das flensburger fahrradmagazin · trotzdem gibt es immer mehr autos auf deutschlands straßen. das...
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Ausgabe 04 / 2018Das Flensburger FahrradMagazin
stellen Sie sich einmal vor, jemand würde Sie permanent mitdem Tode bedrohen, Sie systematisch vergiften, in IhrerNachbarschaft Tag und Nacht Lärm verursachen, Sie einfachso enteignen, Ihren Lebensraum und Ihre Sozialbeziehungenzerstören, Ihre Kinder bisweilen folgenlos töten. Würden Siesich gegen so jemanden zur Wehr setzen? "Natürlich!",werden Sie jetzt sagen. Aber Sie tun es nicht! Denn all diestut der motorisierte Verkehr Ihnen und Ihren Liebstenscheinbar ganz selbstverständlich an. Nicht nur, dass er mitjedem Kilometer Kosten auf die Allgemeinheit abwälzt. Auchdie hohe Zahl an Verletzten und Toten, die Abgas undLärmbelastung, die Zersiedelung und die Zerstörung derSchöpfung blenden wir Deutschen einfach so aus; gerade soals sei der fossil betriebene Indivdualverkehr einunabwendbares Schicksal.
Statt für Mensch und Natur setzen (Kommunal) PolitikerInnenaller Coleur sich vehement für Autos, Straßen, Autobahnen,Lärmschutzwälle und Parkplätze ein. Sie schmieden fauleKompromisse und begehen damit teils bewussten Verrat anihren Wählern. "VolksvertreterInnen" beweisen täglich, wiefaktenresistent sie sein können. Sie protegieren trotz dermenschheitsbedrohenden Klimakrise ein unmenschlichesVerkehrssystem statt einen verfassungsrechtlich definiertenSchutzauftrag umzusetzen. Wie werden nachfolgendeGenerationen wohl über diese autogerechte undanachronistische Stadt und Verkehrsplanung urteilen? Aberes ist ja Weihnachten, das Fest der Liebe! Also schauen wirzum Schluss noch mal auf das, was wider Erwarten gut lief!Frohe Weihnachten!
Ihre FLENSBIKERedaktion
Liebe Leserinnen und Leser!Dies ist die vorerst letzte Ausgabe des seit November 2016 erscheinenden "FLENSBIKE"Newsletters. Dieser wird
aus zeitlichen Gründen bis auf Weiteres eingestellt. Wir danken Ihnen für Ihre jahrelange Treue!
Liebe BIKECommunity,
Die ganze Misere in einem Bild:
Verschlungener, regelwidriger"Radweg" im angeblich
fahrradfreundlichen Flensburg daneben werden vom KfzVerkehr
verursachteSchadstoffe in der Atemluft
gemessen...
Ein Viertel aller Studierenden und CampusMitarbeiterInnen fährt mit dem Rad zur Uni. Diesergab eine Mobilitätsumfrage der EuropaUniversität Flensburg.
Ein weiteres Viertel der PkwPendler von und zumCampus jedoch verursacht knapp zwei Drittel (65,4%)aller gesundheits und klimaschädlichen Abgase.
Die durchschnittliche Entfernung zur Hochschulebeträgt für sie gerade einmal 14 km.
37% der Befragten empfanden die FlensburgerRadwege als maximal ausreichend bis mangelhaft.
Und fast 44% gaben an, dass die Akzeptanz vonRadfahrenden im Verkehr zu wünschen übrig lasse...
FLENSKBIKE 04/18Seite 2
KurzmeldungenRadelnder Campus
Radfahren ist gut gegen ÜbergewichtForschungsbemühungen in sieben europäischen
Städten haben gezeigt, dass Radfahren die
gesündeste Art ist, mobil zu sein.
Ergebnisse der Studie, die sich auf Wien, Zürich,
Antwerpen, Barcelona, Örebro, Rom und den London
Borough of Newham konzentrierte, waren unter
anderem, dass Menschen, die ein EBike fuhren,
einen höheren BMI aufwiesen, als Fußgänger und
diejenigen, die auf konventionellen Fahrrädern fuhren.
Die Autoren der Studie, die von Forschern der Hasselt
Universität in Belgien geleitet wurde, riefen die
Regierungen dazu auf, die Städte fahrradfreundlicher
zu machen und wiesen darauf hin, dass dies nicht nur
die Adipositas bekämpfen, sondern auch die
Luftverschmutzung verringern würde.
Die Studie, in der die Gewohnheiten von mehr als
2.000 Menschen in den untersuchten Städten
analysiert wurden, ergab, dass Männer, die von Autos
auf Fahrräder umsteigen, im Durchschnitt fast ein
Kilogramm an Gewicht verloren und ihr BMI um 0,24
fiel. Die Ergebnisse unter weiblichen Befragten waren
etwas niedriger. Die Studie fand ferner heraus, dass
selbst Leute, die nur gelegentlich Fahrrad fahren,
ihren BMI halten können.
CoAutorin Dr. Audrey de Nazelle vom Centre for
Environmental Policy am Imperial College London
dazu: "Autofahren trägt zur Fettleibigkeit und zur
Luftverschmutzung bei. Im Gegensatz dazu
verbrennen Fahrräder Fett und setzen keine
Umweltverschmutzung frei. Städte, die Radfahren
fördern, sorgen nicht nur für eine bessere
Gesundheit, sondern auch bessere Chancen, die
Luftqualitätsziele zu erreichen."
Quellen:
road.cc/content/news/244732studycyclingdailyreducesobesity
unlessitsebike
Transport mode choice and body mass index: Crosssectional and
longitudinal evidence from a Europeanwide study
(www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0160412018307098)
Die Gesamtkosten des Autofahrens sind seit demJahr 2000 um gut 36%, die Kraftstoffpreise imgleichen Zeitraum um 50% gestiegen. Dies teiltedas Statistische Bundesamt (Destatis) imSeptember anlässlich der EuropäischenMobilitätswoche mit.
Trotzdem gibt es immer mehr Autos auf DeutschlandsStraßen. Das Neuzulassungsvolumen in den erstensieben Monaten des Jahres 2018 lag auf demhöchsten Niveau seit 2009, wobei Elektrofahrzeugegerade einmal 0,8 Prozent des Gesamtmarktesausmachten. Allein 2017 entfielen lautKraftfahrtbundesamt 33% aller Neuzulassungen aufGeländewagen und SUVs.
Die Preise im öffentlichen Personennahverkehr legtenallerdings noch stärker zu: um fast 79%. Die Preisefür Bahntickets erhöhten sich im genannten Zeitraumum knapp 57%.
Trotz der Zunahme von CarsharingAngeboten hatsich die Anzahl der Autos in Deutschland nichtverringert. Vielmehr werde dadurch laut einernordrheinwestfälischen Studie der Taxi undMietwagenverkehr sowie der Regionalverkehr derDeutschen Bahn kannibalisiert.
Quelle: Quelle: Statistisches Bundesamt
Kostenexplosion bei Auto, Bus und Bahn
Flensburg zunehmend radmobil
(ad) Ein weiteres, spannendes Jahr neigt sich demEnde, und in Flensburg gibt es inzwischen einebislang nie da gewesene Mobilitätsdebatte. Nachwie vor bewegt sich die städtischeRadverkehrsförderung leider nur imSchneckentempo voran. Von einem Aufbruch oderUmbruch kann auch in punkto Radmobilität kaumdie Rede sein. Dennoch bewegt sich was...
Vielleicht ist es ja doch die Nähe zu Dänemark, dieallmählich auf die Fördestadt abfärbt. Ob Sommer,Frühjahr, Herbst, ob Winter: überall sieht manvergnügte Radfahrende quer durch die Stadt flitzen.Immer mehr dank Pedelec auch ältere Menschentrauen sich zum Wohle aller wieder aufs Rad.
Sie alle sind zwingender Teil der Lösung des urbanenMobilitätsproblems in einer wachsenden Stadt. Siehätten als klimaneutrale Verkehrsteilnehmer:inneneigentlich die volle Aufmerksamkeit der Verwaltung unddie Wertschätzung der Politik verdient. Ihnen sollteendlich überall ein sicherer und adäquater Platzeingeräumt werden. Bereits im vorletzten Sommer hattedie Oberbürgermeisterin ja öffentlich versprochen, beimThema Radverkehr in die Pedale kommen zu wollen.
Dazu braucht es jetzt aber zügig eine exzellente undzukunftsfähige Radverkehrsinfrastruktur, die nichtzwangsläufig teuer sein muss.
Der Megatrend zum Rad ist inzwischen längst einPolitikum. Ein "Weiter so!" in Sachen Mobilität kann esin Zukunft schlicht nicht mehr geben. VieleFlensburgerInnen setzen sich inzwischen gezielt fürmehr Radverkehr in der Stadt ein. Das Thema hielt
dank des Engagements desADFC Flensburg sogar Einzug inden Kommunalwahlkampf undwird weiterhin ausgiebig von derLokalpresse behandelt. DieRatsversammlung nahm jüngstden ca. 170.000 Euro teuren, ausSteuermitteln finanzierten, vonFachleuten erstellten"Masterplan Mobilität" zurKenntnis, dem in denkommenden Jahren ein (jeweils
einzeln abgestimmtes) Maßnahmenpaket folgen soll,welches mittelfristig "Klimaneutralität" im Verkehrbringen soll. Dass das Interesse am Thema Fahrradauch in der Bevölkerung riesengroß ist, zeigt derdiesjährige "FahrradKlimaTest" des ADFC. Noch niegab es bei diesem Test so viele TeilnehmerInnen! Beidem Test werden AlltagsradlerInnen strukturiert nachihrer Einschätzung zur Qualität derRadverkehrsinfrastruktur befragt. In diesem Jahr warenes weit über 400 teilnehmende Radfahrende inFlensburg und 170.000 Menschen deutschlandweit. Wirsind gespannt auf die Ergebnisse für die Fördestadt.
Die städtische Radverkehrsinfrastruktur ist wegen desjahrzehntelangen Stillstands nun deutlich in die Jahregekommen. Obwohl Radverkehrsförderung ebensolange auf der politischen Agenda steht, wurde einstädtisches Radverkehrsnetz bislang nie konsequentumgesetzt.
FLENSKBIKE 04/18Seite 3
Der innerstädtische Handel hat das Potenzial radelnder Kundschaft noch nicht in vollemMaße erkannt. Diese Abstellanlagen in der Angelburger Straße hat die Stadt wieder
abgebaut, obwohl sie exzellent angenommen wurden.
Immer mehr FlensburgerInnen setzen sich für sicheren Radverkehr ein
Vorschriftswidrig
Der benutzungspflichtige
Geh und Radwegvon und nach
FlensburgWeicheist nur rund 170 cmbreit und für beide
Richtungen freigegeben.
Daneben gibt esnatürlich
jede Menge Platzfür motorisierte
Fahrzeuge...
Doch allmählich entstehen in Flensburg jetzt neueAngebote für Radfahrende.
Stadt und Klimapakt haben den 200sten Geburtstagdes Fahrrades ausgiebig und mit tollen Angebotengefeiert. Die Verwaltung scheint der Politik in vielenPunkten sogar bereits deutlich voraus zu sein. Sie hatin diesem Jahr viele mutige "LeuchtturmProjekte"initiiert und verwirklicht, die Denkanstöße liefern undFlensburg einen anderen Blick auf die Chancen urbanerMobilität ermöglichen sollten. Beispielhaft seien hier derUmbau eines Teils der Husumer Straße, die Parklettsund die Begegnungszone in der Rathausstraßegenannt.
Letztere ist wegen des kollektiven Widerstandsmittlerweile jedoch schon wieder Geschichte und das,obwohl die Lösung nachweislich gut funktionierte.Seitdem werden große und kleine Menschen an dieserStelle wieder unnötig lange mit Schadstoffen begast.Die gezeigte Beratungsresistenz der kommunalpolitischVerantwortlichen erscheint schon sehr bedenklich:selbst die Worte des renommierten WienerVerkehrsplaners und Buchautors Prof. Knoflacherverhallten ungehört. Er, der durch sein Lebenswerkeinen Beitrag dazu geleistet hat, Wien zurlebenswertesten Stadt der Welt zu machen, war eigensim Schiffahrtsmuseum erschienen, um auch den letztenZweiflern zu vermitteln, dass der Straßenverkehr keinSchicksal sei und das Auto die Umwelt und diestädtische Lebensqualität zerstöre. Mobilitätslösungen(darunter mehr Radverkehr) , die auch unserer Regionhelfen könnten, liegen förmlich auf der Hand. Knoflacherpräsentierte sie seinem Publikum darunter zahlreichenVertretern aus Politik und Verwaltung geradezu aufdem Silbertablett. Bislang scheinbar vergeblich...
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Bloß keineExperimente!
Die buntenPunkte
sind zwar nochda, aber die
"Begegnungszone" in derFlensburger
Innenstadtwurde bereits
nach kurzer Zeitwieder
abgebaut.
Verbesserungen für den Radverkehr von und zum sowie am Campus werdenüberwiegend aus Bundesmitteln finanziert
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Aber es gibt auch Lichtblicke. So verfügt Flensburgimmerhin schon seit einigen Jahren über einNEXTBIKEFahrradVerleihSystem. Innerhalb einesJahres wurde in Kooperation verschiedenster, lokalerAkteure zudem ein LastenradProjekt gestemmt,welches neue Mobilitätschancen verdeutlicht und denAutoverzicht und die soziale Teilhabe in den Stadtteilenkostengünstig fördert.
Nachhaltige, überregionale Verkehrsplanungen (z.B.Radschnellwege) wären das Gebot der Stunde. Auch inden Flensburger Nachbargemeinden scheint sich dasein oder andere zu tun: an der Strecke nach Hürup istz.B. ein neuer, erstklassiger Radweg entstanden. Mankann nur hoffen, dass das Oberzentrum Flensburg baldin eine solche überregionale Radverkehrsplanungeinsteigt, die auch den UmlandGemeinden (unteranderem Harrislee und Handewitt) verkehrliche Vorteilebringen und zur Reduzierung der Belastungen durchden PendlerVerkehr beitragen könnte. Ein BestpracticeBeispiel für die Berücksichtigung radelnderKundschaft findet sich nicht etwa in der Innenstadt,sondern am Rande Flensburgs: der CITTIPark bietetseinen Kunden deutlich mehr als "Felgenknicker", wasdas Einkaufen für Radfahrende dort zum echtenVergnügen werden lässst.
Insgesamt muss man feststellen, dass scheinbar ganzlangsam etwas Bewegung in das Thema Radverkehrkommt. Und doch muss in Zukunft deutlichschneller deutlich mehr passieren! Auch darauf hatteProf. Knoflacher in seinem Vortrag hingewiesen: dieZahl der Wege ist eine Verkehrskonstante, und dieQualität der (Radverkehrs)Infrastruktur bestimmt dasMobilitätsverhalten der Menschen...
Im Zweifel muss das Rad neben öffentlichenVerkehrsmitteln auf den vielen kurzen und mittlerenDistanzen eben die bessere Alternative darstellen.Nur so kann ein zunehmender Verzicht aufs Auto amEnde gelingen. Dazu bedarf es jetzt so schnell wieirgend möglich eines sicheren und komfortablemRadverkehrsnetzes, welches regionale undüberregionale Belange berücksichtigt. Flensburgkommt gar nicht umhin, auch in punkto Straßenverkehrendlich seine klimapolitischen Hausaufgaben machen.
Flankiert werden könnten die zukünftigen Bemühungenum nachhaltige Mobilität durch ein gezieltes,betriebliches Mobilitätsmanagement, einen deutlichverbesserten ÖPNV (Busse und Bahnen), nachhaltigeund umweltgerechte Antriebe, gezielte und restriktiveParkraumbewirtschaftung, die Schaffung vonLadeinfrastrukturen, sinnvolle Mobilitätserziehung,gezielte Öffentlichkeits und Kampagnenarbeit,Mobilitätsstationen, intermodale Angebote (etwa dieVerknüpfung des Radverkehrs mit dem ÖPV),Einrichtungen für das Fahrradparken, ergänzendeServiceangebote (z.B. Reparaturservices),Vergünstigungen für Radfahrende und vieles mehr.
FernsehTipp
Fahrradfieber Wie Zweiräder die Welt erobern
(SWR)
Impressum
Herausgeber: ADFC Ortsgruppe FlensburgBurgplatz 1, 24939 FlensburgTel.: 0461 / 26067 | email: flensburg@adfcsh.dewww.adfcsh.de
V.i.S.d.P.:Tim MeyerKönig (tmk) / Timo Schmidt (TiSch) / Hanna Schmidt (hms)/Axel Dobrick (ad)
Redaktion und Gestaltung:Team Öffentlichkeitsarbeit / Radverkehrspolitik
Bildnachweis:
Titelseite: (oben) Radstreifen Husumer Straße Fotograf: Martin Huth),Seite 3: Verkehrsstau in der Heinrichstraße,Seite 4: Radwegmarkierung in der Nikolaiallee (jeweils (eigenes Werk)
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