consumer electronic show — ces 2014 süchtig nach daten

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ANSCHLUSS DRINGEND GESUCHT Die S-Klasse ist das „bestvernetzte Fahrzeug des Jahres 2013“, erzählt uns eine engagierte Dame auf dem Mercedes-Benz-Messestand, wäh- rend im Rampenlicht Entwicklungs- vorstand Dr. Thomas Weber den „Connected Car Award“ in Empfang nimmt. Amerikas Leitmesse für Unterhal- tungselektronik, die CES, ist heute die große Bühne für die deutsche Automobilindustrie. Sie nutzt die Veranstaltung in Las Vegas, um ihre Produkte als attraktivste Teile einer vernetzten Welt zu präsentieren. Denn Auto, Smartphone und Tablet, Apps und die klassische IT-Industrie verschmelzen. Die im Spektakel der Messe ver- kündeten Innovationen und Koope- rationen zeigen aber auch deutlich: Ohne US-amerikanisches IT-Know- how wird so manches Automobil- unternehmen auf der Strecke blei- ben. Darum verbündet sich unter anderem Audi mit Google und nutzt künftig das Betriebssystem Android. Die OEMs hoffen zudem darauf, mit der Hilfe des Suchmaschinen- Spezialisten Zugriff auf das führende Smartphone-Betriebssystem zu bekommen. Immerhin funktionieren heute acht von zehn Smartphones mit Android. DURCH ALLE STRASSEN GOOGELN Um Android als das Betriebssystem für Fahrzeug-Unterhaltungs- und Informationssysteme zu etablieren, hat Google gleich am ersten Tag der CES die Gründung der Open Auto- motive Alliance (OAA) bekannt gege- ben. Neben dem Internetkonzern gehören die Autohersteller Audi, General Motors, Honda und Hyundai sowie der Chipentwickler Nvidia der Allianz an. Das US-Unternehmen Nvidia stellt Grafikprozessoren für Bild- schirme her, und die kommen künf- tig statt der herkömmlichen analogen Geschwindigkeitsanzeige zum Ein- satz. Dann lassen sich im Sichtfeld des Fahrers alle gewünschten Infor- mationen darstellen. Und mit der Möglichkeit, ein großes App-Angebot zu nutzen und wegen der System- offenheit des Betriebssystems, kann jeder Automobilhersteller Funktion und Darstellung nach seinen Vorlie- ben anpassen. Laut der OAA soll Android um fahrzeugspezifische Funktionen erweitert werden. Bis vergangenen Freitag, 10. Januar 2014, dem letzten Tag der Messe, wurden dazu aller- dings keine Details genannt. APPLE IN THE CAR Mit Googles Vorstoß verlagert sich der Kampf um das erfolgreichste mobile Betriebssystem nun auch auf CONSUMER ELECTRONIC SHOW – CES 2014 SÜCHTIG NACH DATEN Amerikas Leitmesse für Unterhaltungselektronik, die Consumer Electronic Show CES, hat gezeigt, was heute möglich ist. Alles ist miteinander vernetzt: Das Smartphone mit dem Auto, der Reifen mit der Werkstatt, die App für sicheres Fahren mit einer Datenbank. So leuchten die Displays bunter als je zuvor. Weil jedes System auch gleich fahrerbezogene Daten sammelt, eröffnen sich für alle Beteiligten gänzlich neue Geschäftsmodelle. AKTUELL MESSEBERICHT 8

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Page 1: Consumer Electronic Show — CES 2014 Süchtig nach daten

ANSCHLUSS DRINGEND GESUCHT

Die S-Klasse ist das „bestvernetzte Fahrzeug des Jahres 2013“, erzählt uns eine engagierte Dame auf dem Mercedes-Benz-Messestand, wäh-rend im Rampenlicht Entwicklungs-vorstand Dr. Thomas Weber den „Connected Car Award“ in Empfang nimmt.

Amerikas Leitmesse für Unterhal-tungselektronik, die CES, ist heute die große Bühne für die deutsche Automobilindustrie. Sie nutzt die Veranstaltung in Las Vegas, um ihre Produkte als attraktivste Teile einer vernetzten Welt zu präsentieren. Denn Auto, Smartphone und Tablet, Apps und die klassische IT-Industrie verschmelzen.

Die im Spektakel der Messe ver-kündeten Innovationen und Koope-rationen zeigen aber auch deutlich: Ohne US-amerikanisches IT-Know-how wird so manches Automobil-

unternehmen auf der Strecke blei-ben. Darum verbündet sich unter anderem Audi mit Google und nutzt künftig das Betriebssystem Android.

Die OEMs hoffen zudem darauf, mit der Hilfe des Suchmaschinen-Spezialisten Zugriff auf das führende Smartphone-Betriebssystem zu bekommen. Immerhin funktionieren heute acht von zehn Smartphones mit Android.

DURCH ALLE STRASSEN GOOGELN

Um Android als das Betriebssystem für Fahrzeug-Unterhaltungs- und Informationssysteme zu etablieren, hat Google gleich am ersten Tag der CES die Gründung der Open Auto-motive Alliance (OAA) bekannt gege-ben. Neben dem Internetkonzern gehören die Autohersteller Audi, General Motors, Honda und Hyundai sowie der Chipentwickler Nvidia der Allianz an.

Das US-Unternehmen Nvidia stellt Grafikprozessoren für Bild-schirme her, und die kommen künf-tig statt der herkömmlichen analogen Geschwindigkeitsanzeige zum Ein-satz. Dann lassen sich im Sichtfeld des Fahrers alle gewünschten Infor-mationen darstellen. Und mit der Möglichkeit, ein großes App-Angebot zu nutzen und wegen der System-offenheit des Betriebssystems, kann jeder Automobilhersteller Funktion und Darstellung nach seinen Vorlie-ben anpassen.

Laut der OAA soll Android um fahrzeugspezifische Funktionen erweitert werden. Bis vergangenen Freitag, 10. Januar 2014, dem letzten Tag der Messe, wurden dazu aller-dings keine Details genannt.

APPLE IN THE CAR

Mit Googles Vorstoß verlagert sich der Kampf um das erfolgreichste mobile Betriebssystem nun auch auf

CONSUMER ELECTRONIC SHOW – CES 2014 SÜCHTIG NACH DATEN

Amerikas Leitmesse für

Unter haltungselektronik, die

Consumer Electronic Show

CES, hat gezeigt, was heute

möglich ist. Alles ist miteinander

vernetzt: Das Smartphone mit

dem Auto, der Reifen mit der

Werkstatt, die App für sicheres

Fahren mit einer Datenbank.

So leuchten die Displays bunter

als je zuvor. Weil jedes System

auch gleich fahrerbezogene

Daten sammelt, eröffnen sich

für alle Beteiligten gänzlich

neue Geschäftsmodelle.

AKTUELL MESSEBERICHT

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Messebericht

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die Straße. Und es ist eine Antwort auf die Meldung des vergangenen Sommers, dass Apple ein eigenes Auto-System „iOS in the Car“ etablie-ren möchte. Mit BMW, Daimler und Ferrari sind ebenfalls führende Auto-hersteller dabei.

Neben der PS-Zahl entscheidet künftig wohl auch die „Intelligenz“ eines Fahrzeugs über den Markt-erfolg. Dazu passt die Kampfansage von BMW in Las Vegas: Der bayeri-sche Autobauer will in knapp zehn Jahren autonom fahrende Autos auf den Markt bringen. Die Fahr-zeuge sollen auch in komplexen Verkehrssituationen über weite Stre-cken ohne Zutun des Fahrers ihren Weg finden.

Mercedes-Benz verkündete, eine Art Autobahnpiloten zu entwickeln. Der soll auch bei höheren Geschwin-digkeiten das Kommando überneh-men.

FÜHREND BEI BEDEUTENDEN INNOVATIONEN

Die CES war schon immer beliebt für ihre Visionen. Und die Consumer Electronics Association (CEA), die die Show jedes Jahr in Las Vegas im Bundesstaat Nevada organisiert, versteht es bestens, sich in Szene zu setzen. Allerdings geben aktuelle wirtschaftliche Zahlen den Organi-satoren recht. So überraschte am ersten Tag der CES Gary Shapiro, Präsident und CEO der CEA, mit der Nachricht, dass die Umsätze mit Unterhaltungselektronik auf dem US-amerikanischen Markt nie dage-wesene Werte erreicht haben. Mehr als 208 Milliarden US-Dollar setzte die CE-Industrie im vergangenen Jahr um.

Betrachtet man auch nur einen Bruchteil der in diesem Jahr präsen-tierten Produkte der mehr als 3200 Aussteller, dürften die Umsätze in diesem Jahr noch stärker steigen. „Wir sind führend bei bedeutenden Innovationen“, sagte Shapiro. Und die alles bestimmende Innovation ist das Vernetzen aller möglichen Geräte und Systeme. Das Internet der Dinge ist in Las Vegas greifbar. Kaum ein Gerät findet sich auf der

Messe, das ohne Netzverbindung auskommt. Und alles wird mitein-ander vernetzt: Das Smartphone mit dem Auto, der Reifen mit der Werkstatt, die App für sicheres Fah-ren mit einer Datenbank. Natürlich hat dies Vorteile für den Autofahrer, wie Harman am Beispiel seiner App iOnRoad zeigt. Einmal im Fahrzeug oder auf dem Smartphone installiert, warnt es vor heiklen Situationen im Straßenverkehr.

Welches Kapital diese und ähn-liche Apps im Laufe der Zeit ein-spielen, sehen wir auf einer digitalen Landkarte. Dort sind in verschiede-nen Farben Gebiete gekennzeichnet, die mehr oder weniger das jeweilige Fahrrisiko darstellen. Weil bereits einige Zehnmillionen die App gela-den haben, sind die Daten sehr begehrt. Natürlich werden die Daten anonymisiert und nicht weitergeben, so Harman. Doch der Kampf um fahrbezogene Daten ist bereits im Gange.

Und fast unbemerkt vom Trubel der Veranstaltung etablieren sich Unternehmen, die mit den perso-nalisierten Daten das ganz große Geschäft planen. Las Vegas eben.

Andreas Burkert

Die iOnRoad-App von Harman warnt vor heiklen Situationen im Verkehr und übermittelt die Daten zur Auswertung weiter

ZITATE

RUPERT STADLER, AUDI:„Ich bin überzeugt, das Auto wird in Zukunft noch mehr als heute eine intelligente Bezie-hung mit der Stadt eingehen.“

DR. THOMAS WEBER, DAIMLER: „Viele wollen moderne Kommunikationsmög-lichkeiten im Fahrzeug nutzen – bei uns ist der ‚digital drive style‘ schon längst Realität.“

JEN-HSUN HUANG, NVIDIA: „Das Auto ist der ultimative mobile Computer.“

BILDER © Audi, Daimler, Harman,

Andreas Burkert

9 01I2014 9. Jahrgang

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