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Page 1: Bürgerrecht und Kultteilnahme (Politische und kultische Rechte und Pflichten in griechischen Poleis, Rom und antikem Judentum) || Teil III. Ergebnisse

Teil III

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,£i l'on veut donner la définition exacte du citoyen, il faut dire que c'est l'homme qui a la religion de la cité. L'étranger au contraire est celui qui n'a pas accès au culte, celui que les dieux de la cité ne protègent pas et qui n'a pas même le droit de les invoquer."164 Diese prominente These des französischen Historikers N. D. Fustel de Coulanges wurde, aufgefä-chert in die beiden Aspekte der Exklusivität und der Kompulsivität antiker Religionen, an den Quellen zur antiken Kultpraxis überprüft.

Das erste und vielleicht wichtigste Ergebnis dieser Untersuchung ist die heilsam enttäuschende Einsicht, daß das Quellenmaterial, das zur Verfügung steht, äußerst begrenzt ist: Immer wieder zeigte sich, wie we-nig man von der praktizierten Religion der Antike wissen kann. Die In-terpretation der vereinzelten, oft kontextlos überlieferten, geographisch wie chronologisch weit gestreuten Texte endete zuweilen in Aporien, blieb oft unsicher, und in den wenigen Fällen, wo eine klare Deutung möglich war, ergab sich doch nur ein punktueller Einblick und keines-wegs die Möglichkeit zu einem umfassenden Uberblick über die antiken Religionen. Dieser Befund verwehrt weitreichende, systematisierende Folgerungen.

Eben darum kann man freilich einen Schluß mit großer Sicherheit ziehen: Formulierungen wie „access to religious rites was coextensive with political rights"165, die Beteiligung am Kult habe zur „unverbrüch-lichen Bürgerpflicht"166 gehört, J e religieux est consubstantiel au po-litique"167 sind ebenso griffig wie falsch. Eine strenge Koppelung der Zulassung zum Kult an politische oder ethnische Zugehörigkeit läßt sich nicht nachweisen. Dasselbe gilt von einer allgemeinen, kontrollierten und mit Sanktionen bewehrten Kultpflicht für Angehörige eines politischen Gemeinwesens oder eines Ethnos.

In bezug auf die Exklusivität der antiken Religionen zeigte sich viel-mehr eine lockere Verbindung von Möglichkeiten der Beteiligung am Kult mit dem Besitz bürgerlicher Rechte bzw. ethnischer Zugehörigkeit. Ein durchreisender Fremder konnte in der Antike im allgemeinen er-warten, Heiligtümer betreten, bei Kultakten zuschauen, an Kultakten teilnehmen und selbst Kultakte durchführen zu dürfen. Es scheint ein Konsens bestanden zu haben, daß man sich dabei an die lokal üblichen Kultregeln zu halten hatte. Manche Kultakte, die Organisation von Fe-sten und die Ausübung von Kultämtern blieben Fremden verschlossen. Das bedeutet allerdings noch nicht in jedem Fall, daß sie ausschließlich Bürgern vorbehalten waren. Es zeigen sich vielmehr die verschiedensten

164 FUSTEL DE COULANGES, Cité antique, 246f. 165 BEARD/NORTH/PRICE, Religions of Rome, Bd. 1, 215. 166 NESTLE, S. V. Aseb ieprozesse , 736. 167 SCHEID, Religion et piété, 147.

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Abstufungen, etwa die Zulassung von ansässigen Fremden, von Angehö-rigen befreundeter Staaten oder von Menschen, die bestimmte kulturelle Voraussetzungen erfüllen.

In bezug auf die Kompulsivität der antiken Religionen war festzu-stellen, daß in dem hier untersuchten Zeitraum nicht der oft postulierte Zustand herrschte, daß ein lückenloses Netz sozialer Kontrolle Abwei-chungen von vornherein unmöglich machte. Ebensowenig wurde gegen die Vernachlässigung der „väterlichen" Kulte oder die Ausübung „frem-der" Kulte konsequent mit rechtlichen Sanktionen vorgegangen. Diese Situation ist allerdings nicht mit programmatischer Religionsfreiheit zu verwechseln. Der Zustand relativer Ungeregeltheit der kultischen Praxis ist vielmehr rein pragmatisch begründet, sei es in prinzipiellen Gren-zen, an die die Kontrolle religiösen Verhaltens stößt, sei es in fehlenden technischen Mitteln, sei es in schlichtem Desinteresse an übergreifen-den Regelungen. So ist auch zu erklären, warum religiöse Normen un-ter bestimmten Umständen, und wenn eine entsprechende Machtbasis vorhanden war, doch zumindest punktuell mit Zwang oder gar Gewalt durchgesetzt wurden.

Beide Aspekte erscheinen in den vorgestellten Modellen als zwei Sei-ten einer Medaille: Weil der Kult, der nur von Bürgern ausgeübt werden darf, die gemeinsame Identität konstituiert, geht von demjenigen, der ihn nicht ausübt bzw. einen anderen Kult ausübt, eine Bedrohung aus, die es abzuwehren gilt. Kompulsivität wird hier der Exklusivität unter-geordnet. Der Einschätzung der antiken Menschen entspricht dies nicht. Zwar sahen auch sie Zusammenhänge zwischen Kult und Ordnung des Zusammenlebens, aber in erster Linie verstanden sie den Kult als Pflicht nicht gegenüber der Gesellschaft, sondern gegenüber den Göttern. Die-se Selbstwahrnehmung kann eine religionswissenschaftliche Deutung der antiken Religionen nicht übernehmen. Die Deutung muß aber doch so beschaffen sein, daß sie die beobachtbaren Phänomene einschließlich die-ser Selbstwahrnehmung zureichend beschreibt und erklärt. Dies kann ein Modell, das Kompulsivität der Exklusivität und damit letztendlich dem Zweck der Konstituierung kollektiver Identität unterordnet, nicht. Für einige Fälle, in denen tatsächlich - vor allem in Krisenzeiten - „Frem-des" abgewehrt wurde, um den sozialen Zusammenhalt zu sichern, ist es passend. Aber es versagt vor der Tatsache, daß einerseits in weiten Bereichen deorum iniuriae dis curat galt, andererseits kultische Normen mit Sanktionen durchgesetzt wurden, bei denen ein Bezug zur Schaffung einer Gruppenidentität nur gezwungen herzustellen ist.

Ein besonderer Schwerpunkt der Untersuchungen lag auf dem anti-ken Judentum. Auch für dieses gilt das Gesagte. Die Kultpraxis des

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Zweiten Tempels und der Synagogengottesdienste war nicht exklusiv: Menschen, die nicht zum Ethnos der Juden gehörten, konnten sich auf vielfältige Weise beteiligen. Die von ihnen durchgeführten Kultakte wur-den von vielen - wenn auch nicht allen - Juden positiv bewertet. In be-zug auf den Aspekt der Kompulsivität gilt das antike Judentum weithin gleich zweifach als Paradebeispiel: im Innern, weil strenge Toraobser-vanz durchgesetzt worden sei, nach außen, weil das Diasporajudentum aus der nichtjüdischen politischen Gemeinschaft wegen deren unvermeid-licher kultischer Konnotation ausgeschlossen gewesen sei, was zu ständi-gen Konflikten geführt habe. Beides hat sich nicht bewahrheitet. Das antike Judentum war vielmehr im Innern plural, geprägt von einem Dis-sens über die richtige Halacha. Die Versuche der Anhänger verschiedener Positionen, die ihre allgemein durchzusetzen, waren punktuell und wenig erfolgreich. Wieder ließen sich prinzipielle Grenzen einer solchen Durch-setzung aufzeigen, selbst innerhalb der Gruppierungen. Nach außen sah sich die Integration des Diasporajudentums in die soziale und politische Gemeinschaft der griechischen Poleis bzw. Roms keinen prinzipiellen Problemen gegenüber. Für die verschiedenen Konflikte zwischen Juden und Nichtjuden in der Antike darf keine übergreifende, einheitliche Ursa-che konstruiert werden. Es ist freilich festzustellen, daß - wenn andere Konfliktgründe hinzutraten - die religiösen Besonderheiten der Juden gegenüber ihren nichtjüdischen Nachbarn zum Anlaß für Anfeindungen und Repressalien werden konnten.

In Hinblick auf das Judentum stellt sich die Frage nach der richtigen Zuordnung von Exklusivität und Kompulsivität nochmals neu. Einer-seits gilt das bereits Gesagte: Eine Unterordnung trifft weder die be-obachtbaren Fakten noch die Selbstwahrnehmung der Betroffenen. Der Eifer für das Gesetz richtete sich nicht zuerst gegen Nichtjuden und dar-um gegen Juden, die das Gesetz übertraten und so die Grenze zu den Nichtjuden durchbrachen. Sondern er richtete sich zuerst gegen Juden, die den in den Geboten erkennbaren Willen Gottes nicht erfüllten. Eine religionsgeschichtliche Beschreibung muß dies adäquat erfassen. Ande-rerseits muß eine theologische Beschreibung darüber hinaus daran fest-halten, daß die Deutung aus der Innenperspektive der Beteiligten zutref-fend ist, daß es also tatsächlich nicht nur um die Sicherung kollektiver Identität ging, sondern um Gottes Gesetz und dessen Erfüllung und um Gottes Gnade und deren Verwirklichung.

Den Horizont der Untersuchung bildete das Christentum. Einige Schlüsse lassen sich ziehen. Als erstes zeigt die Situation des Diaspo-rajudentums, daß die Konflikte mit der nichtchristlichen Obrigkeit, in die das Christentum alsbald geriet, nicht wie weithin üblich als sozu-

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sagen in der Struktur der antiken Gesellschaft angelegte Notwendigkeit erklärt werden können. Man darf keine große Linie der Auseinander-setzung zwischen in die politischen Strukturen eingebetteter und zur politischen Struktur querstehender ausdifferenzierter Religion durch die Antike ziehen. Erklärungsbedürftig an der antiken Religionsgeschichte ist nicht, daß Juden über lange Zeit hinweg ungestört in der griechi-schen und römischen Gesellschaft leben konnten, sondern daß Christen dies nicht konnten. Warum war in dem Freiraum, der die Juden be-herbergte, für sie kein Platz? Es lassen sich durchaus Anzeichen dafür erkennen, daß die Christen zu einem Neben- und Miteinander mit Grie-chen und Römern unter römischer Herrschaft willens und fähig gewesen wären (Rom 13,1-7; IPetr 2,13-17). Manches deutet darauf hin, daß man die früh einsetzenden Hinweise auf Spannungen mit der griechi-schen und römischen Gesellschaft und Obrigkeit nicht damit erklären darf, daß die Christen die prekäre, konfliktträchtige Situation der Juden geteilt hätten, sondern daß gerade deren starke, anerkannte Stellung ih-nen Schwierigkeiten bereitete (Apg 13,50; 14,1-7; 17,5-9.13; 18,12-17). Man darf freilich nie vergessen, daß die Christen, als sie einige Jahrhun-derte später eine starke Stellung in der Gesellschaft errungen hatten, keinerlei Skrupel zeigten, diese nun ihrerseits gegen Anhänger griechi-scher und römischer Kulte, vor allem aber auch gegen das Judentum auszunutzen.

Ist die Frage nach dem Verhältnis des Christentums zur griechisch-römischen Welt eher von historischem Interesse, so diejenige nach seinem Verhältnis zum Judentum von bleibender Aktualität. Das verbreitete Modell, die entscheidende Differenz in der Aufhebung der Koppelung von religiöser und ethnischer Zugehörigkeit im Christentum zu sehen, ist zu hinterfragen.

Es unterschätzt erstens die Fähigkeit des antiken Judentums, selbst ein Licht für die Völker zu sein und Menschen auf vielfältige Weise einen Zugang zum Gott Israels zu eröffnen, ohne daß diese die Gebräuche des jüdischen Ethnos übernehmen oder gar im politischen Sinne Mitglieder des jüdischen Volkes werden. Daß das Christentum die Hürden für Kon-versionswillige in jeder Hinsicht gesenkt hätte, indem es die Übernahme der nationalen jüdischen identity marker unnötig machte, ist eine zu starke Vereinfachung. Im Christentum fiel das „niedrigschwellige" Ange-bot vielfältiger Partizipationsmöglichkeiten weg, das je nach Situation manche soziale Schwierigkeit zu umgehen erlaubte:168 Gottesfürchtige

168 In der christlichen Literatur findet sich zuweilen der Vorwurf an das Judentum, zu niedrige Anforderungen an nichtjüdische Interessenten zu stellen: Comm. instruct. 1,24,11-14; 1,37.

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konnten etwa ihr Interesse am Judentum mit der Teilnahme an nicht-jüdischem Kult verbinden - was auch immer diejenigen von ihnen, die sehr weit in das Judentum integriert waren, während dieser Kultakte ge-dacht haben mögen. Paulus zufolge konnten Christen dies nicht (lKor 10,20f).169 Die Einsicht des Petrus in Apg 10,34f ¿K' äAryÖeiac xotxa-Xa[iß<ivo[iat öxi oüx £axiv KpoowKoXr||iKirj<; ö •Oeo«;, äXX' ¿v rcavxl ^vei ö tpoßoufievot; auxöv xod ¿pyaCojievo«; Sixaioouvrjv Sexxöc; auxö ¿axiv hät-ten jedenfalls viele - wenn auch nicht alle - Juden der Antike geteilt; in ihr drückt sich nicht die spezifische Differenz zwischen Judentum und Christentum aus.

Der Dissens beginnt hingegen mit den Aussagen des Petrus in Apg 15,10f: vüv ouv xi rcetpaCexe xöv fleov ¿ni-deTvai Cuyöv ¿TU XÖV xpa)(r]Xov xwv [iccdrjxcöv Sv ouxe ot rotx£pe<; f|(icov [seil, xöv 'IouSaiwv] ouxe ia)(uoa(iEv ßaaxaaai; aXXa Siöt xfjc; ^apixot; xoö xupiou 'IT)OOÜ Ttiaxeuo[iev [seil. fyieu;, oi IOUSOÄOI] owöfjvai xoed' 8v xpoKov xaxeTvoi. Und hier zeigt sich zweitens, daß ein Modell, das die Differenz zwischen Judentum und Christentum als Wechsel von der Koppelung der Religion an das Eth-nos zu einer nicht national gebundenen Religion versteht, die Tiefe des theologischen Problems verfehlt. Ist es nämlich bereits auf der Ebe-ne der Beschreibung eine Engführung, jüdische Toraobservanz nur als Mittel zur Konstituierung einer kollektiven Identität zu verstehen, dann um so mehr auf der Ebene der theologischen Reflexion. Daß man zur Erlangung des Heils nicht die Gebräuche eines bestimmten Ethnos über-nehmen muß, ist trivial. Daß Menschen zum Heil gelangen, die Gottes in seinen Geboten offenbarten Willen nicht erfüllen, ja nicht einmal er-füllen können, das ist nicht trivial. Es liegt allzu nahe, hier die Linie auszuziehen zum schematischen Gegensatz zwischen Werken und Gna-de. Der Weg zurück zu dieser das Judentum zur Karrikatur verzeichnen-den Bestimmung des Verhältnisses zwischen Judentum und Christentum ist glücklicherweise versperrt. Doch diesen Dissens zu leugnen und die Differenz so zu verorten, daß sie zwar leichter erträglich ist, aber man weder den geschichtlichen Ereignissen noch dem Ernst des Problems ge-recht wird, ist kein Dienst an der notwendigen Aussöhnung zwischen Christentum und Judentum.

Schließlich gibt das Ergebnis der Untersuchungen allgemein Anlaß zum Zweifel an funktionalistisch geprägten Theorien über die antike Religion. Die Offenheit, Vielfalt und oft auch Unklarheit der Zulassung bzw. Verpflichtung zum Kult, die sich an den Quellen immer wieder zeigten, müssen aus dem Blickwinkel solcher Theorien dysfunktional er-

169 Ob einige es nicht doch in irgendeiner Weise taten (vgl. nur lKor 8,7.10), ist eine andere Frage.

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scheinen. Doch in Wirklichkeit zeigen sie, daß sich antike Religion eben nicht auf die Konstituierung kollektiver Identität reduzieren läßt. Daß sie diese Funktion besaß, soll keineswegs bestritten werden. Aber sie eröffnete den Menschen der Antike darüber hinaus vielfältige weitere Sinndimensionen.

Nichts könnte dies schöner zeigen als die Rahmenerzählung von Achilleus Tatios' „Leukippe und Klei tophon". Nicht als Bürger seiner Heimatpolis, nicht als Fremder, sondern als Mensch, der einer existenti-ellen Bedrohung entronnen ist, betritt der Erzähler wie selbstverständ-lich einen Tempel in der Stadt, in die er gerade gekommen ist, und opfert der Gottheit zum Dank für seine Errettung.

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