csr beilage aus der frankfurter allgemeine zeitung vom 10 juni 2009l

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„Jetzt erst recht!“ – so lautet die Antwort vie- ler Unternehmen auf die derzeit häufig ge- stellte Frage, ob sie sich auch in Krisenzeiten in Sachen Corporate Social Responsibility (CSR) engagieren. Zwar bleibt in Einzelfäl- len zu prüfen, ob der vollmundigen Ankündi- gung auch tatsächlich Taten folgen. Doch ins- gesamt gilt: Gerade jetzt wird deutlich, dass die Konzentration auf den rein wirtschaftli- chen Erfolg nicht ausreicht. Die Aufgaben, die sich dem verantwortungs- vollen Unternehmer angesichts der aktuellen Lage stellen, sind zahlreich. Neben der prin- zipiellen Notwendigkeit, das eigene Geschäft nachhaltig aufzustellen, rückt auch der Um- gang mit den Mitarbeitern verstärkt in den Blickpunkt: Angesichts drohender Entlassun- gen ist hier besonders verantwortungsvolles Handeln gefragt. Und auch im Wettbewerb um qualifizierte Nachwuchskräfte steht oft derjenige besser da, der den Bewerbern mehr als nur Geld bieten kann. Zudem bietet sich noch eine weitere Chan- ce: Wer unternehmerische Verantwortung zeigt, hat die Möglichkeit, sich deutlich von der Konkurrenz abzuheben. Denn die Kun- den honorieren eine umweltbewusste und nachhaltige Produktion oder die Unterstüt- zung gemeinnütziger und sozialer Projekte. Sie erwarten längst nicht mehr nur ein gu- tes Produkt, sondern auch einen emotiona- len Mehrwert. Und wer könnte diesen besser bieten, als ein Unternehmen, dem das Kunst- stück gelingt, Spitzenleistung mit Verantwor- tungsbewusstsein zu verbinden? (saba) D ie Finanz- und Wirtschafts- krise hat dazu geführt, dass Kostensenkungsmaßnah- men derzeit zu den Topthe- men in Vorstandsetagen von Unternehmen gehören. So gut wie alles kommt auf den Prüfstand, was nicht unmittelbar dem Kerngeschäft dient. Auch der Bereich Corporate Responsibility, kurz CR. Dabei ist es interessant zu beobachten, dass infolge der Wirtschaftskrise bei einigen Unter- nehmen Gemeinwohl- und Umweltthe- men an Bedeutung verlieren, während andere wiederum ihre CR- und Nachhal- tigkeitsinitiativen sogar ausbauen, da sie hier eine Chance zur Wettbewerbsdiffe- renzierung sehen. Umbauen statt Abbauen In jedem Fall sollten Unternehmer sich drei Fragen stellen, bevor sie Entschei- dungen über Erhaltung, Auf- oder Rück- bau von CR-Programmen treffen. Ers- tens: Sind die CR-Aktivitäten eindeutig auf eine Verbesserung der Zukunftsfähig- keit des Unternehmens ausgerichtet? Zweitens: Gibt es ein professionelles – das heißt effizien- tes und effektives CR-Manage- ment? Und drit- tens: Wie lässt sich der betriebs- wirtschaftliche Ge- schäftserfolg (busi- ness case) systema- tisch verbinden mit gesellschaftli- chen (social case) und ökologischen (environment case) Leistungen? Inter- essant ist: Die Be- antwortung dieser Fragen dürfte häu- fig dazu führen, dass die CR-Akti- vitäten nicht ab-, sondern vielmehr umgebaut werden. Von Kritikern ist immer wieder zu hören, dass eine zu einseitig ausgerich- tete Verantwortung auf Seiten von Unternehmen – vor allem Banken – die Finanz- und Wirtschaftskrise (mit) verursacht habe. Unternehmerische Verantwortung auf kurzfristige be- triebswirtschaftliche Erfolge zu redu- zieren, so heißt es, könne zur Nichtbe- achtung von Neben- und Spätfolgen für Volkswirtschaft, Gesellschaft und Umwelt führen. Interessant ist in diesem Zusammenhang die Beobach- tung, dass insbesondere im Bankensek- tor, der sich durch zum Teil vorbildli- che Gemeinwohl- und Umweltpro- gramme auszeichnet, auch nichtnach- haltige Produkte und Dienstleistungen angeboten werden. In solchen Fällen gilt: Karitatives Engagement und Umweltschutzinitiati- ven, die losgelöst bleiben vom Kernge- schäft, können zwar kurzfristig helfen, die Reputation zu verbessern, Mitarbei- termotivation und -bindung zu steigern und auch einen (punktuellen) sozialen und ökologischen Nutzen stiften doch werden die Bemühungen mittel- und langfristig unterminiert: Man wirft quasi mit der linken Hand wieder um, was man mit der rechten versucht hat aufzubauen. Wichtig ist daher: Klassi- sche CR-Programme, die bislang dar- auf abzielen, soziale und ökologische Leistungen neben dem Kerngeschäft herzustellen, sollten in Unternehmen systematisch an Produkt-, Prozess- und Dienstleistungsaktivitäten gekop- pelt werden. Die Entwicklung von nachhaltigen Produkten und Dienstleistungen, die möglichst sozial- und umweltverträg- lich sind und einen unmittelbaren Lö- sungsbeitrag und Mehrwert für Gesell- schaft und Umwelt erbringen (etwa Umwelttechnologien), hat durch die Krise wei-ter an Dynamik gewonnen. Nicht nur die Industrie steht unter erheblichem Innovationsdruck, nachhal- tige Produkt- und Systemlösungen an- zubieten. Auch Finanzdienstleister und Unternehmensberatungen passen ihr Dienstleistungsangebot an die sozialen und ökologischen Megatrends an, bei- spielsweise in Form von Nachhaltig- keitsberatung und entsprechenden Au- dits für die Mandanten. Dabei steht und fällt die notwendige Glaubwürdigkeit entsprechender Angebote mit dem eige- nen sozialen Engagement der Mitarbei- ter. Dieses auch glaubwürdig zu leben und die Unternehmenskultur darauf auszurichten ist die Grundvorausset- zung für den Erfolg. Die Erfahrung zeigt, dass sich Mitarbeiter durch akti- ves Engagement des Unternehmens im Rahmen von Gemeinwohl- und Um- weltprojekten sehr gerne für dieses Thema sensibilisieren lassen. Will die Wirtschaft die Krise als Chance begrei- fen, steht sie vor der Herausforde- rung, innovative Managementsyste- me weiterzuent- wickeln und neu aufeinander abzu- stimmen. Ein inte- grativer CR-An- satz, der das Zu- sammenwachsen von dem, was zu- sammengehört, er- möglicht, bedarf der Neuausrich- tung von Strate- gien, Strukturen und Prozessen. Klassische CR- Aktivitäten soll- ten ebenso koordiniert, weiterentwi- ckelt und professionalisiert werden wie Innovationsaktivitäten im Kerngeschäft. Nur so können Synergieeffekte zwi- schen den bislang zumeist getrennten Bereichen ausgelöst und eine auf Nach- haltigkeit und Verantwortung zielende Unternehmenskultur entwickelt wer- den. Die enge Kooperation mit gesell- schaftlichen Akteuren sowie die syste- matische Prüfung und Bewertung von CR-Systemen und -Informationen durch Dritte hilft, sich am Bedarf auszurichten, die Qualität zu sichern und die Glaubwürdigkeit zu stärken. Zukunftsfähigkeit sichern In Anlehnung an den Staatsrechtler Ernst-Wolfgang Böckenförde lässt sich sagen: Die Wirtschaft baut auf Vorausset- zungen auf, die sie nicht aus sich selbst heraus schaffen kann. Gerade deshalb sind die Unternehmen gut beraten, angemessene Managementsysteme zu entwickeln, die der Komplexität der wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und ökologischen Entwicklungen gerecht werden. Auf diese Weise können sie einen Beitrag leisten, um die eigene Zukunftsfähigkeit zu sichern und die von Gesellschaft und Umwelt zu verbes- sern. Ein integrativer CR-Ansatz und seine Umsetzung in professionelle Stra- tegien und Managementsysteme stellen einen wichtigen Schritt zur nachhaltigen Entwicklung von Unternehmen und Gesellschaft dar. Simone Fischer, Partnerin im Bereich Audit (Sustainabitlity-Audit und -Beratung) bei KPMG, und Dr. Harald Heinrichs, Umwelt- manager bei KPMG, Berlin W elche Gründe auch immer ein Unternehmen veranlassen, nach- haltig zu denken und zu han- deln: Um Wirkung zu zeigen, müssen die CSR-Initiativen kommuniziert wer- den. Als Königsweg gilt dabei das Erstellen eines Nachhaltigkeitsberichts. Insbesondere im Dax, dem Börsenindex der deutschen Blue Chips, zählen CSR- Reports inzwischen zum Standardinstru- mentarium: 27 der insgesamt 30 Dax- Unternehmen verfassen ein entsprechen- des Rechenschaftswerk. Was die Machart ihrer Nachhaltig- keitsberichte betrifft, zeigen die Flaggschiffe der Börsenlandschaft viel Experimentierfreude. Von Magazinen über Fact-Books bis zu klassischen Reportingformen ist alles vorhanden. Doch so unterschiedlich die einzelnen Publikationen auch sind – eines haben sie gemeinsam: Ihr Seitenumfang ist beachtlich. Einer aktuellen blackpoint- Studie zufolge, liegt der Mittelwert aller Nachhaltigkeitspublikationen im Dax bei rund 82 Seiten. Die dicksten Bro- schüren mit durchschnittlich 127 Seiten kommen aus der Automobilindustrie. Auf Platz zwei folgt die Chemiebran- che, sie informiert im Schnitt auf 116 Seiten. Umfänge dieses Kalibers rücken den CSR-Report schon auf den ersten Blick in die Richtung einer ebenfalls recht seitenstarken Unternehmenspublikati- on: den Geschäftsbericht. Und in der Tat, nicht nur Nachhaltigkeitsengage- ment und Finanzkommunikation rü- cken enger zusammen, sondern auch die dazugehörenden Reports. Zwei Berichte, ein Motto Ein Teil der Dax-Unternehmen greift diese Entwicklung bereits aktiv auf und treibt sie voran. RWE beispielsweise bringt die zwei Druckwerke optisch auf eine Linie und unterstreicht deren Zu- sammengehörigkeit mit ähnlichen Titel- slogans: Der Geschäftsbericht heißt „Wer, wenn nicht wir“ und der Nachhal- tigkeitsreport „Wann, wenn nicht jetzt“. Anderswo versieht man direkt beide mit demselben Motto. Die zwei Publikationen zu verknüp- fen ist sinnvoll, denn es gibt immer mehr Gemeinsamkeiten. Mit an erster Stelle stehen inhaltliche Überschneidun- gen. So sollen CSR-Reports nicht nur die ökologische und soziale Dimension, sondern auch ökonomische Aspekte abdecken. Umgekehrt sind Geschäftsbe- richte gefordert, nichtfinanzielle Leis- tungsindikatoren anzuführen, die dem CSR-Umfeld zuzuordnen sind. Dazu zählen gemäß Bilanzrechtsreformgesetz (BilReG) Informationen „über Umwelt- und Arbeitnehmerbelange, soweit sie für das Verständnis des Geschäftsver- laufs oder der Lage von Bedeutung sind“. Auch die Kernzielgruppen des Geschäftsberichts – Investoren und Ana- lysten – verlangen verstärkt Angaben zur Nachhaltigkeitsstrategie. Schließlich wird verantwortungsvolles Handeln zu- nehmend als wirtschaftliche Einflussgrö- ße und wirksamer Werttreiber gesehen. Deutliche Parallelen zeigen auch die Erwartungen an die CSR- und Ge- schäftsberichte: Neben Vollständigkeit und Transparenz gilt vor allem Ver- gleichbarkeit als Prämisse. Benchmar- king allerdings setzt Standardisierung voraus. Folglich sind in beiden Feldern Leitlinien entstanden, die es ermögli- chen, Informationen des jeweils ande- ren Themenkomplexes zu standardisie- ren. So bietet die Deutsche Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Manage- ment (DVFA) eine Systematik, mit der sich Leistungsindikatoren der Nachhal- tigkeit in der Finanzkommunikation abbilden lassen. Umgekehrt gibt die Global Reporting Initiative (GRI) Re- geln für die Ökonomie-Berichterstat- tung im CSR-Report vor. Für beide Berichtsarten sind Verlässlich- keit und Glaubwürdigkeit von wesentli- cher Bedeutung. Somit entwickelt sich hier derzeit eine weitere Übereinstim- mung: die Testierung durch unabhängi- ge Dritte. Beim Geschäftsbericht ist der Bestätigungsvermerk des Wirtschaftsprü- fers seit langem Pflicht. Nun zieht der Nachhaltigkeitsreport nach. Gut ein Viertel der CSR-Publikationen von Dax-Unternehmen wird bereits durch Wirtschaftsprüfungsgesellschaften ge- prüft und bestätigt. Aus einem Guss Ein Punkt, wo Geschäftsbericht und CSR-Report noch vor kurzem auseinan- derlagen, sind die Erscheinungszyklen. Doch selbst hier wird der Abstand kürzer. Mittlerweile veröffentlicht gut ein Drittel der Dax-Werte Jahr für Jahr einen Nachhaltigkeitsbericht. Nicht mehr lange, so scheint es, dann werden die Rechenschaftswerke auch unter dem Zeitaspekt gleichauf liegen. Spätestens dann stellt sich die Frage, ob es nicht zweckmäßig ist, die beiden Publikatio- nen in einem Guss zu erstellen. BASF hat hierauf bereits eine Antwort gelie- fert: Der Chemiekonzern fasst Ge- schäfts- und Nachhaltigkeitsbericht schon jetzt in einem einzigen Report zusammen. Und schafft damit eine Gesamtlösung, die schnell Nachahmer finden könnte. Sabine Schneider, Geschäftsführerin der black- point communications gmbh, Hagen Unternehmerische Verantwortung bedeutet, den wirtschaft- lichen Geschäftserfolg mit gesellschaftlichem Engagement zu verbinden. Dies gelingt am besten, wenn die Aktivitäten für Umwelt und Gemeinwesen anknüpfen an Produkt-, Prozess- und Dienstleistungsinnovationen im Kerngeschäft. Von SIMONE FISCHER und HARALD HEINRICHS Wer Gutes tut, redet darüber, unter anderem im Nachhaltig- keitsbericht. Derweil zeigt die Entwicklung: Nachhaltigkeits- report und Geschäftsbericht nähern sich einander an. Von SABINE SCHNEIDER EDITORIAL Kunststück Verantwortung Im Spiel: Immer mehr Unternehmen nehmen die Herausforderung an, das Thema CSR mit allen anderen Geschäftsaktivitäten in Einklang zu bringen. Alle Faktoren im Blick Auf Schmusekurs mit dem Geschäftsbericht SEITE 3 Die Lehre aus der Finanzkrise: Nachhaltige Investments gewinnen zunehmend an Bedeutung. UMGEDACHT ANGEPACKT VORGESTELLT Eine Studie weist nach, welchen Einfluss der Wunsch nach verantwortungsvollem Handeln auf das Konsumverhalten hat. ANALYSIERT VERLAGSBEILAGE FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG Mittwoch, 10. Juni 2009, Nr. 132 SEITE 2 SEITE 6 Technikstunden für Grundschüler, Bücher für Kinder von Kindern und ein Suppenmobil gegen Arbeitslosigkeit. Drei Projekte aus der Praxis. CSR Unternehmen, Gesellschaft, Verantwortung SEITE 4 Immer mehr Unternehmen schaffen einen Rahmen für das gesellschaftliche Engagement ihrer Mitarbeiter. „Infolge der Wirtschafts- krise verlieren bei eini- gen Unternehmen Ge- meinwohl- und Umwelt- themen an Bedeutung. Andere bauen ihre CR- und Nachhaltigkeits- initiativen sogar aus, weil sie hier eine Chance zu Wettbewerbsdifferenzie- rung sehen.“ ZITAT „Die Mitarbeiter einer Firma sind die besten Bot- schafter für deren Engage- ment. Sie drücken die Selbstverpflichtung eines Unternehmens meist glaubwürdiger aus, als dies Nachhaltigkeitsbe- richte oder Firmenhome- pages vermögen.“ Christiane Stöhr und Thomas Ruderer von Scholz and Friends Reputation, Berlin SEITE 4

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Page 1: CSR Beilage Aus Der Frankfurter Allgemeine Zeitung Vom 10 Juni 2009l

„Jetzt erst recht!“ – so lautet die Antwort vie-ler Unternehmen auf die derzeit häufig ge-stellte Frage, ob sie sich auch in Krisenzeitenin Sachen Corporate Social Responsibility(CSR) engagieren. Zwar bleibt in Einzelfäl-len zu prüfen, ob der vollmundigen Ankündi-gung auch tatsächlich Taten folgen. Doch ins-gesamt gilt: Gerade jetzt wird deutlich, dassdie Konzentration auf den rein wirtschaftli-chen Erfolg nicht ausreicht.Die Aufgaben, die sich dem verantwortungs-vollen Unternehmer angesichts der aktuellenLage stellen, sind zahlreich. Neben der prin-zipiellen Notwendigkeit, das eigene Geschäftnachhaltig aufzustellen, rückt auch der Um-gang mit den Mitarbeitern verstärkt in denBlickpunkt: Angesichts drohender Entlassun-gen ist hier besonders verantwortungsvollesHandeln gefragt. Und auch im Wettbewerbum qualifizierte Nachwuchskräfte steht oftderjenige besser da, der den Bewerbernmehr als nur Geld bieten kann.Zudem bietet sich noch eine weitere Chan-ce: Wer unternehmerische Verantwortungzeigt, hat die Möglichkeit, sich deutlich vonder Konkurrenz abzuheben. Denn die Kun-den honorieren eine umweltbewusste undnachhaltige Produktion oder die Unterstüt-zung gemeinnütziger und sozialer Projekte.Sie erwarten längst nicht mehr nur ein gu-tes Produkt, sondern auch einen emotiona-len Mehrwert. Und wer könnte diesen besserbieten, als ein Unternehmen, dem das Kunst-stück gelingt, Spitzenleistung mit Verantwor-tungsbewusstsein zu verbinden? (saba)

Die Finanz- und Wirtschafts-krise hat dazu geführt, dassKostensenkungsmaßnah-men derzeit zu den Topthe-men in Vorstandsetagen

von Unternehmen gehören. So gut wiealles kommt auf den Prüfstand, wasnicht unmittelbar dem Kerngeschäftdient. Auch der Bereich CorporateResponsibility, kurz CR. Dabei ist esinteressant zu beobachten, dass infolgeder Wirtschaftskrise bei einigen Unter-nehmen Gemeinwohl- und Umweltthe-men an Bedeutung verlieren, währendandere wiederum ihre CR- und Nachhal-tigkeitsinitiativen sogar ausbauen, da siehier eine Chance zur Wettbewerbsdiffe-renzierung sehen.

Umbauen statt AbbauenIn jedem Fall sollten Unternehmer sichdrei Fragen stellen, bevor sie Entschei-dungen über Erhaltung, Auf- oder Rück-bau von CR-Programmen treffen. Ers-tens: Sind die CR-Aktivitäten eindeutigauf eine Verbesserung der Zukunftsfähig-keit des Unternehmens ausgerichtet?Zweitens: Gibt es ein professionelles –das heißt effizien-tes und effektives– CR-Manage-ment? Und drit-tens: Wie lässtsich der betriebs-wirtschaftliche Ge-schäftserfolg (busi-ness case) systema-tisch verbindenmit gesellschaftli-chen (social case)und ökologischen(environment case)Leistungen? Inter-essant ist: Die Be-antwortung dieserFragen dürfte häu-fig dazu führen,dass die CR-Akti-vitäten nicht ab-,sondern vielmehr umgebaut werden.

Von Kritikern ist immer wieder zuhören, dass eine zu einseitig ausgerich-tete Verantwortung auf Seiten vonUnternehmen – vor allem Banken – dieFinanz- und Wirtschaftskrise (mit)verursacht habe. UnternehmerischeVerantwortung auf kurzfristige be-triebswirtschaftliche Erfolge zu redu-zieren, so heißt es, könne zur Nichtbe-achtung von Neben- und Spätfolgenfür Volkswirtschaft, Gesellschaft undUmwelt führen. Interessant ist indiesem Zusammenhang die Beobach-tung, dass insbesondere im Bankensek-tor, der sich durch zum Teil vorbildli-che Gemeinwohl- und Umweltpro-gramme auszeichnet, auch nichtnach-haltige Produkte und Dienstleistungenangeboten werden.

In solchen Fällen gilt: KaritativesEngagement und Umweltschutzinitiati-ven, die losgelöst bleiben vom Kernge-schäft, können zwar kurzfristig helfen,die Reputation zu verbessern, Mitarbei-termotivation und -bindung zu steigernund auch einen (punktuellen) sozialenund ökologischen Nutzen stiften –doch werden die Bemühungen mittel-und langfristig unterminiert: Man wirftquasi mit der linken Hand wieder um,was man mit der rechten versucht hataufzubauen. Wichtig ist daher: Klassi-sche CR-Programme, die bislang dar-auf abzielen, soziale und ökologischeLeistungen neben dem Kerngeschäftherzustellen, sollten in Unternehmensystematisch an Produkt-, Prozess-und Dienstleistungsaktivitäten gekop-pelt werden.

Die Entwicklung von nachhaltigenProdukten und Dienstleistungen, diemöglichst sozial- und umweltverträg-

lich sind und einen unmittelbaren Lö-sungsbeitrag und Mehrwert für Gesell-schaft und Umwelt erbringen (etwaUmwelttechnologien), hat durch dieKrise wei-ter an Dynamik gewonnen.Nicht nur die Industrie steht untererheblichem Innovationsdruck, nachhal-tige Produkt- und Systemlösungen an-zubieten. Auch Finanzdienstleister undUnternehmensberatungen passen ihrDienstleistungsangebot an die sozialenund ökologischen Megatrends an, bei-spielsweise in Form von Nachhaltig-keitsberatung und entsprechenden Au-dits für die Mandanten. Dabei steht undfällt die notwendige Glaubwürdigkeitentsprechender Angebote mit dem eige-nen sozialen Engagement der Mitarbei-ter. Dieses auch glaubwürdig zu lebenund die Unternehmenskultur daraufauszurichten ist die Grundvorausset-zung für den Erfolg. Die Erfahrungzeigt, dass sich Mitarbeiter durch akti-ves Engagement des Unternehmens imRahmen von Gemeinwohl- und Um-weltprojekten sehr gerne für diesesThema sensibilisieren lassen.

Will die Wirtschaft die Krise alsChance begrei-fen, steht sie vorder Herausforde-rung, innovativeManagementsyste-me weiterzuent-wickeln und neuaufeinander abzu-stimmen. Ein inte-grativer CR-An-satz, der das Zu-sammenwachsenvon dem, was zu-sammengehört, er-möglicht, bedarfder Neuausrich-tung von Strate-gien, Strukturenund Prozessen.Klassische CR-Aktivitäten soll-

ten ebenso koordiniert, weiterentwi-ckelt und professionalisiert werden wieInnovationsaktivitäten im Kerngeschäft.Nur so können Synergieeffekte zwi-schen den bislang zumeist getrenntenBereichen ausgelöst und eine auf Nach-haltigkeit und Verantwortung zielendeUnternehmenskultur entwickelt wer-den. Die enge Kooperation mit gesell-schaftlichen Akteuren sowie die syste-matische Prüfung und Bewertung vonCR-Systemen und -Informationendurch Dritte hilft, sich am Bedarfauszurichten, die Qualität zu sichernund die Glaubwürdigkeit zu stärken.

Zukunftsfähigkeit sichernIn Anlehnung an den StaatsrechtlerErnst-Wolfgang Böckenförde lässt sichsagen: Die Wirtschaft baut auf Vorausset-zungen auf, die sie nicht aus sich selbstheraus schaffen kann. Gerade deshalbsind die Unternehmen gut beraten,angemessene Managementsysteme zuentwickeln, die der Komplexität derwirtschaftlichen, gesellschaftlichen undökologischen Entwicklungen gerechtwerden. Auf diese Weise können sieeinen Beitrag leisten, um die eigeneZukunftsfähigkeit zu sichern und dievon Gesellschaft und Umwelt zu verbes-sern. Ein integrativer CR-Ansatz undseine Umsetzung in professionelle Stra-tegien und Managementsysteme stelleneinen wichtigen Schritt zur nachhaltigenEntwicklung von Unternehmen undGesellschaft dar.

Simone Fischer, Partnerin im Bereich Audit(Sustainabitlity-Audit und -Beratung) beiKPMG, und Dr. Harald Heinrichs, Umwelt-manager bei KPMG, Berlin

Welche Gründe auch immer einUnternehmen veranlassen, nach-haltig zu denken und zu han-

deln: Um Wirkung zu zeigen, müssendie CSR-Initiativen kommuniziert wer-den. Als Königsweg gilt dabei dasErstellen eines Nachhaltigkeitsberichts.Insbesondere im Dax, dem Börsenindexder deutschen Blue Chips, zählen CSR-Reports inzwischen zum Standardinstru-mentarium: 27 der insgesamt 30 Dax-Unternehmen verfassen ein entsprechen-des Rechenschaftswerk.

Was die Machart ihrer Nachhaltig-keitsberichte betrifft, zeigen dieFlaggschiffe der Börsenlandschaft vielExperimentierfreude. Von Magazinenüber Fact-Books bis zu klassischenReportingformen ist alles vorhanden.Doch so unterschiedlich die einzelnenPublikationen auch sind – eines habensie gemeinsam: Ihr Seitenumfang istbeachtlich. Einer aktuellen blackpoint-Studie zufolge, liegt der Mittelwert allerNachhaltigkeitspublikationen im Daxbei rund 82 Seiten. Die dicksten Bro-schüren mit durchschnittlich 127 Seitenkommen aus der Automobilindustrie.Auf Platz zwei folgt die Chemiebran-

che, sie informiert im Schnitt auf 116Seiten.

Umfänge dieses Kalibers rücken denCSR-Report schon auf den ersten Blickin die Richtung einer ebenfalls rechtseitenstarken Unternehmenspublikati-on: den Geschäftsbericht. Und in derTat, nicht nur Nachhaltigkeitsengage-ment und Finanzkommunikation rü-cken enger zusammen, sondern auch diedazugehörenden Reports.

Zwei Berichte, ein MottoEin Teil der Dax-Unternehmen greiftdiese Entwicklung bereits aktiv auf undtreibt sie voran. RWE beispielsweisebringt die zwei Druckwerke optisch aufeine Linie und unterstreicht deren Zu-sammengehörigkeit mit ähnlichen Titel-slogans: Der Geschäftsbericht heißt„Wer, wenn nicht wir“ und der Nachhal-tigkeitsreport „Wann, wenn nicht jetzt“.Anderswo versieht man direkt beide mitdemselben Motto.

Die zwei Publikationen zu verknüp-fen ist sinnvoll, denn es gibt immermehr Gemeinsamkeiten. Mit an ersterStelle stehen inhaltliche Überschneidun-gen. So sollen CSR-Reports nicht nur

die ökologische und soziale Dimension,sondern auch ökonomische Aspekteabdecken. Umgekehrt sind Geschäftsbe-richte gefordert, nichtfinanzielle Leis-tungsindikatoren anzuführen, die demCSR-Umfeld zuzuordnen sind. Dazuzählen gemäß Bilanzrechtsreformgesetz(BilReG) Informationen „über Umwelt-und Arbeitnehmerbelange, soweit siefür das Verständnis des Geschäftsver-laufs oder der Lage von Bedeutungsind“. Auch die Kernzielgruppen desGeschäftsberichts – Investoren und Ana-lysten – verlangen verstärkt Angabenzur Nachhaltigkeitsstrategie. Schließlichwird verantwortungsvolles Handeln zu-nehmend als wirtschaftliche Einflussgrö-ße und wirksamer Werttreiber gesehen.

Deutliche Parallelen zeigen auch dieErwartungen an die CSR- und Ge-schäftsberichte: Neben Vollständigkeitund Transparenz gilt vor allem Ver-gleichbarkeit als Prämisse. Benchmar-king allerdings setzt Standardisierungvoraus. Folglich sind in beiden FeldernLeitlinien entstanden, die es ermögli-chen, Informationen des jeweils ande-ren Themenkomplexes zu standardisie-ren. So bietet die Deutsche Vereinigungfür Finanzanalyse und Asset Manage-ment (DVFA) eine Systematik, mit dersich Leistungsindikatoren der Nachhal-tigkeit in der Finanzkommunikationabbilden lassen. Umgekehrt gibt dieGlobal Reporting Initiative (GRI) Re-geln für die Ökonomie-Berichterstat-tung im CSR-Report vor.

Für beide Berichtsarten sind Verlässlich-keit und Glaubwürdigkeit von wesentli-cher Bedeutung. Somit entwickelt sichhier derzeit eine weitere Übereinstim-mung: die Testierung durch unabhängi-ge Dritte. Beim Geschäftsbericht ist derBestätigungsvermerk des Wirtschaftsprü-fers seit langem Pflicht. Nun zieht derNachhaltigkeitsreport nach. Gut einViertel der CSR-Publikationen vonDax-Unternehmen wird bereits durchWirtschaftsprüfungsgesellschaften ge-prüft und bestätigt.

Aus einem GussEin Punkt, wo Geschäftsbericht undCSR-Report noch vor kurzem auseinan-derlagen, sind die Erscheinungszyklen.Doch selbst hier wird der Abstandkürzer. Mittlerweile veröffentlicht gutein Drittel der Dax-Werte Jahr für Jahreinen Nachhaltigkeitsbericht. Nichtmehr lange, so scheint es, dann werdendie Rechenschaftswerke auch unter demZeitaspekt gleichauf liegen. Spätestensdann stellt sich die Frage, ob es nichtzweckmäßig ist, die beiden Publikatio-nen in einem Guss zu erstellen. BASFhat hierauf bereits eine Antwort gelie-fert: Der Chemiekonzern fasst Ge-schäfts- und Nachhaltigkeitsberichtschon jetzt in einem einzigen Reportzusammen. Und schafft damit eineGesamtlösung, die schnell Nachahmerfinden könnte.

Sabine Schneider, Geschäftsführerin der black-point communications gmbh, Hagen

Unternehmerische Verantwortung bedeutet, den wirtschaft-

lichen Geschäftserfolg mit gesellschaftlichem Engagement zu

verbinden. Dies gelingt am besten, wenn die Aktivitäten für

Umwelt und Gemeinwesen anknüpfen an Produkt-, Prozess-

und Dienstleistungsinnovationen im Kerngeschäft.

Von SIMONE FISCHER und HARALD HEINRICHS

Wer Gutes tut, redet darüber, unter anderem im Nachhaltig-

keitsbericht. Derweil zeigt die Entwicklung: Nachhaltigkeits-

report und Geschäftsbericht nähern sich einander an.

Von SABINE SCHNEIDER

EDITORIAL

KunststückVerantwortung

Im Spiel: Immer mehr Unternehmen nehmen die Herausforderung an, das Thema CSR mit allen anderen Geschäftsaktivitäten in Einklang zu bringen.

Alle Faktorenim Blick

Auf Schmusekurs mit dem Geschäftsbericht

SEITE 3

Die Lehre aus derFinanzkrise: Nachhaltige Investments gewinnenzunehmend an Bedeutung.

UMGEDACHT ANGEPACKT VORGESTELLTEine Studie weist nach, welchen Einfluss derWunsch nach verantwortungsvollem Handelnauf das Konsumverhalten hat.

ANALYSIERT

VERLAGSBEILAGE FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG Mittwoch, 10. Juni 2009, Nr. 132

SEITE 2 SEITE 6

Technikstunden für Grundschüler, Bücher fürKinder von Kindern und ein Suppenmobil gegenArbeitslosigkeit. Drei Projekte aus der Praxis.

CSRUnternehmen, Gesellschaft, Verantwortung

SEITE 4

Immer mehr Unternehmen schaffeneinen Rahmen für das gesellschaftlicheEngagement ihrer Mitarbeiter.

„Infolge der Wirtschafts-krise verlieren bei eini-gen Unternehmen Ge-meinwohl- und Umwelt-themen an Bedeutung.Andere bauen ihre CR-und Nachhaltigkeits-initiativen sogar aus, weilsie hier eine Chance zuWettbewerbsdifferenzie-rung sehen.“

ZITAT

„Die Mitarbeiter einerFirma sind die besten Bot-schafter für deren Engage-ment. Sie drücken dieSelbstverpflichtung einesUnternehmens meistglaubwürdiger aus, alsdies Nachhaltigkeitsbe-richte oder Firmenhome-pages vermögen.“

Christiane Stöhr und Thomas Ruderer vonScholz and Friends Reputation, BerlinSEITE 4

Page 2: CSR Beilage Aus Der Frankfurter Allgemeine Zeitung Vom 10 Juni 2009l

Dass Unternehmen als ein wichtiger Teilder Gesellschaft dazu verpflichtet sind,verantwortungsvoll, nachhaltig und imSinne des Gemeinwohls zu handeln, istheute allgemeiner Konsens. CorporateResponsibility (CR), also ein sozial undökologisch verantwortliches Manage-ment, ist deshalb schon lange mehr als einLippenbekenntnis. Der Einzelhandel bei-spielsweise bietet eine große Vielfalt anenergieeffizienten Haushaltsgeräten undbiologisch angebauten oder fair gehandel-ten Produkten an. Dahinter steckt nicht

nur reiner Altruismus, sondern auch dieTatsache, dass Kunden beim Einkauf aufdie gesellschaftlichen Folgen ihres Han-delns achten. Konkret heißt das: DerWunsch nach verantwortungsvollem Han-deln schlägt sich im Kaufverhalten nieder.Das zeigt eine Studie des Marktfor-schungsinstituts GfK Panel Services undRoland Berger, in der nicht nur dieEinstellung der Konsumenten zu verschie-denen Aspekten im Bereich CR abge-fragt, sondern auch mit dem tatsächlichenKaufverhalten abgeglichen wurde.

Aus den Ergebnissen lassen sich fünfKonsumententypen ableiten, die einbreites Spektrum abdecken. Einige da-von, zum Beispiel der „Verantwortungs-bewusste Engagierte“, fühlen sich eherdurch klassische CR-Themen wie Um-welt, ethische Normen und Menschen-rechte angesprochen. Andere, etwa der„Eigenverantwortliche Familienmensch“,interessieren sich dagegen mehr fürThemen wie Ernährung und Gesund-heit. Dieser Konsumententyp führt einaktives Leben im engen eigenen Kos-mos, ist aber an CR-Themen weniginteressiert.

Das Kaufverhalten zähltInteressant ist der Vergleich der angege-benen Einstellung der Konsumenten mitihrem konkreten Kaufverhalten. Dabeizeigte sich eindeutig, dass sich dieEinstellung tatsächlich im Kaufverhaltenniederschlägt: Beispielsweise ist die Zu-stimmung zur Frage „Kaufen Sie um-weltverträgliche Produkte?“ bei den„Verantwortungsbewussten Engagier-ten“ (58%) und den „Kritisch Konsu-mierenden“ (59%) überdurchschnittlichhoch. Betrachtet man das Kaufverhalten,so geben diese beiden Gruppen beispiels-weise überdurchschnittlich viel für öko-logische Wasch-, Putz- und Reinigungs-mittel aus.

Ein anderes Beispiel ist die Bedeu-tung von Bioprodukten: Diese habenzwar insgesamt eine hohe Akzeptanz inallen Käufergruppen, aber auch hierzeigt sich, dass die Einstellung dasKaufverhalten beeinflusst: Jeweils 32%der „Verantwortungsbewussten Enga-gierten“ und der „Kritisch Konsumieren-den“ gaben an, dass sie bei Nahrungsmit-teln lieber Bioprodukte kaufen. Sieliegen damit nicht nur, was ihre Einstel-lung angeht, über dem Durchschnitt(21%), sondern geben auch tatsächlichprozentual mehr für Bioprodukte aus(im Durchschnitt jeweils 8% bezie-hungsweise 7%).

Viele Wege führen zum ZielMarken und Unternehmen erfüllen dieWünsche von Konsumenten in SachenCR durchaus unterschiedlich. KonkreteBeispiele zeigen, dass verschiedene Mar-ken daher auch verschiedene Konsumen-tentypen anziehen. Vergleicht man bei-spielsweise die Kunden von Bionade mitdenen von Coca-Cola, so zeigt sich, dassKäufer von Bionade sehr viel Wert aufbewusste Ernährung und regionale Pro-dukte legen. Die Themen Entwicklungs-hilfe und Naturschutz sind ihnen äu-ßerst wichtig. Im Unterschied dazuinteressieren sich Coca-Cola-Käufermehr für ein soziales Engagement inihrem näheren Umfeld. Nachbarschafts-hilfe und die Familie haben für sie einenüberdurchschnittlich hohen Stellenwert.Es ist wichtig für Unternehmen, dieseUnterschiede zu kennen und sie in ihreStrategie einzubinden.

Insgesamt gilt: Das Thema CR istgesellschaftlich zu wichtig geworden,um es zu ignorieren. Unternehmenmüssen daher im eigenen Interesse eineganzheitliche CR-Strategie entwickeln

und in ihre Unternehmensstrategie ein-binden. CR kann nur dann wirklichnachhaltig funktionieren, wenn sie alsgewinnbringender Bestandteil des Kern-geschäfts wahrgenommen wird undnicht mehr als Kostenfaktor oder Spiele-rei. Oder wie Dr. August Oetker sagt:„CSR hat die Nische der sozio-romanti-schen Philanthropie hinter sich gelas-sen.“ Es ist an der Zeit, damit Geld zuverdienen.

Regina Schmidt, Partner im CompetenceCenter Consumer Goods & Retail, und CarolinGriese-Michels, Principal im CompetenceCenter Marketing & Sales bei Roland BergerStrategy Consultants, München

Wer sich entschlossen hat, seingesellschaftliches Engagementals Investition in die Gesell-

schaft und damit auch in die Zukunftdes eigenen Unternehmens zu begreifen,muss auch seine Bildungs- und Kultur-förderung unter die Zielvorgabe stellen,„soziales Kapital“ zu schaffen. Dieswird zu einer Herausforderung für dasHerkömmliche, und zwar auf Seitensowohl der Förderer wie auch derGeförderten. Schließlich hatten sich bei-de über die Jahre im Guten eingerichtet.

Danach war schon viel erreicht,wenn der Geförderte sein Projekt weit-gehend umsetzen konnte und der För-dernde für sich ein starkes Narrativerhielt. Gelang beides – und dies gilt janoch immer –, war es in der Tat einErfolg, weil auch privates Geld bekannt-lich knapp ist und deshalb unzähligegute Initiativen ihre(n) Förderer nichtfinden. Und weil Unternehmen keines-wegs per se die Herausforderung anneh-men, ihre Förderprojekte aus ihrerMarkenidentität herzuleiten und sichanschließend dem Diskurs in der öffent-lichen Arena zu stellen.

Privates Engagement von Unterneh-men im Kulturbereich ist im bestenSinne Teil einer bürgerschaftlich ver-standenen Gesellschaft. Im deutschenKontext könnte sie zwar nicht an dieStelle der Finanzierung durch öffentli-che Haushalte treten. Angesichts knap-per öffentlicher Kassen ist allerdingsklar, dass viele innovative Vorhaben imBildungs- und Kultursektor ohne diefinanzielle Förderung durch Privatenicht realisiert würden. Das kulturelle

Engagement vieler Privater bemühtsich heute durchaus um eine mittel- bislangfristige Perspektive, statt sich in deroftmals populäreren Förderung vonEinzelprojekten zu erschöpfen – unddamit einem opportunistischen Projekt-zyklus den Vorzug zu geben. Eines derBeispiele nachhaltiger Kulturförderungim Rahmen der globalen Investitionenin das gesellschaftliche Engagement der

Deutschen Bank ist etwa die langjähri-ge Partnerschaft mit den Berliner Phil-harmonikern. Sie ist auch in denschwierigen Zeiten weiter ausgebautworden. So gelingt es beispielsweiseseit Jahren, mit dem Bildungsprojekt„Zukunft@BPhil“ Kinder und Jugendli-che unterschiedlicher Herkunft zu errei-chen und über die Welt der klassischenMusik für ein Self-Empowerment zubegeistern. Das jüngste Projekt dieserexklusiven Partnerschaft ist die soge-nannte „Digital Concert Hall“. Sieermöglicht, dass die Konzerte derBerliner Philharmoniker via Internet anjedem Ort der Welt und zu jeder Zeit inerstklassiger Bild- und Tonqualität emp-

fangen werden können. Beide Projektewären mit öffentlichen Mitteln nichtrealisiert worden.

Auch und gerade in Krisenzeiten istes erforderlich, gezielt in die Förderungvon Kunst und Kultur zu investieren.Die Auseinandersetzung mit künstleri-schem Schaffen fordert heraus undzwingt dazu, den eigenen Standpunktzu überprüfen und sich selbst zu positio-nieren. Kreativität ist die Quelle, aus derInnovation, Wachstum und Mehrwertentstehen. Eine Gesellschaft kann inKrisenzeiten auf all das nicht verzichten.

Christofer Habig, Leiter Markenkommunikati-on und Gesellschaftliches Engagement derDeutschen Bank, Frankfurt am Main

Konsumenten wollen ein sozial und ökologisch verantwortli-

ches Management und nehmen dafür nachweislich höhere

Preise in Kauf. Jetzt liegt es an den Unternehmen, Corporate

Responsibility in ihrer Strategie zu verankern.

Von REGINA SCHMIDT und CAROLIN GRIESE-MICHELS

Was Kunden wollen

Verantwortliches Handeln ist angesagt.Unternehmen müssen sich mehr denn jeihrer sozialen Verantwortung bewusst-werden. Doch braucht man dazu dieDiskussion zur Corporate Social Respon-sibility (CSR)? Würden Unternehmen,Unternehmer und Top-Manager im Sin-ne des österreichischen Ökonomen Jo-seph Alois Schumpeter handeln, wäreeine neue Etikette möglicherweise über-flüssig: Für ihn stand nicht der schnödeMammon allein im Blickfeld, sondernauch die Menschen und das großeGanze, für das man als Unternehmerverantwortlich war. Wird der BegriffCSR möglicherweise sogar missbraucht,um der Öffentlichkeit zu suggerieren,man würde sich sozial verantwortlichverhalten? Hat es überhaupt Auswirkun-gen auf das Kaufverhalten gegenüberMarken und Unternehmen? Oder kau-fen Konsumenten trotzdem weiter Pro-dukte von Nike, Nokia oder Lidl,obwohl diese in der Presse als sozialunverantwortlich hingestellt wurden?

Viele Unternhmen schmücken sichmit CSR: Im dritten „Good CompanyRanking“ (2009) des „manager magazin“landen BASF, RWE, Eon oder Bayerunter den Top Ten. Folgerichtig schie-ßen CSR-Aktivitäten wie Pilze aus demBoden: Das Krombacher-Regenwald-Projekt, der Brunnenbau in Äthiopienvon Volvic oder Impfungen gegen Teta-nus bei Neugeborenen von Pampersstellen nur einige Beispiele dar. Neunvon zehn deutschen Unternehmen mitüber 100.000 Euro Mindestumsatz jähr-lich zeigen laut einer Studie der Initiati-ve Neue Soziale Marktwirtschaft von2005 gesellschaftliches Engagement mitüber 10 Milliarden Euro Mitteleinsatz.Ebenso erlangt CSR in einer Vielzahlvon Veröffentlichungen als neues Wun-dermittel bei geringem MitteleinsatzRuhm und Ehre.

Doch genauso wie bei klassischerWerbung ist die tatsächliche Wirkungvon CSR-Maßnahmen zu hinterfragen.Denn die Forschungsergebnisse sindteilweise widersprüchlich. Wichtige Fra-gen lauten zum Beispiel: Wird auch nurein einziges Produkt einer Marke mehrverkauft, wenn diese sich CSR auf ihreeigenen Fahne schreibt? Oder ist CSRein Modetrend, den man zu eigenenZwecken instrumentalisiert?

Studien belegen, dass Konsumentengenerell CSR-Aktivitäten positiv bewer-ten, und diese positiv auf die Einstellungzum Unternehmen wirken. Allerdingsheißt dies noch lange nicht, dass es auchtatsächlich zum Kauf solcher Produkteführt. Auch nach Untersuchungen vonNan und Heo (2007) beeinflussen CSR-Aktivitäten die Beurteilung eines Unter-

nehmens, schlagen jedoch weniger starkauf dessen Produktmarken durch. Kun-den kaufen aber keine Unternehmens-marke, sie kaufen konkrete Produkte.

Damit CSR-Aktivitäten ihre volleWirkung entfalten können, muss eineReihe von Einflussgrößen berücksich-tigt werden. Zentral ist zum Beispiel dieFrage, inwiefern die Maßnahme zurMarke sowie zum Kerngeschäft desUnternehmens passt. Des Weiteren istdie Einstellung des Konsumenten zurCSR-Maßnahme wichtig sowie die Artder Informationsquelle, die über dieMaßnahme berichtet.

Grundsätzlich gilt: Die positive Wir-kung ist umso größer, je besser dieCSR-Aktivität zur Marke passt. Insofernsollte diese die Markenidentität wider-spiegeln und in die Markenpositionie-rung integriert werden. Hier bieten sichdrei Optionen an. Erstens: Die Markeni-dentität ist untrennbar mit CSR-Aktivitä-ten verknüpft. Dies war das Erfolgsge-heimnis der verstorbenen Anita Roddickals Gründerin von Body Shop. Zweitens:Die CSR-Aktivitäten sind eine Ergän-zung zur Markenidentität, wie bei Krom-bacher oder Volvic. Drittens: CSR-Akti-vitäten sind aus Markensicht nicht erfor-derlich. Letzteres heißt allerdings nochlange nicht, dass ein Unternehmen miteiner solchen Marke sich nicht seinersozialen Verantwortung bewusst ist undnicht verantwortlich handelt.

In Bezug auf das Kerngeschäft desUnternehmens muss der Verbrauchereine logische Verbindung zur CSR-Maß-nahme nachvollziehen können und inseiner inneren Überzeugung bestärktwerden. Auch hier stellt sich die provo-kante Frage, ob das Regenwaldprojektvon Krombacher deshalb erfolgreichwar, weil die Einstellung zu dem sozia-len Engagement hoch war oder weil dieKäufer besser zu Hause argumentierenkonnten, weshalb sie mehr Kästen ge-kauft hatten. Zudem sollte die Informati-on über die CSR-Aktivität möglichstvon einer neutralen Quelle an denKonsumenten herangetragen werden.Denn wird ein Unternehmen in dereigenen Werbung als besonders verant-wortlich dargestellt, kann dies unglaub-würdig erscheinen.

Bei aller Euphorie sollte stets diejeweilige CSR-Aktivität im Gesamtkon-text der Markenidentität und der darausabgeleiteten Markenstrategie betrachtetwerden. Denn nur wenn eine Maßnah-me auch die Markenidentität widerspie-gelt und die Markenpositionierung un-terstützt sowie die jeweiligen Einfluss-größen bedacht werden, können sich diepositiven Wirkungen entfalten. CSR istsomit kein Wundermittel, man sollte esallerdings auch nicht aus Publicity As-pekten missbrauchen. Dann wäre esbesser, im Stillen als Unternehmenseiner Gesamtverantwortung gerecht zuwerden.

Prof. Dr. Franz-Rudolf Esch, Direktor des In-stituts für Marken- und Kommunikationsfor-schung Justus-Liebig-Universität Gießen undDipl.-Kfm. Christian Brunner, wissenschaftli-cher Mitarbeiter am selben Institut

Die öffentlichen Kassen sind bekanntlich klamm. Das

bedeutet: Ohne die finanzielle Förderung durch Private

würden viele Bildungs- und Kulturangebote nicht realisiert.Von CHRISTOFER HABIG

Soziales Kapital schaffenSTANDPUNKT

Kein Wundermittel

Kritischer Blick: Immer mehr Menschen wollenverantwortungsbewusst konsumieren.

Ganz nah dran: Im Rahmen des Projektes „Zukunft@BPhil“ begeistern Musiker der Berliner Philharmoniker Kinder und Jugendliche für klassische Musik.

IMPRESSUM

CSR – Unternehmen,Gesellschaft, Verantwortung

VerlagsbeilageFrankfurter Allgemeine Zeitung

© Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH,Hellerhofstraße 2-4,60327 Frankfurt am Main, 2009

Verantwortlich für den redaktionellen Inhalt:Sarah Bautz (saba),F.A.Z.-Institut für Management-,Markt- und Medieninformationen GmbH,Mainzer Landstraße 199,60326 Frankfurt am Main

Verantwortlich für Anzeigen:Andreas Formen (Verlagsgeschäftsführer);für Anzeigenproduktion: Stephan Puls

Weitere Detailangaben siehe Politik, Seite 4

Verwendete Fotos: iStockphoto.com (S. 1, 3,4, 6); Fotolia (S. 2, 3, 4); Peter Adamik/Berliner Philharmoniker (S. 2); TÜV Kids (S. 6);Das erste Buch (S. 6); Freudenberg (S. 6)

CSR ist in aller Munde.

Grund genug, das Phänomen

einmal kritisch zu hinter-

fragen.

Von FRANZ-RUDOLF ESCH und

CHRISTIAN BRUNNER

SEITE B2 Mittwoch, 10. Juni 2009, Nummer 132 Verlagsbeilage Frankfurter Allgemeine ZeitungUNTERNEHMEN, GESELLSCHAFT, VERANTWORTUNG

Page 3: CSR Beilage Aus Der Frankfurter Allgemeine Zeitung Vom 10 Juni 2009l

In vielen Unternehmen ist ein Wohltätig-keitsdschungel gewachsen. Ein wildesSammelsurium von kleinen bis großensozialen Engagements, von denen nie-mand mehr so richtig weiß, weshalbman gerade die eingegangen ist, ob sieerfolgreich sind, ob sie noch nötig sind,ob das eigene Unternehmen der geeigne-te Förderer ist. Sehr häufig entstehensoziale Sponsorships oder Förderungenaus Momentlaunen der Unternehmens-leitung. Da werden plötzlich Künstlergefördert, nur weil die Vorstandsgattinsie so mag. Dabei gibt es klare Kriterienfür die Auswahl von besonders geeigne-ten Engagements. Und es gibt klareKriterien für die Evaluation.

Das Problem mit der CSR-Strategiein vielen Unternehmen: Es gibt keineStrategie. Engagements werden mehroder minder zufällig oder willkürlicheingegangen. Eine strategische Auswahlund ein Vergleich von Projekten bezüg-lich ihrer Eignung und – ja, auch imsozialen Bereich – Performance kann sonicht stattfinden. Die Folgen sind Wild-wuchs und ein unklarer Beitrag zurWertschöpfung. Im Unternehmen ent-steht der Eindruck „Das kostet nur“und die Anspruchsgruppen denken„Die tun doch nichts!“.

Die Lösung: Die Verbindung von Herzund Zahlen. Jedes Projekt, das eineHerzenssache des Unternehmens wer-den soll, sollte von einer Gruppe (!) vonVerantwortlichen bewertet werden: In-wieweit erfüllt es die Auswahlkriterien?Wie schneidet es im Vergleich zu ande-ren bewerteten Projekten ab? Wieschätzt man das Wertschöpfungspotenti-al ein? Das Festlegen der Kriterien fürAuswahl und Evaluation führt ganzautomatisch zur Definition der CSR-Strategie. Denn es erfordert die Beant-wortung der Fragen „Was wollen wirerreichen?“ (Ziel), „Weshalb wollen wirdas?“ (Zweck), „Wie gehen wir vor?“(Weg), „Was setzen wir ein?“ (Mittel).

Natürlich „tickt“ jedes Unternehmenanders. So wird es zum Beispiel demeinen besonders wichtig sein, der größteoder einzige Förderer zu sein. Einanderes legt besonderen Wert darauf,dass die Förderung im unmittelbarenUmfeld ansetzt. Dennoch geben zehnPrinzipien und die sich daraus ergeben-den Fragen (siehe Kasten) in unterschied-licher Gewichtung gute Anhaltspunkte.

Die Fragen sind dabei häufig nichtmit einem klaren Ja oder Nein zubeantworten. Doch aus der Einschät-zung des Erfüllungsgrades ergibt sicheine einfache Grafik, die die Entschei-dungsfindung erleichtert. Diese systema-tische Bewertung führt zur Auswahlstrategisch sinnvoller Projekte. Sie sollteturnusgemäß wiederholt werden, umVeränderungen und Erfahrungen Rech-nung zu tragen. Gegebenenfalls kanndas natürlich auch zur Neugewichtungoder Aufgabe von Engagements führen.

Schon bei der Auswahl von Projek-ten sollte deren Wertschöpfungspotenti-al eingeschätzt werden. Im Laufe derUmsetzung kann dann der tatsächlicheBeitrag gemessen werden. Hilfreich sindfünf Kriterien: Differenzierung, Rele-vanz, Ertragspotential, Bekanntheit,Kongruenz. Häufig bietet es sich beigroßen und langfristigen Engagementsan, die bestehende Marktforschung um

entsprechende Abfragen zu ergänzen.Als harte Nuss wird sich dabei in derRegel die Bestimmung des Ertragspoten-tials erweisen. Nur in Ausnahmefällenwird klar festzustellen sein, welchesErtragspotential ein Engagement in wel-chem Maße zu erschließen hilft. EineSchätzung ist dennoch allemal sinnvoll.

Ist dann Schluss mit dem Vor-stands(gattinnen)-Vorlieben-Gefördere?Nicht zwangsläufig. Aber die geförderteVorliebe passt dann zur Strategie. Unddas ist schließlich optimal.

Stephan Hoursch, Managing Partner beiKlenk & Hoursch, Frankfurt am Main

Kurz vor der Veröffentlichung derErgebnisse des Banken-Stresstests sagteMatthew Kiernan, Experte für nachhalti-ge Anlagen, in einem Fernsehinterviewdes CNBC, dass diese Tests keinerleiInformationen über die nachhaltigenRisiken bei den untersuchten Bankenlieferten. Überraschend war dabei weni-ger seine Aussage als die Tatsache, dasseinem Sustainability-Verfechter von ei-nem renommierten Wirtschaftssenderfünf Minuten Sendezeit eingeräumt wur-den. Denn obwohl schon Ende 2005rund 380 Investmentgesellschaften die„United Nations Principles for Respon-sible Investments“ (Prinzipien der Ver-einten Nationen für verantwortungsvol-le Investitionen) unterschrieben hatten,fristeten nachhaltige Anlagen unverän-dert ein Schattendasein. Sie hatten gegenden Ruf zu kämpfen, in jeder Hinsichtzu grün zu sein.

Heute überlegen nicht nur die fünfProzent der Anleger, die aus ethischenGründen nachhaltig investieren, son-dern auch die restlichen 95 Prozent, obNachhaltigkeitskriterien ihnen dabei hel-fen können, ihre Rendite zu maximie-ren. Plötzlich investieren große Bankenwie Goldman Sachs und JP Morganmassiv in Nischenmärkte wie „SaubereTechnologie“. Noch bemerkenswerterist, dass institutionelle Anleger künftigUmwelt- und Sozialfaktoren systema-tisch in die Finanzanalyse integrierenwollen und dementsprechend einen Teilihres Research-Budgets umleiten.

Die Aussagekraft von Finanzanaly-sen für langfristige Anlagen verbessernwill auch das 2004 gegründete, interna-tionale Kooperationsprojekt „EnhancedAnalytics Initiative“, insbesondere hin-sichtlich sogenannter „extra-financial-is-sues“. Dies sind fundamentale Faktoren,die nicht Teil einer traditionellen Analy-se sind, aber dennoch erheblichen Ein-fluss auf die finanzielle Entwicklungoder das Ansehen eines Unternehmenshaben können.

Diese Faktoren haben folgende Ge-meinsamkeiten: Sie sind, wie beispiels-weise Corporate Governance, oft nicht

konkret bezifferbar. Als meist externeEffekte können sie zudem nur schwermit Marktmechanismen erfasst werden.Außerdem beziehen sie sich auf alleGlieder der Wertschöpfungskette undstehen häufig im Interesse der Öffent-lichkeit. Zu guter Letzt haben sie einenmittleren bis langen Zeithorizont sowieeinen engen Bezug zu Politikund Regierungsbehörden.

Auch das CFA Institute,ein weltweiter Berufsver-band für Finanzexper-ten, befürwortet diesystematische Ein-beziehung dieser„ESG-Faktoren“(Environment,Social, Gover-nance) in dieFinanzanaly-se. Danachsollte einAnlegerd i e U m -welt-, sozia-len und Cor-porate Gover-nance-Fakto-ren aus vierverschiedenenBlickwinkelnbetrachten: ge-setzliche Rah-menbedingungen,rechtliche Aspekte, Re-putationsmanagement undoperatives Geschäft.

Eine Änderung der gesetzlichenRegelungen hat oft erheblichen Ein-fluss auf die wirtschaftliche Situationeines Unternehmens und kann sowohlein Risiko als auch eine Chance darstel-len. Unternehmen, die neue Branchen-standards früh- und vorzeitig anneh-men, verschaffen sich häufig nationalwie international einen Wettbewerbs-vorsprung. Bei jedem Investment soll-ten zudem die rechtlichen Risikengeprüft und in die Anlageentscheidungeinbezogen werden. Vielen Käufernvon Zertifikaten und an Börsen gehan-

delten Anleihen wurde erst nach demBankrott von Lehman Brothers be-wusst, dass sie ein großes Risikoeingegangen waren.

Ein wirkungsvolles Reputationsmana-gement hilft, potentielle Risiken für denMarkenwert, die Marktanteile und dieöffentliche Wahrnehmung von Unter-nehmen frühzeitig zu erkennen undbereits im Vorfeld entsprechende Vor-sichtsmaßnahmen zu treffen. Auf dieseWeise wäre beispielsweise auch die Bahnnicht von der öffentlichen Empörungüber ihre Mitarbeiterbespitzelung über-rascht worden.

Besonders gravierend wirkensich ESG-Risiken im operati-

ven Geschäft aus. Wenndiese ignoriert werden,

steht oft die Existenzeinzelner Pro-duktreihen oder

sogar des gesam-ten Betriebs auf

dem Spiel. Unter-nehmen, die ihre ei-gene Zukunft dahin

gehend untersuchen,welcher Art dieseRisiken sind und

wie stark derenEinfluss schlimms-

tenfalls sein könnte,sind besser auf den

Not-fall vorbe-reitet. EinwarnendesBeispiel: Noch vor 18Monaten hätte es niemand für möglichgehalten, dass die Insolvenz einerrenommierten Investmentbank derAuslöser für ein Beben wird, das diegesamte Industrie und ganze Staatenerfasst.

Dr. Iris Uhlmann, Chartered Financial Analyst(CFA) und Vorstandsmitglied der German CFASociety, Frankfurt am Main

Die Bedeutung des Faktors Bildungist mittlerweile auf allen Ebenenunserer Gesellschaft angekom-

men. Entsprechend stehen immer mehrauch die Zukunftsfähigkeit und Qualitätunserer staatlichen Bildungseinrich-tungen auf der Agenda. Hierbei werdenForderungen nach Budget-Verantwor-tung mit professionellerem Managementund Marketing vor Ort immer lauter –und zwar vom Kindergarten bis zurHochschule. Ein wesentliches prozess-begleitendes Element kann dabei dieZusammenarbeit mit Unternehmen, Ver-bänden und Initiativen sein. Damit istweniger ein Ausbau der Schul-Sponso-ring-Ansätzen der letzten Jahre gemeint,sondern die Erprobung und nachhaltigeEtablierung von CSR-Projekten fürBildungseinrichtungen.Die Kultusministerien der Länder ratenSchulen bereits seit längerem zur engenAbstimmung mit Unternehmen, um diedrohende Polarisierung der Schulen in„First Class“ und „Holzklasse“ zuverhindern. An dieser Stelle seien nach-drücklich erfolgreiche Vorläufer für pro-fessionelle CSR-Ansätze genannt, wie

zum Beispiel Safer Skating (K2/ AOK),Bildungsinitiative Networking (Cisco),Mobiles Lernen (Hewlett-Packard/Intel)sowie pädagogische Förderprojekte derStiftung Lesen, der Hertie-Stiftung undder Vodafone-Stiftung. Diese Schnell-übersicht in Sachen Entwicklungen desSchulsponsorings in Deutschland magausreichen, um die Komplexität desThemas zu kennzeichnen.

Die Chancen stehen besser denn je,jetzt mehr CSR für Deutschlands Bil-dung zu denken sowie regional undzielgruppenspezifisch zu etablieren.Doch worum könnte es in Zukunft indiesem Zusammenhang noch gehen,wenn zum Beispiel professionelleresSchul-Management von den Akteurenvor Ort erwartet wird? Nimmt man dasgesteigerte Interesse von Unternehmenernst, die Unternehmenskommunikati-on und Imageförderung in Politik undGesellschaft über CSR oder „CorporateCitizenship“ auf- und auszubauen, sowäre dies auch ein neuer Gestaltungs-und Handlungsansatz für Unternehmengemeinsam mit den Bildungsakteurenauf Länder- und Regionalebene.

Selbst Werbekampagnen für Consumer-Produkte orientieren sich neuerdingsimmer mehr an gesellschaftlichen, fami-liären oder „grünen“ Bezügen. Jetzt giltes, diesen inhaltlichen Trend für dieEtablierung von CSR-Bildungskampa-gnen im engen Dialog zwischen Schulenund privaten Kampagnenförderern auf-zugreifen. Nur so könnte endlich dierecht „einfach gestrickte“ Produktwer-bung, zum Beispiel via kostenlose Schul-hefte für Grundschüler, schneller alsvermutet als „Werbe-Flops“ zu denAkten gelegt werden.

Bildung vollzieht derzeit einen star-ken Image- und Marktwandel inDeutschland. Auf dem Weg zur mobi-len, vernetzten Bildungsgesellschaft des21. Jahrhunderts liegt ein gewaltigesCSR-Potential für Kampagnen und Pro-jekte von Unternehmen in der Zusam-menarbeit mit den Schulen der Zukunft.So ist etwa bis 2015 eine Erhöhung derAusgaben für Bildung und Forschungdes Bundes und der Länder auf 10Prozent des Bruttoinlandsproduktes an-gepeilt – geradezu eine Steilvorlage fürmehr inhaltliche Zusammenarbeit zwi-schen Schulen und Unternehmen.

Doch bei aller Euphorie ist auchVorsicht geboten. Denn ohne inhaltli-cher Qualität und Nachhaltigkeit kannjede CSR-Architektur schnell ins Wan-ken geraten. Nur in Verbindung mitpädagogischen Zielen, attraktiven Inhal-ten, maßgeschneiderten Kommunikati-ons- und Evaluierungsinstrumenten ent-stehen nachhaltige Innovationsimpulsefür Bildungseinrichtungen. Die Kraftvon Corporate Social Responsibilty istaufgrund des gesellschaftlichen Werte-wandels, der Bildungsreformen und derdemografischen Herausforderungen ge-rade jetzt, in Zeiten der Wirtschafts-und Finanzkrise, intensiver zu nutzen.

Rolf Miller, Agenturgründer und Geschäftsfüh-render Gesellschafter, PP:AGENDA GmbH,Frankfurt am Main

EVALUATIONSKRITERIENFÜR CSR-ENGAGEMENTS

Differenzierung: Wie sehr kann sich das Un-ternehmen damit vom Wettbewerb abheben?

Relevanz: Wie „heiß“ ist das Anliegen für dieZielgruppen?

Reichweite/Bekanntheit: Wie viele Menschenerreicht es? Wie bekannt ist das Engagement?

Ertragspotenzial: In welchem Maß hilft dasEngagement Ertragspotentiale zu erschließen?

Kongruenz/Markensympathie: Wie gut passtder Einsatz zur Marke? Wie sehr fördert er dieMarkensympathie?

ZEHN PRINZIPIEN GUTEN HANDELS

• Complianceprinzip: Steht das Projekt imEinklang mit den gesetzlichen Bestimmun-gen und den Corporate Governance-Regelndes Unternehmens?

• Werteprinzip: Ist das Projekt mit denMarkenattributen und Werten vereinbar undfördert es deren Wahrnehmung?

• Gegenseitigkeitsprinzip: Wurde für dasProjekt eine konkrete Gegenleistung verein-bart (zum Beispiel Logopräsenz bei einemvertrieblich orientierten Sponsoring oder eingleichgerichteter Einsatz weiterer Projekt-partner bei gemeinnützigen Zuwendungen)?

• Regionalprinzip: Stärkt das Engagementdie Verbundenheit mit dem unmittelbarenUmfeld?

• Evaluationsprinzip: Ist der Erfolg bzw. derNutzen für die Geförderten und das Unter-nehmen messbar?

• Verbundenheitsprinzip: Erhöht der Einsatzbei den Anspruchsguppen (Stakeholders)die Sympathie für und Bindung an das Unter-nehmen?

• Exklusivitätsprinzip: Ist bei dem ProjektBranchenexklusivität gewährleistet? Ist dasUnternehmen „einer von vielen“ Förderern?

• Nutzenprinzip: Stiftet das Projekt für dieGeförderten einen klaren Zusatznutzen(macht es etwas möglich, was sonst nichtmöglich ist, oder erhält es etwas, was an-sonsten verloren zu gehen droht)?

• Sozialprinzip: Steigert das Projekt diesoziale Akzeptanz des Unternehmens? Stärktes die Einbindung in das gesellschaftlicheUmfeld und dessen Entscheidungsprozesse?

• Nachhaltigkeitsprinzip: Schöpft das Enga-gement Werte, die über den Projektzeitraumund über den vertrieblichen Nutzen hinauswirken?

CSR boomt. Entsprechend unübersichtlich ist mancherorts

die Gemengelage. Man sollte jedoch im Blick behalten: Die

Auswahl und Evaluation von sozialen Unternehmensengage-

ments ist und bleibt eine strategische Frage.

Von STEPHAN HOURSCH

Auf dem Weg zur Bildungsge-

sellschaft könnte auch CSR

eine wichtige Rolle spielen –

als strategischer Innovations-

impuls für die Schulen der

Zukunft.Von ROLF MILLER

Ein neuer Trend setzt sich an der Wallstreet durch:

Nachhaltigkeitskriterien spielen eine immer größere Rolle

bei Anlagen, mit denen die Rendite maximiert werden soll.

Von IRIS UHLMANN

. . . darf es gerne auch ein bisschen mehr sein: zum Beispiel der Computerzugang für jedes Kind.

Grundausstattung: Eine Tafel gehört in jedes Klassenzimmer. In der Schule der Zukunft allerdings . . .

Der grüne Daumen fürs Geschäft:Erfolg dank nachhaltiger Anlagen

Wider das Chaos

Schulemachen

Grüne Gewinne

Verlagsbeilage Frankfurter Allgemeine Zeitung Mittwoch, 10. Juni 2009, Nummer 132 Seite B3UNTERNEHMEN, GESELLSCHAFT, VERANTWORTUNG

Page 4: CSR Beilage Aus Der Frankfurter Allgemeine Zeitung Vom 10 Juni 2009l

Nach Angaben des Deutschen Institutsfür Wirtschaftsforschung (DIW) fehlenschon bis 2015 sieben Millionen qualifi-zierte Arbeitskräfte in Deutschland.Auch der aktuelle Konjunktureinbruchverschafft allenfalls eine Verschnaufpau-se. Führungskräfte müssen sich fragen,wie sie angesichts dieser Entwicklungenzukünftig Fachkräfte für ihre Unterneh-men gewinnen können. Viele setzen aufdie Rekrutierung und die Bindung vonFrauen und älteren Beschäftigten sowieauf familienfreundliche Angebote.

Aber auch die Gesundheit von Ar-beitnehmern wird als Schlüsselressourcewettbewerbsfähiger Unternehmen zu-nehmend anerkannt. Nach einer Studieder Unternehmensberatung Mercer istdas betriebliche Gesundheitsmanage-ment in europäischen Unternehmen aufdem Vormarsch: Schon 2007 stiegen dieAusgaben hierfür in Europa um durch-schnittlich fünf Prozent pro Mitarbeiter.Die meisten Firmen rechnen in denkommenden Jahren aufgrund des demo-grafischen Wandels und der älter wer-denden Belegschaften mit einem weite-ren Anstieg ihrer Gesundheitsausgaben.

Trotz höherer Investitionen der Un-ternehmen in die Mitarbeitergesundheitsind umfassende Präventionsmaßnah-men jenseits des gesetzlichen Arbeits-schutzes und ein gesundes Betriebskli-ma nicht überall Realität. Denn nurwenige Unternehmen verstehen betrieb-liches Gesundheitsmanagement und dieSchaffung einer Unternehmenskultur,die die Gesundheit der Mitarbeiterfördert, als Managementaufgabe. Nachden aktuellen Daten der Gesundheitsex-perten von Skolamed, führen lediglich13 Prozent der deutschen UnternehmenManager-Seminare durch, die sich miteinem gesunden Führungsstil beschäfti-gen. Dabei sind Führungskräfte in ho-hem Maße mitverantwortlich für dieLeistungsfähigkeit, die Fehlzeiten unddie Motivation der Mitarbeiter.

Gesundheitsmanagement ist sehrkomplex und kann von Vorsorgeuntersu-chungen über Führungskräftechecks bishin zu einer Gesundheitsmesse reichen.Gefordert ist ein ganzheitlicher Ansatz,

der sowohl die Arbeitsumgebung und-organisation als auch das Wohlbefindenaller Beschäftigten einbezieht. Ein nach-haltiges Gesamtkonzept, das flexibel aufVeränderungen der Mitarbeiterbedürf-nisse reagiert, bringt mehr als Einzel-maßnahmen. Auch die Vernetzung mitexternen Stellen wie Krankenkassen,

Kliniken oder Sportvereinen hat sich invielen Unternehmen bewährt.

Bei persönlichen und beruflichenProblemsituationen bieten beispielswei-se externe Mitarbeiterberatungen fach-kundige Unterstützung auf vertraulicherBasis an. Gerade mit psychischen Belas-tungen der Beschäftigten müssen sichUnternehmen angesichts der technologi-schen Entwicklungen, neuen Herausfor-derungen und zunehmender Mobilität

immer stärker beschäftigen. Aber auchder Lebensstil rückt in den Fokus, dennErnährung und Bewegung stellen dieWeichen für die Gesundheit. Aufgrundder sinkenden staatlichen Angebote kön-nen betriebliche Gesundheitsleistungenhier einen besonderen Mehrwert fürMitarbeiter bieten.

Zu einer gesundheitsfördernden Un-ternehmenskultur gehören auch eineoffene Kommunikation und der ständi-ge Austausch mit den Beschäftigten.Informationen über die bestehendenMaßnahmen sind ebenso wichtig wiedas Feedback und die Wünsche derMitarbeiter. Leichte Zugänglichkeit undein vertraulicher Umgang mit medizini-

schen Befunden und persönlichen Pro-blemen sind Voraussetzung für jeglichenErfolg. Gesundheit ist ein sensibles undpersönliches Thema und fordert vonUnternehmen viel Sorgfalt und beherz-tes Engagement. Nur das schafft Glaub-würdigkeit und Vertrauen, ohne diejegliche Bemühungen für die Mitarbei-tergesundheit nicht greifen.

Peter Scarborough, Mitglied der Konzernlei-tung SCHOTT AG, Mainz

Für viele Arbeitnehmer zeigt sich jedenMorgen das gleiche Bild: Am Arbeits-platz stapeln sich immer mehr dringen-de Aufgaben, die erledigt werden müs-sen, und dennoch wälzt der KopfProbleme ganz anderer Natur. Asthma,Migräne, Depressionen oder Angstzu-stände, Konflikte am und Sorgen um

den Arbeitsplatz oder private Problemewie Scheidung oder Überschuldung etc.– all dies sind Problematiken, dieBeschäftigte stark belasten, sie abernicht davon abhalten, täglich am Arbeits-platz zu erscheinen. Die Folge: Produkti-vitätseinbußen, die für Arbeitgeber ei-nen beträchtlichen Kostenfaktor darstel-len, und Motivationskrisen der betroffe-nen Arbeitnehmer. Die Arbeit wird zurQual.

Die Probleme häufen sich: Entlassun-gen, Kurzarbeit und steigende Arbeitslo-sigkeit sind als Folge der Finanz- undweltweiten Wirtschaftskrise zu einerbedrohlichen Realität geworden. Warenfrüher Arbeitsplätze zum Beispiel inGroßunternehmen sicher, sind sie esheute nicht mehr. Wenn Angestelltetrotz Krankheit, Sorge oder sonstigerprivater Überbelastung zur Arbeit ge-hen, bezeichnet man das als „Präsentis-mus“.

Viele der Faktoren, die zu Präsentis-mus führen können, scheinen auf denersten Blick eher harmlos zu sein.Häufig fällt es der Umgebung gar nichtauf, dass der Kollege oder die Kolleginbelastenden Lebensumständen oder Lei-den ausgesetzt ist. Hinzu kommt: Auchdas Gespräch mit dem Vorgesetztenoder den Arbeitskollegen wird vonBetroffenen oft nicht gesucht. Denn siehaben Angst vor einem möglichen Stel-lenverlust, möchten Aufgaben terminge-recht beenden oder sich solidarischgegenüber ihren Kollegen verhalten.Gerade in Krisenzeiten stellen Unterneh-men fest, dass Abwesenheiten immermehr zurückgehen. Mit allen Mittelnversuchen die Mitarbeiter, nicht auf eineeventuelle „schwarze Liste“ zu kom-men. Denn wer fehlt, fällt eher negativauf als jemand, der im Büro sitzt undnicht arbeitet.

Trotz Kankheit im BüroSeit 1980 ist der Krankenstand indeutschen Unternehmen von 5,5 auf 3,3Prozent gesunken. Das ist der historischniedrigste Stand überhaupt. SindDeutschlands Beschäftigte also so ge-sund wie nie? Die Antwort lautet nein.Der bei Unternehmen verbreitete Blickauf die Anwesenheitsquoten hat demPräsentismus den nötigen Nährbodengegeben.

Den Unternehmen entstehen heutedurch Präsentismus beträchtliche Kos-ten, die in die Milliarden gehen dürften.Statistische Untersuchungen z. B. derEmployers Health Coalition of Tampa,Florida, wiesen schon 1999 darauf hin,

dass Präsentismus einen Produktivitäts-verlust herbeiführt, der 7,5 Mal höher istals der von Fehlzeiten. Er kostet dieArbeitgeber zwei- bis dreimal so vielwie die medizinische Behandlung desbetroffenen Mitarbeiters, die von denUnternehmen in Form von Versiche-rungsprämien oder Ansprüchen gezahltwird. Diese Erkenntnis rückt zuneh-mend auch in das Augenmerk deutscherUnternehmen.

Unternehmen in England und denUSA haben, um das Problem Präsentis-mus in den Griff zu bekommen, schonvor Jahren sogenannte EAPs (EmployeeAssistance Programs) eingeführt. Diesewerden von externen, unabhängigenDienstleistern mit speziell geschultemPersonal angeboten. Betroffene Mitarbei-ter sowie deren im gleichen Haushaltlebende Familienangehörigen könnensich anonym 24 Stunden täglich anspezielle Beratungsstellen wenden. Siestehen den Betroffenen für alle arbeitsbe-zogenen, persönlichen, emotionalen undsachlichen Fragen und Probleme telefo-nisch zur Verfügung.

Professionelle AnsprechpartnerBei psychischen Erkrankungen sowieschweren familiären oder persönlichenProblemen wird darüber hinaus aucheine persönliche Betreuung ermöglicht.Hierfür stehen approbierte psychologi-sche Psychotherapeuten mit langjährigerpraktischer Erfahrung zur Verfügung,die den sorgengeplagten Mitarbeiternden persönlichen Austausch in ihrenRäumlichkeiten anbieten. Die Kostenfür die Nutzung des EAP fallen hierbeinicht auf den Arbeitnehmer zurück,sondern werden vom jeweiligen Unter-nehmen per monatlichem Mitarbeiter-pauschalbetrag, der je nach Größe desUnternehmens zwischen 3 und 5 Euroliegt, übernommen.

Im angloamerikanischen Raum bie-ten rund 95 Prozent der Fortune-500-Unternehmen einen derartigen Bera-tungsservice für ihre Mitarbeiter an.Und auch deutsche Unternehmen sprin-gen nun auf den Zug auf und investierenverstärkt in EAPs. Denn in den Unter-nehmensspitzen wächst die Erkenntnis,dass man dem stetig wachsenden Druckam Arbeitsplatz entgegenwirken mussund so die Einbußen durch Präsentis-mus minimieren kann.

Dr. Stefan Boëthius, Geschäftsführer der ICASDeutschland GmbH, Frankfurt

Die Beispiele sind vielfältig: Beieinem internationalen Konzernspendeten die Mitarbeiter zum

Firmenjubiläum weltweit eine MillionStunden ihrer Zeit für soziale Projekte,bei einem anderen Unternehmen bauenAngestellte Holzhäuser für Kindergärten,ein drittes schickt Führungskräfte zueinem einjährigen Austausch in eine Um-weltorganisation. Corporate Citizenship,jenes Teilgebiet von CSR, in dem sichUnternehmen daranmachen, zu (guten)Bürgern zu werden, tritt oft in Form desCorporate Volunteering auf, des ehrenamt-lichen Engagements der Arbeitnehmer indiversen Projekten gemeinnütziger Artaußerhalb ihres Arbeitsplatzes.

Der Beitrag, den das Unternehmendabei leistet, variiert. Zunächst wird

damit eine intelligente Alternative zumtraditionellen Spendenwesen aufgebaut,wie zum Beispiel mit Programmen, dieden Beschäftigten die Möglichkeit ge-ben, den Arbeitsplatz zu verlassen undsich für ebendiese Zeit außer Haus zuengagieren. Manche Unternehmen set-zen dabei thematische Schwerpunkteund stellen bei Bedarf den Kontakt zuden Partnereinrichtungen her, anderelassen ihren Mitarbeitern gänzlich freieHand in der Frage, wo sie sich engagie-ren: sei es als Laienschauspieler, in derAusbildung von Rettungshunden, imSportverein oder in anderen sozialenInitiativen.

Andere Formen des Corporate Volun-teering sind zentral organisiert: Im Rah-men von Aktiv- oder Aktionstagen verlas-

sen die Mitarbeiter das gewohnte Tätig-keitsfeld und helfen bei der Renovierungeines Kindergartens, bei der Reinigungeines Parks oder beim Umzug einerHilfseinrichtung. Führungskräfte stellenihre Kompetenz zeitweise als Mentorenunterstützungswürdigen Personen oderEinrichtungen zur Verfügung.

Image- und Reputationspflege sindzumeist die Treiber hinter Corporate-Volunteering-Programmen. Als ein Er-satz für die Etablierung einer konsisten-ten CSR-Strategie aus dem Kerngeschäftheraus sind sie allerdings nicht zubegreifen. Eine solche Strategie wirdaber von den Mitarbeitern und derAußenwelt in eigener Erfahrung nach-vollzogen, wenn es dem Unternehmengelingt, passende Einsatzfelder außer-

halb des Firmengeländes zu entwickeln.Die Mitarbeiter sind die denkbar bestenBotschafter und drücken die Selbstver-pflichtung des Unternehmens meistglaubwürdiger aus, als dies Nachhaltig-keitsberichte oder Firmenhomepagesvermögen.

Doch Volunteering steht nicht nurim Dienst der Unternehmensreputati-on, wichtiger wird inzwischen derNutzen im Bereich der Personalentwick-lung eingeschätzt. Es gilt als erwiesen,dass bestimmte Kompetenzen in klassi-schen Lehrsituationen nur schwer zuvermitteln sind. Statt von „soft skills“spricht man immer häufiger von Schlüs-selqualifikationen: Teamfähigkeit, Flexi-bilität, Selbsthinterfragung, Sensibilitätfür die emotionalen Komponenten ei-ner Situation, Improvisationsfähigkeit,Frustrationstoleranz lassen sich nicht ineinem Klassenraum erlernen. Weil sieaber dennoch handfesten Einfluss aufviele wichtige Geschäftsprozesse neh-men, haben manche US-Unternehmenbereits Extra-Anreizsysteme („dollarsfor doers“) für ihre Volunteers ent-wickelt.

Insbesondere längerfristige „Engage-ments“, die Mitarbeiter in geographi-sche, entwicklungspolitische oder psy-chische Extremsituationen bringen, wer-den von vielen Firmen explizit zurSchulung von Führungskräften einge-setzt. Das Zusammenspiel von Corpo-rate Volunteering als Instrument sowohlder Außendarstellung als auch der Perso-nalentwicklung birgt folgerichtig aucherhebliches Potential für den Wettlaufum die besten Köpfe, also für dasRecruitment. Junge, gut ausgebildeteMenschen stellen immer stärker auchimmaterielle Ansprüche an den poten-ziellen Arbeitgeber. Hier können dieemotionalen und moralischen Kompo-nenten des Dienstes an der Gesellschaftden positiven Ausschlag geben.

Dies sollten vor allem auch kleinereund mittlere Unternehmen beherzigen,die am meisten unter dem demographi-schen Wandel leiden und dennoch Cor-porate-Volunteering-Aktivitäten oft nurwillkürlich oder halbherzig aufbauen.Neben den positiven Außenwirkungenauf das potentielle Personal ist es vorallem auch eine große Chance zur

Beziehungsgestaltung zwischen Unter-nehmen und Standort, die ihnen attrak-tiv erscheinen muss.

Als Kind der amerikanischen Bürger-gesellschaft leidet Corporate Voluntee-ring unter einigen Reisekrankheiten. Esdarf bezweifelt werden, dass das selbst-verständliche Zusammenspiel aus Prag-matismus und Idealismus amerikani-scher Prägung hierzulande in naherZukunft etabliert werden kann. Mit derrichtigen Mischung aus strategischerPlanung und Förderung des bereitsBestehenden, einem Blick fürs Langfristi-ge und einer ausreichend großen Vielfaltan Angeboten dürfte das Instrument desCorporate Volunteering aber auch hier-zulande zu einem wichtigen Pfeilernicht nur der CSR-Strategie, sondernauch des bürgerschaftlichen Gedankensallgemein werden.

Christiane Stöhr, Business Director, Scholz &Friends Reputation, Berlin, und Tobias Rude-rer, Consultant, Scholz & Friends Reputation,Berlin

„Nur nichts anmerken lassen“ – viele Menschen erscheinen

trotz gesundheitlicher oder privater Probleme am Arbeits-

platz. Schädlich ist das nicht nur für die Betroffenen, sondern

auch für das Unternehmen. Es gilt, aktiv zu werden.

Von STEFAN BOËTHIUS

Motivierte, gesunde und leistungsfähige Mitarbeiter sind

Voraussetzung für kreative Ideen und Wettbewerbsfähigkeit.

Immer mehr Unternehmen setzen daher auf ein betriebliches

Gesundheitsmanagement.

Von PETER SCARBOROUGH

Viele größere Unternehmen fördern oder planen das ehrenamtliche Engagement ihrer

Mitarbeiter, im Fachjargon Corporate Volunteering genannt. Mehr und mehr spielen dabei

auch personalwirtschaftliche Erwägungen eine Rolle. Aus diesem Grund wird Corporate

Volunteering immer interessanter für mittelständische Unternehmen.Von CHRISTIANE STÖHR und TOBIAS RUDERER

Gemeinsam anpacken: Viele Unternehmen lassen ihren Mitarbeitern freie Hand bei der Entscheidung, wo sie sich engagieren, sei es in sozialen, kulturellen oder Umweltprojekten. Entsprechend vielfältig sind die Beispiele.

Dienstliches Sorgentelefon:Hilfe für gestresste Mitarbeiter

Gesund und sorgenfrei: Unternehmen, die gegenüber ihren Mitarbeitern Verantwortung übernehmen, stärken auch die eigene Zukunftsfähigkeit.

Wenn der Chef den Puls misst:Gesundheit als Schlüsselressource

Der Reiz des Freiwilligen

SEITE B4 Mittwoch, 10. Juni 2009, Nummer 132 Verlagsbeilage Frankfurter Allgemeine ZeitungUNTERNEHMEN, GESELLSCHAFT, VERANTWORTUNG

Page 5: CSR Beilage Aus Der Frankfurter Allgemeine Zeitung Vom 10 Juni 2009l

Bücher sind der Schlüssel zur Welt. Siewecken Neugier, regen die Phantasie an,fördern die Kreativität und vermittelnWerte. Das sind nur einige Gründe,warum es so wichtig ist, dass Kinderlesen lernen und auch lesen können –am besten in ihrem eigenen Buch.

Umso erschreckender sind die Ergeb-nisse einer Studie der Stiftung Lesenvom Dezember 2008. Hier heißt es, dassfast 45 Prozent der 14- bis 19-Jährigennoch nie ein Buch geschenktbekamen. Zum Ver-gleich: 1992 be-richteten noch72 Prozent die-ser Altersgrup-pe von Buchprä-senten. Insbeson-dere Kinder aus so-zial schwachen Famili-en besitzen oft gar keineigenes Buch. Die Folgenmangelnder Lesefähigkeitzeigen sich in der Schule nichtnur in der Deutschstunde, sondern injedem Fach – egal ob im Mathe- oder imGeschichtsunterricht.

Aus diesem Grund gründete im Jahr2002 eine kleine Gruppe aus Unterneh-mern, Kulturinteressenten, Musikernund Sportlern in Bremen den Verein„Das erste Buch“. Sein Ziel ist es, beiKindern die Lust auf Bücher und dasInteresse für das Lesen zu wecken, umdamit zugleich ihre Kreativität und ihrSelbstbewusstsein zu fördern. Und auchin der Umsetzung setzt die Aktion beiden Kindern selbst an: Geplant wird eingedrucktes Buch, das Kinder aus dendritten und vierten Klassen schreiben,illustrieren und anschließend an dieErstklässler verschenken.

Inzwischen beteiligen sich neben Bre-men bereits fünf weitere Städte an derSponsoring-Aktion für „Das ersteBuch“. Alle gehen nach einem ähnlichenKonzept wie die Bremer Schulen 2002vor. Jedes Jahr im März treffen sich die

Leiter der teilnehmenden Schulen einerStadt zur Buchstabenverlosung. Denn„Das erste Buch“ ist ein Abc-Buch, daszu jedem Buchstaben von A wie Aal bisZ wie Zeppelin eine Geschichte mitbunten Bildern enthält. Im vergangenenJahr zog zum Beispiel die GrundschuleAstrid-Lindgren in Bremerhaven für dasErstklässler-Buch den Buchstaben C.Jedes Kind überlegte sich zu diesemSchriftzeichen seine eigene Geschichteund malte ein Bild.

Die besten Erzählungen aus jederStadt werden ausgewählt und beimSchünemann Verlag in Bremen einge-reicht, der die Geschichten in einemBuch zusammenfasst. Im Jahr 2008erreichte die Auflage 20 500 Exemplare– eine enorme Steigerung gegenüber den7500 der ersten Veröffentlichung. AmEnde erhält jede Stadt ihr eigenes Buch,jeweils in einer anderen Farbe.

Die Aktion lebt von vielenfreiwilligen Helfern und

finanziert s ichüber Sponsorengel-

der. Zu den Haupt-sponsoren und Ide-

engebern gehörenunter anderem der

Schünemann Verlag,die Agentur planetmut-

lu, die EWE Stiftungund das IT- und Manage-

ment-Consulting Unter-nehmen BTC Business

Technology Consulting AG. Mit jederneuen Stadt kommen mehr Sponsorendazu, vom Taxiunternehmen bis zurZahnarztpraxis.

Während der Verlag an den Druck-vorlagen arbeitet, ist bei den kleinenAutoren das lange Warten angesagt. DerTermin für die Verteilung liegt imDezember, kurz vor oder nach Niko-laus. Dann versammeln sich die Erst-klässler, die Autoren der dritten undvierten Klassen sowie Lehrer und Spon-soren. In Bremen zum Beispiel wartetenviele Kinder mit Spannung auf denehemaligen Vize-FußballweltmeisterMarco Bode. Der Sportler unterstütztedas Projekt von Anfang an, liest invielen Städten aus dem Buch vor undsigniert die Exemplare, bevor er sie andie Kinder verteilt.

Bülent Uzuner, Gründer der Initiative „Meinerstes Buch“ und Vorstandsvorsitzender BTCBusiness Technology Consulting AG, Olden-burg

Nahrhafte Suppen zur Mittagspause undgleichzeitig weniger junge Arbeitslose –das ist die Grundidee des Suppenmobils.Seit September vergangenen Jahres versu-chen wir in der StudentenorganisationSIFE (kurz für Students In Free Enter-prise), diese Idee in die Wirklichkeitumzusetzen. Wir wollen ein Suppenmo-bil aufbauen, das Unternehmen in Mann-heim beliefert. Junge Arbeitslose kochenund verkaufen die Suppen: So könnendie jungen Erwachsenen ihre Chancenauf dem Arbeitsmarkt verbessern.

Wir Studenten arbeiten auf freiwilligerBasis, wollen gemeinnützige Projekte mitunserem theoretischen Wissen unterstüt-zen – wie eine Unternehmensberatungauf sozialer Ebene. An der Uni reden wirvon Soft Skills, Job Enrichment unddergleichen mehr. Das Ganze jetzt in dieRealität umzusetzen macht nicht nurSpaß, sondern trägt auch maßgeblich zuunserer persönlichen Entwicklung bei.Dass die Idee „riesiges Potential“ hat,darüber waren wir uns alle einig.

Aber: Wo kochen wir die Suppen,wen beliefern wir, und wie bekommenwir einen Kontakt zu jungen Arbeitslo-sen? Ein beidseitiger Glücksfall: Mit„arbeit für alle“ fanden wir den perfek-ten Träger für unser Projekt. DieserVerein beschäftigt „junge Menschen, dieüber keine oder eine geringe Berufsquali-fikation verfügen, aber gewisse Kompe-tenzen besitzen, die sie gerne in einemBetrieb unter Beweis stellen möchten“,so der Geschäftsführer Klaus Sommer.Einige Jugendliche arbeiten in diesemVerein schon als Köche und bereitenden Mittagstisch in zwei MannheimerEinrichtungen zu. Unsere Projektideestieß auf Begeisterung, und wir konntenaußerdem eine Förderung der engli-schen Bank HSBC gewinnen.

Aber von der Idee bis zum rollendenSuppenmobil ist es natürlich ein langerWeg. Zunächst haben wir in der Küchemitgeholfen. So konnten wir nicht nur

„tiefes Prozessverständnis“, sondernauch persönliche Beziehungen zu dendort Beschäftigten aufbauen. Jeder hatdort seine Geschichte, und trotz derverschiedenen Lebenshintergründe gabes keinerlei Berührungsängste. Außer-dem fragten wir 140 Gäste nach ihrenMeinungen: Jetzt wussten wir, wo wiransetzen mussten – zum Beispiel an derHomepage, Angeboten wie Essen zumMitnehmen und Mottowochen. Dankeiner strukturierten Kostenrechnungkonnten wir auch die Deckungsbeiträgeder einzelnen Gerichte transparent ma-chen und so Einsparpotentiale offenle-gen. Neben dem Angebot eines Mittags-tischs gibt es außerdem ein Café, dasmomentan trotz Toplage keine Kundenanzieht. Auch hier konnten wir unsmarketingmäßig richtig austoben, etwadurch Fenstergestaltung und Flyer-Akti-on im Umkreis

Das Ganze dient einem Ziel: Wirwollen die Prozesse profitabler machen,mehr Kunden gewinnen und damit inder Zukunft noch mehr jungen Arbeits-losen über „arbeit für alle“ ihren Wegauf den Arbeitsmarkt ebnen. Sobald wirbis Ende des Monats die Verbesserungder bestehenden Prozesse abgeschlossenhaben, starten wir mit der Detailpla-nung des Suppenmobils, damit es bisEnde des Jahres losrollen kann. Dannhaben Suppen Hochkonjunktur – undeinige junge Menschen vielleicht eineneue Berufsperspektive.

Till Steinmaier, Wirtschaftsstudent an derUniversität Mannheim und Initiator desSuppenmobils

Die deutsche Industrie steht vor allemaufgrund hochwertiger Technologienmit an der Spitze der internationalenMärkte. Diese führende Position istdurch den Fachkräftemangel bei Inge-nieuren in Gefahr. 70 000 offene Inge-nieurstellen sind derzeit in Deutschlandzu besetzen, Tendenz steigend. Dagegenist die Zahl der Studierenden der Inge-nieurwissenschaften in den vergangenen15 Jahren von 21 Prozent auf 16 Prozentgesunken. Und auch die Zahlen derSchüler in den sogenannten MINT-Fä-chern, also Mathematik, Informatik,Naturwissenschaften und Technik, sindrückläufig.

Um diesem erschreckenden Negativ-trend entgegenzuwirken, gibt es bereitszahlreiche Bemühungen. So versuchenunter anderem einige Verbände undUnternehmen, Kinder und Jugendlichefrühzeitig für Naturwissenschaften undTechnik zu begeistern. Ein Beispiel fürein solches Engagement und die erfolg-reiche Zusammenarbeit zwischen Wirt-schaft und öffentlicher Hand ist dasProgramm „TÜV Kids“: eine Bildungs-initiative des TÜV Hessen für mehrTechnikbegeisterung, die bereits in derGrundschule ansetzt.

Einfache Zutaten, große WirkungDas Prinzip von TÜV Kids ist einfach:Unter dem Motto „anfassen, erleben,verstehen“ kommen eigens dafür ausge-bildete Trainer für eine Doppelstunde„Technik“ in die vierten Klassen anhessischen Grundschulen. Hier bauendie Schüler aus einfachen Grundelemen-ten faszinierende Technik in kleinemRahmen: Zum Beispiel entsteht ausReißnägeln, Brettchen und Büroklam-mern, kombiniert mit Batterie undWiderstand, ein Stromprüfgerät. Oderaus Spritzen und Winkeln eine Hebebüh-ne für Spielzeugautos.

„Wir verwenden Gegenstände ausdem Alltag der Kinder oder solche, die

sie sich selbst besorgen können“, erklärtSteffen Seehars, Projektleiter von TÜVKids. „Die Kinder sollen angeregt wer-den, mit Dingen aus dem Küchen-schrank zu experimentieren und dabeikreativ etwas zu erfinden.“ Am Endedes Unterrichts sind die Kinder hellaufbegeistert, wenn sie ein funktionieren-des Gerät in der Hand halten, mit demsie sofort experimentieren können. Dawird die Alufolie des Schokoriegelsebenso auf Stromleitfähigkeit getestetwie der Schinken auf dem Pausenbrotoder die Haare des Tischnachbarn.Daheim zeigen und erklären sie dannstolz ihren Eltern und Freunden, was siegebaut und dabei gelernt haben.

Helfende HändeZur Seite stehen den Kindern bei ihrenExperimenten insgesamt 40 speziell ge-schulte Trainer. Die meisten von ihnensind Lehramtsstudenten, die im Rahmender Initiative die unterschiedlichstenKlassen kennenlernen und Erfahrungenfür ihr späteres Berufsleben sammeln.Sie sind in ganz Hessen unterwegs: Seies in kleinen Dorfschulen, wo dritte undvierte Klassen zusammen unterrichtetwerden, oder in Großstadtschulen mitgroßen Klassen.

Zwei Jahre nach dem Start derInitiative zeichnet sich bereits eine er-folgreiche Zwischenbilanz ab: Über65 000 Schüler haben bisher daran teilge-nommen – das ist fast jeder zweiteViertklässler in Hessen. Über 70 Pro-zent aller hessischen Grundschulen ha-ben bereits angenommen, was das Pro-gramm bietet: Experimentalunterrichtfür Kinder – und das ohne großenAufwand für die Lehrer. Sie müssen sicheinfach nur über Internet oder Telefonanmelden. Dann kommen die Trainerzum vereinbarten Termin in den Unter-richt.

Natürlich kann niemand schon jetztsagen, ob aus den heutigen TÜV Kidsspäter tatsächlich Ingenieure werden.Doch der Erfolg und die positiveResonanz zeigen: Die Initiative ist einguter Anfang. Sie gibt nicht nur denKindern einen Vorgeschmack auf Tech-nik – sondern begeistert nebenbei auchdie Eltern und Lehrer.

Manfred Weller, Rektor der GrundschuleSteinbach und Pädagogischer Leiter von TÜVKids

Eigentlich böte die aktuelle Wirt-schaftslage hinlänglich Argumentefür Arbeitgeber, um betriebliche

Angebote zur Vereinbarkeit von Berufund Familie massiv zurückzufahren.Umsatzeinbußen zwingen zu Kostenein-sparungen, Maßnahmen familienbewuss-ter Personalpolitik geraten da schnell aufden Prüfstand. Doch anders als erwartetbleibt das Engagement in diesem Be-reich auch in wirtschaftlich schwierigenZeiten ungebrochen. Zahlreiche Unter-nehmen bekennen: Uns ist wichtig, dassunsere Mitarbeiter Beruf und Familiemiteinander vereinbaren können. Unddaran wird auch die derzeitige Wirt-schaftskrise nichts ändern. Das gilt auchfür die meisten Unternehmen, die in denletzten Jahren, begünstigt von einembreiten gesellschaftlichen Konsens inder Vereinbarkeitsdebatte, mit Hilfe desaudit berufundfamilie ein entsprechen-des Angebot aufgebaut haben.

Mangel an Fachkräften vorbeugenDiese Entwicklung hat vor allem dreiGründe. Zunächst ist da die Sorge,Fachkräfte zu verlieren, deren Wissenund Erfahrung fehlen würden, sobalddie Konjunktur wieder anzieht. Andersals in früheren Rezessionen beeinflussendie bereits heute spürbaren demografi-schen Veränderungen und der sich im-

mer stärker abzeichnende Fachkräfte-mangel die personalpolitischen Entschei-dungen der Arbeitgeber. Für den künfti-gen Erfolg eines Unternehmens ist esvor diesem Hintergrund von zentralerBedeutung, gut ausgebildete und enga-gierte Fachkräfte nicht voreilig entlassenzu müssen, sondern auch in Zeitenverminderter Auslastung möglichst lan-ge halten zu können.

Besonders effektiv können diejeni-gen Unternehmen reagieren, die imRahmen ihrer familienbewussten Perso-nalpolitik bereits erfolgreich Maßnah-men der Arbeitszeitflexibilisierung prak-tizierten: familienbedingte Teilzeit, Ar-beitszeitkonten, Jahresarbeitszeit, mobi-les Arbeiten, Jobsharing bis hin zuSabbaticals sind nicht nur ein Beitragzur besseren Vereinbarkeit von Berufund Familie, sondern erweisen sich nunauch als wirksame Instrumente, umAuftragsschwankungen abzufedern. Sokönnen Kurzarbeit oder gar Entlassun-gen vermieden werden.

Zudem haben die Unternehmen inden letzten Jahren die Erfahrung ge-macht, dass Familienbewusstsein nichtunbedingt mit hohen Kosten einherge-hen muss. So werden Maßnahmen, diedie Vereinbarkeit von Beruf und Familiebesonders fördern und nur wenig Kos-ten verursachen, ungebrochen weiter

fortgeführt. Dazu zählen nicht nur dieAngebote der Arbeitszeitflexibilisie-rung, sondern auch die Intensivierungder Kommunikation zwischen Ge-schäftsleitung und Beschäftigten sowiedie stärkere Fokussierung der Angeboteauf die spezifischen Bedürfnisse derMitarbeiter. Durch die Kooperation mitanderen Akteuren vor Ort kann einArbeitgeber sein Angebot an familienge-rechten Maßnahmen sogar erweitern –ohne große Investitionen.

Einsparungspotential nutzenVor allem aber greift die Erkenntnis,dass Familienbewusstsein auch betriebs-wirtschaftliche Vorteile bringt, weil siemehr einspart, als sie kostet. Der mittler-weile quantifizierbare Nutzen ist zueinem überzeugenden Faktor geworden.Wie Arbeiten des ForschungszentrumsFamilienbewusste Personalpolitik (FFP)bestätigt haben, steigert Familienbe-wusstsein nicht nur die Arbeitszufrie-denheit (+13%) und die Motivation derBeschäftigten (+17%). Im Vergleich zunicht familienbewussten Unternehmenweisen familienbewusste Unternehmenauch eine geringere Fluktuationsrate(-15%) und verminderte Fehlzeiten(-13%) auf. Damit gelingt es ihnen,Kunden langfristiger an sich zu binden(+12%) und letztlich die Mitarbeiterpro-duktivität zu erhöhen (+17%).

Die Unternehmen in Deutschlandhaben sich in den vergangenen Jahrenzunehmend zu eigenständigen Akteureneiner betrieblichen Familienpolitik ent-wickelt, nicht zuletzt auch deshalb, weilstaatliche Angebote den Bedarf nicht inausreichendem Maße decken können.

Die Unternehmen haben ihr personalpo-litisches Repertoire um Angebote zurVereinbarkeit von Beruf und Familiemerklich erweitert und so eigene famili-enpolitische Kompetenzen aufgebaut –was ihnen nun größere Flexibilisierungs-möglichkeiten bietet.

In vielen Unternehmen ist familienbe-wusste Personalpolitik ein fester Be-standteil der Nachhaltigkeitsstrategie ge-worden und zieht sich wie ein roterFaden durch die Unternehmenspolitik.Sie ist zu einer Investition geworden, diesich bezahlt macht und bei einer plötzli-

chen Abwendung vom Thema abge-schrieben würden müsste – dies gilt fürdie aufgewandten Kosten ebenso wie fürdie Glaubwürdigkeit als familienbewuss-ter Arbeitgeber. Das Konzept der famili-enbewussten Personalpolitik hat denStresstest der Wirtschaftskrise bestan-den. Dies ist der Beleg, dass familienbe-wusste Personalpolitik nicht nur einThema für Schönwetterperioden ist.

Stefan J. Becker, Geschäftsführer der beruf-undfamilie gGmbH, eine Initiative der Gemein-nützigen Hertie-Stiftung

BUCH-TIPP

Corporate Responsibility 2009:Human Resources – Zukunftschancenfür Unternehmen und Gesellschaft

Der Begriff der Corporate Responsibility hatzahlreiche Facetten. Auf den Aspekt der„Human Resources“ fokussiert das JahrbuchCorporate Responsibility 2009. Es beleuchtet,wie Unternehmen auch in wirtschaftlich schwie-rigen Zeiten entscheidende Weichen nicht nurfür ihre eigenen Zukunftschancen, sondernauch für die jedes Mitarbeiters und zugleichder gesamten Gesellschaft stellen können.Das Jahrbuch ist eine Kombination aus neunFachaufsätzen, eingereicht zum Beispiel vonder Internationalen Arbeitsorganisation (ILO)oder der Executive Search-Beratung Heidrick& Struggles, sowie 18 Unternehmensprofilen,in denen große deutsche und amerikanischeUnternehmen ihre aktuellen Konzepte erläu-tern und Wege bei der Verbindung von Corpo-rate Responsibility mit strategischer Human-Resource-Arbeit vorstellen.

Preis: 29,90 EuroHerausgeber: ACC Verlag & Services GmbHISBN: 978-3-89981-775-1

WAS IST SIFE?

SIFE steht für Students In Free Enterprise. Da-hinter verbirgt sich eine Non-Profit-Organisati-on, die Studenten in 44 Ländern die Möglich-keit bietet, ihr Wissen aus dem Studium in ge-meinnützigen Projekten praktisch umzusetzen.Zudem geben verschiedene Wettbewerbe denStudenten Gelegenheit, ihre Projekte dem Top-Management großer Unternehmen zu präsentie-ren. Am 25. und 26. Juni lädt die Freudenberg-gruppe rund 350 SIFE-Studenten nach Wein-heim zum deutschen Landeswettbewerb ein.Hier beurteilt eine Jury aus Top-Managern vonrund 35 Unternehmen – darunter unter ande-rem von Bayer, Metro Group und Porsche –das Engagement der Studenten.

Gesellschaftliches Engage-

ment beginnt für manche

schon im Studium. So wie für

acht Studenten aus Mann-

heim und ihr Suppenmobil.Von TILL STEINMEIER

Was für viele Kinder normal

erscheint, ist für andere etwas

ganz Besonders: das erste eige-

ne Buch. Eine CSR-Initiative

fasst das Problem an.Von BÜLENT UZUNER

Trotz Krise bleiben sie unangefochten: Maßnahmen zur Ver-

einbarkeit von Familie und Beruf. Warum familienbewusste

Personalpolitik den Stresstest besteht.

Von STEFAN J. BECKER

Mit Suppe mobil machenLust auf Bücher weckenWer dem drohenden Fach-

kräftemangel bei Ingenieuren

etwas entgegensetzen will,

muss früh anfangen – am bes-

ten bei Grundschulkindern.Von MANFRED WELLER

AUS DER PRAXIS

Kids für Technik begeistern

Hoch im Kurs: die Familie

Beruf und Familie im Einklang: Oft glückt der Balanceakt dank familienfreundlicher Personalpolitik.

Gemeinsame Sache: Student Till Steinmaier (links) und das Team des Suppenmobils.Ein besonderes Geschenk: Bülent Uzuner verteilt die Exemplare von „Das erste Buch“.Kreativität wecken: Aus Spritzen und Brettchen entsteht eine Mini-Hebebühne für Spielzeugautos.

SEITE B6 Mittwoch, 10. Juni 2009, Nummer 132 Verlagsbeilage Frankfurter Allgemeine ZeitungUNTERNEHMEN, GESELLSCHAFT, VERANTWORTUNG