer war nicht mehr da. Ich sah, wie dieHeilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabkam. Sie war festlichgeschmuckt wie eine Braut, die auf den Brautigam wartet.” (Offb. 21,1 ff)

Wir erleben ein grandioses Schauspiel, wie es wohl kaum Musical oder Theaterbuhnenbesser zeigen konnten. Der Himmel, die Erde, das Meer sind verschwunden (Johanneserlebt hier die neue Schopfung aus seiner Weltsicht heraus - er schreibt auf dem Hinter-grund des Weltbildes des Altertums, also mit der Dreischichtung Himmel-Erde-Urmeer).Und Gott selbst laßt aus dem Himmel das neue Jerusalem herab. Im Bild entfaltet sichalso die neue Schopfung von Gott und seiner Sphare ausgehend, ”sie kommt vom Himmelherab.” Doch horen wir weiter: ”Vom Thron her horte ich eine starke Stimme: Jetzt wohntGott bei den Menschen! Er wird bei ihnen bleiben, und sie werden sein Volk sein. Gottselbst wird als ihr Gott bei ihnen sein. Er wird alle Tranen abwischen. Es wird keinen Todmehr geben und keine Traurigkeit, keine Klage und keine Qualerei mehr. Was einmal war,ist fur immer vorbei. Dann sagte der, der auf dem Thron saß: Jetzt mache ich alles neu.”(Offb. 21,3-5)

Es ist vollbracht - hat Jesus am Kreuz gesagt. Jetzt wird das vollendet, was er vor langerZeit moglich gemacht hat: Gott wohnt bei den Menschen. Die Trennung von Mensch undGott, die sich seit dem Sundenfall der ersten Menschen immer weiter ausgebreitet hatte,wird hier vollends ruckgangig gemacht. Mensch und Gott leben wieder vereint. Die letztenbeiden Kapitel der Offenbarung nehmen uns mit in eine Zeit, die ganz dem Anfang derBibel ahnelt, als Gott die Schopfung ansieht und feststellt: siehe, es war sehr gut.

Wir wollen hier nicht nur den Blick auf die schonen Dinge dieser neuen Schopfungrichten, sondern auch nach dem Lebensinhalt der Menschen fragen, die in der neuen Weltleben. Dazu spater noch mehr. Horen wir weiter, was der, der auf dem Thron sitzt, sagt:”[...] Ich bin der Erste und der Letzte, der Anfang und das Ende. Wer durstig ist, demgebe ich umsonst zu trinken. Ich gebe ihm Wasser aus der Quelle des Lebens. Wer denSieg erlangt, wird dieses Geschenk von mir erhalten, und ich werde sein Gott sein, und erwird mein Sohn sein.” (Offb. 21,5-7)

Gott schenkt umsonst das Wasser des Lebens. Das ist immer und immer wieder Themades neuen Testaments und wird auch hier ins Zentrum gestellt. Gott schenkt umsonst aufden Glauben hin - auf das lebendige Vertrauen. Der Sieg, der hier beschrieben wird, istder Sieg des Glaubens, der durchhalt und im Vertrauen bleibt. Es ist ein Sieg, der vonvielen hart erkampft worden ist. Glaube muß sich in vielerlei Anfechtungen bewahren -in Anfechtungen von Krankheiten, Erniedrigungen, Gewalt und Folter, aber auch in denAnfechtungen von geistigen Stromungen und gesellschaftlichen Normen und Entwicklun-gen, die der Heiligkeit Gottes entgegenstehen. Beachten Sie hier auch die Beziehung, inwelche die Menschen in Gottes neuer Welt hineinkommen: es ist die ”Kindschaft.” Siesind wirklich Gottes Kinder, weil sie aus seinem Geist heraus neu geboren sind. Sie habenGottes Natur, nehmen Teil an Gottes Heiligkeit und lernen damit die Quelle des Lebens”von innen her” kennen. Das ist fast zu hoch fur einen Menschen, es auch nur im Ansatzzu begreifen. Und doch ist es das, was immer und immer wieder im neuen Testamentbeschrieben wird: ”Wer zu Christus gehort, ist ein neuer Mench geworden.” (Paulus im2.Korinther 5,17)

Das neue Testament schweigt nie daruber, daß es einen tiefen Riß durch die Schopfung

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gibt. Es ist der Riß zwischen den Menschen, die zu einem lebendigen Glauben an Je-sus finden und denjenigen, die sich gegen einen Gott entscheiden. Hier heißt es: ”Aberdie Feiglinge und Treulosen, die Abgefallenen, Morder und Ehebrecher, die Zauberer, dieGotzenverehrer und alle, die sich nicht an die Wahrheit halten, finden ihren Platz in demSee von brennendem Schwefel. Das ist der zweite Tod.” und wenig spater (Offb. 22,15):”Aber die Verworfenen, die Zauberer, die Ehebrecher und die Morder mussen draußen vorder Stadt bleiben. Dort sind auch die Gotzenanbeter und alle, die das Falsche lieben undtun.”

Es ist gesellschaftlich immer schwierig gewesen, diese ethischen Dinge im biblischenSinne richtig einzuordnen. Es wurden mit den ethischen Maßstaben der Bibel nicht we-nige Zwangsregime und Prugelorgien gerechtfertigt. Dabei ist es eine gute Frage, ob dieUrheber solchen Verhaltens die Bibel und vor allem das neue Testament wirklich gekanntund verstanden haben. Wichtig ist es hier sicherlich, nach dem biblischen Verstandnisder verschiedenen Verhaltensweisen zu fragen, die hier angesprochen werden. Mord undDiebstahl sind sicherlich klar, wenn auch manche Formen des Diebstahls heute fast ge-sellschaftsfahig geworden sind (z.B. der allgemeine Steuerbetrug, der an allen Ecken undEnden praktiziert wird). Zauberei und Gotzenverehrung werden hier in einem Atemzuggenannt. Beim ersten ist es das Spiel mit den geistigen Machten dieser Welt. Ganz klas-sisch ist das Kartenlegen zu nennen, das auch heute eine gute Konjunktur hat. Aber auchPendeln oder Horoskope sind in Gottes Augen nichts anderes als Zauberei. Gotzenvereh-rung ist eine sehr weitverbreitete Sache. All das wird zu meinem Gotzen, welches meinLeben in einem Maße bestimmt, der nur Gott zusteht. Das kann so ziemlich alles sein:von der himmlischen Musik musikalischer Genies wie Bach, Mozart, Brahms oder Men-delsohn bis hin zu den mitreißenden Faszinationen der Wissenschaft und der Technologie.Ja, es gibt viele moderne Gotzen. Feiglinge und Treulose werden hier genannt: das richtetsich an alle Menschen, die in der einen oder anderen Form mit dem Glauben geliebaugelthaben, die aber abgefallen sind. Oft sind es die kleinen Feigheiten, die den Anfang furdie Treulosigkeit bilden. Den kleinen Feigheiten folgen große Feigheiten, dann kommendie glitzernden Machte und Schonheiten der Welt zum Zuge und .... alles weitere sei IhrerPhantasie uberlassen, oder schauen Sie sich um in Ihrer Umwelt. Abschließend mochtenwir bemerken: die Bibel kennt ”die Wahrheit” und ”das Falsche” - sie geht von absolutenMaßstaben aus. Die Wahrheit, das ist die Person Jesu Christi, es ist auch der Schopfer,Gott, der Vater. Das Falsche ist alles, was sich aus der Verbindung mit der Quelle desLebens gelost hat und dort sein Unwesen treibt.

Wir wollen ein wenig weiter in die Vision vom neuen Jerusalem eindringen und inden wunderschonen Bildern schwelgen. Einer der sieben Engeln zeigt Johannes die HeiligeStadt Jerusalem: ”Sie strahlte die Herrlichkeit Gottes aus und glanzte wie ein kostbarerStein, [...]. Sie war von einer sehr hohen Mauer umgeben. Die Tore wurden von zwolfEngeln bewacht, und die Namen der zwolf Stamme Israels waren an die Tore geschrieben.Nach jeder Himmelsrichtung befanden sich drei Toren, nach Osten, nach Suden, nachNorden und nach Westen. Die Stadtmauer war auf zwolf Grundsteinen errichtet, auf denendie Namen der zwolf Apostel des Lammes standen.” (Offb. 21,11 ff)

”Die Stadt selbst war aus reinem Gold erbaut, das so durchsichtig war wie Glas.” Undetwas spater: ”Einen Tempel sah ich nicht in der Stadt. Gott, der Herr der ganzen Welt,

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ist selbst ihr Tempel, und das Lamm mit ihm. Die Stadt braucht weder Sonne noch Mond,damit es hell in ihr wird, die Herrlichkeit Gottes leuchtet in ihr, und das Lamm ist ihreSonne.”

Das neue Jerusalem ist gebaut auf den zwolf Stammen Israels und den zwolf Apo-steln. Die Metaphorik der Beschreibungen des Johannes haben damit eine konkrete Formund einen geistlichen Sinn, der uns mitten hindurchfuhrt durch die christliche Geschichteuberhaupt. Wieder mussen wir auf eine zumindest zweifache Bedeutung hinweisen.

• Erstens ist dort der unmittelbare Sinn der Beschreibung einer Welt, die am Ende derZeit steht, die unsere Vorstellung ubersteigt und die wir nur in Visionen ansatzweiseerfassen konnen.

• Zweitens haben die Beschreibungen einen sehr konkreten historischen und geistlichenSinn, der heute schon Realitat ist. Das neue Jerusalem ist schon ansatzweise dortvorhanden, wo Menschen zu Jesus finden, wo der heilige Geist Menschen erfullt undGott lebendig und gegenwartig ist.

Horen wir weiter zu: ”In dem Licht, das von der Stadt ausgeht, werden die Volker leben.Die Konige der Erde werden ihren Reichtum in die Stadt tragen. Ihre Tore werden denganzen Tag offenstehen, mehr noch: Sie werden nie geschlossen, weil es dort keine Nachtgibt. Pracht und Reichtum der Volker werden in die Stadt gebracht. Aber nichts Unwurdigeswird Einlaß finden. Wer Schandtaten verubt und lugt, kann die Stadt nicht betreten. Nurwer im Lebensbuch des Lammes aufgeschrieben ist, wird in die Stadt eingelassen.” DerEngel zeigte mir auch den Fluß mit dem Wasser des Lebens, der wie Kristall funkelt. DerFluß entspringt am Thron Gottes und des Lammes und fließt in der Mitte der Hauptstraßedurch die Stadt. An beiden Seiten des Flusses wachst der Baum des Lebens. Er bringtzwolfmal im Jahr Frucht, jeden Monat einmal. Mit seinen Blattern werden die Volkergeheilt. In der Stadt wird es nichts mehr geben, was unter dem Fluch Gottes steht.”

Ein faszinierendes und schones Szenario. Die Stadt Gottes ist eine reine und heiligeStadt. Keine Luge dort, nichts Unwurdiges. Die Bilder fuhren uns zuruck in den GartenEden, zum Baum des Lebens ... zum Beginn der Schopfung. Nehmen Sie sich Zeit, diesenBildern nachzusinnen.

• Es geht darin um Heilung - und jeder Mensch dieser Erde benotigt die Heilung durchGottes lebendige Gegenwart und durch das Wasser des Lebens!

• Es geht um den Dienst fur Gott. Alle Menschen der neuen Schopfung werden DienerGottes sein.

Heute ist es schwer, einen guten Begriff vom ”Dienst” zu entwickeln. Heißt undhieß nicht so ziemlich alles der letzten Jahrhunderte ”Sklave”, ”Diener”, ”Minister”,”Service” - alles im Grunde dieselbe Wurzel ”dienen” in der Bedeutung? Was meintnun dann ”Dienst” bei Gott? Das Wort muß ganz neu gefullt werden, weil es si-cherlich Anteile von all dem hat, was ”Dienst” in der Geschichte bedeutet hat, weilaber Dienst fur Gott noch ganz andere Dimensionen beinhaltet. Diener sind die von

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Gott am meisten geschatzten, ausgerusteten und der Macht fur wurdig gehaltenenPersonen. Und nur wer machtig doch ein Diener bleibt, wird seine Macht behaltenund die Freude kennenlernen, die Gott an seine Diener ausgießt!

• Es geht um Freude ohne Ende, die Gott fur uns vorbereitet hat und gerne gibt.

Mal ehrlich: haben Sie eine Vorstellung davon, wie kindlich jauchzend und doch Jahrhun-derte durchblickend ein Leben im Lichte der Wahrheit und Heiligkeit Gottes ist?

6.8.3 The End! ... - zwischen Realitat und Realitat!

Wir kommen nun zum Ende der Bibel. Wir kommen damit auch zum Abschluß unseressechsten Meilensteines: zwischen Realitat und Realitat. Wir haben Sie mit in die RealitatJesu genommen:

1. des historischen Jesus vor 2000 Jahren,

2. des auferstandenen und lebendigen Jesus,

3. des wiederkommenden Jesus als weißer Reiter zum letzten Gericht und

4. des Lammes Jesus als Licht des neuen Jerusalem.

Am Ende der Bibel horen wir Jesus abschließende Worte sprechen:”Du brauchst das Buch, in dem diese prophetischen Worte stehen, nicht fur spater zu

versiegeln; denn die Zeit ihrer Erfullung ist nahe. Wer Unrecht tut, mag es weiterhin tun.Wer den Schmutz liebt, mag sich weiter beschmutzen. Wer aber recht handelt, soll auchweiterhin recht handeln. Und wer heilig ist, soll sich noch mehr um Heiligkeit bemuhen.Gebt acht! Ich bin schon auf dem Weg! Ich werde euren Lohn mitbringen. Jeder empfangtdas, was seinen Tagen entspricht. Ich bin der, der alles erfullt, der Erste und der Letzte,der Anfang und das Ende. Wer seine Kleider rein wascht, den erwartet Freude ohne Ende.Er hat das Recht, die Frucht vom Baum des Lebens zu essen und durch die Tore in dieStadt hineinzugehen. Aber die Verworfenen, die Zauberer, die Ehebrecher und die Mordermussen draußen vor der Stadt bleiben. Dort sind auch die Gotzenanbeter und alle, die dasFalsche lieben und tun. Ich, Jesus, habe meinen Engel gesandt, um euch in den Gemeindendies alles bekannt zu machen. Ich bin der Nachkomme aus dem Geschlecht Davids. Ich binder leuchtende Morgenstern. Der Geist und die Braut antworten: Kommt! Jeder, der dieshort, soll sagen: Kommt! Wer durstig ist, soll kommen, und wer von dem Wasser desLebens trinken mochte, wird es geschenkt bekommen.” (Offb. 22,10-17)

Inhaltlich haben wir dem wenig hinzuzufugen. Wir konnen nur versuchen, an der einenoder anderen Seite ein wenig zum Verstandnis der Worte beizutragen. Darum einige Be-merkungen:

A. ”die Zeit ihrer Erfullung ist nahe”, sagt Jesus. Wir mogen fragen, ob 2000 Jahrenicht eine sehr lange Zeit ist und sich die Schreiber damals ein wenig in der Zeit geirrthaben. Doch:

248 Die Bibel fur Menschen von heute ...

• wenn Sie sich das Gesamtszenario des neuen Testaments als universale Geschichteansehen,

• wenn Sie die Zeitlinien vergleichen, die hier zusammengefugt und in einer Gesamtschauprasentiert werden, und

• wenn Sie bedenken, wie sehr hier historische Zukunftsbeschreibung, bildhafte Ge-genwartsbeschreibung fur die Zeit der ersten Gemeinden und Marschverpflegung furdie christlichen Gemeinden vieler Jahrtausende miteinander in einer einzigen Visionkomprimiert sind,

dann mussen wir feststellen: die Zeit der Erfullung ist nahe und sie ist in vielem Gegenwart!

B. ”Jeder empfangt das, was seinen Tagen entspricht”, sagt Jesus. Wie passt daßzusammen mit den Aussagen, jeder durfe das Wasser des Lebens ”umsonst” nehmen?Dieser Konflikt war einer der wesentlichen Streitpunkte der Reformation und trennt bisheute katholische und evangelische Theologie und Kirchen (als einer der verschiedenenzentralen Punkte). Auch hier kann eine Auflosung nur gelingen, wenn wir einen Schrittzurucktreten und ein klein wenig von Gottes Sichtweise mitbekommen. Gott trennt nichtzwischen Taten und Gnade. Fur Gott ist ”Glaube” und ”Taten” nicht etwas, das sichausschließt. Glaube ist das Vertrauen, welches das wesentliche Moment der Beziehung zuGott ausmacht. Taten kommen aus dem Glauben oder sie sind Betrug und nichtig. Darumkann niemand durch seine Taten vor Gott gerecht werden, sondern nur aus dem Glaubenan Jesus Christus. Aber ohne Taten und ohne ein heiliges Leben ist der Glaube tot. Wiekann man glauben und lugen? Wie kann man glauben und ehebrechen? Wie kann manGlauben ohne Taten? Wie kann man vor Gott durch den Glauben ohne die Taten gerechtwerden? Jeder empfangt das, was seinen Taten entspricht.

Im Letzten konnen wir diese Spannung der biblischen Aussagen nicht auflosen. ErstGottes Sicht wird hier vollige Klarheit bringen, indem er uns durch die Zeit und uber alleKausalitat der Welt hinweg in Glaube und Taten hineinblicken laßt.

C. Bilder: ”Kleider rein waschen” meint von aller Schuld befreit zu werden durchden Glauben an Jesus Christus. Der ”Nachkomme aus dem Geschlecht Davids” deutet dievielen Prophezeiungen des alten Testaments hier direkt auf Jesus. Das gleiche gilt fur ”denleuchtenden Morgenstern” - auch hier geht es um die alttestamentlichen Bilder, die Jesusfur sich in Anspruch nimmt. ”Der Geist” ist der heilige Geist, der als lebendige Person undwahrer Gott (die dritte Person des einen Gottes) behandelt wird (vgl. Apostelgeschichteund Briefe).

”Die Braut” ist die Gemeinde - also die Gemeinschaft aller Christen aller Zeiten. Siealle stimmen ein in die Einladung Jesu: Kommt!

”Vom Wasser des Lebens trinken” meint, zu Gott finden und erfahren, wie lebendigund heilend Gott ist. Schon heute kann das im Gebet erfolgen. Gehen Sie heute noch zuGott im Gebet und bitten Sie ihn, in ihr Leben einzutreten, Sie rein zu waschen von allerSchuld, ihr Leben neu zu machen! Die Offenbarung beschreibt Realitaten!

Roland Potthast 249

Hier sind wir wieder bei unserem Leitthema angelangt. Wir leben zwischen Realitatund Realitat. Es kann schon heute fur Sie Realitat sein, in der Gegenwart Gottes zu leben.Und es wird am Ende der Zeit vollendete und offensichtliche Realitat werden.

Darum sagen auch wir: Komm! Wenn du durstig bist nach dem Leben, so komm! Trinkvom Wasser des Lebens umsonst. Laß dich neu machen. Laß dich zu konsequenten Tatenin der Wahrheit ermutigen, es lohnt sich!

Der Geist und die Braut antworten: Kommt!Jeder, der dies hort, soll sagen: Kommt!Wer durstig ist, soll kommen, und wer von demWasser des Lebens trinken mochte, wird esgeschenkt bekommen.”

6.8.4 Wort beim Wein: und nun?

Was kommt jetzt? Wir haben die ersten und letzten Zeilen der Bibel gelesen und habendamit schon einmal das Ganze im Uberblick gesehen. Wir haben die wichtigen Ecksteinekennengelernt.

Und nun? Jetzt fangt die ganze Geschichte erst an, wirklich spannend zu werden.Nachdem wir in 48 Abschnitten durch wichtige Teile der Bibel hindurchmarschiert sind,konnen wir mit dem eigentlichen Studium und beginnen. Wir konnen die Worte mit inunseren Alltag und unser Leben nehmen und dort erfahren, daß Gott nicht nur leere Wortemacht, sondern daß er da ist, lebendig ist, eingreift und uns leitet, hilft, begleitet.

Was ist das eigentliche Ziel der Bibel? Die Bibel mochte uns zur Begegnung mit Gottfuhren. Gott selbst mochte uns hier ansprechen und mit uns reden: personlich, direkt,drangend, ruhig, ehrlich, offen, ermahnend, liebevoll ...

Es geht Gott nicht darum, daß wir große Dinge tun. Es geht zuerst um das Kleine!Das Leben, das aus dem heiligen Geist kommt, beginnt immer mit der Treue in Klei-nigkeiten. Es beginnt mit dem Vertrauen, wo wir Sorgen und Unsicherheiten haben. Esbeginnt damit, daß durch die Begegnung mit Gott die Bindungen an viele Dinge gelostwerden. Es beginnt mit ganz konkreter Nachahmung Jesu in Wahrhaftigkeit und ruhigemverantwortungsvollem Dienst.

Es ist ein spannendes Abenteuer, sich auf ein Leben mit dem lebendigen Gott ein-zulassen. Wir wunschen Ihnen dabei die spurbare Begleitung durch unseren Herrn undmochten Ihnen an dieser Stelle den Segen Gottes zusprechen fur Ihren personlichen Weg:

Ich segne dich, der du dies liest, im Namen Gottes, des Vaters und Schopfers, imNamen Jesu, des Sohnes Gottes, und im Namen des heiligen Geistes! Der Herr sei mit dir.Er begleite und leite dich. Er erfulle dich mit seinem Geist, seiner Liebe, seiner Hingabeund Treue. Er lasse sein Licht leuchten uber dir und gebe dir seinen Frieden. Amen.

250 Die Bibel fur Menschen von heute ...

7 Ein Arzt und ein Philosoph ... - die Evangelien von Lukasund Johannes

7.1 Was mir wichtig ist ... - vom großen Festessen (Evangelium des Lukas14)

7.1.1 Fur Eilige: Was mir wichtig ist ...

Es war einmal ein Student, der hatte viele Leute zu einer großen runden Geburtstagspartyeingeladen. Er mietete sich einen großen Partikeller und bereitete eine große Party mitBuffett und allem drum und dran vor. Kurz vorher fragte er dann doch nochmal bei seinenGasten nach, um einen Uberblick zu bekommen, wer denn kommen wurde. Aber einer nachdem anderen hatte schon wichtigere Dinge im Sinn und begann, sich zu entschuldigen. Dereine sagte: es ist eine wichtige Prufung nachste Woche, ich muß jetzt unbedingt lernen. Einanderer meinte: ich habe mir gerade einen neuen Computer gekauft, den ich unbedingt inGang setzen muß, denn ich will ihn nachste Woche gebrauchen. Ein dritter sagte: meineFamilie braucht mich unbedingt mal wieder zu Hause, darum ist es jetzt schlecht.

Als der Student das alles horte, wurde er sehr zornig und sagte: nun, so werde ichall die Leute einladen, die eigentlich wenig mit mir zu tun haben - die komischen Eigen-brodler, die in meinem Semester herumhangen, und diese merkwurdigen Mathematikerund Psychologen, und auch den Computeradministrator vom Rechencenter. Das tat erdann, doch als er nachher seine Einladungsliste ansah, war doch noch viel Platz in dengroßen Partyraumen. Und so beschloß er, noch mehr Leute einzuladen. Da waren die gan-zen Angestellten aus seinem Institut, dabei viele Leute, die er eigentlich gar nicht kannte.Und auch die Penner lud er ein, einige Bewohner vom Mannerwohnheim um die Ecke,und auch einige Obdachlose, die im Hauptbahnhof herumlungerten. Die zuerste geladenenGaste aber, die mit den Ausreden, schwor sich der Student, die sollten bei seiner Partykeinen Zutritt bekommen! (Nach Lukas, 14,15-24)

Tipps fur diese Woche:1) Konnen Sie mit der Party-Geschichte etwas anfangen? Es geht nicht darum, daß

Sie jede Party besuchen sollen - es geht darum, was Ihnen wichtig ist! Den Leuten hiersind ihre Alltagsdinge wichtig, nicht die Party oder der Gastgeber. Darum treffen Sie eineEntscheidung und sagen die Party ab. Was ist Ihnen wichtig?

2) Konnen Sie sich vorstellen, daß Menschen einen großen Reichtum einfach linksliegen lassen, weil sie so auf bestimmte Dinge fixiert sind, daß sie den Reichtum noch nichteinmal wahrnehmen? (Ein Beispiel: Jemand ist kunstlerisch begabt, will aber unbedingteine Banklehre machen, weil die Eltern und er selbst mit ihnen die Kunst fur eine brotloseKunst halten.)

7.1.2 Das Gleichnis vom grossen Fest (Lukas 14)

Mit den letzten vier Abschnitten unseres Bibelseminares kehren wir nach den langen Tou-ren durch das alte und neue Testament zum Kern der Bibel, zu den Evangelien, zuruck.

Roland Potthast 251

Wir wollen somit zum Abschluß gemeinsam mit Lukas, dem Arzt, und mit dem Philoso-phen Johannes die Rolle Jesu und des Evangeliums beleuchten und weitere Schritte zumVerstandnis tun. Naturlich konnen wir in vier Abschnitten nur einen winzigen Ausschnittdieses reichen Materials kennenlernen ... weiterlesen mussen sie dann selbst ;-).

Jesus war auch auf einer Party ... so berichtet es Lukas im vierzehnten Kapitel seinesEvangeliums. Und dort konnte er einiges erleben von der Art, wie Parties nun mal ablaufen.Da wurde genau geschaut, wer wo saß. Damit war die Wichtigkeit und Wertschatzungverbunden, die der Gastgeber einem Gast zumaß. Es war auch ein Feiertag, dieser Partytag.Und an Feiertagen durfte man damals per Gottes Gesetz nicht arbeiten. Darauf wurdevon den Pharisaern sehr genau geachtet - jede Art von Tatigkeit war verboten: auch dasHeilen von Menschen! Wunder verboten. Aus religioser Sicht war das klar: wurde Gott seineigenes Gebot brechen und am Feiertag (dem Sabbat) arbeiten? Das war fur die Pharisaerunvorstellbar. Und doch hatten Sie damit nichts verstanden von dem Sinn, den GottesGebote haben: Heilung und Hilfe!

Jesus heilt an diesem Fest und heilt damit am Sabbat. Und noch mehr unzumutbareDinge geschehen bei der Party. Jesus spricht Klartext zu den verschiedenen Verhaltens-weisen - diesen typischen Strategien, mit deren Hilfe gesellschaftlicher Einfluß abgestecktwird. ”Setz dich nicht gleich auf die besten Platze!” sagt Jesus. ”Denn es konnte einerkommen, der dessen wurdiger ist als du!” Und er vergleicht das mit dem Reich Gottes:stell dich nicht zu hoch, sonst wird Gott dich sehr demutigen. In alter Ubersetzung sagteman: ”Wer sich selbst erhoht, soll erniedrigt werden, und wer sich selbst erniedrigt, sollerhoht werden.”

Jesus beschaftigt sich auch mit der Motivation und der Rolle der Parties. Dieses ewigeEinladen und Eingeladen-werden - der Tanz der Insider und Wichtigen. Nein! sagt Jesusdazu. So soll und darf es nicht sein. ”Wenn du ein Festessen gibst, dann lade lieber Arme,Verkruppelte, Gelahmte und Blinde ein. Dann darfst du dich freuen, denn sie konnen esdir nicht vergelten. Gott selbst wird es dir vergelten, wenn er die vom Tod erweckt, diegetan haben, was ihm gefallt.” (Lukas 14,13) Aktuell ist das allemal bis heute, wo dochdie Parties heute wie jeher die Streicheleinheiten des gegenseitigen Hilf-Du-Mir-So-Helf-Ich-Dir Gesellschaftsspieles sind.

Im Zentrum von Lukas 14 steht das Gleichnis vom großen Fest, welches wir im Ab-schnitt 1 in Form einer großen Party erzahlt haben. Hier wird eine Party mit G o t t es Party gleichgesetzt. Gott ladt ein zu einem Fest. Er ladt zuerst die ein, die ihm nahestehen. Aber er muß feststellen, daß die Menschen wichtigere Dinge haben. So sind sie mitihrem Alltag beschaftigt, daß sie Gott gar nicht mehr wahrnehmen. Und als die eigentli-chen Gaste nicht kommen wollen, ladt Gott die anderen ein, die ihm Fernstehenden. DiesesMotiv finden wir haufig schon im Alten Testament: Israel verschmaht zu großen TeilenGottes Liebe und daraufhin werden die Heiden eingeladen. Zu einem sehr weitreichendenMaß sind wir Christen heute genau diese Kruppel, Armen und Landstreicher, die statt desVolkes Gottes an seinen Tisch gelangen - das Gleichnis hat eine klare historische Dimen-sion. Doch es hat auch eine sozial-politische Dimension. Wir reichen Mitteleuropaer sindmit allem beschaftigt, nur Gott ist uns sehr fern. Doch die Armen und Bedeutungslosenwerden horen! Viele Christen heute kommen aus armeren Volkern, und Gott wendet sichdenjenigen Menschen zu, die wenig haben, aber offen sind fur seine Einladung.

252 Die Bibel fur Menschen von heute ...

Im Anschluß an diese Einladungsgeschichte macht Jesus noch eine weitere wichtigeSache klar: es geht um ”alles” bei der Einladung Gottes. Es ist keine Einladung, die manmal eben so nebenbei mitnehmen konnte. ”Keiner von euch kann mein Junger sein, wenner nicht zuvor alles aufgibt, was er hat.” (Lukas 14,33) Wir wollen versuchen, dies zuverstehen. Warum kann ein Mensch nur dann Junger Jesu werden, wenn er sich von allenweltlichen Abhangigkeiten freimacht? Der Grund liegt in Gott selbst, ist eng verknupft mitdem Charakter des Reiches Gottes und der heiligen Liebe Gottes. Es gehort zur wahrenLiebe, frei zu sein von Opportunismus und Abhangigkeiten. Die wahre Liebe gibt sich ganzhin, ohne Einschrankungen, ohne Ruckschau. Diese heilige Liebe lugt nicht und hofft stets.Sie gilt ohne Einschrankung dem Geliebten - sie ist voll und ganz Teil und Teilnahme anGott, dem Ersten und Letzten, der die Liebe ist. Die wahrhaftige Liebe geht damit durchLeid und Schmerz, sie vertraut sich ganz Gott an und tut damit genau das, was Jesusdurch sein Leben und Sterben am Kreuz von Golgatha getan hat. Darum kann Jesussagen: ”Wer nicht sein Kreuz tragt und mir auf meinem Weg folgt, der kann nicht meinJunger sein.” (Lukas 14,27)

Das personliche Kreuz eines Menschen kann ganz unterschiedlich sein. Es wird nichtimmer in einem leidvollen Tod bestehen, aber immer darin, Gottes Liebe an die ersteStelle des eigenen Lebens zu setzen und sich selbst dieser Heiligkeit und Liebe unter- undeinzuordnen.

7.1.3 Auf Gottes Fest

Wie lebt es sich auf ”Gottes Fest”, um im Bild des Gleichnisses zu bleiben. Welche Erfah-rungen macht ein Mensch dabei? Wie verhalt er sich? Wie soll er sich verhalten?

Wenn ein Mensch die Einladung Gottes annimmt, dann kommt er wie ein Landstreicherzu einem feinen Hochzeitsball. Das ist jetzt ”geistlich” gesprochen und meint: wir sind uberund uber verdreckt und im Grunde gar nicht in der Lage, dort an dem Ball teilzunehmen.Es passt nichts zueinander. Wir sind grobschlachtig, ungehobelt und unhoflich. Es fehltuns die richtige Kleidung und eine Einsicht in die Zusammenhange dieses Festes. So stehtein jeder neue Christ auf dem Hochzeitsball Gottes.

Bleiben wir einen moment in diesem Bild. Die ’jungen’ Christen (womit nicht dasLebensalter gemeint ist, sondern das ”Alter” im Sinne der Reife in Gottes Welt) begegnensich nun auf dem Ball Gottes. Stellen Sie sich drei Landstreicher vor, die nun vor schonenGedecken und kristallenen Rotweinglasern sitzen. Sie alle verhalten sich ungehobelt unddenken nun, wie ungehobelt es doch hier auf dem Ball Gottes zugeht. Dabei sind es nur ihre”alten” Manieren, die hier voll zuschlagen. So geht es uns in vielen Gemeinden. Da wirduber andere Menschen so gesprochen, wie man es von ”der Welt” gewohnt ist - graßlich.Und das mitten auf dem Hochzeitsball Gottes. Da wird um Macht und Einfluß gekampft,oft mit ”guten” Motiven. Und doch werden da nur Verhaltensweisen praktiziert, die aufdem Ball Gottes nichts zu suchen haben. Dazu gleich noch mehr.

Das neue Testament greift an vielen Stellen das Bild vom Hochzeitsball Gottes auf. Dawird davon gesprochen, daß wir Menschen dort weiße Kleider bekommen. Diese weißenKleider bedeuten, daß wir von aller Sunde und Schuld befreit wurden durch Jesus Christusmit seinem Tod am Kreuz. Ohne diese weißen Kleider kann niemand auf dem Fest Gottes

Roland Potthast 253

bleiben - er wird, so das Bild des neuen Testaments - von Gott wieder dort entfernt, sobaldder das Fehlen der weißen Kleider entdeckt. Niemand kann am Fest Gottes teilnehmen,der nicht Jesus Christus als seinen personlichen Heiland und Erloser angenommen undsich von ihm retten laßt.

Das Leben als Christ ist ein Leben auf dem Fest Gottes. Das bedeutet zuerst, daß wirChristen hier in der unmittelbaren Gegenwart Gottes leben und IHN kennenlernen konnen.Es bedeutet aber auch, daß wir dabei verandert werden durch die neue Gemeinschaft, inder wir uns befinden. Die Landstreicher sollen die weltlichen Manieren ablegen und damitbeginnen, sich so zu verhalten, wie es der Heiligkeit dieses Festes entspricht.

Wir mochten abschließend einige Punkte herausgreifen, die mit dem Leben auf GottesFest verknupft sind.

Der Mittelpunkt des Lebens auf dem Fest Gottes ist Gott selbst und seine heilige Liebe.Es kann nicht sein, daß hier Ruhm, Macht, Geld, Spaß, Vergnugungen oder andere Dingeim Mittelpunkt stehen oder die fuhrende Rolle haben.

Heiligkeit wird ja von nicht wenigen Menschen mit bestimmten burgerlichen Moral-vorstellungen gleichgesetzt oder dadurch gefullt. Aber so ist das nicht in Gottes Sicht. Esist Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit, die zuerst wichtig sind. Ein Steuerbetrug kann einenMenschen aus dem Reich Gottes hinauskatapultieren, wenn er sich auswachst und ein De-Facto-Abfall vom Glauben ist. Grune oder rote Haare konnen das nicht so schnell! DieMißgunst und der hinterhaltige Umgang vieler etablierter und erfolgreicher Menschen mit-einander ist um Welten schlimmer als der Gestank mancher Obdachloser, der Wohlgeruchin Gottes Nase ist, da ihnen seine unbegrenzte Liebe gilt.

Das Leben im Reich Gottes ist eine spannende Reise und eine Tour, die das ganzeLeben umfaßt. Es ist nicht von jetzt auf gleich zu erfassen und nicht in einem Schrittumzusetzen. Ein Mensch ist zuerst wie ein kleines Kind in Gottes Reich. Dann wachst erheran und wird reifer. Aber zu all dem braucht das Kind ”geistliche Nahrung”, also etwas,mit dem es wachsen kann. Ohne intensive Auseinandersetzung mit dem Wort Gottes (inwelcher Form auch immer) kann das nicht gelingen. Leider erfassen wir oft nicht unseregeistliche Unreife. Kinder wissen oft besser, daß sie Kinder sind!

7.1.4 TeaTime: Was wir verpassen ...!

Wir Menschen heute verpassen wirklich viel. Und nicht wenig davon verpassen wir, weilwir nichts verpassen wollen und dadurch an den wesentlichen Dingen vorbeilaufen.

Wir verpassen es, uns regelmaßig auf Gott einzulassen und damit taglich der Quelledes Lebens zu begegnen. Stellen Sie sich das vor: taglich ein Blitzlicht hinein in denUrsprung der Schopfung, der Wissenschaft, der Kultur, der Tiere und Pflanzen und desMenschen! Nicht daß es dabei immer Weltbewegendes gabe. Nein, es sind die kleinenDinge, welche die Welt bewegen und von denen die Welt lebt. Seht die Blumen, sagt Jesus,sie sind schoner gekleidet als die schonsten Mannequinns der Pariser Modeszene, sind vielfeingestaltiger als die Designeranzuge der Reichen und Neureichen. Sie sind ursprunglicherals die neuen Wilden der New Economy oder die Macher der neuen deutschen Comedy.Es sind die kleinen Dinge, in denen Gott seine unubertreffbare Große zeigt, gegen diealle menschlichen Schopfungen wie grobe Kindermalereien aussehen. Und Kindermalereien

254 Die Bibel fur Menschen von heute ...

haben ihren eigenen Reiz und ihre eigene Schonheit.Wir verpassen es, unsere Gesellschaft im Geist Gottes zu gestalten. Unser Verhaltnis

zu den Mitmenschen, den Freunden, den Kollegen, zu Bekannten und den vielen Unbe-kannten, denen man taglich anonym begegnet. Wie herrlich konnte dieses Verhaltnis sein,wie ermutigend, wie interessant und erfrischend. Doch leider leben wir in einer gefallenenSchopfung, wo die Freundlichkeit heute angeordnet wird von den großen Kaufhausketten,so daß man sich kaum mehr retten kann vor ”Bitte” und ”Danke” fur jede Frage und Be-stellung. Nicht daß es schlecht ware, sich freundlich zu begegnen. Aber es sollen doch e ch t e Begegnungen sein - von Mensch zu Mensch, nicht von den dressierten Maschinen derKaufhausindustrie. Stellen Sie sich eine Welt vor, in denen die Menschen vertrauenswurdigsind, weil sie nicht lugen, weil sie anderen Gutes wollen und tun, weil sie wahrhaftig sindund den anderen helfen. Stellen Sie sich eine Welt vor, in denen Gute nicht ausgenutzt,aber angenommen und genossen wird. Dann wissen Sie, was wir verpassen!

Wir verpassen Einsichten in die Zusammenhange der Welt. Wir verpassen eine Wis-senschaft, die ausgewogen und feinsinnig, schon und hell, tief und klar ist. Es ist nicht derrationalisierende Verstand allein, der dem Menschen Einsichten schenkt. Es ist der volleMensch mit all seinen Sinnen, mit Kreativitat und dem Vertrauen in den lebendigen Gottdie Welt kennenlernt und erforscht, der die verschiedenen Zweige des Wissens zusammen-schauen kann und ein heilendes Ganzes in Ansatzen vor seinem inneren Auge entstehenlaßt.

Wir verpassen es, uns selbst zu finden. Denn der Mensch findet sich selbst, wenn ervor Gott steht und sich als Bild Gottes erkennt. Dort beginnt ”Leben” und geht uber dasVegetieren und das dumpfe Befriedigen noch so hochgeschraubter Anspruche hinaus. ”Laßdie Toten ihre Toten begraben”, sagt Jesus. Es ist der Sohn Gottes selbst, der Leben istund Leben bringt. Wir verpassen so viel, weil wir nicht durch ihn zu uns selbst gefundenhaben und das ganze Leben mit einer Suche nach uns selbst vergeuden, die nur bei Gottzum Ziel kommen kann. Und wenn wir bei Jesus angelangt sind verpassen wir immer nochBetrachtliches, weil wir einen kleinen Glauben haben und ein schwaches Vertrauen. Wiekann man im Glauben reifen, wenn der Glaube klein und wackelig ist? Wie kann manErfahrungen mit Gott machen, wenn man sich ihm nicht anvertraut - taglich, immer undimmer wieder neu? Wir verpassen es, mit dem lebendigen Gott zu leben!

7.2 Parlamentarischer Untersuchungsausschuß ... - Gleichniss von denWeinbauern (Lukas 20)

7.2.1 Fur Eilige: Parlamentarischer Untersuchungsausschuß

Wenn es im parlamentarischen Ablauf zu Unregelmaßigkeiten kommt, dann ist ein parla-mentarischer Untersuchungsausschuß gefragt. Der Ausschuß muß klaren, wer an welcherStelle die Regeln gebrochen hat, wo es zu Gesetzesverstoßen oder sogar zu Straftaten kam.Es muß Licht an die Dinge kommen, und die Vergehen mussen bestraft werden.

Auch bei Gott spielt das Recht eine zentrale Rolle. Auch hier gilt das Rechtsprinzipdes Rechtsstaates: Unrecht muß aufgedeckt und bestraft werden. Es muß Recht gespro-chen werden. Das heißt: personliche Schuld muß aufgedeckt und gesuhnt werden. Dabei

Roland Potthast 255

ist das Strafmaß und die Behandlung von Tatern ihrer personlichen Situation angemessenzu wahlen. Das neue Testament und mit ihm die christlichen Kirchen haben die Aufga-be der Rechtssprechung stets beim (weltlichen) Staat gesehen. Hier sollen Christen sichim Rahmen des Staates beteiligen (in damaliger Ausdrucksweise: ”fugt euch der vomStaat ausgeubten Gewalt!” bzw. ”seid Untertan der Obrigkeit!”). Gott selbst will, daßdas menschliche Zusammenleben in jedem Staat im Sinne des Rechts gestaltet wird. DerRechtsstaat ist den Christen aufgetragen!

Wenn wir heute das Gleichnis von den Weinbauern bzw. Pachtern eines Weinbergeslesen, so geht es allerdings nicht zuerst um weltliches Recht, sondern um etwas anderes. Esgeht um das Recht, das Gott an allen Dingen hat. Es geht um das Verhalten von religiosenEliten, es geht um die Glaubenden, es geht um Besitzanspruche und um Menschen im ReichGottes. Wir werden sehen, wie konkret das alles ist. Es hat eine historische Komponente.Und es hat viele weitere Dimensionen, die heute fur uns von Bedeutung sind. Wir durfenuns auf einen spannenden Abschitt freuen.

Tipps fur diese Woche:1) Haben Sie sich schon einmal genauere Gedanken daruber gemacht, wie konkret das

”Reich Gottes” um Sie herum aussieht? Worin besteht dieses Reich?2) Wie spricht Gott hinein in das Reich Gottes und damit in die Gemeinschaft von

Christen? Wie war das in der neutestamentlichen Geschichte, und wie ist das heute? Wosind heute Gottes Boten? Wo sind ”die Bauleute”?

7.2.2 Das Gleichnis von den Weinbauern

Das Gleichnis von den Weinbauern spricht mitten hinein in eine konkrete historische Si-tuation. Wir schreiben etwa das Jahr 30 der heutigen Zeitrechnung. Jesus lebt in Palastinaund es kommt zu heftigen Diskussionen um diesen judischen Wanderprediger. In Jerusa-lem tritt Jesus mit viel Vollmacht auf und kommt damit mit den religiosen Eliten seinerZeit in Konflikt. ”Sag uns, woher nimmst du das Recht, hier so aufzutreten? Wer hat dirdie Vollmacht dazu gegeben?” wird Jesus von den fuhrenden Priestern, Gesetzeslehrernund Ratsaltesten gefragt (nach Lukas 20,1). Die Vollmacht Jesu wird hier klar hinterfragt.Eigentlich ist das an sich noch keine ungewohnliche Sache, sondern eher normal. Jesustritt mit derartigem Anspruch auf, daß eine klare Anfrage naturlich scheint. Die Frage istallerdings, mit welcher Absicht und welchem Hintergrund hier gefragt wird. Wenn wir unsden nachfolgenden kurzen Bericht ansehen wird klar, daß es bei all dem nicht wirklich umeine ernsthafte Klarung der Angelegenheit gegangen sein kann. Fur die religiose Elite istdie Sache langst klar, es geht hier nur darum, die Anklagepunkte zu untermauern. UndJesus geht dem hier geschickt aus dem Weg ohne inhaltlich auf die Fragen einzugehen.

Lassen Sie uns einen Augenblick bei dieser Reaktion Jesu bleiben. Er nimmt sich jain der Darstellung nach Lukas nicht die Zeit, sich jetzt im Detail mit den Gegnern aus-einanderzusetzen. Das ist auch den heute aktiven Christen zum Nachdenken und Vorbildgeschrieben. Es ist nicht die Aufgabe von Christen, sich mit allen mehr oder weniger sin-nigen Anklagen gegen die Christen oder gegen Jesus auseinanderzusetzen. Man muß nichtauf alles eingehen! Es lohnt sich nicht, sondern kostet nur unnotigerweise Kraft und Ner-

256 Die Bibel fur Menschen von heute ...

ven. Andererseits ist es naturlich sehr wichtig, jeder ernsthaften Anfrage nachzugehen undkritikfahig zu bleiben.

Wie so haufig nach heftigen Situationen erzahlt Jesus den Leuten ein Gleichnis, indenen er die Dinge verarbeitet und in eine griffige Form bringt. ”Ein Mann legte einenWeinberg an. Den verpachtete er und verreiste dann fur einige Zeit. Zur gegebenen Zeitschickte er einen Beauftragten zu den Pachtern, um seinen Anteil am Ertrag abholenzu lassen. Aber die Pachter verprugelten den Boten und ließen ihn unverrichteter Dingeabziehen.”

Stellen Sie sich vor, sie zappen beim Channel-Hopping vor dem abendlichen Fernseherin einen spannenden Spielfilm hinein! So ahnlich muß es den Leuten bei den Geschichtenvon Jesus damals gegangen sein. Ein Mann legte einen Weinberg an - das ist ein Investmentvon Zeit und Geld. Er gibt dies in die Hande von Treuhandern, von Pachtern. Nach einigerZeit schickt der Eigentumer dann Beauftragte, um von den Pachtern seinen rechtmaßigenAnteil an seinem Besitz einzufordern. Doch die Pachter haben andere Vorstellungen, auswelchen Motiven auch immer. Der erste Bote wird verjagt. Gleiches geschieht mit demzweiten Boten: ”Der Mann schickte einen zweiten, aber auch den verprugelten sie, behan-delten ihn auf schimpflichste Weise und schickten ihn mit leeren Handen zuruck. Er sandtenoch einen dritten. Der wurde von den Pachtern blutig geschlagen und weggejagt.”

Wir konnen schon an dieser Stelle fragen: um wen geht es bei dem Gleichnis. Undwir mussen an dieser Stelle sagen: noch ist das unklar. Es geht hier zuerst darum, dasRechtsempfinden der Zuhorer zu scharfen und an einer klaren Situation bestimmte Sach-verhalte zu erklaren. Bleiben wir weiter in unserem Gleichnis-Spielfilm: ”Da sagte sich derBesitzer des Weinbergs: Was soll ich tun? Ich werde meinen eigenen Sohn schicken, demmeine ganze Liebe gilt; vor dem werden sie wohl Respekt haben. Aber als die Pachter ihnkommen sahen, sagten sie zueinander: das ist der Erbe! Wir bringen ihn um, dann gehortder Weinberg uns. So stießen sie ihn aus dem Weinberg hinaus und toteten ihn.”

Action-Szene abgeschlossen, das Motiv ist klar, wir sind informiert uber Handlungs-vorgang, uber Tater und Opfer, der ganze Sachverhalt liegt offen vor uns. Darum gehtJesus hier einen ersten Schritt in den interpretativen Modus, wahrend er die Geschichtezum Abschluß fuhrt:

”Was wird nun der Besitzer des Weinbergs mit ihnen machen? Er wird selbst hingehen,die Pachter toten und seinen Weinberg anderen anvertrauen. Als die Leute das horten,sagten sie: Das wird niemals geschehen! Jesus schaute sie an und sagte: Uberlegt einmal,was dieses Wort in den heiligen Schriften bedeutet: Der Stein, den die Bauleute verworfenhaben, weil sie ihn fur unbrauchbar hielten, der ist zum tragenden Stein geworden. Wer aufdiesen Stein sturzt, wird zerschmettert, und auf wen er fallt, den zermalmt er. Die Geset-zeslehrer und Pfuhrenden Priester hatten Jesus am liebsten auf der Stelle festgenommen.Denn sie merkten, daß das Gleichnis auf sie gemunzt war. [... etc.]”

Jesus droht hier im Gleichnis mit vernichtenden Konsequenzen fur die Rechtsbrecher.Es geht ganz offensichtlich um die religiose Elite - das verstehen seine Zuschauer so undauch die Elite selbst. Jesus sagt in Worten des Gleichnisses vollig verstandlich: Gott wirddas Reich Gottes aus den Handen der jetzigen ”Bauleute” nehmen, also aus den Handender Gesetzeslehrer und der fuhrenden Prister und Ratsaltesten, denen alles anvertraut ist,und er wird es anderen geben. Das kann nicht sein! Niemals wird das geschehen! sagen

Roland Potthast 257

die Leute. Sie konnen sich nicht vorstellen, daß das Establishment seine weitreichendeMacht und seine Verantwortung einbußen konnte. Und Jesus verweist sie direkt auf die”Schriften”, auf das alte Testament.

Lassen Sie uns hier noch mehr verstehen von diesem tiefsinnigen Gleichnis. Da schicktder Besitzer seinen Sohn, ”dem seine ganze Liebe gilt.” Damit spricht Jesus uber sichselbst, uber seinen Vater, den Schopfer des Himmels und der Erde, und uber seinen Auftragauf der Erde. Jesus ist gekommen, um seinen Anspruch auf die Leitung im Reich Gotteseinzufordern. Dieser Anspruch wird von den ”Pachtern” abgelehnt, sie sehen den Weinbergals den ihren an. Dazu gleich noch mehr!

Wir haben jetzt zunachst spannende Spielfilmszenen gesehen. Aber noch spannenderist der Schnitt, zu dem Jesus selbst uns auffordert, in jenem Gleichnis als seine Zuhorer,und durch die Bibel bis heute uns Menschen, die diese Worte lesen. Es ist ein Gleichnis,welches in einer ganz konkreten historischen Situation spielt, und doch auch geschriebenmit Bedeutung heute! Dazu mehr in unserem dritten Abschnitt.

7.2.3 Bibel lesen und verstehen: viele Dimensionen

Wenn Sie die Bibel lesen, begegnen Sie Texten mit vielschichtigen Bedeutungen. Wirwollen an dem heutigen Spielfilmausschnitt einen Schritt hinein tun in die verschiedenenDimensionen und Bedeutungen eines Bibeltextes.

Unser Spielfilmausschnitt hat zunachst eine ganz klare historische Bedeutung. Jesusist der Sohn Gottes, der in ”sein Eigentum” kommt. Jesu Eigentum ist die ganze Welt, diesein Vater geschaffen hat und die er den Menschen zur Bewahrung anvertraut hat. JesuEigentum ist aber auch die judische Gemeinschaft, der Tempel, die Brauche und Rituale,die Traditionen und die Weisheit, die dort in eine feste Form eingeflossen ist. Jesu Eigentumsind daruber hinaus alle Menschen, an erster Stelle all diejenigen, die als glaubende Judenleben und damit im geistlichen Sinne ”Gottes Kinder” sind. Dies ist der Anspruch Jesu,nichts weniger! Und dieser Anspruch ist der religiosen Elite unmoglich zu verdauen. Damitsind wir bei einer historisch-sozialen Dimension. Es ist ”menschlich”, sich mit Lehren,Institutionen, Idealen und Traditionen zu identifizieren und darin den eigenen Lebensinhaltzu finden. Es ist ”naturlich”, daß die judischen Leiter ihre Position angegriffen sahenund daß sie Schwierigkeiten haben mit dem universellen Anspruch Jesu. Sie mußten jaihren ganzen Lebensinhalt aufgeben, mußten ja all das, was ihnen wertvoll ist, einemdahergelaufenen Wanderprediger uberlassen. Nein! Das kann nicht sein. ”Niemals wirddas geschehen!” sagen die Leute.

Wir sind noch immer bei verschiedenen Seiten der historischen Dimension. LassenSie uns weiter einen ”geistlichen” Blick auf die Situation damals werfen. Die Prister undGesetzeslehrer sind Gottes ”Bauleute.” Sie arbeiten am Reich Gottes. Sie lehren und leitendie glaubende (judische) Gemeinschaft. Jesus spricht mitten hinein in eine historisch-geistliche Situation des Volkes Israel.

Und dann kommt ”Evangelium” selbst, eine Beschreibung der Geschichte, die geradevor sich geht. Jesus spricht uber sich selbst, indem er die alten Schriften zitiert und zumNachdenken auffordert: ”Uberlegt einmal, was dieses Wort in den heiligen Schriften bedeu-tet:” Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, weil sie ihn fur unbrauchbar hielten,

258 Die Bibel fur Menschen von heute ...

der ist zum tragenden Stein geworden. Wer auf diesen Stein sturzt, wird zerschmettert,und auf wen er fallt, den zermalmt er.

Jesus ist der Stein, den die Bauleute verworfen haben. Jesus wurde der Gotteslasterungangeklagt und verurteilt. In den Augen der Bauleute war er ein unbrauchbarer Stein.Dieser Stein ist zum tragenden Stein geworden. Das ist historische Deutung des SchicksalsJesu bis heute. Das ist aber mehr: ein Ausrufen dessen, was heute der Fall ist! Es istBekanntmachung der Realitat.

Und Jesus sagt voraus, daß er der ”Stein des Anstoßes” ist und sein wird immerfort.Er ist der, ”an dem sich alles entscheidet.” Im ersten Petrusbrief wird das noch klarer aus-gedruckt und Jesaja 28, Vers 16 zitiert: ”Auf dem Zionsberg lege ich ein festes Fundament,einen harten und kostbaren Eckstein, der allen Ansturmen standhalt. Auf ihm steht: Werdem Herrn vertraut, wird nicht untergehen.!”

Es wird aber auch uber die Menschen gesprochen, die Jesus in seinem Anspruch ab-lehnen: ”An ihm stoßen sich die Menschen, er ist zum Felsblock geworden, an dem sie zuFall kommen.” (1.Petrus 2,8)

Damit sind wir bei einer weit uber die rein historische Bedeutung hinausreichendenDimension: der Dimension Christi als ”Herr.” Jesus ist der Heiland Gottes, der sein Lebenlaßt fur die Menschen, er ist aber auch der Stolperstein, an dem sich das Schicksal derMenschen entscheidet. Hier wird global gesprochen, weit hinausreichend uber jedes Men-schenleben, jede Generation und jedes historische Zeitalter. Es ist Jesus, an dem sich furjeden Menschen aller Zeiten Tod oder Leben entscheidet.

Wer Gottes Herrlichkeit kennt, kann diese Worte kaum aussprechen ohne die Einla-dung, doch das Leben auf Jesus zu bauen und sich ihm personlich anzuvertrauen. ImGebet konnen Sie das jetzt gleich tun und erfahren, daß er lebendig und gegenwartig istdurch seinen heiligen Geist. Vielleicht denken Sie: ich brauche noch mehr Zeit, noch mehrVerstandnis, noch mehr Wissen. Ja, sie werden diese Zeit haben. Sie werden verstehen. Siewerden IHN kennenlernen. Doch die Schritte des ”Sich-Anvertrauens” sind dazu notwen-dig und unumganglich. Gehn Sie diese Schritte jetzt und erneuern Sie die Entscheidungan jedem Tag ihres Lebens!

Zum Abschluß wollen wir noch ein wenig uber die aktuelle Dimension des Gleichnissesfur die heutige Kirche, die Gemeinden und die Menschen reden. Die Ermahnung Jesu an diereligiosen Fuhrer, also an alle, die in irgendeiner Weise Verantwortung tragen fur Kirchen,Gemeinden, Werke oder andere Menschen, sagt: Seht zu, daß ihr nicht die Dinge als euerEigentum anseht. Sie sind Gottes Eigentum. Sie sind euch nur zur guten Verwaltungubergeben.

Das beruhrt die Dimension der christlichen Kirche und der christlichen Gemeinden.Daruber hinaus gibt es die aktuell-personliche Dimension. Ganz personlich beinhaltet dasfur jeden Christen und jede Christin die Frage: Was halst du vor Gott zuruck, was er dirnur geliehen hat? Was ist der Weinberg, den er dir personlich zur Pacht gegeben hat?Bringst du die Ertrage zu ihm zuruck?

Roland Potthast 259

7.2.4 TeaTime: Die Bibel ist vielschichtig.

Die Bibel ist vielschichtig. Sie ist ein Buch, welches Gott in ganz besonderer und auch sehrmenschlicher Weise hat entstehen lassen. Da waren die Evangelisten beteiligt, dann dieApostel mit ihren Briefen. Die Texte wurden von Christen in den fruhen Kirchen gesam-melt und zusammengestellt, sie wurden uberarbeitet und in geeigneter Weise geordnet.Auch all diese Dinge durfen wir als Dimensionen der biblischen Texte erfassen.

Gott hat durch die Worte Jesu und durch die Worte der Apostel ein einmaliges Werkgeschaffen, durch das er bis heute ganz direkt zu den Menschen redet. Die Bibel ist damit”Wort Gottes”, sie ist ”Reden Gottes”, welches lebendig macht alle, die in der Lage sindzu horen.

Es lohnt sich, die Bibel unter sehr verschiedenen Gesichtspunkten zu lesen. WennSie mit einem wachen Verstand und offenen Herzen auf den Sohn Gottes Jesus horen,dann werden Sie die unendlichen Reichtumer entdecken, die hier verborgen liegen. SeitJahrhunderten haben Gelehrte und Gebildete diese einfachen Texte zerlegt und darinStoff fur Millionen von Buchern, Dissertationen, Vortragen gefunden. Und obwohl alleGelehrsamkeit nicht zu einer uberzeugenden Interpretation durchdringen konnte, offnetsich das Verstandnis der Bibel selbst dem einfachsten Verstand durch die Kraft des reinenHerzens in dem heiligen Geist.

Ja, haben Sie den Mut, auf Gott zu horen. Seien Sie offen und vorsichtig. AchtenSie die Meinungen und Anregungen anderer Christen. Lassen Sie sich von den Menschendabei helfen und lassen Sie sich belehren: von den Kirchen und von vielen Einzelnen.Halten Sie sich an die klaren Worte vom Leben, so wie sie im alten und neuen Testamentaufgeschrieben sind. Viele weltliche Betrachtungsweisen konnen Sie irritieren. Doch derGeist Gottes kann Ihnen eine große Klarheit schenken. Und aus dieser Klarheit herauskonnen Sie sich ernsthaft, offen und freundlich mit den vielen Meinungen von Menschenzur Bibel auseinandersetzen.

Haben Sie den Mut, Gott genau zuzuhoren!

7.3 Drei Philosophen blicken durch ... - vom ewigen Leben (Evangeliumdes Johannes 3)

7.3.1 Fur Eilige: Drei Philosophen blicken durch ...

Philosophen sind Menschen, die sich fur die Weisheit interessieren - ”Freunde” der Weis-heit. Fur uns heute sind Philosophen ja Leute, die uber das Leben nachdenken ... manchmalakademisch, dann wieder unkonventionell, aufmupfig, tiefsinnig, abstrus, abgeschieden, po-litisch, sozial ...

Auch die Bibel erzahlt an ganz unterschiedlicher Stelle von Philosophen, also von Men-schen, die in besonderer Weise uber das Leben nachgedacht haben. Gerade der EvangelistJohannes hat eine philosophische Ader und ist bestandig bemuht, die Erfahrungen mitJesus aus einer allgemeineren Sicht zu beleuchten. Dieses Bemuhen pragt das Evangeliumdes Johannes - Johannes ist damit der erste Philosoph, dem wir auf unserer heutigen Tourbegegnen.

260 Die Bibel fur Menschen von heute ...

Ein anderer Philosoph war Nikodemus, einer der fuhrenden judichen Manner unter denZeitgenossen Jesu. Dieser Nikodemus kommt eines Nachts zu Jesus, um mit ihm einmalein wenig Klartext zu reden, unbeeinflußt von anderen Anwesenden und den Konflikten,die am Tage ausgefochten wurden. Wir wollen an dem kleinen Gesprach teilnehmen, unsauf eine spannende philosophische Diskussion uber das Leben einlassen.

Philosophen mussen nicht immer wie Philosophen aussehen. Da erzahlt die Bibel unsetwa vom Taufer Johannes. Johannes war kein Philosoph, wie man ihn sich oft vorstellt:lange Toga unter griechischen Saulen. Nein: ein Einsiedler in der Wuste war er, und dochjemand, der in besonderer Weise und als Philosoph uber das Leben nachdachte und darubersprach. Auch das wird eine spannende Geschichte.

Tipps fur diese Woche:1) Haben Sie schon einmal in etwas allgemeinerer Weise uber ”das Leben” nachgedacht?

Was ist wesentlich im Leben? Was macht ”Leben” aus? Woher kommen Sie? Wohin gehenSie?

2) ”Wer nicht von neuem geboren wird, kann nicht in das Reich Gottes kommen” istuns als einer der wichtigen Satze Jesu uberliefert. Neu werden ist ein wichtiges Themader Bibel. Ihr Leben und das Leben jedes Menschen soll von Gott in heilender und guterWeise verandert werden, ”siehe, ich mache alles neu.” Konnen Sie damit etwas anfangen?

7.3.2 Nikodemus und die neue Geburt (Joh. Kap. 3)

Nachts kommt Nikodemus zu Jesus. Warum der Philosoph und einflußreiche Lehrer ge-rade am Abend kommt, erzahlt uns Johannes in seinem Evangelium nur indirekt: weilNikodemus ernsthafte Fragen hat. Offensichtlich war es schwer moglich, am Tage ernst-hafte Fragen mit Jesus offen und direkt zu besprechen. Viele Streitgesprache zeugen vonder angespannten Situation zwischen der judischen Fuhrung und Jesus. Nikodemus, dereinsichtige unter den Fuhrern, tut das einzig Richtige. Er sucht Jesus am Abend auf undformuliert ehrlich seine Gedanken und Fragen.

Nikodemus sagte zu Jesus: ”Wir wissen, daß Gott dich gesandt und dich als Lehrerbestatigt hat. Nur mit Gottes Hilfe kann jemand solche Taten vollbringen, wie du sietust.” Dieser eine Satz unseres Philosophen Nikodemus spricht Bande. Die ganze Verun-sicherung dieses geistlichen Fuhrers, seine offenen Fragen nach dem Messias legt er Jesusin diplomatischer Weise vor die Fuße. Auch personlich offenbart sich Nikodemus. Hier binich, Jesus, sagt er. Ich weiß, daß du von Gott kommst, hilf mir! Jesus geht genau auf dieFragen des Nikodemus ein. Die Frage ”bist du der Messias” oder anders formuliert: ”wirwissen, daß du von Gott kommst”, spiegelt die Frage nach dem Leben wider. ”Was ist dasLeben?” sagt sie. Was ist der Sinn des Lebens, was ist das wahrhaftige Leben? ”Von Gott”,das meint: von der Quelle des Lebens. Philosophisch gesprochen sagen diese Fragen: wirwissen, daß du dich auskennst mit dem Leben. Lehre uns Weisheit, Wissen und Handelnzum Leben! ”Nur mit Gottes Hilfe kann jemand solche Taten vollbringen, wie du sie tust.”

Die Antwort Jesu zum Leben: ”Ich versichere dir, nur wer von neuem geboren ist,wird Gottes neue Welt zu sehen bekommen.” Was soll das? Philosophisches Mysterium,geheimnisvolle Bilder? Die Antwort Jesu scheint auf den ersten Blick recht unverstandlich.

Roland Potthast 261

Darum fragt Nikodemus nach.”Wie kann ein erwachsener Mensch noch einmal geboren werden? fragte Nikodemus.

Er kann doch nicht in den Leib seiner Mutter zuruckkehren und ein zweites mal auf dieWelt kommen. Jesus sagte: Ich versichere dir: nur wer von Wasser und Geist geboren wird,kann in Gottes neue Welt hineinkommen. Was Menschen zur Welt bringen, ist und bleibtmenschlich. Geistliches aber kann nur vom Geist Gottes geboren werden. Wundere dichnicht, wenn ich dir sage: Ihr mußt alle von neuem geboren werden.”

Die Bibel nimmt uns hier mitten hinein in eine ziemlich philosophische Diskussion.Sie sehen hieran, wie unmittelbar praktisch philosophische Diskussionen sein konnen. Esgeht um das Leben, um Gott und um ein Leben in Gottes Gegenwart - um das ”ReichGottes.” Sie sehen auch, wie schwierig es sein kann, Beschreibungen der Wirklichkeitnachzuvollziehen. Nikodemus hat hier Verstandnisschwierigkeiten und ist damit sicher einVorbild fur viele (wenn nicht alle) von uns, die eben nicht so genau einsehen, wie sich dasReich Gottes im Verborgenen ausbreitet und die nicht so genau verstehen konnen, wieman durch eine neue Geburt in dieses Reich Gottes hineingeboren wird.

”Wie ist das moglich?” fragt Nikodemus. Die Frage ist eigentlich wirklich verstandlich,und doch wird sie von Jesus getadelt. Dieser Lehrer Israels, dieser geistliche Fuhrer undPhilsoph Nikodemus weiß die elementarsten Dinge nicht. Die Antwort Jesu ist verbluffend:”Wir sprechen uber Dinge, die wir kennen, und machen Aussagen uber das, was wirsehen. Aber keiner von euch ist bereit, auf unsere Aussagen zu horen.” Ja gibt es denn daunterschiedliche Wahrnehmung? Wie kann es sein, daß Jesus und seine Junger uber etwasreden, das sie sehen, aber Nikodemus es nicht sieht? Ist nicht genau das Wirklichkeit, wasalle Menschen sehen und uberprufen konnen? Hier sind wir wirklich bei weitreichendenund philosophischen Fragen angekommen. Gerade im 20. Jahrhundert hat die Wissenschaftals Grundlage eine ganz andere Philosophie entwickelt: es ist das Wirklichkeit, was alleimmer wieder uberprufen konnen. Alle konnen (zumindest grundsatzlich) alles einsehen.Jesus spricht hier von Dingen, die e r sieht, aber welche viele andere Menschen nicht sehenund die ihnen verborgen bleiben. Es geht dabei um r e a l e Dinge! Es geht um Gott undseine Gegenwart. Es geht um das Reich Gottes. Zumindest wenn es um das Leben geht,von dem Jesus hier redet, ist also ”Wissenschaft” in der bisherigen Form nicht wirklichhilfreich. Es geht Jesus nicht um eine ”Geheimlehre” - nein, die christliche Botschaft wirdoffenkundig sein und nichts ”geheimes” an sich haben. Auch das stellt er sofort klar:

”Mose richtete den Pfahl mit der bronzenen Schlange sichtbar in der Wuste auf. Ge-nauso muß auch der Menschensohn erhoht werden. Dann wird jeder, der ihm vertraut,durch ihn das ewige Leben finden.”

Jesus spricht hier von seinem Tod am Kreuz. Er spricht von der Botschaft der LiebeGottes, der an seinem Sohn ein Gericht vollzieht, das den Menschen gilt, weil sein Sohnaus Liebe zu jedem dieser Menschen stellvertretend in den Tod geht. Jesus spricht vomewigen Leben, welches im Glauben an Jesus zu finden ist.

Und doch ist das Leben fur viele verborgen. Das ist eine geradezu unfaßbare Sache. Daschafft Gott durch Jesus etwas Helles, klar Sichtbares, Heilendes! Und doch bleibt einerMehrzahl von Menschen der Sinn und die Bedeutung dieser Vorgange dunkel: ”denn sieliebten das Dunkel mehr als das Licht”, beschreibt Jesus dies an anderer Stelle.

Die neue Geburt, von der Jesus spricht, bezeichnet den geistigen Vorgang, wenn ein

262 Die Bibel fur Menschen von heute ...

Mensch die Liebe Gottes wahrnimmt und sich ihr anvertraut. Dabei wird geradezu dasFundament der Erde erschuttert, bei jedem einzelnen Menschen beben die geistlichen”Gewolbe” und ”Festungen.” Ein Mensch wird befreit zur Liebe, zum Vertrauen, zur Ge-rechtigkeit und zur Heiligkeit. Neue Geburt: unter Schmerzen mag sich so etwas vollziehen.Ein neuer Mensch weiß nicht, wohin er geht, denn noch kennt er Gott nicht, sondern wirdGott erst dort wirklich so kennenlernen, wie Gott ist. Vorher bleiben die Worte von Gottfremd, unverstandlich, ja geheimnisvoll. Doch nach der neuen Geburt kann der Mensch zuGott ”Pappa” sagen, ”mein lieber Vater.”

Gott liebte die Menschen so sehr, daß er seinen einzigen Sohn hergab. Nun wird jeder,der sein Vertrauen auf den Sohn Gottes setzt, nicht zugrunde gehen, sondern ewig leben.

7.3.3 Johannes der Taufer: Leben heißt Umkehren!

Da steht einer in der Wuste von Judaa, predigt und tauft. Kann das ein Philosoph sein?Johannes der Taufer ist ein Philsoph, und er ist viel mehr als das. Keine leeren Worte

gehen uber seine Lippen, sondern messerscharfe Aufforderungen zur Umkehr! Kehrt umund tut Buße, denn das Reich Gottes ist nahe. Bereitet euch vor, denn Gott kommt.Johannes weiß etwas uber ”das Leben” zu berichten: ”Ich bin nicht der versprocheneLebensretter, ich bin nur vor ihm hergesandt.”

Die Menschen damals mussen in jeder Pore ihres Daseins gespurt haben, daß Johan-nes nicht nur einfach daherredete. Unbequem war er, dieser Prediger in der Wuste. Erwar nicht Teil des religiosen Establishments. Unabhangig und nicht eingebunden in dieAbhangigkeiten des Leiterklungels. Er nahm nicht Teil beim politischen und gesellschaft-lichen Tauziehen um Einfluß und Machtbereiche. Aber Johannes taufte Menschen zurUmkehr, zum Neuanfang. Das war die Taufe des Johannes. Die Bildersymbolik und tief-liegende Bedeutung von Taufe spielt mit hinein in die einfachen Handlungen des Johanneswie auch der Junger Jesu, die ja die Taufe aufgreifen und weiterfuhren bis heute. Taufe:hinein in das Wasser! Im Wasser ist Tod und Leben, Untergang und neue Geburt. Wasserreinigt. Wasser ist das Lebenselixier der Menschheit. Durch das Wasser hindurch sind dieIsraeliten von Gott vor den Agyptern gerettet worden. Durch das Wasser des Jordans hin-durch vollzog sich der Einzug in das gelobte Land. Gott selbst hat in Jahrtausende altenBildern die Taufsymbolik vorbereitet.

Leben heißt umkehren - das ist die Botschaft des Johannes. ”Buße” ist U m k e h r,bedeutet Neubeginn und neues Leben. Jesus selbst greift diese Dinge auf und fuhrt unsdann durch die eigentliche Tur hindurch: nur wer von Wasser und Geist geboren wird,kann in Gottes neue Welt hineinkommen.

Und der Evangelist Johannes beschreibt in philosophischen und bildhaften Worten dieSituation, in der Jesus in der Welt steht: ”Wer von oben kommt, steht uber allen anderen.Wer von der Erde ist, gehort zur Erde und redet so, wie Menschen reden. Wer aber vomHimmel kommt, spricht uber das, was er dort gesehen und gehort hat. Doch keiner hortauf ihn.”

Klingelt es bei Ihnen? Verstehen Sie das Szenario und vor allem: verstehen Sie inhalt-lich, worum es hier geht. Da ist Jesus, da ist die Heiligkeit, Gerechtigkeit und Liebe Gottes.Uber diese Liebe sprechen die Propheten und uber sie spricht Jesus. Und doch bleibt sie

Roland Potthast 263

vielen unverstandlich, weil sie nicht offen sind, zu horen.”Wer auf in hort, bekraftigt damit, daß Gott die Wahrheit sagt. Der von Gott Gesandte

spricht ja die Worte Gottes, denn Gottt erfullt ihn ganz mit seinem Geist. Der Vater liebtden Sohn und hat ihm die Macht uber alle Dinge gegeben. Wer sich auf den Sohn verlaßt,wird ewig leben. Wer nicht auf den Sohn hort, wird niemals das Leben finden, sondern furimmer dem Zorn Gottes ausgesetzt sein.”

Das ist Lebensbeschreibung, das ist praktische Philosophie. Und doch ist es auchschwierig, denn wir alle leben i n der Welt und sind darin in vielem befangen, seien wirnoch so christlichen und noch so hingegeben. Darum ist dieses ewige Leben eine bestandi-ge und lebenslange Umkehr, die jeden Tag neu Gott entdecken lernt und sich immer undimmer wieder frisch von Gottes Liebe anstecken lassen muß.

Leben heißt Umkehren. Das ist die praktische Philosophie, die zum Glauben und Ver-trauen auf Jesus Christus gehort. Sie personlich mussen selbst herausfinden, worin dieseUmkehr in Ihrer Situation besteht. Vielleicht ist es der Verzicht auf bestimmte Dinge,z.B. auf ein Ubermaß an Alkohol oder auf Drogen. Vielleicht ist es aber auch ein Mehran manchen Dingen: mehr an Verbindlichkeit, mehr an Verantwortung, mehr an Liebe,mehr an Hilfe fur Menschen und Organisationen. Oder es geht um so einfache Dinge wieWahrheit, Zuverlassigkeit, Ehrlichkeit. Fur wieder andere mag es wesentlich sein, Toleranzzu lernen. Verurteilen Sie andere nicht, auch nicht die Kirchen fur ihre Inkonsequenz. Sieverurteilen sich selbst damit und das ware nicht gut! Lernen Sie es, wie Jesus selbst mittenhinein zu gehen in die Gemeinschaft von Menschen und dort zu sagen: ich bin fur dichda, auch wenn du mich unfair behandelst. Ich bleibe offen fur dich, auch wenn du michablehnst oder ignorierst. Ich stelle keine Anspruche an dich, sondern ich helfe dir.

Die Liebe ist langmutig und freundlich.Die Liebe ereifert sich nicht.Sie laßt sich nicht erbittern.Sie blaht sich nicht auf.Sie hofft alles, glaubt alles, duldet alles.

Leben heißt Umkehren.

7.3.4 CoffeeBreak: klarer Blick, ruhige Vernunft

Die Bibel bringt eine Fulle von Bildern, bringt viele Aussagen, die nicht beim erstenLesen zu verstehen sind. Viele Generationen von Theologen haben seit Hunderten vonJahren versucht, die Dinge einzuordnen, zu deuten, einen Sinn hineinzutragen. Dabei sindzum Teil sehr ”weltliche” Deutungsmethoden genutzt worden, z.B. eine historisch-kritischeBetrachtungsweise.

Wie steht die Bibel selbst zu ihrer Deutung, welche Rolle spielt die Vernunft dabei,was kann die Wissenschaft tun?

Wir haben schon angedeutet, daß die Bibel einiges zu sagen hat zur Vernunft und zuihrer Deutung. Die Bibel ist nicht gegen die Vernunft, sondern im Gegenteil: ruft nichtdie Weisheit und laßt nicht die Klugheit sich horen? Offentlich am Weg steht sie undan der Kreuzung der Straßen”, heißt es in den Spruchen (Kap 8). Doch die weltliche

264 Die Bibel fur Menschen von heute ...

Vernunft allein kann Gott nicht wirklich erkennen. Einen Widerhall des Schopfers sehenwir in der Schopfung – in den Dingen, die wir mit Wissenschaft und mit all unseren Sinnenbetrachten, erforschen und genießen konnen. Doch nur durch die Worte Jesu Christi unddurch den heiligen Geist konnen wir Gott unmittelbar erfahren. Nur in der neuen Geburtdurch das Vertrauen auf Jesus offnet sich unsere Vernunft dem heiligen Geist und damitder Liebe und Gerechtigkeit Gottes.

Gott mochte uns einen klaren Blick und eine ruhige Vernunft schenken. Gott mochte,daß wir mit der Weisheit leben, in der Welt heilend und freundlich anderen und uns selbstbegegnen.

Doch diese klare und ruhige Vernunft braucht die Kraft des heiligen Geistes, siebenotigt die Verbindung zur Quelle des Lebens, benotigt die Umkehr zum Leben, vonder die Evangelien und das ganze neue Testament berichten.

7.4 Der Online-Provider Gottes ... - vom Weinstock (Johannes 15)

7.4.1 Fur Eilige: Der Online-Provider Gottes ...

Welchen Online-Provider haben Sie? Wer stellt Ihren Kontakt her zum Netz der Netze?Online ... das heißt: verbunden mit der Quelle. Sie ”sind drin”, haben Kontakt, konnen

jederzeit Informationen abrufen, sich Rat besorgen, konnen sich mitteilen.Ihr Online Provider muß selbst einen Kontakt zum Netz haben. Klar, sonst konnte er

Ihnen ja nicht den Kontakt vermitteln.Heute wird es um den Online-Provider Gottes gehen. Das ist derjenige, der Sie mit

Gott verbinden kann - der den Kontakt zur Quelle hat. Der Online-Provider Gottes istJesus, seine Leitungen sind der Heilige Geist. Jesus erklart diese Zusammenhange in Formeines Gleichnisses: in den Bildern vom Weinstock im Evangelium des Johannes, Kap. 15.Das ist eine spannende Sache, gleich mehr dazu.

Eine andere Frage: ein Elektromotor wird von der Batterie abgeklemmt, was passiert?Nun, er wird stehenbleiben. Genau, erfaßt! Wer den Kontakt zur Kraftquelle verliert, derverliert seine Kraft. Wer nichts ißt, verhungert und stirbt. Wenn seine Quellen versiegen,dann wird ein Fluß dunner und am Ende bleibt ein trockenes Flußbett ... unbrauchbar.Die Vegetation stirbt.

Tipps fur diese Woche:1) Haben Sie den Eindruck, mit Gott ”online” zu sein? Verstehen Sie, was damit

gemeint sein konnte? Wie wurden Sie sich einen solchen Kontakt vorstellen?2) ”Wer in mir lebt so wie ich in ihm” sagt Jesus. Leben Sie ”in Jesus”? Welche

Bereiche Ihres Lebens sind nicht ”in Jesus”?

7.4.2 Gleichnis vom Weinstock (... ja, er lebt!)

Jesus spricht mit den Menschen in den Worten und Bildern, die sie aus ihrer Lebensweltheraus verstehen. Er erklart Dinge, die wir heute mit Netzwerken, Kommunikationsver-bindungen und Kraftstoffzufuhr in Zusammenhang bringen wurden, mit den Bildern vomWeinstock. Aber naturlich sind uns auch heute die Bilder aus der belebten Natur gelaufig.

Roland Potthast 265

Wir steigen ein in das Johannesevangelium. Jesus sagt: ”Ich bin der wahre Weinstock,und mein Vater ist der Weinbauer. Er entfernt jede Rebe an mir, die keine Frucht bringt;aber die fruchttragenden Reben reinigt er, damit sie noch mehr Frucht bringen. Ihr seidschon rein geworden durch die Botschaft, die ich euch verkundigt habe.”

Jesus der Weinstock. Das ist in unserem Bild die Kraftquelle bzw. das Netz, mit demverbunden zu sein einzig ”Leben” bedeutet und Leben ermoglicht. Gott wird hier alsWeinbauer vorgestellt. Gott sortiert die Reben - und er entfernt sogar Reben, die keineFrucht bringen. Das ist eine weitreichende und ernste Sache. Einige Gedanken dazu:

Gott ist hier selbst am Werk, ist mit den Reben unterwegs und handelt nach ihrer”Frucht.” Es ist also nicht eine Kirche oder eine Gemeinde, schon gar keine Gemeinde-leitung oder Kirchenleitung, die diese Aufgabe hat. Gott liebt die Menschen, aber dasbedeutet nicht, daß ihm alles durchginge. Im Gegenteil geht Gott bei seinem Handelnnach einem klaren und unparteiischen Maßstab vor: es wird anhand der Frucht geurteilt.Ziel Gottes ist, daß seine Liebe im Leben der Menschen sichtbar wird (”Frucht bringen”).

Der letzte Punkt ist sehr wichtig! Was bedeutet es, ”Frucht zu bringen am WeinstockJesus Christus”? Dazu laßt sich das neue Testament immer und immer wieder aus, be-leuchtet das Leben des Christen oder der Christin von allen Seiten. Zur Frucht gehort:

• lebendiges Vertrauen auf Jesus Christus,

• konsequentes Leben in Wahrheit und Aufrichtigkeit,

• freundliche Liebe gegenuber den Menschen, denen ich taglich begegne - nah undfern,

• Treue zu Gott und seinem Wort,

• tatkraftiges Anfassen fur Menschen, die in Not oder Bedrangnis sind,

• Sanftmut, Geduld, heiliges Leben.

Durch unsere Aufzahlung soll keine Reihenfolge oder Wertung angedeutet werden. Imneuen Testament gibt es ganz unterschiedliche Texte, die je nach Zusammenhang anderesin den Vordergrund stellen.

Noch eine wichtige Bemerkung zur Reinheit: Kann ein Mensch durch sein Leben rr-ein” werden? In den zitierten Zeilen wird Gott als derjenige dargestellt, der reinigt. Esist also nicht der Mensch, der sich rein machen kann. Gott reinigt Menschen, indem er zuihnen redet und indem er diese Menschen zum Glauben und Vertrauen auf Jesus fuhrt.Durch dieses Vertrauen (in allen seinen praktischen Dimensionen) wird ein Mensch reinund gerecht vor Gott.

Lassen Sie uns noch ein wenig weiterlesen bei Johannes: ”Bleibt mit mir vereint, dannwerde ich auch mit euch vereint bleiben. Nur wenn ihr mit mir vereint bleibt, konnt ihrFrucht bringen, genauso wie eine Rebe nur Frucht bringen kann, wenn sie am Weinstockbleibt.” Und weiter heißt es: ”Ohne mich konnt ihr nichts vollbringen. Wer nicht mit mir

266 Die Bibel fur Menschen von heute ...

vereint bleibt, der wird wie eine abgeschnittene Rebe fortgeworfen und vertrocknet. SolcheReben werden gesammelt und ins Feuer geworfen, wo sie verbrennen.”

Jesus faßt in diesem Gleichnis noch einmal zentrale Aussagen uber sich selbst zu-sammen, bringt das Evangelium auf einen Punkt. Dazu gehort die Einladung, mit Gottin enger Gemeinschaft zu leben. Wir haben dies als ”online mit Gott” bezeichnet. Esgibt aber auch die Moglichkeit, diese Gemeinschaft zu verwerfen und sich von Jesus zutrennen. Jesus verschweigt die Konsequenzen eines solchen Verhaltens nicht: es fuhrt insselbstgewahlte Verderben.

Konzentrieren wir uns noch ein wenig auf die Moglichkeiten, die sich der ”Rebe amWeinstock”, also dem Christen bzw. der Christin, auftun. Jesus sagt: ”Wenn ihr mit mirvereint bleibt und meine Worte in euch lebendig sind, konnt ihr den Vater um alles bittenwas ihr wollt, und ihr werdet es bekommen. Wenn ihr reiche Frucht bringt, erweist ihreuch als meine Junger, und so wird die Herrlichkeit meines Vaters sichtbar.”

Wow! Hot! Hat Ihnen schon einmal jemand gesagt: ich geb dir alles, was du willst?Nein? Vielleicht Ihr Mann oder Ihre Frau im Uberschwang der ersten Liebeserklarungen?Gott ist hier so ein Liebhaber, der ganz aus dem Maß gerat: ihr konnt um alles bittenwas ihr wollt, und ihr werdet es bekommen. Manche von uns werden vielleicht nun an ihreersten frustrierenden Erfahrungen erinnert, als sie solche Zeilen leichtfertig in ihr Lebenubernehmen wollten. So einfach ging es dann doch nicht: nicht weil sich jemand ”Christ”nennt, ja noch nicht einmal weil er im allgemeinen an Jesus glaubt, wird ihm alles gegeben.Die Verheißungen sind an die Einheit mit Jesus gebunden. Wenn wir in diese Einheit mitJesus hineinwachsen, dann konnen wir plotzlich von ganz anderen Erfahrungen berichten.Dann zeigt sich plotzlich, daß Gott auch mit diesen Zeilen Jesu vollig wahrhaftig und treuzu seinen Worten steht. Wer in lebendiger (wenn auch unvollkommener) Einheit mit Jesuslebt, der erfahrt: alles was du bittest will ich dir geben. Ja, er hat es gesagt und er tut es.

Der zentrale Punkt von ”Frucht” und ”Einheit” mit Jesus sind L i e b e und F r e ud e. Jesus sagt: ”Ich liebe euch, so wie der Vater mich liebt. Bleibt in dieser Liebe! Wennihr mir gehorcht, dann bleibt ihr in meiner Liebe, wo wie ich meinem Vater gehorcht habeund mich nicht von seiner Liebe lose. Ich habe euch dies gesagt, damit meine Freude eucherfullt und an eurer Freude nichts mehr fehlt. Dies ist mein Gebot: ihr sollt einander solieben, wie ich euch geliebt habe.”

Die Liebe ist das zentrale Anliegen Jesu - die heilige Liebe, die sich selbst voll undganz einsetzt fur den Geliebten. Es ist eine Liebe voller Wahrheit und Gerechtigkeit, undvoller Gehorsam gegenuber Gott. Mancher stoßt sich ja angesichts negativer Erfahrungenmit ”Gehorsam” an der Gleichsetzung von Liebe und Gehorsam, die Jesus hier vornimmt.Machen wir uns klar, daß es hier nicht um einen Gehorsam gegenuber Menschen geht,sondern um ein Horen auf den, der die Wahrheit und Liebe selbst ist: Gehorsam gegenuberGott, der Quelle des Lebens. Dieser Gehorsam hat Grund und er ist nicht zerstorerischund wird nicht mißbraucht. Der Gehorsam gegenuber der heiligen Liebe Gottes ist dereinzig gangbare Weg fur jeden Menschen, der l e b e n will!

Wenn ein Mensch hineintaucht in die heilige Liebe Gottes, in den Weg des Vertrauensund Lebens mit dem lebendigen Jesus Christus durch den heiligen Geist, dann kann undwird er die Macht Gottes in seinem Leben erfahren. Und er merkt: ”was ihr vom Vater

Roland Potthast 267

unter Berufung auf micht erbittet, wird er euch geben. Ich gebe euch nur dies eine Gebot:Ihr sollt einander lieben.”

7.4.3 Von Haß und Anfeindung - Bitte Anschnallen!

Jesus gibt seinen Jungern eine eindruckliche Warnung, sagt ihnen in klaren und unge-schminkten Worten, was sie erwartet: ”Wenn die Welt euch haßt, dann denkt daran, daßsie mich zuerst gehaßt hat. Die Welt wurde euch als ihre Kinder lieben, wenn ihr zu ihrgehortet. Aber ich habe euch aus der Welt herausgerufen, und ihr gehort nicht zu ihr. Ausdiesem Grund haßt euch die Welt. Denkt an das, was ich euch gesagt habe: kein Dienerist großer als sein Herr. Wie sie mich verfolgt haben, werden sie auch euch verfolgen. Sowenig sie meinem Wort geglaubt haben, werden sie dem euren glauben.”

Klar gesagt: macht euch auf Anfeindung gefaßt. Die Junger Jesu haben diese Anfein-dung in den Verfolgungen der ersten Jahrhunderte in viel Leid, Folterungen und Tod zuspuren bekommen. Wie heftig war der Ausbruch von Ablehung und Gewalt. Und auchheute noch gibt es diese Form von offener Gewalt gegen bekennende Christen. In nicht we-nigen Landern der Erde werden heute, zu Beginn des 21. Jahrhunderts, Christen verfolgt,gehaßt und um ihres Glaubens willen mißhandelt oder getotet.

Oft wird in diesem Zusammenhang die Gewalt an Christen der von ”christlichen” Kir-chen oder ”Christen” ausgeubten Gewalt uber die Jahrhunderte aufgerechnet. Eine solcheAufrechnung ist - direkt gesagt - volliger Unsinn. Der Name ”Christ” ist nicht geschutztfur Gott oder fur Menschen, die in der Sanftmut und Liebe Jesu leben. Jeder kann sich”Christ” nennen und dann ”im Namen Jesuandere morden, umbringen, unterdrucken oderseine ganz weltlichen Interessen verfolgen. So ist es geschehen und geschieht bis heute.Ubernimmt Gott die Verantwortung fur diese Menschen, die seinen Namen mißbrauchen?Nur in einem einzigen Fall ubernimmt er sie und dafur ist Jesus ans Kreuz gegangen: wennein Mensch umkehrt und sich zu Gott bekehrt, dann wird er gerecht durch den Glaubenan Jesus Christus. Jesus hat am Kreuz gelitten fur die Schuld aller Menschen, die anderemißhandelt und gemordet haben. Sie werden frei von Schuld, wenn sie an seinen Namenglauben. Christliche Lippenbekenntnisse sind dazu aber vollig ungeeignet!

Wie steht es um Haß und Anfeindung in den Landern Europas heute? Wir haben diegluckliche Situation, daß unsere Lander durch christliche Gedanken eine tiefe Pragung er-fahren haben. Dazu gehort die Freiheit, die eigene Religion auszuuben. Dazu gehoren Men-schenwurde und Achtung. Die modernen Stromungen des Humanismus, der Aufklarung,des Sozialismus und viele esoterische Philosophien sind mit dem Christentum in der Ach-tung des einzelnen Menschen und der Freiheit des Menschen einig (auch wenn beim ge-nauen Hinsehen fundamentale Unterschiede im Freiheitsverstandnis auftauchen). Christensollten diese Gemeinsamkeiten nicht leichtfertig uber Bord werfen, wenn sie die Fehler oderIrrtumer der einen oder anderen Philosophie aufzuzeigen versuchen. (Und wir sollten imGegenzug immer besonnen und kritikfahig bleiben, wenn Glaubende anderer Religionenuns mit den eigenen Ungereimtheiten konfrontieren.)

Und doch sind konsequente und bekennende Christen auch heute einigem an Haßund Verleumnung ausgesetzt. Zu gerne mochte man Christen in die fundamentalistischeEcke stellen. Verleumnung ist an der Tagesordnung, wenn es um die Uberzeugungen von

268 Die Bibel fur Menschen von heute ...

Glaubenden geht. Selbst ”aufgeklarte” und seriose Zeitschriften oder Journale fallen nichtselten auf die Polemik von Glaubensgegnern herein und in der Unkenntnis des neuen Testa-ments wird mal auf die katholische Kirche, mal auf evangelische Freikirchen eingedroschen.Oft wird ein bestimmter gesellschaftlicher Konservatismus, der sich selbst als ”christlich”versteht, mit dem Christentum gleichgesetzt. Auch hier fehlt der tiefere Blick fur den le-bendigen Christus. In der Ignoranz gegenuber Jesus, seiner Wahrheit und Barmherzigkeitsucht sich der Haß seine moderne Ausdrucksform.

7.4.4 Abschluß des Bibelseminars.

Wir haben 52 Stationen miteinander durchgemacht, sind in einem Jahr, also in 52 Wochen,quer durch die Bibel marschiert. Wie ungeheuer reich und vielfaltig ist dieses ”Buch derBucher.” Wie viel wichtige Dinge haben wir nur gestreift, was mußten wir nicht allesbeiseite lassen.

Unser Ziel war es, einige Schritte beim Verstandnis der Bibel zu machen: einen Zugangzu bekommen zu den alten Texten aus vielen Jahrtausenden. Es ging darum, die Texte sozu verstehen, wie sie sich selbst sehen: als lebendiges Reden des lebendigen Gottes durchalle Generationen hindurch bis heute.

Man kann sich nicht mit der Bibel auseinandersetzen, ohne viele weitreichende Dingezu horen. Dazu gehort die Einladung, Jesus Christus nachzufolgen: ihm zu vertrauen unddas eigene Leben voll und ganz auf ihn zu setzen. Das nennt man ”christlichen Glauben.”Die Einladung zum Glauben gilt allen Menschen, Nichtchristen genauso wie den Christen.Glaube ist nichts statisches, das einmal im Leben ”erworben” wurde. Sondern Glaube istetwas Lebendiges - es ist der Saft, der durch die Reben des Weinstocks fließt und die Rebebelebt.

Das Vertrauen des Glaubens muß jeden Tag erneuert und gelebt werden. In einemsolchen Leben wird

die Kraft und Macht Gottes,sein heilender Zuspruch,die Freude des heiligen Geistes unddie freundliche Liebe Jesu

weithin sichtbar werden. Werden Sie zum Segen fur sich selbst und Ihre Umwelt!

Der Herr segne und behute dich,er lasse sein Angesicht leuchten uber dir,der Herr erfulle und leite dich,und schenke dir seinen Frieden!