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TRANSCRIPT
DAS GERIATRISCHE ASSESSMENT IN DER
FÖRDERNDEN PROZESSPFLEGE AM BEISPIEL
DES KINÄSTHETISCHEN KONZEPTES ALS
QUALITÄTSSICHERUNG
Fachbereichsarbeit
zur Erlangung des Diploms
für den gehobenen Dienst für Gesundheits- und Krankenpflege
Erstbeurteilerin
Christine Artwohl, M.Ed.
Zweitbegutachterin
Direktorin Karin Dolmantis, MSc
vorgelegt von
Regina Scheikl
I
Ehrenwörtliche Erklärung
Ich erkläre hiermit, dass ich die vorliegende Arbeit selbständig und ohne Benutzung
anderer als der genannten Materialien angefertigt habe. Alle aus fremden Quellen
direkt oder indirekt übernommenen Gedanken sind als solche kenntlich gemacht.
Außerdem habe ich die Reinschrift der Arbeit einer Korrektur unterzogen.
Die Arbeit wurde bisher keiner anderen Prüfungskommission vorgelegt. Ich bin mir
bewusst, dass eine falsche Erklärung rechtliche Folgen haben kann.
Ort, Datum Unterschrift
II
Kurzzusammenfassung
Durch die demografische Entwicklung gewinnt die Pflege von älteren Menschen
signifikant an Bedeutung. Eine interdisziplinäre Zusammenarbeit ist ebenso wichtig
wie eine Altersprävention beziehungsweise eine Früherkennung von physischen
und psychischen Defiziten. Ziele der vorliegenden Arbeit sind die Beleuchtung der
anerkannten Ausbildung zur Kinaesthetics-Anwenderin und zum Kinaesthetics-
Anwender in Österreich und Aufzeigen des Nutzens für die Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter sowie für die Bewohnerinnen und Bewohner durch die Implementierung
von Kinaesthetics in Langzeiteinrichtungen. Die deskriptive Arbeit geht der Frage
nach, wie das geriatrische Assessment der fördernden Prozesspflege nach Monika
Krohwinkel in Verbindung mit Kinaesthetics den Bewohnerinnen und Bewohnern
von Langzeiteinrichtungen die größtmögliche Autonomie und
Bewegungskompetenz bietet und somit die Lebensqualität verbessert. Die Arbeit
analysiert die Daten aus einer Literaturrecherche, welche in aktuellen
wissenschaftlichen Büchern und Zeitschriften stattfand.
Abstract
Through the demographic development the meaning of care for elderly is rising
significantly. Interdisciplinary cooperation on all levels is also important for the care
of nursing-destitute people as well as prevention and early detection of physical
infermities. The goal of this work are the illumination of the education of
kinaesthetics users in Austria as well as showing the benefit for employees and
residents of old people‘s homes through the implementation of kinaesthetics in
nursing homes. This descriptive work tries to answer the question how the geriatric
assessment of supporting process-care of Monika Krohwinkel in connection with
kinaesthetics gives the residents of old people‘s homes the best possible autonomy
and authority in terms of movement as well as the resulting increased quality of life.
This work analyzes data from a literature research basing on current state academic
books and papers.
III
Inhaltsverzeichnis
1 Einführung in die Problematik ........................................................................ 1
2 Implementierung des kinästhetischen Konzeptes in die fördernde
Prozesspflege ................................................................................................ 4
2.1 Die fördernde Prozesspflege nach Monika Krohwinkel im Kontext
geriatrisches Assessment .............................................................................. 4
2.2 Kinaesthetics im Kontext fördernde Prozesspflege ........................................ 9
2.2.1 Konzepte der Kinaesthetics ......................................................................... 10
2.3 Implementierung von Kinaesthetics in die Pflegepraxis ............................... 13
2.3.1 Lernzyklus in der Kinaesthetics.................................................................... 14
2.3.2 Instrumente in der Kinaesthetics .................................................................. 15
2.3.3 Bewegungskompetenz und Gesundheitsentwicklung .................................. 16
3 Ausbildung zur Kinaesthetics-Anwenderin und zum Kinaesthetics-Anwender
in Österreich................................................................................................. 17
3.1 Gesetzliche Grundlagen für Diplomiertes Gesundheits- und
Krankenpflegepersonal ................................................................................ 17
3.2 Bildungsweg in der Kinaesthetics ................................................................ 19
4 Qualitätssicherung und Nutzen für den Arbeitgeber und die Bewohnerinnen
und Bewohner in Langzeiteinrichtungen ...................................................... 23
4.1 Qualitätssichernde Maßnahmen in der Langzeitpflege ................................ 23
4.1.1 Kinaesthetics-Auszeichnung ........................................................................ 24
4.1.2 Nationales Qualitätszertifikat für Alten- und Pflegeheime in Österreich ....... 25
4.2 Nutzen für den Arbeitgeber und die Bewohnerinnen und Bewohner in
Langzeiteinrichtungen .................................................................................. 28
5 Zusammenfassende Darstellung ................................................................. 35
6 Literaturverzeichnis ...................................................................................... 37
7 Abbildungsverzeichnis ................................................................................. 41
1
1 Einführung in die Problematik
Der Alterungsprozess ist ein multifaktorielles Geschehen. Durch die physischen und
psychischen Veränderungen im Älterwerden treten Veränderungen in vielen
Lebensbereichen ein. Die Früherkennung der pathologischen Veränderungen ist
ein Bestandteil zur Erhaltung der Selbstständigkeit und zur Optimierung der
Lebensqualität. Der interdisziplinäre Prozess eines geriatrischen Assessments ist
ein wichtiger Faktor in der Altersprävention. Die Ressourcen und Defizite älterer
Menschen zu erfassen wird mittels des geriatrischen Assessments möglich. Aus
diesem Grundgedanken heraus entwickelte sich die fördernde Prozesspflege.
Die fördernde Prozesspflege nach Monika Krohwinkel entwickelt sich seit 1982 und
ist speziell für Patientinnen und Patienten mit einer zeitlich länger andauernden
Pflege, zum Beispiel in der Langzeitpflege, konzipiert. Des Weiteren implementiert
Krohwinkel die Bezugspersonen, wie Angehörige oder Pflegepersonen, in den
Pflegeprozess (vgl. Krohwinkel, 2013 S. 20).
Um eine korrekte Pflegeplanung durchzuführen, benötigt es ein
patientenorientiertes Assessment. Dieses beginnt beim ersten Aufeinandertreffen
von der Patientin oder dem Patienten mit der Diplomierten Gesundheits- und
Krankenpflegeperson und muss genauestens dokumentiert werden, um
Fähigkeiten und Ressourcen aufzuzeigen (vgl. Krohwinkel, 2013 S. 81-83).
Das geriatrische Assessment bezieht sich auf ältere, meist multimorbide
Patientinnen und Patienten. Es ist ein interdisziplinärer Prozess, der aus
standardisierten Tests besteht, welche reliabel, valide, sensitiv und praktikabel sind.
Sehr wertvolle Tests sind für die geriatrische Patientin und dem geriatrischen
Patienten die Gleichgewichtstests, um die Mobilität zu beschreiben, zu denen der
Motilitätstest nach Tinetti, die Esslinger Transferskala oder die Berg-Balance-Skala
gehören. Weiteres werden die physische, die kognitive, die emotionale und die
soziale Gesundheit befragt, um eine Pflegediagnose unter Einbeziehung von
Fähigkeiten und Ressourcen zu erstellen (vgl. Zeyfang, 2013 S. 6-25).
2
Das geriatrische Assessment wird für die Pflegeplanung im Rahmen des
Pflegeprozesses herangezogen. Es beinhaltet eine oder mehrere Pflegediagnosen
mit Problemen und Ressourcen, welche eine Zielsetzung und Interventionen
erfordern. Pflegerische Interventionen in Bezug auf die Mobilität können mit dem
Konzept der Kinästhetik abgedeckt werden. Das kinästhetische Konzept, welches
aufgrund seiner amerikanischen Herkunft auch als Kinaesthetics bezeichnet wird,
wurde von Frank Hatch und Lenny Maietta in den 80er Jahren entwickelt und
beschäftigt sich mit der Bewegungswahrnehmung und der Bewegungsförderung.
Das Konzept bietet den Kinaesthetics-Anwenderinnen und Kinaesthetics-
Anwendern eine Möglichkeit der eigenen Körperwahrnehmung und die Auswirkung
von Bewegung in der Praxis zu erfahren (vgl. Edlinger, 2015 S. 21-22).
Europaweit haben sich die Länder Italien, Schweiz, Deutschland und Österreich zur
European Kinaesthetics Association (EKA) zusammengeschlossen und bieten mit
ca. 1000 Kinaesthetics-Trainerinnen und Kinaesthetics-Trainern Basiskurse und
Aufbaukurse für die Pflege an. Die EKA ist auch in der Forschung, der
Weiterentwicklung und der Qualitätssicherung tätig. Die EKA bietet ein Assessment
in vier Schritten, um Kinaesthetics in eine Einrichtung zu implementieren. Es ist
auch möglich eine Auszeichnung von der EKA als Zeichen für ein erfolgreiches
Integrieren des kinästhetischen Konzeptes zu erhalten (vgl. EKA, o.J. o.S.).
Auszeichnungen repräsentieren eine Qualitätssicherung und sind für Einrichtungen
im Sozial- und Gesundheitswesen ein Bestandteil des Qualitätsmanagements.
Österreich hat seit 2013 eine Nationale Qualitätszertifizierung für Alten- und
Pflegeheime (NQZ) im Bundes-Seniorengesetz verankert. Sie bietet
Langzeiteinrichtungen einen transparenten Leistungsnachweis über die Qualität der
Einrichtung und die Lebensqualität der Bewohnerinnen und der Bewohner.
Voraussetzung dafür ist die Einführung eines der NQZ anerkannten
Qualitätsmanagements-Programmes, um eine Selbstüberprüfung zu gewährleisten
(vgl. Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, 2014 S. 5-6).
Daraus ergibt sich für die Fachbereichsarbeit folgende Fragestellungen, wie diese
Bereiche miteinander verbunden werden können. Wie sieht die Ausbildung zur
Kinaesthetics-Anwenderin und zum Kinaesthetics-Anwender in Österreich aus?
3
Welcher Nutzen entsteht für den Arbeitgeber und die Bewohner in der
Langzeitpflege durch ausgebildete Kinaesthetics-Anwenderinnen und
Kinaesthetics-Anwender? Diese Fragen werden mit der Methodik der
Literaturrecherche beantwortet.
Ziel der Arbeit ist es, eine Möglichkeit aufzuzeigen, um Kinaesthetics in das
geriatrische Assessment der fördernden Prozesspflege zu implementieren. Es wird
der Nutzen für Anwenderinnen und Anwender, Bewohnerinnen und Bewohner,
sowie für die Betreuungseinrichtung dargestellt.
Als Methode für die Fachbereichsarbeit wird die Literaturrecherche angewendet. In
der Onlinedatenbank www.onb.ac.at wurde mit den Suchwörtern „geriatrisches
Assessment“, „Geriatrie“, „Assessment AND Kinästhetik“ und „fördernde
Prozesspflege“ das Buch von Monika Krohwinkel als wertvoll für die Arbeit erachtet.
Auf der Interseite von www.kinaesthetics.at wurde ein Buch über den
wirtschaftlichen Nutzen von Kinästhetik gefunden.
Eine Doktorarbeit über Kinästhetik und die Gesundheitsentwicklung wird ebenfalls
in diese Arbeit einbezogen. Sie wurde in der Suchmaschine Google-scholar mit den
Suchbegriffen „Kinästhetik“ AND „Österreich“ AND „demographische Entwicklung“
gefunden.
Um einen Vergleich zwischen dem Assessment nach Monika Krohwinkel und
anderen Assessmentinstrumenten darzustellen, dient das Buch
„Assessmentinstrumente für alte Menschen“ vom Verlag Hans Huber.
Da die Praxisanwendung von Kinästhetik in Langzeiteinrichtungen wertvoll und
beachtenswert für die Arbeit ist, dienen mehrere Expertenmeinungen aus der
Zeitschrift „Lebensqualität“ als Grundlage für die Überprüfung.
Um eine national anerkannte Qualitätssicherung in die Arbeit mitaufzunehmen,
dient die Richtlinie für die Vorbereitung und Durchführung der Zertifizierung nach
dem Nationalen Qualitätszertifikat (NQZ) vom Bundesministerium für Arbeit,
Soziales und Konsumentenschutz als Grundlage.
4
2 Implementierung des kinästhetischen Konzeptes in die
fördernde Prozesspflege
In diesem Kapitel erfolgt die Darstellung der Grundlagen der fördernden
Prozesspflege mit dem Blickpunkt auf Bewegung, sowie eine Auflistung
verschiedener Assessmentinstrumente, die ebenfalls Bewegungsabläufe im
Blickpunkt haben. Des Weiteren wird in diesem Kapitel das kinästhetische Konzept
ausführlich erörtert und die Einführung in den Praxisalltag beschrieben.
2.1 Die fördernde Prozesspflege nach Monika Krohwinkel im Kontext
geriatrisches Assessment
Die fördernde Prozesspflege ist ein Handlungssystem und ein konzeptuelles
System, welches Monika Krohwinkel in den 80ger Jahren entwickelt und seitdem
mehrfach ergänzt hat. Sie verbindet Systemtheorie, Pflegetheorie mit der
humanistischen Psychologie und der Phänomenologie. Monika Krohwinkel hat
durch Forschung und Weiterentwicklung Teile von anderen Pflege- und
Systemtheoretikern aufgegriffen, verbunden, erweitert und damit die fördernde
Prozesspflege entwickelt. Nennenswert sind Theoretiker wie Abraham Maslow,
Ludwig von Bertalanffy, Martha Rogers, Hildegard Peplau, Dorothea Orem und
Nancy Roper, da sie den Grundgedanken der fördernden Prozesspflege in ihre
Pflegemodelle aufgenommen und aus verschiedenen Blickrichtungen
wissenschaftlich analysiert haben (vgl. Krohwinkel, 2013 S. 31-34).
Das konzeptuelle System beinhaltet die Theorie, welche mithilfe des
Rahmenmodells mit dem Handlungssystem verbunden wird. Das Handlungssystem
umfasst mit der Methode und den Instrumenten den praktischen Teil der fördernden
Prozesspflege. Für Krohwinkel besteht ein Bezug zwischen Mensch, Umgebung,
Ganzheitlichkeit, Wohlbefinden und Unabhängigkeit. Das bedeutet, dass
Ressourcen, Defizite und existentielle Erfahrungen Einfluss darauf nehmen. Die
fördernde Prozesspflege beschäftigt sich mit den Aktivitäten, Beziehungen und
existenziellen Erfahrungen des Lebens (ABEDL´s) (vgl. Krohwinkel, 2013 S. 35-40).
5
Ziel der fördernden Prozesspflege ist, das pflegerische Interesse in Verbindung mit
der pflegerischen Zielsetzung zu einer pflegerischen Handlung zu führen. Das
primär fördernde Interesse bezieht sich sowohl auf die Patientin und den Patienten,
als auch auf deren Bezugspersonen. Die Zielsetzung umfasst das Wiederlangen
und Erhalten von Unabhängigkeit und Wohlbefinden. Die Handlung beinhaltet eine
wertschätzende Haltung der Pflegepersonen, sowie ein kommunikativ – förderndes
Verhalten, welches in jeder Tätigkeit widergespiegelt wird (vgl. Krohwinkel, 2013 S.
55-62).
Der Pflegeprozess in der fördernden Prozesspflege
Der Pflegeprozess besteht aus dem Assessment, der Pflegebedarfserhebung, der
Pflegeplanung, der Durchführung der Pflege und der Evaluation der
Pflegemaßnahmen. Grundsätzlich bedarf es einer genauen Dokumentation und
Organisation sowie einer zielgerichteten Nutzung der Ressourcen. Die
Pflegeanamnese beinhaltet die Pflegesituation zum Zeitpunkt der Aufnahme, aber
auch die Lebenssituation vor der Aufnahme und die Lebensgeschichte sowie
lebensgeschichtliche Erfahrungen. Wichtig ist bei der Befragung, Ängste und
Nichtwissen zu berücksichtigen und damit eine Grundlage für die weitere Betreuung
zu legen, in welcher Vertrauen und Sicherheit aufgebaut wird. Hier finden auch die
geriatrischen Assessments ihren Platz. Die Anamnese, die Pflegeplanung und die
gesamte Durchführung der Pflegemaßnahmen werden im Rahmen der
Bezugspflege durchgeführt. Das bedeutet, dass eine diplomierte Gesundheits- und
Krankenpflegeperson (DGKP) primär Ansprechpartner, Vertrauensperson und
Manager der zu leistenden Pflege ist. Unterstützend für die Durchführung der Pflege
wird die zuständige Pflegefachkraft eingeteilt. Die Evaluation der Pflege erfolgt
anhand der Pflegedokumentation und der Verlaufskontrollen und erfordert eine
hohe Kompetenz der zuständigen Pflegepersonen (vgl. Krohwinkel, 2013 S. 63-79).
Assessment in der fördernden Prozesspflege
Das Assessment ist die Grundlage für Pflegediagnosen. Es gibt verschiedene
Assessmentinstrumente, Monika Krohwinkel hat speziell für die ABEDL´s ein
eigenes entwickelt. Es beinhaltet vier Überpunkte mit jeweils entsprechenden
Unterpunkten. Der Überpunkt eins beinhaltet, wie die betroffene Person die
Aktivitäten des Lebens realisiert und im Kontext mit existenziellen Erfahrungen
6
umgeht. Zu den Aktivitäten des Lebens zählen kommunizieren, sich bewegen, vitale
Funktionen aufrecht erhalten, sich pflegen, sich kleiden, ausscheiden, essen und
trinken, ruhen und schlafen, sich beschäftigen, die eigene Sexualität leben und für
eine sichere Umgebung sorgen. Im Überpunkt zwei werden die sozialen
Beziehungen im Kontext mit existenziellen Erfahrungen hinterfragt. Im dritten
Überpunkt wird speziell der Umgang mit existenziellen Erfahrung beurteilt, und im
vierten Überpunkt findet die soziale Umgebung im Kontext mit existenziellen
Erfahrungen seinen Platz (vgl. Krohwinkel, 2013 S. 81-85).
Abbildung 1: Assessment am Beispiel, sich als Person bewegen und dabei mit
existenziellen Erfahrungen umgehen (vgl. Krohwinkel, 2013 S. 118).
7
Am Beispiel, sich als Person bewegen und dabei mit existenziellen Erfahrungen
umgehen wird beurteilt, ob Fähigkeiten vorhanden sind oder die betroffene Person
Hilfe benötigt. Unter Anmerkungen findet man den Umgang mit existenziellen
Erfahrungen, Gewohnheiten und Bedürfnissen (vgl. Krohwinkel, 2013 S. 118).
An erster Stelle befasst sich die DGKP damit, wie die Patientin oder der Patient
Bewegungsabläufe selbst gestaltet, die Bewegung symmetrisch und im
Gleichgewicht stattfindet und ob Schmerzen bei Bewegungen geäußert werden.
Sind in diesen Beobachtungen keine Einschränkungen zu beobachten, erfordert es
keine weiteren Maßnahmen. Ansonsten wird der zweite speziellere Teil des
Assessments herangezogen. Es beinhaltet die Beweglichkeit des Kopfes, des
Rumpfes, der Extremitäten und speziell die Beweglichkeit der Gelenke und Muskeln
im Gesicht, im Mund und im Bereich des Schlundes. Hier findet auch die Kinästhetik
ihre Anwendung, da dieses Konzept Bewegungsabläufe und
Bewegungswahrnehmung beinhaltet und fördert (vgl. Krohwinkel, 2013 S. 115-
123).
Das Assessment nach Monika Krohwinkel kann mit verschiedenen
Assessmentinstrumenten erweitert werden. Speziell für die multimorbiden älteren
Personen eignen sich zum Überprüfen der Bewegung der Motilitätstest nach Tinetti,
der Barthel-Index die Esslinger Transferskala oder die Berg-Balance-Skala. Diese
können in die fördernde Prozesspflege aufgenommen und mit dem kinästhetischen
Konzept ergänzt werden. Um kognitive Einschränkungen zu erkennen sind der Mini-
Mendal-Status, der Uhrentest oder das Clifton Assessment Procedere for Elderly
(CAPE) von Bedeutung (vgl. Zeyfang, 2013 S. 42-51).
Barthel-Index deutsche Version / Modified 20-Point Barthel Index
Dieser Test von Mahoney und Barthel beschäftigt sich mit den täglich
durchgeführten Bewegungen aber auch Körperfunktionen und zeigt Defizite in der
Unabhängigkeit auf. Er wurde speziell für den rehabilitativen Bereich entwickelt, ist
aber als modifizierte Version der Test, der in allen Einrichtungen am häufigsten
eingesetzt wird. Die Dauer für die Durchführung beträgt in etwa zehn Minuten und
hat keine spezielle Anforderung an das Pflegepersonal. Das Ergebnis zeigt, welche
Tätigkeiten die Patientin und der Patient durchführt und nicht, welche sie
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durchführen könnten. Ziel dieses Tests ist die Beurteilung der Unabhängigkeit, auch
unter Zuhilfenahme von Hilfsmitteln. Beurteilt werden die Bereiche Essen,
Lagewechsel, Fortbewegung, An- und Ausziehen, Körperpflege, Baden,
Treppensteigen, Toilettenbenutzung sowie Kontrolle des Stuhl- und Harndranges
(vgl. Zeyfang, 2013 S. 78-88).
Motilitätstest nach Tinetti
Mit diesem Assessmentinstrument werden die Gangqualität und der
Gleichgewichtssinn beurteilt. Der Test dauert etwa 10 Minuten und kann von einer
DGKP durchgeführt werden. Beurteilt werden im Kontext der Qualität des
Gleichgewichtes das Sitzen, das Aufstehen vom Stuhl, die Balance in den ersten
fünf Sekunden, die Stehsicherheit, die Balance mit geschlossenen Augen, eine
Drehung um 360 Grad mit offenen Augen, das Ausbalancieren von drei Stößen
gegen die Brust sowie das Hinsetzen. Um die Gangqualität zu messen werden die
Schrittauslösung nach Anweisung beobachtet, die Schritthöhe, die Schrittlänge, die
Schrittsymmetrie, die Gangkontinuität, die Wegabweichung, die Rumpfstabilität
sowie die Schrittbreite (vgl. Zeyfang, 2013 S. 128-132).
Berg - Balance - Skala
Mithilfe dieses Testverfahrens wird ebenfalls Gleichgewicht und Mobilität getestet.
Die Dauer der Durchführung beträgt in etwa fünfzehn Minuten und zeigt die
Wahrscheinlichkeit eines Sturzes oder das Benötigen eines Hilfsmittels auf. Die
diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegeperson gibt Anweisungen, um der
betroffene Person einen Positionswechsel zu ermöglichen. Es werden die
Bewegung vom Sitzen zum Stehen, im Stehen ohne Unterstützung, Stehen mit
geschlossenen Augen, der Transfer, das Aufheben von Gegenständen oder auf
einem Bein stehen beurteilt (vgl. Zeyfang, 2013 S. 114-123).
Esslinger Transferskala
Dieses Testverfahren ermöglicht die Einschätzung der benötigten Hilfestellung, um
einen ungefährdeten und wenig schmerzhaften Transfer zu ermöglichen. Ebenfalls
werden die Stufen der Hilfsbedürftigkeit eingeschätzt. Die Dauer ist individuell nach
der Selbständigkeit der Patientin und des Patienten zu berechnen. Zu den
beurteilten Kriterien gehören der Positionswechsel von Rückenlage in die
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Seitenlage, das Querbettsitzen, das Aufstehen an der Bettkante, der Transfer in den
Sessel, das Aufstehen, das freie Stehen sowie das Gehen und Treppensteigen (vgl.
Sommeregger, 2011 S. 20-21).
Das geriatrische Assessment ist die Basis um älteren Menschen die Pflege zu
ermöglichen, die sie brauchen, ohne sie in ihrer Autonomie einzuschränken. Die
geriatrischen Patienten können in ihrer physischen, psychischen, sozialen und
funktionalen Gesundheit eingeschränkt sein. Das geriatrische Assessment dient der
Informationssammlung und Einschätzung der Hilfestellung, die nötig ist, um den
älteren Menschen in seiner selbstbestimmten Lebensführung zu fördern und zu
unterstützen. Es ist wichtig, eine individuelle geriatrische Assessmentskala zu
verwenden und auch die diplomierten Gesundheits- und Krankenpflegepersonen in
diesen zu schulen, um eine allgemein gültige Auswertung und Beurteilung zu
gewährleisten. Welche der oben genannten verwendet wird, ist patientenbezogen
zu entscheiden und im Bedarfsfall zu wiederholen, um eine Evaluierung der
pflegerischen Maßnahmen zu ermöglichen.
2.2 Kinaesthetics im Kontext fördernde Prozesspflege
Bezugspflege ist das Fundament für die fördernde Prozesspflege und steigert durch
ihre Kontinuität die Qualität der Pflege. Der Verantwortungsbereich liegt sowohl in
der Leitungsebene als auch in der Mitarbeiterebene und beinhaltet die Kontrolle,
das Anleiten und die fachliche Supervision der untergeordneten Pflegepersonen.
Ziel ist es, die Selbständigkeit und das Wohlbefinden der Patientinnen und
Patienten zu erlangen, zu fördern und zu erhalten (vgl. Krohwinkel, 2013 S. 69-79).
Kinaesthetics hat dieselben Anforderungen, das gleiche Ziel und kann deshalb in
Kombination mit der fördernden Prozesspflege eingesetzt werden. Kinästhetik war
ein neuer Begriff in den 80er Jahren, heute wird er durch Kinaesthetics ersetzt.
Lenny Maietta und Frank Hatch schufen ein Konzept, in dem es um
Bewegungswahrnehmung und Bewegungskompetenzen geht. Durch das
Feedback-Controll-System ist es dem Körper möglich, selbst seine Bewegung zu
regulieren und beweglich und selbständig zu sein. In den letzten 20 Jahren
vermitteln Schulungen Pflegepersonen, Angehörigen und Menschen im Alter das
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Spüren der eigenen Bewegung und die Selbstkompetenz, etwas zu verändern, um
Rückenbeschwerden, Verspannungen und Stress entgegen zu wirken (vgl.
Kinaesthetics, o.J. o.S.).
2.2.1 Konzepte der Kinaesthetics
Aufgeteilt ist Kinaesthetics in sechs Konzepte, welche die menschliche Bewegung
und Aktivität von mehreren Seiten betrachten.
Abbildung 2: Konzepte der Kinaesthetics (EKA, 2015 S. 8)
Konzept der Interaktion
Das erste Konzept beinhaltet die Sinne, die Bewegungselemente und die
Interaktionsformen. Die Sinne wie Sehen, Hören, Riechen, Schmecken und Tasten
geben Informationen von außen und stehen immer in Kontakt mit dem
kinästhetischen Sinnessystem, welches die Tiefensensibilität und
Selbstwahrnehmung steuert. Der kinästhetische Sinn ist in jeder Muskelzelle
vertreten und gibt Information über das Spannungsnetz, um dieses zu regulieren.
Die Elemente Raum, Zeit und Anstrengung kommen in jeder Bewegung vor.
Kinaesthetics betrachtet diese jeweils von außen und von innen und sagt aus, dass
sich diese drei Elemente gegenseitig beeinflussen. Die Interaktionsformen nach
Kinaesthetics lassen sich in „gleichzeitig-gemeinsam“, „schrittweise“ und „einseitig“
unterteilen. Die einseitige Interaktionsform sagt aus, ob eine Patientin oder ein
Patient die Bewegung selbständig durchführt oder ob das Pflegepersonal die
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Bewegung ohne Rücksicht auf die Reaktion des Betroffenen arrangiert. Die
schrittweise Interaktionsform ist wie das Telefonieren, die beiden
Interaktionspartner handeln und warten auf die Reaktion des anderen. Es erfordert
eine Anpassungskompetenz und richtet sich auch nach den Bewegungselementen.
Wichtig ist es, der Patientin und dem Patienten so viel wie nötig und so wenig wie
möglich zu unterstützen (vgl. EKA, 2015 S. 11-17).
Konzept der funktionalen Anatomie
Das Konzept der funktionalen Anatomie behandelt die wahrnehmenden Aspekte
des Körpers. Dazu zählen Knochen und Muskeln, Massen und Zwischenräume,
Haltungs- und Transportbewegungsebene sowie die Orientierung. Knochen sind
hart und haben die Aufgabe der Schutz- und Stützfunktion im Körper und halten die
Form. Sie sind auch in der Blutbildung tätig. Muskeln sind veränderbar und sind für
die Bewegung und das Zusammenspielen der Knochen zuständig. Daraus ergibt
sich, dass Knochen Gewicht tragen und Muskeln Gewicht bewegen. Der Körper
besteht aus sieben Massen, die in zentrale und Extremitäten eingeteilt werden.
Zentrale Massen sind der Kopf, der Rumpf, das Becken und haben eine
Schutzfunktion. Zu den Extremitäten zählen die Arme und Beine. Die
Zwischenräume Hals, Taille, Achseln und Leisten sind empfindlich und verhelfen zu
einer Bewegung der Massen. Wichtig ist an Massen zu fassen, um den
Zwischenräumen Platz für die Bewegung zu lassen. Die Haltungsbewegungsebene
fördert die Stabilität und ist in zwei Richtungen möglich, die
Transportbewegungsebene ist instabil und in viele verschiedene Richtungen
möglich. Die Orientierung richtet sich im äußeren Raum nach oben und unten an
die Schwerkraft, sowie nach vorne und hinten an die zentralen Massen. Im Inneren
des Körpers ist der Kopf immer oben und die Füße sind unten. Vorne und hinten
werden nach ihrer Funktion eingeteilt und befinden sich in der Form einer Spirale
im Körper. Die Vorderseite ist weich und besteht aus Muskeln, die Rückseite ist hart,
unempfindlich und dient dem Schutz (vgl. EKA, 2015 S. 19-28).
Konzept der menschlichen Bewegung
Das Konzept der menschlichen Bewegung gliedert sich in Haltungs- und
Transportbewegung sowie in parallele und spiralige Bewegungsmuster. Die
Haltungsbewegung ermöglicht die Bewegung in eine Richtung und gibt den Massen
12
Stabilität. Die Transportbewegung ermöglicht Bewegung in viele Richtungen, ist für
die Bewegung zuständig und hat keine Auswirkung auf benachbarte Massen.
Scharniergelenke wie Knie und Ellenbogen sind in der Haltungsbewegung
angesiedelt und Kugelgelenke wie Hals, Hüfte und Schulter in der
Transportbewegung. Das parallele und spiralförmige Bewegungsmuster ergibt sich
auch der individuellen Nutzung von Haltungs- und Transportbewegung. Das
parallele Bewegungsmuster ist überwiegend eine Haltungsbewegung, da sie nur
wenig Zwischenräume nutzt. Die spiralförmige Bewegung findet man in der
Transportbewegung, da sie den Spielraum der Zwischenräume und Gelenke nutzt
(vgl. EKA, 2015 S. 31-35).
Konzept der Anstrengung
Es gibt zwei verschiedene Anstrengungsarten, Ziehen in Verbindung mit Drücken
von innen und Zug in Verbindung mit Druck von außen. Je gezielter der Zug und
Druck von außen eingesetzt wird, desto leichter fällt es der Patientin und dem
Patienten die Anstrengung zu regulieren. Optimales Zusammenspiel von Ziehen
und Drücken reduziert ebenfalls die Anstrengung der betroffenen Person (vgl. EKA,
2015 S. 37-39).
Konzept der menschlichen Funktion
Das Konzept der menschlichen Funktion spiegelt den Zweck der Bewegung wider.
Es wird in einfache und komplexe Funktionen unterteilt. Die einfache Funktion
beinhaltet die Grundpositionen und beachtet, wie das Gewicht in der Schwerkraft
organisiert ist. Eine gute Grundposition ermöglicht ein längeres Verweilen in dieser
ohne große Anstrengung oder Spannung. Die sieben Grundpositionen sind
Rückenlage, Bauchlage mit Ellenbogenstütz, Schneidersitz, Hand-Knie-Stand,
Einbein-Knie-Stand, Einbeinstand und Zweibeinstand. Um von einer in die nächste
Position zu kommen erfordert es spiralförmige Bewegungsmuster und ein
Zusammenspiel aus Beugen und Strecken. Komplexe Bewegungen sind die
Bewegung am Ort, wobei kein Ortswechsel durchgeführt wird, und der
Fortbewegung. Fortbewegung setzt die Fähigkeit der Gewichtsverlagerung im
Kontext der Schwerkraft voraus (vgl. EKA, 2015 S. 42-49).
13
Konzept der Umgebung
Dieses Konzept sieht eine Wechselwirkung zwischen der Umgebung und der
Aktivität. Entweder die Umgebung wird den Bedürfnissen angepasst oder die
Aktivität an die Umgebung. Die Umgebung sollte so gestaltet sein, dass der Mensch
sie nutzen kann, um aktiv zu werden, Ressourcen zu nutzen und um sich zu
bewegen (vgl. EKA, 2015 S. 53-54).
Kinaesthetics liefert das Werkzeug, die Bildungsfelder, mit dem aktiv an der
Unterstützung der Aktivität gearbeitet wird. Sechs Konzepte, die Lernspirale oder
Einzel- und Partnererfahrungen sind wichtig, um die Selbstwahrnehmung zu fördern
und die Spannung zu regulieren. Kinaesthetics bietet das Konzept, es ist aber ein
Prozess notwendig, um in jeder Situation individuell zu entscheiden, welche
Unterstützung benötigt wird. Auch die Dokumentation ist wichtig, um eine
Unterstützung nachvollziehbar zu machen und Erfolge festzuhalten (vgl. EKA, 2015
S. 57).
2.3 Implementierung von Kinaesthetics in die Pflegepraxis
Es ist wichtig, einen Ansprechpartner für die Begleitung und Implementierung von
Kinaesthetics in den Pflegealltag zu haben. Jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter
absolviert einen Grundkurs als Grundlage. Danach erfolgt die Schulung in der
Praxis, um die Umsetzung der Konzepte zu lernen. Dies geschieht durch die Einzel-
und Partnererfahrung und wird anschließend mit den Bewohnerinnen und
Bewohnern umgesetzt. Wichtig ist es am Anfang festzulegen, aus welchem
Blickwinkel und welche Aktivität beobachtet wird. Mit einer Aufnahme in die
Pflegeplanung erfolgt eine kontinuierliche Qualitätssicherung und es wird anhand
der Dokumentation ersichtlich, welche Fortschritte erzielt werden. In
Gruppenstunden erfahren die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter immer wieder Inputs
aus den Konzepten und können ihre Erfahrungen und Erkenntnisse austauschen.
Die Lernspirale ist ein wichtiger Bestandteil, da die Ausgangssituation, die Wirkung
und das Ziel festgelegt werden, um den Grad der Selbständigkeit und das
Wohlbefinden der Bewohnerinnen und Bewohnern deutlich zu machen. Nach einem
Jahr der Begleitung erfolgt die Prüfung, welche Lernerfolge in der Umsetzung von
14
Kinaesthetics der Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aufzeigen (vgl. Helge, 2014 S.
19-21).
2.3.1 Lernzyklus in der Kinaesthetics
Im folgenden Kapitel erfolgt die Analyse des Lernens in der Kinaesthetics. Es zeigt
auf, wie das Lernen als Methode zur Selbsterfahrung, Partnererfahrung und zur
Anwendung an Bewohnerinnen und Bewohnern stattfindet.
Bewegungserfahrung
In der Einzelerfahrung erfährt die Pflegeperson durch Kinaesthetics-Trainer, den
Fokus auf die eigene Bewegung mit dem Blickwinkel auf ein kinästhetisches
Konzept zu lenken. Ziel ist es, empfindlich auf Veränderungen der
Bewegungsabläufe zu werden und bewusst die Bewegung wahrzunehmen und
durch das kinästhetische Sinnessystem ganzheitlich zu spüren (vgl. EKA, 2010 S.
11).
In der Partnererfahrung erforschen die Pflegepersonen die Bewegungsabläufe der
Einzelerfahrung durch einen Partner. Es ist eine wichtige Methode, um den
Blickpunkt auf die Möglichkeiten der verschiedenen Konzepte zu bringen. Dies
geschieht anhand des Führens und des Geführt werden. Durch Partnererfahrungen
werden die Pflegepersonen sensibel auf die Auswirkung der Bewegung des
Gegenübers (vgl. EKA, 2010 S. 11).
Lernzyklus
Der Lernzyklus gliedert sich in Einstiegsaktivität, Lernaktivität, Integrationsaktivität
und Ausstiegsaktivität. In einem Lernzyklus wird ein Konzept der Kinaesthetics
genauer betrachtet. Durch die verschiedenen Aktivitäten werden die Auswirkungen
und der Verlauf des Lernens beurteilt (vgl. EKA, 2010 S. 18).
In der Einstiegsaktivität wird das zu behandelnde Thema vorgestellt und es wird
festgelegt, auf welches Konzept der Fokus gelegt wird. Da jede Pflegeperson eine
eigene Vorstellung zu dem Thema hat, erfolgt eine Bewegungserfahrung, die man
schriftlich festhält. Die Lernaktivität dient zur Einzel- und Partnererfahrung und
ermöglicht, Unterschiede in den Bewegungen durch Inputs der Kinaesthetics-
15
Trainer zu spüren. In der Integrationsaktivität erfolgt eine Adaptierung an den Alltag
und damit eine Anpassung an die Ressourcen der Bewohnerinnen und Bewohnern.
Mithilfe der Ausstiegsaktivität werden Erkenntnisse und Ideen aus dem Lernprozess
erhoben und ausstehende Fragen geklärt (vgl. EKA, 2010 S. 20-21).
Spirale des Lernens
Die Spirale des Lernens ermöglicht ein Erarbeiten von Bewegungsfertigkeiten im
gesamten Team zum Bewältigen von speziellen Problemen im Alltag der
Bewohnerinnen und Bewohner. Sie gliedert sich in das Tun, das Reflektieren, das
Variieren und das Entscheiden. Grundlage des Tuns ist der Praxisalltag. Die
Pflegepersonen führen den Bewegungsablauf wie gewohnt aus. Dadurch erhält das
übrige Pflegepersonal eine Information über die Bewegung und deren
Auswirkungen. Der zweite Teil, das Reflektieren, dient der Eigenüberprüfung der
Aktivität in der Einzel- und Partnererfahrung. Der Fokus wird auf ein Konzept gelegt.
Das Variieren bietet Möglichkeiten des Probierens, des Veränderns und um
Lösungen zu finden. Zum Schluss entscheidet das Team, wie die neu gewonnen
Kompetenzen in den Praxisalltag aufgenommen werden. Um die Entscheidung zu
überprüfen, beginnt die Spirale wieder mit dem Tun (vgl. EKA, 2010 S. 22-25).
2.3.2 Instrumente in der Kinaesthetics
Neben dem Lernzyklus und der Spirale des Lernens gibt es weitere Instrumente in
der Kinaesthetics, um die Fortschritte und Erkenntnisse zu dokumentieren. In
diesem Kapitel werden das Konzept der Register und die Bildungsfelder erläutert.
Das Konzept Register
Um die Bewegungsabläufe nachzuvollziehen und zu dokumentieren, braucht es ein
Register. Es ist in sechs Kinaesthetics-Konzepte und deren untergeordnete
Konzepte aufgeteilt und bietet Platz, um neue Erkenntnisse, neue
Bewegungserfahrungen und Veränderungen zu dokumentieren. Um die Qualität für
jede Bewohnerin und jeden Bewohner zu gewährleisten, muss das Register für alle
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einsehbar sein und im Pflegeprozess seinen Platz
finden (vgl. EKA, 2010 S. 29).
16
Die Bildungsfelder
Die Bildungsfelder dienen der Überprüfung der Erfolge des Pflegepersonals. Es gibt
sechs Bildungsfelder, die den aktuellen Stand der eigenen
Bewegungskompetenzen im Bezug zum Konzeptverständnis erörtern. Es werden
die eigene Bewegung, das Grundwissen, das Handling, das Konzeptverständnis,
die Organisation und die Lernumgebung hinterfragt. Auch Defizite werden mithilfe
der Bildungsfelder aufgezeigt. Mit dem Feld der eigenen Bewegung erfolgt eine
Überprüfung der Bewegungsbereitschaft jeder einzelnen Pflegeperson und die
Bereitschaft zur Aktivität jedes Einzelnen. Das Feld Grundwissen kontrolliert, wie
Zusammenhänge und Bewegungsabläufe zu den Konzepten passen und inwieweit
das theoretische Wissen im Praxisalltag umgesetzt werden kann. Das Handling
dient dem Nachweis im Umgang mit der eigenen Bewegung und dem
Nachvollziehen und Spüren der Veränderung während einer Aktivität. Mit dem Feld
des Konzeptverständnisses werden das theoretische Wissen und das
zusammenhängende Denken überprüft. Wichtig in den Bildungsfeldern ist auch die
Organisation. Sie dient als Grundlage, wie gut das gesamte Team und die
Führungskräfte den Umgang des Konzeptes der Kinaesthetics bewerkstelligen.
Weiters werden hier auch das Einbeziehen von Bezugspersonen, die
Lerngestaltung und das Ausmaß der Unterstützung seitens der Organisation
beurteilt. Im Bereich der Lernumgebung wird die Anpassungsfähigkeit aller
Beteiligten an das Konzept der Kinaesthetics kontrolliert (vgl. EKA, 2010 S. 26-28).
2.3.3 Bewegungskompetenz und Gesundheitsentwicklung
Unter Bewegungskompetenz versteht man die Anpassungsfähigkeit der
Bewegungsabläufe an Veränderungen im alltäglichen Leben. Es erfolgt die
Beurteilung nicht quantitativ, sondern anhand der Bewältigungsstrategien im
Umgang mit dem eigenen Bewegungspotentiales. Es ist ein Prozess der Erfahrung
und des Lernens, welches in jedem Lebensalter möglich ist. Auch
Beeinträchtigungen können durch Anpassung und Lernen zu einem hohen
qualitativen Bewegungspotential führen. Präventiv bietet Kinaesthetics eine
Grundlage zum besseren Verständnis der eigenen Aktivität und dadurch der
Selbstständigkeit. Durch das theoretische Wissen des Konzeptsystems und der
Feedback-Kontroll-Theorie erfolgt über einen Lernprozess die Grundlagenbildung
17
für das kinästhetische Konzept. Alle Aktivitäten des täglichen Lebens erfolgen durch
Bewegung. Durch Förderung und Anbieten von verschiedenen Varianten ermöglicht
die Kinaesthetics ein hohes Maß an Selbstkompetenz im Umgang mit der eigenen
Bewegung und der Bewegungsunterstützung an Bewohnerinnen und Bewohnern.
In allen Lebensphasen erfolgt ein Lernen der Bewegungskompetenz. Besonders im
Säuglings- und Kindesalter entwickeln sich Möglichkeiten der Bewegung, die als
Jugendlicher und Erwachsener gefestigt und an Interaktionen angepasst werden.
Durch den Alterungsprozess erfolgt eine Abnahme der Muskelmasse und es
verändert sich die Bewegungsbereitschaft. Durch eine Umgebungsgestaltung und
Förderung der eigenen Bewegungsmöglichkeiten gelingt eine Selbständigkeit und
Anpassungsfähigkeit bis ins hohe Alter (vgl. EKA, 2010 S. 30-37).
Um ein fundiertes Grundwissen zu erlangen und die Möglichkeiten des
kinästhetischen Konzeptsystems im Praxisalltag einzubringen, ist es in einer
Organisation erforderlich, eine Teilnahme an Grund- und Aufbaukursen für das
Pflegepersonal zu gewährleisten, aber auch für die Führungskräfte anzubieten. Nur
so kann eine Qualitätssicherung und Förderung der Bewohnerinnen und Bewohner
sichergestellt sein.
3 Ausbildung zur Kinaesthetics-Anwenderin und zum
Kinaesthetics-Anwender in Österreich
In diesem Kapitel erfolgt eine Recherche der Ausbildungsmöglichkeiten und
gesetzliche Grundlagen für Pflegepersonal, welche von Kinaesthetics Österreich
angeboten werden. Erläutert werden auch Möglichkeiten der Schulung für ältere
Menschen und Angehörige, die im Bewegungskonzept der Kinaesthetics
Erfahrungen sammeln und diese im Lebensalltag umsetzen.
3.1 Gesetzliche Grundlagen für Diplomiertes Gesundheits- und
Krankenpflegepersonal
Es gibt eine gesetzliche Grundlage zu Fort- und Weiterbildungen laut dem
Gesundheits- und Krankenpflegegesetz (GuKG), welche unter Abschnitt 5 § 63 und
18
§ 64 zu finden sind. In diesem Abschnitt der Arbeit wird die gesetzliche Grundlage
der Fortbildung erläutert und die Möglichkeiten einer Förderung für die Teilnahme
im Rahmen der Kinaesthetics aufgezeigt. Die Teilnahme an einem Trainerkurs fällt
unter die gesetzlichen Grundlagen der Weiterbildung.
Fortbildung
„§ 63. (1) Angehörige des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und
Krankenpflege sind verpflichtet, zur
1. Information über die neuesten Entwicklungen und Erkenntnisse
insbesondere der Pflegewissenschaft sowie der medizinischen Wissenschaft
oder
2. Vertiefung der in der Ausbildung erworbenen Kenntnisse und Fertigkeiten
innerhalb von jeweils fünf Jahren Fortbildungen in der Dauer von mindestens
40 Stunden zu besuchen.
(2) Über den Besuch einer Fortbildung ist eine Bestätigung auszustellen.“
(Bundeskanzleramt Rechtsinformationssystem, 2016 S. 32)
Weiterbildung
„§ 64. (1) Angehörige des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und
Krankenpflege sind berechtigt, Weiterbildungen zur Erweiterung der in der
Ausbildung erworbenen Kenntnisse und Fertigkeiten zu absolvieren. Diese
haben mindestens vier Wochen zu umfassen.
(2) Weiterbildungen gemäß Abs. 1 können im Rahmen eines
Dienstverhältnisses erfolgen.
(3) Die Abhaltung von Weiterbildungen gemäß Abs. 1 bedarf der Bewilligung
des Landeshauptmannes. Die Bewilligung ist zu erteilen, wenn die
organisatorischen und fachlichen Voraussetzungen für die Vermittlung der den
Berufserfordernissen entsprechenden Kenntnisse und Fertigkeiten
gewährleistet sind.
(4) (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 80/2013)
(5) Nach Abschluß [sic!] einer Weiterbildung gemäß Abs. 1 ist eine Prüfung
abzunehmen. Über die erfolgreich abgelegte Prüfung ist ein Zeugnis
auszustellen.
(6) Die erfolgreiche Absolvierung einer Weiterbildung berechtigt zur Führung
einer Zusatzbezeichnung gemäß § 12 Abs. 4.“ (Bundeskanzleramt
Rechtsinformationssystem, 2016 S. 32)
Eine Förderung der Teilnahme an einem Kinaesthetics Grund- und Aufbaukurs kann
über den Arbeitgeber erfolgen, welcher einen Zuschuss beim AMS über die
Qualifizierungsförderung für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geltend machen kann,
19
oder durch Zuschüsse der jeweiligen Landesregierungen. Die Voraussetzung in den
Ländern ist jeweils unterschiedlich, es gilt keine einheitliche Regelung. Auch eine
Selbstzahlung ist möglich (vgl. Kinaesthetics Bildungsangebote, o.J. o.S.).
3.2 Bildungsweg in der Kinaesthetics
Die Ausbildung zur Kinaesthetics-Anwenderin und zum Kinaesthetics-Anwender
beginnt mit dem Grund- und Aufbaukurs. Diese Kurse bilden die Grundlage und das
theoretische Wissen, um Kinaesthetics anzuwenden. Anschließend besteht die
Möglichkeit einen Peer-Tutoring-Kurs zu absolvieren. Als
Weiterbildungsmöglichkeit und somit auch als Qualifizierung im Bereich der
Kinaesthetics bietet sich die Trainerausbildung in drei Stufen an. Erst ab Trainer
Stufe 1 zählt die Anwenderin und der Anwender als Experte im Bereich der
Kinaesthetics im Pflegealltag, ab der Stufe 2 ist die Trainerin oder der Trainer
befähigt, selbst Grundkurse abzuhalten (vgl. Kinaesthetics Bildungsangebote, o.J.
o.S.).
Grundkurs Pflege
Der Grundkurs dient als Basis der Entwicklung der eigenen Bewegungskompetenz.
Er ist in 24 Stunden theoretische Schulung und dazwischenliegenden praktischen
Lernphasen aufgeteilt. Pflegepersonen sind die Zielgruppe des Grundkurses
Pflege. Inhalt des Grundkurses ist es, die sechs Kinaesthetics-Konzepte im Kontext
der eigenen Bewegung zu erarbeiten und auf die Bewohnerinnen und Bewohner
abzuleiten. Ein Zertifikat von Kinaesthetics Österreich dient als
Kompetenznachweis nach Abschluss des Kurses und ermöglicht eine Teilnahme
am Aufbaukurs (vgl. Kinaesthetics Basiskurse, o.J. o.S.).
Aufbaukurs Pflege
Die Aktivitäten des Lebens stehen im Mittelpunkt des Aufbaukurses. Mithilfe der
Spirale des Lernens erfahren die Teilnehmer mit Fokus auf das Kinaesthetics-
Konzept, die Bewegungskompetenzen und Erfahrungen des Grundkurses zu
vertiefen und in den Alltag miteinzubeziehen und gezielt anzuwenden. Er besteht
wie der Grundkurs aus 24 Stunden Theorie und praktischen Lernphasen. Das
20
Zertifikat am Ende des Kurses ermöglicht die Teilnahme am Peer-Tutoring-Kurs und
an der Ausbildung zum Trainer Stufe 1 (vgl. Kinaesthetics Basiskurse, o.J. o.S.).
Peer-Tutoring-Kurs
Diese Ausbildung ermöglicht den Teilnehmerinnen und Teilnehmern eine
übergeordnete Rolle in der Anwendungsmöglichkeit von Kinaesthetics zu erlangen,
mithilfe der Kolleginnen und Kollegen eine Handlungskompetenz im Berufsalltag zu
definieren und für die Bewohnerinnen und Bewohner eine Bewegungskompetenz
zu erarbeiten, dokumentieren und evaluieren. Die Dokumentation und Analyse der
Bewegungskompetenz pflegebedürftiger Personen steht im Mittelpunkt des Kurses,
ebenso die Entwicklung der Handlungskompetenzen der Kolleginnen und Kollegen.
Die Kursdauer beträgt 42 Stunden Theorie mit praktischen Lernphasen. Das Peer-
Tutoring-Zertifikat ist eine befähigt die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zur
Ausbildung zum Trainer Stufe 1 (vgl. Kinaesthetics Basiskurse, o.J. o.S.).
Trainer Stufe 1
Für die Ausbildung zum Experten für Kinaesthetics müssen bestimmte
Voraussetzungen gegeben sein. Es bedarf einer beruflichen abgeschlossenen
Ausbildung im Gesundheits-, Bildungs- oder Sozialwesen. Die Absolvierung eines
Grund- und Aufbaukurses, optionalerweise auch des Peer-Tutoring-Kurses, ist
unerlässlich für die Aufnahme, ebenso wie ein Empfehlungsschreiben des
Arbeitgebers. Eine Aufnahmekommission überprüft die Bewerbungsunterlagen und
entscheidet über die Aufnahme in die Ausbildung. Verschiedenen Methoden des
Lernens ermöglichen eine breitgefächerte Bildungsmöglichkeit mit dem Ziel, dieses
Wissen individuell und unterstützend für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
einzusetzen. Ziel ist eine Zusammenarbeit mit der Führungsebene zur
Qualitätssicherung. Die Ausbildung besteht aus fünf Etappen mit insgesamt 160
Stunden Präsenszeit und 335 Stunden eigenständiges Lernen. In den Etappen
werden die Fragen
was ist Kinaesthetics,
wie wirkt sich Kinaesthetics aus,
warum ist Kinaesthetics als Entwicklung der Bewegung anzunehmen und
wo und wozu dient Kinaesthetics
21
beantwortet, hinterfragt und als Grundlage in die Handlungskompetenz integriert.
Die Teilnehmer sind verpflichtet, während der Ausbildung mindestens 4 Stunden
pro Woche das theoretische Wissen in die Praxis umzusetzen, zu dokumentieren
und zu evaluieren. Die Absolventen agieren in Fachgruppen und im Kinaesthetics-
Netzwerk und nehmen an verpflichtenden zweijährlichen Fortbildungen der EKA teil
(vgl. Kinaesthetics Bildungskalender, 2016 o.S.).
Trainer Stufe 2
Die Ausbildung zum Trainer Stufe 2 erfordert den Abschluss der Trainerausbildung
1 und erfolgt auch über eine Aufnahmekommission. Sie dient der Vertiefung des
Konzeptes und der Lerngestaltung für Grundkurse. In fünf Etappen werden
Handlungs- und Bewegungskompetenz mithilfe von Methoden der Einzel- und
Partnererfahrung sowie von Lerngruppen erweitert. Den Abschluss bildet eine
Supervision während des eigenständigen Abhaltens eines Grundkurses. Die
Ausbildung besteht aus 192 Stunden Präsenzzeit und 373 Stunden
eigenverantwortlichen Lernens. Trainer Stufe 2 sind gesetzlich in der Lage, auf
selbständiger Basis Grundkurse abzuhalten (vgl. Kinaesthetics Bildungskalender,
2016 o.S.).
Trainer Stufe 3
Um Grund- und Aufbaukurse abhalten zu können bedarf es der Ausbildung zum
Trainer Stufe 3. In sechs Etappen werden die Kompetenzen vertieft und analysiert,
um den Kursteilnehmerinnen und Kursteilnehmern in Grund- und Aufbaukursen
eine adäquate Basisausbildung anbieten zu können. 2016 wird die Ausbildung zur
Trainer Stufe 3 von der EKA nur in der Schweiz angeboten. In 168 Stunden
Präsenzzeit und 354 Stunden eigenverantwortliches Lernens erfahren die
Auszubildenden eine Vielzahl an Möglichkeiten der Lerngestaltung, der Lernphasen
und des kinästhetischen Curriculums (vgl. Kinaesthetics Bildungskalender, 2016
o.S.).
Kursangebote von Kinaesthetics Österreich
Kinaesthetics Österreich bietet einen „Grund- und Aufbaukurs für Infant Handling“
an. Hier steht die Entwicklung und Bewegungsförderung von Neugeborenen und
Kleinkindern im Mittelpunkt. Pflegepersonen erfahren anhand der sechs
22
Kinaesthetics-Konzepte eine Handlungskompetenz, um Säuglinge und Kleinkinder
in ihrer Bewegung zu fördern und sie in ihren Lebensaktivitäten wie schlafen, trinken
oder ausscheiden zu unterstützen.
„Kinaesthetics in der Erziehung“ ist ein Kurs für Pädagoginnen und Pädagogen, die
den Kindern einen Bewegungsspielraum geben, um sich selbst aber auch die
Umwelt wahrzunehmen. Anhand der sechs Kinaesthetics-Konzepte erfahren die
Kursteilnehmerinnen und Kursteilnehmer, wie Kinder unterstützt werden können,
um Erfahrungen zu sammeln und an Selbstsicherheit zu gewinnen. Nicht nur die
Bewegung der Kinder steht im Vordergrund, auch die eigene Haltung und
Bewegungsmuster werden analysiert, da diese in der nonverbalen Kommunikation
eine große Rolle spielen.
„Kinaesthetics Pflegende Angehörige“ ist ein Kursangebot für die Pflege zu Hause.
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ohne professionelle Ausbildung können in
einem Grund- und Aufbaukurs Möglichkeiten erlernen, auf die eigene Bewegung
und Gesundheit zu achten und den pflegebedürftigen Angehörigen die nötige
Unterstützung anzubieten. Da es eine große Herausforderung darstellt,
Familienangehörige zu pflegen, bietet Kinaesthetics zahlreiche Methoden der
Bewältigung der alltäglichen Lebensaktivitäten.
Im Kurs „Gesundheit am Arbeitsplatz“ können Arbeitskräfte jeder Branche eine
Bewegungskompetenz erlernen, die für Gesundheit, Produktivität und Stabilität im
Arbeitsalltag und im Privatleben von Nutzen sind.
Der Kurs „Kinaesthetics Lebensqualität im Alter“ richtet sich an ältere Menschen,
die in ihrer Bewegungskompetenz gestärkt werden, um auch bei Defiziten in der
Mobilität eine individuelle Möglichkeit der Selbständigkeit zu bewahren (vgl.
Kinaesthetics Programme, o.J. o.S.).
Im organisatorischen Bereich gibt es die Möglichkeit zur „Ausbildung einer
Kinaesthetics Beraterin und eines Kinaesthetics Beraters“. Diese Ausbildung gibt es
seit 2009 über die EKA und beinhaltet die sechs Kinaesthetics-Konzepte, aber auch
organisatorische Bereiche, um innerbetrieblich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
und die Führungsebene von der Qualität und Verantwortung gegenüber der
Bewegung nachhaltig zu fördern. Neben pädagogischen Aufgaben steht die
Motivation und Beraterkompetenz im Vordergrund (vgl. Kinaesthetics Beraterin, o.J.
o.S.).
23
4 Qualitätssicherung und Nutzen für den Arbeitgeber und die
Bewohnerinnen und Bewohner in Langzeiteinrichtungen
Für jeden Betrieb in der Langzeitpflege kann es nur von Vorteil sein, seine
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in ihrem eigenen Gesundheitsbewusstsein zu
stärken. Kinaesthetics bietet ein Konzept, um die eigene Bewegungskompetenz zu
erweitern und so die Handlungskompetenz für die Bewohnerinnen und Bewohner
individuell einsetzbar zu machen. Für das Einführen von Kinaesthetics in
Langzeiteinrichtungen müssen alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einen
Grundkurs absolviert haben. Grundkurskenntnisse alleine eignen sich aber nicht,
um Bewohnerinnen und Bewohner ausreichend zu unterstützen. Dazu bedarf es
eines Peer-Tutoring-Kurses oder der Ausbildung zum Trainer Stufe 1. Mindestens
eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter muss diese Ausbildung absolviert haben, um
Kinaesthetics nachhaltig in den Arbeitsalltag zu integrieren. Um diesen
Mehraufwand auch sichtbar zu machen, gibt es die Möglichkeit der Kinaesthetics-
Auszeichnung oder der Zertifizierung im Rahmen des NQZ.
4.1 Qualitätssichernde Maßnahmen in der Langzeitpflege
In Österreich ist die Qualitätssicherung im Gesundheitswesen im Artikel 7 der
Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG Zielsteuerung-Gesundheit festgelegt. In Absatz
1 und 2 stehen die Grundvoraussetzungen einer Qualitätssicherung und sind mit
den Mindestanforderungen eines Qualitätsmanagements vergleichbar (vgl.
Bundesgesetzblatt für die Republik Österreich, 2013 S. 6).
„(1) Die Arbeiten zum Aufbau, zur Weiterentwicklung, zur Sicherung und
Evaluierung eines flächendeckenden österreichischen Qualitätssystems
haben bundeseinheitlich, bundesländer-, sektoren- und berufsübergreifend,
insbesondere auch einschließlich des niedergelassenen Bereichs, zu
erfolgen. Teil des Qualitätssystems sind dabei auch Maßnahmen zur
Patientensicherheit, Qualitätsentwicklung und Qualitätsförderung. Sämtliche
Festlegungen zum Qualitätssystem haben jedenfalls auch den Anforderungen
der Zielsteuerung-Gesundheit und insbesondere dem darin vorgesehenen
Monitoring zu entsprechen. Qualitätsarbeit hat auch einen wesentlichen
Beitrag zur mittel- bis langfristigen Steigerung der Effektivität und Effizienz im
24
Gesundheitswesen zu leisten und somit zur Verbesserung der
Gesundheitsversorgung der Bevölkerung und zu deren langfristigen
Finanzierbarkeit beizutragen.
(2) Die österreichische Qualitätsarbeit hat die Ebenen der Struktur-, Prozess-
und Ergebnisqualität auf Grundlage des Gesundheitsqualitätsgesetzes, BGBl.
I Nr. 179/2004 in der jeweils geltenden Fassung, des Bundes zu umfassen.
Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität haben in einem direkten und
ausgewogenen Verhältnis zu einander zu stehen, wobei die Entwicklung bzw.
Weiterentwicklung von Ergebnisqualitätsindikatoren und deren Messung in
allen Sektoren des Gesundheitswesens vorrangig ist.“ (Bundesgesetzblatt für
die Republik Österreich, 2013, S. 6)
Um den Mehraufwand durch das Integrieren von qualitätssichernden und
gesundheitsfördernden Maßnahmen nach Kinaesthetics sichtbar zu machen, gibt
es die Möglichkeit der Kinaesthetics-Auszeichnung oder der Zertifizierung im
Rahmen des NQZ für Alten- und Pflegeheime in Österreich.
4.1.1 Kinaesthetics-Auszeichnung
Um eine Kinaesthetics-Auszeichnung zu erhalten, muss das Kinaesthetics-
Assessment für Organisationen erfüllt werden. Es besteht aus vier Schritten. Schritt
1 ist das erste Assessment, welches die Ist-Situation darlegt. Beantwortete Fragen
reichen vom Wissensstand der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über sichtbare
Auswirkungen in der Anwendung bis hin, welche Ziele die Organisation noch
erreichen will. Anhand dieser Fragen wird im zweiten Schritt ein Projekt gestartet,
um eine Weiterentwicklung zu gewährleisten und schriftlich festzulegen. Im dritten
Schritt geht es um die Umsetzung der geplanten Ziele. Den Abschluss bildet das
zweite Assessment, in dem die Maßnahmen evaluiert und Erfolge aufgezeigt
werden oder das Team „Interventionen neu definiert“ in den Arbeitsalltag aufnimmt.
Den Ablauf des gesamten Assessments überwacht eine Kinaesthetics-Beraterin
bzw. ein Kinaesthetics-Berater. Ist das Assessment positiv abgeschlossen kann
eine Kinaesthetics-Auszeichnung angestrebt werden (vgl. Kinaesthetics-
Assessment, o.J. o.S.).
Die Kinaesthetics-Auszeichnung erfolgt durch eine Kinaesthetics-Beraterin oder
einen Kinaesthetics-Berater, welche das Kinaesthetics-Assessment mit dem
25
praktischen Tun vergleichen. Die Dauer der Überprüfung beträgt einen Tag und die
Beraterin bzw. der Berater schreiben einen Bericht über den Ablauf und das
Einbringen von Kinaesthetics in den Arbeitsalltag. Nach positivem Abschluss erfolgt
eine feierliche Übergabe der Auszeichnung nur die EKA (vgl. Kinaesthetics-
Auszeichnung, o.J. o.S.).
4.1.2 Nationales Qualitätszertifikat für Alten- und Pflegeheime in Österreich
Das Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz erließ 2013
ein Bundesseniorengesetz um die Qualität der Alten- und Pflegeheime auf
nationalen Standard beurteilen zu können. Jede Pflegeeinrichtung kann sich
freiwillig zertifizieren und nach 3 Jahren rezertifizieren lassen. Grundvoraussetzung
ist ein von NQZ genehmigtes Qualitätsmanagement-System, welches zur
Selbstüberprüfung dient. Ein Antrag zur Zertifizierung ist an die zuständige
Landesregierung zu stellen, da diese die Zustimmung erteilt und einen Teil der
Kosten übernimmt. Fehlt die Zustimmung oder die Kostenübernahme, kann eine
Zertifizierung nicht erfolgen. Ausgebildete Zertifizierungsberechtigte und
Zertifizierungsunternehmen werden vom Bundesministerium gestellt und
überwachen den gesamten Ablauf, welcher aus sechs Schritten besteht. Die
Anfrage für die Zertifizierung an die Landesregierung ist die Grundvoraussetzung
für das Einreichen der Zertifizierungsunterlagen an die Zertifizierungseinrichtung. In
einer Vorprüfung werden alle Unterlagen gesichtet und auf Vollständigkeit geprüft.
In einem Vor-Ort-Besuch werden an zwei Tagen Gespräche mit der Führung, mit
den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie mit den Bewohnerinnen und
Bewohnern geführt. Ein Hausrundgang ist ebenfalls erforderlich. Nach einem
Punktesystem werden Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität beurteilt und in
einem Abschlussgespräch mit der Führungsebene besprochen. Im Rahmen des
Abschlusses der Zertifizierung erfolgt eine Berichterstattung über den Vor-Ort-
Besuch und dessen Punktebewertung. Bei Punkteabzügen werden
Verbesserungsvorschläge eingebracht, bei einer Nullpunktebewertung müssen
Nachbesserungen erbracht werden, um eine positive Beurteilung zu bekommen.
Die Zertifizierungsurkunde wird im Rahmen einer Feier im Bundesministerium an
die Führungskräfte überreicht. Eine Rezertifizierung ist nach drei Jahren
erforderlich, da ansonsten das Zertifikat seine Gültigkeit verliert. Mit einer
26
Veröffentlichung aller zertifizierten Alten- und Pflegeheime in Österreich ist eine
Transparenz und ein Konkurrenzdenken ermöglicht worden. Dies trägt zu einer
Verbesserung der Qualität in Pflegeeinrichtungen bei (vgl. Bundesministerium für
Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, 2014 S. 5-18).
Mindestanforderungen an Qualitätsmanagementsysteme
Im Rahmen des Bundes-Zielsteuerungsgesetzes Gesundheit wurde eine
Mindestanforderung an Qualitätsmanagementsysteme eingeführt.
Arbeitszufriedenheit für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Lebensqualität der
Bewohnerinnen und Bewohner und eine Strukturqualität für den Betrieb sind
Grundvoraussetzungen eines guten Qualitätsmanagements. Um die Qualität zu
sichern erfordert es technische und betriebliche Maßnahmen, welche der
Dienstleistung an den zu Pflegenden dienen. Einen hohen Standard an Qualität
erreicht der Betrieb durch einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess und eine
Fehlerbehebung, welche durch ein Risikomanagement erhoben werden. Es gibt
international und in Österreich viele Qualitätsmanagementsysteme, wie die
International Organisation for Standardication (ISO 9001), der Kooperation für
Transparenz und Qualität im Gesundheitswesen (KTQ), dem Österreichischen
Qualitätsmanagement (ÖQM) oder der European Foundation for Quality
Management (EFQM), welche von den Einrichtungen implementiert werden. Ziele
eines Qualitätsmanagements sind die Qualitätssicherung und
Qualitätsverbesserung, die systematische Patientenorientierung, die
Arbeitszufriedenheit, die objektive Darstellung von Abläufen, das Erkennen von
Problemen und das Mitwirken aller Beteiligten. Wichtig ist, die Ergebnisse auch
messbar und vergleichbar zu machen (vgl. Gesundheit Österreich, 2014 S. 1-4).
Kriterien eines Qualitätsmanagementsystems
Wichtige Kriterien eines Qualitätsmanagementsystems sind die
Strukturqualitätskriterien. Verantwortlich dafür ist die Führung der Organisation, da
sie den strukturellen Aufbau mittels Organigramm und Funktionsbeschreibungen
erstellen. Qualitätsziele und Qualitätsstrategien fallen ebenfalls unter
Strukturqualität und werden anhand des Do-Plan-Check-Act Modus evaluiert. Ein
hoher Stellenwert gilt dem Informationswesen. Eine regelmäßige
Informationsweitergabe bedeutet eine Qualitätssicherung und wird anhand von
27
Qualitätsleitlinien und Bundesqualitätsleitlinien schriftlich vereinheitlicht. Eine Pflicht
des gehobenen Dienstes ist die Dokumentation und der Datenschutz. In der
Strukturqualität werden der Umgang mit datenschutzrechtlichen Unterlagen, der
Ablauf der Dokumentation sowie die Aufklärung aller Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter über die Verschwiegenheitspflicht festgelegt. Ein weiterer Punkt des
Qualitätsmanagements sind die einheitliche Regelung der Prozesse und Leistungen
anhand von Checklisten, Prozessbeschreibungen und Definitionen von Prozessen
in der Patientenversorgung. Ein Notfallmanagement ist ebenso Bestandteil wie ein
Risikomanagement, welche Fehler minimieren und eine einheitliche Regelung im
Umgang mit risikoreichen Tätigkeiten bieten, um für die Patientensicherheit und
Mitarbeitersicherheit zu sorgen. Ein Qualitätsmanagementsystem ist
patientenorientiert und umfasst ein Beschwerdemanagement, sowie die
Patientenrechte wie Aufklärung und Information. Für die Mitarbeiterorientierung ist
eine Qualifikation durch Fort- und Weiterbildungen sowie Schulungen für den
richtigen Umgang mit medizinischen Produkten von hoher Bedeutung. Eine
Messung der Mitarbeiterzufriedenheit durch Befragungen bietet sich als
Qualitätssicherung an. Um eine Transparenz und Ergebnisqualität zu gewährleisten
ist eine regelmäßige Berichterstattung sowie eine kontinuierliche Weiterentwicklung
und Verbesserung von Qualitätsmaßnahmen erforderlich (vgl. Gesundheit
Österreich, 2014 S. 14).
Qualitätsmanagementsystem am Beispiel EFQM
Die European Foundation for Quality Management besteht seit 1989 und bietet
Pflegeeinrichtungen eine eigenständige Selbstbewertung, welche von dem NQZ
anerkannt wird. Neun Themen werden von EFQM bearbeitet und beinhalten die
Führung, die Strategie, alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Ressourcen,
Prozesse, Dienstleistungen sowie kundenbezogene, mitarbeiterbezogene und
gesellschaftliche Ergebnisse. Die EFQM bietet sich an, da eine gute
Vergleichbarkeit gewährleistet wird und alle Beteiligten in den Prozess eingebunden
werden. Die Auswertung erfolgt in Zahlen und ermöglicht ein Vergleichen von
Fakten, zeigt aber auch ein Verbesserungspotential auf (vgl. Gesundheit
Österreich, 2014 S. 5-7).
28
4.2 Nutzen für den Arbeitgeber und die Bewohnerinnen und Bewohner in
Langzeiteinrichtungen
Die Bewegungskompetenz der Bewohnerinnen und Bewohnern in
Langzeiteinrichtungen zu fördern fällt in das Aufgabengebiet der Pflege. In
Kinaesthetics Fachtagungen stellen Expertinnen und Experten die Mobilität ins
Zentrum der Autonomie der Pflegebedürftigen. Teilnehmerinnen und Teilnehmer
erfahren am eigenen Körper den Unterschied in der Bewegung und erhalten Inputs
anhand von Präsentationen, die die Entwicklung von der Bewegungskompetenz in
pflegerischen Tätigkeiten widerspiegeln und somit den Nutzen für Bewohnerinnen
und Bewohner darlegen (vgl. Claas, 2015 S. 49-50).
Kinaesthetics-Alltag in Langzeiteinrichtungen
Sturzgeschehen stellen eine Gefahr für Bewohnerinnen und Bewohnern in
Langzeiteinrichtungen dar. Oft kommt es zu schwerwiegenden Verletzungen oder
zu ängstlichen Verhaltensmustern bei der betreffenden Person. Durch Vermeiden
von Stolperfallen soll dem entgegengewirkt werden. Gerade das Fehlen von
verschieden Untergründen verhindert, dass sich die Bewohnerinnen und Bewohner
in Langzeiteinrichtungen mit der eigenen Bewegungskompetenz
auseinandersetzen müssen. Sind diese Maßnahmen zu wenig und es kommt
weiterhin zu Stürzen, wird eine freiheitsbeschränkende Maßnahme diskutiert.
Pflegepersonen bringen nach Anordnung Bettgitter an oder versehen den Rollstuhl
mit einer Platte und verhindern dadurch eine erneute Verletzung. Pflegepersonen,
welche sich nicht mit Kinaesthetics beschäftigen, sehen darin die einzige
Möglichkeit, die betreffende Person vor Verletzungen zu schützen. Kinaesthetics ist
der Meinung, dass ein Sturz eine Art der Fortbewegung ist und keine Erkrankung.
Es muss nur den älteren Menschen die Chance zur Nutzung ihrer eigenen
Bewegungskompetenz gegeben werden. Denn nur so können sie in ihrer
Selbstverantwortung gestärkt werden. Die Fortbewegung erfordert eine ständige
Korrektur, da wir uns gegen die Schwerkraft bewegen. Den Bewohnerinnen und
Bewohnern von Langzeiteinrichtungen muss eine Möglichkeit zum Erlernen von
Fähigkeiten gegeben werden, um eine Anpassung an die eigenen
Bewegungsmuster jederzeit zu gewährleisten. Nur so können Sturzgeschehen
vermieden werden. Da ältere Menschen aufgrund ihrer Multimorbidität mit
29
Einschränkungen leben, bietet Kinaesthetics individuelle Angebote und
Fertigkeiten, die eine Selbstständigkeit und Freiheit der Bewegung ermöglichen
(vgl. Grasberger, Knobel, 2011 S. 4-8).
Gruppenstunden zum Thema Bewegung werden in vielen Einrichtungen, die sich
mit Kinaesthetics beschäftigen, angeboten. Unter Berücksichtigung der
altersbedingten körperlichen Veränderungen erfahren die Teilnehmerinnen und
Teilnehmer ein individuelles Angebot in ihrer Bewegungskompetenz. Ziel der
Gruppenstunden ist es, Stürze zu vermeiden und die Bewohnerinnen und Bewohner
in einer Richtung der Sturzprävention zu schulen. Ältere Menschen dürfen stürzen,
wie sie sich dabei nicht verletzen, lernen sie in den Übungsstunden. Alle
Teilnehmerinnen und Teilnehmer begeben sich auf den Boden und stehen
individuell in ihren eigenen Möglichkeiten über die Grundpositionen wieder auf. Die
Kinaesthetics-Begleitung gibt Hilfestellung, wo eine benötigt wird oder setzt
Impulse, um eine neue Bewegungserfahrung zu ermöglichen. Je öfter die
Bewohnerinnen und Bewohner an den Gruppenstunden teilnehmen, desto mehr
setzen sie sich mit ihrer eigenen Bewegungskompetenz auseinander und können
selbst entscheiden wo sie noch Unterstützung brauchen. In Etappen werden Wissen
und Fertigkeiten in Bezug auf die Aktivitäten des täglichen Lebens sowie des
Positionswechsels vermittelt (vgl. Prassé, 2016 S. 19-24).
Kinaestheticsanwenderinnen und Kinaestheticsanwender in Langzeiteinrichtungen
haben das Grundwissen, um dieses an Bewohnerinnen und Bewohner
weiterzugeben. Kinaesthetics bietet ein Konzept der Wahrnehmung, des Wählens,
des Handelns, der Erfahrung, des Reflektierens, des Lernens, des Wachsens, des
Überschreitens und des Vergessens. Wahrnehmung bedeutet für die
Bewohnerinnen und Bewohner sich mit der Umwelt auseinanderzusetzen und
bewusst die eigene Bewegung anzupassen. Sie können dann wählen, worauf sie
ihren Fokus legen und mithilfe des Handelns neue Bewegungsmuster erlernen und
festigen. Diese Erfahrungen werden in Gruppen reflektiert und diskutiert. Mit
Überschreiten versucht Kinaesthetics das Bewegungsverhalten zu erweitern, um
mehrere Möglichkeiten der Bewegung zu erfahren. Durch das Vergessen von alten
Bewegungsmustern können neue Bewegungskompetenzen in die Aktivitäten des
täglichen Lebens integriert werden (vgl. Haas, 2015 S. 26-28).
30
Wirtschaftlicher Nutzen von Kinaesthetics in Langzeiteinrichtungen
Eine zusammenfassende Darstellung der Dissertation „Wirtschaftlicher Nutzen von
Kinaesthetics und die Bedeutung für Diakonie und Gesundheitsökonomie“ gibt
Einblick in die Kosten, die Auswirkungen und die Ziele von Kinaesthetics im
Gesundheitswesen für diese Fachbereichsarbeit (vgl. Lange-Riechmann, 2015
o.S.).
Eine Mitarbeiterbefragung ergab sowohl eine Verbesserung als auch ein
gleichbleibendes Niveau in verschiedenen Dimensionen der Kinaesthetics. Die
fördernde Prozesspflege nach Monika Krohwinkel bietet hierbei ein grundlegendes
Assessment in der Bewegungsunterstützung zur Lebensqualitätssicherung. Die
Auswertung der Mitarbeiterbefragung ergab eine positive Auswirkung von
Kinaesthetics auf die Bewegungskompetenz und die Lebensqualität der
Bewohnerinnen und Bewohner in Pflegeeinrichtungen. Auch eine individuelle
Förderung der Bewegungsabläufe und der Fortbewegung wurde mit einer
Verbesserung bewertet. Gleichbleibend wurde die Kommunikation zwischen dem
Pflegepersonal und den Bewohnerinnen und Bewohnern gesehen. Eine beachtliche
Steigerung gab es in der Wahrnehmung in den Aktivitäten, Beziehungen und
existenziellen Erfahrungen des Lebens nach Monika Krohwinkel. Verbale
Äußerungen von Bewohnerinnen und Bewohnern gaben diese Einschätzung
wieder. Die Forschungsergebnisse bestätigen eine gute Implementierbarkeit von
Kinaesthetics in den Pflegealltag. Durch richtige Hebe- und Tragevorgänge erfahren
Kinaestheticsanwenderinnen und Kinaestheticsanwender eine Erleichterung in der
individuellen Bewegungsunterstützung. Die Befragten gaben aber auch an, anfangs
schnell wieder in alte Bewegungsmuster zu verfallen, da die personellen Strukturen
erst eine kontinuierliche Stabilität erfordern, um eine dauerhafte Implementierung
zu ermöglichen. Die Ergebnisqualität konnte jedoch ganz eindeutig gesteigert
werden (vgl. Lange-Riechmann, 2015 S. 77-82).
Eine Kosten-Nutzen-Analyse ergab eine verringerte Anwendung von Hilfsmitteln,
deren Anschaffung einen wesentlichen Kostenpunkt darstellt. Ebenfalls konnte eine
Verringerung der Einnahme von Medikamenten gegen Hypertonie oder Antibiotika
durch eine Verbesserung der Bewegungsfähigkeit und somit des kardiovaskulären
Systems verzeichnet werden. Eine Verbesserung der Kontrakturprophylaxe,
31
Pneumonieprophylaxe und Dekubitusprophylaxe durch die Implementierung von
Kinaesthetics senkt die Kosten der Arzneimittel und der medizinischen Produkte
ganz deutlich. Durch das gesteigerte Wohlbefinden der Bewohnerinnen und
Bewohnern kommt es zu weniger Sekundärerkrankungen. Die Ausbildungskosten,
die im Gegensatz zu den Arzneimittelkosten von den Einrichtungen oder den
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern getragen werden, ergeben nur ein positives
Ergebnis im Hinblick auf die Mitarbeiterzufriedenheit und die nachhaltige
Qualifizierung der Einrichtung (vgl. Lange-Riechmann, 2015 S. 120 -138).
Die Ziele der Gesundheitsförderung im Kontext Kinaesthetics lassen sich in
verschiedene Bereiche gliedern. Eine gute Gesundheit beinhaltet eine hohe
Pflegequalität bei bereits existenten Erkrankungen, um Folgeerkrankungen zu
vermeiden. Das Ziel der Gleichheit bedeutet eine Anwendung von Kinaesthetics
unabhängig der Herkunft, des Geschlechtes, der Religion oder der finanziellen
Möglichkeiten der Personen. Unter Sicherheit fallen ebenfalls alle Maßnahmen zur
Vermeidung von Sekundärerkrankungen. Ein bedeutendes Ziel von Kinaesthetics
ist die Freiheit, welche durch individuelle Bewegungsunterstützung gewährleistet
wird. Die Wirtschaftlichkeit und der Fortschritt bieten einen Einsatz aller verfügbaren
Ressourcen und werden in einem interdisziplinären Team angewendet (vgl. Lange-
Riechmann, 2015 S. 179).
Da das verwendete Buch die Sozialversicherung in Deutschland beleuchtet, welche
eine Pflegeversicherung beinhaltet, können diese Zahlen auf Österreich nicht
übernommen werden. Zu vergleichen sind jedoch Einsparungen im Bereich der
Krankenversicherung, durch verringerte Arzneimittelkosten und verminderte
Anwendung von Hilfsmitteln, welche in Österreich zum Tragen kommen. Im
Gegensatz dazu kommt es in pflegerischen Maßnahmen durch die Implementierung
von Kinaesthetics von einer Übernahme der Tätigkeit für Bewohnerinnen und
Bewohnern zu einer Unterstützung in den pflegerischen Belangen, welche zu einer
Verminderung der Pflegebedürftigkeit führt und dabei auch Einfluss auf die
Einstufung des Pflegegeldes hat. Der Pflegeaufwand wird durch den verringerten
Pflegebedarf gesenkt und hat somit auch Einfluss auf die Personalsituation. Ein
finanzieller Nutzen für Langzeiteinrichtungen ist nicht gegeben. Von höchster
Bedeutung sind jedoch die Qualifizierungsmöglichkeiten der Einrichtungen und
32
damit verbunden eine Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern
sowie eine gesteigerte Lebensqualität der Bewohnerinnen und Bewohnern. Das
Implementieren von Kinaesthetics mit bundesweit einheitlichen Standards und
Richtlinien, auch für die Finanzierung, ist Ziel in der Altersprävention (vgl. Lange-
Riechmann, 2015 S. 180-188).
Finanzierung der Pflege im Ländervergleich Österreich und Deutschland
In Österreich wird die Pflege als Teil der Sozialversicherung von der Krankenkasse
bezahlt. Es gibt neun Gebietskrankenkassen und verschiedene Anbieter im Bereich
der Sozialversicherung für spezielle Berufsgruppen. Die Krankenkassen sind nicht
frei wählbar, sondern werden nach Arbeitsort und Berufsausübung, wie z.B. die
Eisenbahner zugeteilt. Durch das Implementieren von Kinaesthetics wird die
Motivation von Pflegepersonen gesteigert, die Lebensqualität von Bewohnerinnen
und Bewohnern erhöht und somit die Pflegequalität verbessert. Kostenersparnisse
sind jedoch nur für die Krankenkassen ersichtlich, da es Einsparungen im
Verbrauch der Medikamente und weniger Sekundärerkrankungen gibt (vgl. Lange-
Riechmann, 2015 S. 212-222).
In Deutschland erfolgt die Finanzierung der Pflege als Teil der Pflegekasse über die
Pflegeversicherung, welche eine Pflichtversicherung ist. Durch die einheitliche
Gestaltung der Pflegefinanzierung steht allen Pflegebedürftigen die gleiche
finanzielle Vergütung zu. Durch das Implementieren von Kinaesthetics entsteht ein
finanzieller Nutzen für die Pflegeversicherung, da eine Verbesserung der
Selbständigkeit zu einer Verminderung der Pflegebedürftigkeit führt und somit
Einsparungen im Bereich der Pflege ersichtlich sind (vgl. Lange-Riechmann, 2015
S. 212-222).
Die Finanzierung von Langzeiteinrichtungen in Österreich
Es gibt verschiedene Formen von Pflegeplatzeinrichtungen. Staatliche
Trägerorganisationen, Einrichtungen der Bundesländer, welche Non-Profit-
Organisationen sind oder private Anbieter bieten Lang- und Kurzzeitpflegeplätze an.
Die Finanzierung erfolgt durch einen Grundbetrag, die Hotelkomponente, und
einem Betrag für den Pflegeaufwand, die Pflegekomponente, welche an die
Pflegegeldeinstufung angelehnt ist. Sollte das eigene Vermögen nicht ausreichen
33
besteht die Möglichkeit, einen Antrag auf Sozialhilfe zu stellen, um die Differenz der
Kosten für den Pflegeplatz zu finanzieren. Ein Teil der Pension und des
Pflegegeldes verbleibt bei den Bewohnerinnen und Bewohnern als Taschengeld
(vgl. Bundeskanzleramt, 2016 o.S.).
Das Pflegegeld ist durch ein Bundesgesetz geregelt und dient der Finanzierung des
erhöhten Pflegeaufwandes. Es wird unabhängig vom Einkommen des Betroffenen
ausbezahlt. Um Pflegegeld zu erhalten bedarf es eines Pflegeaufwandes von mehr
als 65 Stunden monatlich, welcher mindestens ein halbes Jahr andauert und die
pflegebedürftige Person muss eine physische oder psychische Beeinträchtigung
vorweisen. Die Einstufung erfolgt im Lebensbereich des Leistungsberechtigten
nach der Antragstellung mithilfe eines Gutachtens durch eine Ärztin, einen Arzt oder
durch eine diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegeperson. Das Pflegegeld
besteht aus sieben Stufen und steigt mit dem Pflegeaufwand (vgl.
Bundeskanzleramt, 2016 o.S.).
Als qualitätssichernde Maßnahmen in Langzeiteinrichtungen gibt es gesetzliche
Regelungen betreffend den Heimaufenthalt und den Heimvertrag. Im § 27 d des
Heimvertragsgesetzes (HVerG) werden die Inhalte eines Heimvertrages und die
Rechte der Bewohnerinnen und der Bewohner geregelt. (vgl. Sozialministerium, o.J.
o.S.).
„§ 27d. (1) Der Heimvertrag hat zumindest Angaben zu enthalten über
1. den Namen (die Firma) und die Anschrift der Vertragsteile;
2. die Dauer des Vertragsverhältnisses;
3. die Räumlichkeiten (Wohnräume, in denen der Bewohner untergebracht
wird, sowie Gemeinschaftsräume und -einrichtungen), deren Ausstattung, die
Wäscheversorgung und die Reinigung der Wohnräume;
4. die allgemeine Verpflegung der Heimbewohner;
5. die Leistungen im Rahmen der Grundbetreuung, wie etwa die Pflege bei
kurzen Erkrankungen, die Einrichtung eines Bereitschaftsdienstes und die
Unterstützung des Bewohners in persönlichen Angelegenheiten;
6. die Fälligkeit und die Höhe des Entgelts sowie eine Aufschlüsselung des
Entgelts für Unterkunft, Verpflegung und Grundbetreuung, für besondere
Pflegeleistungen und für zusätzliche Leistungen sowie
7. die Vorgangsweise des Heimträgers bei Beendigung des
Vertragsverhältnisses.
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(2) Sofern und soweit der Heimträger solche Leistungen erbringt, vermittelt
oder verlangt, hat der Heimvertrag zudem Angaben zu enthalten über
1. die besonderen Verpflegungsleistungen, wie etwa Diätkostangebote;
2. die Art und das Ausmaß der besonderen Pflegeleistungen;
3. die medizinischen und therapeutischen Leistungen, wie etwa die
Anwesenheit und Erreichbarkeit von Ärzten, anderen Therapeuten und
Sozialarbeitern, sowie die Ausstattung für die Erbringung solcher Leistungen;
4. die sonstigen Dienstleistungen, die von dritten Personen erbracht werden;
5. die soziale und kulturelle Betreuung der Heimbewohner, wie etwa Bildungs-
, Beschäftigungs- und Kulturveranstaltungen, und
6. die vom Heimbewohner zu erlegende Kaution. Wenn und soweit der
Heimträger solche Leistungen nicht erbringt, vermittelt oder verlangt, hat er
darauf im Heimvertrag hinzuweisen.
(3) Der Heimvertrag hat ferner insbesondere Feststellungen hinsichtlich
folgender Persönlichkeitsrechte des Heimbewohners zu enthalten:
1. Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, auf anständige Begegnung,
auf Selbstbestimmung sowie auf Achtung der Privat- und Intimsphäre,
2. Recht auf Wahrung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses,
3. Recht auf politische und religiöse Selbstbestimmung, auf freie
Meinungsäußerung, auf Versammlung und auf die Bildung von Vereinigungen,
insbesondere zur Durchsetzung der Interessen der Heimbewohner,
4. Recht auf Verkehr mit der Außenwelt, auf Besuch durch Angehörige und
Bekannte und auf Benützung von Fernsprechern,
5. Recht auf Gleichbehandlung ungeachtet des Geschlechts, der Abstammung
und Herkunft, der Rasse, der Sprache, der politischen Überzeugung und des
religiösen Bekenntnisses,
6. Recht auf zeitgemäße medizinische Versorgung, auf freie Arzt- und
Therapiewahl und auf eine adäquate Schmerzbehandlung sowie
7. Recht auf persönliche Kleidung und auf eigene Einrichtungsgegenstände.“
(Bundesgesetzblatt für die Republik Österreich, 2004 o.S.)
Kinaesthetics ist mit der Autonomie und der Selbstständigkeit der Bewohnerinnen
und der Bewohner ein Gewinn der Lebensqualität. Durch eine multidisziplinäre
Zusammenarbeit verdeutlicht die Anwendung von Kinaesthetics eine Steigerung
der Prozess- und Ergebnisqualität in Langzeiteinrichtungen. Die Zufriedenheit der
Bewohnerinnen und der Bewohner sowie der Mitarbeiterinnen und der Mitarbeiter
durch die Implementierung von Kinaesthetics ist als Qualitätssicherung und
Qualifikation für Einrichtungen in der Langzeitbetreuung zu erkennen (vgl. Lange-
Riechmann, 2015 S. 220-224).
35
5 Zusammenfassende Darstellung
Der demographische Wandel ist für die Zukunft der Pflege von großer Bedeutung.
In den nächsten Jahren wird es immer mehr ältere Menschen geben, und daraus
folgt, dass auch der Pflegeaufwand in Zukunft rapide steigt. Durch eine
interdisziplinäre Zusammenarbeit und ein förderndes geriatrisches Assessment
kann eine Altersprävention im Bereich der pathologischen Veränderungen erreicht
werden. Die Ergebnisse der Literaturrecherche dieser Fachbereichsarbeit
bestätigen, dass die fördernde Prozesspflege nach Monika Krohwinkel und das
Konzept der Kinaesthetics eine Kombination für die geriatrische Patientin und den
geriatrischen Patienten bieten, um eine größtmögliche Selbstbestimmung und
Autonomie zu erreichen. Durch die in Österreich anerkannte Ausbildung zur
Kinaesthetics-Anwenderin und zum Kinaesthetics-Anwender lassen sich Nutzen für
die betroffenen Personen, den Arbeitgeber sowie für die Bewohnerinnen und
Bewohner in Langzeiteinrichtungen erkennen. Die Ausbildung zur Kinaesthetics-
Anwenderin und zum Kinaesthetics-Anwender erfolgt in mehreren Stufen und wird
durch qualifizierte Kinaesthetics-Trainer begleitet. Die erfolgreiche Teilnahme an
Kinaesthetics-Kursen wird mit einem Zertifikat bestätigt und ermöglicht eine
Teilnahme am nächsthöheren und weiterführenden Kurs. Für diplomiertes
Gesundheits- und Krankenpflegepersonal gewinnt diese Erkenntnis an Bedeutung,
da eine Qualitätssicherung in der Pflege und Betreuung von Bewohnerinnen und
Bewohnern in Langzeiteinrichtungen gewährleitstet wird.
Durch das 2013 eingeführte Nationale Qualitätszertifikat (NQZ) in Verbindung mit
einem Qualitätsmanagementsystem ist eine Leistungsdarstellung und dadurch ein
Qualitätsvergleich messbar. Am Bespiel der EFQM wird die Struktur- Prozess- und
Ergebnisqualität dargestellt. Durch eine Auswertung in Zahlen ist eine
Verbesserung und ein Qualitätsvergleich möglich (vgl. Gesundheit Österreich, 2014
S. 5-14).
Anhand eines Qualitätsmanagementsystems sind die Nutzen im wirtschaftlichen,
finanziellen und persönlichen Bereich in Pflegeeinrichtungen ersichtlich. Die
Implementierung von Kinaesthetics ermöglicht eine Erhöhung der Zufriedenheit der
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Mitarbeiterinnen und der Mitarbeiter durch eine Steigerung der eigenen
Bewegungswahrnehmung und in Folge den Bewohnerinnen und den Bewohnern
eine Möglichkeit der Selbstwahrnehmung zu bieten. Ebenso wird die Lebensqualität
der Bewohnerinnen und der Bewohner durch eine Verbesserung der
Bewegungskompetenz und der Bewegungswahrnehmung gesteigert. Ein
wirtschaftlicher Nutzen entsteht durch eine ersichtliche Qualifizierung für
Einrichtungen in der Langzeitpflege. Finanziell entsteht ein Nutzen für die
Krankenversicherung, da durch den Einsatz von Kinaesthetics der Aufwand von
Medikamenten deutlich gesenkt werden kann und auch Folgeerkrankungen durch
die Immobilität ausbleiben. Durch die Verbesserung der Bewegungskompetenz und
den Zuwachs an Selbständigkeit kommt es zu einer Senkung des
Personaleinsatzes. Da die Pflegebedürftigkeit sinkt, besteht weniger Pflegeaufwand
und dadurch wird weniger Pflegepersonal benötigt (vgl. Lange-Riechmann, 2015 S.
77-188).
Ein Ausblick in die Zukunft zeigt, dass noch ein hoher Forschungsbedarf im Bereich
der Implementierung von Kinaesthetics besteht, um ein Assessmentinstrument
speziell für die Anwendung von Kinaesthetics zu erarbeiten. Derzeit gibt es ein
Forschungsprojekt an der Fachhochschule St. Gallen in Kooperation mit
Kinaesthetics Schweiz mit dem Titel: Evaluation der Kinaesthetics - Kompetenz von
Pflegenden – Entwicklung eines Beobachtungsinstrumentes (Kinaesthetics
Performance Assessment – KPA). Die Beendigung dieser Studie ist mit September
2016 datiert. Eine Anfrage per E-Mail über den aktuellen Stand wurde von Heidrun
Gattinger, der Projektleiterin, beantwortet. Derzeit befindet sich die Studie in der
Datenanalysephase.
Das Verständnis von der Implementierung von Kinaesthetics in die fördernde
Prozesspflege hilft dabei, den Bewohnerinnen und Bewohnern in
Langzeiteinrichtungen den Lebensabend in einer höchstmöglichen
Selbstbestimmung zu ermöglichen. Alles in allem dient die Fachbereichsarbeit der
Gelegenheit, allen Betroffenen aufzuzeigen, welcher Nutzen im Bezug zur
Lebensqualität der Bewohnerinnen und Bewohnern und der Qualitätssicherung in
Langzeiteinrichtungen durch eine Qualifizierung nach Kinaesthetics entsteht.
37
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Abbildung 1:
Krohwinkel Monika, (2013): Fördernde Prozesspflege mit integrierten ABEDLs.
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Abbildung 2:
EKA – European Kinaesthetics Association (2015): Kinaesthetics Konzeptsystem.
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