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Das Kolorektale Karzinom beim älteren PatientenDie selben Regeln wie beim Jungen?
Jörg Genstorfer20.11.2014
• Colorectales Carcinom (CRC): dritthäufigste Krebs- und zweithäufigste Todesursache durch Krebs in USA, 8% der Todesfälle in der Schweiz (1,2)
• Anstieg der Karzinom- und Adenomrate mit zunehmendem Alter� 40-80LJ Verdopplung alle 10 Jahre (3)
• >50% der Patienten werden geheilt, Überleben als primäres Therapieziel wirdum das Ziel Lebensqualität und Selbstbestimmtheit erweitert
• Screening für CRC im Alter (>75)?�kein Benefit, Risiko-/Nutzenabwägung!� höher Perforationsgefahr im Alter (4)� aber: Mehrheit Notfalleingriffe >80jährige konstant über die letzten 10 Jahre mit schlechterem outcome vgl. zu jüngeren Altersgruppen (5)
• Ältere sind in klinischen Studien unterrepresentiert (>70LJ nur 15%) (6)
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1 Ramsdale 2013 ASCO Educational Book2 Chevaux B Schweiz Med Forum 2014 3 Rabeneck 2003 Am J Gastroenterol4 Lukejohn 2011 Am J Gastroenterol5 Jafari JAMA 20146 Smith 2009 J Clin Oncol
Das Kolorektale Karzinom (CRC) beim älteren Patienten
• Viele retrospektive Studien: hohe Notfall-OP Rate (30%), fortgeschrittene Tumorstadien, nicht kurativ intendierte OP � erhöhte Letalität und Major-Komplikationsrate (21% vs 14%) (6,7)
• Laparoskopische Kolorektalchirurgie: 86% der Studien im Durchschnitt <70LJin 50%: allein das Alter Ausschlusskriterium für Laparoskopie (8)
• Bedürfnis nach Sicherheit nimmt im Alter zu, Risikobereitschaft ab
• Angst vor Einschränkung der Lebensqualität (z.B. durch Anus praeter)
• Trend in den letzten Jahrzehnten zu mehr kurativer Therapie (35% Steigerung mit Verbesserung 5-JÜR bei den „Älteren“ (nationales dänisches Krebsregister) (8)
• Onkologische Ergebnisse und Überleben Hochaltriger im Durchschnitt signifikant schlechter, aber:
altersbedingte Unterschiede beim krebsspezifischen Überleben weniger stark ausgeprägt� Alter per se nicht ausschlaggebend für Gesamtüberleben (8,9)
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6 Clark 2004 Br J Surg7 Simmonds 2000 Lancet8 Iversen 2005 Dis Colon Rectum 9 Schiphorst 2014 Colorectal disease
Das CRC beim älteren Patienten
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Herr M.H. 86LJ• AZ-Verschlechterung mit substitutionsbedürftiger Anämie
von 38g/l
� Relevante Komorbiditäten: Hydrocephalus mit progredienter Gangstörung, COPD, Nikotin
� Kolonoskopie- Karzinomverdächtiger substenosierender Tumor rechte
Flexur
� Staging CT Thx/Abdomen- Kein Anhalt für Filiae, fraglich cT4 (Bauchwandkontakt)
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Relevante Befunde…
• Reduzierter AZ
• Massive Anämie von 38g/l � blutender Tumor
• Konstant transfusionsbedürftig
• Noch kein Ileus, aber Substenosierung
• Alter Patient aus dem Pflegeheim, Komorbiditäten
• Keine Fernmetastasen aber fortgeschrittenes Lokalstadium T3 bis T4 mit fraglich Bauchwandinfiltration
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Therapieoptionen
• Konservativ?....alt, komorbide, reduzierter AZ…
Aber:
�Substenosierung!
�persistierend blutender Tumor
� Konservativ ist kein sinnvoller Weg
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Was muss das Ziel sein
• Onkologisches Langzeitüberleben?
� Eher im Hintergrund……….aber….
� Stop the bleeding, lokale Kontrolle!!
� Verhinderung des drohenden Ileus!!
� Verbesserung der Lebensqualität!!
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Operative Optionen?
Bypass-Operation («Umgehung»)? Doppelläufiges Stoma vorgeschaltet?
� Ileus wird verhindert aber keine Therapie der Blutung
Onkologisch korrekt (erweiterte Hemikolektomie re., zentrale Gefässligatur, partielle Bauchwandresektion
Nicht-onkologisch (Segmentresektion, formale Hemikolektomie re., nicht streng zentral etc.)
Primäre Anastomose
Splitstoma
Resektion !!
Primäre Anastomose
Splitstoma
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Gewähltes Op -Verfahren
Onkologisch korrekt Nicht-onkologisch Hemikolektomie re
Primäre Anastomose Doppelstoma
Resektion !!
Primäre Anastomose Doppelstoma
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Operation und Verlauf
Histologie: pT3, pN1b (3/12), Pn1, G3
12.09.2014: Offene Hemikolektomie rechts mit en-bloc Resektion der lateralen Bauchwand , End zu End Ileotransversostomie
Postop Verlauf:
� Intensivstation (geplant)
� paralytischer Ileus, Gastroparese
� SIRS
19/20.09.2014: Rückverlegung Normalstation bei AZ-Besserung, fallende Entzündungswerte unter Antibiose iv
18.09.2014: CT: Ausschluss Anastomoseninsuffizienz, unspezifisch freie Flüssigkeit um verdickte Dünndarmschlinge
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Operation und Verlauf
20.9.2014: Relaparotomie bei zunehmenden Schmerzen und Peritonismus (CRP und Lc ↓)
� 2x Stomaanlage, ÜbernähungDünndarmperforation, Platzbauch, multiple Dünndarmfistelbildung
� Exitus
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Herr C.V. 88LJ
• Bauchschmerzen, Appetit- und Gewichtsverlust seit 9 Wo
• Klinisch: Ddo rechter Unterbauch, kein Peritonismus
• Normozytäre normochrome Anämie 114g/l
• Gastro o.B, bei abführenden Massnahmen zur Kolonoskopie
� Entwicklung eines mechanischen Ileus
• CT Abdomen am 21.7.
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Notfalloperation!!� Primär Behandlung des mechanischen Ileus im Vordergrund
Onkologisch korrekt nicht notwendig, da hochgradig V.a. Lebermetastasen
Nicht-onkologisch (formale Hemikolektomie re)
Resektion nicht möglich Resektion möglich
Kolon-Resektion wenn möglich mit Leberbiospie
Dekompression, Bypass?
Doppelläufige Ileostomie?
Splitstoma?Anastomose im Ileus??
Verlauf
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Explorative Laparotomie am 21.7.2014
� Tumor adhärent zur Bauchdecke und infiltrierend ins Retroperitoneum
� Kurativer Ansatz wahrscheinlich nur mit multiviszeraler Resektion (Bauchdecke, evtl. Nephrektomie) möglich, zusätzlich Notfallsituation
� Entscheid zur palliativen Operation und gegen erweiterte Resektion
� Umgehungsoperation (Bypass) mit Ileostransversostomie, Leberbiopsie Metastase Seg. VII
� Patient hat sich rasch erholt (2 Tage IPS, 11 Tage Normalstation, dann Austritt in die häusliche Umgebung)
� Tumorboard: palliative Chemotherapie (z.B. mit Xeloda)
Was wenn Patient 50 Jahre, gesund wäre?
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Hätten wir gleich entschieden??
Notfallsituation im Ileus…
� Primär doppelläufige Ileostomie zur Entlastung und Biopsie Lebermetastase zur Diagnosesicherung
� Perioperative Chemotherapie (3 Mo prä- und 3 Mo postop (z.B. FOLFOX 4) (1,2)
� 1- oder 2-zeitiges Vorgehen mit Kolonresektion (Hemikolektomie rechts, ggf. multiviszerale Resektion mit Bauchdeckenresektion, ggf. Nephrektomie rechts, Metastasenresektion der Leber
���� Kurativer Ansatz
1) Nordlinger B et al. EORTC Intergroup trial 40983 Lancet 2008
2) Wieser M et al. BMC Cancer 2010
� Weitere Bildgebung: MR Leber, FDG PET (extrahepatische Filiae?)
Frau O.I 85 LJ
• Stuhlunregelmässigkeiten mit sporadischem Blutabgang ab ano
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• Koloskopie 8.7.2014: endoskopisch nicht resezierbarestubulovillöses Adenom mit high-grade Dysplasien, 18 cm ab ano (rektosigmoidal)
• Patientin in altersentsprechendem AZ, keine abdominellen Vor-Ops
• Hypertensive Herzerkrankung (LVEF 65%), mittelschwere Niereninsuffizienz (GFR 41), Vorhofflimmern unter Marcoumar, LUFU ohne relevante Einschränkung
• Zuweisung an Chirurgie mit Bitte um Resektion
Chirurgische Optionen
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Patientenwunsch / OP Fähigkeit / Konsiliarische Mitbeurteilung
Resektion
nicht-operabel
z.B. LasertherapieSupportive TherapieNachkontrollen
Laparoskopie
operabel
Laparotomie
Ggf. tiefe Rektumresektion(LAR) mit protektiver Ileostomie
zu alt oder zu krank für Laparoskopie??
Operation und Verlauf
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15.08.14: Laparoskopische proximale Rektum- und Sigmaresektion mit PME (partielle mesorektale Exzision)
Histologie: Mässig differenziertes, invasives Adenokarzinom des proximalen Rektums (UICC St. I ) pT1 pN0 (0/14) V0 L0 R0, G2
Völlig komplikationsloser Verlauf, Austritt nach 10d in häusliche Umgebung
Onkologische Nachsorge: jährliche klinische Kontrollen ausreichend
Patienten möchte jedoch Kolonoskopie nach 1 Jahr !!
• Deutliche Zunahme hochbetagter Menschen >80 LJ mit CRC (6% in 10J) (1)
• Kolon-CA im fortgeschrittenen Alter: mehr Frauen, eher rechtseitig, eher lokal fortgeschritten, eher Peritonealkarzinose, keine höhere Metastasierungsrate (2,3)
• JAMA (retrospektives Review 2014) (4) :
>85 jährig…vgl. zu Kontrollgruppe 45-64 jährig…
- signifikant mehr Notfall-Operationen bei Ileus (50%)
- Letalität 6-fach erhöht (8% vs 1,3%)
���� aber: in letzter Dekade Reduktion Letalität sogar u m 9%
- 5-JÜR schlechter (Komorbitäten geschuldet), aber günstigeres Tu-freies 5-JÜR
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1) Ptok Chirurg 2013
2) Benedix 2010 Dis Colon Rectum
3) Kotake 2014 Colorectal Dis
4) Jafari JAMA 2014
Das CRC beim älteren Patienten
• Alter ≥ 75: unabhängiger Risikofaktor für erhöhte allgemeine postop. Komplikationsrate (offen und laparoskopisch) (1)
• Kein signifikanter Unterschied in allen Altersgruppen bzgl. chirurgischen Komplikationen (Insuffizienzen, SSI), aber je älter, desto mehr Nieren-, Herzversagen, Pneumonie (2)
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1) Kirchhoff 2008 Ann Surg
2) Jafari 2014 JAMA
Das CRC beim älteren Patienten
• Linkes Kolon palliativ: Segmentresektion mit primärer Anastomose häufigster Eingriff mit niedrigster postop. Letalität, im Notfall: Hartmann-Segmentresektion im Vordergrund (1)
• Endoskopische Alternativen (Dekompressionssonden, Stents, endoskopische Rekanalisierung) (2)
• Linkes Kolon kurativ:Hartmann-OP in Notfallsituation und bei Perforation wg. niedriger Letalität bevorzugt (3,4,5)Nur wenige Chirurgen plädieren für Resektion mit primärer Anastomose, wird kontrovers diskutiert (6,7,8,9)
• Rechtes Kolon kurativ und palliativ:Resektion mit primärer Anastomose im Notfall mit niedriger Morbidität und Letalität durchführbar (3,4)Japan: Niedrige 30- und 90 Tage Letalität nach Hemikolektomie rechts 1.1% bzw. 2.3% (10)
• Adjuvante TherapieEinfluss Lymphknotendissektion und adjuvanten Chemotherapie auf Gesamtüberleben unklar (11,12)>65LJ: positiver Effekt auf Überleben Stadium II / III, >75LJ keine definitive Aussage möglich (13)
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1) Gastinger 2004 Chirurg
2) Meyer L 2002 Sci Med Hannover
3) Meyer Tech 2004 Coloproctol
4) Avisse 1995 Ann Chir
5) Buhre 1991 Eur J Surg Oncol
6) Kressner 1994 Eur J Surg
CRC linkes und rechtes Kolon beim „Älteren“
7) De Aguilar-Ascimento 2002 Arc Gastroenterol
8) Ram E 2005 Arch Surg
9) Jung B 2007 Br J Surg
10) Kobayashi 2014 J of Gastroenterology
11) Kotake 2014 Colorectal Dis
12) Patel 2013 Cancer
13) Fata 2002 Cancer
• Rektum-CA palliativ: - signifikant niedrigere Resektionsrate bei >80LJ (1)- primäre Anus präter Anlage steht im Vordergrund- Erfolgsrate 92 % zur Ileusbehandlung (2)
• Rektum-CA kurativ:- Hartmannresektion: in Notfallsituation und elektive Einzelindikationen bei „High-risk-Patienten“ (1)- Bevorzugte Alternative im Notfall: primäre Stoma-Anlage, im Verlauf elektive Resektion (2)- ggf. neoadjuvante Vorbehandlung (z.B. Schwedenprotokoll 5x5 oder 5x4 Gy zur Tumorkontrolle) vor kurativer Resektion
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1) Gastinger 2004 Chirurg
2) Watt AM 2007 Ann Surg
Rektumkarzinom beim „Älteren“
• Laparoskopische Rektumresektionen im Alter ≥ 75 ohne erhöhte chirurgische Komplikationenraten (1,2)
• >80j : Laparoskopische CRC-Resektion: kein Unterschied krankheitsfreies ÜL, 3J-ÜL, krebsfreies ÜL (Kolon und Rektum), sogar niedrigere Komplikationsrate bei Kolonresektionen, nicht bei Rektumresektionen (3)
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1) Takashi 2009 J Gastrointest Surg
2) Chautard 2008 J Am Coll Surg
3) Takao 2014 Ann Surg Oncol
Laparoskopie CRC beim älteren Patienten
• Ältere Patienten stellen eine heterogene Gruppe dar:1) die „Fitten 2) die „Kranken“ (Diabetes, KHK, Niereninsuffizienz)
• Differenzierte Therapiekonzepte abhängig von Tumor-Lokalisation, Stadium und Dringlichkeit sind erforderlich
• Ein individuelles Vorgehen hinsichtlich Lebensqualität bei insgesamt niedrigerer Gesamtlebenserwartung ist anzustreben
• Ausschluss der Hochbetagten von chirurgischer, onkologisch adäquater Therapie sind nicht gerechtfertigt
• Die „Betagten“ benötigen eine intensivere postoperative Betreuung
• Die sozialen Bedürfnisse müssen rechtzeitig und adäquat antizipiert werden
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Schlussfolgerungen I
• Limitierte Kontinuitätsresektionen des Primärtumors sind sinnvoll
• Wenn möglich sollte auch und gerade bei Älteren ein definitiver Anus präter oder ein palliativer Bypass vermieden werden
• Minimalinvasive Techniken und verbessertes perioperatives Management führen auch beim alten Patienten zu einem besseren outcome
• Notfalloperationen sollten vermieden werden aufgrund signifikant höherer Morbidität und Letalität beim älteren Patienten
• Frage? Sollten wir ältere Patienten (auch >80j) längerfristig screenen, um Notfalloperationen mit deutlich erhöhter Letalität zu vermeiden??
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Schlussfolgerungen II