buddhistische studien
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H. OldenbergTRANSCRIPT
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Buddhistische Studien').
Von
Hermann Oldenberg.
Minayeff's Reeherches sur Bouddhisme, daneben das invielen Beziehungen an dieselben sich anschliessende Buch de la
Vallee Poussin's Bouddhisme, &,udes et matiriaux geben mirAnlass, einige der Probleme, welche sich um die buddhistischen
Konzilien, die Entstehungsgeschichte des Kanon, das Verhältnis der
nördlichen und südlichen Überlieferung bewegen, erneuter Betrach¬
tung zu unterziehen. Teilweise werde ich mich mit der Kritik
von Auffassungen der genannten Forscher beschäftigen-) — dass
die Trauer um den Hingegangenen mir hierin keine Rückhaltungauflegt, würde unzweifelhaft Minayeff's eigner Denkweise über das
Verhältnis persönlicher und sachlicher Rücksichten entsprechen —;
teilweise werde ich meinerseits positiv vorzugehen versuchen, in
mancher Beziehung, wie das nicht anders sein kann, in Richtungen,welche den von Windisch („Mära und Buddha') in seinen ünter¬
suchungen über das Verhältnis der nördlichen und der südlichen
Tradition eingeschlagenen eng verwandt sind. Zum Scbluss gedenkeich diesen Erörterungen , im Hinblick auf Jacobi's Aufsatz
ZDMG. LII, 1 ff., einige Bemerkungen zur emeuten Prüfung desVerhältnisses der buddhistischen Nidänaformel und der Sämkhya-
philosophie anzuhängen.
I.
Indem ich zuvörderst an die Kritik von M in aye ff" s Auf¬
stellungen über die Konzilien herantrete, betrachte ich zunächst
eine Reihe von einzelnen Zügen der betreffenden Traditionen, in
Bezug auf welche mir die Auffassungen des genannten Gelehrten
als irrig erscheinen. Ich werde dann auf seine Ansicht von den
Konzilien und ihrem Verhältnis zur Entwicklung der kanonischen
Litteratur im Ganzen eingehen.
1) Siehe Inhaltsühersicht am Schluss.2) Ich muss bemerlcen, dass ich dieser Kritik Minayeff's Bucli nur in
der französischen Übersetzung zu Grunde legen kann. Sollte dies irgendwiezu Ungerechtigkeiten gegen den Verfasser geführt haben, werde ich für Berich¬tigung aufrichtig dankbar sein.
614 Oldenberg, BuddMstische Studien.
MinayefF (S. 25) hält es für wahrscheinlich, dass der Bericht
des Cullavagga vom ersten Konzil aus der Zusammenfügung ,de
divers recits entiferement independants' hervorgegangen sei. DieseAuffassung beruht darauf, dass jener Bericht — wie wenigstens
M. angiebt — mit einer Rede des Kassapa anhebt '), dann aber in der
dritten Person fortfährt. Kassapa erzählt, wie er mit 500 Mönchen
von Pävä nach Kusinärä wandernd unterwegs den Tod Buddba'serfahren habe. Ein Teil der Mönche nahm die Nachricht mit
stürmischen Schmerzausbrüchen, ein andrer Teil mit frommer Ge-
fasstheit auf Subhadda aber, einer jener wandernden Mönche,
tröstete die Klagenden mit dem Hinweis darauf, dass der Tod des
Meisters jetzt Allen die Preiheit bringe ; nun könne man thun undlassen was man wolle. Veranlasst durch diese frivolen Worte wandte
sich — so giebt M. die CuUavagga-Erzählung wieder — Kassapa
zu den Mönchen, welche ihn umgaben und schlug ihnen die Pest¬
stellung eines Kimon von Dhamma und Vinaya vor. Es wird be¬
schlossen, zu diesem Zweck ein Konzil zu halten, aber der Bericht
über diesen Beschluss ist unklar: ,Le recit du Cullavagga n'indique
pas clairement oü fut prise la resolution de convoquer le concile:
lä oü les ascfetes apprirent la nouvelle de la mort du fondateur,
on bien ä Ku^inära, oü, d'aprfes d'autres temoignages, Käfyapa alla
venerer les restes du Maitre (Mahäparinibbänasutta p. 67).'
Ich behaupte dem gegenüber, dass der Bericht des Cullavagga
vollkommen klar und nur seine Wiedergabe bei Minayeff teils unklar,
teils positiv mi zutreffend ist.
Zunächst existirt die Discrepanz einer Rede des Kassapa und
einer in der dritten Person gegebenen Erzählung in Wirklichkeitnicht. Das Kapitel hebt in der dritten Person an : atha Icho
äyasmä Mahäkassapo bhikkhü ämantesi; dann folgt, was er sagt,
dann was Andere sagen und was geschieht, wo dann die Erzählung
sich natürlich in der dritten Person bewegt. Das alles verläuft in
schönster Einheitlichkeit; ich wenigstens sehe nicht, wie Vorgänge,
welche zum teil in Äusserungen redender Persönlichkeiten bestehen,
einheitlicher und klarer hätten wiedergegeben werden können.
Die Rede aber des Kassapa zerfäUt, wie Win. offenbar ent¬
gangen ist, in zwei sehr deutlich von einander gesonderte Teile -).
Zuerst erzählt der Thera von der Wanderung zwischen Pävä und
Kusinärä, von der unterwegs erhaltenen Todesnachricht, von demverschiedenen Benehmen der Mönche, von den Worten des Subhadda.
Damit ist die Erzählung von jenen vergangenen Vorgängen be¬
endet. Die Worte Kassapa's, die nun folgen, den Vorschlag zur Re¬
daktion von Dhamma und Vinaya enthaltend, werden nicht mehr
von ihm als auf jenem Wege zu den dort anwesenden Mönchen ge-
1) Cullavagga XI, I, 1 nach der Paragrapheneinteilung meiner Ausgabe.2) Der erste umfasst in meinem Druck die beiden ersten Absätze, der
zweite den dritten Absatz.
Oldenberg, Buddhistische Studien. 615
sprechen erzählt Sondern mit diesen Worten wendet sich K.
an die gegenwärtigen Mönche, die seiner Erzählung zugehört haben,
und legt ihnen seinen eben durch jene Erzählung motivirten Antrag
vor. Diese Mönche sind es dann, die den Antrag annehmen; es kann
keine Rede davon sein, dass der Cull, dies auf jener Wanderung durchdie 500 Begleiter des Kassapa habe besorgen lassen.
Wo war es nun, dass Kassapa diese Rede hielt und dieser
Beschluss gefasst wurde? Der Cullav. sagt das nicht ausdrücklich,
aber wie sich sein Verfasser die Sache gedacht hat, kann doch
schlechterdings nicht zweifelhaft sein. Die jüngeren ceylonischen
Quellen ^) und ebenso die gesamten nordbuddhistischen Überliefe¬
rungen ^) sind einstimmig darin, die betreflFenden Verhandlungen
nach Kusinärä zu verlegen. Dort war der Meister gestorben ; dorthin
kam — wie unter den kanonischen Pälitexten das Mahäpari¬
nibbänasutta *) bestätigt — Kassapa, der Leiche seine Verehrung zu
bringen; dort im Kreise der nach Buddba's Tode zurückgebliebenen
Getreuen musste naturgemäss eine Verhandlung geführt worden
sein, welche die Tradition auf das engste an Buddba's Hingang
anzuschliessen das offenbare Bedürfnis hatte. Die Erzählung des
Cullavagga, die sich genau an die des Mahäparinibbäna Sutta an¬
schliesst und durch längere Reihen von Sätzen dieselbe wörtlich
reproducirt, hat entschieden nicht die Absicht, Kassapa an einemanderen Orte auftreten zu lassen, als da, wohin jenes Sutta ihn
wandem lässt und wohin alle andern erwähnten Quellen jenes sein
Auftreten verlegen.
Die versammelten Mönche nun, indem sie auf den Antrag
Kassapa's eingehen, ersuchen diesen die Brüder auszuwählen, welche
die vorgeschlagene Redaktion von Dhamma und Vinaya vornehmen
sollen. Kassapa wählt (Cullav. a. a. 0. § 2) 499 Arhats, dann als
fünfhundertsten Änanda, der ja bald die Arhatschaft erreichen soll.
Minayeflf (S. 25) bemerkt zu diesem Bericht: „il en reunit 499,
c'est-ä-dire tous ses compagnons de voyage moins un, puisque, dans
le recit rapportfe plus haut, on a dit que cinq cents moines mar-
chaient avec Kä9yapa. On voit que le choix ne fut pas difficile."
1) Wenn Kassapa diese seine Worte in demselben Tenor wie das Vorher¬gehende referirte, würde er dieselben unzweifelhaft mit der Wendung einleiten:atha khv äham ävujio te bhikkhü etad avocam — demselben Ausdruck, dessensich Kassapa kurz vorher (S. 284, Z. 10 v. u. meiner Ausgabe) bedient hat.Man kennt den unwandelbar stereotypen Charakter, welcher der Ausdrucksweiseder heiligen Päli-Prosa eigen ist.
2) So der Dipavamsa 5, 1 fg., die SumaügalaviläsinT p. 2 [bhagavatodhätubhäjanadivase), die Samantapäsädikä Vin. Pit. vol. III p. 283 (bhaga¬vato parinibbäne sannipatitänäm sattannam bhikkhusatasahassäTiam), derMahävamsa p. 11 Turnour.
3) So Mahävastu vol. I p. 69—70; der Vinaya der Dharmaguptas nachder chinos. Version bei Beal, Vhdl. des 5. Or. Kongr., Ostasiat. Sektion p. 17;der Dulva bei Kockhill, Life of the Buddha p. 149.
4) p. 67 ed. Childers.
4 3 *
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Die Ironie der letzten Worte scheint mir nicht vollkommen glücklich,denn ofFenbar hat M. den alten Erzähler missverstanden. Hätte
dieser die 499 Erwäilten mit jenen 500 Begleitern des Kassapaidentifiziren wollen, so hätte er das nach der Art dieser umständlich
genauen Erzählungsweise sicher ausdrücklich gesagt. Das hat er
nicht gethan und in der That vereinigt sich diese Identifizirung so
schlecht wie möglich mit dem ganzen Zusammenhange. Es handelt
sich darum, die Hervorragendsten und Würdigsten unter den Bhikkhus
an der Konzilverhandlung zu beteiligen. OfFenbar befand sich eine
Menge derselben unter den Mönchen, die den Buddha auf seiner
letzten Wanderung begleitet hatten und Zeugen seines Todes ge¬
wesen waren, also an Kassapa's Zug von Pävä nach Kusinärä nicht
teilgenommen haben konnten. Eine Beschränkung der Auswahl —
abgesehen etwa von Änanda — auf jene Gefährten Kassapa's würdedaher für den alten Berichterstatter ein an Absurdität streifender
Gedanke gewesen sein. Zudem enthielt die Erzählung von Kassapa's
Wanderung ausdrücklich den Zug, dass ein Teil der begleitenden
Mönche aväaräga war; die von Kassapa Erwählten aber waren —
mit alleiniger Ausnahme des Änanda — sämtlich Arhats. Es ist
danach wohl klar, dass Minayeff hier die wahren Intentionen der
Erzählung verfehlt.In den Details des Berichts über die Wahl der Teilnehmer
an dem Konzil und der Örtlichkeit desselben findet nun Minayeff
(S. 26) wieder die Spur zweier verschiedener Versionen, von denen
ihm die eine ein höheres Gepräge der Wahrheit zu tragen scheint
als die andere. Der Ort, an welchem das Konzil tagen soll, werde
durch förmlichen Beschluss der Gemeinde bestimmt {i.atticatuttha-
kamma). Vorher aber werde erzählt, dass Kassapa die Teilnehmer
an der Versammlung ,de son propre mouvement, sans consulter
la commimaute' gewählt habe. „Peut-etre cette premifere version
est-elle plus prfes de la verite." Jene Weise der formellen Be¬
schlussfassung sei nur das Natürliche bei einer „communaute com¬
plfetement organisee et qui n'etait pas errante" ; dass die quadruple
invitation, wie sie z. B. bei der Aufnahme eines neuen Gemeinde¬
gliedes in Anwendung kommt, „d'origine plus recente que les autresrites" sei, werde von den Buddhisten selbst erzählt.
Nur im Vorübergehen will ich dem gegenüber konstatiren,
dass der Cullavagga (a. a. 0. § 4) von gar keinem natiicatuttha-kamma, sondern von einem vattidutiijakamma berichtet. Dass die
eine wie die andere Porm der Beschlussfassung schon sehr früh
bei einem Orden auftreten konnte, welcher die Technik des
geistlichen Eechtslebens unzweifelhaft in vielen Beziehungen schon
von andern Gemeinschaften fertig ausgebildet vorfand, scheint mir
evident. Die Vinayate.xte legen Buddha, man kann sagen zu zahl¬
losen Malen, Vorschriften in den Mund, welche die Anwendung
jener Prozeduren in sich scbliessen. Und von der angeblichen
Überlieferung eines späteren Ursprungs der Ordination mit dem
* 3 *
Oldenberg, Buddhistische Studien. 617
^aUicatutthakamma gegenüber den „autres rites' Icann icb im Päli-
Vinaya wenigstens, der wohl für diese Frage allein in Betracht
kommt, nicht allzu viel entdecken. Dort (Mahävagga I, 28, 3)
wird die Einführung dieser Prozedur zwar hinter die Feststellung
einiger anderer Satzungen, aber immer noch in die Zeit der erstenWanderungen Buddba's, welche 'auf die Erlangung der Sambodhi
folgten, verlegt. Eine Entscheidung darüber, wie alt jene Formder Beschlussfassung in der That ist, wird sich mit den uns zu
Gebote stehenden Mitteln oflFenbar nicht erreichen lassen. Die
unsre Quellen beherrschende Vorstellungsweise, dass alle Ordnungen
des Gemeindelebens auf Buddha selbst zurückgehen, musste sich
unvermeidlich auch dieser Prozedur anheften; die bezügliche Tradition
braucht also an sich nicht authentisch zu sein. Andrerseits hat
es, wie wir schon bemerkten, nichts Unglaubliches, dass das be¬treflFende Verfahren wirklich sehr alt ist. Also ein unvermeidliches
non liquet. In jedem Fall ist soviel für den Kenner der Vinaya-Litteratur begreiflich, ja geradezu selbstverständlich, dass die Er¬
zählung des Cullavagga, welche nun einmal die ganzen Institutionen
des Vinaya als von Buddha geordnet und mithin als bei seinemHinscheiden fertig vorliegend auffasste, den Thera in der regulären,
für solche .Anlässe ein für allemal geltenden Form eines nattidutiya-kamma mit dem Sanigba verhandeln liess.
Durchaus ungenau nun aber ist die Annahme Minayeff's, dass
neben dieser Vorstellungsweise und im Widerspruch mit ihr sich
im Cullavagga eine zweite Auffassung des in diesen Verhandlungen
ano-ewandten Verfahrens verrate : dass von einer primitiven wenigerformellen Prozedur die Rede sei, der Entscheidung der Sache durch
die Autorität des hochangesehenen Kassapa allein. Man lese nur
den Text'). Die Bhikkhus veranlasssen Kassapa, die Mönche aus¬zuwählen und bestimmen ihn auch Ananda unter ihre Zahl auf¬
zunehmen. Dann fassen die Theras — d. h. doch wohl unter den
andem ältern Mönchen auch Kassapa — die Stadt Räjagaha als
den geeignetesten Ort für Abhaltung der Versammlung ins Auge.Darauf lässt Kassapa vermittelst des vattidutiyakamma die Gemeinde
die Wahl jener Persönlichkeiten und dieses Oi-tes zum formellen
Beschluss erheben. Wo zeigt sich hier eine Spur verschiedener
Auffassungen über die Behandlungsweise solcher Angelegenheiten?Zuerst stellen Kassapa resp. die übrigen massgebenden Persönlich¬
keiten fest, um welche Mönche und welchen Ort es sich handeln
soll. Dann erfolgt die formelle Antragstellung und die Annahme
des Antrags. Ich wüsste nicht, wie eine Erzählung besser mit sichselbst im Einklang sein kann. —
Nun schreitet die Erzählung zu der in Räjagaha geführten
Verhandlung selbst fort. Kassapa geht mit Upäli den , beiderseitigen
1) a. a. O. § 2—4.
^18 Oldenberg, Buddhistische Studien.
Vinaya« mit dem inzwischen zum Arhat gewordenen Ananda den
Dhamma, d. h. die fünf Nikäyas durch. Die einzelnen angeführten
Daten üher die Vinaya- und Dhammatexte passen zu dem that¬
sächlichen Bestände des heiligen Pälikanon: das ist selbstverständlichund wir lemen daraus kaum etwas. Nur auf das eine Paktum
möchte ich Gewicht legen, dass durchaus allein mit einer Zwei¬
teilung der Texte nach den Kategorien von Vinaya und Dhamma
operirt wird. Die Dreiteilung der Pitakas lässt sich mit diesem
Bericht nur durch gezwungene Auskunftsmittel vereinigen -); die
einzig natürliche Auffassung wird sein, dass dessen Verfasser vom
Abhidhamma entweder nichts wusste oder ihn wenigstens nicht als
gleichwertig mit den beiden andern Pitakas und mit ihnen zusammen
nach Buddba's Tode redigirt betrachtete: ein Sachverhalt, dessen
Bedeutung für die Schätzung des Alters unsres Berichts wohl kaum
ausdrücklich hervorgehoben zu werden braucht.
An die Erzühluiig \uii der Durcharbeitung des Dhamma und
Vinaya scbliessen sich einige kleinere Episoden, an welche Minayeff
Bemerkungen knüpft, die ich zum Teil nicht ohne Widerspruchlassen kann.
Die Thera's werfen dem Änanda einige Verfehlungen vor: sodass er Buddba's Leiche von Weiberthränen habe befleckt werden
lassen ^), dass er Buddha, obwohl derselbe deutlichermassen dazu
veranlasste, nicht aufgefordert habe, sein Leben den Kappa hin¬
durch zu verlängern ^) u. a. m. Änanda erklärt nicht einzusehen,
dass er gefehlt habe, jedoch sei er in Unterwürfigkeit gegen die
Ansicht der Theras bereit, jene Verfehlungen als solche zu bekennen.
Minayeff (S. 31 fgg.) findet diese Episode ausserordentlich
merkwürdig. Ananda war ein Arhat, ein , saint impeccable", und
1) Nach Minayeff (S. 27 A. 1) wäre mit ubhatovinaye Vibhanga undKliandhalia gemeint. Ich habe micli zusammen mit Kh. Davids schon inden Saered Books XX, 376 A. 1 für eine andre Auffassung ausgesprochen: esscheint sich mir um den Vinaya der Bhikkbus und um den der BhikkhunTszu handeln. Hierfür spricbt die offenbare Gleichartigkeit des Ausdrucksubhatovinaye mit dem häufigen und bekannten Ausdruck ubhatosamglia, d. h.bhüclcliusarngha und bhilcichunisamgha, ferner die Weise, wie Buddhaghosa anden entsprechenden Stellen der Sum. Vil. (p. 13) und der Sam. Päs. (Vinayavol. III p. 290) von dem uhhatovibhaiiga spricht (vgl. auch die Varia lectiozum Cullavagga p. 329 meiner Ausgabe-, siehe ferner Dipav. 7, 43). Nachder Zugehörigkeit zum Mönchs- resp. Nonnenorden ist nicht nur das Pätimokkha,sondern auch das Khandhaka gegliedert, wo das auf die Nonnen bezüglicheBuch (Cullav. X) an das Ende (nur vor den auf die Konzilien bezüglichenAnhang Cullav. XI. XII) gestellt ist.
2) Man sehe, wie anders Buddhaghosa, dem natürlich diese Dreiteilungvorschwebte, sich ausdrückt (Sum. Vil. p. 14 § 37; in dor Sam,^ Päs. p. 290scbliesst er sich eng an den Text des Cullav. an).
3) Merkwürdigerweise nicbt im Mahäparinibbänasutta berichtet, wie schonS. B. E. vol. XX S. 379 A. 2 bemerkt ist.
4) Mahäparinibbänasutta p. 32 fgg. Dieselbe Erzählung im Divyävadänap. 201.
Oldenberg, Buddhistische Studien. 619
doch wird ein solches Gericht über ihn gehalten und er unterwirft
sich ihm. Ein Widerspruch, welcher Buddhaghosa als „scandaleux
pour les fidfeles« erschienen sein mag, daher er in seiner Erzählungvom Konzil diese Episode übergeht. Min. seinerseits nimmt an,
dass durch die Episode ein Zustand der Vorstellungen durchscheint,
welcher älter ist als die Haupterzählung, ,le vague des idees primi¬
tives au sujet du saint«. Speziell soll jener Vorwurf, dass Änandaden Meister nicht aufgefordert hat, sein Leben bis zum Ende des
Kappa auszudehnen, zeigen (Min. 34), dass die heiligen Männer des
ersten Konzils „partageaient une conviction qui, dans le canon, est
attribufee aux Mahäsänghikas et dfeclaree heretique«, die Vorstellungnämlich, dass man vermöge des iddhibala sein Leben in jenerWeise verlängern könne.
Ich muss gestehen, dass ich von solchen Spuren, die uns hinterdie Coulissen des Pälikanons sehen lassen, von dem inneren Wider¬
spruch in der Erzählung und von dem darin sich verratenden
Abstand eines moderneren Charakters des Kanon gegenüber hinterihm liegenden älteren Vorstellungsweisen nicht allzu viel ent¬decken kann.
Beginnen wir mit dem Punkt, der die Verlängerung des Lebensder Heiligen betrifft. Es ist doch bedenklich, von dem „canon«
in der Weise, wie es Min. thut, ohne nähere Bestimmung als einer
grossen Wesenheit zu reden. Wo im Kanon ist es denn, dass inWiderspruch mit unsrer Erzählung die Lehre von der Macht desiddhibala über die Lebensdauer für eine Ketzerei der Mahäsam-
ghikas erklärt wird? Im Kommentar zum Kathävatthu '). Dass
jene Lehre irrig sei, wird nun allerdings — ohne Erwähnung derMahäsamghikas — im Kathävatthu selbst ausgeführt -). Man kann
daher, wenn man will, sagen, dass das in einem Text des Kanon
steht. Aber man soll dann doch nicht vergessen, dass eben dieserText zunächst kein Sutta-, sondem ein Abhidliammatext ist, sodann
dass er nach dem ausdrücklichen Zeugnis der Tradition jünger als
der übrige Abhidhamma, erst von Tissa MoggalTputta auf demdritten Konzil proklamirt worden ist ■'). Das Kathävatthu lehrt
uns die Arbeit einer Generation von Theologen kennen, welchesich zum Text der Suttas ähnlich verhielten wie die christlichen
Scholastiker zum Text des Neuen Testaments. Die Suttas stehen
als etwas fest Gegebenes da; oft werden grössere und kleinere
Stücke aus ihnen zitirt; sie geniessen unbedingte Autorität. Aber
es handelt sich darum, sie richtig auszulegen, da, wo sie sich zu
widersprechen scheinen, den Ausweg zu finden. So beschäftigt sich
1) Journal of the Päli Text Society 1889, p. 131.2) XI, f>\ p. 456 fg. ed Taylor.3) Nach Minayeff wäre das Kath. sogar noch viel jünger, was mir für die
gegenwärtige Argumentation uur willkommen sein könnte. Wir sprechen hier¬von unton eingehender.
620 Oldenberg, Buddhistische Studien.
in diesem Fall das Katiiävattliu mit dem Gegensatz des Schriftworts
von der Macht der i'ddhi über die Lebensdauer und jenes andem
Schriftwortes, welches für unmöglich erklärt, dass jarädhammo mä
jiri, marariadhammo mä miyi ')• Die Entscheidung wird dahin
abgegeben, dass in der That dem iddhibala jene Kraft nicht zu¬
geschrieben werden könne; der zugehörige Kommentar, gross in
jenen Exegetenkünsten , in welchen die buddhistischen frommen
Dialektiker manchen ihrer christlichen Kollegen nichts nachgeben,findet sich mit dem entgegenstehenden, in der That vollkommen
deutlichen Schriftzeugnis durch eine Unterscheidung verschiedener
Bedeutungen des Worts happa ab.Was lernen wir also hier aus unsern Quellen? Nur was wir
ohnehin schwerlich bezweifelt hätten, dass sich in der ungeheuren
Masse der Suttatexte Äusserungen finden, die, in verschiedenen
Gedankenbahnen sich bewegend, Lehren enthalten, welche in ihre
Konsequenzen verfolgt mit einander in Konflikt kommen. Mit diesem
Konflikt beschäftigte sich der in relativ später Zeit lebende Ver¬
fasser des Kathävatthu. Dass aber, wie Min. meint, die Erzählungvom Konzil hier das Dasein zweier dogmengeschichtlicher Strata
ven-ate, einer kanonischen Lehre und einer ihr widersprechenden
älteren Auffassung, die den heiligen Männern des Konzils eigengewesen sei, kann ich durch den wirklichen Inhalt der Quellen inkeiner Weise unterstützt finden.
Nun zu dem angeblichen Widerspruch zwischen Änanda's Arhat¬
schaft und den gegen ihn gerichteten Vorwürfen. Hier soll sich,im Gegensatz zu den dogmes defmitifs sur l'arhat, le vague desidees primitives au sujet du saint erweisen. Haben wir wirklich
Grund, an diese Vagheit zu glauben? Mir scheint alles daraufhinzudeuten, dass der Gedankenkreis des alten Buddhismus von
Haus aus auf die Aufstellung des Begriffs des Sündlosen, Erlösten
hindrängte. Und die Überlieferung — die nördliche so gut wie
die südliche — scheint mir in der Gewährleistung dieses Begrifts
als eines sehr alten einstimmig zu sein : woran die Meinungsver¬
schiedenheiten, welche unter den späteren theologischen Systematikern
in Bezug auf den Begriff des Arhat auftretenmeines Erachtensnichts ändern. Doch mit diesen Problemen mich hier zu beschäf¬
tigen ist im Grunde überflüssig. Denn hier genügt es, darauf auf¬merksam zu machen, dass Änanda Arhat wird unmittelbar vor dem
Beginn der Konzilsverhandlungen; die Erzählung legt Gewicht
darauf, dass er es vorher nicht gewesen ist. Alle jene dukkata
aber soll er viel früher, noch zu Lebzeiten des Meisters, begangen
haben. Wer in den Darstellungen der disziplinarischen Prozeduren,
Man vergleiche die in etwas andrer Richtung sich bewegende, aberdoch ähnlictio Dislsussion im Milindapanha p. 140 fg. Trencliner.
2) Kathävatthu I, 2; Wassiljew, Buddhismus (deutsche Übers.) I, 263. 272.362 etc.
Oldenberg, Buddhistische Studien, 621
wie der Vinaya sie giebt, einigermassen zu Hause ist, wird sich
darüber Iclar sein, dass ein einmal begangenes Vergehen seine dis¬
ziplinarische Erledigung finden muss ohne Rücksicht darauf, ob derSchuldige inzwischen irgend eine Stufe der geistlichen Vollkommen¬
heit erlangt hat. —
Neben die Episode des Änanda und teilweise mit ihr im Zu¬
sammenhang stehend scbliessen sich an den Bericht von den Ver¬
handlungen des Konzils einige andere Episoden: von ihnen müssen
wir die, welche die sog. khuddänukhuddakärii sikkhäpadäni und
die, welche das Verfahren des brahmadanda gegen den MönchChanna betrifft, kurz berühren.
Nachdem Vinaya und Dhamma durchgegangen sind, erklärt
Änanda den versammelten Mönchen, dass der Meister parinibbänakäledie Erlaubnis gegeben habe, nach seinem Tode die khuddänukhud-
dakäni sikkhäpadäni aufzuheben. Welche sikkhäpada dies seien,hat Änanda den Meister zu fragen versäumt; die Theras sprechenhierüber verschiedene Ansichten aus Man entscheidet sich
schliesslich dafür, nichts aufzuheben -).
Minayeff (S. 32) findet auch hier wieder ,1a marque d'uneantiquite reculee". Die Episode führe uns in eine Zeit zurück,
in welcher es noch keinen Kodex der geistlichen Disziplin gegeben
haben könne, man noch nicht gewusst haben könne, was von den
Regeln des mönchischen Lebens wichtig war und was nicht. Wenn
der Cullavagga, ehe er diese Episode giebt, die versammelten
Heiligen den ganzen Vinaya durchgehen lässt, widerspreche er sich
selbst; stand der Vinaya einmal fest, sei die Aufhebung irgendeines seiner Sätze nicht mehr denkbar gewesen.
Auch dieser Argumentation kann ich nicht oder doch nur zum
geringen Teil folgen.
Ich mache zuerst darauf aufmerksam, dass eine Erörterungdes hier in Rede stehenden Berichts meines Eracbtens vor allem
die Pfiicbt gehabt hätte, das Paktum zu berücksichtigen, dass die
von Buddha kurz vor seinem Tode erteilte Erlaubnis zur Aufhebung
jener sikkhäpada nicht nur im Cullavagga, sondern auch ira Mahä¬
parinibbänasutta berichtet ist^). Sie ist dort mit dem Befehl ver¬bunden, über den Mönch Channa die Strafe des brahmadanda zu
verhängen ünd so berichtet der Cullavagga denn auch, wie von
1) Die Meinung eines späteren Autors liierüber fiudet man Milinda¬panha 142 fg
2) Cullavagga a. a. O. § 9.3) p. 60 Childers. Etwas anders an der entsprechenden Stelle die tibe¬
tische Version bei Rockhill, Life of th© Buddha p. 140 (das Original wird dortals verg obscure bezeichnet).
4) Ich füge hinzu, dass in demselben Sutta (p. 33—35) von mehrerenduhkata des Ananda die Rede ist: vermutlich eben der Anknüpfungspunkt fürdie Erzählung von dem über Änanda gehaltenen Gericht.
622 Oldenberg, Buddhistische Studien.
der Beschlussfassung über die sikkhäpada, so von der Vollziehungjener Strafe gegen Channa ').
Die Annahme drängt sich von selbst auf, dass der Redaktor
unseres Cullavaggakapitels deshalb über diese Dinge gesprochen
hat, weil das Mahäparinibbäna S. von ihnen sprach Dort erteilt
Buddha Aufträge, die nach seinem Tode zu vollziehen waren:
musste nicht, wenn von den Vorgängen die Rede war, welche sich
nach des Meisters Tode im Schoss des Samgha abspielten, auch
über die Ausführung dieser Aufträge berichtet werden ? Die Über¬
lieferung des Mahäp.-Sutta gab jenes Wort über die hhuddänu-khuddakäni s. ^) ; man wusste andrerseits nichts davon, dass eine
Aufhebung irgend welcber derartiger Satzungen erfolgt sei: was
war einfacher, als sich hier zu helfen, indem man die Gemeinde
einen Beschluss fassen liess wie den im Cullavagga § 9 berichteten?
So erklärt sich die Erzählung des CuU. durchaus hinreichend
aus der des Mahäp.-Sutta. Bleibt die Frage, wie dies Sutta seiner¬
seits zu den betreifenden Angaben gelangt ist. Wir werden das
kaum beantworten können; übrigens wird das Problem weiter durchden recht auffallenden Umstand komplizirt, dass von einer Disziplinar-
prozedur des brahmadanda der Vinaya im übrigen nichts weiss*).
Hier müssen Motive im Spiel sein, die wir nun einmal nicht im¬
stande sind aufzudecken: eine Sachlage, welche hinzunehmen sich
gewöhnen muss, wer sich mit Untersuchungen wie den hier be¬
triebenen beschäftigt. Es mag sogar an irgendwelche Überbleibsel
von historischer Erinnerung gedacht werden: das wird ebenso wenig
zu beweisen wie zu widerlegen sein. Wie aber auch über den
Quellenwert des Mahäp. S. hier gedacht werden mag: der Cull.,
wenn er jene Andeutungen seinerseits ergriff und daraufhin dieGeschichte von dem Konzil mit den in Rede stehenden Episoden
ausstattete, beging damit nicht im mindesten, wie Min. will, einen
Selbstwiderspruch. Denn darin liegt doch nichts Ungereimtes, dass
eine Mönchsversammlung zuerst feststellte, was für Anordnungen
der Meister getroffen, und dann erwog, ob man — nicht etwa aus
eigener Machtvollkommenheit, sondern gestützt auf eine ausdrück¬liche dahin gehende Autorisation des Buddha —• von diesen An¬
ordnungen irgend einen Teil aufheben sollte, und dass dabei Zweifel
darüber, was für wichtig und was für unwichtig zu halten sei,
erhoben wurden. Ich bin weit davon entfernt, diesen ganzen Vor¬
gang meinerseits für geschichtlich zu halten, aber die Anhaltspunkte,
1) a. a. O. § 12. 15.2) Dabei ist die Priorität des Mahäp. S. vor diesem Teil des Cullavagga
vorausgesetzt: siehe hierüber meine Einleitung zum Vinaya Pitaka vol. Ip. XXVII und vgl. unten S. G28 Anm. 1.
3) Vgl. zu diesem Ausdruck das 72. Päcittiya.4) Doch vgl. Parivfira p. 222 meiner Ausgabe. Wer die Vinayalitteratur
kennt, wird zugeben, dass eine solcho Stelle keine wirkliche Instanz gegen denvon mir aufgestellten Satz bildet.
Oldenberg, Budd/tistieehe Studien. 623
welche uns hier nach Min. einen alten Kem guter Überliefemngvon einer im Geist eines jüngeren Zeitalters gehaltenen Darüber¬
lagerung sollen unterscheiden lassen, scheinen mir illusorisch. Von
einer Discrepanz kann meines Erachtens nur in dem Sinne ge¬
sprochen werden, dass die Konzilserzählung offenbar, wie ich eben
ausgesprochen habe, an den Hauptvorgang ein paar dem Mahäp.
S. entnommene Daten resp. auf Gmnd dieser Daten hergestellteKonstruktionen herangeschoben hat. Jene Erzählung ist — das werdenwir nach allem hier eröi-terten gegen Min. festhalten dürfen —
von inneren Widersprüchen durchaus frei. Aber wer sie redigiert
hat, benutzte natürlich als Fundament seiner Arbeit das, was erüber die Ereignisse immittelbar vor und nach dem Tode des Buddhaüberliefert vorfand. —
Wenden wir uns nun dazu, einige Details von M.s Erörterangdes zweiten Konzils zu prüfen.
Es handelt sich um den Streit über die bekannten zehn von
den häretischen Mönchen von Vesäli aufgesteUten Indulgenzen.Auch hier entdeckt Min., was wir ihn so oft entdecken sehen, einen
Gegensatz zwischen den Auffassungen oder Stimmungen, welcheden vorliegenden Kanon des Vinaya beherrschen und der andem
Richtung einer ältern Zeit. ,Le Vinaya trace de la situation dela confrerie des mendiants un tableau qui n'a rien de commun avec
l'ascetisme rigide et le detachement absolu attribues par le recit aux
saints personnages du concile de Vaisäli, qui condamnferent les nou-veautes des Vajjiputtakas. Leur manifere de voir rigoureusement asceti-
que est absolument etrangfere ä beaucoup de parties du texte actuel, et
ces parties, sans aucun doute, ont para longtemps aprfes les discussions
de Vaisäli' (S. 55). Beim ersten Konzil sollte hinter der Strenge der
kanonischen Ansichten eine der frühem Vergangenheit eigene grössereLässlichkeit zur Erscheinung kommen. Hier wäre, das Verhältnis
das umgekehrte. Aber hier wie dort muss ich mich zu der Ansichtbekennen, dass eine sorgfUltige Betrachtung der Texte den angeb¬
lichen Gegensatz des alten und neuen verschwinden lässt.
jEst-U possible par exemple«, so fragt Min. (S. 55), ,en se
fondant sur le Vinaya actuel, de condamner un moine mendiant
parce qu'il garde pour le lendemain du sei dans une come')?«Dafür, dass hier in der That kein Widerspruch zwischen dem
Vinaya actuel und der strengsten Auffassung der Orthodoxen von
Vesäli vorliegt, möchte ich mich in erster Linie auf Min. selbstberufen; wer dessen Ausführangen S. 53 liest, wird dort das
Gegenteil von dem finden, was derselbe Gelehrte zwei Seiten später
sagt. An dieser späteren Stelle aber — was wird da eigentlichzum Erweis der im Vinaya-Kanon angeblich herrschenden milderen
Auffassungsweise beigebracht? Wir finden Bemerkungen wie die
folgende: „D'aprfes le texte actuel, la communaute a le droit de
1) Der sog. siiigiloiidkappa der Ketzer von VesalT.
624 Oldenberg, Buddhistische Studien.
possession mobilifere et immobilifere ; la propriety mobilifere peut aussi
appartenir ä, un moine isole.' Das soll zeigen, dass bier eine ab¬solut andre Situation des Gemeindelebens vorliegt, als sie dem
Rigorismus des Konzils von Vesäli entsprechen würde. Ich frage
mich vergebens, inwiefern die Zulassung von Eigentum bei einem
Mönch — wohlgemerkt von Eigentum an gewissen Dingen;
davon, dass ein Mönch alles beliebige besitzen durfte, kann ja nicht
die Rede sein — im Widerspruch damit stehen soU, dass Nahrungs¬
mittel nicht in Vorräten aufbewahrt werden durften. Der Vinaya,
bemerkt Min. ferner, „permet ä la communaute de faire des pro¬visions et de nourriture et d'habits sacerdotaux.' Ich untersuche
hier nicht, wie es mit den Mönchsgewändem steht; wäre in Bezug
auf diese die Anlegung von Vorräten in anderm Masse gestattet gewesen
als betreffs der Speisen, welche täglich zu erbetteln das alte Prinzip
geistlichen Lebens gebot, so hätte dies noch nichts auffallendes.
Aber über Vorräte von Speisen ist der Vinaya durchaus deutlich :
im allgemeinen durfte man sie nicht haben und der Übertreter
verfiel dem päcittiya (Päcittiya 38); im Besondem waren gewisse
fest definierte Ausnahmen gestattet — so durften fünf Arten von
patisäyaniyäni bhesajjäni sieben Tage lang aufbewahrt werden(Nissaggiya Päc. 23). Es genügt, meine ich, eben nur die positivenEinzelheiten der Texte statt des imaginären Gesamteindracks irgend
einer „Situation de la confrerie' ins Auge zu fassen: dann wird
man den Gegensatz der modernen Weitherzigkeit, die im Pälikanon
herrschen soll, und der alten Strenge als aus der Luft gegriffenerkennen ').
1) Anhangsweise möchte ich hier einige Worto an Uemerkungen knüpfen,welche Kern (Manual 105) neuerdings über das zweite Konzil gemacht hat.„We cannot holp observing", sagt er, „that the dato assigned to the secondCouncil is impossible, unless tbe heroes of the tale are purely fictitious. Acentury after tbe Parinirväna, Sarvakämin would have been at least 140 yearsof age; Yasas, KSkanilaka's son, if be be identical with Yasas, one of the firstconverts of the Buddha, would have been 20 -|- 45 -|- 100= 165 years; if hebe another, then be must bave been more than 120 years, and so, too, thoother Theras. A chronology leading to such monstrous results condemns itself."Ganz so schlimm scheint mir die Sache doch nicht zu steben. Es ist ricbtig,dass schon der Cullavagga (p. 303) den SabbakamT als visamvassasatilcoujyasampadrtya äyasmato Anandassa saddhivihäriko bezeichnet. Das Alter von120 Jahren (bei Laien natürlich von der Geburt gerechnet) dürfte bei den Pitaka-verfassorn in besonderer Gunst gestanden haben; vgl. Aug. N. III, 51. 52 (auchJät. I p. 28G; II p. IG). Dass eine Erzählung, zu deren Staffage Luftreisenheiliger Männer gehören, auch das Alter des Sabbakämi — welcher dafürübrigens auch pathavyä saiiigliathero war — mit einer gewissen Liberalitätnach oben abrundete, ist nicbt allzu verwunderlich, soll übrigens hier keineswegsverteidigt werden. Aber für den alten Hericht, den des Cullavagga, ist diesauch der einzige derartige Greis; da.ss auch die übrigen Leiter des Konzils dittha¬pubbä tathägatam waren, lesen wir erst im Dipavamsa (allerdings würdeSumana Therag. 429—434 ein weiterer Zeitgenosse Buddba's sein, wenn er mitdem Sumana des zweiten Konzils zu identifizieren ist, wie der Dipav. 5, 24,vgl. Therag. 433, es in der That offenbar versteht). Insonderheit ist an die
Oldenherg, Buddhistische Studien. 625
n.
Indem ich so den Versuch gemacht habe, eine Anzahl einzelner
Aufstellungen Minayeff's, die ich fiir irrig halte, zu beseitigen, habe
ich mir das Terrain frei gemacht, um nunmehr den Gregensatzseiner und meiner Auffassungen über die beiden ersten Konzilien
und über ihr Verhältnis zur Geschichte des heiligen Kanon imGlänzen zu diskutieren.
Minayeff urteilt über die traditionelle Erzählung vom ersten
Konzil nicht durchaus ungünstig. Es scheint ihm ungerechtfertigt,diese Überlieferung zu verwerfen, während man die vom zweiten
Konzil als historisch behandelt, ,bien que les recits de l'un et de
l'autre soient reproduits dans les mßmes sources et soient en eux-
mßmes egalement croyables" (S. 18) i). Ohne Unterschied freilich
lümmt auch M., wie wir schon berührt haben, die einzelnen Partieen
der Erzählung nicht hin. Den Bericht über die Redaktion des
heiligen Kanon selbst hält er für jung und tendenziös. Jede Schule
formuliert diesen Bericht so, dass er auf die ihr eigne Redaktiondes Kanon passt: so müssen diese Berichte redigiert sein „ä une
epoque oü il existait plusieurs canons differents, en d'autres termes,
posterieurement au schisme de la communaute bouddbique ' (S. 29).
Ja noch mehr. Der Bericht hat evidentermassen die Tendenz, die
Authentizität der heiligen Texte darzuthun; zu dieser Bemühung
aber hatte man Anlass erst, als sich ernstliche Zweifel gegenüberdem Wert jener Texte geltend machten, d. h. als das Mahäyänaersta,nd (S. 21. 24. 36). Während M. dementsprechend die Er¬
zählung von der Redaktion des Dhamma und Vinaya für sehr
jung hält, steht ihm doch die Thatsache des ersten Konzils — oderwenigstens einer Versammlung, welche als Konzil zu bezeichnenunzutreffend sein mag — durchaus fest. „Le fait meme des
assemblies ne peut gufere soulever de doute ; le scepticisme le plus
Identität des Yasa Käkandakaputta mit jenem Yasa, der zu den ersten Bekehrtengehörte (Mahävagga p. 15 fg.), absolut nicht zu denken. Der Letztero heisstnirgends Käkandakaputta; bätte er zur Zeit des zweiten Konzils — wirklichoder angeblich — gelebt, so hätte nur er, nicht aber Sabbakämi, der pathavyäsamghathero sein können. Kern (108 mit A. 1) mischt auch den SthaviraYasas hinein, der im Divyävadäna als Zeitgenosse des grossen Asoka erscheint:.there can be no doubt about his identity with the Yasas of tho Vaisäli
Council." Ich finde diese Identität durch nichts bewiesen; der Name Y. isthäufig. Sollte abor wirklich der vom zweiten Konzil her bekannte Y. gemeintsein, so kann das Divyäv. diesen in keinem Pall, wie dor Dipav., als dittha-puhho tathägatam, geschweige denn als identisch mit dem von Buddha imAnfang bekehrten Y. aufgefasst haben. Sonst hätte das Divy. nicht Pindola-bharadväja als den einzigen überlebenden buddhadarsi bhiicsuh (p. 400) be¬zeichnen können. — Auf die übrigen sich um das zweite Konzil bewegendenchronologischen Betrachtungen Kern's muss ich es mir hier versagen einzugehen.
1) Die Geschichten von Romulus und Numa lesen wir bei demselbenLivius, der auch von Hannibal und Scipio erzählt.
Bd. LH. *1
626 Oldenherg, Buddhütieche Studien,
extreme ne trouve gufere d'argument serieux et inattaquable ä yopposer" (S. 18.) Die Versammlung war ,1a consequence neces¬
saire d'un etat de choses donne*. Der grosse Lehrer war gestorben.
Unter seinen Jüngern offenbaren sich Stimmungen der Zuchtlosig¬keit. Es ist nötig, diese Gefahren zu beschwören. So wird die
Versammlung gehalten (S. 18. 19). Man erörtert die Frage, welcheunter den Vorschriften für das mönchische Leben für wesentlich
zu gelten haben und welche nicht. Rivalitäten, die unter den geist¬lichen Brüdem herrschen, machen sich in dem Gerieht über Änanda
Luft: einem Ereignis, welches als Erfindung der Legende zu be¬
trachten M. kaum möglich findet , und dessen Gedächtnis noch zu
Hiouen-Thsang's Zeit durch einen an der betreffenden Stelle er¬
richteten Stüpa festgehalten wurde (S. 31. 39. 40). Es ist hier
also die Erinnerung an wirkliche Thatsachen mit tendenziösen
Konstraktionen vermischt; die beiden Elemente der Erzählung unter¬
scheiden sich dadurch, dass die auf Erfindung beruhende Partie den
Kanon der heiligen Texte als in seiner definitiven Form existierend
voraussetzt, für die authentische Partie dagegen ,le canon semble
ne pas exister, meme en germe« (S. 35).
Einen Teil der Fundamente , auf welchen diese Äuffassungenruhen, haben schon imsre vorangehenden Erörterangen zu erschüttem
versucht. Wir hahen die Discrepanzen, die nach M. zwischen den
verschiedenen Partieen der Erzählung obwalten , als nicht vor¬
handen erkannt; wir haben gesehen , dass nirgends der Kanon als
nichtexistierend vorausgesetzt wird. Was di^ Episoden der khud-
dänukhuddaka sikkhäpada und des über Ananda gehaltenen Ge¬richts anlangt, so haben wir gesehen, dass denselben die Wider¬
sprüche mit der Haupterzählung, welche ihre Authentizität verbürgensollen , in der That nicht innewohnen ; wir haben andrerseits im
Mahäparinibbäna Sutta die Anknüpfungspunkte aufgewiesen, auswelchen diese Episoden sehr leicht herausgesponnen sein können.
Natürlich sind wir nicht imstande , positiv zu beweisen , dass von
diesen Dingen sich Nichts thatsächlich zugetragen haben kann.
Aber die Entschiedenheit, mit welcher M. den historischen Charakter
dieser Angaben behauptet, scheint vollkommen unberechtigt. Werdie Lage der Gemeinde bei Buddha's Tode, das ganze Gewirr der
hier spielenden dogmatischen und persönlichen, materiellen und
idealen Strömungen und Gegenströmungen so zu übersehen glaubt,dass er Behauptungen aufzustellen den Mut hat, wie dass eine
Versammlung, welche der überlieferten von Räjagaha auch nur ent¬
femt ähnlich sieht , die notwendige Konsequenz der gegebenen
Situation gewesen sei, der befindet sich meines Erachtens darüber,
was uns in solchen Dingen zu erkennen vergönnt ist, in einem
prinzipiellen Irrtum. Und einen kaum geringeren Missgrifi' in der
Schätzung geschichtlicher Bezeugtheit macht , wie ich nieine , wer
die (rläubigkeit so weit treibt, dem von Hiouen Thsang gesehenen
Stüpa eine irgend wesentliche Autorität als Gewälir für den ge-
Oldenberg, Buddhistisclie Studien. 627
schiclitlichen Charakter des durch ein solches Bauwerk verherr¬
lichten Ereignisses beizumessen.
Wenn ich so die Hochschätzung, welche M. diesem Teil der
Traditionen entgegenbringt, mir nicht aneignen kann, bin ich anderer¬
seits ebenso wenig im Stande, die Herabrückung der andern Hälfteder Erzählung in eine so späte Zeit wie M. will als motiviert an¬
zuerkennen. Man vergleiche, was der Cullavagga über die Redaktion
von Dhamma und Vinaya sagt, etwa mit dem entsprechenden von
Beal mitgeteilten Bericht der Dharmaguptas. Das Verhältnis der
beiden Versionen ist doch nicht erschöpfend ausgedrückt, wenn
man sagt, dass der Kanon der beiden Schulen verschieden gewesen
ist und dem entsprechend auch die Erzählung von der Feststellung
des Kanons bei beiden eine andre war. Es ist nötig, dies dahin zu
präzisieren, dass der eine Kanon — so weit wir aus jenem Beriehturteilen können — im Wesentlichen mit dem andern überein¬
stimmt. Der eine war eine etwas modifizierte Form des andern, oder
beide waren eng verwandte Bearbeitungen eines und desselben
Archetypus. So verliert M.s Argumentation, nach welcher die Be¬
richte über die Redaktion des Vinaya — und das Entsprechende
gilt vom Dhamma — erst nach Entstehung der Schismen verfasst seinkönnen, ihre Beweiskraft: es enthüllt sich uns eine den ver¬
schiedenen Sekten im Wesentlichen gemeinsame Struktur der
heiligen Texte, und Nichts hindert an ein relativ recht hohes Altereiner Erzählung , welche die Redaktion dieser Texte etwa in der
Form des Cullavagga darstellte, zu glauben.')
Aber M. will in dieser Erzählung ja gar ein Verteidigungs¬
mittel gegen Angriffe von Seiten des Mahäyäna erkennen und da¬
nach ihre Enstehungszeit bemessen! Den Mönchen, welche im
Studium des heiligen Kanon ihr Leben zubrachten , soll wirklich
die Prage nach der Entstehung dieses Kanon, der Wunsch, die
Authentizität des Kanon durch die Geschichte seiner Entstehung
verbürgt zu sehen , nicht gut eher haben nahe treten können , als
gerade in der Zeit des Mahäyäna! Ich fürchte, mich hier mit M.in einem absoluten Zwiespalt der letzten Grundbegriflfe davon, was
philologische oder historische Argumentation ist, zu befinden.
Darf ich nun meinerseits aussprechen , was mir von Anhalts¬
punkten für die — allerdings nicht in Form einer Jahreszahl aus¬drückbare —■ Datierung der Erzählung von den beiden Konzilien,
insonderheit vom ersten Konzil vorzuliegen scheint, so dürfte etwaFolgendes in Betracht kommen.
1) ilbrigens, wenn aucb die Divergenzen viel grösser wären, als sie tbat¬säcblicb sind: warum kann nicbt eine, die älteste der Fassungen weit allenScbismen vorangehen? Und warum kann dies nicht die Päliversion sein? M.sArgumentation übergeht diese Möglichkeit mit Stillschweigen. Darüber, wieweit wir Grund haben, sie für wirklich zu halten, sollen weiter unten einigeBemerkungen gegebeu werden.
41*A 4
628 Oldenherg, Buddhistische Studien.
Der Bericht Isann nicht allzu jung sein. Das zeigt schon seine
Sprache, die authentische alte Diktion der Pitakas. Als eine neue
Ponn der Ausdrucksweise aufgekonunen war, konnte man die alte
nicht mehr nachmachen , wenigstens nicht in dieser Vollendung.Man hat es in Indien nie verstanden, den litterarischen Charakter
eines vergangenen Zeitalters so zu beobachten, dass man sich bei
einem Nachahmungsversuch nicht auf Schritt und Tritt verratenhätte.
Auch die Nichterwähnung des Abhidhamma (oben S. 618)
hindert uns, den Bericht für sehr jung zu erklären. Ebenfalls, wieoft bemerkt ist, dass nur das erste und zweite Konzil in dieser
Porm besprochen worden ist, nicht aber das dritte.
Ebensowenig aber kann man dem Bericht ein besonders hohes
Alter zusprechen , wenn meine vor längerer Zeit gegebenen Aus¬
führungen darüber zutrefifen, dass dem Verfasser des Mahäparinib¬
bäna Sutta die Erzählimg von dem ersten Konzil noch nicht be¬
kannt gewesen sein kann.') Ist femer meine Vermutung richtig— nur um eine solche kann es sich natürlich handeln — dass die
1) Vinaya Pitaka vol. I p. XXVII f. (eine Stelle des Kanon , welche Be¬kanntschaft mit dem Konzil vorauszusetzen scheint, ist Ührigens Therag. 1024).Minayeff geht auf meine betreffende Argumentation nirgends ein. Bestrittenhat dieselbe neuerdings Kern Manual 102. Wenn ich hervorgehoben hatte,dass das frivole Benehmen des Subhadda im Mahäpar. Sutta zwar wie im Gull,berichtet, aber nicht wie in dem letzteren Text als Motiv für Kassapa's Antragauf Abhaltung des Konzils verwertet wird, so hält Kern entgegen: „The motivealleged in the Cullav. is not only absent from the Sutta (nämlich dem Mabäparin.Sutta) but likewise from the Dipavamsa. Hence the argument for the greatantiquity of that Sutta falls to the ground, for the Dipav. cannot be madoolder than the Cullavagga". Ich glaube, dass meine Argumentation doch etwasweniger leichtfertig ist, als sio hier erscheint. Der DIpavanisa erzählt dasKonzil allerdings ohne es durch die Subhadda-Episode zu motivieren. Daskonnte, zumal da diese Cbronik auf die Vorgeschichte des Konzils überhauptso gut wie garnicht eingeht, sehr wohl geschehen; Nichts wäre widersinnigerals hieraus ein Argumentum tX silentio entnehmen zu wollen. Das Mahäpa¬rinibb. Sutta dagegen erzählt eben die Subhadda-Geschichte eingeliend: dassin dieser Erzählung jede Hindeutung auf das Konzil, welches ja nacb denuCuU. gerade um jenes Vorganges willen beantragt sein soll, fehlt, ja dass diebetreffende Erzählung des Mahäpar. S. von der im Übrigen mit ihr überein¬stimmenden des CuU. gerade in der Art abweicht, dass der Anknüpfungspunktfur jenen Antrag im CuU. vorhanden ist, im Mahäp. S. aber nicht (Vinaya a.a. O. XXVIII, A. 1): das ist die Grundlage, auf die ich mein Arg. ex silentiobaute. Oder vielmehr eine der Grundlagen, denn a. a. 0. XXVH habe ichausgeführt, dass wir auch an andern Stellen des Mahäp. S. alle Ursache hätten,Anspielungen auf das Konzil zu erwarten, die wir nicht finden. Wie natürliches ist, unter den letzten Eeden Buddba's Instruktionen zu erwarten, die dasKonzil betreffen, kann das Mahäkaruiiäpundarlka Sütra (Annales du Mus.Guimet V, 78 fg.) veranschaulichen. — Wenn übrigens Kern a. a. 0. be¬hauptet „tbat we find nothing of that alleged motive (nämlich der Subhadda-Geschichte) with the Nordern sects", so muss ich dies im Hinblick auf den inChina erhaltenen Bericht der Dharmaguptas (Beal, Vhdl. des Berliner Or.Kongr., Ostasiat. Sektion S. 17) bestreiten. Nur der Name des Mönchs weichtab; Beal giebt Balauda.
4 4
Oldenberg, Buddhistische Studien. 629
Erzählung vom ersten Konzil unter dem Einfluss der Thatsache deszweiten Konzils entstanden ist'), so würde hierin ein weiteres
chronologisches Moment liegen. Endlich darf hinzugefügt werden,dass die Stellung der betreffenden Erzählung — der vom ersten so
■gut wie der vom zweiten Konzil — am Ende des Vinaya^), ohnefür die Abfassung nach der Hauptmasse der Vinayatexte direkt zu
beweisen, sich doch besonders gut mit derselben verträgt. Min.
freilich (S. 56) fragt: , Est-ce le Cullavagga qui termine le "Vinaya
päli?" Die richtige Antwort auf diese Frage zu finden wäre kaumschwer gewesen. M. hätte nur den von ihm selbst publiziertenGandhavaipsa (Eech. sur le Bouddhisme 236) nachzusehen brauchen,
um dort zu finden, dass im Vinaya — wenn wir den Parivärä
selbstverständlich bei Seite lassen — nach dem Päräjikakanda,
Päcittiyakanda und Mahavaggakanda das Cullavaggakanda als letztes
kommt. Dass der Cullavagga nach dem Mahävagga folgt, hätten
für die Dharmaguptaschule die Angaben Beal's (s. oben S. 615,Anmerk. 3) gelehrt, für die MahTsäsakaschule Beal in meiner Ein¬
leitung zum Vinaya Pitaka vol. I p. XLIV, für die tibetischeVersion des Vinaya mit hinreichender Deutlichkeit das von Csoma-
Feer, Annales du Musee Guimet II, 176 oder von Rockhill, Life
of the Buddha 159 Mitgeteilte. Doch um zum Päli-Vinaya zurück¬
zukehren, so bezeugt der Parivärä (p. 114 meiner Ausgabe) auf
das Deutlichste die Stellung des Cullavagga hinter dem Mahävagga.
Und brauchen wir hier, im Grunde äussere Zeugnisse? Die Texte
selbst sprechen d(|ch deutlich genug. Der Mahävagga beginnt^)
mit dem Beginn des Gemeindelebens: eben hat der Buddha dieerlösende Erkenntnis errungen; jetzt erwirbt er sich die ersten
Jünger und teilt diesen die ersten und notwendigsten Ordnungen
mit, die Ordnungen über die Aufnahme in die Gemeinde. Nicht
minder deutlich als hier der Anfang, ist am Ende des Cullavagga*)
das Ende dieser Auseinandersetzungen markiert: auf die allgemeinen
bezw. speziell für die Bhikkhus geltenden Ordnungen folgt als letztes
(10.) Buch die Darstellung der Satzungen für die Bhikkhunis:
ganz wie im Pätimokkha resp. Suttavibhanga ist hier der Stofi' so
1) Ebendas. p. XXVIII fg. Icb muss micb aber mit Entscbiedenbeit da¬gegen verwabren, diese Vermutung in der Form aufgestellt zu baben, welcheMin. (S. 38; vgl. S. 59) ihr zuschreibt, dass dor „procfes-verbal'- des erstenKonzils, die Verhandlung, in welcher Vinaya nnd Dhamma festgestellt sind,„a ^te transpose et introdüit dans la legende apres avoir iti extrait d'un riäthistorique du deuxieme concile". Der alten, z. B. im Cullavagga vorliegen¬den Form dos Berichts über das zweite Konzil, die allein als Prototyp für dieGeschichte vom ersten Konzil in Betracht kommen kann , fehlt bekanntlich einsolcher Procfes-verbal über die Eedaktion vou Dhamma und Vinaya vollständig.
2) Dem ich hier den Parivärä als offenbar junge Anukramani, wenndieser vedische Ausdruck erlaubt ist, nicht zurechne.
3) Ganz wie in etwas andrer Weise der Beginn des PSrSjika-Abschnittsim Suttavibhaüga.
4) Ich sehe natürlich hier von den Schlusskapiteln über die beiden Kon¬zilien ab.
630 Oldenherg, Buddhistische Studien.
geordnet, dass die Nonnen liinter den Mönchen behandelt werden.Danach ist wohl gegen jeden Zweifel gesichert, dass die Stelle, an
welcher wir die Konzilserzählung lesen, in der That das Ende des
Vinaya ist. ')Wir wenden uns, nachdem oben S. 623fg einige das zweite
Konzil betreflFende Einzelheiten unter Bezugnahme auf Min. erörtert
sind , nunmehr dazu , die Bedeutung dieses Konzils für die Ent¬
wicklungsgeschichte der Vinayalitteratur im Ganzen zu prüfen.
Die Angaben über das zweite Konzil, sagt Min. (S. 59), „ne
repandent aucune lumifere, ni sur la date du Vinaya, ni sur soneontenu primitif". Denn in dem ältesten Bericht über jenes Konzil,,
dem des Cullavagga, finde sich nicht einmal „ce compte rendu de
l'oeuvre theologique et litteraire, donnö dans le recit du premier,
et qui a servi de base ä toutes les considferations sur l'anciennete
du canon päli'. Wie diese Bemerkungen bei Min. stehen, wird
man sie in Anbetracht der durchgehend gegen meine Aufstellungen
gerichteten Tendenz seiner Darlegungen naturgemäss dahin deuten,
dass ich meinerseits die ganze Prage über das Alter des Pälikanon
auf den Compte rendu über die saingiü von Dhamma und Vinayazu basieren versucht hätte, und dass nun für meine Bemühungen, der
Geschichte vom zweiten Konzil Aufschlüsse über jene Prage abzu¬
gewinnen , der Umstand verhängnisvoll würde , dass der bestenTradition über jenes Konzil ein solcher Compte rendu überhaupt
fehlt. Ich möchte dem gegenüber darauf jiufmersam machen , zu¬nächst dass ich selbst — irre ich nicht als Erster — auf das
Nichtvorhandensein des betreflFenden Compte rendu in der alten
Tradition vom zweiten Konzil hingewiesen und aus dieser Thatsache
meine Polgerungen gezogen habe. ^) Sodann dass es auf meine
Untersuchungen absolut nicht zutrifft, dass ich jenen Compte rendu
zur Basis der Untersuchung über das Alter des Pälikanons gemacht
habe. Der vom Cullavagga bei der Erzählung vom Konzil von
Räjagaha gegebene Überblick über die Anordnung jenes Kanon ist
sehr kurz und inhaltsarm ; dies Referat ist sodann seiner Abfassungs¬
zeit nach keiner irgend genaueren Bestimmung zugänglich; endlichkann man sich nicht verhehlen, dass, wenn das Aussehen des
Kanon zu irgend einer späteren Zeit von den Angaben jenes Be¬
richts abwich, die letzteren mit grösster Leichtigkeit entsprechend
geändert werden konnten , fast möchte ich sagen geändert werden
mussten. Was mir in der That eine Basis für die Untersuchung
des Alters des Päli-Vinaya abzugeben schien und noch scheint, ist
1) Ich möchte übrigens l^aum glauben, dass die in Eede stehende Er¬zählung, wie M. S. 66 es auffassen will, desbalb nur am Ende des Vinayastehen konnte, weil die Vorgänge nach Buddba's Tode spielten. Man ver¬gleiche das Sutta des Anguttara Nikäya (Paficaka Nipäta, p. 57 ed. Hardy),welches zur Zeit des Königs Munda, oder das Subhasutta (Dlgha Nikäya),welches aciraparinibbute Wiagavati spielt.
2) Vinaya Pitaka vol. I p. XXX.
Oldenherg, Buddhistische Studien. 631
der Streit über die zebn Indulgenzen von VesälT. •) Min. schwankt
und widerspricht sich selbst, wie oben (S. 623) gezeigt worden ist,
in Bezug auf das Verhältnis dieser zehn Indulgenzen zum über¬
lieferten Vinaya-Kanon. Präzisieren wir unsre eigne Stellung.Zunächst scheint so viel klar, dass der ganze Streit von Vesäli
undenkbar wäre, wenn nicht bereits damals sehr bestimmte Ord¬
nungen für das Gemeindeleben vorlagen. Ob es ein Vergehen ist,sich etwas Salz für künftigen Gebrauch aufzuheben oder die Upo-sathafeier in verschiedenen äväsa innerhalb derselben sfmä zu
feiern, hierüber überhaupt zu streiten — und mit Leidenschaft alsüber ein hochwichtiges Objekt zu streiten — war nur in einer
Gemeinschaft möglich, welche sich an die peinliche Beachtung von
Minutien in der geistlichen Lebensführung, an die durchgehendstrenge Regelung aller Äusserlichkeiten gewöhnt hatte. Hier
mochten freiere Naturen — oder mag es zutreffender sein, sie als
die zuchtlosen zu bezeichnen — an der festen Ordnung rütteln:die Erzählung des Cullavagga giebt ein mit überaus echten Parben
gefärbtes Bild davon , wie dann die Wächter des Gesetzes undBuchstabens in frommer Entrüstung den Kampfplatz beschritten
und durch das Kampfgetöse einer erbitterten geistlichen Schlachthindurch die gute Sache zum Siege führten. Man wird sich dies
Milieu , insonderheit wenn man die von vedischer Zeit her altein¬
gewurzelte Gewöhnung des indischen geistlichen Lebens an denAufbau auf festgefügten litterarischen Pundamenten bedenkt,
schwer ohne das Vorhandensein von Texten, die Alles bis ins
kleinste regelten, vorstellen können. Und wenn wir in dem vor¬
liegenden Vinaya-Kanon die Recitation eines vornehmsten untersolchen Texten den eigentlichen Inhalt der Uposathafeier bilden
sehen und andererseits durch einen der zehn Streitpunkte von
Vesäli (den äväsakappa) das Vorhandensein von Uposathafeiemmit sehr bestimmtem, vom (ieist strenger Gesetzlichkeit erfülltem
Ceremoniell verbürgt finden, werden wir kaum irgend welchen An¬halt entdecken können , daran zu zweifeln , dass schon in die Zeit
des Konzils von Vesäli der Vortrag eines solchen Textes an den
Uposathatagen zurückverlegt werden darf. Nun besitzen wir jenen
Text, das Pätimokkha, bekanntlich im Suttavibhanga in einer mit
Zuthaten aller Art ausgestatteten Ausgabe: zu den Regeln werden
Geschichten über deren Entstehung, Erklärung einzelner Worte,
Erzählung von Fällen, welche unter die Regel fallen oder nicht
unter sie fallen, mit Buddba's zugehörigen Entscheidungen erzählt.
Ich habe früher darauf hingewiesen-) und kann dies jetzt nur von
Neuem thun , dass man offenbar , wenn die Verfasser , sei es der
Regeln selbst oder auch nur die jener Beigaben von den Verbandlungen
1) Ich meine nicht unsern Beiieht üher diesen Streit, der ja auf denersten Bliclt den Vinaya als vorhanden erweisen würde, sondern das Falttuoi.des Streites selber, die Natur der Streitpunkte.
2) Vinaya Pitaka vol. I p. XXXVI.
4 4 *
632 Oldenberg, Buddhütische Studien.
von Vesäli etwas gewusst hätten , eine Spur davon , eine Bezug¬
nahme auf den streitigen Punkt, zu erwarten berechtigt wäre.
Eine Päcittiyaregel (38) beispielsweise verbietet vorratsweise auf¬
bewahrte Speisen zu geniessen. Nun wurde von Einigen behauptet,
dass doch die Aufbewahrung von Salz zulässig sei , und dies war
einer der Streitpunkte in den erbitterten, durch die ganze buddhis¬
tische Welt berühmt gewordenen Kämpfen von Vesäli: dürften wir
da nicht erwarten, dass wo nicht der Wortlaut jener Begel selbst
so doch mindestens die Erweiterungen, die Zuthaten jener eben
beschriebenen Art auf die Frage des Salzes irgendwie eingegangen
wären , hätten nicht eben Regel und Erweiterungen zur Zeit des
Konzils von Vesäli bereits fertig vorgelegen?') Oder hätte nicht
die Päcittiyaregel (51), welche den Genuss von surä und merayaverbot, hätten nicht mindestens die erklärenden Zuthaten zu jener
Regel-) irgendwie auf die Frage betreflFend das in der Gährung
begriflFene, jalogi genannte Getränk Bezug genommen, wenn diese
Frage schon , als die Regel oder die Zuthaten zu ihr redigiert
wurden , ihre bekannte Rolle in den Diskussionen von VesälT ge¬
spielt hätte?^) Ich meine also: ein Vinaya, der nach dem Streit
über den sihgilonakappa , über das jalogi päturn etc. redigiertworden wäre , müsste aller Wahrscheinlichkeit nach an den be¬
treflFenden Stellen anders aussehen als der uns erhaltene Vinaya.
In diesem aber spricht Alles für, Nichts gegen eine Abfassung,die dem Konzil von Vesäli voranging.
m.
Wir wenden uns zu dem dritten Konzil, der Zeit des grossen
Asoka, welcher die Inschrift von Bairät entstammt, und den Zeug¬
nissen der am besten in diesem Zusammenhang zu besprechendenMonumente von Bharhut.
1) Es darf als mit dem hier Bemerkten in gutem Einklang stehend ange¬sehen werden, dass nicht nur die Pätimokkharegeln selbst, sondern auch er¬weiternde Zuthaten von dem hier in Kede stehenden Typus , wie sich weiterergeben wird, im nördlichen Kanon wesentlich so wie im südlichen vorgelegenhaben.
2) Dieselben (Vinaya Pit. vol. IV p. 110) zählen eine Reihe einzelnerArten von surä und meraya auf und sprechen von Fällen wie dass man nurmit der Spitze eines Grashalmes etwas von der berauschenden Flüssigkeittrinkt, dass man Berauschendes für Nichtberauschendes oder Nichtberauschendesfür Berauschendes hält, und eine Eeihe derartiger durebaus in's Spitzfindigeverfallender Einzelheiten mehr. Vom jalogi aber ist nicht dio Kede.
3) Nur bei dem Streitpunkte über jätarüparajata ist das, was dieVesällmönche für zulässig erklärten, im Vinaya ausdrücklich als verboten nam¬haft gemacbt. Hier also versagt unser Argument. Aber es ergiebt sich hierdoch auch kein Gegenargument. Dass jene Häretiker hier etwas in der ThatVerbotenes einzuführen suchten und dies Bestreben dann von den Orthodoxen
mit Entrüstung, unter Berufung auf den Verbotsparagraphen, bekämpft wurde,ist ein durchaus glaublicher Vorgang.
I> U *
Oldenberg, Buddhistische Studien. 633
Die Punlite, die hier Minayeff gegenüber einer Dislcussion be¬
dürfen, sind hauptsächlich drei:1. Das Alter der Schrift Kathävatthu.
2. Die Beziehung der in der Inschrift von Bairät aufgeführtenTitel Utterarischer Werke zum Pälikanon.
3. Die Beziehung der Skulpturen und Inschriften von Bharhutzu den Päli-Jätakas.
Über die Entstehung des Kathävatthu geben die Pälitexte eine
Überlieferung, die meines Eracbtens ein geradezu aussergewöhnlichauthentisches Aussehen trägt.
Während die übrigen Texte des Kanon Buddhas Wort ent¬
halten und unmittelbar nach dessen Tode von den Theras redigiertund gesammelt sein sollen, wird dem Kathävatthu ein Verfasser im
gewöhnlichen Sinn des Worts zugeschrieben, und zwar keiner der
grossen, durch die ganze buddhistische Welt berühmten Heiligen,sondern ein Mann, der zugestandenermassen dem dritten Jahrhundert
nach dem Nibbäna angehört und der eine Berähmtheit nur im
Kreise einer bestimmten Schule gewesen ist, eben der Schule,
welche auch das Kathävatthu überliefert, Tissa Moggaliputta ')•Wir haben schon oben (S. 619) beschrieben, wie das Kathävatthu
den Text der Suttas voraussetzt und unter häufiger Anrufung von
deren Autorität Controversen über zweifelhafte Punkte der Dog¬matik behandelt.
Nun lesen wir bei Minayeflf (S. 200) eine Behauptung, welche,
wenn richtig, die Tradition von der Entstehung des Kathävatthu
über den Haufen werfen, der ganzen Sache ein völlig verändertes
Aussehen geben würde. M. sagt nämlich in Bezug auf jenen Text:
„Dans un livre que la tradition fait remonter ä l'epoque d'Asoka
le Grand, on trouve mentionnee entre autres la secte des Vetulya-
kas qui n'apparut qu'au HP sifecle aprfes J.-C." Das wäre in der
That ein recht starkes Stück. Aber zum Glück liegt die Sachein Wirklichkeit doch wesentlich anders. Sieht man an eine andre
Stelle von Minayeflfs Buch hinüber (S. 82), so reduziert sich dort
die angebliche Erwähnung der Vetulyakas im Kathävatthu auf
eine Erwähnung dieser Sekte in Buddhaghosa's Kommentar zumKathävatthu. Der Kommentar nennt zu den einzelnen häretischen
Ansichten, welche im Kathävatthu widerlegt werden, die Sekten,
welche die betrettenden Ansichten vertraten. Und da begegnen an
einigen Stellen (s. das Register im Journal P. T. S. 1889, p. 222)bald allein bald mit andern zusammen die Vetulyakas. Was ist
häufiger als dass alte Dogmen und Spekulationen unter Theologen
späterer Zeiten neue Vertreter finden! Und was kann natürlicher
1) Um die Tradition , wie sio in der Kathävattliuppaltaraiia-Attiialiatiiä(Journal P. T. S. 1889 p. 1) vorliegt, ganz genau wiederzugeben: Buddba hatden Text einst im Götterreiche mätikäthapaneri eva vorgetragen; die Aus¬führung dieser mätikä und ihre Verkündigung auf Erden hat er dem Moggall-puttatissa vorbehalten.
634 Oldenberg, Buddhistische Studien.
sein, als dass der Kommentator, wo von der betreffenden Häresie
die Rede war, neben deren alten Vertretem auob ihre modemen
Anhänger, und wo er über die Alten nicht informiert war, ge¬
legentlich auch die Modernen allein nannte ; lag doch für ihn kein
Bedenken in der Vorstellung, dass der Verfasser des Textes in
seiner Weisheit alle gegenwärtigen und auch alle künftigen Ket¬
zereien „yäni ca tadä uppannäni vatthUni yäni ca äyatirn uppa-
jjissanti" ^) mit der erforderlichen Widerlegung bedacht habe.Ich sage wohl nicht zu viel , wenn ich es für höchst bedenklich
erkläre , auf eine solche Notiz bei Buddhaghosa bin die durchausvertrauenerweckende Tradition über das Kathävatthu zu verwerfen
und die Entstehungszeit dieses Textes von der ihr angewiesenen
Stelle nicht etwa um ein Geringes, sondem um eine solche exorbi¬
tante Distanz , bis nahe an die Zeit des Buddhaghosa selbst, zuverschieben.
Wenden wir uns nun zu einem weitern Dokumente , welches
nach M. geeignet sein soll unsern Glauhen an das Alter des Päli¬
kanon zu erschüttem, zur Inschrift von Bairät.
„Piyadasi der König von Magadha" ^) spricht in dieser In¬
schrift, wie bekannt, seine Verehrung für den Buddha, den Dhamma,
den Samgha aus ; er erklärt , dass Alles , was Buddha gesprochen,
wohlgesprochen sei; eine Reihe religiöser Textstücke (dhamma-
paliyäya) aber, welche er mit ihren Titeln aufführt empfiehlt erder besonderen Aufmerksamkeit der Mönche und Nonnen wie der
Laienbrüder und -schwestem.
Das Verhältnis dieser Titel zum Pälikanon ist es, um das essich handelt.
Betrachten wir zunächst, was die von Asoka genannten Titel
zu bedeuten haben. Fragen wir alsdann, was aus der Nichtnennung
gewisser andrer Titel geschlossen werden kann.
„Les ecrits qui y (in der Inschrift) sont mentionnes ne se
trouvent pas dans le canon päli", sagt Minayeff (S. 84).
1) Kathfiv. Atth., Journal a. a. O., 6 fg.2) Natürlich ist lÄxjä (überlief, leja) magadhe zu verbinden, nicht
mägadhe saingham. Minayeff schwankt in seiner Auffassung. S. 83 und 278spricht er, den Inbalt der Inschrift angebend, von der ,,communaute du Magadha",dem ,,sangha du Magadha" , S. 84 lässt er Asoka sich als ,.roi de Magadha"bezeicbnen. Zu läjä Mägadhe vgl. die stebenden Benennungen dor Päli-Pitakas räjä Mägadha Seniyo Bimbisära , räjä Pasenadi Kosalo. Der„Samgha von Magadha" würde ein dem buddhistischen kirchlichen Rechtscblechterdings fremder Begrifi sein ; ferner wäre, wie Senart (Inscr. de Piyad. II,199) bemerkt hat, das Erscheinen eines an den Saipgha von Magadha ge¬richteten Edikts in Räjasthän doch mehr als befremdlich. Senart's eigene An¬nahme, dass samgha Mägadha so viel biesse wie buddhistischer Sarngha,scheint mir mit der Auffassungs- und Ausdrucksweise der buddhistischen Quellennicht im Einklang zu stehen.
3) Ich setze die Titel in der Schreibweise der Inschrift hierher: vinaya-samukase aliyavasani anägatabhayäni munigätha moneyasüte upatisapasinee cä läghuloväde musävädam adhigicya bhagavatä budhena bhäsite.
Oldenberg, Buddhistische Studio. 63Ö
Einige Seiten später (S. 91) mildert er selbst diese schroffe
Verneinung: „Des sept titres de l'inscription de Bairat un seul, le
dernier, läghuloväde, se rencontre dans le canon päli". Aber dieseuschwachen Trost, welchen er den Verfechtern der Pälitradition zu
gönnen scheint, nimmt er ihnen gleich darauf wieder. Der Päli¬kanon weist zwar mehrere Rähulovädas auf, aber keiner von ihnen
handelt, wie die Inschrift es verlangt, von Lügenreden (musävädd).
Mir ist diese Behauptung vollkommen unbegreiflich. Längsthatte ich ') den Rähuloväda namhaft gemacht , in welcbem ein¬
gehend vom ?niisät)S<^a die Rede ist. Senart hatte alsdann meine
Identifikation angenommen und als Anhang zu seiner Behandlung
der Inschrift diesen Text publiziert. Ich füge hinzu, dass nach
dem Erscheinen von M.'s Werk Trenckner's Ausgabe des Majjh.
Nikäya das Sutta an der Stelle des Kanon, an die es gehört, uns
gebracht, dass endlich ganz neuerdings S. Levi eine höchst dankens¬
werte Übersetzung einer chinesischen Version desselben gegeben
haf). Wäre der Richter, der über das Recht der Päli-Überlieferungseinen Spruch abzugeben sich anschickt, nicht den Dokumenten,
welche zu deren Gunsten sprechen, eine etwas grössere Aufmerk¬samkeit schuldig gewesen?
Nicht genug übrigens, dass der Pälikanon einen den Daten
der Inschrift genau entsprechenden Text enthält. Die Zusammen¬
stimmung geht noch weiter. Die Ausdrueksweise der Inschrift —
nicht einfach Läghuloväde, sondern der Läghul., welcher sich auf
Lügen bezieht — macht sehr wahrscheinlich, dass ihr Autor noch
von andern Texten, welche gleichfalls Läghuloväda hiessen, gewussthat. Auch hierzu stimmt die Pälitradition ■').
Ich wende mich weiter zu dem Titel anägatabhaya. Ichkann nicht finden, dass wir hier besser als im Fall des Läghulovädazu der Behauptung berechtigt sind, dass ein solcher Text im Päli¬
kanon fehle. Ich hatte längst (a. a. 0.) auf das Arannakanagata¬
bhayasutta verwiesen. M. hat davon keine Notiz genommen.Stimmte er mir nicht bei, so hatte er die Pflicht, seinerseits eine
hinreichende Durchsuchung des Pälikanon vorzunehmen , ehe er
sich das Recht beilegen durfte , das Auftreten des betreffenden
Titels in diesem Kanon zu leugnen. Eine solche Nach.suchung aber
hätte ihn unfehlbar auf die cattäro anägatä — um die Ausdrucks¬weise des versifizierten Inhaltsverzeichnisses (Uddäna) anzuwenden
— aufmerksam gemacht , die sich im Anguttara Nikäya finden *).
Sie handeln sämmtlich , unter fortwährender Wiederholung dieses
Schlagworts, von den anägatabhaya; das früher von mir aus der
Chrestomathie Suttasamgaha beigebrachte Ärannakänägatabhayasuttaist das erste der vier.
1) Vinaya vol. I p. XL, A. 1.2) Journal asiatique, Mai-Juni 1896, S. 475 ff.3) S. Minayeff 91, A. 3.4) Jetzt in Hardy's Ausgabe des Aug. Nik. Paiicakanipata p. 100 ff.
636 Oldenberg, Buddhistische Studien.
Die tibereinstimmung zwischen Inschrift und Pälitradition,
welche man gar nicht vollständiger wünschen kann, giebt eine feste,
überlieferungsmässige Grundlage, der gegenüber man die Betrach¬
timgen M.'s, welche ihn bei der Deutung der anägatabhayäni bis
zu den Träumen des Königs Krkin führen, doch nur als freie und
nicht glückliche Phantasien wird charakterisieren können.
Jetzt zu dem vinayasamukase. M. (87) lässt die Ubersetzung
, abstract of the Vinaya' gelten; ich glaube in der That, dass die¬
selbe den Sinn des Worts wenigstens annähernd trifft. Der Zu¬
sammenhang mit .sämukkarnsika , auf welchen Senart hinweist,
drängt sich in der That auf. Die stehend in den Pälitexten wieder¬
holte ') Beschreibung von Buddha's Predigt ist bekannt, in welcher
den esoterischen Ausführungen (dänakathä, sUakathä etc.) die
Verkündigung der heiligen vier Wahrheiten als die buddhänani
sämukkamsikä dhammadesanä gegenübergestellt wird. Verbinden
wir deh Anhalt, welchen diese Stelle, und denjenigen, welchen die
Etymologie (samutkarsa) giebt, so scheint sich als Bedeutung etwa„essentiell' zu ergeben. Asoka führt also eine „Essenz des Vinaya'
an, und ich bekenne keinen ernstlichen Grund zu sehen, warum wir
nicht, wie ich früher vorgeschlagen habe, vermuten sollen, dass diesdas Pätimokkha ist, welches in der That so passend wie möglich
als Essenz des Vinaya hezeichnet werden kann. Die Verschieden¬
heit der Benennung wird kaum ein Hindernis bilden; Benennungen
pflegen eben schwankend zu sein — wir kommen hierauf zurück =*).
Möglich ist natürlich auch, dass der König an irgend ein anderes
Kompendium des Vinaya gedacht hat^): ist dies der Pall, so wird
man aus der Anführung eines solchen Werkes natürlich Nichts, das
einem Einwand gegen das Alter des Päli-Vinaya ähnlich sähe,
folgem dürfen. Vielmehr wird es berechtigt sein , in dem Vor¬
handensein eines samutkarsa des Vinaya ein Argument dafür zu
sehen, dass ein ausführlicher Vinaya schon zu Asoka's Zeit exis¬tiert hat.
Ein weiterer von Asoka genannter Titel ist Upatisapasine.„Dans le canon päli on ne connait pas . . . d'ecrit sous le titre
1) Siebe z. B. Mabävagga p. 181. Weitere danlcenswerte Zusammen¬stellungen zu dem Wort ukkamsa giebt Neu mann WZKM. XI, 160. Ichmache noch auf das samukkatthapada im Parivärä, p. 114. 229 meiner Aua¬gabe aufmerlisam.
2) Einen Einwand gegen die Identifikation des vinayasamukase mit demPätimokkha, auf den man verfallen könnte, hat man — wohl mit Recht —nicht gemacht. Asoka empfiehlt die von ihm genannteu Texte allen Frommen,auch den Laien, zum Studium, das Pätimokkha aber war Gebeimlehre derMönche resp. Nonnen (vgl. meinen „Buddha"^ S. 422, A. 1). Denkbar genug,dass der König entweder diesen Punkt Ubersah oder dass er sich in der kurzenInschrift ungenau ausdrückte; er konnte gewiss sein, dass der Kundige seineErmahnung, die von den übrigen Texten uneingeschränkt galt, bei diesem Textmit der nötigen Einschränkung verstehen werde.
3) Dernleichen Werke sind später jedenfalls nicht selten gewesen, wieman sich z. B. aus Nanjio's Katalog überzeugen kann.
Oldenberg, Buddhistische Studien. 637
de „Questions d'Upatisya' — bemerkt Minayeff (S. 91). Das ist
buchstäblich richtig. Aber es wäre nicht überflüssig gewesen hinzu¬zufügen, dass es im Pälikanon doch einen besonders berühmtenAbschnitt giebt, in welchem Säriputta — bekanntlich ist dieser
identisch mit Upatissa — fragend auftritt: seine Prage an Assaji,
welche dieser mit dem Vers ye dhammä hetuppabhavä etc. beant¬wortet'). Was kann wahrscheinlicher sein, als dass dieser Text
gemeint isf)? Wie wir ihn im Vinaya lesen, steht er im Zu¬sammenhang eines grösseren Ganzen; wollte man ihn allein heraus¬
heben, so konnte kaum eine andre Bezeichnung passender sein als
eben die vom König gebrauchte. Hier ein Bedenken gegen das
Alter des Pälikanon zu finden wäre etwa so gerechtfertigt, als wollte
man aus einer Empfehlung des Studiums der „Bergpredigt* ent¬
nehmen, dass dem Redenden unser Neues Testament nicht vorgelegen
haben könne: denn eine neutestamentliche Schrift, die „Bergpredigt"betitelt ist, giebt es in der That nicht.
Darüber, was hinter zwei weiteren Titeln der Inschrift, muni¬
gätha moneyasüte, zu suchen ist, möchte ich, wenigstens was denzweiten dieser Titel angeht, nicht allzu bestimmte Behauptungen
wagen. Den munigäthä wird, wie ich früher bemerkte, das kleine12. Sutta des Sutta Nipäta sehr wohl entsprechen können. Es
besteht ausschliesslich aus Gäthäs und handelt vom Wesen des muni^).
1) Mahävagga p. 40.2) Sollte er nicht gemeint sein, so würde unsre Verlegenheit, mit Hilfe
des Pälikanons Tür diesen von Asoka zitierten Titel Kat zu schaffen, immernur den Charakter eines embarras de ricliesse tragen. Schon Neumann(Die Keden Gotamo Buddlio's I. S. 567 ; vgl. WZKM. XI, 159) hat im Hinblickauf die Asokainschrift bemerkt, dass es im Suttanipäta V. 955 ff. ein Säriputta-paühasutta giebt'und dass auch auf das 24. Sutta des Majjh. Nikäya die Bezeich¬nung passt. Ich glaube freilich, dass die Beziehung auf das Gespräch mitAssaji wahrscheinlicher ist, einmal wegen der hervorragenden inneren Bedeutungdesselben, sodann weil sich hier, wo Säriputta noch nicht in die Gemeindeaufgenommen ist, die Bezeichnung desselben mit dem Namen Upatissa bossererklärt (über die beiden Namen vgl. Majjh. Nik. vol. I p. 150). Dieser Namefür ihn wird sonst selten gebraucht; es ist wobl kein Zufall, dass der Mahävagga(p. 4 2) ihn eben in dieser Geschichte nennt und auch das zugehörige Uddäna(ibid. p. 99) von Upatissa spricht. Dio von Beal (S. B. E. XIX, p. XIV,vgl. Seydel, die Buddha-Legende und das Leben Jesu - S. 112 A. 187) be¬sprochenen, in chinesischer Version erhaltenen Questions of Säriputrakönnen hier nicht in Betracht kommen: ein junger Text, in dem der Enkeldes Asoka erwähnt wird. Dio früher von Kern (Der Buddhismus II, 455)vorgeschlagene Identifikation der Upatisya-Fragen mit einem Abhidharmatexthat K. selbst wohl jetzt, wie man nach seinem Manual p. 113 annehmen darf,fallen gelassen: gewiss mit Recht. — Wieso übrigens, um dies hier beiläufigzu bemerken, der Upatisapasine die in Ceylon überlieferten Erzählungen überdas dritte Konzil und über Tissa Moggaliputta als tendenziös erweisen soll (deIa Vallee Poussin 53), ist mir schlechterdings unerfindlich.
3) Die Wahrscheinlicbkeit, dass os sich um eben dies Sutta handelt,dürfte durch den Zusammenhang, in dem wir an einer unten zu besprechendenStelle des Divyävadäna die munigäthäli erwähnt finden, noch wesentlich ge¬steigert werden.
638 Oldenberg, BuddMetische Studien.
Unser Text nennt es munisutta. Wer die Buchstabendienerei so
weit treiben wollte, in dieser kleinen Divergenz der Benennung
einen Anstoss zu finden, müsste beispielsweise auch darauf verzichten,
das Citat des Samyutta Nikäya (vol. III p. 9): vuttam idam bhante
bhagavatä Atthakavaggiice Mägandiyapaiihe mit dem Mägandlya¬
sutta des Atthakavagga in Verbindung zu bringen : in der Thatist es aber ein Vers eben jenes Sutta (Sutta Nipäta 844), der im
Satny. Nik. zitiert wird. Ähnlich kann keine Bezeichnung besser
als moneyyasutta auf den früher schon von mir in diesem Zu¬sammenhang zitierten Abschnitt Anguttara Nik. III, 120 passen.
Er wird, wie dies im Ang. Nik. die Regel ist, im Text nicht als
eigenes Sutta benannt resp. mit einem dementsprechenden Titel
ausgestattet ; dass man aber , wenn man einen solchen Abschnittzitieren wollte, doch eben diese Bezeichnimgsweise als die korrekte
empfand, zeigt z. B. der oben (S. 635) berührte Fall des Äranna¬
känägatabhayasutta, das unter dieser Bezeichnung im Suttasarngaba
angeführt wird. Wir werden uns freilich sagen müssen, dass es
im Suttapitaka noch andre Texte geben mag, die sich als munigäthä,
als moneyyasutta benennen lassen '); und so wird es vorsichtigsein, die erwähnten Identifikationen nicht als allzu positive Behaup¬
tungen aufzustellen. Aber das Gesagte dürfte genügen zu zeigen,
dass der Pälikanon Texte, die den Angaben Asoka's entsprechen —
und zwar sehr vollständig und ungezwungen entsprechen — ent¬
hält, so dass von irgend welcher Möglichkeit, diese bei Asoka
angeführten Titel gegen das Alter des Kanon zu verwerten, nichtdie Bede sein kann.
Bleibt endlich ein einziger Titel, aliyavasäni, was ich — die
genaue Korrektheit der Schreibung vorausgesetzt — mit Min. über¬
setze „pouvoirs sumaturels des saints." Texte, die der Sache nach
auf diesen Titel passen würden, giebt es genug; leider weiss ich
einstweilen nicht zu sagen, ob — was in der That vermutet werden
müsste — in einem derselben auch das Schlagwort ariyavasa vor¬kam und eine mehr oder minder hervortretende Rolle spielte.
Unter diesen Umständen verdient es bemerkt zu werden, dass die
ausserordentlich ungenaue Setzung der Vokalzeichen in der Inschrift
ein aliyaväsäni wohl nahezu ebenso wahrscheinlich macht wie
aliyavasani, und dann würden wir auf die Auseinandersetzung des
Aüguttara Nikäya (Dasanipäta) oder des Samgiti Sutta -) über die
zehn ariyavasa geführt werden.
1) Für das moneyyasutta denkt Neumann (Reden Gotamo Buddho'sI, 567) an Sutta NipSta 699—723 (vgl. MahSvastu vol. III p. 387). Wohlmöglich. Doch erweckt die Nebeneinanderstellung von munigäthä und moneya¬süte den Eindruck, dass der letztere Text etwas anderes als blosse Githäs ist.Der Text, auf welcben -N. hinweist, besteht nur aus solchen.
2) S. B. E. XIII, 141 A. 2, worauf schon Minayeff verweist. AuchNeumann, Reden Gotamo Buddho's I, 324 denkt an die Dekade des SamgitiSutta, unter andern Vorschlägen (ebendas. und S. 567), die sich mir von denAnhaltspunkten der Überlieforung weiter zu entfernen scheinen.
Oldenberg, Buddhistische Studien. 639
Blicken wir auf diese Betrachtungen zurück, so dürfte sich
die Bilanz derselhen doch ganz anders als Min. gelten lassen will,
für den Pälikanon günstig stellen. Bei der ganzen Lage des Prob¬lems — ich denke an die lakonische Sprache der Inschrift sowie
daran, dass sie, wie sich von selbst versteht, eine Mägadhirezension
der heiligen Texte, nicht unsre Pälirezension voraussetzt') — und
bei dem gegenwärtigen Stande unsrer Kenntnis wird ein billigDenkender es nicht verwunderlich finden können, dass einzelne Un¬
sicherheiten zurückbleiben; eher kann es überraschen, dass diese
Unsicherheiten nicht zahlreicher und nicht grösser sind. Behauptendürfen wir aber, dass nichts auch nur mit nennenswerter Wahr¬
scheinlichkeit auf eine Divergenz der Asoka vorliegenden Texte
von unsern Pälitexten hindeutet, dass dagegen die Übereinstimmung
an einer Reihe von Punkten gegen jedes vernünftigerweise zu er¬hebende Bedenken gesichert ist — soweit sie eben auf Grund einer
Inschrift, die nur Titel nennt, überhaupt gesichert sein kann —;
und dass diese Übereinstimmung im übrigen durchweg möglich, ja
wahrscheinlich ist: es sei nur an den einen oben besprochenen
Zug erinnert, dass die inschrift das Vorhandensein von mehr alseinem Rähuloväda wahrscheinlich macht und der Pälikanon in der
That mehrere Rähulovädas enthält.
Sollen wir nun — muss endlich gefragt werden — in dem,
was die Inschrift nicht nennt, irgend einen Verdachtgrund gegenunsern Pälikanon finden? Vielleicht befremdet schon die blosse
Prage. Aber unser Kritiker scheint in der That in seinem Miss¬trauen gegen den Pälikanon so weit zu gehen, dass er die Inschriftauch in dieser Richtung zu verwerten versucht. „Dans les titres
de ces ecrits il n'y a pas la moindre allusion ä l'existence du re¬
cueil päli. Le roi recommande pour l'edification des fidfeles, non
les trois pitakas, mais les dhammapaliyäyäni'' (S. 92). Ja, sagt
denn nicht der König deutlich genug, dass es ihm um die Erbauung
weiter Kreise, der Mönche und Nonnen, der Laienbrüder und
-Schwestern zu thun ist und dass er daher unter den Worten Buddhas,
die alle wohlgesprochen sind, nur einiges besonders wichtige auswählt?
Will er nicht, wie Mio. selbst (S. 85) sich an einer andern Stelle
durchaus treffend ausdrückt, Vinumh-ation de quelques textes
1) Min. (S. 84. 92) spriclit in einem Ton, der für mich wenigstens einengewissen aggressiven Beigeschmack gegenüber dom Pälikanon hat, davon, dassAsoka nicht in Päli von Pälito.\ten redet, sondern sich eines andern Dialektsbedient. Ich glaube kaum, dass ein noch so warmer Parteigänger der Päli¬tradition den Anspruch erheben wird, dass die Päliversion dor beiligen Textedie Asoka nächstliegende oder gar die ursprüngliche gewesen sei. Dass dieursprünglicbe Redaktion in MägadhT zu denken ist, daran lassen einerseitsdie geschichtlichen Verhältnisse kaum einen Zweifel, andererseits wird es be¬kanntlich durch die Magadhismen des Pälitextes in festgewordenen Worten wiebhihlchave, in solchen für das .Sprachgefühl nicht mehr lebendigen Formen wiedem Nom. pl. auf -äse, in gewissen feststehenden Formeln (E. Müller, PäliGrammar 44) bestätigt.
640 Oldenberg, Bnddkistische Studien.
geben, die er spezieller Beachtung empfiehlt ') ? Das Studium der
drei Pitakas — gleichviel, ob man schon damals diese Bezeichnungkannte — war die Sache Auserwählter und Hochgelehrter; es wäre
merkwürdig gewesen, wenn der König gerade von den Pitakas zu
sprechen Anlass gefunden hätte. Aber — was doch, obwohl unaus¬
gesprochen, durch die angeführten Sätze M.'s durchblickt — dem
Wortlaut der Inschrift, der Nennung der dhammapaliyäyäni ein
•Argument gegen die Existenz der Pitakas entnehmen, wäre in der
That soviel, als wollte man aus einer Mahnung, sich mit den Reden
.Jesu oder mit seinen Gleichnissen zu beschäftigen, einen Verdacht
dagegen herleiten, dass dem Redenden die Existenz des NeuenTestaments bekannt war. —
Von der Inschrift Asoka's gehen wir, Minayeff folgend, weiterzu denen des Stüpa von Bharhut (um 200 vor Chr.?). Auch hier
gelangt M. zu dem Ergebnis : „Beaucoup de choses que noustrouvons representees ä Bharhut sont en complfete contradiction
avec la doctrine du canon päli' (S. 136). Es ist keine erfreuliche
Arbeit, alle diese angeblichen Widersprüche durchzugehen. Aber
um nichts von dem was M. gegen den Pälikanon vorbringt, unbe¬rücksichtigt zu lassen, wollen wir sie uns nicht ersparen.
Auf Reliefs an den Eingangsthoren sah man in betender
Haltung, mit gefalteten Händen, nach Aussage der beigegebenen
Inschriften den Kupiro yakho und Virudako yakho, beide ein¬ander ähnlich, in menschlicher Gestalt. Man erkennt hier, sagt
M. (145), dass ,les details mythologiques sur les gardiens du
monde n'avaient pas acquis le developpement qu'ils ont dans le
canon actuel'. Die Inschriften geben jenen Göttern nicht den
Namen als „Weltwächter' oder „grosse Könige', welchen ihnen der
Kanon beilegt — ja brauchten denn, entgegnen wir, jene Inschriften,
die eben nur in kürzester Porm das Bildwerk erläutern wollten,jeden Titel, welcher den betreffenden Gottheiten zukam, in aller
Vollständigkeit anzuführen ? Der Kanon macht nur den Kuvera
zu einem yakkha im engeren Sinn, während Virüdhaka ein kum-
bhanda ist und als solcher eine ganz andre Gestalt haben sollte.Aber wie leicht konnte der Künstler in dem der bildenden Kunst
so nahe liegenden Anthropomorphismus diese Unterschiede igno¬rieren^) ! Und wie leicht ferner konnte der Urheber der Inschriften
. die feineren Details der Terminologie vernachlässigen ! Um so mehr
als yakkha auch in den kanonischen Texten, wie M. selbst ausführt,
nieht nur von der Götterschar des Kuvera, sondem oft von Göttem
oder götterhaften Wesen aller Art gebraucht wird*). So bleibt
1) So jetzt auch sehr richtig Kern, Manual of Indian Buddhism S. 13:the King recommends a selection of sacred te.\ts, not the whole hody.
2) Man wolle dieselbe Schlussweise, deren sich hier Minayeff bedient, anden biblischen Angaben über himmlische Wesen im Vergleich mit ihren Dar¬stellungen in der bildenden Kunst erproben.
3) Von Sakka, MSra etc.
Oldenherg, Buddhietische Studien. 641
kaum mehr als die Thatsache übrig — um mit M. S. 142 zureden — dass die Inschriften das Wort in einem Sinn brauchen
,que le mfeme mot n'a pas toujours dans les textes.' Gewiss wahr,
aber folgt daraus irgend etwas für die Litteraturgescbichte derPitakas ?
Eine weitere Divergenz zwischen den Ausschmückungen des
Stüpa und den Pälitexten. Eine der Skulpturen zeigt die Königin
Mäyä auf ihrem Lager ruhend. Ein Elephant steigt zu ihr her¬
nieder. Dabei die Inschrift bhagavato okarnti. Für bhagavato,bemerkt M. , wäre bodht'satasa zu erwarten: das Nichtauftreten
dieses Ausdrucks scheint zu zeigen, dass damals die Lehre von den
Bodhisattvas noch nicht, oder doch nicht in dem durch die kano¬
nischen Texte repräsentierten Entwicklungsstadium existierte. Perner
erzählen ,les textes pälis' jenes Herabsteigen in Elefantenform nur
als einen Traum der Königin, nicht als wirklichen Vorgang. Undsie lassen, was man auf der Skulptur vermisst, den Elefanten eine
Lotusblume im Rüssel tragen.
Geben wir doch nicht den kleinsten Zutälligkeiten eine Be¬
deutung, die sie nie beanspruchen können! Was liegt Auffallen¬des darin, wenn der Steinmetz von Bharhut oder der ihn diricrierendeD
Künstler, welcher doch aller Vermutung nach kein Dogmatiker
gewesen ist, hier von der Empfängnis des bhagavä spricht, wo essich in der That um die Empfängnis des Kindes handelt, welches
einst der buddho bhagavä sein wird? Wenn im Mahävastu
(vol. n p. 8, 8; vol. I p. 204, 13) die Götter sagen: adya cyavi-
syati küa bhagavän, wenn es an einer andem Stelle desselben
Werks (vol. III p. 301, 8) von den der Sambodhi vorangehenden
Kasteiungen heisst bhagavän samyaksambuddhah duskaram carati,wenn im Buddhacarita (I, 39) von der Geburt des Bodhisattva als
dem tathägatotpäda die Rede ist '), war etwa zur Zeit auch dieserTexte der Begriff des Bodhisattva noch nicht vorhanden? Mir
scheint der im Augenblick der Sambodhi sich vollziehende Über¬
gang eines Wesens, das noch nicht Buddha ist, in einen Buddha
so tief mit den Pundamenten der buddhistischen Vorstellungswelt
verwachsen und dementsprechend scheint es mir an wirklich signi¬fikanten Spuren von dem anfänglichen Nicbtdasein der Unterschei¬
dung zwischen Bodhisattva und Buddha so durchaus zu fehlen, dass
ich die Annahme derartiger ebenso geringfügiger wie begreiflicher
Ungenauigkeiten in der dogmatisch nicht strengen Ausdrucksweise
1) Diesen Ungor.auiglieiten, wenn man sie denn docli so nennen will, stelleich aus den kanonischen Pälitexten den von mir „Buddha"* S. 100 A. 4 he¬sprochenen Fall aus dem Suttanipäta an die Seite, wo von dem Bodhisattvadie Ausdrücke buddlia, samljuddha (auch bhagavä) gebraucht werden (andersWindisch, Mära und Buddha 211 A. 2). Ich führe hier nur an, was mireben zur Iland ist; mehr derartiges zu sammeln, was offenbar leicht wäre, würdoich für verlorne Zeit halten.
Bd. LII. 42
642 Oldenherg, Buddliistische Studien.
für die einzige wirlilich wahrscheinliche Erklärung der betreffendenStellen ansehen möchte.
Was weiter die Elefantengestalt des Bodhisatta anlangt, soschwanken die Texte zwischen Traum und Wirklichkeit'). Der
Pälikanon, so viel mir jetzt gegenwärtig ^), berührt den Punkt
überhaupt nicht; was Min. als die Darstellung der „textes pälis'
in Ansatz bringt, beruht in der That nur auf der Einleitung desJätaka- Kommentars. Ich möchte mit Eockhill*) vermuten
— natürlich eben nur vermuten —, dass zuerst von einem Traum
die Rede war, dann dieser sich zu einem wirklichen Vorgang ver¬
dichtete. Der Päli-Kommentar würde dann die ältere Vorstellungs¬
form repräsentieren, das Relief von Bharhut vielleicht die jüngere.
Ich sage „vielleicht' : denn wäre es nicht auch denkbar, dass der
Künstler den Elefanten, welcher zur schlafenden Königin herabsteigt,als eine dieser erscheinende Traumgestalt hätte verstanden wissen
wollen? Das mag sich so oder anders verhalten: für die Fragenach der geschichtlichen Stellung des Pälikanon scheint mir die
Sache in jedem Fall absolut unerheblich.
Endlich die Lotusblume. Nun ja, der Jätaka-Kommentar giebtdem Elefanten in der That eine solche in den Rüssel. Andre
Texte, und auch das Relief, thun es nicht. Hier hat also wirklich
der Jätaka-Kommentar eine kleine Ausschmückung , welche derKünstler nicht kannte oder nicht beachtete. Vielleicht ist die
Lotusblume wirklich auf dem Weg der Legende bis zu jenem
Kommentar hinzugekommen ; auch ohne das Monument von Bharhut
hätte diese schwerwiegende Frage auf Grund der Texte allein auf¬
geworfen werden können, wenn — es der Mühe wert geweseu wäre.Bleibt die letzte der von Minayeff" gesammelten Discrepanzen
zwischen den Pälitexten und den Skulpturen von Bharhut. Den
Gegenstand einer plastischen Darstellung bildet die im Ummagga-
jätaka*) sich findende Erzählung, wie Amarädevl dem König die
vier entlarvten Betrüger, welche ihren Gatten verläumdet hatten,
bringt. Das Relief stimmt ganz zu dem Text, aber Minayeff fragt,
warum von den vielen Erzählungen des Ummaggajätaka gerade
dieses Stück „peu caracteristique et, de plus, si brifevement raeonte
dans la version pälie ^) qu'il semble ä demi oublie' dargestellt ist,
1) Um nur einige näelislliegende Anführungen zu geben: Traum: Jät.Atth. I p. 50; Dulva boi Roclihill, Life of the Duddha 15. Wirliliclilteit (odersowohl Traum wie Wirltlichlceit) Buddhacarita I, 20; Lai. Vistara p. 63. ImMahävastu finden wir beide Auffassungen, vgl. einerseits vol. II p. 8, 17 (vgl.vol. I p. 205, 3 4, aber auch p. 207, 8), andererseits vol. II p. 298, 6.
2) Ein Irrtum ist leicht möglich. Die Hauptstelle des Kanon über dieEmpfängnis des Bodhisatta, das Acchariyababutasutta (Majjh. Nils.) spricht vonder Elefantengestalt nicht.
3) a. a. 0. 15 A. 1. 4) Jät. vol. V p. 370.5) Man bemerke übrigens, dass es sich bei der „version pälie'' auch hier
wieder nicht um deu kanoniscben Text, sondern um den Kommentar handelt(vgl. Min. 151 A. 2).
Oldenherg, Buddhittische Studien. 643
noch dazu unter dem Titel yavamajjhaJciyajätaka (S. 148—151).Wer will sagen, ob nicht die Anordner des künstlerischen Schmucks
jenes Stüpa die Erzählung doch vielleicht charakteristischer gefunden
haben als Minayeflf; über so etwas können die Meinungen verschie¬
den sein. Und der Titel ? Er passt so gut wie möglich zu dem
Pälitext, welcher erwähnt, dass Held und Heldin der Erzählungaus zwei als yavamajjhaka ') bezeichneten Örtlichkeiten stammten.
Aber allerdings, als Titel fungiert dies Wort im Pälitext nicht.
Was folgt daraus? Doch nur, dass Titel eben schwankend waren.Das wussten wir ohnedies ^).
Soweit die Skepsis Minayeff's. Wird nach den hier vorgelegtenBetrachtungen gesagt werden können, dass ihre Gründe hinreichend
sind, um rmsem Glauben an diese imposante Traditionsmasse zuerschüttern ?
IV.
Doch es ist nicht genug, die gegen diesen Glauben gerichteten
Angiiflfe abzuwehren. Wir müssen ihn auch positiv begründen.Dies soll versucht werden, indem wir — natürlich nur in den
grossen Haupt- und Grundzügen — den Pälikanon der nördlichenLitteratur •') gegenüber stellen und die Schlüsse, zu welchen die
Vergleichung der beiden Quellenmassen führt, entwickeln.
1) Ich weiss so wenig wio Min., was das bedeutet. Natiirlicli gehört eszu skt. yavamadhyä, aber die Bedeutungen dioses Worts helfen, so viel ichsehen kann, nicht weiter. Yatawara's aus dem .Singhalesischen gemachteÜbersetzung giebt maricet-town. Man bemerke übrigens, dass es die Namens¬form des Pälitextes, nicht aber die des Mahävastu (vol. II p. 83) yavalcacchalcaist, die durch die Inschrift bestätigt wird.
2) Vgl. oben S. G38. Man erinnere sich, dass die grossen Suttasamm-lungen bei den einen Nilcäya, bei den andern Ägama hiessen. Oder manbemerko, dass das 2. rosp. 9. Bucb des Mahävagga im Cullavagga p. 306. 307als Uposatliasamyulta und Campeyyakam vinayavatthu zitiert werden, dassdas Daharasütra mit dem Kumäradrsläntasiltra (Annales du Musee GuimetV, 133), das Upaddita mit dem Jialyäiiamitrasevatiasiitra (das. 139) identischist. Mehr über solche Benennungsverschiedenheiten siehe bei Rh. Davids,Buddh. Birth Stories I p. LXfg., Bübler, Indian Studies IU, 16 A. 1, Neu¬mann WZKM. XI, 159. Wollto man aus jeder Benennuiigsverschiedenheiteinen Verdacbtgrund herleiten, müsste man auch Anstoss daran finden, dassdas Andabhütajätaka auf einer Bharhut-Iiischrift (Hultzsch ZDMG. 40, 76) alsYam liram[li]ano avayesi jätakam figuriert. In der That wird man imGegenteil behaupten dürfen, dass dies Citat des Anfangspäda dor zu demJätaka gehörigen Strophe (Jät. vol. I p. 293) eine Bestätigung der Pälitraditiondarstellt, welche in einer Erörterung über das Verhältnis der Bharhut-Inschriftenzu dieser Tradition wohl Erwähnung verdient hätte.
3) Unter „nördlicher Litteratur" verstehen wir hier die in Sanskrit resp.Gäthädialect vorliegenden Texte, sowie die tibetischen und chinesischen Ver¬sionen, soweit dieselben nicht nach Päli-Originalen gemacht sind (Uber tibetischeÜbersetzungen aus dem Päli vgl. vornehmlich Feor, Annales du Musee Guimetvol. II, 288, über chinesische Übersetzungen aus dem Päli besouders TakakusuJKAS. 1896, 415
644 Oldenherg, Buddhistische Studien.
Es versteht sich von selbst, dass diese üntersuchung zu Ende
geführt erst werden kann, wenn vor allem die chinesische Uber¬
setzungslitteratur vollständig zugänglich sein wird *). Aber manhat keinen Grund, diese vermutlich ferne Zukimft abzuwarten, ohne
dass man schon jetzt die Prage so weit fördert, wie sie sich ebenfördern lässt. Schon jetzt aber kann sie, meine ich, ziemlich weit
gefördert werden.
Wir beginnen mit der Vin aya-Litteratur. Über sie können
wir uns verhältnismässig kurz fassen.
Gegenüber solchen nördlichen Eepräsentanten des Vinayapitaka
wie dem Mahävastu, ,fait de morceaux d'äge et d'origine trfes divers,
charge d'enormes interpolations souvent bien mal assemblees-)'brauchen wir uns nur ebenso auf die Natur der Sache wie auf
andre Zweige der nördlichen Überlieferung selbst zu berufen, um
dem höheren Recht des südlichen Vinaya darauf, ein wirklicher
Vinaya zu heissen, Anerkennung zu schaffen.Die uralte, im Norden wie im Süden bezeugte Teilung des
geistigen und litterarischen Besitzes des Ordens in die beiden
Kategorieen von Dharma und Vinaya schliesst es doch von selbst
in sich, dass Vinayatexte ihrem alten und eigentlichen Begriff nach
Texte gewesen sein müssen, die es mit den Lebensordnungen derMönchsgemeinde, nicht aber — oder doch nur gelegentlich — mit
allem nur denkbaren andern Inhalt, wie dem Leben Buddha's,
Jätakas etc. etc. zu thun hatten''). Um ein Werk wie das Mahä¬
vastu gegenüber Sütratexten ähnlichen Schlages — man weiss nicht
recht weshalb — abzugrenzen wäre man nie und nimmer darauf
verfaUen, ein Pitaka des Vinaya einem Sütra Pitaka gegenüberzu stellen. Wenn das Mahävastu als ein A'^inayawerk bezeichnet
1) Natürlich ist dies nicht das einzige Desiderium, das hier auszusprechenwäre. Unter den mir vorläufig unerreiclibaren Texten der nepalesischenTraditionsmasse würde, scheint es, hesonders die Äbhidharmakosavyäkhyä fürdie Zwecke unsrer Untersuchung von höchster Wichtigkeit sein.
2) Senart, Mahävastu vol. UI p. IU3) Kern, Manual 4 sagt über die Abgrenzung des Vinaya-Inhalts gegen¬
über sonstigen Materien im Päli-Vinaya, richtig, aber doch nicht ganz bestimmtgenug : ,.Though the Päli Vinaya contains narrative parts to a considerableextent, no book of it is wholly made up of subjects which otherwise have aplace in the Sutta-Pitaka." Dies muss dahin präzisiert werden, dass im PäliVinaya ausnabmlos, nicht nur, wie sich von selbst versteht, im Sutta Vibhanga,sondern auch in jedem Bucb der Khandhakas (Mahävagga und Cullavagga), dereigentliche zur Erörterung kommende Gegenstand irgend ein Teil der Gemeinde¬ordnungen ist. Die Behandlung dieser Ordnungen ist allerdings in bekannterWeise mit erzählenden Zuthaten ausgestattet, welche sich mehrfach mit Erzäh¬lungen decken, die im Sutta Pitaka enthalten sind. Und diese Zuthaton sindin der That nicbt selten mit einer über den nächsten Zweck weit liinausgehendenBreite behandelt. Aber darum ist und bleibt doch beispielsweise das erstoKhandhaka des Mahävagga, obwobl es z. B. die ganze Erzählung von den erstenEreignissen nach der Sambodhi umfasst, seinem eigentlichen Wesen nach (vgl.ParivBra p. 114) durebaus eine Darstellung der Ordnungen der upasampadäund gewisser darait eng zusammenhängender Materien,
♦ 5
Oldenherg, Buddhistische Studien. 645
wird, so ist wohl klar genug, dass darin eine ahgehlasste Erinne¬
rung an einen Namen, die freie, unzutreffende Anwendung einer in
alter Erinnerung aufbewahrten litterarischen Kategorie liegt, welcherfür die betreflfenden Kreise lebendiges Leben eben nicht mehr
zukam ').
Was ich im Gegensatz zu einem Pseudo-V inayatext wie dem
Mahävastu als wirklichen Vinaya benennen möchte, hat sich nunaber im Norden so gut wie im Süden erhalten.
Vor allem das Prätimoksa.
Es ist bekannt, dass dieser Text in einer tibetischen und vier
chinesischen Versionen verschiedener Schulen vorliegt *). Schonjetzt darf in Bezug auf die tibetische und eine der chinesischen
positiv behauptet, in Bezug auf die übrigen mit hinlänglicherSicherheit vermutet werden, dass dieselben in allem wesent¬
lichen eben den im Pälikanon erhaltenen Text repräsentieren.Pür den Nissaggiya-Abschnitt der Mönche wie der Nonnen hat
H u t h ^) die Vergleichung des Pälitextes (Theravädl-Schule) mit
dem tibetischen (Mülasarvästivädin) und einem chinesischen (Dharma¬
gupta) in allen Details ausgeführt. Es zeigt sich zunächst, dass dieVarianten durchaus nur solche sind, wie sie wohl den auf eine exakte
Textkonstitution bedachten Philologen, aber kaum den mit der be¬
treflfenden Quelle arbeitenden litterargescbichtlichen und religions-
1) Einen dünnen Faden übrieens mag es docli scbliesslich geben, der dasMaliSrastu mit dem Vinaya im alten Sinn des Wortes verbindet. Man weiss,dass im Mahävagga der erste grosse Abschnitt, welcher von der upasampadähandelt, durch die Erzäblung von den ersten Ereignissen nach der Sambodhi©ingeleitet wird. Don Bericht von eben diesen Ereignissen nun dürfen wirvielleicht als das Grundelement des Mahävastu ansehen, nur alles ins Unabseh-b«re angewachsen , nach rückwärts durch die ganze Vorgeschichte hindurch(einschliesslich der zebn Bbümis der Bodhisattvas) verlängert, durch fortwährendeWiederbolungen derselben Erzählungen, lange Reihen eingestreuter Jätakas, end¬lose Beschreibungen des ilie Ereignisse begleitenden himmlischen Jubels etc.erweitert und verwirrt, von dem Bericht des Mahävagga sich vielfach (wie dasüborhaupt von den meisten nördiicben Erzählungen über Buddba's Leben gilt)in ähnlicher Richtung, jedoch ungleich weiter, entfernend wie etwa die apo¬kryphen Evangelien von den kanonischen. Die an der Spitze des Ganzen(vol. I p. 2, Zeile 15 fg.) stehenden Sätze über die caturvidhä upasampadäaber, deren Auftreten an dieser Stel'e auf den ersten Blick unerklärlich scheint,geben das eigentliche Vinaya-Thema an, dessen historisch-legendarischo Einlei¬tung sich im übrigen zu diesem ganzen chaotischen Werk ausgewachsen hat.Vielleicbt erklärt sich so auch der Titel des Mahävastu. Man kennt die Bedeutungvon vatthu in der Vinaya-Litteratur ; die Erzählung z. li. von den Vorgängenin Campä und der zugehörigen Verkündigung gewisser Ordnungen durch Buddbaist das Campeyijakam vinayavatthu (Cullav. p. 307). In diesein Sinn scbeintmir mahävastu das grosse vinayavastu zu bedeuten. Es entspricbt dem odervielmehr einem kleinen Teil von dem , was im Pälikanon mahäkhandliakaheisst (Mahävagga p. 98).
2) Siehe Huth, die tibetische Version der Naibsargikapräyascittikadhar-mäs (Strassb. 1891), S. 49. Beal, A Catena of Buddhist Scriptures from tbeChinese S. 204 ff.
3) In der eben citierten Scbrift, S. 30 fgg.
646 Oldenberg, Buddhistische Studien.
geschichtlichen Forscher interessieren können. Für diesen ist es
ein und derselhe Text, der in Ceylon wie in Tibet und China vor¬
liegt. Weiter aber, wenn man denn doch die Varianten der Be¬
trachtung würdigen will, hat die gewissenhafte, alle Einzelheiten
genau abwägende üntersuchung Huth's zu dem offenbar wohl¬
begründeten Resultat geführt, dass die Palifassung älter ist als
diejenigen indischen Redaktionen , die der tibet. und chin. Über¬
setzung zu Grunde liegen, ünd es hat sich als höchst wahrschein¬
lich ergeben , dass eine Anzahl von Zusätzen , welche die letzteren
Exemplare gegenüber dem Pälitext aufweisen , aus jenem alten
Kommentar sowie jenen Legenden entnommen sind, welche der Päli¬
kanon im Sutta Vibhaüga als evidentermassen jüngere Zuthaten
zum Text der Pätimokkharegeln hinzufügt'). Aber möge selbst
Huth — was ich meinerseits kaum glaube — in den letzterwähnten
Annahmen zu weit gegangen sein: so viel steht in jedem Fall mit
der äussersten Evidenz fest, dass das Pätimokkha, wenn nicht
in jedem einzelnen Wort, so doch sicher in allem Wesentlichen von
Form und Inhalt, weit davon entfemt, das spezielle Eigentum des
ceylonesischen Buddhismus zu sein, als Gemeinbesitz des ceylo¬
nesischen wie des tibetischen, wie des chinesischen Buddhismus an¬erkannt werden muss.
ünd zwar, können wir hinzufügen, als ein Gemeinbesitz, derzu den fundamentalen Besitztümern zu zählen ist. Aus dem Nor¬
den berichtet I-tsing-) über den Lehrkursus, den der Neuordi¬
nierte durchzumachen hat: ,The Upädhyäya giving out the contentsof the Prätimoksa teaches the candidate the character of the offen¬
ces and how to recite the precepts. These having been leamt,
the candidate begins to read the larger Vinaya-pitaka" •'). Und an
dem südlichen Vinaya-pitaka glaube ich in eingebender Analyse
den Nachweis geführt zu haben, dass dort alles sich um das Päti¬
mokkha als um den Mittelpunkt bewegt. Einzig und allein mit
dem Pät. hat es der Sutta Vibhanga zu thun: er fügt zu jeder
Regel die Worterklärung eines alten Kommentars und eine ein¬
leitende Erzählung, welche die Veranlassung zur Aufstellung der
betreffenden Regel berichtet; zu vielen auch weitere Erzählungen, in
denen zweifelhafte Fälle, die unter die Regel fallen oder nicht fallen,von Buddha entschieden werden. Zu der ihrer Natur nach unvoll¬
ständigen Darstellung der Gemeindeordnung, welche das Sünden¬
register des Pätimokkha giebt, tritt alsdann ergänzend hinzu einzweiter Kodex, das Khandhaka, die zusammenhängende Erörterung
solcher Materien, wie Ordination, Uposathafeier etc. Auch das
1) Siehe Huth a. a. 0. insonderheit S. 45—47. Vgl. auch Beal, Bud¬dhism in China S. 25. Wir kommen auf diese Zuthaten sogleich zurUck.
2) p. 103 der Übersetzung von Takakusu.3) Hier sei auch angefuhrt, dass der Anhänger des Mahäyäna zu deni
Hinayänisten sagt: kim bholt prätimoksavinai/ena . . . , maiuiyänani patha(Minayeff 22 A. 2). '
Oldenberg, Buddhistische Studien. 647
Khandhaka setzt beständig das Pätimokkha als vorhanden und als
bekannt voraus; wo von einer in diesem verpönten Sünde die Rede
ist, kennzeichnet das Kh. die betreffende Strafe durch den Ausdruck
yathä dhammo häretabbo „(der Schuldige) soll behandelt werdenwie es Gesetz ist* oder ähnlich; wo aber ein dort nicht erwähntes
Vergehen mit Strafe bedroht wird, geschieht dies in andrer als der dort
gebrauchten Porm {dukkata etc., nicht päcittiya etc.), da eben offen¬bar der Kreis der unter die Strafandrohungen des Pätimokkha gestell¬
ten Vergehungen fest abgeschlossen dastand und einer Erweiterungnicht für fähig galt. Wie sich hier überall das Pätimokkha als das
Fundament des gesamten Vinaya erweist, so zeigt sich sein höheres
Alter auch darin, dass gewisse in ihm beschriebene disziplinarischeProzeduren in dem erwäbnten alten Kommentar und in den erzählen¬
den Zuthaten des Sutta Vibh aiiga successive weiter entwickelte Gestalten
aufweisen, so dass die Verfasser dieser jüngeren Textelemente, offenbar
ohne dies selbst zu bemerken, den Auffassungen des von ihnen behan¬
delten Textes in der That andre jüngere Auffassungen substituieren ').
Wenn sich so deutlich wie in dieser Analyse des Vinaya-pitaka
die successive Übereinanderlagerung älterer, jüngerer, jüngster Ele¬mente herausstellt und wenn sich so, wie es hier der Fall ist,
zeigt, dass die jüngeren Elemente die älteren auf der einen Seitebeständig voraussetzen, auf der anderen unbewussterweise leise aberdoch bemerkbar modifizieren, so genügt dieser Sachverhalt off'enbar
schon für sich allein, um zu zeigen, auf wie festem Boden vortreff¬
lichster Überlieferung wir hier stehen. Wir sehen das geschicht¬liche Werden dieser Litteratur vor uns; wir nehmen die authen¬
tischen Zeichen wahr, in welchen das geschulte Auge die Spur des
geschichtlichen Werdens zu erkennen gewohnt ist.Auch in Bezug auf die an das Prätimoksa anschliessenden
Weiterentwicklungen aber sind wir schon jetzt im stände, für das
Alter der südlichen Tradition das bestätigende Zeugnis — dessen
jene freilich nicht bedürfen würde — der nördlichen Texte bei¬
zubringen. Wir können nicht nur die Zuthaten, welche das Sutta¬
vibhanga zum Pätimokkha hinzufügt, sondern auch den erweiterten
Darstellungskreis des Khandhaka in die nördliche Überlieferung
verfolgen. Für die Schule der Mahisäsakas '■') informiert uns auf
1) Dies alles ist von mir in der Einleitung zum Vinaya-pitalia vol. Ip. XVII — XXIU dargelegt worden. Aus der Ausdrucksweise Kern's in seinemManual S. 1 darf icli zu meiner Freude wolil entnehmen, dass dieser Forscher,den man wohl kaum einer parteiischen Vorliebe für dio Pälitradition verdächtigfinden wird, mir im Wesentlichen zustimmt.
2) Diese steben allerdings der im Pälikanon vertretenen Schule besondersnahe, sind aber docb von jener zu unterscheiden. Als ein Zeugnis dafür, dassder Kanon „est une production do la secte des MaliT?äsakas" finde ich beiMinayeff (S. 64), dem do la Vallee Poussin 54 nachfolgt, Jätaka vol. Ip. 1 citieit. Was steht dort in der That? Dass einer der Mönche, auf derenVeranlassung der Autor des Jätaka-Kommentars diesen verfasst hat (vgl. denGandhavainsa bei Minayeff S. 247), dem Afahimsiisalcavamsa angehörte!
4 5*
648 Oldenberg, Buddhistische Studien.
Grund der chinesischen Version B e a 1 in seinen leider kurzen, mir
mitgeteilten und von mir veröffentlichten Angaben, Vinaya Pitaka
vol. I p. XLIV fg. ; für die der Dharmaguptas ergiebt sich wesent¬liches aus dem Bericht des Vinaya dieser Schule über die Redaktion
der Pitakas im ersten Konzil, der von demselben Gelehrten eben¬falls aus dem Chinesischen übersetzt ist Uber den tibetischen
Vibhanga sehe man Csoma-Peer, Annales du Musee Guimet II,
184—190^). Aus der nepalesischen Tradition möge als von be-
1) Vhdl. des 5. Or. Kongr., Ostasiat. Section S. 24. •— Wir sehen ausdiesem Bericht zunächst, dass die Päräjilta, Samghädisosa-Abschnitte etc. beiden Dharmaguptas so aufeinander folgten wie im Päli-Vinaya; nur der kurzeAbschnitt der adlnlcaranasaniathä, zu welchem im Päli-Vinaya (vol. IV p. 207)keine Geschichten mit Nennung von Orten und Personen gegeben werden, istübergangen. Wolter finden wir Ort und Hauptperson der einleitenden Geschichtefür eine nicht ganz geringe Anzahl von Regeln namhaft gemacht; fast durch¬weg stimmen diese Daten mit denen des Pälikanon. Nach Erledigung desBhikkhu- und Bhikkhunl-Pätimokkha incl. der zugehörigen Zuthaten geht dieAuseinandersetzung, in genauer Übereinstimmung mit der Anordnung des Päli-Vinaya, zu dem dort als Mahävagga vorUegenden Text über. Die Reihenfolgedor sieben ersten Bücher der Päli-Rezension wird bestätigt (wenn man, wiewohl evident ist, in Bezug auf das sechste statt rules relating to mendicantslesen darf r. r. to medicaments). Einzelne kleine Diskrepanzen aUerdingssind zu verzeichnen; so werden die Vorordnungen über das Vassa-Zeremoniellnacb Sävatthi (im Pälitext uacb Räjagaha) verlegt. Danach ist klar, dass derAufbau des Vinaya der Dharmaguptas im wesentlichen für identiscb mitdem des südlichen V. Pitaka gelten kann.
2) Nach dem, was icb in äusserster Kürze schon Vin. Pitaka vol. Ip. XLVII bemerkt habe, seien bier auf Grund der Excerpte von Csoma-Feer, Ann. du Musee Guimet II, 149—198 einige weitere Worte über die An¬ordnung des tibetischen Vinaya gestattet. Derselbe hebt an mit dem, was demPäli Mahävagga und den Büchern I — VII (ausser V) des Cullavagga entspricht.Die Reihenfolge der Bücher entspricht im ganzen dem Pälitext, doch liegeneinige Umstellungen vor (z. B. stebt Mahävagga IX hinter X). Ehe nun derCullavagga weitergeführt wird, folgen Pätimokkha und Vibhanga lür Möncheund Nonnen. Dann Cullavagga V und vielleicht (die Excerpte erlauben keinganz sicheres Urteil) VIII — IX; weiter jedenfalls entsprechend dem Pälitext X(über die Nonnon) und XI. XII (die beiden ersten Konzilien). In welcher Be¬ziebung das, was dann noch kommt (Vinaya-uttara-grantha, a. a. O. 197 fg.)zum Parivärä des Päli Vinaya stoht, muss dahingestellt b'eiben.
Wie wir die grossen Abteilungen des Päli-Vinaya in Tibet wiederfinden,steht auch die Darstellungsweise dos tibetischen Vinaya, die Verflechtung derkirchenrecbtlichen Auseinandersetzung mit Erzählungen, in engster Beziehungzur DarsteUungsweise des südlichen Kanon. Die Exzerpte von Csoma-Feerlassen in sobr vielen Fällen erkennen, dass an der entsprechenden Stelle dieentsprechende Geschichte stand : so, um nur wenige Beispiele anzuführen, indem Kapitel über Lederartikel und Verwandtes die Geschichte von Sona Kuti-kaniia und Kaccana (Csoma Feer p. 162, Mahävagga p. 194 fg.), iu dom Kapitel«her Wohnstätten die Geschichte von dor grosson Gabe des Aiiäthapindika(Cs. F. p. 176 fg., Cullavagga p. 154 fg.), in dem Abschnitt über die Umdrehungder Almosenschale die Geschichte von dor Verläumdung des Dabba durcheinen Licchavi (Cs. F. p. 192, Cullavagga p. 124 fg). Allerdings sind diesoGeschichten in der tibetischen Version oft viel weiter ausgespoiinen als in derPäliversion (man vergleiche etwa die beiden Fassungen der Geschichte zu demVerbot, Söhne ohne Erlaubnis der Eltern zu ordinieren, Ann. du Mus^e Guimet
4 S *
Oldenberg, Buddhistische Studien. 649
sonderem Interesse hervorgehoben werden, dass der vollständige
Vibhaöga-Abschnitt zu einer Prätimoksaregel (dem 83. Päcittiya
nach der südlichen Zählung) mit einleitender Erzählung, Text
der Regel und dem alten Kommentar ') einer Erzählung des
Divyävadäna (p. 543 fg.) *) einverleibt ist. Die einleitende Geschichteist eine andere als die der Pälirezension ; der Text der Regel
stimmt wohl im wesentlichen ihres Inhalts zum Pälitext *), weicht
aber in vielen einzelnen Wendungen von demselben ab, was denn
eine durchgreifende Abweichung des Kommentars zur Folge hat.
Trotz dieser Differenzen aber tritt die Identität des Typus der
im Norden und im Süden zu der Prätimoksaregel hinzugefügtenZuthaten auf das Augenfälligste hervor. Der Vorfall, welcher den
Anlass zur Verkündigung der Satzung giebt, wird Buddha berichtet.
Dieser „dilcsäkämaiayä (lies Häyä) varnam bhäsitvä (vgl. dazudas vannam bhäsitvä des Suttavibhanga, Vin. Pit. vol. III p. 21,
Zeile 14, das dann bei allen folgenden Regeln nachfolgt resp. zu
ergänzen ist) leitet seine Verkündigung mit den Worten ein: evarnca me ^ävahair vinayaSiksäpadam upadestavyam (Päli stehend:
evarn ca pana bhikkhave imam sikkhäpadam uddiseyyäthä). DieArt und Weise, wie dann der Kommentar die einzelnen Worte der
Regel erklärt, ist ganz dieselbe, welche dem Leser des Pälikanonaus hunderten von Fällen geläufig ist. Von Einzelheiten hebe ich
hervor: anyatra tadrüpät pratyayäd iti tadrüpam pratyayam
sthäpayitvä genau gleich der öfter wiederholten Wendung der
Päliredaktion : annatra tathärüpapaccayä 'ti thapetvä tathärüpa-
paccayam (z. B. Vin. Pit. vol. IV p. 105). Dann die Auseinander¬setzung über den Fall, dass der Schuldige das Bewusstsein der die
Schuld begründenden Sachlage gehabt i-esp. nicht gehabt hat resp.
darüber in Zweifel {vaimatikah, Päli vematikd) gewesen ist (vgl. z. B.
Vinaya Pit. vol. IV p. 15). Endlich der Ahschluss mit den Fällen
V, 9 lfg. und Mahävagga p. 82 fg.), und die erstere Version enthält unzweifel¬haft viel mehr Geschichten als die letztere. — Der Typus der zu den Regelndes Pätimokkha gehörigen Vibhaüga-Geschichten der tibet. Version wird vonCsoma-Feer (Ann. II, 184) folgendermassen beschrieben: ,, . . . actions immo¬rales commises par quelques-uns des religieux, disciples de .Säkya. En generalla connaissance du crime se repand parmi Ie peuple, qui blämo la conduitedes pretres. Säkya est onsuite informe du fait. Le coupahle est cite devantrassemblee; il confesse sa faute. Säkya le reprimande, puis expliquo l'immora-lit^ de l'acte, fait une Ioi ä ce sujet et declare que quiconque la violera seratraits comme un transgresseur." Wie genau dieser Verlauf dem zu zahllosenMalen im Päli-Vinaya vorliegenden Erzählungstypus entspricbt, braucht kaumhervorgehoben zu werden.
1) Nicbt mit nacbfolgenden einzelnen Erzählungen über Fälle der An¬wendbarkeit und Niclitanwendbarkeit: dieselben fehlen auch im Pälikanon bis¬weilen, wohl gar bei den meisten Regeln.
2) Schon Co wel 1-N eil baben auf die Päliparallele zu dieser Stelle desDivyäv. liingewiesen.
3) Es sei bemerkt, dass die chinesische Übersetzung bei Beal, Catenaof Buddhist Scriptures 230 mit dem Pälitext nahezu identisch ist.
650 Oldenberg, Buddliistische Studien.
der anäpatti wie im Päli, darunter so wie dort die anüpattir üdi-
Tiarmikasya (Päli ädikammikassa Das durch den ganzen Ab¬
schnitt häufig wiederholte pürvuvat zeigt, was f'reilich auch ohneeinen solchen Beweis sich von selbst verstehen würde, dass die
ganze Auseinandersetzung — ebenso wie ihr Gegenbild im Päli¬
kanon — einem festen Geleise folgt, in welchem in gleicher Weise
die entsprechenden Darlegungen zu andern Prätimoksaregeln sich
bewegen
Wenn wir die hier (im Text und in den Anmerkungen) auf¬
geführten Materialien überblicken, so stellt sich heraus, dass das
1) Das Wort bedeutet nicht „beginning a wrong action (without finishingit)" wie Cowell-Neil angeben (vgl. aucb de la Vallee Poussin 179),sondern es bezeichnet den ersten Begeber des betreffenden Vergebens, welcber,weil das Verbot erst auf Anlass seiner Tbat erlassen worden ist, selbst von Strafefrei bleibt (yo tasmirn tasmiiii kämme ädibhüto. Atth. zum Päräjika.).
2) Hier und da bieten sich die nepalesischen Texte, in denen wie bekanntdie Vinayamatorialien sebr zurücktreten, zur Vergleichung auch mit den Päli-Khandhakas dar. Schon Cowell hat zu Divyävadäna p. 19 fg. die Päli-Paralleleherangezogen; die Vergleichung spricht nicht zu Gunsten des nördlichen Textes.Ich möchte hier weiter darauf hinweisen, wie das Divyävadäna p. .S29 (mannehme zu dem lückenhaft überlieferten Text die aus der tibetischen Versiongewonnenen Ergänzungen das. S. 707 hinzu) die Vinaya-Satzung darstellt, dassden Dharma nur wor in geböriger Weise dazu aufgefordert ist vortragen darf.Die Situation ist die, dass die Sadvargika Bhiksus den Dharma vortragenwollen. Ebenso Mahävagga p. 113: tena kho pana samayena chabbaggiyäbhikkhii samghamajjhe anajjhitthä dhammarn bhäsanti. Also eine jenerdurch den Päli-Vinaya verstreuten zahllosen Geschichten, in denon die Er¬teilung einer neuen Ordnung von selten Buddha's durch eine von den Cliabbag-giyä begangene Ungehörigkeit motiviert wird. Die Sache wird vor Buddbagebracht: etid prakaraiiam bhiksavo bhagavatä arocayanti: ziemlich genaugleich der stehenden auch in dieser Gescbichte erscheinenden Formel des Päli-Vinaya: bhagavato etam attham ärocesum. Buddha erlässt seine Verord¬nung: tasmän na bliiksunänadhlstena dharmo desayitavyah . bhiksur ana-dhtsto dharmarn desayati sntisäro hhavati. Entsprochend im Mahävagga:na bhikkhave samghamajjhe anajjhittliena dhammo bliäsitabbo. yo bhäseyya,äpatti dukkatassa. Bemerkenswert aber ist aucb der Unterschied der beidenRedaktionen. Im Mahävagga spielt die einfache Erzählung, bei welcher es nurauf die betreffende Vinaya-Vorschrift abgeseben ist. im Kreise der Gemeindeallein. In der nepalesisch-tibetischen Version dient als Staffage ein zauberhafterVihära an der See, zu welchem Scharen von Nägas in der Gestalt von Brah¬manen und Gihapatis herzukommen und der scbliesslich ebenso zauberhaft wioer entstanden ist, auch wieder verschwindet. Ob es wabrsclieinliclier ist, dassdie Mönche die Ordnun^'en für ihr geistliches Leben zuerst einfach nnd sach¬gemäss oder zuerst mit Ausschmückungen von diesem Schlage dargestellt haben,wird Unbefangenen klar sein. — Will man den Khandhaka-Materialion auch diegrösste und wichtigste der im Päli-Vinaya eingefiochtenen Erzählungen zurechnen,den Bericht über die ersten Ereignisse nacb der Sambodhi, das Dhammacakkappa-vattana etc., (Mahävagga I im Eingang), so ist es bekannt, an wievielen Stellender nepalesischen Litteratur (Lalita Vistara, oft im Mahävastu) sich Exemplaredes entsprechenden Berichts finden ; die Analyse derselben erweist unzweifelhaftden im Päli vorliegenden Text resp. eine ihm sehr nahe stehende Version alszu Grunde liegend. Vgl. Kern SBE. XXI, S. XI(f.; speziell für die Episodeder Begegnung Buddba's mit dem Brahmanen Upaka beachte man die lehrreichenZusammenstellungen Feer's Ann. du Musee Guimet V, 482 fg.
Oldenherg, Buddhistische Studien. 651
Vorhandensein einleitender Erzählungen zu den Prätimoksaregeln,
wie der Päli-Vinaja sie aufweist — zum Teil noch so, dass die
vorliegenden Zeugnisse uns die Übereinstimmung mit den Daten des
Pälitexts mehr oder minder in das Detail zu verfolgen gestatten —
sich bestätigt bei den Mahisäsakas und den Dharmaguptas, in der
tibetischen wie in der nepalesischen Litteratur; die letztgenannte
zeigt uns auch die auf die Regel folgenden Worterklarungen inder Weise des Pälitexts; Von der dann nachfolgenden Erörterungeinzelner Fälle hat sich in dem, was wir über die Mahisäsakas
wissen, die deutliche Spur erhalten. Den Anschluss der Khandhakas
an Pätimokkha resp. Suttavibhanga können wir bei Mahisäsakas
und Dharmaguptas verfolgen ; im tibetischen Vinaya hat eine eigen¬tümliche Umstellung stattgefunden. Den Bericht über die Konzilienendlich findet man bei den Mahisäsakas wie in Tibet als Bestand¬
teil des Vinaya und zwar mit grösserer oder geringerer Genauigkeit
erkennbar als an der Stelle stehend, die der Stellung im Päli-Vinaya entspricht; von den Dharmguptas liegt uns der betreffende
Bericht selbst vor und es wird mitgeteilt, dass er dem VinayaPitaka dieser Schule entnommen ist.
Man sieht, dass diese Vergleichungen sich über stattlicheWeiten des buddhistischen Gebiets erstrecken. Immerhin kann
man bemängeln duss dieselben sich, soweit die Zugehörigkeit der
Materialien zu bestimmten Schulen feststeht, durchweg im Gebietder dem Theraväda entstammenden Schulen halten und nichts über
die schismatischen Schulen der Mahäsamghikas beweisen. Über diese
sind wir bis jetzt, soviel ich finden kann, sehr wenig orientiert;
so lange aber die aus den anderweitigen Quellen abgeleiteten Re¬sultate so unverdächtig und wohlbegrändet auf ihrer breiten Basis
dastehen, wie einstweilen der Fall ist, haben wir wohl keine Ursache,
uns durch Zeugen, welche eben bis jetzt uns nichts sagen, miss¬trauisch machen zu lassen. Übrigens bemerkt Beal -), dass mit
der Ordnung der Darstellung im Päli Mahävagga die im Vinaya
der Mahäsamghikas (nach der chines. Übersetzung) , correspondsclosely, though not entirely", so dass wir allen Grund haben, auch
von dieser Seite eine Bestätigung der Authentizität der Päli-Tradition
in den wesentlichen Zügen zu erwarten.
Es lässt sich bis jetzt nicht ermessen, ob jene oben (S. 647) be¬
rührten feinen Indizien, welche im Päli-Vinaya so zu sagen die
1) So Kern, Manual 3.2) Buddhism in China S. 31. Für ©ine gewisse Übereinstimmung im
Aufbau des Vinaya der Mahäsamgbikas mit dem der andern Schulen würdeauch die oben S. 045 Anm. 1 vorgetragene Auffassung, wenn dieselbe sich alsrichtig bewährt, sprechen. Es sei auch darauf aufmerksam gemacht, dass dieunten zu gebenden Erörterungen übor das Sütra Pitaka uns vielfach das Mahä¬vastu, d. h. die Mahäsariighikaschule, als die Daten des Pälikanon bestätigendzeigen werden: die Vermutung eines ähnlichen Verhältnissos für den Vinayaist danach wohl zulässig.
652 Oldenherg, Buddhistische Studien.
Jahresringe des allmähligen Wachsthums dieser Litteratur repräsen¬
tieren, auch in den chinesischen Versionen der andern Schulen zu
erkennen sein würden. Aher schon jetzt ergeben die hier vorgelegtenBetrachtungen ein Gesamtresultat, das wir etwa in folgenden Sätzen
formulieren dürfen. Von einer Auffassung des Päli-Vinaya als
eines dem ceylonesischen Buddhismus eigentümlich angehörigenGebildes kann nicht die Rede sein. In der ausserceylonesischen
Tradition finden sich grosse Mengen von Einzelheiten wieder, die
in Bezug auf alle verschiedenen Schichten dieser schichtweise sich
aufbauenden Litteratur je nach dem Stande unsrer gegenwärtigen
Kenntnis bald knappere, bald ausserordentlich reichhaltige und ein¬
gehende Bestätigungen für die Güte der Päli-Uberlieferung bieten.
Innerhalb der südlichen Uberlieferung selbst aber vervollständigt
das Aussehen der Lagerung jener Schichten und der zwischen ihnenobwaltenden leisen Unterschiede den Beweis dafür, dass wir hier
ein vorzüglich erhaltenes Exemplar jenes im Norden wie im Süden
wesentlich identischen Vinaya-Schrifttums vor uns haben. Ob das
südliche Exemplar direkt das Ursprüngliche ist '), wird zu fragen
sein, wenn insonderheit die chinesischen Materialien vollständig vor¬
liegen. Bis jetzt ist Nichts bekannt, was diese Annahme ausschliesst.
Wenden wir uns nun vom Vinaya zum Sütra-Pitaka. Ent¬
sprechend der weniger festen und durchsichtigen Komposition dieses
Pitaka und der minderen Zugänglichkeit der ausserindischen Mate¬
rialien werden wir Iiier nicht ganz mit derselben Bestimmtheit zu
operieren imstande sein wie bisher. Aber wir werden doch finden,
dass auch hier Alles auf das gleiche Resultat hindeutet, welches
wir für den Vinaya gewonnen haben. Und wie wäre esanders zu erwarten? Wer diese beiden Pitakas des Päli-Kanon
nebeneinander studiert, dem wird es sich mit unmittelharer Gewiss¬
heit als selbstverständlich aufdrängen, dass das eine wie das andre
ein Bestandteil derselben grossen Traditionsmasse ist, das eine mit
dem andern in Bezug auf Alter und Authentizität genau auf der¬
selben Linie steht. Es würde starker Gegenbeweise bedürfen, einensolchen Eindruck zu entkräften.
Doch wenden wir uns von solchen allgemeinen Bemerkungen
dazu, eine Reihe konkreter Thatsachen zu durchmustern.
Es sei zunächst hervorgehoben, dass das Hauptprinzip der An¬
ordnung des Sütra-Pitaka, die Verteilung der Sütras auf die vier
oder fünf grossen Sammlungen — je nachdem man den Khuddakä
Nikäya mitzählt oder nicht-) — durch die nördlichen Daten durch -
1) Abgeselien natürlich von dem Dialekt. Und ich möchte anch im Üb¬rigen Ursprünglichkeit immer nur im Grossen und Ganzen vorstanden wissen.Dass ein Exemplar dieser Textmassen in allen Details das Ursprüngliclieunversehrt oder auch nur jedesmal unversehrter als die übrigen Exemplar©erhalten baben sollte, ist von vornherein ausgeschlossen.
2) In Bezug auf diesen Punkt verweis© ich auf S. C.')4 , Anm. 2. Hiersei MiUnda Panba p. 22 ziüerX, : paiicanelcüyilcä pi ca catunekägihä c'eva Näga-senani puralMiarum.
Oldenberg, Buddhistisclie Studien. 653
aus bestätigt wird. Das Divyävadäna erkennt jene Sammlungen wieder¬bolt als die Grundlage des mönchischen Wissens an '); es benennt
sie ^) mit Namen , welche die mehr oder weniger genauen Äquiva¬lente der Pälibenennungen sind, als das Sainyuktaka (Päli: Sam-
yuttaka Nikäya), Madhyama (Majjhima Nikäya), Dirghagama (DTghaNikäya), Ekottarikä (Anguttara Nikäya; im Pälikanon heisst ein
nach dem Prinzip dieses Nikäya geordneter Abschnitt des Parivärä,das sechste Kapitel dieses Werkes, in der That Ekuttaraka). So
viel ich finden kann, denkt das Divyävadäna nicht daran, für sich
selbst einen Platz in einer dieser Sammlungen zu beanspruchen;
um so viel deutlicher tritt hervor, wie dieselben für die Kreise, aus
welchen das Divy. hervorgegangen ist, sozusagen das Fachwerk
darstellen, in welchem zwar nicht die selbstgescbaffene, moderne,
aber die von dieser deutlich als unterschieden gefühlte alte, kano¬
nische Litteratur des Buddhismus ihre festgeordnete Stelle findet.
Nicht anders lässt der Bericht der Dharmaguptas über dieRedaktion der heiligen Texte im ersten Konzil *) die Sütras auf die
grossen Kodizes der „Long Collection', der Mittleren Sammlung,
der ,Add-one Collection' und der Samyukta-Sammlung verteiltwerden, denen sich an fünfter Stelle die „ miscellaneous collection of
Sutras' wie Jätakas, Dharmapada etc., also mehr oder weniger genau
das, was in Ceylon Khuddakä Nikäya heisst, anschliesst *). Die von
Bunyiu Nanjio katalogisierte chinesische Textsammlung umfasst in
der That den Dirghagama (Nr. 545), den Madhyamägama (542),
den Ekottarägama (543), den Samyuktägama (544).
Fragen wir nun , ob sich die Vergleichbarkeit dieser vier
Ägamas mit den vier grossen Nikäyas des Pälikanon noch weitererstreckt als auf ihre Titel.
Was den DTrghägama anlangt, so lässt die eben erwähnte Konzüs-
geschichte der Dharmaguptas diesen mit dem Fan-tung (Brabmajäla)
Sütra anheben, genau wie dies vom Digha Nikäya gilt. Jener selbe Be¬
richt nennt dann von weiteren Sütras des DTrghägama unter andern ^)
das , adding ten' ; dies liegt im DTgha Nik. als Dasuttara Suttanta vor.
Weiter das „Sütra relating to the perfection and destruction of the
world'; es ist kaum gewagt, dasselbe mit dem Aggannasutta des
Digha Nik. zu identifizieren. Sodann das Mahänidäna Sutta und
die .questions asked by Sakra-räja'. Der eine wie der andre Text
— der letztere unter dem Titel Sakkapanhasutta — ist im DTgha
1) Siehe S. 17 gegen Ende, S. 331. Vgl. B u r n o uf, Introduction S. 48 f^;.2) DivjBvadäna p. 333.5) In der oft vou uns erwähnten, von Beal ühersetzten chinesischen
Version, a. a. 0. 28.4) Wir dUrfen uns auf diese Stelle gegenüber der Behauptung Barth's
(Bulletin, Bouddhisme, 1894, S. 1, Anm. 1) berufen, dass die Anordnung derSütralitteratur nach den fünf Nikäyas dem nördlichen Buddhismus unbekannt sei.
6) Ich übergehe hier zwei Titel, über die ich gegunwärtig keine Aus¬kunft geben kann: das „adding one" (vgl. B. Nanjio Nr. 545, 11) und dasSeng-tchi-to Sütra (= Sonadanda S. ??).
654 Oldenherg, Buddhistisclie Studien.
Nikäya entlialten. Die Ordnung, welche der chinesische Bericht
innehält, divergiert allerdings von der des Pälitextes. Für jene
chinesische Version des Dirghägama, welche Bunyiu Nanjio be¬
schrieben hat (Catalogue Nr. 545), hat schon dieser Gelehrte selbst
gezeigt, wie der bei Weitem grösste Teil der Sütras im entsprechen¬den Päli-Nikäya wiederzufinden ist; eine Anzahl von Divergenzen
bleibt allerdings übrig. Auch für den Madhyamägama Nanjio's
(Nr. 542) lehrt schon ein flüchtiger Blick die Übereinstimmung eines
grossen Teils der Sütratitel mit denen des Majjhima Nikäya.Üeber den Ekottarägama Nanjio's (Nr. 543) lässt sich auf Grund
des Catalogue kaum etwas Wesentliches bemerken. Uber den Sam¬
yuktägama sagt der Bericht der Dharmaguptas, dass derselbe
, treatises relating to the Bhiksus, BhiksunTs, Upasakas, Upäsikäs,
Devas, Sakra, Brahma, Mära, and so on' umfasst babe. Man sieht
auf den ersten Blick, wie gut das zu dem Päli-Sarnyuttaka stimmt,
welches in der That ein Devatäsarayutta, ein Märasamyutta, ein
Bhikkhusamyutta etc. enthält; fast sämmtliche Titel der eben ge¬
gebenen Aufzählung sind in ihm vertreten >). Die zufällige Reihen¬
folge im Pälitext gegenüber der dem Sinn der betreffenden Titelentsprechenden Gruppierung im chinesischen Bericht dürfte die
Präsumtion der Ursprünglichkeit für sich haben.
Was den Khuddakä Nikäya anlangt, so schwanken, wie schon
berichtet wurde , die Auffassungen darüber , ob derselbe als ein
fünfter neben den vier anderen Nikäyas zu gelten habe. Es sind
nicht allein die nördlichen Texte, die in der Regel nur von vier
Ägamas sprechen; auch in Ceylon war die Ansicht vertreten, dass
dass Sutta Pitaka allein jene vier Sammlungen umfasse; die fünfterechnete man dem Abhidhamma zu-). Auch die nördliche Tra¬
dition übrigens kennt das , Ksudrakä" in der Bedeutung von Khud-
1) Nur eill UpSsakasnmyutta ist niclit da; doch findet sich unter denUnterabteilungen cin Upäsakavagga. Sodann fehlt ein Upäsikäsamyutta; viel¬leicht würde auch hier eine genauere Nachforschung als sie mir momentanmöglicli ist, ein Äquivalent eines solchen ergeben.
2) Siehe Childers s. v. nihäi/0. Diein dor Tradition etwas schwanken¬dere SteUung dor fünften Sammlung neben den ,,vier Agamas" mächte ich üb-riaens nicbt dahin deuten, dass die betrefTenden Te.\te jünger oder auch nur vonminder sicherer Itanonischer Dignität gewesen sein müssten. Jede der vierersten Sammlungen stellte einen kompakten Komplex von gleichartigen Materia¬lien dar , welche vom Anfang bis zum Ende in einheitlicher Weise geordnetwaren. Die fünfte Sammlung enthielt mannigfaltige, von einander unabhängigeMiscellanea; wohl Grund genug, dass ibr Studium nicht als ein vollkommengleicbborecbtigter und den übrigen gleichartiger Zweig des Studiums der heili¬gen Uberlieferung anerkannt gewesen zu sein scbeint, IJeobachtet man, wie derSuttanipäta im Vinaya (Mahävagga p. 19G) oder im Samyutta Nikäya (vol. IIIp. 9) oder im Anguttara Nikäya (VI, Gl) zitiert wird, wird man über das hoheAlter jenes Textes nicht im Zweifel sein. Allerdings dürfte die eben aus-gesprocheno günstige Beurteilung schwerlich auf alle Texte des Khudd. Nik.auszudehnen sein; das lockere Geftige dieses Nikäya war leichter als die Festig¬keit andrer Teile des Kanon der Zufügung jüngerer Materialien zugänglich.
Oldenberg, Buddhistische Studien. 655
daka Nikäya und zitiert aus demselben, wie wir gleich sehen werden,einen Textabschnitt, der im Päli Khudd. Nik. in der That vorhanden
ist '). So darf weuigstens für einen Teil der Texte des Khudd. Nik.wie auf Grund ihres Inhalts so auf Grund der äbereinstimmen¬
den Bezeugtheit im Norden wie im Süden gesicherte kanonische
Dignität in Anspruch genommen werden. So zum Beispiel — ichversuche hier nicht alles Einzelne zu diskutieren — für das Dham¬
mapada; wir kommen auf dessen nördliche Exemplare noch zurück.
Von besonderem Interesse aber ist in diesem Zusammenhang die
auf nördlicher wie auf südlicher Seite überlieferte Geschichte, wie
der Mönch Sona Kutikanna vor Buddha gewisse heilige Texte vor¬
trug. Der südliche Bericht sagt hiervon: sabban' eva aifhaka-
vaggikäni sarena a^'.'Ääsi (Mahävagga p. 196) oder solasa atthaka-
vaggikäni saibän' eva sarena abhani (üdäna p. 59 ed. Steinthal).
Die entsprechende nördliche Version lautet: udänüt päräyanät
satyadistah dailagäihä munigäthä arthavargiyäni ca süträni vi¬starena svarena svädhyäyam karoti (Divyävadäna p. 20), wozu die
Parallelstelle zu fügen ist: udänätpäräyanät satyadrSah sthavira-
gäthäh Sailagäthä munigäthä arthavargiyäni ca süträni vistareriasvarena svädhyäynrn kurvanti (p. 34 fg.). Es ist charakteristisch, wiesich die südliche Version bescheidentlich mit der Rezitation eines
Textes begnügt, während der nördliche Autor es recht gut machenwill und eine ganze Reihe längerer und kürzerer Texte durch einander
häuft. Derjenige Titel , welchen beide Versionen übereinstimmend
zitieren — die südliche in der richtigen , die nördliche in einerfehlerhaft sanskritisierten Porm — wird in der letzteren Porm
auch in der Abhidharmakosavyäkhyä erwähnt, und zwar als dem
Ksudrakä (= Khuddakä Nikäya) angehörig 3). Dort findet er sich
im Pälikanon in der That als der vierte Hauptabschnitt des Sutta
Nipäta. Man beachte, dass der betreff'ende Text dem ürheber derim Norden wie im Süden vorliegenden Relation nicht nur als vor¬
handen, sondern, wie die Bezeichnung varga lehrt, als ein innerhalb
eines grösseren Ganzen an seiner festen Stelle stehendes Textstück
bekannt gewesen sein muss, und ferner, dass der Titel atthaika^
die Authentizität der Verszahl mehrerer der einzelnen Sütras, so
wie diese Zahl in dem vorliegenden Päliwerk sich stellt, garantiert*).
1) Vgl. auch Kern Manual, S. 5, A. 1.2) Was die Benennung arthavargiya mit dem Inhalt des hetreffenden
Textes zu thun hat, wäre unerfindlich. Atthakavagga heisst derselbe danach,dass in ihm ein guhatthakasutta , ein dutthatthakasutta, ein suddhatthaka¬sutta, ein paramatthakasutta erscheint. Diese Suttas ihrerseits haben dieseBenennungen davon, dass jedes aus acht Versen besteht.
3) Cowell-Neil Divyäv. p. 704fg.; Burnouf Introduction p. 5C5.Co well -Neil teilen den Wortlaut des Verses mit, welchen die Abh. K. Vy.aus den Arthavargiyäni Süträni des Ksudrakä anführt. Er findet sich, wasdoch wichtig ist, im Päli Atthakavagga wieder (Suttanip. 767).
4) Und indirekt, wird man hinzufügen könnon, auch die Verszahl derübrigen Sütras. Denn man sieht leicht, dass dieselben nach aufsteigender Vers-
656 Oldenherg, Buddhistische Studien,
So weist ein Text vom Sclilage des Divyävadäna gelegentlich auf
Phasen der litterarischen Entwickelung zurück, die verglichen mit
ihm selbst einer fernen Vergangenheit angehören, und die Daten,
die er giebt, stimmen bis in solche Details, wie wir sie eben kon¬
statiert haben , zu dem , was im Pälikanon , sobald wir an der
richtigen Stelle nachsuchen , zu Tage liegt. — Was die ührigen
Texte anlangt, welche an den mitgeteilten Stellen des Divyävadäna
zitiert werden, so kann zunächst in Bezug auf das Päräyana kein Zweifel
obwalten. Dieses folgt auf den Atthakavagga als fünftes Haupt¬stück des Sutta Nipäta. Führen uns also zwei dieser Titel mit
gänzlicher Sicherheit auf den Sutta Kipäta, so werden wir umso¬
mehr geneigt sein, die Saiiagätkäh und Munigälhäh mit dem ISela-sutta^) und Munisutta desselben Textes (p. 99. 36 ed. Fausböll; für
den ersten dieser Texte vgl. auch Theragäthä 818 fl'.) zu identifl-zieren. In dem ersten dieser Suttas heisst es (p. 104) atlia kho
Selo brähmano bhayauantam sanmiukhä säruppälii gäthähi
Oibhitthavi — und es folgt dann der Wortlaut von gätliäs, die teilsin den Mund des Sela , teils in den Buddhas gelegt sind , so dass
sich die Bezeichnung Sailagäthäs vollauf rechtfertigt. Das Muni¬sutta besteht seinerseits, wie wir schon oben (S. 037) bei der Dis¬kussion des Vorkommens eben dieses Titels in der Inschrift von
Bairät bemerkten, ausschliesslich aus gäthäs. Dass wie Atthaka¬
vagga und Päräyana so auch beide eben besprochenen Texte dem
Kreise des Sutta Nipäta angehören, wird die Zuverlässigkeit der
hier voigeschlagenen Identifikationen , indem die eine der andern
als Stütze dient, steigem und wohl der Gewissheit nahe bringen.
Es bleiben von den im Divyävad. genannten Titeln noch übrig
Udäna und Sihaoiiagäthäs , welche als Udäna und Theragäthä
bekanntlich im Päli Khuddakä Nikäya vorliegen. Endlich als
einziger bis jetzt, so viel ich finde, nicht identifizierbarer Titel
SatyadrSah (schwerlich Satyadistah). Man wird nach dem Allennicht leugnen, dass eine Stelle wie die hier betrachtete über den
Dharniavortrag des Srona Kotlkarna eine nicht geringe Fülle be¬
stätigender Bezeugung von Seiten des nördlichen Divyävadäna über
die südliche Litteratur des Khuddakä Nikäya ausgiesst.
Bis jetzt haben wir uns im Ganzen , von wenigen dem Fol¬
genden schon vorgreifenden Bemerkungen abgesehen, damit begnügt,die Gesamtstruktur, das Fachwerk des südlichen Sütra Pitaka als
durch die nördlichen Zeugnisse gewährleistet zu erweisen: darzuthun,dass sich für die Elemente dieses Pitaka in seiner südlichen Fassung
im Grossen und Ganzen den Titeln nach korrespondierende Elemente
im Norden nachweisen lassen. Wir müssen nun fragen , wie sich
zahl geordnet sind : oin Prinzip, dessen genauer Kinklang mit dem vorliegendenText die gute Krtialtung desselben, was die Verszahl anlangt, mit derselbenSiclierheit gewährleistet, wie Gleiches bekanntermassen iunerhalb der vedischenLitteratur gilt.
1) So-vermutungsweise schon Cowell-Neil, Divy. p. 704.
Oldenherg, Buddhistische Studien. 657
die Texte selbst, welche diese übereinstimmenden Titel tragen, auf
beiden Seiten zu einander verhalten. Natürlich kann diese Pragenur an einigen wenigen Beispielen behandelt werden; für ihre er¬
schöpfende Erledigung stellen vor Allem die von Nanjio verzeich¬
neten chinesisehen Ausgaben der vier grossen Ägamas überreiche,uns heute fast durchweg noeh unzugängliche Materialien in Aussicht.
Wir sahen, dass die Dharmaguptas so gut wie die ceylone¬sischen Buddhisten den Dirghägama mit dem Brahmajälasütra
eröffnen. Beal (The Buddhist Tripitaka as it is known in China
and Japan, p. III) macht Mitteilungen über eine chinesische Version
des Brahm. Sütra, die auf wesentliche Ubereinstimmung mit demPälitext sehliessen lassen; dasselbe darf auch von der tibetischen
Version angenommen werden, vgl. Peer, Annales du Musee Guimet
II, 286, A. 4.
In Bezug auf ein andres Sütra des Dirghägama, das Parinir¬
väna S., konstatiert Beal (ebendas.) Ubereinstimmung des chine¬sischen Exemplars mit dem parallelen Pälitext*). Die tibetische
Version (Dulva) giebt im Auszug Rock hill, Life of the Buddha
123 fgg.; ich stelle die ersten Sätze derselhen der Päli-Parallele
gegenüber:
Dulva: „The Blessed Buddha was stopping at Rajagriha on
the Vulture's Peak mountain. Now at that time Vaidehiputra
Adjatasatru, king of Magadha, was not on friendly terms with tbe
Vrijians; so he said to his courtiers, "I will conquer these Vrijians,I will crush them, I will put them to rout for their turbulence;
rich, mighty, happy, prosperous, numerous though they be'.
Mahäparinibbäna Sutta: [Evam me sutam.] Ekam samayamBhagavä Räjagahe viharati Gijjhaküte pabbate. Tena kho
pana samayena räjä Mägadho Ajätasattu Vedehiputto Vajjl
abhiyätukümo hoti, so evam äha: aham ime Vajji evammahid-
dhike evammahänubhäve ucchecchami Vajji vinüsessämi Vaji
anayavyasanam äpädessämi VajjUi.
Ganz so weit wie in diesen Eingangswc ten geht nun freilich
die Übereinstimmung im weitem Verlauf der beiden Texte nicht.
Von Differenzen ist insonderheit hervorzuheben, dass auf tibetischer
Seite einige Abschnitte hinzugekommen sind, die in ihrem fabu¬lierenden oder allzu stark ins Wunderbare spielenden Charakter
offenbar für spätere Hinzufügungen zu halten sein werden ; so dieGeschichte von dem Gandharvakönig, dessen Namen Rockhill zweifelnd
als Abhinanda wiedergiebt '') (Rockh. 137), von dem Tode des Su¬
bhadra (mit Jätakas, die aus diesem Anlass erzählt werden , Rockh.
138 fg.), von der Benachrichtigung des Ajätasatru in Betreff von
1) Poch vgl. die Bemerltungen von Khys Davids, SBE. vol. XI,pp. XXXVI fg.
2) Nach Divyävadäna p. 202 dürfte d.tfür Supriyä zu setzen sein.
Bd. LII. 43
658 Oldenherg, Buddhistische Studien.
Buddhas Tod (142)'), die Ausmalung der Kriegsvorbereitungen beidem Streit um die Reliquien (146)-). Im Ganzen aber lässt sich
schon auf Grund des Rockhill'schen Auszugs eine so weitgehende
Übereinstimmung bis zum Schluss'') konstatieren, dass man in der
That nicht von zwei Texten , sondern von zwei im Wesentlichen
identischen Exemplaren eines und desselben Textes zu sprechenhaben wird.
Mit Recht bemerkt Rh. Davids*), dass ein Sanskrittext über
die letzten Tage Buddba's uns nicht vorliegt. Wenigstens teilweise
aber wird diese Lücke durch das 17. Kapitel des Divyävadäna aus¬
gefüllt, welches einige Abschnitte eines nördlichen Mahäparinirväna-
sütra (Entschluss Buddba's die öyuhsamslcäras zu entlassen; seinletzter Blick auf Vaisäli) erhalten hat, um dann auf dieser Grund¬
lage eine Erzählung jüngeren Stils aufzubauen. Schon Windisch'),hat die Päliversion und die des Divyävadäna einander gegenüber¬
gestellt. Wir folgen ihm hier nicht in die Einzelheiten; für unsern
augenblicklichen Zweck genügt es zu konstatieren, dass durch die
Vergleichung der nördlichen Rezension die Authentizität des Päli¬
textes im Wesentlichen gesichert wird. Was schon die Ver¬
gleichung von Rockhill's Dulva-Excerpt uns bewies, finden wir
wieder bestätigt; es muss eine Erzählung von Buddba's letzten
Wanderungen gegeben haben , die nicht spezielles Eigentum des
ceylonesischen Buddhismus , sondern über die ganze buddhistische
Welt verbreitet war, als deren getreuen Repräsentanten aber, wennvielleicht nicht in jedem Wort und jedem Buchstaben, so doch
nach dem ganzen Tenor, der litterariscben und dogmatischen Pär¬
bung und im Grossen und Ganzen auch im Wortlaut, wir das süd¬liche Mahäparinibbäna Sutta ansehen dürfen.
Es ist übrigens von Interesse zu beobachten , wie sich das
hier erwähnte 17. Kapitel des Divyävadäna auch unabhängig von
1) Diese Kpisode lässt den MaliBkäsyapa den Eintritt von Buddhas Tod«ns dem Erdbeben scbliessen (141), wäbrend die alte Vorstellung nicbt nur dersüdlichen kanonischen Texte (Mahäparinibb. Sutta und Cullavagga) , sondern«uch jener tibe.ischen Version selbst (Kockh. 144) die ist, dass Mahäkä.iyapa«uf der Wanderung durcb einen begegnenden Ajivaka sieben Tage nach Buddba'sTod von diesem Ereignis in Kenntnis gesetzt wird.
2) An zwei Stellen, so viel ich sehe, wird die Frage aufzuwerfen sein, obnicht die tibetische Version den Vorrang vor dem Pälitext verdient. Der alte(oben S. 618), aber im Pälitext auffallendorweiso nicht berührte Zug von derVerunreinigung der Leiche Buddhas durch Weiberthränen ist vielleicht — dasExcerpt erlaubt kein ganz sicheres Urteil — in der tibetischen Version vor¬handen (143). Sodann fehlt dieser Version (147) die etwas verdächtig aus¬sehende und vielleicbt interpolierte Erwähnung der Mauryas Mahäparinibb. S. S. 70.
3) Es ist bemerkenswert, doss aucli dio Scblussverse des Mahäparinib¬bäna S.. welche Buddhaghosa (nach Rh Davids, SBE. vol. XI p. 13;')) fürein Machwerk ceylonesischer Theras erklärt, die Gewähr der tibetischen Re¬daktion (S. 147) für sich haben.
4) SUE. vol. XI. p. XXXVI.5) Mära und Buddha 33 fg.
Oldenberg, Buddhistische Studien. 659
der Vergleichung des Pälitextes in seiner Diktion und dem ganzenCharakter der in ihm herrschenden Phantasie auf das Schärfste in
zwei Teile zerlegt , deren Teilpunkt eben da liegt , wo der alte
Originaltext aufhört (p. 209 Anfang). Vorher der archaische Wort-
reichtum der endlos wiederholten stehenden Wendungen: athüyus-män Anando Bhagavantam idam avocat. Hinterher kurz: stha-
viranandah kathayati. Aber als Ersatz für diese Wortknappheiteine um so verschwenderischere Plut von Hunderttausenden von
Wesen, welche um den Erhabenen zusammenströmen; Hundert¬
tausende von Rsis, die aus Berghöhlen hervorkommen; Götter und
Nägas, Yaksas und Gandbarvas, Kinnaras und Mahoragas: in zahl¬
losen Massen bekehrt man sich, vollzieht das daranagamana, erlangt
die srötäpatti, das sakr däg ämiphalam etc. Es kann nicht greif¬barer als in diesem Abschnitt des Divyäv. uns vor Augen treten,
dass der einfache Stil der Pälitexte schlechterdings nicht etwas
dem singhalesischen Buddhismus Eigentümliches ist , sondern dasseben die Autoren , welche den bunteren , phantastischen Stil des
nördlichen Typus kultivierten , auf eine alte , von ihrer eigenen
Darstellungsweise sich auf das Schärfste abhebende Tradition zu¬rückblickten , welche mit der Pälitradition dem Kern der Sachenach identisch ist.
Ein weiteres Sutta des DTgha Nikäya, welches ich hier als
interessante Vergleichungen veranlassend hervorheben möchte , ist
das Mahägovindasutt a.
Im Mahävastu (vol. III, p. 197, 9 flF.) finden wir, in den Zu¬
sammenhang anderweitiger Darstellungen verfiochten , die Angalie,
dass Jiu^Aha, „Mahägotindiyam sütram vistarena vyäkaroti''^ ; und
es folgt nun der Text dieses Sütra. Das ihm korrespondierende
Mahägovindasutta des Pälikanon liegt in der Tipitaka-Ausgabe des
Königs von Siam (Abt. 2, Band 2) jetzt vor. Da dieselbe nicht
allgemein zugänglich ist, teile ich hier Excerpte aus diesem Suttamit, welche ich vor längerer Zeit nach der singhal. Hschr. des
DTgha Nik. im India Office gemacht habe. Unerhebliche Pehler derHandschr. verbessere ich stillschweigend. Punkt für Punkt stelle
ich die Parallelen des Mahävastu gegenüber.
„Das Govindasutta erwähnt den Partcasikho Gandhabbaputto:
Mahäv. III, 197, 5.
seyyathäpi näma Gangodakam Yamunodakena samsandatisameti evam eva supannattä tena bhagavatä sävakänam ntbbäna-
(jämini patipadä, samsandati nibbänam capatipadäca. M. 201, 16fg.
bhütapuibam bho räjä Disampati näma ahosi. Disampatissaranno Govindo näma brähmano purohito ahosi. Disampatissa
raivho Renu näma kumäro putto ahosi. Govindassa brähma¬
nassa Jotipälo näma mänavo putto ahosi. iti Renu ca räja-
putto Jotipälo ca mänavo anne ca cha khattiyä icc ete attha sa¬
häyä ahesurn. M. 204, 8 fg.
660 Oldenherg, Buddhietische Studien.
Govinda stirbt. Sein Sohn soll sein Nachfolger werden.
M. 204, 14; 205, 8.
atha kho räjä Disampati Jotipälam mänavam Govindiye
abhisinci pettike thäne thapesi. abhisitto Jotipälo mänavo Go¬
vindiye pettike thäne thapito ye pi 'ssa pitä atthe anusäsi te piatthe anusäsi ye pi 'ssa pitä kammante abhisambhosi te pi kam-manle abhisambhoti. tam enarn manussä evarn ähamsu : Govindo
vata bho brähmano, Mahägovindo vata bho brähmano ti. M. 206,5—13.
Disampati stirbt; räjakattäro Renum räjaputtam rajje abhisiU-cimsu. Mahagovinda soll die Erde unter Renu und die Andern ver¬
teilen. M. 207, 6. 7; 208, 4. 5. Die Erde heisst: imain mahäpa-
thavini uttarena äyatam dakkhinena sakatammukham. M. 208,
151). — tatra sudam majjhe Renussa raniio janapado hoti;
Dantapurarti Käliiikänam Assakänan ca Potamam
Mähiyati Avantinam Soviränan ca Rerukam
Mitilä ca Videhänam Campä Ahgesu mäpitä
Räränasi ca Käsinam ete Govindamäpitä ti. M. 208,16 fg.-).
.... Sattabhu Brahmadatta cd Ve.'isaihu Bhayato sahaRenu dve ca Dhütaratfhä tadäsuni satta Bhäradhä ti'-^).
Dann ein Stück weiter:
idh' ekacco vivittam senäsanam bhajati ararinarn rukkha-
mülarn pabbatam kandaram giriguham susänam vanapattarn
abbhokäsam palälapunjam iti ekodivibhüto (sic) ti. Gehört offen¬bar mit M. 213, 8 fg. zusammen, weicht aber ab.
atha kho so Mahägovindo brähmano yena cattärisä bhäriyä
südisiyo ten upasamkami, upasarnkamitvä . . . etad avoca: yä
bhoti na (offenbar bhotlnam) icchati sakäni nätikuläni gacchatu
nfmain vä bhattäram pariyesatu. icchämi! aham bhoti agärasmä
anagäriyam pabbajitum. M. 222, 1.Buddha selbst war damals Mahagovinda. M. 224, 5."
Das Angeführte wird hinreichen zu zeigen, dass ein irnWesentlichen mit der Pälirezension identischer Text dieses Sütra
der im Mahävastu vertretenen nördlichen Schule vorlag.
Wir gehen in unserer Vergleichung einzelner nördlicher und
südlicher Sutratexte zum Majjhima Nikäya weiter und verweisenauf das Am balat thikä-Rähuloväd a sutta, dessen chinesische
Version S. Levi*) zugänglich gemacht hat. Auch hier dürfen wirvon einer Diskussion der unerheblichen Differenzen zwischen den
beiden Redaktionen absehen ; das Gesamtverhältnis wird treffend
1) Hier fällt Licht auf diese Zeile des Mahävastu, die offenbar nicht zudon folgenden Versen gehört.
2) Ich gebe dioso Verse , die für die Behandlung des verderbten Mahä-vastutexts von Bedeutung sind, sowie den nächsten mit den Fehlern dor Hschr.Man vergleiche den Text der siamesischen Ausgabe, a. a. 0., S. 284 fg.
3) Felilt im Maliävastu.4) Siehe oben S. 035, Anm. 2.
4 i
Oldenberg, Buddhistische Studien. 661
von Levi in den Worten charakterisiert; „L'etroite parente du
texte septentrional avec la redaetion palie garantit la reelle anei-
ennetfe du Sütra original". Es war die 13eschäftigung mit den
von Asoka in der Bairät-Inschrift gegebenen Andeutungen gewesen,welche L6vi veranlasst hatte, an dieser Stelle in die chinesische
Ägama-Übersetzung hineinzugreifen. Man ermesse, welch' eklatante
Bestätigung der Güte der Pälitradition gleich dieser Grill' gebracht
hat. An solchen Erfolg werden sich weitere Erfolge anreihen. —
Auf ein anderes Sutta des Majjh. Nik. werden wir geführt, wenn
wir Mahävastu III, 67, 7 lesen: Dirghanakhasya parivrCijahasiiasütram Icartavyam. Leider wird das Sütra selbst nicht mitgeteilt,
aber wir haben Grund genug, dasselbe für mehr oder minder genau
identisch mit dem Dighanakha Suttanta Majjh. Nik. Nr. 74
zu balten. Der hier auftretende Dighanakha ist, der Angabe des
Mahävastu entsprechend, ein paribhäjaka, und weiter stiramt, dass
der nördliche Text auf dies Sütra bei Gelegenheit der Erzählung
von Säriputra's Erlangung der Arhatschaft liinweist, eben dies Er¬eignis aber in dem Päli-Sutta erzählt wird
Für Texte des Samyutta- und Anguttara Nikäya haben
die von v. Oldenburg untersuchten alten, aus Kashgar stammen¬
den Handschriftfragmente ,de curieuses rencontres" ergeben ''■).Wir heben hier noch hervor, dass das Daharasutta des Samy.
Nikäya im wesentlichen identisch im Kandjur wiedergefunden ist-');ebenso das U p a d d h a gleichfalls des Samy. Nikäva *). Ich mache
noch auf dort vol. I p. 133 stehende Verse aufmerksam, welche
dem Mahävastu (I, 33, 11—14) bekannt sind, auf Verse Samy.
Nik. vol. I p. 174, vgl. Mahävastu III, 108, 17—109, 4, auf die
Geschichte Samy. Nik. vol. I p. 199 (IX, 4), welche sich im Mahä¬vastu III, 42Ö, 14—421, 7 wiederfindet etc. etc.
Werfen wir von den grossen Sütrasammlungen noch einenBlick auf die kleinen Texte, welche der Pälikanon im K hud daka -
nikäya vereinigt''), so haben für einen gewissen Abschnitt des
1) Vergl. Dhp. Atth. p. 125 Fausb., auf welche Stelle, wie auf dasDighan. S. überhaupt, schon Senart hingewiesen hat.
2) So Barth in dem letzten Bulletin (1894) über die buddh. StudienS. 14 A. 2 des Sep. Abdruclis. v. Oldenburgs Abhandlung selbst ist mirjetzt nicht zugänglich. Vgl. noch Bühler WZKM. VII, 271.
3) Ann. du Musee Guimet V, 133 fg. Wir werden bei dieser Überein¬stimmung der tibetischen und der Päliversion Icaum bezweifeln, dass einen weseut¬lich identischen Text auch das Avadänasataka (Ann. Mus. Guimet XVIII, 41)im Auge hat, wenn es den König Prasenajit „par l'argument du Dahara Sütra"bekehrt werden lässt. Es ist charakteristisch, wie hier (und ähnlich an andornStellen) in die moderne Erzählung das alte Sütra als etwas von seiner Um¬gebung sich als altfeststehend Abhebendes hineinspielt.
4) Daselbst 139 fg.5) Unter denselben will icb das Jätaka von der gegenwärtigen Betrach¬
tung ausschliessen: das weite und eigenartige Gebiet dieser Litteratur wirdeine eigne Behandlung verlangen, für wolche wir neben Andern insonderheitV. Oldenburg wertvollste Vorarbeiten verdanken.
662 Oldenberg, Buddhistische Studien.
Suttanipäta sclion unsre obigen Erörterungen (S. 656) gelehrt,dass die im Norden erhaltenen Spuren nicht nur in liezug auf den
Titel, sondern in recht weitgehender Weise auch in Bezug auf den
Inhalt die Authentizität der südlichen Überlieferung bestätigen. Von
andern Bestandteilen des Suttanipäta — dem Padhänasutta, dem
Pabbajjäsutta — hat W i n d i s c h ') gehandelt. Ich erinnere hier
noch an mehrere durchweg schon von Senart bemerkte Stellendes Mahävastu, an welchen wir Suttanipätatexte wiederfinden : so
I, 357 ft', grosse Stücke des Khaggavisänasutta ; ebenso III, 386,
18 ft", ein Teil des Nälakasutta, III, 394, 13 ff. ein Teil des Sabhiya-
sutta -). Die dem Mägandiyasutta zu Grunde liegende Situation undder Vers Suttanip. 835 lässt sich in das Divyävadäna p. 519 verfolgen.
Hier mögen weiter einige Worte über das Dhammapada
angereiht werden •'). Materialien, die dasselbe betreffen, liegen aus
Nepal wie aus China und Tibet vor. Von nepalesischen Zeug¬nissen bekannt sind mir vor allem die Citate des Mahävastu.
Insonderheit kommt hier das grosse Citat vol. III p. 434—436
in Betracht, wo Buddha einen ganzen Abschnitt dieses Textes —
dharmapadesu sahasravarqam — vorträgt *). Der sahassavaggaumfasst im Pälitext 16 Verse (100—115), während das Mahä¬
vastu deren 24 giebt. Beiden Exemplaren sind 11 ganz oder
im wesentlichen übereinstimmende Verse gemeinsam; es verdient
bemerkt zu werden, dass die Reihenfolge derselben in der Päli¬
version bis auf eine einzige Ausnahme durch das Mahävastu be¬
stätigt wird. Einige Bemerkungen über die Differenzen im einzelnen
seien in die Anmerkung verwiesen ^) ; hier hebe ich nur das wich-
1) Mära und Buddha S.' Iff., 245 ff., 317 ff., vgl. meine Darlegungen inden Vhdl. des 5. Orient. Kongr., II. Teil, 2. Hälfte (Indog. Sektion), S. 112.118. — Ich bemerko bier beiläufig, dass von dem Eingang des Pabbajjäsutta,welcher im Mahävastu II p. 198 fohlt, der erste Halhvers nach Mahävastu IIp. 166, 3 verschlagen ist.
2) Siehe auch Senart's Bemerkungen zu Mahävastu III, 417—418.3) Den hior über das Dhammapada zu machenden Bemerkungen mög© es ge¬
stattet sein, beiläufig die nicht ganz unwichtige Notiz beizufügen, dass allem An¬schein nacb das Dhammapada (V. 9. 10) in den Theragäthä (V. 969 fg.) citiert wird.
4) Sonstig© Citate d©s Dhp. (mit Nennung dies©s Titels) im Mahävastu:vol. II, p. 212, 18 = 111 p. 156, 15; der Vers ist im Päli-Dhp. nicht vor¬handen; ich glaubo ihn anderweitig golesen zu h.aben, kann aber di© Stellenicht wiod©rfind©n. Im tibetischen Dharmapada (Udänavarga) steht er XXVI, 10.Dann III p. 91, 18 zwei Vers© = Dhp. 179. 180. — Eine Anzahl Dhp.-Versewerden im Mahäv. angeführt, ohne ausdiücklich als solch© bezeichnet zu sein.Ind©m ich auf Vollständigkeit k©in©n Anspruch mache, notier© ich folgend©Fälle: Vers 126: II p. 424; V. 141 — 142: III p. 412; V. 146 (in zwei Versezerlegt): III p. 376. Mehr s. in Senart's Bemerkungen zu III p. 420—423,welchen zuzufügen ist: V. 271. 272. 266. 267: III p. 422; V. 362: III p. 423.Auch an mebreren Stellen des Divyävadäna begegnen Dhp.-Vorse.
5) Die grossen Hinzufiigungen des Mahävastu machen mir keinen beson¬ders vertrauenswürdigen Eindruck. Es bandelt sicb um di© 11 Verse (p. 434,19—435, 20), welche alle mit kaläm arghati soilailm sehliessen. Der ersteist ofi'enbar eine Umformung von Dhp. 106 (mit jäyeta für yajethaV); daran
Oldenberg, Buddhistische Studien 663
tige Hauptresultat hervor: auch in den nordbuddhistischen Kreisen,aus welchen das Mahävastu hervorgegangen ist, war ein Dharmapada
bekannt, welches wie sein Päligegenbild in Vargas, darunter einen
sehliessen sich eintönige, an neuem Inhalt arme Variationen. Auch die beidenanderen Verso, die im Mahävastu dazukommen (436, 8—9. 14—15), sindVariationen von Benachbartem. Wenn andererseits das Mahävastu mebrere Versedes Uhp. fortlässt, so verdient bemerkt zu werden, dass die von Beal über¬setzte chinesische Anthologie (Texts from the Buddhist Canon, commonly knownas Uhammapada S. 86 fg. 89 fg.) an den beiden Stellen, an welchen sie über¬baupt ein Urteil erlaubt, das Vorhandensein des betreffenden Pälivorses(102. 109) — wenigstens in einer dom Pälitext ähnlichen Form — bestätigt.Auch dio Woise, wie Dhp. 106. 107 korrespondierend neben einander stehen,wird durch die chines. Anthologie (S. 87) gegenüber dem Mahävastu geschützt.Man bemerke nocb, dass dio von Beal a. a. O. 11 fg. besprochene chines.Übersetzung des ganzen Dhp. (Fa-khcu-king) die Sechzehnzahl dor Verso diesesVarga, wie dor Pälitext sie aufweist, bestätigt (a a. 0. 12).
Von einzelnen Lesarten des Mabävastucitats möchte ich nur die vonSenart (vol. III p. 525) erörterte Variante zu Dhp. 100. 101 kurz berüliren.Der Pälitext hat sahassam api ce väcä (resp. gätliä) anatthapadasainhitä,das Mahävastu dem gegenüber saliasram api väcänäm (resp. gätliänäm) anar-thapadasamhitil. Zu dem in die Augen fallenden Fohler der Konstruktionim Mahäv, bemerkt Senart: „ce participe au nominatif avec un substantif augenitif n'est pas sans exemple dans la languo de notre livre." Leider giebt erkeine Citate. Ich möchte aber empfehlen zu erwägen, ob es nicht bedenklichist, so von der ,, Sprache des Mahävastu" im allgemeinen zu reden. Den ver¬schiedenen Bestandteilen dieses grossen Mischmasch kommt eine sehr verschie¬dene Diktion zu und schwerlich dürften Eigentümlichkeiten, die innerhalb derHauptmasse des Werks ihren Sitz haben, gerade hior, wo ein sehr alter, offen¬bar aus dem MägadhTdialekt übersetzter Text citiert wird , ohne weiteres alsAnalogie heranzuziehen sein. Wenn dann Senart weiter sagt, dass der Päli-bearbeiter, um den vermeintlichen Konstruktionsfehler gut zu machen, „esttombe dans une construetion au moins aussi inadmissible", so bekenn© ich vondieser Unzulässigkeit nichts entdecken zu können. ,,Wenn auch tausend Redensind, di© sinnlose Wort© enthalten, so ist ein sinnvolles Wort besser, welcbeshörend man Frieden findet" — was ist daran zu bemängeln? Das ce. welchesim Mahävastu beseitigt wird, ist in der Sprache des Dhp. gerade für einenZusammenhang dieser Art („wonn etwas auch gut scheint, ist es in Wahrheitdoch wertlos," resp. umgekehrt) bemerkenswert liäufig (vgl. Vors 19. 20. 04.65. 142. 306).
Bei dieser Gelegenheit möchte ich, über dio das Dhp. betreffenden Fragenhinausgreifend, die Überzeugung aussprechen, dass auch Windiscb in seinenVergleichungen nördlicher und südlicher Lesarten sich bier und da zu Ungunstender südlichen geirrt hat. Wenn ©r (Mära u. Bnddha 17 fg.) das esa muiijamparihare von Suttanip. 440 für corrupt erklärte und das varam mrti/ulipränahara/i der Parallelstelle des Lal. Vistara vorzog, so bat er später (eben¬das. 32,")) selbst bemerkt, dass d.is Mahävastu „fast dieselb© Corruptel" h.it wi©der Suttanipäta. 1st ©s ab©r wirklich ein© Corruptel? Warum soll muiijampariharati nicht bedeuten, was der Kommentar zu dieser Stelle (in FausböU'sSutta Nip. Glossary p. 282) cs bedeuten lässt, das Zeichen der saiiigämäva-carä anivattino purisä attano anivattanaicabhävanäpanattiiani t Die Lesartdes Lal. Vist. möchte ich fiir den billigen Verbesserungsversuch eiues Redak¬tors halten, der den alten Text nicbt verstand. — Suttanip. 430 schlägtWindisch (S. 5. 17) statt ijenattiiena nach dem sven'irthena des Lal. Vist.senatthena vor. Mahävastu II, 4üö, 19 scheint mir dieser Konjektur kaumgünstig zu s©in. Ich wiird© yenattliena für richtig halten und, allerdinas wiedas unvermeidlich ist in etwas gezwungenem Deutsch, übersetzen: „Du Loicht-
A 6 *
664 Oldenberg, Buddhistische Studien.
Sakasr avar ga-Sah assavacjya zerfiel. Wir dürfen auf einen ge¬
meinsamen Archetypus, welcher bereits eine feste Varga-Einteilung
besass, sehliessen Eine grosse Anzahl von Versen , sowie im
ganzen deren Ordnung war im nördlichen und im südlichen Exemplar
identisch ; doch war der Bestand nicht — oder wenigstens auf
einer der beiden Seiten nicht — von einer Pestigkeit, durch
welche Hinzufügungen und Weglassungen ausgeschlossen gewesenwaren. Trotz dieser Wandelbarkeit im einzelnen blieb doch im
Ganzen Ton und Charakter des Werks durchaus derselbe. Der
wesentliche Unterschied ist nur, dass in Ceylon der betreffende
Text vollständig überliefert, kommentiert, vielgelesen vorliegt,
während in Xi'pa! di'' Tradition uns nur gelegentlich wie durch
einen Riss in eineni Vorhang einen Blick auf ein Bruchstück ge¬
stattet und wir uns im übrigen mit den Schlüssen, zu welchen ein
solcher Blick uns die Möglichkeit giebt, begnügen müssen.
fertiger. Böser, zu welcliem Zweck du hergekommen bist, den Zweck hat auchdas geringste gute Werk nicht fiir mich", d, h. du redest mir zu, durch ver-dienstliclio Thaten mir Lohn zu erwerben; dieser Lubn bat keinen Wert fürmich. — In dem UdSna Mahäparinibb. S. p. 26 zieht W. (37) der Pälilesartabhindi kavacarn ivattasamliliavaiu (ebenso Udäna p. 64) die des Divyäv.alliinat kosam iväinlasambhava/i vor. Wie wäro aus dieser glatten Lesartjene mit dem nicht leicht wiodorzufuidenden attasambliava (vgl. ajjltatlasam-bhavo Therag. 1126, attasaniuttliäna das. 767) entstanden? Der theologischeKunstausdruck passt ganz in die Diktion des Verses; die Metrik stoht nichtim Wege. Ich halte den nördlichen Text für bequeme Verfiachung. — Dastasmät ilia Mahäpar. S. p. 36 wird von W. (S. 37. 57) als Indicium dafürverwertet, dass, wie im Divy. der Fall ist, ein Sutz vorangehen musste. aufwelchen sich das tasjiiä bezog. Doch steht tasmät tiia nicht selten in ähn¬licher Weise; vgl. z. B. Angult. Nik. V, 33, 3; Majjh. Nik. vol. I p. 8:i. —Endlich möchte ich noch hervorheben, dass boi der Gegenüberstellung einesnördlichen und eines südlichen Exemplars und der Ermittlung, wie oft das einemit Hilfe des andern liat verbessert werden können (Wind. 17 fg.), es mirwünschenswert scheinen würde, strenger als W. tbut, zwischen den Fällen zuscheiden, wo wirklich die südliche Hezeusiun selbst, und denen, wo nur unsroHss. dieser Rezension resp. etwa nur ein Teil uusrer Hss. von der Verbesserunggetrolfen werdon. Die Unterscheidung zwischen dem südlichen Text und demText der südl. Hss. ist allerdings oft eine recht scbwieriijo Aufgabe. Ich glaube,dass ich mich bei Lösung derselben im Ganzen etwas konservativer verhaltenwürdo als W. thut. In der ersten Zeile des Padhänasutta z. B. tarn mayipadliäiiupaliitattani würdo ich doch Bedeuken haben, mit W. (20) das riiaiiilür interpoliert zu erklären; vgl. Vers 21 de.^solben Sutta te appamaltä pahi-tattä und Tlierlg. 212 so 'liain, padliänapaiiitutto. Jedesmal steht die Form vonpahitatla (mit der in I'äliversen so häutigen Verschleifung zweier Sylben) alsÄquivalent von drei Längen.
Natürlich werden textgeschichtliche Untersuchungen der hier berührtenArt zu rechten Ergebnissen erst fiihren können, wenn sie in allorgrösstem Zu¬sammenhang angestellt werden. Dass ich doeh schon jotzt mit ein par Bemer¬kungen, welche ebeu auf meinem Wege lagen, nicht zurückgehalten habe, wirdman huneiitlicli nicht tadeln. Übrigens bitte ich das hier Gesagte nicht so zuverstehen, als wollto ich in jedem Fall für den Vorzug der südlichen Lesarteneintreten. Was z. B. von Senart zu Mahävastu III p. 191 bemerkt ist, scheintauch mir seine Richtigkeit zu haben.
\) Ganz so wio in dem oben besprochenen Fall des Atthakavagga.
4 6*
Oldenherg, Buddhistische Studien. 665
Im Anschluss an die aus Nepal stammenden Spuren eines
nördlichen Dhp. darf ich noch auf das von S. v. Oldenburg')
publizierte Aviehtigc Kbarosthr-Fragment aus Kashgar hinweisen,
welches 30 "\'erse allem Anschein nach aus dem Hrähmanavarga
eines nordbuddhistischen Dharmapada enthiilt. Die Übereinstimmung
mit dem Pälite.xt — abgesehen von der Reihenfolge der Verse —geht sehr weit und darf auch hier wieder als eine wesentlicheIdentität bezeichnet werden.
Auch die chinesische Übersetzung Fä-kheu-king, über welche
Beal einige Angaben macht-), trifft mit diesen Ergebnissen zusammen.Sie enthiilt dieselben 26 Vargas wie der Pälitext in derselben
Reihenfolge, dazu allerdings 13 weitere Vargas, alle (mit einer ein¬
zigen Ausnahrae) vor oder hinter jene 26 gestellt. Die einzelnen
Vargas enthalten vielfach mehr — in ein par Fällen auch weniger.— Verse als die entsprechenden des Pälitexts. In dem von B. als
Beispiel mitgeteilten Bhikkhuvagga hat für 23 Verse der Päliversiondie chinesische deren 32: die hinzukommenden 9 Verse aber stehen
als kompakte Masse hinter den im Päli vorhandenen. Was diese
letzteren anlangt, so erklärt Beal — mir steht ein Urteil hier nieht
zu — den chinesischen Text dem Pälitext für genau entsprechend ■').Weitere Untersuchung von sinologischer Seite wäre wünschenswert;
schon jetzt aber werden wir es bei der Stellung der einfach voran -imd nachgesetzten Vargas und Verse, die in der chines. Version
hinzukommen, für sehr wahrscheinlich halten dürfen, dass reinäusserliehe Hinzufügungen vorliegen, so dass eine sich von dieser
Seite ergebende gewichtige Bestätigung der Päli-Überlieferung ver¬mutet werden kann.
Das tibetische Dharmapada (Udänavarga, übers, von Rock hill),
eine Kompilation des Dharmaträta , beruht zum grossen Teil eben
auf den Materialien, welche uns im Päli Dhp. vorliegen; der Text
.contains 300 verses, which are nearly identical with verses of
the Dhp.; 150 more resemble verses of that work' (Rockhill p. VIII).
So finden wir auch hier die über den ceylonesischen Buddhismus
hinausreichende Existenz des Dhp. oder allermindestens seiner wesent¬
lichsten Elemente von neuem bestätigt.
Was die andern Texte des Khuddakä Nikäya anlangt, so treflFenwir, wie schon Senart bemerkt, nicht unerhebliche Teile des
Khuddakapätha im Mahävastu I, 290ff. an; weiter mache ich
1) ,,Vorliiuüge Notiz übor eine buddh. Hs. in Khar.-Schrift" (russisch). 1897.Leider Iconnte hier Senart's Aufsatz im Journ. asiatique Sept. Oct. 1898niclit mehr henutzt werden.
ü) Texts fom the Buddh. Canon commonly known as Dhammapada,S. 11 ff. Der von B. in diesem Bande selbst übersetzte Text ist leider nureine Auswahl
3) Beal (S. 10) ceht so weit, ilin für übersetzt aus dem Prdi zu balten.Nach dem, was Takakusu in der S. 643 Anm. 3 angeführten Untersuchungauseinandersetzt, ist das wohl unwahrscheinlich.
666 Oldenberg, Buddhistisclie Studien.
auf das Vorliegen von Nr. 81 des Vimänavatthu ebendas. II,
191 ff., von Kap. 4 des Buddhavamsa^) ebendas. I, 250 0'. auf¬
merksam. Ich gebe, vras mir aufgefallen ist; weiter fortgesetztes
Nachsuchen würde ohne Zweifel einen ganz andern Reichtum der¬
artiger Ergebnisse liefern.
Kaum weniger bezeichnend als dieses Auftreten vollständiger
den südlichen entsprechender Texte und Textstücke innerhalb der
nördlichen Bücher ist ein Fall wie er Divyävadäna p. 375 vorliegt -).
Hier tritt inmitten einer ganz im späteren Stil gehaltenen Erziih¬
lung — dieselbe erwähnt die Könige Vindusära und Asoka — ein
Bliiksu auf, welcher sütram pathati: und nun folgt als dies Sütra,also als etwas, das sich nach der Intention des Erzählers von der
umgebenden Erzählung als etwas Andersgeartetes, von altersherFeststehendes abheben soll, ein Text, welcher in der That in gänz¬
lich anderem Stil verfasst ist als das übrige und zwar genau in demaus dem südlichen Kanon bekannten Sütrastil, wenn auch eben
dieser Text selbst, bis jetzt wenigstens, in jenem Kanon sich nichtnachweisen lässt ^).
Endlich schliesse ich hier die Bemerkung an, dass die stehen¬
den, dem Leser des Pälikanon allbekannten Wendungen und Kom¬
plexe von Wendungen, die dort kaum in einer Erzählung fehlen,
in Werken wie dem Divyävadäna und Mahävastu überaus häufig
auch in Erzählungen, die sich im übrigen von dem südlichen Typus
weit entfernen, wiederholt werden. Ich führe hier nur wenige
Beispiele mit wenigen Belegstellen an; der Leser jener nördlichen
Texte findet auf Schritt und Tritt Gelegenheit, das hier gegebene
zu vervollständigen. Almosengang, Rückkehr von demselben, Fuss¬waschung etc.: Mahävastu I, 56, Iff'., Divyäv. 516. — Einladung zur
Mahlzeit; sie wird angenommen ; die Mahlzeit findet statt: Divyäv. 53.
80fg. 85. 96fg. 284 etc. — Euf, der Buddha vorangeht, von der Herr¬
lichkeit seiner Person und Lehre: Divy. 470. ■— Mit seiner Lehre
unterweist, erfreut etc. Buddha (Häufung von Synonymen) : Divy. 506 ;
vgl. 542. •— Sichniedersetzen pratimulchärti smrtim upasthUpyaetc.: Divy. 549. — Verschwinden und an einem andern Ort wiederauftauchen so schnell wie ein Mann den Arm krümmt oder aus¬
streckt: Divy. 473; Dulva, Annales du Mus. Guimet V, 14. Oft
ist es sehr fühlbar, wie derartige Wendungen inmitten ihrer Um¬
gebung abstechen, wie sie den litterariscben Charakter eines andern
Zeitalters verraten. Für den sorgfältigen, philologisch geschultenLeser würde schon hierin sich mit hinreichender Deutlichkeit die
Thatsache kundgeben, dass die Autoren des Divyävadäna und ähn¬
licher Texte in der Kenntnis einer älteren, für sie mit massgeben-
1) Doch finden sicli im Miihävastu hior teilweise aueh Materialien, dieim Pälite.xt den umgebenden Kapiteln angeboren, so 5, 15 ff., dann 2, 60 ff. desPälitexts.
2) Von mir schon ,, Buddha" ' S. 89 Anm. erwähnt.3) Einigermassen nahe steht übrigens Anguttara Nikäya III, 35.
Oldenberg, Buddhistische Studien. 667
der Bedeutung ausgestatteten Litteratur erzogen worden sind, die
einen wesentlich anderen Typus aufwies als ihre eignen Produk¬tionen, und zwar den Typus des südlichen Kanon. Dort sind
Wendungen dieser Art heimisch; hier überraschen sie den Betrachter
man möchte sagen wie erratische Blöcke inmitten einer völliganders gearteten ümgebung.
V.
Ehe wir die Ergebnisse der hier versuchten Skizzierung desVerhältnisses der nördlichen und südlichen Litteratur formulieren
schi-eiten wir, um die Verteidigung des von uns eingenommenen
Standpunkts noch zu verstärken, zu einer weiteren Pragestellung fort.Wir setzen den Pall, dass die südbuddhistische Litteratur uns
nicht erhalten wäre. Und wir legen uns nun allein auf Grund
nördlicher Werke wie Lalita Vistara, Mahävastu u. dgl. die
Prage vor, was in dem Kreise der buddhistischen Vorstellungsmassenals das Alte, Feste, Wesentliche anzusehen ist -).
Natürlich kann diese Frage hier nur in Bezug auf einige
Punkte des weiten Gebiets erörtert werden. Für ein derartiges
Spezimen aber sollen allein solche Punkte ausgewählt werden,welche — ebenfalls allein auf Grund nordbuddhistischer Daten —
sich als im Centrum dieser ganzen Ideenwelt liegend ergeben.Ein solcher Punkt ist die Sambodhi. Dass derselben auch
für den nördlichen Buddhismus centrale Bedeutung in dem ebenbezeichneten Sinn zukommt, bedarf keines Nachweises.
Was hebt sich nun in den nördlichen Versionen von der Er¬
zählung über die Sambodhi als das Wesentliche heraus?
Icli habe hier nicht vor, mich mit dem Kampf gegen Märazu beschäftigen. Was diesen anlangt, begnüge ich mich mit der
Erwähnung, dass er in mehreren der nördlichen Exemplare fehlt :so im Mahävastu vol. II p. 131—133''), und in eben demselben
Werk vol. I p. 228 fg. in der Erzählung von der Sambodhi des
Buddha Dipamkara, welche natürlich nichts ist als ein Reflex der
auf Gautama Buddha bezüglichen Vorstellungen-^). Doch will ich
im übrigen die Fragen betreflFend diesen Kampf, der ja im günstig¬
sten Fall nichts ist als die Einleitung zu den eigentlich ent-
1) Diesen Versucli, der sich auf das Vinaya- und das Sutta-Pitaka hezog,auch auf den Ahhidhainma auszudehnen, fülile ich mich für jetzt nicht im stände.
2) Nur in Anmerkungen werden wir, wo dies instruktiv zu sein scheint,Seitenblicke auf die südliche Litteratur thun. Aber man beachte , dass dieim Text geführte Untersuchung von diesen Zuthaten durchaus unabhängig ist.
3) Ebenso wie im Pälikanon (Buddha' 100).4) Schon Senart hat bemerkt, dass diese Form der Erzählung dem
Mabäsaccakasutta dos Pälikanon entspricht.5) Mära wird hier nur insofern erwähnt, als gesagt wird, dass, während
durch die Götterwelten Jubel ging, die Märabhavanäni glanzlos und verwüstetdastanden und Mära betrübt war (p. 230, 7. 10).
668 Oldenberg, Buddhistische Studien.
scheidenden Ereignissen, von der gegenwärtigen Erörterung aus¬schliessen.
Gautama sitzt also, sei es, nachdem er Mära überwunden
oder nachdem er mit Mära überhaupt nicht gekämpft hat, unter
dem Baum der Erkenntnis. Über das, was nun geschieht, betrachteman den Bericht etwa des Lalita Vistara Kap. 22. 23. Zunächst
möge dieser Bericht ohne alle Vergleichung paralleler Texte für
sich allein ins Auge gefasst werden.Man sieht auf den ersten Blick, dass der Inhalt desselben ein
doppelter ist. Auf der einen Seite handelt es sich um gewisse
Ereignisse von entscheidender Bedeutung, auf der andern um die
Lobpreisungen, Beifallsbezeugungen, Wunderzeichen, welche jene
Ereignisse verherrlichen.Der Text erzahlt zuerst von gewissen Vorgängen im Geist
des Bodhisattva, auf die wir zurückkommen werden. Nachdem sie
berichtet sind, heisst es (p. 447 ed. Calc.')): ,So hatte der Bodhi¬
sattva erkannt und geschaut, was ein grosser Mann, ein Stier voneinem Mann, ein Elefant von einem Mann, ein Löwe von einem
Mann, ein Lotus von einem Mann erkennen muss. Er hatte diehöchste Sambodhi erworben.'
Nun sprachen die Götter zu einander: „ Streut Blumen ; Jener
hat die Sambodhi erworben.' Auf ein von Buddha gegebenesnimitta — wie auch die fräheren Buddhas nimittam ahürsuh —
überstreuen ihn die Götter mit Blumen. In zahlreichen Ausdrücken
wird die Bedeutung des so von den Göttern gefeierten Ereignissesverherrlicht: die Pinstemis ist vergangen, die Sünde überwunden,die Stadt der Allwissenheit betreten u. s. w. Buddha bleibt sieben
Tage an derselben Stelle sitzen, indem er denkt: hier habe ich die
höchste Sambodhi erreicht, habe ein Ende der Geburt, des Alters,
Todes, Leidens gemacht. Preude und Lichtglanz dringt durch alle
Welten ; zahllose Wunderzeichen geschehen : eine Götterschaar nach
der andern bringt dem Tathägata Verehrung dar und preist ihn
in langen Reihen von Hymnen, deren Text mitgeteilt wird.
Ohne Zuziehung weiterer Hilfsmittel sagt uns schon allein
die Lektüre dieser Erzählung mit grösster Deutlichkeit, dass sichals das Entscheidende in allen diesen Ereignissen jene inneren Vor¬
gänge in der Seele des Bodhisattva hervorheben. Das übrige ist
nur Dekoration, der Ausdruek davon wie das ganze Universum jeneEreignisse mitfeiert.
Worin bestehen nun jene inneren Vorgänge?In Folgendem (p. 439—447).
Der Bodhisattva geht durch vier Stufen der ekstatischen Kon¬
templation {dhyäna) hindurch, deren psychologische Formein an¬
gegeben werden -). Darauf eignet er sieh in dem ersten yäma
1) Ich gebe verkiirzte Paraphrase.2) Sie sind bis auf minimale Differenzen identisch mit den Formeln der
vier jhäna in den Pälitexten.
Oldenherg, Buddhistische Studien. 669
der Naclit die erste vidyä an. den Überblick über die in der Weltsich vollziehenden Wanderungen der ßeelen. Ebenso zweitens in
dem mittleren yäma die Erinnerung an die eigenen früheren Exi¬
stenzen ipürvardvüsd). Im dritten yäma erlangt er die Erkenntnisvon der Entstehung und Aufhebung des Leidens. Er erkennt die
Verkettung der Ursachen und Wirkungen durch die zwölf Glieder
(von der acidyä bis zu den jarämaranadokaparidevaduhkhadaur-
manasyopäyäsäh) und die Aufhebung der Wirkungen durch dieAufhebung der entsprechenden Ursachen. Jedes Glied dieser Reihe
erkennt er in vier Beziehungen: was es selbst ist, seinen samudäya,
seinen nirodha, endlich die nirod/iagämini pratipat. Und so er¬
kennt er schliesslich im ganzen : idam duhkham , ayarn duhkha-
samudayo, 'yam duhkhanirodha, iyarn duhklianirodhagäminl pra¬
tipat. Damit hat er denn erkannt und geschaut, was ein grosserMann etc. (s. S. 068) erkennen muss.
Es ist klar, dass hier der Kern der ganzen Erzählung liegt.Wenn in den üben angeführten Lobhymnen der verschiedenen
Göttergruppen beständig auf die von Buddha errungenen Eigen¬schaften als Erkenner, als Allwissender, als der zur Ausbreitung
der Erkenntnis Bestimmte hingedeutet wird '), so bestätigt dies
jenes Ergebnis, aber das letztere ist an sich so klar, dass es einersolchen Bestätigung kaum bedürfen würde.
Prüfen wir nun die zahlreichen Versionen der Erzählungenvon der Sambodhi, welche sich im Mahävastu finden. Wird das
eben für den Lalita Vistara gewonnene Ergebnis auch auf diesezutreffen ?
Wir beginnen mit der Version von Bd. II S. 276 fgg. Für
sie ist charakteristisch, dass in den Verzierungen, von welchen die
Haupterzählung umgeben ist, lange Aufzählungen überwiegen. Mära
klagt die sechzehnfache grosse Klage ; der Bodhisattva erhebt das
vierfache äryamahäsimhavilokiiam u. dgl. mehr. Auch hier aber,
wo eine von dem allgemein verbreiteten Typus sich weiter als ge¬
wöhnlich entfernende individuell gestaltete Ausschmückung der
Legende vorliegt, läuft dieselbe, sobald man zur Hauptsache gelangt,
in das gewohnte Geleise ein. Der Bodhisattva geht durch die vier
dhyäna hindurch (S. 283). Er überblickt in der ersten Nachtwache
die Wanderungen der Seelen, in der zweiten den pürvantväsa
(283—284). In der letzten Nachtwache erreicht er — die Aus¬
drücke sind mit den oben erwähnten des Lal. Vist. so gut wie
identisch — was ein grosser Mann, ein Stier von einem Mann, einLotus von einem Mann erreichen und erkennen muss, er erwirbt
die höchste Sambodhi „sayyathidam : idam duhkham ayarn
duhkhasamudayo ayam duhkhanirodho ayam duhkhanirodhagä-
1) So, um ganz weniges anzufüliren, avidi/aghätala p. 466, jniinakathä-gradhäraka, traividya p. 467, prajUiipradlpina triloka jvälita p. 470,jiiänaketudhvaja p. 471, pravartaya dharmacakram udäram p. 468.
670 Oldenherg, Buddhütische Studien.
mini pratipat'. Dann ähnliche Wendungen wie über das dukkhaüber die äsrava, und die Lehre von der Verkettung der Ursachen
und Wirkungen : imasya sato idam bhavati, imasya asato idam
na bhavati . . . avidyäpratyayäh santskäräh — und es folgt die
ganze Formel des pratitynsamutpäda in der positiven wie in dernegativen Richtung (S. 284—285). Daran schliesst sich die Er¬
zählung von der Verehrung, welche die Götterschaaren darbringen,
und von den Schmähungen, die sie gegen Mära richten.
Man sieht, wie auch hier der Kern der Erzählung von Vei -
zierungen, zum Teil von wesentlich andern Verzierungen, als in dervorher betrachteten Fassuncr, umgeben ist. Der Kern selbst aberO ' o
ist genau derselbe : das entscheidende Ereignis , das den Buddha
zum Buddha macht, ist dies, dass er nach Durchmessen der dhyänaden Anblick der durch die Welten wandernden Wesen, die Erinne¬
rung an die eigenen früheren Existenzen, vor allem aber die Er¬kenntnis der heiligen Wahrheiten vom Leiden etc. sowie von der
Causalverknüpfung der 12 Kategorieen erwirbt.
Es sei dem Leser überlassen zu verificieren, wie sich dies Er¬
gebnis auch in den übrigen Exemplaren derselben Erzählung, welchedas Mahävastu aufbewahrt hat, wiederholt. Ich verweise auf Bd. II,
S. 131 ff. 345 ft'. 415—418, sodann auf die schon oben erwähnte
entsprechende Erzählung über den Buddha Dipamkara Bd. I, 228 ft'.,
endlich auf die Erzählung Bd. III, 272 ff., die zwar erst in dem
Augenblick nach der Erlangung der Sambodhi einsetzt, aber dochin vielen Ausdrücken auf die Sambodhi selbst Licht zurückfallen lässt.
Den hier namhaft gemachten Exemplaren unsrer Erzählungstelle man an die Seite etwa noch das tibetische des Dulva bei
Rockhill, Life of the Buddha 32, das nepalesische des Fort¬
setzers von Asvaghosa's Buddhacarita Kap. 14 u. s. w. ; man wird
immer wieder, ganz allein auf Grund dieser nördlichen Quellen,
das Resultat bestätigt finden : inmitten von Ausschmückungen, deren
Gestalt wechselt, erscheint als Hauptsache und fester Kem die
Vorstellung, dass gewisse Erkenntnisse, die in langen Reihen ab¬
strakter, überall identisch angegebener Begriffe ausgedrückt sind,im Gi'ist do^^ Boddhisattva aufleuchteten und dass eben dios der
grosse Wendepunkt in seinem Leben uml im Leben der A\'elt ge¬wesen ist.
Wir führen die gleiche Betrachtungsweise in aller Kürze noch
an einer zweiten Stelle ' der Buddhalegende durch , in Bezng auf
das D h a r m a c a k r a p r a v a r t a n a . die Predigt zu Benares vor
den fünf Asketen , welche die Lehrthätigkeit Buddba's eröftnet.
Auch nach nördlicher Tradition ') wird dieser Vorgang neben dem¬
jenigen der Sambodhi durch die begleiteuden Prodigien als ein
i) Divyävadäna p. '.iOJ II'. Ebenso die südliche L'berlieferung, Mahäpari¬nibbänasutta p. 2 7 fg.
Oldenberg, Buddhistische Studien, 071
zweiter liöchster Höhepunkt im Leben eines Buddha charakterisiert').Im Norden wie im Süden bereitet man übereinstimmend die be¬
treffende Erzählung durch eine Legende vor, welche in der Absicht,
das unvergleichliche Gewicht de.s Dharmacakrapravartana klar zu
machen, so weit geht, Buddha vor dieser That zaghaft zurückweichen
zu lassen. Der Dharma ist zu tief und fein, zu schwer zu begreifen,
der pratityasainutpäda , der samskäropasama, das Nirväna. Erst
auf Brahman's Bitte entscbliesst er sich zu dem grossen Werk -).Beifallsrufen, das durch die Götterwelten geht, feiert den auf das
Dharmacakrapravartana gerichteten Entschluss ■').
Nun folgt der mit solcher Emphase vorbereitete und angekün¬
digte Vorgang selbst.
Alle Stadien desselben sind von verherrlichenden Ereignissen
umgeben. Wie Buddha sich niedersetzt, um zu reden, geht welt¬durchleuchtender Glanz von seinem Körper aus; Erdbeben und andere
Prodigien tragen sich zu ; zahllose Scharen von Göttern und Bodhi¬
sattvas versammeln sich, um ihn zum Predigen anzutreiben. Ähnlichwird seine Predigt, nachdem er sie gehalten hat, verherrlicht. Die
genauere Ausmalung dieser Dinge ist in den verschiedenen Texten")verschieden; der Grundcharakter stimmt durchaus überein. Aber
ohne jede Herbeiziebung der südlichen Litteratur würde schon das
Studium der nördlichen Texte allein vollständig genügen, um klar¬
zustellen, dass alles das nur Rahmen ist, welcher den eigentlichenund wesentlichen Inhalt umgiebt. Dieser Inhalt aber ist die
Predigt an die fünf Asketen, die erste an Menschen gerichteteVerkündigung eben jener W.ahrheit, deren Aufleuchten in Buddba's
eignem Geist den wesentlichen, von ähnlichen Umrahmungen um¬
gebenen Inhalt der von uns vorher betrachteten Erzählung ausge¬macht hat. Nach einer Vorbemerkung über die beiden Extreme,
welche der Asket in seiner Lebensführung zu vermeiden hat (Selbst-
1) Daneben noch die Momente der Empfängnis, de ■Geburt, der Entlassungder (ti/u/isamskäräli, des Nirväna. Also wenn wir von Geburt und Tod undwas diese vorbereitet absehen , sind Sambodhi und Dharmacakrapravartana diobeiden Höhepunkte. Nach anderer Fassung im Ganzen vier Höhepunkte: Ge¬burt, Sambodhi, Dharmacakrapr., Tod. So bei Rockhill, Life of the Buddha 141(entsprechend Mabäparin. Sutta p. 51).
2) Maliävastu vol. III, p. 314 ff., Lalita Vistara, Kap. 25.3) Mahävastu a. a. O. 319, Lal. Vist., p. 521.4j Vgl. namentlich Mahävastu vol. III, p. 320 ff. ; Lal. Vist., Kap. 2i;.
Von besonderem Interesse ührigens ist unter den nördiicben Exemplaren dasdes Dulva, welehes Feer, Ann. du Musee Guimet V, 13ff. (dazu auch llälV.)mitteilt. Hier h.aben wir die lange im Dharmacakrapravartana gipfelnde Er¬zählung von Bnddhas Zagen und Brahmas ermunterndem Kingreifen an bis zuder Erscheinung Märas (Mahävagga p 4— 21j fast ganz ohne die in den nörd¬lichen Texten sonst gewöhnlichen Ansschnuickuiigen und im wesentlichen durch¬aus mit dem Päli-Mahävagga stimmend. Von grösseren Ausscbmnckuiigen Hndetsich uur ein auf YaJas bezügliches Jätaka (Feer a. a. 0. 21). Wieder einBeleg zu so zahlreichen audern Belegen dafür, dass der relativ schmucklosesüdliche Typus duichaus nicht allein südlich ist.
672 Oldenherg, Buddhistische Studien.
peinigung und weltliche Lust), und über den wahren in der Mitte
liegenden Weg proklamiert Buddha die vier äryasatyäni: dulikliam
duhkhasamudayo duhkhanirodho duhkhanirodhaqämml pratipat.Er wendet diese satya in verschiedener Weise hin und her, er¬
örtert sie triparivartam dvädadükäram und schliesst damit, dass erin dem Erwerb dieser Erkenntnis die höchste Sambodhi und Er¬
lösung errungen habe ').
Es sei nur kurz bemerkt, dass auch die nördliche Tradition -)
auf diese grundlegende Predigt als eine Art Anhang oder weitere
Ausführung eine andre ebenfalls sehr wichtige, wenn auch nicht
mit gleichem Nachdruck verherrlichte Rede an dieselben fünf As¬
keten folgen lässt. Sie hat es mit den fünf Skandhas zu thun undweist von jedem derselben nach dass er anätmä ist. Sonst könnte
er nicht zum äbädha gereichen , und wir würden im stände sein
zu sagen: so soll mein 7-üpa {vedanä etc.) sein, so soll es nichtsein. Dem Wesen der Sache nach befindet man sich hier ganz
innerhalb desselben Gedankenkreises, dem auch das Dharmacakrapra¬vartana angehört.
Was uns diese Erörterung gelehrt hat, ist folgendes.Der mannigfach bunte Inhalt der nordbuddhistischen Texte
lässt den Unterschied solcher Bestandteile erkennen, die als Kern,
und solcher, die als Umhüllung, als Ausschmückung bezeichnet
werden dürfen. Die Ausschmückungen werden von den verschie¬
denen Autoren im Einzelnen auf ihre eigne Weise, im Ganzen
natürlich in ziemlich gleichbleibender Art gestaltet. Der altfest¬stehende Kern andrerseits ist überall identisch. Als vornehmste
Elemente, die diesem Kem zugehören, heben sich die Vorstellungen
hervor, dass ein wichtigstes Ereignis im Leben Buddba's in dem
Erlangen einer gewissen Erkenntnis, ein andres wichtigstes Ereignis
in der Mitteilung eben dieser Erkenntnis an die Menschheit bestand ^).
1) In diesen Details stimmen Mahävastu und Lalita Vistara unter einanderwie mit dem siidhuddhistischen Kanon (Mahävagga, p. 10 fg.) Uberein.
2) Mahävastu vol. III, p. 335 ff.; vgl. den Bericht des Dulva bei Feer,Ann. du Mus^e Guimet V, 124 ff. Der Lalita Vistara setzt seinen Bericht nichtbis zu dieser Stelle fort, weist aber doch p. 543 deutlich auf dieselbe hin. Mitdem Mahävastu in allem Wesentlichen Ubereinstimmend die sUdliche Über¬lieferung Mahävagga p. 13 fg. — Bei dieser Gelegenheit sei auf die charakte¬ristische Stelle Avadäna Sataka 9G (Ann. du Musee Guimet XVIII, 404 £f.) auf¬merksam gemacht. In einer Erzählung, die in modernem Stil gehalten ist, istdie Predigt von der Nichtselbstheit der Skandhas ganz in der Form des altenSütra eingefügt.
3) Natürlich sind es in Wirklichkeit nicht die hier von uns betrachtetenErzählungen von der Sambodhi und dem Dharmacakrapr. allein, in denen dienördliche Litteratur die allüberragende Bedeutung der Erkenntnis der viersati/a, des pratttgasatnutpäda etc. hervortreten lässt. Vielmehr begegnen aufScbritt und Tritt inmitten der bunten Erzählungsmassen von Te.xten wie demDivyävadäna Äusserungen, die in gleicher Weise die Dignität jener Erkenntnischarakterisieren Es ist Uberflüssig Citato zu geben; die Stellen sind äusserstzahlreich. Wenn so im Divy. oder ähnlichen Te.\ten auf die vier satya u. dgl.
Oldenberg, Buddhistische Studien. 673
Die Erkenntnis, um die es sich handelt, enthält die Antwort auf
Fragen, welche sich eben hierin als Fundamentalfragen erweisen,an deren Lösung man das Schicksal des Einzelnen und der Mensch¬
heit hängen sieht. Es sind die Fragen nach der Entstehung des
Weltleidens und nach seiner Aufhebung. Der Apparat, welcher
zur Beantwortung dieser Fragen aufgeboten wird, sind Systeme
abstrakter BegriflFe. Die Antwort schliesst die Forderung der Los¬lösung von aller Lust und allem Weltdasein in sich. Das alles
ist in den nördlichen Texten nicht allein enthalten, sondern es wird
dort in einer Weise vorgetragen, durch die es — wenn nicht für
das wirkliche Bewusstsein der Kreise, die hier reden, so doch für den
aus der Vergangenheit überkommenen Standpunkt ihres offiziellen
Bekenntnisses — als im Zentrum des religiösen Erkennens stehendcharakterisiert vrird.
VT.
Wir blicken auf das Ganze unsrer Erörterungen zurück undindem wir die Resultate formulieren, suchen wir diese zugleich
nach einigen Seiten noch weiter zu ergänzen.Die uns vorliegende nördliche Litteratur beweist die Existenz
bez. die einstige Existenz eines Vinaya- und eines Sütrapifaka oder
genauer verschiedener Exemplare von Vinaya- und Sütrapitakas,
welche nach denselben grossen Hauptabteilungen und weiter imwesentlichen nach denselben ünterabteilungen wie die Päli-Pitakas
gegliedert sind. Die einzelnen Texte jenes Kanon sind als Parallel¬
rezensionen der Pälitexte zu denken. Das Päliexemplar, natürlich
nicht von unfehlbarer Korrektheit, muss doch als hervorragend
gut erhalten beurteilt werden. Die nepalesischen Sanskrittextehaben die Spur des alten Kanon in zahlreichen einzelnen An¬
gaben und einer Fülle von Fragmenten bewahrt, welche auf dasihnen zu Grunde liegende Ganze, einen aus dem ursprünglichen
Volksdialekt (Mägadhi) in Sanskrit resp. Gäthädialekt übertragenen
nördlichen Kanon, scbliessen lassen. In Nepal kommt inmitten einer
moderneren Litteratur die Erinnerung an Altüberkommenes, dem
das Vergessenwerden droht, sporadisch zu Wort. In China dagegen
sciieint der grösste Teil, in Tibet ist wenigstens ein Teil der altenl'itakatexte direkt erhalten.
Barth sagt in seinem letzten Bulletin der buddhistischen
mit liöclister Klirfiircht hingedeutet wird, so richtet sich doch evidentermassendas eigentliche lebendige Interesse dor To.\te selbst nach ganz anderen Seiten.Im I'älikanuu dagegen stehen die vier sati/a inmitten der ganzen Umgebungdie zu ihnen gebört und mit ihnen harmoniert, inmitten eines Komplexes vonGedankengängen und Ijobensformen , die von den in jenen vier Sätzen soprägnant verkörperten idealen Potenzen her ihr Dasein empfangen. Die Frage,auf welcher Seite hier die abgeblasste, in neue Umgebungen binein versetzteErinnerung an das Ursprüngliche, und auf welcher das Ursprüngliche selbstliegt, beantwortet sich von selbst.
Bd. LU. ii
674 Oldenberg, Buddhistische Studien.
Studien dass der Buddhismus von Ceylon ,seul est parvenu ä,
se constituer un veritable canon , comparable aux Vedas des bräh¬
manes." Die hier geführten Untersuebungen werden uns in den
Stand setzen, dieser Auffassung eine von ihr fundamental verschie¬
dene entgegenzustellen: es gab einen Kanon, welcher — sozusagennach verschiedenen Säkhäs sich verzweigend, aber im wesent¬
lichen als derselbe — den nördlichen Gemeinden so gut wie
den südlichen eigen war. Im Süden haben ihn die Ceylonesen zu
bewahren gewusst ; im Norden haben wenigstens die Nepalesen
ihn, überwuchert von jüngerer litterarischer Produktion, bis auf
Spuren, übrigens keineswegs spärliche Spuren, untergehen lassen-).Der alte Typus der Pitakatexte aber, den wir nunmehr höch¬
stens der Kürze wegen nach seinem besterhaltenen Exemplar, aber
nicht in genauer Wiedergabe des vollständigen Sachverhalts als„südlichen Typus" bezeichnen dürfen, ist in sich geschlossen und
fest. Ist diese Pestigkeit, wie man behaupten gewollt hat, einenur scheinbare ? Wir haben beleuchtet, was Minayeff für diese
Auffassung geltend zu machen gesucht hat. Ist die Einfachheit,
welche jenem Typus zukommt, eine nachträglich hergestellte? Aber
wo gab es denn die raffinierten Pälscher, wo gab es die Eedak-toren von so tiefem und feinem Instinkt für den archaischen Cha¬
rakter des Werks, welches sie hervorzubringen beabsichtigten, dass
sie einer solchen Arbeit gewachsen gewesen wären, ohne sichhundert- und tausendmal zu verraten ! Bei Indern, bei Buddhisten
die Pähigkeit, litterargeschichtliche Charaktere zu verstehen undmit so vollendeter Meisterschaft sie künstlich herzustellen ! In
Wirklichkeit hält und sichert in dieser Litteratur eins das andre.
Das Bild der einzelnen Lebensformen der Mönche, welche wir hier
reden hören, steht mit dem Bilde der Ideen, in denen sie lebten,
im Einklang. Auf jenem wie auf diesem Gebiet ein Anschluss,der dem Historiker die Authentizität der Zeugnisse verbürgt, an
den Veda, an die alten Upanisaden, welche die Gedankenreihen
beginnen, die der Buddhismus fortspinnt; Fortsetzung der in den
Upanisaden auf iiiterer Stufe erscheinenden Bewegung auch in der
Diktion der Pitakatexte , auch im Metrum , dessen unscheinliare,ungewollte und eben darum so sichere Charakteristika den kanoni¬schen Päliversen — in scharfem Unterschiede von der nördlichen
Verstechnik — inmitten einer überaus klar und konsequent ver¬
laufenden Entwicklungslinie die nächste Stelle nach den Versen
der Brähmanas, der alten Upanisaden anweisen ■'). Wenn wir dann
inmitten dieser Litteratur, so sehr sie aus einem Guss ist, doch
1) 1894, S. 28 des Sep.-Abdr.2) Jlan siebt, dass ieli der Sache nacb durchaus auf den Satz Windischs
(Jlära und Buddha 1) zuriicltltoinme, „dass die nordbuddhistische Litteratur denPälikanon voraussetzt".
3) Vgl. meinen Aufsatz „Zur Chronologie der indischen Metrik", Guru¬püjäkaumudi S. yff.
Oldenberg, Buddhistisclie Studien. 675
mit der Deutlichkeit, wie dies im Vinaya der Fall ist, einzelneallerälteste Bestandteile unterscheiden können und um diese herum
sozusagen die Jahresringe des Wachstums sich abzeichnen sehen
(vgl. oben S. 647), so werden wir uns darüber klar sein, was eine
solche Beobachtung lehrt : was wir hier vor uns haben, ist so, wie
wir es sehen, aus sich selbst, aus seinen eignen Wurzeln erwachsen;es ist nicht eine sekundäre, den Charakter der Einfachheit nur
affektierende Umgestaltung einer Litteratur, welche ursprünglich
ein ganz anderes Aussehen gezeigt haben könnte.
Dass einer solchen Textmasse wie diesem alten Vinaya-Sütra-
Kanon selbst in seinen besterhaltenen Exemplaren einzelnes jüngereanfliegen konnte , ja musste, versteht sich von selbst. Von dem
die Konzilien betreffenden Abschnitt haben wir gesprochen und die
Wahrscheinlichkeit dargelegt, dass der Vinaya, welcher vom zweitenKonzil erzählt, doch in seinen Hauptbestandteilen älter ist als dies
Konzil. Jung ist natürlich der Parivärä '), wenn auch in seiner
Gesamtheit gewiss nioht so jung, wie die in ihm enthaltenen Verse,
welche etwa im Dipavamsa-Stil eine lange Succession ceylonesischer
Lehrer namhaft machen (S. 3). Bekannt ist die Erv/ähnung der Yonaim Assaläyanasutta -); nicht minder bemerkenswert ist in der 'Ihera-
gäthäsammlung das Erscheinen von Versen eines Thera, welcher nachder schwerlich zu beanstandenden .A,ngabe des Kommentars unter
Bindusära, dem Vater den grossen Asoka. gelebt hat'''). Eben die
hohe Seltenheit aber denirtiger in der That gänzlich ausnahmsweiser
Daten hebt die Litteratur, in welcher sie erscheinen, wohl deutlich
genug von Werken ab, in denen wie im Mahävastu die Cina- imddie Hünaschrift studiert wird*), oder wie im Divyävadäna, Asoka
eine Hauptrolle spielt^), eine Reihe von Nachfolgem des Asoka er¬
scheint, die Kunde von den Vorgängern Asokas ganz verschwommen
1) Man kann ungefähr sagen, dass dieser zum Vinaya in einem ähnlichenVerhältnisse steht wie der Abhidhamma zum Sutta Pitaka.
2) Sie würde übrigens «acb dom, was Bühler, Ind. Studies III, 26 aus¬führt, nicht gegen voralexandrinische Zeit beweisen. Doch fühle ich micb hiervon B. kaum überzeugt.
3) Sieho Comm. zu Vers 386, S. 42 meiner Ausgabe. — Schwerlich istfür chronologische Zwecke die im Mahävagga und Mahäparinibbäna Sutta ent¬haltene Prophezeiung verwendbar, dass für die Stadt Pätaliputta tayo antaräyäbhavissanti aggito vä udakato vii mitlmbhedä vä (s. darüber Minayeff 57).Eine Vorhersagung von dieser Allgemeinheit scheint eine Vorsicht zu verraten,die bei einem vaticinium ex eventu einen unnötigen Luxus bilden würde.
4) ünd in denen der Name Felix erscheint, würde ich hinzufügen, wennmir Senarts (vol. III, p. 536) Vermutung über den Namen Peliyaksa wahr¬scheinlich wäre. Aber in den Pälitexten haben wir Piliyakklia nicht nur, wieschon S. bemerkt hat, im Milindapanha, sondern auch im Jätaka (vol. VI, p. 77),und zwar nicht allein in der Prosaerzählung sondern im metriscben Text. InSanskrittexten giebt es den Namen eines Dämons Pilipiccha, Pilipinja. Warumsoll ein * Pili-aksa (oder äbnlich) gerade nur römiseben Ursprung haben können?
5) Und zwar ein Asoka, der das Glück hat, einem Mönch zu begegnen,der Buddha von Angesicht gesehen hat, nocb dazu kurz nach Erlangung derBuddhaschaft! Divyäv. p. 400—401.
676 Oldenberg, ßuddhütische Studien.
ist, man für den Kopf von Feinden den Preis von so und so vieldinära aussetzt.
Dass die Existenz des alten Kanon durch die Inschrift von
Bairät geradezu erwiesen werde, wäre wohl ein wenig zu viel, aher
immerhin zu viel gesagtDoch darf man behaupten , dass dieInschrift die Existenz einer Keihe von Bestandteilen jenes Kanon
gegen jeden emstlichen Zweifel schützt und die Existenz des ganzenKanon recht wahrscheinlich macht. Die inschriftlich für das dritte
Jahrhundert vor Chr. gesicherte Bezeichnung iiancanehäyika (Sanchi,Bharhut) und das annähernd in dieselbe Zeit zurückgehende petalci^)
stäi-ken diese Annahme-'). Und noch weiter zurück in erheblich
frühere Zeit führt, wie ich meine, einerseits die Analyse der Vor¬
gänge des zweiten Konzils (S. 630 fg.), andererseits die unver¬dächtige Datierung des Kathävatthu auf die Zeit des Asoka (obenS. 633): denn es ist klar , dass eine dogmatisch-dialektische Ver¬
arbeitung der Suttas in der Art, wie dies Werk sie giebt, mitSicherheit auf eine wesentlich frühere Fixierung der Suttasamm-
lungen selbst sehliessen lässt. —Was folgt nun aus der hier über den Kanon entwickelten
Ansicht für die Auffassung der altbuddhistischen Lehre, des Ge¬meindelebens, endlich für die Bildung unserer Vorstellungen vonBuddhas Leben selbst?
Es liegt auf der Hand, wie viel für die Erkenntnis der bud¬
dhistischen Vorstellungswelt schon allein damit gewonnen ist, wenn
auch nur etwa das Dhammapada oder der Atthakavagga des Suttani-
l)äta gegen den Einwand gesichert ist, dass sein Zeugnis Geltunghabe „seulement sur une des sectes de l'Eglise meridionale", und
zwar ,pour une epoque relativement tardive de l'histoire de cette
Eglise" *). Nehmen wir zu den genannten Texten noch diejenigen
hinzu, welche die Erlangung der Buddhaschaft und das Dharma¬cakrapravartana, also die vier heiligen Wahrheiten nebst der Kau-
1) Dass ein so besonnener und von Voreingenommenbeit freier Gelehrterwie Bühlor doch kein Bedenken trug, geradezu dieso Folgerung zu ziehen(Indian Studies III, p. 17), möge nicht unerwähnt bleiben. Überhaupt zeigtsich an der bier citierten Stelle der hingegangene Forscher in entschiedensterParteinahme für den südlichen Kanon, während nach ihm ,,the Nortliem Buddhistshavo preserved only tbe disjecta membra of an old tradition".
2) Bühler, Indian Studies a. a. O.; Epigraphia Indica, vol. II, p. 93.3) Barth in seinem letzten Bulletin über den Buddhismus (S. 1 A. 1
des Sep.-Abdr.) spricht der Scblussfolgerung aus der E.Nistenz eines „connaissourdes cinq Nikäyas" auf die Existenz der fünf Nikäyas dos Pälikanon das Urteil:„c'est aller un peu vite. Cette division, comme bien d'autres, est inconnue dansla litterature sacrae du nord". In Inschriften, die sich gänzlich im Vorstellungs¬kreis des Pälikanon halten, werdon fünf Nikäyas erwähnt; der Pälikanon bietetfünf nach sehr verständlichen Prinzipien abgegrenzte Nikäyas dar ; im Nordensehen wir die ersten vier (oben S. G53) und auch den fünften (S. 654) odorauch alle fünf auf einmal (S. 653 Anm. 4) wiederkehren. AVarum da zweifeln?Kann man nicht auch z u bedenklich sein ?
4) de la Vallee Poussin 3.
4 7
Oldenberg, Buddhistische Studien. 677
salitätsformel betreffen und diese als im Mittelpunkt aller Er¬
kenntnis stebend charakterisieren (oben S. 667 fgg.), so würde schon
solch bescheidener Bestand — und über wie viel grössere Massensicherer Materialien verfügen wir in der That ! — hinreichend sein,
um den Haupt- und Grundzügen nach ein Bild der gesamten alt-buddistischen Gedankenwelt aufzubauen , welches keine speziell
ceylonesischen Züge trägt: durchweg würde es auf dem vollenEinklang nördlicher und südlicher Autorität beruhen und somit
jede Garantie besitzen , die zu fordern und zu erlangen überhauptfür uns im Bereich der Möglichkeit liegt. Dies Bild würde uns
Gedankenkreise zeigen, die in ihrem begrifflich-scholastischen Aus¬
dnick vielfach unbeholfen und unklar, ihrem eigentlichen, wesent¬
lichen Inhalt nach durchaus klar, durchaus aus einem Gusse, durchaus
von jener Wucht sind, welche uns ihre ungeheure Macht über dieGeister verständlich erscheinen lässt. Das Leiden alles Daseins
hienieden und in den unendlichen Weiten des Samsära, die Erlösung
von diesem Leiden, das Entrinnen aus der Welt der Vergänglichkeitdurch Erkenntnis und Aufhebung des Begehrens, die allüberragende
Herrlichkeit dessen , der die erlösende Erkenntnis selbst errungen
und sie seinen Jüngern mitgeteilt hat: diese Vorstellungen findenwir verbürgt nicht allein als im alten Buddhismus vorhanden, als
so weit zurüokreichend , wie für uns überhaupt, wenn wir vomBuddhismus reden, zurückzugehen möglich ist; sie sind uns zugleich
verbürgt als die zentralen Ideen dieses ganzen Vorstellungskreises.Hier herrscht durchaus nicht jenes undefinierbare Hin- und Her¬
schillern, jene Proteushaftigkeit der Gestaltungen, deren Schein dann
entsteht, wenn wir die alten und jungen Elemente der Überlieferung,
die zentralen Gedanken und die zufälligen Ausschmückungen undAuswüchse kritiklos durcheinander werfen. Der Buddha, dessen
Andenken und Predigt man hier verehrt, stellt sich durchaus nicht
zugleich als ein über die Schranken des Erdenlebens zu unsterb¬licher Herrlichkeit erhobener Gott, als ein Bruder der Ebhus dar').
Ganz andere Wege sind es, welche das Denken hier geht. In
Indien sind die Vorgänger dieses Buddha solche Gestalten wie jener
Sändilya der Upanisaden, der gewiss ist von hinnen scheidend sich
mit dem Atman zu vereinigen. In Griechenland findet er sein
Gegenbild in jener Generation von Philosophen, von den Orphikern
und Pythagoreern bis auf Platon, denen es gelingt, „sich von demKreise zu lösen und aufzuatmen vom Elend"-). Es ist der Buddha,dei5sen Wesen es ist das erste Glied jener Trinität zu sein, in
welcher neben ihm dharma und samgha stehen : der Erkenner und
Lehrer des ihn gewissermassen verkörpernden ^) dharma d. h.
1) de la ValUe Poussin S. 10. 13. 42 fg.2) Ich verweise für diese griechisch-indische Parallele auf meine Aus¬
führungen in der Deutschen Rundschau, Nov. 1895, S. 219. 222 fg.3) Wer den dhamma sieht, sieht den Buddha, Itivuttaka p. 91 (so auch in
der nördl. Überlieferung, s. de la Vallee Poussin 257). Vgl. Mahäparinibb. Sutta p. 60.
678 Oldenberg, Buddhistische Studien.
der vornehmlich in den vier heiligen Wahrheiten zusammen¬
gefassten Gedanken; der Begründer und, so lange er auf Erden
weilt, der Beherrscher des Samgha.
Dieser Samgha aber, was wissen wir von seiner Organisationund seinem Leben? Auch hier antworten wir: so weit wir über¬
haupt in die Vergangenheit zurückgehend vom Buddhismus reden
können, sind wir allermindestens dazu berechtigt, dem Samgha die
Gestalt beizulegen, welche uns das älteste oder doch das älteste
eingehende, im Norden wie im Süden übereinstimmend überlieferte,durch die Struktur der ganzen Vinaya-Litteratur dort wie hier als
zentral verbürgte Dokument des Gemeindelebens vor Augen stellt,das Pätimokkha. Das Pätimokkha lehrt ims den Samgha kennen
nicht als eine vergnügliche, dem Sammeln von Jätakas sich wid¬
mende Folklore Society , sondern als eine Gesellschaft so organi¬siert , wie es den in ihr herrschenden Gedanken vom Leiden alles
Irdischen, dem in ihr herrschenden Streben nach der Erlösung von
der Vergänglichkeit allein entspricht: ernst und streng, heimatlos
und abgelöst von Banden und Preuden des weltlichen Lehens, der
Eine zum Andern sagend sväklchäto dhammo cara brahmacariyarn
sammä dukkhassa antakiriyäya Nun ist es ja selbstverständ¬
lich, dass diese Mönche in regelmässigen Beziehungen zu gläubigenLaien standen und dass, wo die Laienwelt in Betracht kam, ja
auch gewiss vielfach, je nach der Individualität der Einzelnen, in¬
mitten des Samgha selbst^), andere, populärere Vorstellungskreise
sich in den Vordergrund drängten. Aber wer den Buddhismusverstehen oder ihn darstellen will, hat ihn doch zunächst nicht da
aufzusuchen, wo man den starken Wein seiner Gedanken verdünnt
hat. Ja wer sich das Ziel steckte, etwa Indien in der Zeit des
Buddhismus zu schildern, oder wer die Erforschung des Buddhis¬
mus verwechselte mit einer Erforschung alles dessen, was sich mit
Hilfe buddhistischer Texte erforschen lässt, für den würde die Auf¬
gabe ein andres Gesicht zeigen. Der wahre alte Buddhismus selbst
aber hat seinen Sitz vor Allem im Satngha , und zwar in den
Kreisen des Samgha, in welchen man es mit den Ideen vom Welt¬
leiden und der Erlösung, mit den Idealen weitabgewandter Rein¬
heit am Ernstesten nahm. Alles Übrige verhält sich hierzu wiedie Peripherie zum Zentrum. Widerstehen wir der Tendenz, die
klaren und grossen Züge dieses altbuddhistischen Wesens zu ver¬
schütten unter einer Flut bunter und krauser Bilder, welche gewiss
an der ihnen zukommenden Stelle der Betrachtung wert sind , an
dieser Stelle aber nur das Auge verwirren können.Und endlich zu den Problemen, die uns das Leben des Stifters
dieser Gemeinde bietet. Den Weg , welchen ich zu gehen ver¬
suchte, um von einem Bilde dieses Lebens zu erreichen so viel
1) Bhikkhuni Pätimokkha, Samghfid. 10.2) Vgl. meinen „Buddha" ' S. 208 und die dort Anm. 1 angeführten Zeugnisse.
Oldenherg, Buddhistische Studien. 679
eben erreichbar schien, hat Minayeff') in folgenden Worten be¬
schrieben : ,Ce meme savant' — derjenige nämlich, der die Frage
etwa in meinem Sinn behandeln würde — ,peut encore essayer de
traiter avec quelque confiance les sources qui se presentent ä lui;
il en s6parera toute la matifere legendaire, en ecartera tout ce qui,
ä son avis , est invraisemblable et indigne de foi ; et ayant ainsi
fait le depart dans ses sources, se fondant sur les faits qui lui
paraissent meriter creance, il composera un portrait du docteur etde l'ascfete'. Natürlich erhebt sich die Frage, ob diesem Bild ge¬
schichtliche Wahrheit •— une part, mfeme faible, de verite bis¬
torique — beigemessen werden darf Die Antwort Minayefi's ist
nicht günstig. Der Typus , welchen der von ihm beschriebene
Forscher gezeichnet hat, ist eben nur der allgemeine noch heute
verifizierbare Typus ,des fakirs et des ascetes qui errent dans l'Inde' ;
persönliche Giltigkeit kommt ihm nicht zu.
Ich glaube , dass wir es hier doch mit einer allzu pessimis¬tischen Betrachtungsweise zu thun haben. Wenn die Berichte vom
Leben Buddba's eine Keihe von Wundererzäblungen enthalten , die
wir Ungläubigen nicht anders können als bei Seite legen, haben
wir darum kein Recht in dem was übrig bleibt — genauer aus¬
gedrückt, was nach der Vornahme noch einer ganzen Reihe weiterer
Sichtungen übrig bleibt — einen im Wesentlichen geschichtlichenKem zu erwarten? Soll sich in den alten Gemeinden eines ver¬
hältnismässig so frühen Zeitalters, wie das ist, auf welches uns die
obigen Erörterungen über die Geschichte des heiligen Kanon geführt
haben, wirklich nicht eine Fülle geschichtlicher Erinnerung an diePerson des grossen Lehrers bewahrt haben , die Erinnerung an
vielerlei wichtige Umstände seines Lebens, an die ihn umgebenden
Persönlichkeiten, an die Art und Weise seiner Predigt, an die
Hauptpunkte des Inhalts derselben ? Gewiss enthalten Texte wiedie des Pälikanon viel tendenziös Gefärbtes. Aber es müsste doch
im allerhöchsten Masse seltsam zugehen , wenn sich in ihnen nicht
auch eine Menge durchaus unbefangen und absichtslos mitgeteilter
Züge fände — oft in der Gestalt von Voraussetzungen , die fürdie Verfasser der Texte selbstverständlich sind —: Züge, denen wir
vertrauen können und sollen. Und icb glaube zu bemerken , dassdieselben Forscher , welche sich prinzipiell zu höchster Skepsis in
Bezug auf alle Behauptungen über die Person und das Leben desBuddha bekennen, doch in der Praxis nicht selten eben jenesnatürliche Vertrauen , welches sie in der Theorie bekämpfen , in
aller Unbefangenheit walten lassen. Mir sei gestattet zu exempli¬fizieren. Bei de la Vallee Poussin (S. 25) lesen wir von Buddha:
,il prfichait la pratique d'une moralite parfaite, l'observation rigou-
1) S. 4. Ähnlich de la Vallee Poussin 19 mit specieller Betonungder einseitig ceylonesischen Färbung dos Bildes. Meine Antwort in Bezug aufdiesen Punkt liegt in dem oben Gesagten.
4 7 *
680 Oldenberg, Buddhistische Studien.
reuse de commandements qui rappellent le Decalogue et sont aussi
vieux que l'humanite (?); ses disciples recommandaient la vie
mendiante et l'abnegation sous les vötements d'un moine' etc. Ich
meine, dass die Behauptung eines solchen Gegensatzes ') —■ Buddha
selbst als Verkündiger reiner Moral, seine Jünger als Verkündiger
mönchischen Lebens — doch die Voraussetzung in sich schliesst,dass die Quellen uns über die wirkliche Art der Wirksamkeit des
grossen Lehrers sehr bestimmte Vorstellungen ermöglichen: wobei
es natürlich eine Prage für sich ist, ob diese Vorstellungen eben in
der Porm, welche de la V. P. ihnen hier gegeben hat, das Richtige
treffen ^). Den Glauben aber kann ich nicht für begründet halten,dass ein solches Bild von Buddba's Leben und Wirken dem Ver¬
hängnis unterliegen sollte, allein auf die Sphäre dessen beschränktzu sein , was allem indischen Asketen- und Fakirtum bis auf den
heutigen Tag gemeinsam gewesen ist und noch ist. Ich meine im
Gegenteil, dass wir alles Recht haben, darauf zu vertrauen, dassmehr uud Besseres erreichbar ist. Wir brauchen doch nur den
buddhistischen Typus neben den ihm so nahe stehenden jainistischen
Schwestertypus zu halten, um den scharfen Kontrast rait Händen
zu greifen. Vollends, wenn wir etwa an visnuitisches oder sivai-
tisches Wesen und Unwesen, an das Treiben der Urdhvabähus,
Käpälikas u. dgl. denken. Es wäre ein Bankrott unsrer Porschung,wollten wir uns nicht zutrauen, hier über ein allgemeines Bild
indischen Asketentums hinauskommen und die besonderen Züge alt¬
buddhistischen Wesens, wie sie vor Allem der eignen Person des
Buddha innegewohnt haben müssen , klar und wahrheitsgetreu er¬fassen zu können. Gewiss ist von da bis zur vollen Erkenntnis
jener Persönlichkeit selbst in dem ganzen Geheimnis ihrer Indi¬
vidualität noch ein Schritt ■— kein kleiner Schritt —, und nicht
erst seit heut und gestern meine ich einzusehen ''), dass diesen
Schritt zu thun uns versagt ist. Aber wenn uns das Ziel selbstimerreichbar bleibt, dürfen wir darum verschmähen uns ihm anzu¬nähern so nahe wir nur können?
1) Ich nehme dabei an, dass der Verf. die oben ausgebobenen SStze nichtmehr, wie einen ihnen vorangehenden Satz, von der iturz vorher formuliertenBedingung „s'il faut en croire les Singhalais" abhängig maeht. Die näherenDetails seiner Ausdrucksweise scheinen mir das zu ergeben, und die Hinzu¬fügung jener Bedingung wäre sinnlos, da die Singhalesen in der That nichtsderartiges behaupten. ^
2) Ich glaube das in der That ni(?ht. In den Quellen finde ich nicbt denleisesten Anhalt für eine solche Unterscheidung zwischen den Tendenzen desMeisters und denen der Jünger. Dass Jener nicht nur Moralprodiger sondernauch Bettelmöneh war, wird meines Erachtens obenso überzeugend durch dioÜberlieferung verbürgt, wie es sich als ein natürlicher und verständlicher Zugin das Gesamtbild der Zeit einfügt, welche unsere Quellen —• auch die jaini¬stischen — uns schildern, und welche wir in hinreichendem Grade der An¬näherung als mit Buddhas eigner Zeit in ihren wesentlichen Charakteren über¬einstimmend ansehen dürfen.
3) Siehe meinen „Buddha"» S. 159fg. (S. 141 fg. der ersten Auflage).
♦ 7 *
Oldenberg, Buddhistische Studien. 681
VII.
Jacobi's erneute Prüfung des Verhältnisses der buddhis¬
tischen Dogmatik zum Sämkhya-Yoga ') nötigt mich zu einigenGegenbemerkungen, welche sich zunächst auf die Lehre des Aräda
Käläma, vor Allem aber auf die Deutung der buddhistischen Nidäna-formeln zu beziehen haben.
Der Leser von J.'s früherer Untersuchung erinnert sich derRolle, welche in ihr Asvaghosa's Bericht (Buddhacar. XII) über
die Doctrin des A r ä d a K ä 1 ä m a -) spielte. Diesem, einem Lehrer
Buddba's in der Zeit vor der Erlangung der Buddhaschaft, legt
Asv. Spekulationen in den Mund, welche im Ganzen Sämkbyalehre
sind, jedoch die Theorie von den drei guna nicht berühren. Da
nun einerseits J. aus anderweitigen Gründen Abhängigkeit des
Buddhismus vom Sämkhya annehmen zu müssen glaubt, anderseits
die buddh. Dogmatik die Lehre von den guna nicht kennt, so
war J. zu dem Schluss gelangt, dass diese Momente in geradezu
überraschender Weise zu dem Bericht Asvaghosa's über Aräda's
Doctrin passen und die Entscheidung darüber ergeben , ob dieser
Bericht auf Fiktion oder Tradition beruht: ,ich glaube, wir müssen
ihn jetzt als Tradition gelten lassen'^). Gegen diese AuflFassung
hatte ich mich gewandt, und es ist mir wenigstens teilweise be¬friedigend jetzt bei J. (S. 5) zu lesen: ,0b thatsächlich Aräda diese
Lehre vertrat, können wir bei dem Mangel an Quellen nicht be¬
stimmt behaupten'; allerdings geht der Satz weiter: „aber darum
ebensowenig mit Old. leugnen'. Das klingt immerhin bemerkens¬
weit vorsichtiger als früher. Aber ganz ohne Widerspruch kannich doch auch J.'s jetzige Erörterungen über Aräda nicht lassen.
Ich hatte Gewicht darauf gelegt , dass die sonstige Über¬
lieferung, insonderheit die der kanonischen Pälibücher, von jener
Sänikhya-artigen Doctrin des Ar. nichts weiss. J. deutet zunächst
in Bezug auf diese Thatsache wenigstens einen leisen Zweifel an;
er wählt für sie den Ausdruck, dass Zeugnisse der betreflFenden
Art „bis jetzt noch nicht gefunden' seien (S. 4). Ich glaube in
der That hier mit einer gewissen Zuversicht sprechen und behaupten
zu dürfen, dass meine Durchsuchung des Pälikanon eingehend
1) ZDM6. LII, 1 ff. Seine frühere Untersuchung üher denselhen Gegen¬stand s. NGGW. phil. Kl. 1896, 43 ff.; gegeu dieselbe meine Ausführungen„Buddha"' 44Gff. Mit den letzteren sowie mit denen Senarts (Mcl. de Harlez281 ff.) beschäftigt sich J.s neuer Aufsatz.
2) Bei Gelegenheit der Erwähnung dieses Mannes mache ich beiläufigdarauf aufmerksam, dass wir die Gens, welcber er angehörte, die Kälämas, imAi'igutt. Nik. III, 65 erwähnt finden. Sie wohnten im Kosalalande, wo ibnender Ort Kesaputta gehörte. Ein Einsiedler aus ihrem Geschlecht, BharauduKäläma, welcher als purätiasabrahmacäri Buddhas bezeichnet wird , lebte beiKapilavatthu (Aug. Nik. III, 124). Ein Schüler des Aräda Käläma wird imMahäparinibb. Sutta p. 43 fg. (Childers) erwähnt.
3) NGGW. a. a. 0. S. 57.
682 Oldenberg, Buddhistische Studien.
genug gewesen ist, um das noch bevorstehende Auftauchen solcher
Zeugnisse wenigstens annähernd auszuschliessen. Aber auch
ausserhalb des Kanon , dem nach J.'s Meinung die Etikette gegen¬
über dem (juru Buddba's Polemik verbieten musste '), konnte sich,
sagt J., die Kenntnis der Philosophie jenes Mannes erhalten; volks¬
tümliche äkhyänas konnten sich mit ihr beschäftigen : „dergleichen
ältere Buddhacaritras müssen (?!) wir uns als Asvaghosa's Quellen
denken". Es wäre interessant, wenn J. durch anderweitige Analysedes Buddhacarita mehr Spuren dieser älteren unkanonischen Buddha¬
caritas zu Tage fördern könnte ; einstweilen zweifle ich an der
Möglichkeit und halte an dem verbreiteten und, wie ich meine,
wohlbegründeten Glauben fest , dass man Buddhabiographien zuvei-fassen erst in einer erheblich späteren Zeit al.3 der des alten
Kanon begonnen hat. Wenn die kanonischen Te.xte uns über das
System des Ar. nur ganz weniges sagen , das allem Anschein nach
erfunden ist"''), und wenn selbst — füge ich zum äussersten t'ber-
fluss hinzu ■— ausführliche spätere Texte wie der Lal. Vistara
nicht mehr geben, so wird, meine ich, wenigstens wer dies Gebiet
von Gescbichtsquellen zusammenhängend durchforscht hat, sich dar¬
über klar sein, dass es Luftschlösser bauen heis.st, wenn man jene
angebliche Überlieferung in das geräumige Nebelreich der „volks¬
tümlichen äkhyänas' verlegt. Wer war denn der Träger deralten Überlieferungen über Buddba's Leben und über die mit
ihm in Berährung getretenen Persönlichkeiten anders als der buddhis¬
tische Samgha, der grosse Kollektivverfasser des Pitaka-Kanon?Und ausserhalb der buddhistischen Litteratur, wo ti-elfen wir da
auf irgendwelche Spuren von Person und Lehre des Aräda-')?Past ausnahmslos sind die Persönlichkeiten, die wir in Buddba's
Umgebung finden, für uns, abgesehen eben von den buddhistischen
Quellen, verschollen. Wer die Meinung hegt, dass gerade Aräda
es für Asv. nicht war, wird dafür meines Erachtens bessere Zeug¬
nisse geltend zu machen haben, als das suspecte des Buddhacarita.
Doch gegen meine Ansicht, dass Asv. hier dom Aräda frei er¬
fundene oder wenigstens durch einen Akt freier Erfindung auf ilm
übertragene Lehren in den Mund legt, erhebt J. (S. 5) einen Ein-
1) Von dieser Rücksicht der Etikette merkt man jedenfalls bei Asvaglio.sanicht viel (XII, 68 fr.), auch nicbt im Majjhima Nikäya (vol. I, p. 165), woBuddha in Bezug auf A.s Lehre sagt: tarn dhammam analanilcaritvä tasmädhamma nibbijjäpalclcamim, oder im Mahäparinibb. Sutta (p. 45), wo PukkusaMallaputta — den der Autor des Textes ofl'enbar beifällig betrachtet — sagt:yo me Aläre Käläme pasädo tarn malinväte vä. opunämi sighasotäya vänadiyä pavähemi. Schwerlich würden dio Buddhisten anerkennen, dass eseinen guru des Buddha geben konnte. Vgl. die einigermassen hier einschlagen¬den Erörterungen des Milinda Panha p. 235 fg.
2) „Buddha"' 452 fg. J. sagt nicbt wie er sicb zu diesen Ausführungen stellt.3) Doch wohl schwerlich an mir entgehenden Stellen der Jainalitteratur.
Sonst hätte uns der vorzügliche Kenner derselben, gegen den ich hier polemisiere,das gewiss gesagt.
Oldenberg, Buddhistische Studien. 683
wand, an welchem ich nicht vorüber gehen kann. Die ünrichtig¬keit meiner Auffassungen müsse Jedem, der sich mit den mahä-
Iwmyas eingehender beschäftigt hat, sofort klar sein. „Dennerstens ist es im höchsten Grade unwahrscheinlich, dass der Dichter
dem Lehrer des Buddha eine bestimmte Philosophie angedichtet
hätte, ohne einen genügenden Anlass dazu in seinen Vorlagen ge¬
funden zu haben". Warum unwahrscheinlich, wenn die Vorlagen
hier eben Nichts oder so gut wie Nichts boten, und wenn den
Autor doch danach gelüstete seiner Kunst hier die Zügel schiessen
zu lassen? Es ist Jacobi selbst, der vor nicht lange sagte'):
„Wir könnten wohl verstehen, dass Asv. aus freier Erfindung dem
Lehrer des Buddha irgend eine Philosophie . . . zugeschrieben
hätte". Jetzt nun sagt er weiter: „Zweitens, wenn er (Asv.) dem
Ar. auch, ohne von einer Tradition unterstützt zu sein, die Säm-
khyaphilosophie beigelegt hätte, würde er sich ebenso wenig will¬
kürliche Änderungen in der Terminologie wie Auslassung einesGrundelements im System zu schulden haben kommen lassen. In
jedem Lehrbuch über alamkära wird vor einem solchen Fehler
(vidyäviruddha) gewarnt und kein Dichter würde der Kritik seiner
Neider eine solche Blösse gegeben haben". Es bleibe dahingestellt,wie weit wir bei Asvaghosa, diesem allem Anschein nach den
Anfangszeiten der /ßäWJ/a-Poesie angehörigen Dichter, fehlerlose Be¬
obachtung der a/aw/«äm-Regeln , wie sie uns vorliegen , voraus¬
setzen dürfen. Aber selbst diese Voraussetzung zugegeben , lägedenn wirklich ein vidy aviruddham vor? Doch nur dann, wenn
der Autor die Aufgabe hätte oder den Anspruch ei-höbe, Lehren
vorzutragen, die einem bestimmten feststehenden Typus, z. B. demdes klassischen Säipkhya , wirklich entsprechen -). Dann würdeder einmal in der Wissenschaft feststehende Sachverhalt für ihn
bindend gewesen sein. Wie aber, wenn er sich die hier von ihm
eingeführte Persönlichkeit vorgestellt hätte als im Ganzen etwa
der Sämkhyarichtung angehörig, aber innerhalb derselben, wie sich
das für ein solches Schulhaupt schickt, seine selbständige Stellung
einnehmend? Und wenn er nun dem entsprechend, etwa wie er
im 4. Kapitel die erotischen Künste der Weiber offenbar in den
meisten Einzelheiten nach freier Erfindung schilderte, so hier den
Sämkhyatypus , den er ja eben nicht als solchen , sondern als die
von ihm dichterisch zu gestaltende Lehre des Aräda vortrug, nach
eigenem. Gutdünken in einigen Einzelheiten umgebildet hätte?Oder auch wenn er einen uns im Übrigen unbekannten Lehr-Typus,
der ihm vielleicht als irgend einer Abzweigung des Särnkhya an-
1) NGGW. a. a. O. 57.2) Oder will man finden, dass in der Nennung des Kapila, Jaiglsavya etc.
(XII, 21. 67) ein solcher Anspruch in der That liegt? Dann hlieh© allerdingsdie Frage offen, wie Asv. es mit seinem Gewissen vereinen konnte, dem Kapilazuzuschreihen, was or ihm dann eben zuschrieb. Aber dem Resultat, da« alldas als Lehre des Aräda gewährleistet wäre, kämen wir so um nichts ijäher.
684 Oldenherg, Buddhistische Studien.
gehörig bekannt war, genommen und auf Grund eigenen, freienErmessens dem Ar. zudiktiert hätte ? Wenn es, wie wir für kaum
zweifelhaft halten , eine autoritative Aussage der vidyä darüber,was Ar.'s Lehre war, zu Asvaghosa's Zeit nicht gab'), wo bleibt
dann das vidyäviruddham 2) ? —
Von den Aräda betreflfenden Fragen gehen wir zu den wesent¬
lich wichtigeren Problemen der buddhistischen Nidänaformel.
Den Versuchen, diese Formel in eine mehr oder weniger enge
Nähe an die Kategorienreihe des Särnkhya heranzurücken , hatte
ich (Buddha^ 447) zunächst die allgemeine Bemerkung gegen¬
übergestellt, dass beide Begriflfsreihen auf ganz verschiedene Pro¬
bleme zugeschnitten sind. Bei den Buddhisten handelt es sich um
die Frage: wie entsteht im Lauf der psychischen Prozesse Leiden?
Hierauf antwortet die Causalitätsformel, welche vom Nichtwissen,
dem letzten Grunde des Leidens, anhebt, und durch eine Reihe
von Mittelgliedern hindurch in Alter, Tod u. s. w., das Leiden inallen seinen Gestalten ausläuft. Bei den Säipkhyas dagegen wird
gefragt : wie entwickelt sich das Universum ? Und hier hebt dieReihe der Ursachen von der Urmaterie an und endet mit den
letzten, gröbsten Substanzen, welche aus dieser hervorgehen.
Jacobi (S. 6) findet, dass meine Formulierung der Frage¬
stellung des Särnkhya sich in willkürlicher Weise von den Quellenentfernt. „Im Särnkhya wird nämlich nicht gefragt: „wie ent¬
wickelt sich aus dem Weltgrunde das Universum' ; sondern viel
richtiger wäre es, die von Old. für den Buddhismus aufgestellte
Fragestellung: „wie entsteht im Lauf der psychischen Prozesse
Leiden?' auch als diejenige des S. anzugeben. Das beweist schon
das erste Sütra : atha trividhaduhlchätyantanivrttir atyaniapuru-särthah".
Dass die Aufhebung des Leidens das letzte Ziel ist, dessen
Erreichung die Särnkhyalehre ihren Anhängern verheisst, ist gewiss
ebenso richtig wie es allbekannt ist. Aber darum werden wir doch
nicht von jeder einzelnen Doctrin des Särnkhya sagen, dass sie auf
die Frage nach dem Leiden und seiner Aufhebung antwortet, mag
1) Abgesehen natürlich von dem einzigen Punkt des älcincaniiägatana,welcheu ja Asv. auch nicbt versäumt hat in sein Referat aufzunehmen.
2) Anhangsweise möchte ich hior noch folgende Bemerkung Jacobis (S. 5)herausheben: „Selbst wenn Asv. einer falschen Tradition gefolgt wäre, so wäresein Zeugnis uns wichtig für das Bestehen und die weite Verbreitung jenerForm des Sänkhya im östlichen Indien , die somit wahrscheinlich in hohesAltertum zurückgeht." Also Asv. oder seino Quello hat vielleicht — ich nebme,wie schon oben gesagt, das Zugeständnis gern an — dem Aräila eine Lehrezugeschrieben, welche nicht wirklich dio seine war: dann soll aus solchemIrrtum oder solcher Erfindung für diese Lehre wenigstens so vie! folgen , dasssie im östlichen Indien bestand? Es soll folgen, dass sie dort weit verbreitetwar? Es soll als wahrscheinlich folgen, dass sie in hohes Altertum zurückgeht?Alles mir unverständlich.
Oldenberg, Buddhistische Studien. 685
sie immerhin ein Glied in einem System bilden, welches sich diese
Auf heb ang zu seinem letzten Ziel setzt. Im Lauf der weiten und
komplizierten Gedankengänge des Systems giebt es eine Menge
einzelner logischer, kosmologischcr, psychologischer etc. Probleme
zu lösen : und so handelt es sich hier um die Prage, wie sich ausder [Jrmaterie schrittweise die Welt der Produkte, von den
feineren zu immer gröberen, entfaltet resp. in umgekehrter Reihen¬
folge wieder absorbiert wird. Nun wird ja freilich dann ferner,wie bekannt, gelehrt, dass die Verbindung der' Seele mit demSchmerz auf der Nichtunterscheidung jener von der Materie und
von dem Treiben der materiellen Welt beruht, und dass das höchste
Ziel der Erlösung durch die entsprechende Unterscheidung erreicht
wird. Wird man darum die Verschiedenartigkeit der Gedanken¬
bewegung in zwei Kausalitätsreihen verkennen , von welchen die
eine, die buddhistische, in der Aneinanderkettung seelischer Vor¬
gänge den Schmerz , die andere , die des Särnkhya , in der An¬einanderkettung seelischer wie kosmischer Vorgänge das Universumentstehen lässt '?
Nun bemerkt Jacobi (S. 6) allerdings vollkommen zutreffend,
dass es noch keinen Beweis gegen die Entlehnung der Grundbegriflfe
ergiebt, wenn wir die entlehnende Schule die betreflfenden Begrififein selbständiger Weise einer neuen Pragestellung dienstbar machen
sehen. Die Hervorhebung der Divergenz der Pragestellung hattefür mich auch nur den Zweck , meinem Unglauben an eine Ent¬
lehnung eine gewisse vorläufige Wahrscheinlichkeit zu sichem.
Diese Präsumtion würde entkräftet werden, liesse sich zeigen, dass
trotz jener Divergenz doch die Begriffe selbst, mit denen auf
beiden Seiten operiert wird , Beziehungen zeigen , welche auf eine
Entlehnung scbliessen lassen. Ob eben dies nun der Fall ist, wollen
wir jetzt in der Diskussion wenigstens der wichtigeren dieser Be¬
griffe — derselben, welche auch Jacobi in den Vordergrund seinerneuen Erörterungen gestellt hat — prüfen.
Wir beschäftigen uns zunächst mit der Kategorie der sam-Ich&rä.
Jacobi (S. 11), f'ür welchen dieser Begriff dem Sänikhya-Yoga
entlehnt ist, ruacht auf die Thatsache aufmerksam, dass der Bud¬dhismus denselben nicht ausschliesslich in der Nidänaformel be¬
nutzt, sonderir ilm auch als vielgebrauchten Terminus in seinen
sonstigen philosophischen Diskussionen verwendet. Wir können
unsrerseits hinzufügen , dass auch in der einfachen Erzählung ge¬
wöhnlicher Vorgänge bei den Buddhisten das Nomen oder das zu¬
gehörige Verbum nicbt selteir ist. Bereiten Disputierkünstler eineverfängliche Pi-age für Buddha vor, so heisst das pan/imn "7>Ji''-samhharonti (Cülahatthipadopamasutta, Majjh. Nik. vol. i p. 17G);
die eineui riado , welches man rollen lässt, mitgeteilte Bewegung
ist ein abhminik/iiiru (Xiig. Nik. III, 15, 2. 3); die Absicht
Jemandes, einen bestinmiten Gang zu thun, ist sein ,auf das Gehen
686 Oldenberg, Buddhistische Studien.
gerichteter Sarnkhära' ')• Jacobi (a. a. 0.) schliesst aus den über
die Nidänaformel hinausgehenden Verwendungen des Terminus merk¬
würdiger Weise, „dass das philosophische System des Sämkhya-
Yoga auf den werdenden Buddhismus einen prinzipiellen, über die
Entlehnung des einen oder andern isolierten Begriffs hinausgehen¬
den Einfluss gehabt habe. Wir dürfen diesen Einfluss als einenvorbildlichen bezeichnen*. Ich meine, viel natürlicher ist die
Folgerung , dass der betreffende Begriff in der allgemeinen Denk¬
atmosphäre, in welcber der alte Buddhismus lebte, so weit heimisch
und verbreitet war, dass sich seine Verwendung wie der Speku¬
lation so auch der unspekulativen Auffassung von Dingen des ge¬
wöhnlichen Lebens aufdrängen' musste. Ist dies aber ricbtig , so
wird es sich doch sehr fragen, ob wir noch Grund behalten, die
spekulative Verwendung dieses Begriffs eben aus Sämkhya-Einflüssenherzuleiten , und ob nicht die Ähnlichkeit , welche zwischen den
samskära bei den Buddhisten und bei den Sämkhyas doch besteht,eine einfache Familienähnlichkeit ist, welche sich aus der Herkunft
des Begriffs hier wie dort aus den Sphären gleicher Denk- und
Ausdrucksweise überzeugend genug erklärt.
Doch Jacobi (S. 9) glaubt einen direkten und speziellen
Beweis dafür geben zu können , dass die buddhistischen samkhära
dem Särnkhya-Yoga entstammen. In der Reihenfolge der Nidäna¬
formel erscheinen die s. vor dem Geist {mnnäna). Das Substrat,welches ihnen im Säinkhyasystem unterliegt, die Buddhi (= vi¬
jnäna) — diese ist ja dort die Trägerin der latenten Eindrücke{samsk.) — fehlt ihnen also im Buddhismus. So schweben sie
hier in der Luft , in einer mystischen Unbegreiflichkeit , welche
dem religiösen Gemüt zusagen mag , die aber diese Gestalt der
Doctrin gegentiber der nüchternen Verständlichkeit der S.lehre als
die spätere erweist.
J. missversteht die Nidänaformel, wenn er die Reihenfolge von
samkhärä und vivväna zu einer derartigen Argumentation ver¬
wertet. Die Nennung des viiiTiäna in dieser Formel bezieht sich— wir werden hierauf bald eingehender zurückzukommen haben —
auf den Augenblick der Konception eines neuen Wesens. Was
diesem Augenblick vorangebt , ist nicht mystisches Wogen im
dunkeln Schooss eines Weltgrundes oder in den Höhen eines
spekulativen Wolkenkukuksheims, sondern es sind Vorgänge in der
Seele ^) desjenigen Wesens, welches dem nun in die Entstehung
tretenden Wesen im Lauf des Sarnsära vorangeht und welchem
1) Buddha' S. 282; dort mehr Materialien. Wio eben die mit abliisam-hharoti bezeicbnete Thätigkeit es ist, als deren Produkt der samlcli'tra imSinn der Kausalitätsformel erscheint, kann z. B. der Samy. Nik. vol. II p. 82(Buddha' S. 284) oder das unten S. 687 angeführte Kukkuravatikasutta ver¬anschaulichen.
2) Natürlich sofern von einer Seele zu sprechen überhaupt in der buddh.Lehre statthaft ist.
Oldenherg, Buddhistische Studien. 687
empirisch fassliche Existenz zukommt genau so gut wie diesem
letzteren. Auch der avijjä, dem ersten Begriff der Nidänareihe,fehlt keineswegs die Unterlage eines Wesens , welches nicht weiss
(vgl. Jacobi S. 9 Mitte) : es ist eben jenes Wesen, in dessen Innem
sich auch die sarnkhära abspielen. Den Beweis für diese Auffassung
ergeben z. B. die Auseinandersetzungen des Sarakhäruppatti Sut¬
tanta, welche ich „Buddha" '* 285 fg. mitgeteilt habe, und
denen ich hier das Kukkuravatikasutta, Majjh. Nikäya vol. I
p. 389 fg. (= Afiguttara Nikäya III, 23) hinzufügei). Soweitalso die bekannte allgemeine Neigung der buddhistischen Psycho¬
logie vielmehr mit psychischen Vorgängen als mit psychischen
Substanzen zu arbeiten überhaupt dies möglich machte , haben die
sarnkhära genau so gut ihre fassliche Unterlage, als irgend einandres Glied der Reihe z. B. phassa oder tanhä, und von der die
Sämkhya-Vorlage verratenden „Lücke, die durch Weglassung der
Buddhi als der Denksubstanz entstanden ist" (Jacobi) ist nichts zubemerken.
Wie nun die Rolle der sairikhära an ihrer Stelle in der
Causalitätsreihe vorzustellen ist , wird sich in einiger Anschaulich¬keit besser formulieren lassen, wenn wir vorher auf die nächsten
beiden Glieder der Nidänaformel vinnäna und nämarüpa ein¬
gegangen sind-).
1) Als Bestätigung vergleiehe man, was „Buddha"' 278 über die Eolleder avijjä ausgeführt ist (s. auch den Visuddhimagga bei Warren, Buddhismin translations 181). Dass die samlchära, welche neues vinnäna hervorbringen,zugleich doch altes vinnäna als bereits existierend voraussetzen , geht sehrdeutlich auch aus dem „Buddha"' 284 Anm. 2 beigebrachten hervor.
2) Hier mögen nur noch einige Bemerkungen zur Verteidigung moinervon J. (S. 10 Anm. 2) beanstandeten Behauptung von der wesentlichen Syno¬nymität von dhamma und sarnlchära ihro Stelle finden. Es handelt sich umden allgemeinsten Sinn von sarnlchära; dass derselbe Terminus in den buddh.Texten in verscbiedener Bedeutung gebraucht wird, ist ja nicht selten undmacht bekaimtlich eine Hauptschwierigkeit in der Behandlung der buddhistischenDogmatik aus. Ich hatte auf Dhp. 277—279 verwiesen, wo es in drei imÜbrigen wörtlich identischen Versen zuerst heisst sabbe sarnkhära aniccä,sabbe saiiikhärä dukkhä, dann sabbe dhamma anattä (off'enbar nach diesermetrischen Vorlage dann auch die Prosa, Anguttara Nik. III, 134; VI, 102 —104).Die scbarf ausgeprägte Parallelität der dreimaligen Äusserungen, verbunden mitder in der buddh. Spekulation feststebenden Coordinierung der Begriffe aniccadukkha anattä (z. B. Milinda Panha p. 286) scbeint mir in der That keinenZweifel übrig zu lassen. Icb verzeichne nun einige Stellen — sio könntenleicht vermehrt werden —, an denen von den sarnkhära (resp. dem samkhatamu. di:l.) offenbar in diesem weitesten Sinn die Rede ist. Sakkas Wort beiBuddhas Tod (Mahäparinibb. S. p. 62) aniccä vata sarnkhära etc.; nanu rittäsabbasamkhärä Buddhav. II, 219 u. öfter, sabbaloke anabhiratisaitninosabbasamkhäresu aniccänupassino Majjh. Nik. vol. I, p. 336 = Aiigutt. Nik.V, 122. ajätarii abhütani akatam asarnkhatam , jätassa bhütassa katassasamkhatassa Udäna p. 80. Der satta ist suddhasamk/iärapurija Samy. Nik. I,p. 135. Siehe noch das Kathävatthu passim; Milinda Panha p. 50. 52 etc.Den engeren Begriff von sarnkhära an diesen Stellen zu finden ist teils ge¬zwungen, teils unmöglich.
688 Oldenberg, Buddhistüchc Studien.
J. (S. 8) macht einen etwas kühnen Sprung , wenn er , ohne
sich viel bei der Wortbedeutung von nämarüpa oder bei derbuddhistischen Tradition über diesen BegrifF aufzuhalten, kurz und
bündig folgendermassen argumentiert : Für das nämarüpa der
Buddhisten ist von dem parallelen Terminus der Jaina nämagotraauszugehen'). Dieser bedeutet etwa „Individualität". So werden
wir auf das Individualitätsorgan des Särnkhya, den ahamkära ge¬
führt. Diesem substituierte Buddha, die ganze Lehre vergröbernd,
den „populäreren Terminus" nämarüpa (S. 8. 14 fg.)
Misstrauen wir so rasch aufgeführten Konstruktionen, bis wir
gethan haben, was hier doch zuerst und vor aller Herbeiziebungder jainistischen Terminologie gethan werden muss: bis wir die
Äusserungen der kanonischen Texte über nämarüjja, — daneben
über das eng damit zusammenhängende vinnäna — und speziell
über die Rolle dieser Begriffe in der Nidänaformel geprüft haben.
Ich habe nun schon in meinem „Buddha"'', S. 259 fg. aus¬
geführt, dass nach den eingehenden Darlegungen des Mahänidäna-sutta wie nach anderen Texten es die Zeit der Konzeption und
dann der Schwangerschaft ist, in welcher das viiinäna das näma¬
rüpam sich im Mutterleib gestalten und dann anwachsen und
gedeihen lässt. Das vifinäna ist entweder direkt dasjenige desWesens , welches in der Seelenwanderung dem jetzt entstehenden
vorangeht, oder auf Grund jenes alten vinnäna bildet sich das neuedes neuen Wesens (ebendas. 261 A. 1). Senkt sich dieses in den
Mutterleib hinein , so entsteht dort der neue Körper : okkantipasati nämarüpam (Angutt. Nik. III, 61, 9); nämarüpam patisanda-hati (Milindap. p. 46) -). Über die Rolle des nämam dabei ver¬
weise ich auf „Buddha"'' 259 A. 2. Das rüpam. aber ist der
Körper. Oft wird rüpam definiert als caUäri ca mahäbhütäni
(pathavtdhätu etc.) catunnam ca mahäbhütänam upädäya rüpam(Majjh. Nik. vol. I p. 185. 220 u. sonst); wir treffen auch auf die
Erklärung aithirn ca paticca nahürum ca paticca mamsani ca p.cammam ca p. äkäso parivärito rüpan t' eva samkham gacchati
(Majjh. Nik. vol. I, p. 190). Buddha, befragt, wie das rüpn sich
entwickelt, beschreibt wie der Embryo erst das Stadium des kalala.dann des abbuda etc. durchmacht, wie er durch die Ernährunof'
der Mutter ernährt wird (Sainy. Nik. vol. I p 206). So wird für
1) Es sei bei dieser Gelenenbeit daran erinnert, dass auch die Buddlüstenden Begriff nämagotta Itennen; wir finden ibn aber in ausdriicltliclier Ge;;cu-überstellung zu riipain. Samyutt. Nik. vol. I, p. 43: riipam j'irati macciitiaiitnämagottam na jirati.
2) avaklcanti des nämariipa : Samy. Nik. vol. II, p. GO etc.; cwal-l-antides vinniiiia p. 91 etc. Man vergleiche auch wns der Visuddhimagga (über¬setzt bei Warren 178) über rebirtli-consciousness und tiie descent of nameand form sagt. Aus der nördiicben Litteratur sei die BodbicaryRvatäratlkSbei de la Vallee Poussin p. 310 angeführt: das vijiiüna ist d.is bija, aus welchemmütuli kuksau das nämarUpa als aiilcura erwächst.
Oldenberg, Buddhistische Studien. 689
nämarüpa gelegentlich direkt nämakäya gesagt (Sutta Nip. 1074)')und in ähnlicher Weise der Körper einerseits, das draussen be¬
findliche nämarüpa andrerseits gegenübergestellt {ayarn c'eva käyobahiddhä ca nämarüparn Samy. Nik. vol. II, p. 24).
Vergleicht man die primitive Art, in welcher der Buddhismus
hier mit dem aus der 15rähmana- und Upanisadlitteratur über¬
kommenen Terminus nämarüpa operiert, um die Vorgänge der
Konzeption zu erklären, mit den Philosophemen des Sämkhya überbuddhi und ahamkära, so liegt wohl auf der Hand, dass der eine
Gedankenkreis vom andern weit abliegt, ebenso dem Inhalt nach
wie nach dem ganzen Stil , der Technik des Denkens. Dass auch
Jacobi hier dem Buddhismus Schuld giebt, seine Vorlage vergröbert
zu haben, erwähnten wir schon. Aber wir fragen vergeblich, wobei der Gegenüberstellung dieser groben und jener raffinierten Ge¬
dankengebilde noch der Anhalt dazu übrig bleibt, die letzteren fürdas Vorbild der ersteren zu halten.
Rekapitulieren wir nach unserer Analyse der einzelnen Begrifl'enun noch einmal im ganzen, was der Buddhismus in den erstenNidänasätzen lehrt.
Das Nichtwissen von Leiden und Nichtigkeit der Welt bewirkt,
dass der Mensch auf neues Dasein gerichtete Strebungen in sich
entfaltet (vgl. Samyutta Nik. vol. II, p. 82; Visuddhimagga, Warren180 fg.). Er gestaltet (abhisarnkharoti) in sich reinere oder un¬
reinere sarnkhära auf dem Gebiet von Körper, Rede, Geist, d. h. er
bringt in sich Tendenzen hervor, die vergleichbar der Bewegungs¬kraft, welche dem rollenden Rade mitgeteilt ist, seinem vinHäna'^)
die Bewegung in ein neues Dasein hinein mitteilen, — in ein
Dasein, dessen Beschaffenheit der Beschaffenheit jener Tendenzen
entspricht (Samy. Nik. a. a. 0.; Anguttara Nik. III, 23). Das vinnäria
bringt in einem Mutterleibe neues nämarüpa zur Entfaltung; einLeib gestaltet sich , der dann in Berührung mit der Aussenwelt
tritt, Empfindungen hat u. s. w.^), kurz, sofern das Nichtwissen nicht
aufgehoben wird, den alten Kreislauf von neuem durchmacht.
Zeigen sich in dieser Gedankenreihe nun wirklich wesentliche
Berührungen gerade mit der Särnkhyaphilosophie ? An der Spitze
die avidyä als Wurzel alles Übels: sie ist alt und allgemein indisch.Die samskära wohl nicht ohne Verwandtschaft mit denen des
Sämkhya , aber sie sind ein der allgemeinen Denkweise der alt¬
buddhistischen Zeit, auch ausserhalb philosophischer Probleme, ge¬
läufiger Begriff. Das vijnäna der buddhi nicht spezieller nahe
1) Wenn dort von dem muni nämakäya vimutto die Eede ist, so liegtwotil auf der Hand, dass an den Zustand gedacht ist „yattha nämarn, ca rvparnca asesam uparujjhati' (das. 1037).
2) Oder dem neuen vinnäiia, das aus dem alten entsteht, wie die Flamme,die jetzt brennt, aus der Flamme entstanden ist, die eben brannte. „Buddha"»261 Anm. 1. 299. 303.
3) Majjh. Nik. vol. I, p. 389.
Bd. LII. 48
690 Oldenberg, Buddhütische Studien.
stehend, als die Ausdrücke für ein geistiges Zentralorgan, die doch
in Systemen dieser Art nahezu unvermeidlich vorkommen mussten,sich von selbst stehen. Das nämarüpa weiter ein aus den Bräh¬manas etc. überkommener und an deren Gedankenkreise anzu-
schliessender Begriff, der dem ahamkära so unähnlich wie möglichsieht. Gewiss verbindet diese buddhistischen Spekulationen mit
dem Särnkhya ein gewisser durch die indischen Philosophien über¬
haupt hindurchgehender Familienzug: engere Zusammenhänge aberkann ich hier in der That nicht finden.
„In der weiteren Fortsetzung der Reihe treten nun grössere
Abweichungen ein", sagt Jacobi (S. 9). Ich acceptiere diese sehr
zutreffende Bemerkung und beschränke mich, ohne auf die übrigeneinzelnen Glieder einzugehen, nur darauf, noch eine Stelle, an welcher
J. eine spezielle Parallelität der buddhistischen Vorstellung mit
derjenigen der „orthodoxen Phüosophie" behauptet, etwas näher
zu prüfen. Es handelt sich um seine Zusammenstellung des buddh.
upädäna mit dem adrstam {dharmädharmau). Seine frühere
Identifizierung der beiden Begriffe schränkt er jetzt (S. 13) dahin
ein, „dass in dem Begriffe von upädäna derjenige von adrsta irgend¬
wie enthalten oder mit ihm gesetzt sei".
dharmädharmau sind bekanntlich Verdienst und Schuld, dieals Produkte oder Attribute der Buddhi aufgefasst werden und
auch adrsta „der unsichtbare Faktor" heissen; die Ausdrücke sind
synonym mit karman. Das Särnkhyasütra I, 81') polemisiert, nun
gegen die Ansicht, dass das karman kärana der Welt sei: dennjenes könne — wohl , wie die Kommentare hinzufügen nimitta-
käranam (causa efficiens) — aber nicht upädäna (causa materialis)sein. J. vermutet, dass der Särnkhyatext sich hier gegen eine
Ansicht wende, wie er sie dem Buddhismus beizulegen vorschlägt.
„Der Begriff der materiellen Ursache muss ... in der buddhistischen
Philosophie . . . eine Modifikation erfahren haben , so dass er auchauf adrsta anwendbar schien".
Mir scheint das vollkommen in der Luft zu stehen ; dafür dass
das eben der Buddhismus ist, welcher die hier bezeichnete spekulative
Operation vollzogen haben „muss", kann ich nicht auch nur denleisesten Anhalt finden. Es ist aber wohl klar, dass wir, um über
den buddhistischen Begriff von upädäna etwas zu erfahren und
über dessen etwaige Parallelität mit dem adrsta etwas behaupten
zu können, nicht freie Konstruktionen dieser Art zu Grunde legen
dürfen, sondern dass wir vor allem die buddhistische Uberlieferung
über upädäna (und das Verbum upädiyati) eingehender Betrachtungwürdigen müssen -).
1) II, 81 bei Jacobi ist Druclcfebler.2) J. begnügt Bich hier im Wesentlichen — auf eine daneben liegende
Argumentation kommen wir weiterhin znrück — mit dem Citat einer Bemerkungaus Sp. Hardy's Manual. So verdienstlich diese Arbeit für ihre Zeit war,sind wir doch jetzt an den meisten Stellen in der Lage, mit viel ausgedehnteren
Oldenberg, Buddhistische Studien. 691
Eine solche Betrachtung stellt nun, um mit einer negativenFeststellung anzufangen, zunächst heraus, dass das buddhistische
upädäna mit dem upädäna = causa materialis der Philosophie
nichts zu thun hat; Deutungen des buddhistischen Begriffs, welcheauf die letztere Kategorie zugeschnitten sind, sind von vornherein
zum Fehlschlagen verurteilt. In die Region, in welcher die wirk¬
liche Bedeutung von upädäna liegt, führen uns zunächst die auch
in der ausserphUosophischen Redeweise so häufigen Ausdrücke skt.
upädcUte, V&li upädiyati^), ,er ergreift, er eignet sich an" -). Dem
entsprechend ist upädäna das Ergreifen und Ergriffenhalten eines
Objekts, welches man sich anzueignen, zu geniessen wünscht, oder
auch — die Überlieferang scheint mir hier von einem gewissen
Schwanken nicht ganz frei — der korrespondierende subjektive
Zustand der Entschlossenheit zum Ergreifen und Ergriffenhalten.
Den letzteren Standpunkt nimmt das Mahätanhäsamkhayasutta (Majjh.Nik. vol. I, p. 266) ein, wenn es beschreibt, wie man auf Grund
von Wahrnehmungen des Auges, Ohres etc. Empfindungen hat
(vedanam vedeti) ; so tarn vedanam abhinandati abhivadati ajjho-
säya tittliati. tassa iam vedanarn abhinandato abhivadato qjjho-
säya titfhato uppajjati nandl. yä vedanäsu nandi tad upädänarn.Andererseits aber wird etwas weiter in demselben Sutta (p. 270)
das upädäna mit der nandi nicht direkt identifiziert, sondern alsunmittelbare Folge derselben bezeichnet : tassa tarn vedanani anabhi-
nandato anabhivadato anajjhosäya titthato yä vedanäsu nandi sä
nirujjhati, tassa nandinirodhä upädänanirodho, upädänanirodhähhavanirodho etc. Hier ist offenbar upädäna das aus der nandi
iervorgehende Ergreifen resp. Ergriffenhalten selbst^). Wie an der
Materialien, den alten Quelleu selbst, eiue grossere Bestimmtbeit der Resultatezu erreichen , als für Sp. H. möglich war. Die Durcharbeitung dieser Quellenwürde vielleicht den Auffassungen Jacobis über mancbe Fragen eine andereKichtung geben , als er sie bei seiner jetzigen Weise die den Buddhismus be¬treffenden Probleme zu behandeln einschlägt.
1) Dass für das Bewusstsein der Autoren des heiligen Kanon upädänamit upädiyati in lebendiger Zusammengehörigkeit steht, zeigt, wenn es hiereines Beweises bedarf, z. B. Sainy. Nik. vol. II, p. 14.
2) Beispielsweise heisst es, um eine charakteristische Stelle aus einem derkanonischen Texte (Aüguttara Nikäya I, 17, 9. 10) anzuführen, dass der imfeuchten Erdreich ruhende Samen pathavirasarn upädiyati, äporasarn upä¬diyati, worauf dieser rasa je der Natur des betreffenden Samens entsprechendsich umgestaltet. Ähnlich wird Sainy. Nik. vol. II, p. 87 gesagt, dass, wenndie Wurzeln dem Baum ojarn ahhiharanti, derselbe lebt tadupädäno. Offen¬bar ist die Vorstellung von dem Brennmaterial als dem upädäna des Feuersoder der Leuchte (,,Buddha"» 269; Samy. Nik. vol. II, p. 85 fg.) eben in diesenZusammenhang zu stellen. Wio der Same oder wio vermittelst seiner Wurzelnder Baum die im Erdreich enthaltenen Nahrungsstoffo ergreift und von ihnenlebt, so ergreift die Flamme das Brennmaterial und lebt von ihm. Die kon¬kret anschauliche Vorstellung dieses Ergreifens in den abstrakten Begriff dercarisa materialis umsetzen heisst ihre Färbung wesentlich ändern.
3) Noch in etwas andero Verbindung sind nandl und upädäna in demVers Majjh. Nik. I, p. 330 gebracht: nandirn ca na upädiyirn.
45"k 8
692 Oldenberg, Buddhistische Studien.
ersteren Stelle die nandi mit dem up. identifiziert wird, so an
anderen Stellen öfter der chandaräga, welcher sich auf rüpa, ve¬danä etc., kurz auf die Welt des sakkäya richtet (s. die An¬
führungen in meinem Buddha^ S. 273 Anm.)'). Direkt das Ergriffen¬
halten der Ohjekte wieder scheint gemeint, wenn der Erkennende,,welcher auf die frühere Zeit seines Nichterkennens zurückblickt, sagt :
aharn hi rüparn (dann vedanarn etc.) yeva upädiyamäno upädiyirn,
tassa me upädänapaccayä bhavo etc. ^). Der Weise aber, der eine
vedanä hat und in Bezug auf dieselbe aniccänupassl ist, na kinci
loke upädiyati (Majjh. Nik. vol. I, p. 251). Der Sutta Nipäta (1103.1104) wamt vor der ädänatanhä d. h. dem Durst nach Ergriffen¬
halten; Mära treibt überall sein Werk yam yarn hi lokasmirn
upädiyanti. tasmä pajänarn tui upädiyetha bhikkhu sato kin-canarri sabbaloke.
Damach wird es im ganzen klar sein, was in der Nidäna¬
formel die Begriffsreihe phassa — vedanä — tanhä — upädäna
bedeutet. Die Sinne treten in Berührung mit den äusseren Ob¬
jekten. Daraus entwickelt sich ein Gefühl von Freude resp. Schmerz.
Es entsteht Verlangen. Voll Lust greift man nach dem Objekt,
eignet es sich an. Dass upädäna so von phassa nicht getrenntsei (Jacobi S. 13) scheint mir unzutreffend; es sind zwei verschiedene
Stadien des Vorgangs, wenn etwa der Gesichtssinn mit einem sicht¬
baren Objekt in Berührung tritt und wenn der Mensch voll Lust
an jenem Objekt es sich aneignet. Eher könnte, wenn man für
upädäna den subjektiven Begriff von nandl oder chandaräga zu
Grunde legt, die Abgrenzung gegenüber der tanhä Schwierigkeit
machen; nandl und chandaräga stehen der tarihä gewiss rechtnah, werden übrigens doch im Texte der ariyasacca von derselben
deutlich geschieden*). Ich möchte für wahrscheinlich halten, dass
es sich ursprünglich der Wortbedeutung und einigen der oben an¬
geführten Stellen entsprechend bei upädäna um das Ergreifen selbst,
nicht um die nandi handelte*). Wie dem aber auch sein mag, wirbefinden uns hier jedenfalls in ziemlich weiter Entfernung von
dem adrstam, dem karma. Um eine von Verdienst und Schuld
der Vergangenheit hervorgebrachte Wirkung handelt es sich höchstens
1) Nicht allzuweit entfernt davon liegt es, wenn Milindap. p. 32, wie esscheint, upädäna mit kilesa gleichgesetzt wird.
2) Vgl. auch das Candamahärosanatanlra (JRAS. 1897, p. 468), wo mirzu lesen scheint: tatas trsiiä sukhäbhiläsah, tata upädänam tattatpräpakarnkarma.
3) Im zweiten sacca: tanhä . . . nandirägasahagatn. — Die Bodhicar-ySvatäratlkä (bei de la Vallee Poussin 258) sagt: trsnävaipulyam upädänam.
4) Die Verwendung der vier Begriffe von kämiipädäna, ditthüpädäna,sllabhatfip., attavädüp. für die Erklärnng der Nidänaformel scheint mir einenachträgliche, rein scholastische Hineintragung von Terminis, die aus anderemZusammenhang stammen. Doch würden wir auch wenn hierüber anders zuurteilen wäre, der Zusammenstellung von upädäna mit adrsta um Nichts nähergeführt werden.
4 I
Oldenberg, Buddhistische Studien. 693
ganz indirekt, in dem Sinn wie eben jedes Glied der Nidänareibe
als eine Wirkung der in den vorangebenden Gliedem ausgedrücktenUrsacben aufgefasst werden kann, wo dann auch z. B. tinhä oder
bhava ebenso gut wie upädäna mit dem adrsta in Verbindung
gebracht werden könnte').
Nach alledem kann ich nicht finden, dass die Interpretation
der Nidänaformel , welche die einzelnen Kategorien derselben oder
die ganze Formel in die Nähe des Sämkhyasystems rückt und auf
Anregungen von dieser Seite her zurückführt, ernstliche Über¬zeugungskraft besitzt.
Gewiss ist es richtig, dass, wie J. sagt (S. 3), das indische
Denken — oder, ist es vielleicht sicherer zu sagen, weite Gebiete
des indischen Denkens — während langer Zeiträume von Sämkhya-Ideen beherrscht und durchdrungen waren. Aber haben wir hier
an die Zeit Buddhas, an die Umgebungen, in welchen Buddha lebte,
zu denken? Garbe') rechnet die Zeit, während welcher ,das ge¬samte philosophische und religiöse Leben des indischen Volks von
Sämkhya-Ideen beeinfiusst ist' vom Anfang unserer Zeitrechnungan. Und weiter ist es ofi'enbar richtig, was Jacobi betont, dass
Buddha sich in seinem früheren Lebensalter Übungen strenger
Askese hingegeben, d. h. den Yoga, wie er zu jener Zeit und injenen Gegenden betrieben wurde, kultiviert hat. Aber „muss (sic)
er daram auch mit den Ideen des Sämkhya vertraut geworden sein'
{S. 15)? Wissen wir denn, von wann die Basierung des Yoga aufdas theoretische Sämkhyafundament datiert? Und wenn wir es
wüssten, würden wir die Gewähr haben, dass auch die im östlichen
Indien heimischen Yogaschulen jene Verschmelzung schon in Buddhas
Zeit mitgemacht hatten? Bei solchen Ungewisshciten kann nur die
thatsächliche Vergleichung der Sämkhyadoktrinen mit den bud¬
dhistischen etwas entscheiden. Dass da nun gewisse Vergleichs¬punkte , welche mit den hier diskutierten kaum etwas zu thun
haben , eine Verwandtschaft ergeben , welche vielleicht als Einfiuss
älterer Vorstadien des klassischen Sämkhya auf den Buddhismus
aufgefasst werden kann, hielt ich schon früher*) und halte ich noch
jetzt für wahrscheinlich. Weiter aber zu gehen kann ich nirgends
1) Beiläufig muss icb hier noch auf ein Detail von Jacobis Argumentation«ingehen. Er führt (S. 13) als ein Argument dafür, „dass der wichtigste Be¬standteil von upädäna das karma ist" an, dass der arhat, dessen karmagetilgt ist, anupädäna heisst. Ich kann diese Beweisführung doch nicht ohnoBedenken betrachten. Auf demselben Wege könnten wir ziemlich viele Begriffezusammenbringen, die alle in dem nämlichen Verhältnis zu karma stehenmüssten. Oder wir könnten mit demselben Recht eine nicht geringe Reihe vonKategorieen, durch deren khaya man ^arjnidiMia ist (Itivuttaka p. 46 ff.), unter«inander gleichsetzen. Zum Glück eröffnet nns die Überlieferung bessere, breiterfundamentierte Methoden zur Bestimmung der dogmatischen Begriffe des Buddhis¬mus als Beobachtungen jener Art.
2) Die Sämkhya-Philosophie 56 = Säipkhya und Yoga (Grundriss) 5.3) Siehe „iSuddha"' 67—69.
694 Oldenherg, Buddhistische Studien.
den Anlass und das Recht finden , und insonderheit hin ich nichts
zu entdecken im stände, was den auf Momenten, welche ich früher ')zu formulieren versucht habe, beruhenden Eindruck der Posteriorität
des klassischen Sämkhya gegenüber dem alten Buddhismus entkräftenkönnte.
Inhaltsübersicht.
Vorbemerkung S. 613.
I. Kritik von Minayefi"s Auffassungen über Details des Be¬
richts vom ersten Konzil S. 613. — Eingang der Erzählung imCullavagga S. 614. — Wahl der Teilnehmer S. 615. — Die Ver¬
handlung selbst S. 617. — Episoden: Anklagen gegen Änanda S. 618
(Stellung des Kathävatthu S. 619). — Die khuddänukhudda¬
kärii sikkhäpadäni, der brahmadanda S. 621.
Kritik von Minayeff's Auffassungen über Details betrefi'end das
zweite Konzil S. 623. — Kem über die Chronologie des zweitenKonzils S. 624 Anm.
II. Die beiden ersten Konzilien im Ganzen. Alter der Berichte.
Bedeutung der Konzilien für die Geschichte des Kanon S. 625.
III. Minayeflf über Prägen , welche den Kanon in der ZeitAsokas hetreflfen S. 632. — Das Kathävatthu S. 633. — Die In¬
schrift von Bairät S. 634. — Die Inschriften von Bharhut S. 640.
IV. Verhältnis des südlichen Kanons zur nördlichen Litteratur.
Der Vinaya S. 643. — Das Sütra Pitaka, seine grossen Abteilungen
und ünterabteilungen S. 652 (insonderheit Sutta Nipäta S. 655).— Der Text der einzelnen Sütras etc. S. 657 (insonderheit Mahä¬
parinibbäna Sutta S. 657, Mahagovinda Sutta S. 659, DhammapadaS. 662, Einzelnes zur Textkritik : Auffassungen von Senart und
Windisch S. 662 fg.).V. Was stellt sich auf Grund der nördlichen Litteratur als
das Centrale in der Überlieferung heraus'? S. 667. — Die Sambodhi
und die vier satya S. 667. — Das Dharmacakrapravartana S. 670.
VI. Folgerungen über die kanonische Litteratur S. 673, überden Dharma S. 676, über den Samgha S. 678, über das Lehen desBuddha S. 678.
VII. Über Jacobi's Behandlung des Verhältnisses zwischen
Buddhismus und Sämkhya S. 681. — Aräda Käläma S. 681. —Die Nidänaformel S. 684. — Die samkhära S. 685. — vinnäna
und nämarüpa S. 687. — Rekapitulation S. 689. — upädänaS. 690. — Das Problem im Ganzen S. 693.
1) Siehe „Buddha"' 67.
695
Zur Grammatik des Vulgär-Türkischen.
Von
Dr. G. Jacob.
I.
"Wäbrend sich der vulgärarahischen Grammatik bereits zahl¬
reiche Arbeitskräfte zugewandt haben, liegt die des "Vulgär-Türkischen noch unangebaut. Die im Abendlande beliebten
türkischen Grammatiken wie die von Aug. Müller (Porta linguarum
orientalium XI) pflegen die Existenz eines Vulgär-Dialekts zu
ignorireu. Aber auch dal Medicos Lehrbuch'), dessen erster Teildie Aufschrift „Langue usuelle' trägt, sowie Youssoufs kleiner
Dictionnaire portatif turc-fran9ais de la langue usuelle ^) geben nurdie Verkehrssprache der Gebildeten, nicht die des Volkes wieder.Als Quelle für letztere kommen für uns zunächst nur mit der
nötigen Sorgfalt transscrihirte Texte in Betracht, somit sind wir
hauptsächlich auf folgende Aufzeichnungen des hochverdientenKünos angewiesen :
Harom Karagöz-jätök, Budapest 1886 [Abkürzung: K] : Sonder-Abdruck aus Nyelvtudomänyi közlemenyek [Abk. : Nk] •').
Oszman-török nepköltesi gyüjtemeny, 2 Bände, Budapest 1887.1889 [Abkürzung für den 1. Band M, für den 2. Band II.]«)
Türkische Volkslieder: WZKM 2., 3. und 4. Bd. 1888—90.
Orta ojunu, Budapest 1889 [Abk.: Oo]: SA aus Nk Band 21.
A török nök nyelve es költeszete: Nk Band 23, Budapest1893, S. 424—31.
Vgl. ferner Haläsz Ignäcz, Török dalok: Nk 22, S. 526—28.Die türkischen Lieder, welche Dr. Büttner in sehr dankenswerter
Weise in der WZKM Bd. Xff., 1896 0". in Text Transscription und
Übersetzung mitgeteilt hat, sind nicht mehr richtige Türküs und
1) Moise dal Medice, Methode theorique et pratique pour l'enseignementde la langue turque, Constantinople 1885. 1888.
2) Constantinople 1890.3) Die in Radioffs Proben aus der türk. Volkslitt. VIII in russischer
Transscription veröflentlichten Karagözstücke konnton , da unserer Bibliothekder 8. Band des Werkes noch nicbt zugegangen ist, nicht verwertet werden.
4) Vgl. Fragments de poesie turque populaire par M. Alric: JournalAsiatique, Serie VIII, Tomo XIV Paris 1889 S. 143 ff.
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