demenz psychologen-vorlesung 22.06.2009 s. behnke, homburg saar
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Demenz
Psychologen-Vorlesung
22.06.2009
S. Behnke, Homburg Saar
Übersicht
Demenzerkrankungen
• Demenz v. Alzheimer-Typ
• Vaskuläre Demenzerkrankungen
• Frontotemporale Demenzerkrankungen
• Lewy-Körperchen-Erkrankung
• Chorea Huntington
• Creutzfeld-Jakob-Disease
Differentialdiagnose der Demenzen
Welche ist die häufigste Demenzform?
Differentialdiagnose der Demenzen
Vasculäre Demenzen (VaD)• Multi-Infarkt Demenz• Subakute vaskuläre Enzephalopathie
VaD und DAT
Demenz mit Lewy-bodies (DLB)• Morbus Parkinson• diffuse Lewy-body Erkrankung
DAT und DLB
Andere Demenzerkrankungen• Fronto-temporale Demenzen• Creutzfeldt-Jakob Erkrankung• Corticobasale Degeneration• “progr. supranucleäre Lähmung”• potentiell reversible Demenzen
Demenz vom Alzheimer-Typ (DAT)
65%
5%
10%
7%
5%
8%
AAGP, AA, AGS consensus statement, 1997
Übersicht
Demenzerkrankungen
• Demenz v. Alzheimer-Typ
• Vaskuläre Demenzerkrankungen
• Frontotemporale Demenzerkrankungen
• Lewy-Körperchen-Erkrankung
• Chorea Huntington
• Creutzfeld-Jakob-Disease
Häufigkeit der Alzheimer Krankheit
Wieviel Prozent der 70-jährigen haben eine Alzheimer-Demenz ?
Wieviele der 90-jährigen?
Häufigkeit der Alzheimer Krankheit
Adaptiert von Evans et al., 1989; Hebert et al., 1995
70
60
50
40
30
20
10
0
SD
AT
(%
)
65 70 75 80 85 90
Alter (in Jahren)
Apolipoprotein E Allelverteilung in der Bevölkerung
2/3 12 %
2/4 1.5 %
3/3 59.8 %
3/4 22.9 %
4/4 2.8 %
•Apo E 4-Träger: 3-fach erhöhtes Risiko für DAT
•Aber: Erkrankungswahrscheinlichkeit auch bei homo-zygoten 4/4-Trägern im Alter von 70 Jahren nur 50 %
Alzheimer-Erkrankung: Historisches
Alois Alzheimer „Über eine eigenartige Erkrankung der Hirnrinde“ Zentralblatt für Nervenheilkunde und Psychiatrie (1907) 30: 177-179
Auguste D. 51-jährige Patientin mit Eifersuchtsideen gegen den Ehemann. Rasch zunehmende Gedächtnisschwäche. Fand sich in der Wohnung nicht mehr zurecht, schleppte Gegenstände hin und her, versteckte sie, glaubte, man wolle sie umbringen und schrie laut
Klinik der Demenz vom Alzheimer-Typ (DAT)
• langsam schleichender Krankheitsbeginn
• präsenile und senile Manifestationsformen
• Inzidenz steigt mit zunehmendem Lebensalter
• charakteristische histopathologische Befunde – eindeutige Diagnose nur post-mortem möglich
• neurochemische Befunde: Mangel am Enzym Cholin-Acetyltransferase
• Pat. mit Down-Syndrom: hohes Risiko für DAT
• familiäre DAT-Formen bekannt
• Gedächtnisstörungen (Kurzzeitgedächtnis)
• Sprachstörungen (Wortfindungsstörungen, verminderte Spontansprache)
• Gestörte Exekutivfunktionen (Planen von Handlungsabläufen, Verlust von automatisierten Handlungsabläufen)
• Störung räumlich-visueller Leistungen (Orientierungsverlust)
• Agnostische Störungen (Wiedererkennen von bekannten Personen und Objekten)
• Verhaltensveränderungen (soz. Rückzug, Mißtrauen, aggressives Verhalten)
• Affektive Störungen
Klinik der Demenz vom Alzheimer-Typ (DAT)
Amyloid-Plaques im Großhirn bei Morbus Alzheimer
Amyloid-Plaques bestehen aus Aggregationen des Amyloid-Proteins (A) und finden sich gehäuft in den Gehirnen von Alzheimer-Patienten. Amyloid bildet sich durch enzymatische Spaltung aus dem Amyloid-Precursor-Protein (APP)
Signal peptide
Cu(II) Zn(II) exon 7 exon 15 Cu (II) Heparin Heparin Zn(II)
p p
KPI
CS-GAG
CH
OC
HO
Aß
AßsAPPß C-99
sAPP C-83ß- - secretase
- secretase
TM
Amyloid-Vorläufer-Protein
„kritische“ Spaltung durch - und -Sekretasen
„gutartige“ Spaltung durch -Sekretasen
Fibrillenbündel (engl. „fibrillary tangles“) bei M. Alzheimer
Fibrilläre Bündel sind Aggregationen von hyperphosphoryliertem Tau-Protein und liegen intrazellulär
Normales GehirnGehirn eines
Alzheimer-Patienten
Kontrolle 73 Jahre Alzheimer Patient 73 Jahre Demenz schwach ausgeprägt: Mini-Mental-State 23/30 Punkte
Gedächtnisquotient 86
MRT bei Demenz vom Alzheimer-Typ
Mini-Mental-Status-Test (MMST)
A. Orientierung
B. Merkfähigkeit
C. Aufmerksamkeit und Rechenfähigkeit
D. Erinnerungsfähigkeit
E. Sprache (Schrift, Konstrukt. Praxis, etc.)
Bitte schließen Sie die Augen!
(Schreiben eines Satzes)
- Bennenen (Uhr, Stift)
- Nachsprechen („Sie leiht im kein Geld mehr“)
- Handlungsfolge (Blatt falten)
- Instruktion ausführen
- Schreiben eines Satzes
- Reihensubstraktion oder rückwärts buchstabieren
- „Auto, Blume, Kerze“
- „Jahr, Jahreszeit, Datum, Tag, Monat, etc.
Uhren-Test
Shulman et al. (1986) Int J Geriatr Psychiatry 1: 135-140
Score 1 „perfekt“
Score 2 „leichte visuell-räumliche Fehler“
Score 3 „fehlerhafte Uhrzeit bei erhaltener visuell- räumlicher Darstellung“
Score 4 „mittelgradige visuell-räumliche Desorganisation“
Score 5 „schwergradige visuell-räumliche Desorganisation“
Score 6 „keinerlei Darstellung einer Uhr“
Uhren-Test (Uhrzeit 10 nach 11)
Übersicht
Demenzerkrankungen
• Demenz v. Alzheimer-Typ
• Vaskuläre Demenzerkrankungen
• Frontotemporale Demenzerkrankungen
• Lewy-Körperchen-Erkrankung
• Chorea Huntington
• Creutzfeld-Jakob-Disease
Vaskuläre Demenzerkrankungen
• MikroangiopathieM. Binswanger =
Subkortikale vaskuläre Enzephalopathie (SVE)
• Demenz bei strategischem Einzelinfarkt• Multiinfarktdemenz• Demenz bei intra- oder extrazerebraler
Blutung• Kombinationen der o.g. Formen
Subkortikale vaskuläre Enzephalopathie
• im CT: periventrikuläre Dichteminderungen
• im MRT: T2-gewichtete Sequenz: fleckförmige, konfluierende Signalanhebungen
• Risikofaktoren:
- Diabetes mellitus
- Art. Hypertonie
- Nikotinabusus, etc
Übersicht
Demenzerkrankungen
• Demenz v. Alzheimer-Typ
• Vaskuläre Demenzerkrankungen
• Frontotemporale Demenzerkrankungen
• Lewy-Körperchen-Erkrankung
• Chorea Huntington
• Creutzfeld-Jakob-Disease
Frontotemporale Demenzerkrankungen
•Demenz vom Frontallappen-Typ (DFT)
• semantische Demenz (SD)
• primär progressive, nicht-flüssige Aphasie (PPA)
• Erstbeschreibung Arnold Pick = Morbus Pick
• frühe Krankheitsmanifestation im Vergleich zum M. Alzheimer (40. – 50. Lebensjahr)
• familiäre Häufung in ca. 50 %
• Psychopathologie:
- Antriebsstörungen, Apathie, Interesselosigkeit
- sexuelle Enthemmung, Distanzlosigkeit
- gesteigerter Appetit
- Kritikminderung, eingeschränkte Urteilsfähigkeit
- erst rel. spät Gedächtnisstörungen und visuell-räumliche Störungen
Klinik der Demenz vom Frontallappen-Typ (DFT)
Morbus Pick
Sevier-Munger Silber Färbung
Diagnose M. Pick sollte nur bei histopathologisch gesichertem Befund gestellt werden
Pick-Körperchen:
• argyrophile intraneuronale Einschlusskörper
• enthalten Tau-Protein und Ubiquitin
Prof. Dr. W. Reith, Abt. f. Neuroradiologie, Universitätskliniken des Saarlandes
MRT bei Frontotemporaler Demenz (DFT)
Semantische Demenz
Klinik: Beeinträchtigung der Sprache
• relativ flüssige Spontansprache (Floskeln)
• Benennungsstörung!
Befund: asymmetrische fokale Hirnatrophie: links-anteriorer Temporallappen
Primär progressive, nicht-flüssige Aphasie (Mesulam-Syndrom)
Klinik:
• ausgeprägte Sprachstörung
- angestrengt, stockend, nicht flüssig
- Telegrammstil
- lange Pausen zwischen den einzelnen Wörtern
- endet im Mutismus
• in anderen kognitiven Bereichen sind Patienten oft jahrelang unbeeinträchtigt!
• Kranheitseinsicht vorhanden, Patienten leiden sehr unter ihrer sprachlichen Beeinträchtigung
Befund:
• Atrophie temporal links (Sylvische Fissur)
Übersicht
Demenzerkrankungen
• Demenz v. Alzheimer-Typ
• Vaskuläre Demenzerkrankungen
• Frontotemporale Demenzerkrankungen
• Lewy-Körperchen-Erkrankung
• Chorea Huntington
• Creutzfeld-Jakob-Disease
weder in ICD-10 noch in DSM-IV genannte Erkrankung
• neuropathologisch häufiger als klinisch diagnostiziert
• verschiedene Erkrankungen sind mit LK assoziiert:
- Morbus Parkinson
- Diffuse Lewy-Körperchen-Erkrankung
- LK-Variante der Alzheimer-Demenz
- LK bei anderen hirndegenerativen Erkrankungen
• pharmakologische Besonderheiten:
- Cave: Neuroleptika
- gutes Ansprechen auf Cholinesterase-Inhibitoren?
Demenzen mit Lewy-Körperchen (LK)
Leitsymptomatik
Fortschreitender kognitiver Abbau mit Gedächtnisstörungen und Störungen der Aufmerksamkeit und visuomotorischer Leistungen
Kernsymptome
1. Fluktuationen der kognitiven Leistungsfähigkeit
2. visuelle Halluzinationen
3. Parkinson-Symptomatik
Weitere hinweisende Symptome
1. wiederholte Stürze 4. Empfindlichkeit auf Neuroleptika
2. Synkopen 5. Systematisierte Wahnvorstellungen
3. Bewusstseinsstörungen 6. andere Halluzinationen
Klinik der Demenz mit Lewy-Körperchen
Demenz mit Lewy-Körperchen
• Eosinophile, intrazytoplasmatische neuronale Einschlußkörper
• bei M. Parkinson in subkortikalen Strukturen (S. nigra, Locus coeruleus)
• bei Diffuser LK-Erkrankung kortikale LK
Übersicht
Demenzerkrankungen
• Demenz v. Alzheimer-Typ
• Vaskuläre Demenzerkrankungen
• Frontotemporale Demenzerkrankungen
• Lewy-Körperchen-Erkrankung
• Chorea Huntington
• Creutzfeld-Jakob-Disease
Chorea Huntington
Molekularbiologische Grundlagen:
• autosomal-dominante Erkrankung mit hoher Penetranz
• Huntington-Gen auf Chromosom 4: Verlängerte CAG-Repeat-Sequenz (normal 10 – 30, 36 – 39 unvollständige Penetranz, > 39 Chorea Huntington)
• sporadische Fälle (Neumutationen 5 – 10 %)
• Manifestation typisch 40. – 50. Lebensjahr
• Häufigkeit 10 : 100.000
• psychiatrische Symptome oft vor Bewegungsstörungen
Chorea Huntington
Klinik
choreatiforme Bewegungen, Athetose, Dysarthrie, Dysphagie
psychisch: depressive Syndrome (Suizidalität!), paranoide Psychosen, im Verlauf Demenz
initial: Verlangsamung d. psychischen Tempos, Aufmerksamkeits- und Merkfähigkeitsstörungen, Störungen der visuellen Perzeption
Diagnostik der Chorea Huntington
Genetische Diagnostik:
• Molekulargenetische Bestimmung der CAG-Repeats
• Humangenetische Beratung der gesamten Familie
• typische Caudatus-Atrophie in Spätstadien der Erkrankung
Therapie ?
Die „cholinerge Hypothese“(„Acetylcholin-Mangel“)
• Langsame Zunahme von Proteinablagerungen im Gehirn von Alzheimer Patienten
führt zu Absterben von Nervenzellen im Gehirn
dadurch Mangel des Botenstoffes Acetylcholin, der für geistige (kognitive) Funktionen wichtig ist
• Hemmung des Abbaus von Acetylcholin führt zu mehr Acetylcholin im Gehirn und bessert so die kognitiven und menstischen Defizite bei Alzheimer-Patienten
Effekte der Cholinesterase-Hemmer
• bei einem Teil der Patienten passagere Verbesserung kognitiver Funktionen und Alltagsfunktionen
• nach durchschnittlich 9-12 Monaten Abfall unter das Startniveau und weitere Verschlechterung
• Verzögerung der Krankheitsprogression um 1-2 Jahre
• positive Wirkung auf nicht-kognitive Symptome (Unruhe, Agitation, Wahn, aggressives Verhalten)
• bei fortgeschrittenen Demenzerkrankungen Reduktion der Pflegebedürftigkeit
• bei ca. 25 % keine Effekte (Non-Responder)
Wirkmechanismus von Memantine
• Glutamat ist wichtigster erregender Botenstoff (Transmitter) im Gehirn
• Neurotoxische Faktoren (Ischämie, ß-Amyloid, etc.) führen zu überhöhter Glutamat-Freisetzung
• zu viel Glutamat am NMDA-Rezeptor führt zur Störung des Kalzium-Gleichgewichtes in der Zelle: Zelltod!
• Memantine moduliert die Glutamatwirkung am Rezeptor – verhindert Glutamatüberaktivität
Was gibt es noch für Medikamente ?
Ginkgo biloba ExtrakteExtrakte EGb 761 und LI 1370: antioxidative Effekte?
Verbesserung kognitiver Funktionen (LeBars et al. 1997, Kanowski et al. 1996), keine Verbesserung von Alltagsaktivitäten
Piracetam (Normabrain®)Cochrane-Metaanalyse (Flicker & Grimley-Evans 2001)
schwach positiver Effekt bei globalem Arzturteil, Studienlage unsicher
Nimodipin (Nimotop®)Ca-Antagonist, neuroprotektiv?
Metaanalyse (Lopez-Arrieta & Birks 2001): Studienlage unsicher