bur-2014-4-1
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Kapitel 4
Rechnungslegungsregeln und Beispiele
4.1 Einleitung
Kernergebnis aus Kapitel 2 war
– Was Gewinn ist, hängt davon ab, wie man Eigenkapital definiert, denn Gewinn erhöht das Eigenkapital
– Aber was Eigenkapital ist, hängt davon ab, wie man das Vermögen und die Verbindlichkeiten definiert. Solange dies nicht passiert ist, sind wir inhaltsleer
(Da man über Definitionen nicht diskutieren kann, gibt es a priori diesbezüglich kein Richtig oder Falsch, sondern nur eine Frage nach der Zweckmässigkeit)
Definitionen sind zweckmässig, wenn sie eine Zielorientierung erlauben
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Einleitung
Ziel 1: Bereitstellung von entscheidungsnützlichen Informationen
– Kauf/Verkauf von Aktien
• Primärmarkt (Neuemission zur Finanzierung von Neuinvestitionen)
• Sekundärmarkt (Handel von Altaktien zur Risikoallokation am Kapitalmarkt und Unternehmensübernahmen)
– Einschätzung der Kreditwürdigkeit (seitens Banken, Privatgläubiger)
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Einleitung
Ziel 2: Anspruchsbemessung und Vertragsgestaltung
– Ausschüttungsbemessung (bzgl. Dividenden)
– Bemessungsgrundlage für Bonusverträge
– Definition von Überschuldung / des Konkurses
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Gesetze und Regelwerke
• Alle CH Unternehmen sind verpflichtet, ihre Einzelabschlüsse gemäss den Regeln des Obligationenrechts anzufertigen (Ausnahme: Kleinunternehmen)
• Unternehmen, die an der Swiss Exchange am Nebentableau kotiert sind, sind verpflichtet, darüber hinaus ihren Konzernabschluss mindestens nach dem (privatwirtschaftlichen) Regelwerk der Swiss GAAP FER (Fachempfehlungen zur Rechnungslegung) aufzustellen.
• Weiter führendes Regelwerk: International Financial Reporting Standards (IFRS). Hrsg: «International Accounting Standards Board» (London)
– In über 100 Ländern gefordert oder akzeptiert
– Verpflichtend für Konzernabschlüsse aller in EU ansässigen Unternehmen, die an einer EU Börse kotiert sind
– Am Hauptsegment der Swiss Exchange müssen kotierte Unternehmen entweder IFRS oder US-GAAP anwenden 5
Das Obligationenrecht der Schweiz hat die Ausschüttungsbemessung als Hauptziel: Allerdings existieren zahlreiche zusätzliche Informationspflichten.
• Informationspflichten je nach wirtschaftlicher Bedeutung und vorgesehenem Empfängerkreis
Die Informationsfunktion bildet ein Nebenziel.
Im Gegensatz hierzu steht in den privatwirtschaftlichen Regelwerken (Swiss GAAP FER, IFRS, US GAAP) die Informationsfunktion klar im Vordergrund.
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Rechnungslegungsnormen Vergleich: OR / FER / IFRS
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Regelwerk Ziel Ausrichtung Anerkennung Umfang
OR 2013 Vorsichtige Bewertung
Nicht kotierte Unternehmen; Einzelabschluss
Schweiz 31 Artikel
Swiss GAAP FER Fair Presentation / True and Fair View
Kotierte Unternehmen; nationale KMU; Konzernabschluss
Schweiz 200 Seiten
IFRS Fair Presentation / True and Fair View
Kotierte Unternehmen mit internationaler Ausstrahlung; Konzernabschluss
Fast weltweit 4’000 Seiten
Regelung der Rechnungslegung in der Schweiz
Grundlegend für die Schweiz sind zunächst die gesetzlichen Regelungen des Obligationenrechts (Fassung von 2013)
• Art. 957–963b OR gelten für alle Rechtsformen von Firmen
• Zur Auslegung der Bestimmungen und bei Regelungslücken sind die Grundsätze ordnungsmässiger Rechnungslegung (GoR) zu beachten (+ Rechtskommentare, Urteile, usw.)
(Viele Unternehmen unterwerfen sich freiwillig strengeren (privatwirtschaftlichen) Regelwerken, sog. Accounting Standards wie den Swiss GAAP FER, den IFRS oder den US-GAAP. Dies ist notwendig zur Börsenkotierung)
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4.2 Grundsätze ordnungsmässiger
Rechnungslegung
Grundsätze ordnungsmässiger Rechnungslegung
• Die Regelungen des Obligationenrechts lassen viele Sachverhalte offen (denn: kein Case Law)
• Grundsätze ordnungsmässiger Rechnungslegung sollen diese Lücke schliessen
= jahrzehntelang entwickelte Prinzipien zur Ausfüllung der Handlungsspielräume
• Der Gesetzgeber hat es der Praxis überlassen zu definieren, was «ordnungsmässig» ist. So wird es möglich, dass sich die Rechnungslegung wechselnden Anforderungen anpassen kann. (Trotzdem herrscht keine vollständige Willkür: Das Handbuch der Wirtschaftsprüfung hält «ordnungsmässige» Normen fest)
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a. Annahme der Fortführung
• Der Wert von Aktiven könnte gegeben sein durch
– Wert bei Nutzung
oder
– Veräusserungswert bei Nichtnutzung (Liquidationswert)
• Die Rechnungslegung beruht auf Annahme der Fortführung auf absehbare Zeit (Grundsatz des Going Concern; explizit in Art. 958a Abs. 1 OR)
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a. Annahme der Fortführung
Art. 958a OR
II. Grundlagen der Rechnungslegung
1. Annahme der Fortführung 1 Die Rechnungslegung beruht auf der Annahme, dass das Unternehmen auf absehbare Zeit fortgeführt wird. 2 Ist die Einstellung der Tätigkeit oder von Teilen davon in den nächsten zwölf Monaten ab Bilanzstichtag beabsichtigt oder voraussichtlich nicht abwendbar, so sind der Rechnungslegung für die betreffenden Unternehmensteile Veräusserungswerte zugrunde zu legen. Für die mit der Einstellung verbundenen Aufwendungen sind Rückstellungen zu bilden. 3 Abweichungen von der Annahme der Fortführung sind im Anhang zu vermerken; ihr Einfluss auf die wirtschaftliche Lage ist darzulegen.
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a. Annahme der Fortführung
• Ist in nächsten 12 Monaten Einstellung beabsichtigt oder nicht abwendbar: Veräusserungswerte ansetzen (Art. 958a Abs. 2 OR).
• Im Anhang zu vermerken und Einfluss darzulegen (Art. 958a Abs. 3 OR)
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Beispiel 1
• Die Old Toys Basel AG betreibt ein Museum, in dem alte Spielwaren zur Schau gestellt werden. 20X1 sind die Erlöse stark eingebrochen. Das Museum soll im Lauf des Jahres 20X2 stillgelegt werden. Die Bilanz für 20X1 wird soeben erstellt.
• Bislang (Annahme der Fortführung) wurden die Objekte zu Anschaffungskosten bewertet. Sie wurden über einen angenommenen Nutzungszeitraum von 20 Jahren abgeschrieben
– Unter der Fortführungsannahme wäre ein sehr seltener historischer Steiff-Teddy zum Kaufpreis von CHF 40’000 abzüglich bisheriger Abschreibungen zu 25’500 CHF bewertet worden.
– Da es keinen feststellbaren Marktpreis für sehr seltene Teddys gibt, muss per Expertise geprüft werden, ob der erzielbare Sammlerpreis unter CHF 25’500 liegt. Im diesem Fall müsste eine Wertberichtigung vorgenommen werden. Ausserdem sind die Aufwendungen für die Expertise bereits für 20X1 als Rückstellung anzusetzen (Art. 958a Abs. 2 OR)
– Diese Tatsachen sind im Anhang darzulegen (Art. 958a Abs. 3 OR)
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• Vergangenheit: jährliche Abschreibung 1/20 der Anschaffungskosten
6900 Abschreibungen 2’000 an 1510 Mobilien und Einrichtungen 2’000
• Annahme: Expertise ergibt, dass der Teddy zum Stilllegungszeitpunkt einen Marktwert von 20’000 Franken hat
6950 Wertberichtigungen 5’500 an 1510 Mobilien und Einrichtungen 5’500
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Beispiel 2 (Handschin 2013, S. 150)
• Die Immo AG besitzt eine Liegenschaft, die nach Fortführungswert zu CHF 800’000 bewertet ist (historische Kosten abzgl. Abschreibungen). Der Liquidationswert der Liegenschaft liegt aber bei CHF 4’000’000.
• Eine Bewertung zum Liquidationswert würde zur Aufwertung der Liegenschaft führen und es würden stille Reserven in Höhe von CHF 3’200’000 offen gelegt.
• Der Gesamtzusammenhang ist im Anhang darzulegen. (Art. 958a Abs. 3 OR)
Fussnote: Die offen gelegten stillen Reserven dürfen nicht als Gewinn an die Eigentümer ausgeschüttet werden.
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Buchungssatz 1609 Wertberichtigung Liegenschaften 3.2 Mio
an
8000 Ausserordentlicher Ertrag 3.2 Mio
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Hintergrund
• Lesen Sie als Hintergrund noch einmal die Ausführungen am Ende von Kapitel 1 durch.
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b. Periodenabgrenzung
• Erträge und Aufwendungen sind nicht in der Periode zu erfassen, in denen die Zahlungen erfolgen, sondern in der sie wirtschaftlich verursacht werden
– Aufwand und Ertrag sind einander zeitlich und sachlich gegenüberzustellen (engl. «matching of revenue and cost»)
• In Art. 958b OR explizit geregelt
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Art. 958b OR
2. Zeitliche und sachliche Abgrenzung 1 Aufwände und Erträge müssen voneinander in zeitlicher und sachlicher Hinsicht abgegrenzt werden. 2 Sofern die Nettoerlöse aus Lieferungen und Leistungen oder die Finanzerträge 100 000 Franken nicht überschreiten, kann auf die zeitliche Abgrenzung verzichtet und stattdessen auf Ausgaben und Einnahmen abgestellt werden.
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Beispiel 1
• Emil Steinberger fertige als Kassier im Verein die Finanzrechnung nicht als Cash-Flow, sondern als Gewinn- und Verlustrechnung an.
Beitrag vom Burger (CHF 15) für das Jahr 1969/70 muss in diesem Jahr als Ertrag erfasst werden.
Um dies zu realisieren, wird eine Forderungsposition gebucht. Diese wird zum Zeitpunkt der Einzahlung (im Jahr 1970/71) aufgelöst
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Bilanz zum 30.4.1970 (in CHF)
Barkasse: 92.21 Verbindlichkeiten: 200.00
Postkonto: 1’024.17 Eigenkapital: 1’331.38
Debitoren: 15.00
Mobile Gegenst. 400.00
Summe: 1’531.38 Summe: 1’531.38
Bilanz zum Zahlungszeitpunkt 1970/71 (in CHF)
Barkasse: 92.21 Verbindlichkeiten: 200.00
Postkonto: 1’039.17 Eigenkapital: 1’331.38
Debitoren: 0.00
Mobile Gegenst. 400.00
Summe: 1’531.38 Summe: 1’531.38
Eigenkap. unverändert, da Ertrag bereits 1969/70
Eigenkap. um 15 erhöht, da Ertrag bereits 1969/70
Buchungssatz 1970 1100 Debitoren 15 an 3xxx Erträge durch Mitgliederbeiträge 15 (Da der Kontenplan für Unternehmen gemacht ist, existiert dieses Konto nicht auf dem Plan)
Buchungssatz 1971 1020 Bankguthaben 15 an 1100 Debitoren 15
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Beispiel 2 (Handschin 2013, S. 155)
• Am 12.12.20x0 zahlt das Unternehmen X die Miete von CHF 1’000 für das Jahr 20x1 im Voraus
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Bilanz zum 31.12.20x0 (in CHF)
Kontokorrent: 9’000 Verbindlichkeiten: 5’000
Transit. Aktiven: 1’000 Eigenkapital: 5’000
Summe: 10’000 Summe: 10’000
Bilanz zum 11.12.20x0 (in CHF)
Kontokorrent: 10’000 Verbindlichkeiten: 5’000
Eigenkapital: 5’000
Summe: 10’000 Summe: 10’000
Bilanz zum 1.1.20x1 (in CHF)
Kontokorrent: 9’000 Verbindlichkeiten: 5’000
Transit. Aktiven: 0 Eigenkapital: 4’000
Summe: 9’000 Summe: 9’000
Aufwand realisiert
Zahlung realisiert
Buchung am 12.12.20x0
1300 Transitorische Aktiven 1’000 an 1020 Bankkonto 1’000 Buchung am 1.1.20x1 6000 Raumaufwand 1’000 an 1300 Transitorische Aktiven 1’000
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c. Transparenzbezogene GoR (vgl. Art. 958c Abs. 1 Ziff. 1-4 OR)
c.1 Klarheit, Verständlichkeit
c.2 Vollständigkeit
c.3 Verlässlichkeit
c.4 Wesentlichkeit
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Grundsätze ordnungsmässiger Rechnungslegung
Art. 958c Abs. 1 OR: Grundsätze ordnungsmässiger Rechnungslegung
Für die Rechnungslegung sind insbesondere die folgenden Grundsätze massgebend:
1. Sie muss klar und verständlich sein.
2. Sie muss vollständig sein.
3. Sie muss verlässlich sein.
4. Sie muss das Wesentliche enthalten.
5. Sie muss vorsichtig sein.
6. Es sind bei der Darstellung und der Bewertung stets die gleichen Massstäbe zu verwenden.
7. Aktiven und Passiven sowie Aufwand und Ertrag dürfen nicht miteinander verrechnet werden.
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Bemerkung
• «Insbesondere» heisst: kein Anspruch auf Vollständigkeit
• Erweiterungen finden sich in der Gesetzeskommentierung und in Gerichtsurteilen
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c.1 Klarheit, Verständlichkeit
Klarheit: übersichtlich, sachgerecht gegliedert, nur gleichartige Posten zusammengefasst, zutreffend bezeichnet, nötigenfalls Erläuterungen im Anhang, den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Organisation
Verständlichkeit: für den fachwissenden Leser gefordert, der eine angemessene Sorgfalt mitbringt
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c.2 Vollständigkeit
Vollständigkeit: Relevante Information muss vollständig ausgewiesen werden
(Stille Reserven bilden einen Widerspruch hierzu; sie entstehen, wenn Aktiven geringer als zum fairen Betrag bewertet werden; Bsp: ein abgeschriebener Vermögensgegenstand, der noch genutzt wird)
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c.3 Verlässlichkeit Stetigkeit / Vergleichbarkeit
• Verlässlichkeit: keine wesentlichen Fehler, frei von verzerrenden Einflüssen, richtig, wahr, glaubwürdig ( genaue Zahlen; Angaben zur Methodik von Schätzprozessen)
(Entscheidungs-)Relevante Information: Weglassen oder fehlerhafte oder unvollständige Darstellung der Information könnte die auf der Basis der Information getroffenen Entscheidungen der Adressaten beeinflussen
i.S. einer Korrektur oder Bestätigung von Einschätzungen aus der Vergangenheit
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c.4 Wesentlichkeit
• Wesentlichkeit: quantitativ unbedeutende Information, die ausserdem die Entscheidungen der Adressaten nicht beeinflussen würde, kann ausser Acht gelassen werden
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d. Stetigkeit / Vergleichbarkeit
• Stetigkeit: Rechnung muss im Zeitverlauf nach gleich bleibenden Kriterien angelegt werden. Kriterien im Anhang offen zu legen.
– Ausnahmen: Begründete und notwendige Fälle (z.B. neue Erkenntnisse über die Änderung der physischen Nutzungsdauer einer Maschine); Änderung der Vorschriften
• Vergleichbarkeit: Weniger eine Methodenfrage als eine Zielsetzungsfrage.
– Vor allem internationale Unternehmen sind mit ständig wechselnden Regeln konfrontiert: Stetigkeit ist fast nie realisierbar
– Auswirkungen der Regeländerung offen legen
– Vergleichbarkeit ist intertemporal gefordert. Vergleichbarkeit zwischen Unternehmen ist nicht realisierbar und nicht gefordert.
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Beispiel (Handschin 2013, S. 163)
• 20x0 wurde eine Maschine für CHF 100’000 gekauft. Geschätzte Nutzungsdauer: 10 Jahre. Am 31.12.20x0 wird die Maschine planmässig abgeschrieben
– Der Abschreibungsbetrag am 31.12.20x0 ist CHF 10’000.
• 20x2 wird ersichtlich, dass die Restnutzungsdauer der Maschine aufgrund von neuen Umweltauflagen von 8 auf 4 Jahren gesenkt werden muss
– Sie ist vor dem 31.12.20x2 noch mit CHF 80’000 bilanziert
– Die neue jährliche Abschreibung erhöht sich von CHF 10’000 auf CHF 20’000.
– Zum 31.12.20x2 werden CHF 20’000 abgeschrieben, so dass der Restbuchwert in der Bilanz CHF 60’000 beträgt.
– Abweichung und Gründe müssen im Anhang offen gelegt werden
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• Abschreibungen Ende 20x0, Ende 20x1 jeweils 6900 Abschreibungen 10’000 an 1500 Maschinen 10’000
• Abschreibung Ende 20x2 (und folgende 3 Jahre) 6900 Abschreibungen 20’000 an 1500 Maschinen 20’000
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e. Bruttoprinzip
• Verrechnungsverbot: «Horizontale Verrechnung»
– Aktiven mit Passiven in der Bilanz
– Aufwendungen mit Erträgen in der Erfolgsrechnung
ist untersagt.
Beispiel:
• Die Immo AG kauft eine Liegenschaft. Sie wird zu 50% aus eigenen Mitteln und zu 50% durch eine Hypothek finanziert.
– Die Anschaffungskosten Liegenschaft sind CHF 1’000’000.
– Die Hypothek ist mit CHF 500’000 bewertet.
– Beide Positionen sind auszuweisen. Eine Verrechnung ist unzulässig.
• Ausnahme: «Echte Verrechnung». Vertragsbedingungen sehen eine explizite Aufrechnung von Forderungen und Schulden vor.
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1600 Immobilien 1’000’000 an 1020 Bankkonto 500’000 2440 Hypotheken 500’000
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Saldierungsverbot: Die «Vertikale Zusammenfassung» von
– je zwei Aufwands- oder Ertragsposten
– je zwei Aktiv- oder Passivposten
ist nur insofern erlaubt,
– als Mindestgliederungsvorschriften für die Erfolgsrechnung oder die Bilanz nicht verletzt werden
– oder die Transparenz anderweitig behindert wird
• Beispiel 1: Die Scarpino AG fertigt und verkauft Herren- und Damenschuhe Sie erhält eine einmalige Rückerstattung einer Versicherungsprämie. Eine Zusammenfassung mit den Umsatzerlösen (= Produktionserträgen) ist nicht zulässig (statt dessen «Ausserordentlicher Ertrag»)
• (Gegen-)Beispiel 2: Die jeweiligen Erträge der Scarpino AG aus dem Verkauf von Herren- und Damenschuhe werden zusammengefasst als «Produktionsertrag» ausgewiesen.
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• Buchungssätze: denken Sie sich Beträge aus und buchen Sie selbst.
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f. Vorsichtsprinzip
1. Erträge sollen nicht zu hoch und Aufwendungen nicht zu gering angesetzt werden
2. Vermögenswerte sollen nicht zu hoch und Verbindlichkeiten nicht zu tief angesetzt werden
Wird erreicht durch (1.) Realisationsprinzip und (2.) Imparitätsprinzip
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Vorsichtsprinzip
1. Realisationsprinzip 2. Imparitätsprinzip
Realisationsprinzip: Gewinne dürfen erst ausgewiesen werden, wenn sie durch Erträge am Markt effektiv erzielt worden sind
– Insbesondere ist der Ausweis von Gewinnen aus produzierten aber noch nicht verkauften / noch nicht gelieferten Waren verboten (d.h. Bilanzierung zu Anschaffungs- oder Herstellkosten)
– Ähnlich: Kein Ausweis von Gewinnen aus noch nicht geleisteten Dienstleistungen (selbst wenn Vertrag besteht)
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Beispiel zum Realisationsprinzip:
– Im Jahr 2003 schloss der Champions League Sieger Borussia Dortmund AG einen 5-Jahres-Werbevertrag mit Nike über total etwa 25 Millionen € ab (5 Mio / Jahr). In dieser Zeit befand sich Borussia in grossen Finanzschwierigkeiten.
– Beginn der Vertragslaufzeit war Juli 2004. Trotzdem buchte Borussia Dortmund bereits Ende der Saison 2002/03 fast die kompletten Werbeeinnahmen als Erlös.
– Korrekt wäre es gewesen, jeweils 5 Mio. in den Jahren 2004/05 bis 2008/09 als Erlös zu buchen, unabhängig von den Zahlungszeitpunkten
– Dies war auch das Ergebnis einer Untersuchung der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR). Das Vorgehen von Borussia Dortmund stellte also einen Bilanzbetrug dar.
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Angenommen, Nike zahlt wie folgt (tatsächliche Zahlungen sind nicht mehr zu ermitteln; Geschäftsjahr jeweils von Juli - Juni)
• Juni 2003: 5 Mio € als Vorauszahlung
• Juli 2004: 5 Mio € zu Vertragsbeginn
• Juni 2005,…, Juni 2007: jeweils 5 Mio €
• Juni 2008, Juni 2009: nichts mehr
Korrekte Buchungen wären gewesen
• Juni 2003: 1020 Bank an 2030 Anzahlungen 5 Mio €
• Juli 2004: 1020 Bank an 2030 Anzahlungen 5 Mio €
• Juni 2005, Juni 2006, Juni 2007 : 1020 Bank an 3400 Dienstleistungsertrag 5 Mio €
• Juni 2008, Juni 2009: 2030 Anzahlungen an 3400 Dienstleistungsertrag 5 Mio €
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Imparitätsprinzip: Verlangt einen Ausweis nicht realisierter Verluste
– Beispiel: Die MobileCom AG ist ein Händler für Mobiltelefone. Sie hat Smartphones zum Preis von 100’000 Franken eingekauft und plant, sie für 150’000 Franken zu verkaufen. Überraschend früh präsentiert der Weltmarktführer Pear sein neuestes Modell. Als Folge muss der Verkaufspreis der alten Smartphones halbiert werden.
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Der Lagerbestand an alten Smartphones ist auf 75’000 Franken abzuschreiben. Der nicht realisierte Verlust ist sofort auszuweisen.
• Buchung zum Kaufzeitpunkt 1200 Vorräte Handelswaren an 1030 Bankkonto 100’000
• Buchung zum Jahresende (bei Wertkorrektur) 6950 Wertberichtigungen (Vorräte) an 1200 Vorräte Handelswaren 25’000
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Bemerkung 1: Das Vorsichtsprinzip vernichtet Information. Beispiel: Die Immo AG ist sich der Tatsache bewusst, dass die Marktwerte ihrer Grundstücke und Liegenschaften unsicher sind.
• Die Bewertung der Grundstücke zu laufenden Marktpreisen würde dem Bilanzleser ein unverzerrtes Bild über den Wert der Grundstücke verschaffen.
• Aber(!): Marktpreise in der Bilanz auszuweisen, würde bedeuten, dass man unrealisierte Gewinne und Verluste ausweist. Das ist für unrealisierte Gewinne verboten, hingegen für unrealisierte Verluste geboten.
• Allerdings erfährt man aus der Bilanz, wenn es keine unrealisierten Verluste gegeben hat (es wird also eine Untergrenze ausgewiesen)
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Beispiel: Bilanzierung nach OR
1. Die Immo AG besitzt ein Grundstück. Dieses wurde 20x1 für 5.5 Millionen CHF gekauft.
2. Im Jahr 20x2 ist der Marktwert auf 8.25 Millionen CHF gestiegen. Die Immo AG muss weiterhin zu 5.5 Millionen CHF bewerten (dh die Information, dass der Marktwert gestiegen ist, geht verloren)
3. Im Jahr 20x3 ist der Marktwert auf 3.5 Millionen CHF gefallen Die Immo AG muss auf 3.5 Millionen CHF abwerten
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1. 1600 Immobilien (Land) an 1020 Bank 5.5 Mio CHF
2. Nichts
3. 6950 Wertberichtigung (Land) an 1600 Immobilien 2 Mio CHF
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Bemerkung 2: Abweichend hierzu ist in den International Financial Reporting Standards (IFRS) das Vorsichtsprinzip nicht bedeutend und tritt hinter dem Fair-Value-Prinzip zurück. Beispiel: Unter den IFRS müsste die Immo AG stets sowohl die historischen Kosten der Grundstücke als auch ihre Marktwerte ausweisen. (einen Wert in der Bilanz (Wahlrecht) und den anderen im Anhang)
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Beispiel:
• Die Immo AG besitzt ein Grundstück. Dieses wurde 20x1 für 5.5 Millionen CHF gekauft. Die Bilanzierung erfolgt nach IFRS.
• Im Jahr 20x2 ist der Marktwert auf 8.25 Millionen CHF gestiegen. Falls die Immo AG für Fair Value Bewertung optiert hat, muss sie zu 8.25 Millionen CHF bilanzieren (hier geht Information nicht verloren)
• Im Jahr 20x3 ist der Marktwert auf 3.5 Millionen CHF gefallen Die Immo AG muss auf 3.5 Millionen CHF abwerten
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1. 1600 Immobilien (Land) an 1020 Bank 5.5 Mio CHF
2. 1600 Immobilien (Land) an 8000 Ausserordentlicher Ertrag 2.75 Mio CHF
3. 6950 Wertberichtigung (Land) an 1600 Immobilien 4.75 Mio CHF
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g. Weitere GoR
1. Wirtschaftliche Betrachtungsweise (Substance over Form)
2. Neutralität (willkür- und wertfreie Darstellung)
3. Zeitnähe
4. Kosten-Nutzen-Verhältnis
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