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Mitteilungen der Gesellschaft für Didaktik der Mathematik 85 August 2008 Inhalt 3 De gustibus est disputandum 4 Standards für die Lehrerbildung im Fach Mathematik Empfehlungen von DMV, GDM, MNU / Juni 2008 15 Thomas Jahnke / Rede an die Hörerinnen und Hörer der Vorlesung ,Einführung in die Mathematikdidaktik‘ 20 Judith Mangelsdorf und Martin Naumann / Ein Olivenzweig der Methodik 22 Susanne Prediger / Verleihung der Förderpreise der GDM 2008 in Budapest 26 Astrid Brinkmann / Vorlesung Arithmetik – welche Inhalte gefallen Lehramtsstudierenden? 28 Astrid Brinkmann / Das Projekt „Praxispate“ an der Universität Münster 30 Horst Hischer / Grußwort der GDM zum „10. Forum für Begabungsförderung in Mathematik“ 33 Alfred Schellenberger / Zahlwort und Schriftbild der Zahl nach Martin Schellenberger 36 Hans-Georg Weigand / wunderbar berechenbar – Die Welt des Würzburger Mathematikers Kaspar Schott, 1608–1666 37 Martin Stein / Das Projekt ,Mathe-Meister‘ 38 Andreas Büchter, Hans-Jürgen Elschenbroich und Hans-Wolfgang Henn / Der Mathekoffer 40 Ulrich Schwätzer / Berichte über Veranstaltungen des IEEM zum Jahr der Mathematik 44 Mathemagische Momente 46 Thomas Jahnke / Mathematik-Quiz 46 Rolf Biehler / Notizen 47 Eberhard Lehmann / Zum Jahr der Mathematik 48 Katharina Speit / Familienpark Sottrum 49 AK Semiotik, Zeichen und Sprache in der Mathematikdidaktik 17. 3. 2008 / Gert Kadunz 50 AK Mathematik und Bildung 17. 3. 2008 / Günter Graumann 51 AK Mathematikunterricht und -didaktik in Österreich 17. 3. 2008 / Edith Schneider 52 AK Vergleichsuntersuchungen zum Mathematikunterricht 25.–26. 4. 2008 / Gabriele Kaiser und Norbert Knoche 60 Astrid Beckmann / EU-Projekt ,ScienceMath‘ 61 Gert Schubring / Symposium Celebrating the Centennial of the International Commission on Mathematical Instruction (ICMI), Rome 5–8 March 2008 63 Meike Akveld: Knoten in der Mathematik – Themenheft Topologie / Rezensiert von Christian Bär 65 Gilbert Greefrath und Jürgen Maaß (Hg.): Unterrichts- und Methodenkonzepte (Istron, Bd. 11) / Rezensiert von Jürgen Maaß 69 Regina Bruder, Timo Leuders und Andreas Büchter Mathematikunterricht entwickeln / Rezensiert von Jürgen Maaß 70 Gerd Hinrichs: Modellierung im Mathematikunterricht / Rezensiert von Jürgen Maaß 71 Renate Tobies (Hg.): Aller Männerkultur zum Trotz. Frauen in Mathematik, Naturwissenschaften und Technik / Rezensiert von Jürgen Maaß 72 Thomas Jahnke und Wolfram Meyerhöfer (Hg.): Pisa & Co. Kritik eines Programms / Rezensiert von Jürgen Maaß 74 Katja Maaß / Istron 75 Beiträge zum Mathematikunterricht 2008 76 Protokoll der Mitgliederversammlung 79 Karel Tschacher / Zur Erklärung der GDM-Datenbank 80 Karel Tschacher / Ein offenes Wort vom Schatzmeister ISSN 0722-7817

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Mitteilungender Gesellschaftfür Didaktikder Mathematik 85 August 2008

Inhalt3 De gustibus est disputandum4 Standards für die Lehrerbildung im Fach

Mathematik Empfehlungen von DMV,GDM, MNU / Juni 2008

15 Thomas Jahnke / Rede an die Hörerinnenund Hörer der Vorlesung ,Einführung indie Mathematikdidaktik‘

20 Judith Mangelsdorf und MartinNaumann / Ein Olivenzweig der Methodik

22 Susanne Prediger / Verleihung derFörderpreise der GDM 2008 in Budapest

26 Astrid Brinkmann / Vorlesung Arithmetik– welche Inhalte gefallenLehramtsstudierenden?

28 Astrid Brinkmann / Das Projekt„Praxispate“ an der Universität Münster

30 Horst Hischer / Grußwort der GDM zum„10. Forum für Begabungsförderung inMathematik“

33 Alfred Schellenberger / Zahlwort undSchriftbild der Zahl nach MartinSchellenberger

36 Hans-Georg Weigand / wunderbarberechenbar – Die Welt des WürzburgerMathematikers Kaspar Schott, 1608–1666

37 Martin Stein / Das Projekt ,Mathe-Meister‘38 Andreas Büchter, Hans-Jürgen

Elschenbroich und Hans-Wolfgang Henn /Der Mathekoffer

40 Ulrich Schwätzer / Berichte überVeranstaltungen des IEEM zum Jahr derMathematik

44 Mathemagische Momente46 Thomas Jahnke / Mathematik-Quiz46 Rolf Biehler / Notizen47 Eberhard Lehmann / Zum Jahr der

Mathematik48 Katharina Speit / Familienpark Sottrum

49 AK Semiotik, Zeichen und Sprache in derMathematikdidaktik17. 3. 2008 / Gert Kadunz

50 AK Mathematik und Bildung17. 3. 2008 / Günter Graumann

51 AK Mathematikunterricht und -didaktikin Österreich17. 3. 2008 / Edith Schneider

52 AK Vergleichsuntersuchungen zumMathematikunterricht25.–26. 4. 2008 / Gabriele Kaiser undNorbert Knoche

60 Astrid Beckmann / EU-Projekt ,ScienceMath‘61 Gert Schubring / Symposium Celebrating

the Centennial of the InternationalCommission on Mathematical Instruction(ICMI), Rome 5–8 March 2008

63 Meike Akveld: Knoten in der Mathematik –Themenheft Topologie / Rezensiert vonChristian Bär

65 Gilbert Greefrath und Jürgen Maaß (Hg.):Unterrichts- und Methodenkonzepte(Istron, Bd. 11) / Rezensiert von JürgenMaaß

69 Regina Bruder, Timo Leuders und AndreasBüchter Mathematikunterrichtentwickeln / Rezensiert von Jürgen Maaß

70 Gerd Hinrichs: Modellierung imMathematikunterricht / Rezensiert vonJürgen Maaß

71 Renate Tobies (Hg.): Aller Männerkulturzum Trotz. Frauen in Mathematik,Naturwissenschaften und Technik /Rezensiert von Jürgen Maaß

72 Thomas Jahnke und Wolfram Meyerhöfer(Hg.): Pisa & Co. Kritik eines Programms /Rezensiert von Jürgen Maaß

74 Katja Maaß / Istron75 Beiträge zum Mathematikunterricht 2008

76 Protokoll der Mitgliederversammlung79 Karel Tschacher / Zur Erklärung der

GDM-Datenbank80 Karel Tschacher / Ein offenes Wort vom

Schatzmeister

ISSN 0722-7817

Gesellschaft für Didaktik der Mathematik e. V.

Vorstand1. Vorsitzender:

Prof. Dr. Hans-Georg WeigandUniversität Würzburg, Didaktik der MathematikAm Hubland, 97074 WürzburgTel. 0931 . 888-5091 (Sekretariat)Fax. 0931 . [email protected]

2. Vorsitzender:Prof. Dr. Rudolf vom HofeUniversität Bielefeld, Fakultät für Mathematik – IDM,Postfach 100131, 33501 BielefeldTel. 0521 . [email protected]

Kassenführer:ADir. Karel TschacherUniversität Erlangen-Nürnberg, MathematischesInstitut, Bismarckstraße 11/2, 91054 ErlangenPostanschrift: Postfach 3520, 91023 ErlangenTel. 09131 . 85-22406Fax. 09131 . [email protected]

Schriftführerin:Prof. Dr. Katja LengninkUniversität Siegen, FB Mathematik, Emmy-Noether-Campus, Walter-Flex-Straße 3, 57068 SiegenTel. 0271 . 740-3633

0271 . 740-3582 (Sekretariat)Fax. 0271 . [email protected]

Verantwortlich für die Mitteilungen der GDM:Prof. Dr. Thomas JahnkeAm Neuen Palais 10, 14469 PotsdamTel. 0331 . 9771470

0331 . 9771499Fax 0331 . [email protected]

Bankverbindung:Vereinigte Raiffeisenbanken HeroldsbergKto-Nr. 305 87 00BLZ 770 694 61IBAN DE05 7706 9461 0003 0587 00BIC GENODEF1GBF

Homepage der GDM:www.mathematik.de/gdm

ImpressumVerleger: GDMHerausgeber: Prof. Dr. Thomas Jahnke (Anschrift s. o.)Gestaltung und Satz: Christoph Eyrich, Berlin

[email protected]: Diana Fischer, Berlin

[email protected]: Oktoberdruck AG, Berlin

Der Bezugspreis der GDM-Mitteilungen ist imMitgliedsbeitrag der GDM enthalten.

Liebe Mitglieder der GDM,

das Jahr der Mathematik geht jetzt in die zweiteHälfte. Mit dem bisherigen Verlauf, können wir– so denke ich – sehr zufrieden sein. Die Mathe-matik findet eine erhebliche Resonanz in Presse,Rundfunk und Fernsehen, an den Universitätenund in den Schulen. Die Internetseite http://www.jahr-der-mathematik.de gibt einen beeindrucken-den Überblick über die vielfältigen Veranstaltun-gen in diesem Jahr. Da gibt es einen Olympia-Test, es werden Dossiers über Logistik und Ver-kehr angeboten, es gibt ein „künstlerisches Ma-thematikbuch“, Wettbewerbe für Schülerinnenund Schüler sowie für die Öffentlichkeit, das Wis-senschaftsschiff, Online-Spiele, Ringvorlesungen,Kindervorlesungen, Simulationen zur „Schwar-mintelligenz“, Erklärungen von Rechenhilfsmit-teln und Computern, mathematische Stadterkun-dungen, Wanderausstellungen, mathematischeNächte und vieles mehr. Fast alle MathematischenInstitute, Fakultäten und Fachbereiche und insbe-sondere natürlich die Institute und Abteilungenfür Didaktik der Mathematik beteiligen sich mitden unterschiedlichsten Aktivitäten zu diesem füruns besonderen Jahr. Dieses Heft möchte einigedieser Aktivitäten vorstellen, Anregungen geben,denn mathematische Veranstaltungen sollten auchnach dem Jahr der Mathematik auf breiter Basisstattfinden.

Mit freundlichen GrüßenHans-Georg Weigand(1. Vorsitzender der GDM)

2 GDM-Mitteilungen 85 · 2008

De gustibus est disputandum:Das Titelbild der GDM-Mitteilungen

Thomas Jahnke

Seit ich die Herausgabe der Mitteilungen über-nommen habe, trägt und prägt das Heft ein neuesTitelbild, das die Grafikerin Frau Diana Fischer– wie übrigens auch das GDM-Logo – entworfenhat.Während unser GDM-Vorsitzende Hans-GeorgWeigand mit einem nicht-nachlassenden ceterumcenseo an dem seine Suppe löffelnden MädchenAnstoß nimmt, habe ich das Titelbild seinerzeitaus verschiedenen Entwürfen gerade wegen seinesselbstironischen Untertons ausgewählt, der mirtreffender erschien als andere computergrafischeBotschaften der Selbstgewissheit.

Herr Weigand und ich sind daher übereingekom-men, das Titelbild den Leserinnen und Lesern zurDiskussion zu stellen. Zustimmung, Kritik undKommentare sind erwünscht. Haben Sie sich anihm satt gesehen oder darf das Mädchen weiterseine Suppe löffeln?Bitte bedenken Sie bei Ihrer Stellungnahme undIhrem Urteil, dass wir aus Kostengründen und derWiedererkennbarkeit halber das Titelblatt nichtHeft für Heft neu gestalten lassen und nur dessenFarben mit den Jahren wechseln lassen wollen.

GDM-Mitteilungen 85 · 2008 3

Standards für die Lehrerbildungim FachMathematikEmpfehlungen von DMV, GDM und MNU, Juni 2008

Präambel

Wozu diese Empfehlungen?

Die Kultusministerkonferenz (KMK) beabsichtigt,bis Anfang 2009 ländergemeinsame inhaltlicheAnforderungen für die Fachwissenschaften undFachdidaktiken in lehramtsbezogenen Studien-gängen vorzulegen, deren Entwurf den Verbän-den im Juni 2008 vorgelegt worden ist. „DieseFachprofile beziehen sich auf Kompetenzen undsomit auf Kenntnisse, Fähigkeiten, Fertigkeitenund Einstellungen, über die eine Lehrkraft zurBewältigung ihrer Aufgaben im Hinblick auf dasjeweilige Lehramt verfügen soll.“ Die DeutscheMathematiker-Vereinigung (DMV), die Gesell-schaft für Didaktik der Mathematik (GDM) undder Deutsche Verein zur Förderung des mathema-tischen und naturwissenschaftlichen Unterrichts(MNU) haben 2007 in einer gemeinsamen Stel-lungnahme „Für ein modernes Lehramt im FachMathematik“ nach einer kurzen und prägnantenAnalyse der jetzigen Ausbildungspraxis vor allemdes gymnasialen Lehramts notwendige fachlicheund fachdidaktische Kompetenzen von Lehrkräf-ten für Mathematik beschrieben. Die Gesellschaftfür Fachdidaktik (GFD) hat 2005 ein Modell fach-didaktischer Kompetenzen und ein fachdidakti-sches Kerncurriculum für die 1. Phase der Lehr-erbildung veröffentlicht. Die Formulierungen derfachlichen und fachdidaktischen Kompetenzenin den genannten Papieren beziehen sich auf dasMathematikstudium als Ganzes bzw. auf fachdi-daktische Studien generell.Das Anliegen dieser Empfehlungen ist es, den Zusam-menhang zu bedeutsamen Inhalten des Studiums herzu-stellen. Sie sollen eine Brücke zwischen den Kompetenz-profilen und relevanten mathematischen Inhalten desStudiums schlagen: Welche Kompetenzen lassen sich inbesonderer Weise an welchen Inhalten entwickeln bzw.welchen Beitrag leistet der jeweilige Inhalt zum Kom-petenzprofil der angehenden Mathematiklehrkraft? Fürdie Mathematik als Kernfach der Schule ist es dabei un-

abdingbar, den Unterricht von der ersten Klasse bis zuden verschiedenen Schulabschlüssen als fortlaufendenProzess in den Blick zu nehmen.Dabei werden solche Inhalte benannt, die zumVerständnis des mathematischen Schulstoffes undseines Bildungsgehaltes von unmittelbarer Be-deutung sind. Damit soll nicht präjudiziert wer-den, dass ein Studium sich in genau diesen In-halten erschöpfen kann; vielmehr soll die Optionauf exemplarische Vertiefungen zur Erweiterungdes Horizontes vor allem in den höheren Ausbil-dungsstufen offen gehalten werden. Jedoch sollendie hier formulierten Anforderungen eine Orien-tierung für die Diskussion über die Ziele und diestandortspezifische Ausgestaltung der Lehramts-studiengänge geben.Der Einblick in die Bedeutung der Mathematik fürdie moderne Welt gehört zum Kern des Studiumsfür alle Lehrämter. Studierende aller Lehrämtersollen der Mathematik als Kulturleistung und denfür sie charakteristischen Wissensbildungspro-zessen begegnen. Daher gehört zur Vermittlungmathematischer Inhalte grundsätzlich auch, ihrenBeitrag zur mathematischen Bildung auszuweisenund sie in der historischen Genese zu verorten.In der modernen Wissensgesellschaft müssen Stu-dierende aller Lehrämter außerdem Basiskompe-tenzen im Umgang mit neuen Medien erwerben:mathematische Software dient zur Veranschauli-chung, als heuristisches Instrument und zur Kon-struktion von Problemlösungen; das Internet istals Medium zur Informationsbeschaffung unab-dingbar.

Wie sind diese Empfehlungen zu lesen?

Die Studieninhalte sind in Themenkreise geglie-dert, deren Bezeichnung (und Reihenfolge) sichzum einen an den Entwurf für die Fachprofileder KMK (s. o.) anlehnt, zum andern durch einenZusatz die Kompetenzorientierung dieser Empfeh-lungen verdeutlichen soll.

4 GDM-Mitteilungen 85 · 2008

� Arithmetik und Algebra – Denken in Zahlenund Strukturen

� Geometrie – Strukturieren von Raum und Form� Lineare Algebra – Linearisieren und Koordinati-

sieren� Funktionen und Analysis – Funktionales und

infinitesimales Denken� Stochastik – Daten analysieren und Zufall mo-

dellieren� Modellieren und Angewandte Mathematik –

Anwenden von Mathematik� Fachdidaktische Kompetenzen

Die Themenkreise sind nicht als Bezeichnungeneinzelner Veranstaltungen anzusehen: Eine Veran-staltung kann Studieninhalte aus verschiedenenThemenkreisen umfassen; die Inhalte eines The-menkreises können mehreren Veranstaltungenzugeordnet werden.Mit Blick auf das Berufsfeld ist es sinnvoll und notwen-dig, Veranstaltungen nach Schulstufen bzw. Schulfor-men zu differenzieren.

Für die fachlichen Standards sind als Hinweis zueiner Ausdifferenzierung bei der Umsetzung inentsprechende Curricula vier Kategorien ange-geben. Diese sind nach inhaltlicher Ausweitung,begrifflicher Elaboriertheit und Grad der Abstrak-tion und Formalisierung gestaffelt. Ihre Reihungist im Sinne zunehmender Intensität zu verste-hen. Damit wird zum Ausdruck gebracht, dassauf jeder Stufe die Inhalte und Konzepte der da-vor liegenden Stufen geeignet integriert werdensollen. Dabei sollte folgenden Zielsetzungen Rech-nung getragen werden (vgl. gemeinsame Stellung-nahme von DMV, GDM, MNU):� Die Studierenden erfahren mathematische Wis-

sensbildung als progressiven Prozess, der vonDenkhandlungen wie Abstraktion, Verallge-meinerung, Präzisierung und Formalisierunggetragen wird und die kreative Entwicklung ge-danklicher Ordnungsmittel erfordert.

� Sie erwerben damit nicht nur ein vertieftes Ver-ständnis mathematischer Inhalte, sondern auchSichtweisen, die für die Fähigkeit zum geneti-schen Lehren unabdingbar sind.

Diese Kompetenzen betreffen die im Alltag relevante Mathematik und ihre begriffliche Beschreibung.Über diese Kompetenzen soll eine Lehrkraft verfügen, die Mathematik gleich in welcher Jahr-gangsstufe unterrichtet, auch dann, wenn sie kein Fachstudium absolviert hat.Diese Kompetenzen betreffen Werkzeuge, Begriffe und Verfahren der Elementarmathematik als Mittel, dieAlltagsmathematik von einem übergeordneten Standpunkt aus zu durchdringen, zu reflektieren und inihrem Rahmen Probleme zu lösen.Über diese Kompetenzen soll eine Lehrkraft zusätzlich verfügen, die Mathematik gleich in wel-cher Jahrgangsstufe unterrichtet und ein stufenspezifisches Fachstudium absolviert hat.Diese Kompetenzen betreffen unterrichtsrelevante Werkzeuge, Begriffe und Verfahren der Elementarmathe-matik und die Möglichkeit, diese von einem höheren Standpunkt zu durchdringen, zu reflektieren und inihrem Rahmen Probleme zu lösen.Über diese Kompetenzen soll eine Lehrkraft darüber hinaus verfügen, die Mathematik in denSekundarstufen unterrichtet und ein schulformspezifisches Fachstudium absolviert hat.Diese Kompetenzen betreffen exemplarisch die Kenntnis weiterführender mathematischer Theoriebildungenmit ihren spezifischen Mechanismen und der je eigenen Leistungsfähigkeit zum Lösen inner- und außerma-thematischer Probleme.Über diese Kompetenzen soll eine Lehrkraft zusätzlich verfügen, die Mathematik in der Sekun-darstufe II unterrichtet.

Über die fachdidaktischen Kompetenzen soll eineLehrkraft verfügen, die Mathematik gleich in wel-cher Jahrgangsstufe unterrichtet, wenn auch infür die jeweilige Jahrgangsstufe unterschiedlichenAusformungen.

Wie sind diese Empfehlungen zustande gekommen?

Die gegenwärtige Situation im Bologna-Prozesslässt befürchten, dass sich das Ausbildungssystemtrotz formaler Vereinheitlichung zu einem Flick-enteppich unterschiedlichster Modelle entwickelt,die die Mobilität der Studierenden schon inner-halb Deutschlands, sogar innerhalb eines Bundes-

GDM-Mitteilungen 85 · 2008 5

landes erschwert. Das gilt insbesondere für dieLehrerbildung, die auf einen zwar in den Ländernunterschiedlich gegliederten, aber vergleichbarenArbeitsmarkt Schule ausgerichtet ist. Um diesemTrend entgegen zu wirken, hat ein Arbeitskreisder GDM in Zusammenarbeit mit der DMV undder MNU für die Ausbildung von Lehrerinnenund Lehrern, die das Kernfach Mathematik vonder ersten Klasse bis zum Abitur erfolgreich un-terrichten sollen, diese Empfehlungen von Stan-dards für die Lehrerbildung formuliert.Dem Arbeitskreis gehören an: Rainer Danckwerts,Hans-Jürgen Elschenbroich, Lisa Hefendehl-Hebeker, Gabriele Kaiser, Ina Kersten, HenningKörner, Jürg Kramer, Timo Leuders, Andreas

Marx, Michael Neubrand, Hans-Dieter Rinkens(Sprecher), Hans-Georg Weigand, Bernd Wollring.Der Vorstand der GDM, das Präsidium der DMVund der Bundesvorstand der MNU veröffentlichendiese Empfehlungen in der aktuellen Diskussionüber ländergemeinsame inhaltliche Anforderun-gen für die Fachwissenschaften und ihre Didakti-ken in der Lehrerbildung als Beitrag zur Beschrei-bung der fachbezogenen Kompetenzen künftigerMathematiklehrerinnen und -lehrer.

Prof. Günter M. Ziegler für die DMVProf. Hans-Georg Weigand für die GDM

OStD Arnold a Campo für den MNU

6 GDM-Mitteilungen 85 · 2008

Arithmetik und Algebra – Denken in Zahlen und Strukturen

Der Themenkreis Arithmetik und Algebra er-streckt sich auf Zahlen und ihre Verwendung, dassystematische Operieren mit Zahlen und schließ-lich die Algebra als formale Durchdringung undVerallgemeinerung. Er umspannt eine lange histo-

rische Entwicklung, die durch die geistige Gestal-tungskraft typischer mathematischer Denkhand-lungen wie Abstrahieren, Ordnen und Struktu-rieren, Generalisieren und Formalisieren getragenist.

Bereiche Kompetenzen bezogen auf Inhalte und Prozesse

Die StudierendenZahlen,Zahldar-stellungen,Zahlensystem

� kennen Darstellungsformen für natürliche Zahlen, Bruchzahlen und rationaleZahlen und verfügen über Beispiele, Grundvorstellungen und begriffliche Be-schreibungen für ihre jeweilige Aspektvielfalt.� beschreiben die Fortschritte im progressiven Aufbau des Zahlensystems undargumentieren mit dem Permanenzprinzip als formaler Leitidee.� ermessen die kulturelle Leistung, die in der Entwicklung des Zahlbegriffs unddes dezimalen Stellenwertsystems steckt.� beschreiben die Grenzen der rationalen Zahlen bei der theoretischen Lösung desMessproblems.� geben Beispiele für den Umgang der Mathematik mit dem unendlich Großenund mit dem unendlich Kleinen (z. B. Mächtigkeit, Dichtheit).� erläutern die Vollständigkeit und weitere Eigenschaften der reellen Zahlen anBeispielen.� verwenden Axiomatik und Konstruktion zur formalen Grundlegung von Zahl-bereichen (bis hin zu den komplexen Zahlen) und beherrschen dazu begrifflicheWerkzeuge wie Äquivalenzklassen und Folgen.

ElementareArithmetik

� erfassen die Gesetze der Anordnung und der Grundrechenarten für natürli-che und rationale Zahlen in vielfältigen Kontexten und können sie formal sicherhandhaben.� kennen und nutzen grundlegende Zusammenhänge der elementaren Teilbar-keitslehre.� erfassen Gesetze und Bedeutung der Potenzrechnung und des Logarithmus fürdie Mathematik und ihre Anwendungen.� beschreiben Zusammenhänge der Teilbarkeitslehre formal und nutzen sie zumLösen von Problemen.

Algebra � kennen und verwenden im Umgang mit Zahlenmustern präalgebraischeDarstellungs- und Argumentationsformen und erste formale Sprachmittel (Va-riable).� handhaben die elementar-algebraische Formelsprache und beschreiben dieBedeutung der Formalisierung in diesem Rahmen.� verwenden grundlegende algebraische Strukturbegriffe und zugehörige struktur-erhaltende Abbildungen in Zahlentheorie und Geometrie (z. B. Restklassenringe,Symmetriegruppen).� beschreiben die Vorteile algebraischer Strukturen in verschiedenen mathemati-schen Zusammenhängen (Zahlentheorie, Analysis, Geometrie) und nutzen sie zumLösen von Gleichungen (z. B. Konstruktion mit Zirkel und Lineal).

Neue Medien � nutzen Taschenrechner und Tabellenkalkulation zum Erkunden arithmetischerZusammenhänge und zum Lösen numerischer Probleme und reflektieren überFragen der Genauigkeit.� nutzen Computeralgebrasysteme zur Darstellung und Exploration funktionalerund elementarer algebraischer Zusammenhänge und als heuristisches Werkzeugzur Lösung von Problemen.

GDM-Mitteilungen 85 · 2008 7

Geometrie – Strukturieren von Raum und Form

Charakteristisch für die Geometrie sind Vorstel-lungen und Konstruktionen von Formen, Gestal-ten und Mustern und ihren systematischen Verän-derungen in Abbildungen, sowie die Grundideendes Messens in der Ebene, im dreidimensionalen

Raum und darüber hinaus. Figuren und Abbil-dungen bilden ferner eine wesentliche Stufe einerersten systematischen Verständigung über mathe-matische Inhalte allgemein, bevor diese formaldurchdrungen und fixiert werden.

Bereiche Kompetenzen bezogen auf Inhalte und Prozesse

Die StudierendenElementareGeometrie inEbene undRaum

� beschreiben und erläutern elementare Formen, Konstruktionen und Symmetrienin Ebene und Raum und operieren damit materiell und mental.� erläutern Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen ebenen und räumlichenPhänomenen.� führen elementare Konstruktionen mit Lineal und Zirkel durch und begründendiese.� durchdringen geometrische Aussagen argumentativ in Begründungen und Be-weisen.� beschreiben geometrische Abbildungen, insbesondere Kongruenzabbildungen,Ähnlichkeitsabbildungen und Projektionen, führen sie konstruktiv durch undnutzen sie beim Lösen von Konstruktionsproblemen.� beschreiben Axiomatik und Konstruktion als Wege für eine formale Grundle-gung der euklidischen Geometrie.

Messen inEbene undRaum

erläutern und nutzen geometrische Vorstellungen (z. B. Auslegen, Ausschöpfen)zum Messen von Längen, Flächeninhalten, Rauminhalten und Winkeln.� bestimmen Maße und ihr Invarianz- und Transformationsverhalten durchKongruenz- und Ähnlichkeitsargumente.� erklären und nutzen Verfahren der Trigonometrie erklären und nutzen Grenz-prozesse zum Messen (Approximation, Cavalieri).� erklären die Grundidee des Integrals geometrisch und nutzen sie zur Bestim-mung von Flächen, Längen und Rauminhalten.

GeometrischeStrukturen

� beschreiben Symmetrien durch Abbildungen und strukturieren sie mit demGruppenbegriff.� arbeiten darstellend und analytisch mit linearen Gebilden (wie Punkt, Gerade,Ebene und Hyperebene) und sie betreffenden Operationen.� arbeiten darstellend und analytisch mit nichtlinearen Gebilden (wie Kreise,Kegel, Kegelschnitte, Kugeln und Rotationskörper).� zeigen exemplarisch Wege zu nicht-euklidischen Geometrien auf.

Neue Medien � nutzen Software zur Darstellung ebener und räumlicher Gebilde, zur Explora-tion geometrischer Konstruktionen und als heuristisches Werkzeug zur Lösunggeometrischer Probleme.

8 GDM-Mitteilungen 85 · 2008

Lineare Algebra – Linearisieren und Koordinatisieren

Charakteristisch für die Lineare Algebra ist ih-re Rolle als Sprache und universelles Werkzeugfür die Mathematik und Anwendungsbereiche inTechnik, Natur- und Wirtschaftswissenschaften.So führt die Anwendung mathematischer Metho-den in den verschiedensten Gebieten auf lineareGleichungssysteme (z. B. Verflechtungsprobleme,lineare Optimierung). Grundprinzipien sind Li-nearisierung (z. B. bei der Lösung von gewöhnli-chen Differenzialgleichungen) und Koordinatisie-

rung. Durch die Idee der Koordinatisierung wirddie Möglichkeit gegeben, geometrische Phäno-mene mit Hilfe der Algebra zu beschreiben undumgekehrt algebraische Erkenntnisse geometrischzu veranschaulichen. Das Streben der Mathematiknach Abstraktion (um größtmögliche Anwend-barkeit zu erhalten) und nach Klassifikation (z. B.unter dem Aspekt der Dimension) zeigt sich deut-lich in der Linearen Algebra.

Bereiche Kompetenzen bezogen auf Inhalte und Prozesse

Die StudierendenLineare Glei-chungen undKoordinaten-geometrie

� verstehen Koordinatisierung als Möglichkeit, geometrische Phänomene algebra-isch zu behandeln.� unterscheiden zwischen ein-, zwei- und dreidimensionalen Räumen und habenein intuitives Verständnis von Matrizen, z. B. als Möglichkeit, Daten übersichtlichdarzustellen.� geben Beispiele für Vektoren wie Kraft und Geschwindigkeit und beschreiben,wie Vektoren Beträge und Richtungen von Größen ausdrücken.� beschreiben lineare Gleichungssysteme und Lösungsverfahren mit Hilfe vonMatrizen, haben (geometrische) Vorstellungen über Lösungsmengen und zeigenAnwendungsmöglichkeiten in Technik, Naturwissenschaften und Wirtschaft auf.

Lineare Struk-turen

� erläutern, wie man von anschaulichen ein-, zwei- und dreidimensionalen Räu-men zum abstrakten Begriff des Vektorraumes kommt.� geben Beispiele für Vektorräume in Mathematik (z. B. Funktionenräume) undanderen Wissenschaften (Physik, Ökonomie, . . . ) an.� beschreiben die Bedeutung der abstrakten Begriffe Basis und Dimension fürgeo-metrische Fragestellungen, bei der Lösung linearer Gleichungssysteme sowiebei linearen Koordinatentransformationen.� begreifen lineare Abbildungen von Vektorräumen als strukturverträgliche Abbil-dungen und stellen diese durch Matrizen dar.� geben Beispiele für Anwendungen von Matrizen (z. B. stochastische Übergangs-matrizen, geometrische Abbildungen).� erläutern die Bedeutung der Determinante in Algebra, Geometrie und Analysisund verstehen die Determinante als alternierende Multilinearform.� zeigen die Nützlichkeit der Begriffe Eigenwert und Eigenvektor (z. B. Klassifikati-on von Matrizen, Hauptachsentransformation, lineare Differentialgleichungen).

GeometrischeStrukturen

� stellen Zusammenhänge zur Elementargeometrie (z. B. Satz von Pythagoras) her.� beschreiben und konstruieren Isometrien und Projektionen.� beschreiben, wie Vektorräume mittels eines Skalarprodukts eine metrischeStruktur bekommen und Längen- und Winkelbegriffe genutzt werden können.� beschreiben Kegelschnitte und Quadriken algebraisch und geometrisch undwenden Hauptachsentransformation an.� beschreiben verschiedene Zugänge zu affiner und projektiver Geometrie.

Neue Medien � nutzen mathematische Software, um Sätze der Linearen Algebra anhand vonBeispielen nachzuvollziehen, und als Werkzeug bei der Lösung von Anwendungs-problemen.

GDM-Mitteilungen 85 · 2008 9

Funktionen und Analysis – Funktionales und infinitesimales Denken

Charakteristisch für die Analysis ist der syste-matisierende Umgang mit dem unendlich Klei-nen (und Großen). Davon handeln die zentralenBegriffe Grenzwert, Ableitung und Integral. Siehandeln ebenso von der grundlegenden Idee desfunktionalen Denkens. Beides – die Erfahrung des

erfolgreichen Umgangs mit dem Unendlichen unddie Erziehung zum funktionalen Denken – gehörtzum Kern des allgemeinbildenden Werts der Ana-lysis, begründet ihre breite Anwendbarkeit undträgt substanziell zu einem gültigen Bild der Ma-thematik als Kulturleistung bei.

Bereiche Kompetenzen bezogen auf Inhalte und Prozesse

Die StudierendenFunktionen � verwenden Abbildungen als universelles Werkzeug (z. B. Kongruenzabbildun-

gen, Permutationen, Folgen) und beschreiben sie mit Hilfe charakterisierenderEigenschaften (z. B. Bijektivität).� arbeiten mit Funktionen in verschiedenen Darstellungen (Tabelle, Graph, Term)und unter verschiedenen Aspekten (Einsetzungs-, Veränderungs- und Objekta-spekt).� erläutern inner- und außermathematische Situationen, in denen die Abhängig-keit von mehreren Variablen eine Rolle spielt.� nutzen elementare Funktionen zur Beschreibung realer Prozesse und inner-mathematischer Zusammenhänge und erläutern grundlegende Eigenschaften(Monotonie, Umkehrbarkeit).

Grenzwert � erläutern einen präformalen Grenzwertbegriff an tragenden Beispielen.� beschreiben die Vollständigkeitseigenschaft der reellen Zahlen und erläuternihre Bedeutung an Beispielen.� definieren den Begriff des Grenzwerts für Folgen und Reihen sowie die Vollstän-digkeit der reellen Zahlen und verwenden diese Begriffe formal sicher.

Ableitung � interpretieren den Begriff der Ableitung als lokale Änderungsrate und setzenihn in Anwendungszusammenhängen ein.� interpretieren die Ableitung als Instrument der lokalen Linearisierung.� untersuchen Eigenschaften von Funktionen mit analytischen Mitteln.� definieren die Begriffe Stetigkeit und Differenzierbarkeit formal und begründenzentrale Aussagen über stetige und differenzierbare Funktionen.� verwenden die Idee der Differenzialgleichung zur Charakterisierung von Funk-tionen und zur Modellbildung.

Integral � beschreiben die Idee der Flächenmessung mittels infinitesimaler Ausschöpfungan Beispielen.� interpretieren das Integral als Bilanzieren und als Mittelwertbildung und setzenes in Anwendungszusammenhängen ein.� begründen den Hauptsatz der Differenzial- und Integralrechnung anschaulich.� definieren den Begriff des (Riemann-)Integrals formal und verwenden ihn inmathematischen Zusammenhängen.

Vernetzungenund Verallge-meinerungen

� beschreiben und verwenden die Differenziation und Integration von Funktionenmehrerer Veränderlicher.� nutzen die Begriffe der Analysis zur Darstellung von Kurven und Flächen imRaum.� nutzen das Integral zur Arbeit mit stetigen Verteilungen in der Stochastik

Neue Medien � nutzen Software zur Darstellung und Exploration funktionaler Zusammenhän-gen und infinitesimaler Phänomene und reflektieren ihre Verwendung kritisch.

10 GDM-Mitteilungen 85 · 2008

Stochastik – Daten analysieren und Zufall modellieren

Die Statistik bietet wirkungsvolle Werkzeuge derZusammenfassung und Darstellung von Daten,mit denen sich Zusammenhänge der Realität be-schreiben und interpretieren lassen. Zudem hatdie Mathematik einen Wahrscheinlichkeitsbegriffentwickelt, mit dem sich auch Zufallsphänomene

erfassen lassen. Datenanalyse und Zufallsmodel-lierung kommen zusammen in vielfältigen sto-chastischen Anwendungen, ohne die die modernequantitativ arbeitende Wissenschaft nicht denkbarist.

Bereiche Kompetenzen bezogen auf Inhalte und Prozesse

Die StudierendenBeschreibendeStatistik/Datenanalyse

� planen statistische Erhebungen (Befragung, Beobachtung oder Experiment),führen sie durch und werten sie aus� lesen und erstellen grafische Darstellungen für uni- und bivariate Daten (z. B.Kreuztabelle) und bewerten deren Eignung für die jeweilige Fragestellung.� bestimmen und verwenden uni- und bivariate Kennwerte (z. B. Mittelwerte,Streumaße, Korrelationen, Indexwerte) und interpretieren sie angemessen.

Zufallsmodel-lierung

� modellieren mehrstufige Zufallsversuche durch endliche Ergebnismengen undnutzen geeignete Darstellungen (Baumdiagramm, Mehrfeldertafel).� unterscheiden Wahrscheinlichkeitsaspekte (frequentistisch, axiomatisch usw.)und beschreiben typische Verständnisschwierigkeiten im Umgang mit dem Zu-fallsbegriff.� rechnen und argumentieren mit Wahrscheinlichkeiten.� rechnen und argumentieren mit bedingten Wahrscheinlichkeiten, Erwartungs-werten und stochastischer Unabhängigkeit.� erläutern inhaltlich das Bernoullische Gesetz der großen Zahlen und den zentra-len Grenzwertsatz und deren Konsequenzen.� verwenden diskrete Verteilungsmodelle.� verwenden kontinuierliche Verteilungsmodelle.

StochastischeAnwendungen

kennen Beispiele für die Anwendung von Stochastik (z. B. Markow-Ketten) inverschiedenen Wissenschaften (Ökonomie, Physik, . . . ).� schätzen in Zufallssituationen Parameter aus Daten.� führen Hypothesentests durch und reflektieren deren zentrale Schritte undbestimmen Konfidenzintervalle.� beschreiben Schritte klassischer Testkonstruktion und Beispiele für probabilisti-sche Testverfahren.� erläutern Unterschiede zwischen Bayes-Statistik und klassischen Testverfahren.

Neue Medien � verwenden Tabellenkalkulation und statistische Software zur Darstellung undexplorativen Analyse von Daten.� simulieren Zufallsversuche computergestützt.

GDM-Mitteilungen 85 · 2008 11

Modellieren und Angewandte Mathematik – Anwenden von Mathematik

Die Wechselwirkung zwischen Mathematik undrealer Welt spiegelt sich in der grundlegendenIdee des mathematischen Modellierens wieder. Da-bei kann zum einen die mathematische Strukturim Vordergrund stehen und ihr Modellcharakterfür Anwendungssituationen herausgestellt wer-den; dies erfolgt in den kanonischen Fachvorle-sungen. Zum andern können außermathematischeProbleme Anlässe zur Entwicklung neuer und Ver-

knüpfung verschiedener mathematischer Theorie-teile sein. Die Thematisierung solcher Prozesse istcharakteristisch für die Angewandte Mathematik.Außerdem führt der Umgang mit fehlerbehaftetenempirischen Daten, mit Rechenungenauigkeitenund mit großen Datenmengen zu weiteren typi-schen Fragestellungen der Angewandten Mathe-matik.

Bereiche Kompetenzen bezogen auf Inhalte und Prozesse

Die StudierendenModellieren � beschreiben anhand von Beispielen mathematisches Modellieren als einen mehr-

stufigen Prozess, der von einer realen Situation über ein reales Modell (untermehreren möglichen) zu einem mathematischen Modell führt, das wiederum inder Realität geprüft wird.� wenden mathematische Denkmuster und Darstellungsmittel auf praktischeProbleme an.� reflektieren die spezifischen Möglichkeiten (z. B. Prognosen) und Grenzen (z. B.Verkürzungen) mathematischen Modellierens.

Anwendungs-bereiche

� beschreiben exemplarisch Modellbildungsprozesse in verschiedenen Problemfel-dern und realen Kontexten, beispielsweise– physikalische und weitere naturwissenschaftliche Modelle,– Netzwerke und Graphen,– Optimierung (Lineare Optimierung, optimale Steuerungen),– Nachrichtenübermittlung (Kryptographie),– Bildgebende Verfahren (Computertomographie),– Finanz- und Versicherungswesen,– Digitalisierung von Sprache und Musik.

Numerik � beschreiben an Beispielen, wie empirisch gewonnene Daten und numerischeRechnungen mit Fehlern behaftet sind, und schätzen deren Auswirkungen beiModellierungen ein.� verwenden Methoden (z. B. Iterationsverfahren) zur systematischen Verbesserungvon Näherungswerten und erläutern die damit verbundenen Fragen (Schnelligkeit,Stabilität).

Neue Medien � nutzen Software (CAS, Tabellenkalkulation, Geometriesoftware) zur Darstellungund Exploration mathematischer Modellierungen und als heuristisches Werkzeugzur Lösung von Anwendungsprobleme.kennen und reflektieren Fragen der Umsetzung numerischer Verfahren auf demComputer (z. B. Komplexität, Genauigkeit).

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Fachdidaktische Kompetenzen

Die Fachdidaktik als Wissenschaft vom fachspe-zifischen Lernen zielt auf theoretische und em-pirische Erkenntnisse zu fachlichen Lehr- undLernprozessen und ihren Bedingungen. Lehramts-studierende erwerben

� in ihren fachwissenschaftlichen Studien fach-bezogene Reflexionskompetenzen, die sie mitBlick auf ihr künftiges Berufsfeld in den fachdi-daktischen Studien vertiefen,

� in ihren fachdidaktischen einschließlich derschulpraktischen Studien mathematikdidakti-sche Basiskompetenzen, insbesondere mathe-matikdidaktische diagnostische Kompetenzen,sowie theoretisch reflektierte mathematikunter-richtsbezogene Handlungskompetenzen.

Der Erwerb dieser Kompetenzen erfolgt in einemwissenschaftlichen Studium und wird in reflek-tierten Praxisphasen während des Studiums auf-gebaut und in einer praxisbetonten Phase vertieft.

Bereiche Kompetenzen bezogen auf Inhalte und Prozesse

Die StudierendenFachbezogeneReflexions-kompetenzen

� beschreiben spezifische Erkenntnisweisen des Faches Mathematik und grenzen sie gegendie anderer Fächer ab.� reflektieren die Rolle und das Bild der Wissenschaft Mathematik in der Gesellschaft.

Mathematik-didaktischeBasiskompe-tenzen

� kennen und bewerten Konzepte von „mathematischer Bildung“ und die Bedeutung desSchulfaches Mathematik für die Gesellschaft und die Schulentwicklung.� verfügen über theoretische Konzepte zu zentralen mathematischen Denkhandlungen wieBegriffsbilden, Modellieren, Problemlösen und Argumentieren.� beschreiben zu den zentralen Themenfeldern des Mathematikunterrichts– verschiedene Zugangsweisen, Grundvorstellungen und paradigmatische Beispiele,– begriffliche Vernetzungen, u. a. durch fundamentale Ideen,– typische Präkonzepte und Verstehenshürden,– Stufen der begrifflichen Strenge und Formalisierung und deren altersgemäße Umsetzun-gen.� stellen Verbindungen her zwischen den Themenfeldern des Mathematikunterrichts undihren mathematischen Hintergründen.� reflektieren die Rolle von Alltagssprache und Fachsprache bei mathematischen Begriffs-bildungsprozessen.� kennen und bewerten Konzepte für schulisches Mathematiklernen und -lehren (geneti-sches Lernen, entdeckendes Lernen, dialogisches Lernen usw.).� beschreiben Möglichkeiten fächerverbindenden Lernens im Verbund mit dem FachMathematik.� bewerten Bildungsstandards, Lehrpläne und Schulbücher und nutzen sie reflektiert fürdie Unterrichtsgestaltung.� rezipieren fachdidaktische Forschungsergebnisse und vernetzen sie mit ihren Kenntnis-sen.

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Bereiche Kompetenzen bezogen auf Inhalte und Prozesse

Die StudierendenMathematik-didaktischediagnostischeKompetenzen

� beobachten, analysieren und interpretieren mathematische Lernprozesse.� kennen und reflektieren Ziele, Methoden und Grenzen der Leistungsüberprüfung und-bewertung im Mathematikunterricht.� kennen Grundlagen empirischer Kompetenzmessung und können deren Ergebnissehandhaben (z. B. Intelligenz- und Schulleistungstests, zentrale Lernstandserhebungen).� führen strukturierte Interviews und informelle Gespräche als individualdiagnostischeVerfahren durch und werten sie aus.� konstruieren diagnostische Aufgaben und analysieren und interpretieren Schülerleistun-gen.� beschreiben Unterrichtsarrangements und -methoden mit diagnostischem Potenzial.� erstellen auf diagnostischen Ergebnissen beruhende Förderpläne für einzelne Schüleroder Lerngruppen.� beschreiben Konzepte und Untersuchungen von Rechenschwäche und mathematischerHochbegabung.

Mathematik-unterrichts-bezogeneHandlungs-kompetenzen

� kennen wesentliche Elemente von Lernumgebungen und nutzen diese zur zielgerichte-ten Konstruktion von Lerngelegenheiten:– Aufgaben als Ausgangspunkt für Lernprozesse,– Lehr- und Lernmaterialien als Mittel fachlichen Lernens,– Möglichkeiten, Bedingungen und Grenzen des Computereinsatzes im Mathematikunter-richt,– Unterrichtsmethoden in ihrer fachspezifischen Ausformung.– fachspezifische Interventionsmöglichkeiten von Lehrpersonen (z. B. Umgang mit vorläufi-gen Begriffen, Reaktion auf Fehler, heuristische Hilfen).� kennen und bewerten Verfahren für den Umgang mit Heterogenität im Mathematikun-terricht (z. B. Lernausgangsdiagnosen, Prozesshilfen, natürlich differenzierende Aufgabenund Lernarrangements).� kennen Verfahren qualitativer und quantitativer empirischer Unterrichtsforschung imFach Mathematik (z. B. Fallstudien, Feldstudien) und können Ergebnisse bei der Gestaltungvon Lernprozessen berücksichtigen.� reflektieren den Umgang mit Verfahren empiriegestützter Unterrichtsentwicklung (z. B.durch zentrale Leistungsmessung).

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Rede an die Hörerinnen und Hörerder Vorlesung ,Einführung indie Mathematikdidaktik‘Universität Potsdam im SS 2008

Thomas Jahnke

Liebe Lehramtsstudierende,ich will heute zunächst einmal mit Ihnen redenund, da mir das wichtig ist, habe ich mir sogaraufgeschrieben, was ich Ihnen sagen will. Ich ha-be Unmut über diese Veranstaltung gehört, unddas ist nicht das erste Mal bei einer derartigenVeranstaltung, so dass ich zumindest einmal sa-gen will, worauf dieser Unmut meiner Ansichtnach beruht: nämlich auf einem Missverständnis,einem grundsätzlichen Missverständnis, was dieseVorlesung von Ihnen und mit Ihnen und vielleichtsogar für Sie will.Didaktik der Mathematik ist die wissenschaft-liche Auseinandersetzung mit dem Lehren undLernen von Mathematik. Nun wird so mancheoder mancher von Ihnen denken, ich will gar kei-ne Einführung in die Didaktik der Mathematik,ich will doch Lehrerin oder eben Lehrer werden,und ich erwarte, dass ich da das Handwerkszeugund die Tricks lerne, wie man diesem Beruf ge-konnt nachgeht. Also bitte keine langatmigen undtheoretischen oder gar historischen Ausführun-gen über dies und das, sondern sofort und oh-ne Umschweife zur Sache, zum guten Unterrich-ten, Punktum. Auch wenn ich diese Aufforderungschon häufiger gehört und öfter noch gefühlt ha-be, sie mir also insofern nachvollziehbar ist, halteich sie, um das der Klarheit und vielleicht auchder Provokation halber einmal deutlich zu sagen,für borniert.Stellen Sie sich vor, Sie studierten Jura und hör-ten eine Vorlesung zur Einführung in das öffentli-che Recht. Wäre es da wohl sinnvoll, dem Vortra-genden lauthals murrend oder auch nur im stillenWiderstand vorzuhalten, Sie wollten das alles garnicht hören, schließlich wollten Sie Strafverteidi-

ger werden und nun mal endlich zu den Verfah-renstricks.Stellen Sie sich vor, Sie studieren Wirtschafts-wissenschaften und hörten eine Vorlesung zurEinführung in die Grundlagen dieser Disziplinund Ihr Nachbar, um Sie einmal aus dem Spielzu lassen, krakelte los, er wolle ein erfolgreicher,ja ein reicher Manager werden, einen überteuer-ten Aktenkoffer habe er sich schon zugelegt, aberder Porsche fehle noch, und nun wolle er endlichpräzise Auskünfte, wie er es denn dahin brächte,ja ein bisschen Vokabular und Training braucheman ja schon, also her damit.Vielleicht sehen Sie im Blick auf die fremden Fä-cher trotz oder wegen meiner Überzeichnung,dass diese Forderungen ganz unangemessen sind.Die Universität spendiert Ihnen gar keine Ausbil-dung, kein Training für einen Beruf, sie will Siebilden. Deshalb sprechen wir hier im Haus auchimmer von Lehrerbildung und nicht von Lehrer-ausbildung. Aber, werden Sie vielleicht ausrufen,ich will doch Lehrer werden. Das will ich schonglauben, aber wir sollten uns gerade deshalb ein-mal darüber verständigen, was wohl dazu gehörtund wie das wohl vonstatten gehen könnte. Icherinnere mich auch deutlich an den Ausbrucheines jungen Mannes, der mir in der Cafeteriastolz verkündete, er sei Lehrer in der dritten Ge-neration, da habe er, so drückte er sich meinerErinnerung nach aus, das Geschwafel der Leutein Golm1 nicht nötig, die doch nie vor einer Klas-se gestanden und von Tuten und Blasen folglichkeine Ahnung hätten.So mancher künftigen Grundschullehrerin, ichwill einmal davon absehen, dass es dieses Lehr-amt in Brandenburg in eigenständiger Form gar

1 Golm ist ein Vorort von Potsdam, in dem die humanwissenschaftliche Fakultät der Universität Potsdam einschließlich der Institutefür Erziehungswissenschaft und für Grundschulpädagogik angesiedelt ist.

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nicht gibt, scheint ein akademisches Studiumgänzlich überflüssig, inhaltlich fühlt sie sichdurch ihr Abitur der künftigen Tätigkeit durchausgewachsen, nur methodisch hätte sie doch gernnoch ein paar Hinweise und eine berufsorientierteSchulung, die sie für die Praxis ,fit‘ mache. Stu-dium als Fitnesstraining, wo möglich noch miteinem Wellnessbereich?Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang auchdas so genannte ,Integrierte Eingangspraktikum’,von dem Sie möglicherweise noch Reste in Golmerlebt haben, bei dem die Studierenden kaum,dass sie solche waren, kaum dass sie also selbstdie Schulbank verlassen hatten, nun gewendetwurden, um als Möchte-gern-bald-Lehrer wie-der das Schulhaus zu betreten, um gleich mitihrem Berufswunsch loszulegen, sich dabei be-reits im Lehrerzimmer wohl fühlend (möglicher-weise mehr als im Klassenzimmer), sich schonmit ihren alten Lehrern duzend voreilig in denHabitus der anderen Seite einzugewöhnen, ohnedass sie je einen Gegenstand oder Umstand Ihrerangestrebten Berufstätigkeit mit kühlem, distan-zierten, wissenschaftlichen Blick betrachtet hät-ten. Hinderlich war da eigentlich nur noch diesesStudium nebst seinen Prüfungen, das doch nuraufhält, wo man doch schon erste Belobigungenüber schöne Tafelbilder und den netten Umgangmit den Kindern einfährt. Das Studium als Hin-dernis. Sinnvoller wäre es doch, man wäre eineWeile Lehrling, das würde man schon zugestehen,bei einer erfahrenen Meisterlehrerin, von der mansich den guten Unterricht eben abschaut, wobeidann der gute Wille und die Liebe zu den Kin-dern und die Freude am schönen Beruf schon dasÜbrige besorgten. Ergänzt wird diese Sicht nochdurch eine entsprechend ,gesunde’ Einstellung zuder so genannten Theorie. Theorie ist hier eineideale Praxis, eben was so in den Büchern stehtund was man soll, was aber in der Praxis danndoch ganz anders ist. Da merkt man doch gleich,Theorie ist etwas für Hochschulprüfungen, abererst wenn man diese Scheußlichkeiten mal hintersich gelassen und die Unterlagen aus dem Studi-um weggeworfen hat, beginnt der unbeschwerteBeruf.Angelegentlich dieser Eile, in den Beruf zu kom-men, will ich Ihnen noch von einem persönlichenSchock berichten, den mir meine Studierendenversetzt haben: In den obligatorischen Schul-praktischen Übungen gehen wir mit einer klei-nen Gruppe von nicht mehr als sechs Studieren-den wöchentlich einmal in die Schule, und einervon uns unterrichtet, was wir vorher gemeinsamvorbereitet haben. Da die Studierenden in dieser

Veranstaltung zum ersten Mal unterrichten, bege-hen sie fachliche, pädagogische und didaktischeUngeschicklichkeiten aller Art, was ja auch Sinnder Übung ist. Ihr Interesse bei der gemeinsamenUnterrichtsvorbereitung, den ins Auge gefasstenStoff tatsächlich gründlich zu durchdenken, hieltsich – übrigens unter Verweis auf das benutzteSchulbuch, in dem die Dinge doch schon auf-bereitet seien – bei meiner letzten Gruppe eherin Grenzen; sehr schnell wollten sie stets klären,wer denn mit dem Unterrichten ,dran’ sei, umihr oder ihm dann die Vorbereitung zuzuschie-ben. Zum Abschluss unserer Unterrichtseinheit„Sätze am Kreis“ bat uns dann die Lehrerin, einenTest zu schreiben und auszuwerten, was für unsauch eine Rückmeldung über die Resultate unse-rer Lehrbemühungen werden sollte. In den Ent-wurf dieses Testes investierten die Studierendennicht allzu viel Arbeit, er entstand per Email undwurde eher zusammengeschustert, in dem dieStudierenden jeweils eine Aufgabe stellten, diemit ihrer jeweiligen Unterrichtsstunde in Zusam-menhang stand. Aber bei der Korrektur des Testswaren sie deutlich engagierter als jemals sonst indieser Veranstaltung, das Anstreichen von Feh-lern schaffte ihnen offensichtlich das Gefühl, nunendlich „Lehrer“ zu sein. Auch als es um die Be-notung ging, kannten sie kein Pardon und über-trafen sich in Vorgaben, was man alles könnenmüsse und warum dieser oder jener Schüler eine5 bekommen müsste, ohne im Mindesten zu über-legen, dass sie ja einzig ihre eigene Unterrichtstä-tigkeit bewerteten. Korrigieren als konstitutivesKerngeschäft? Der Rotstift des Lehrers als Insignieseiner Macht und Berufsausübung?Aber was soll denn Bildung sein, wenn nicht Aus-bildung? Bildung bedeutet zunächst fachlich, dassman eine Souveränität gegenüber dem Gegen-stand erworben, sie sich erarbeitet hat. Man un-terliegt ihm nicht mehr, man verfügt über ihn(sicherlich nur zu einem gewissen und nicht ab-schließenden Grad). Das heißt keineswegs, dassman alles weiß oder dass man immer weiß, waszu tun oder zu denken wäre; aber man kann mitdem Gegenstand umgehen, nicht auf eine techni-sche oder eine kasuistische Expertenweise, son-dern mit Muße und Verstand, der den Gegenstandauch einzuschätzen weiß. Der Unterschied zwi-schen dem Experten und dem Gebildeten ist, dassjener sich ganz in der Sache bewegt, während die-ser sich in der Hingabe an die Sache über sie er-hoben hat. Na ja, das mag in Ihren Ohren etwasblumig klingen, aber zur Bildung gehört auch, ei-ner Sache inne zu werden. „Eine Frage verstehen“heißt, sie sich stellen, bemerkt der deutsche Phi-

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losoph Gadamer. Bildung ist in ihrem Kern immerauch dysfunktional, sie befragt den Gegenstandauch und zunächst vornehmlich aus dem Inter-esse an ihm selbst und fragt nicht allein nachseiner Nützlichkeit. Diese Sicht können Sie auchgleich auf Ihr Studium anwenden. Wenn wir Sieund auch Sie sich selbst hier der Mathematik aus-setzen, dann sollten Sie also zu allererst gar nichtdanach fragen, wo brauche ich das in meinemLehrerberuf, sondern sollten sich auf diese be-weisende Kultur und die Abenteuer des formalenDenkens in einer Selbst- und nahezu Zielverges-senheit einlassen. Das soll nicht bestreiten, dassdieses Denken auch gesellschaftlich eingebundenist, wovon Sie nach meinem Dafürhalten übri-gens viel zu wenig lernen oder – sagen wir besser– erfahren. Aber Sie, Sie selbst, sollten zunächstMathematik lernen, nicht mit dem Ziel, sie ande-ren „beizubringen“, sondern diesem Gegenstandgegenüber sich eine gewisse innere Vertrautheitund Souveränität zu erarbeiten.Nun, was die Mathematik anlangt, werden Siemir vielleicht sogar zustimmen, wobei man na-türlich darüber streiten kann, welche Bereiche derMathematik Sie in welcher Tiefe sinnvoll studie-ren sollten, ob also Analysis I für den künftigenSI/P-Lehrer oder Analysis III für den künftigenGymnasiallehrer die Gebiete sein sollten, an denener seinen Verstand schärft und mit der Sache undihren Eigenheiten sich auseinanderzusetzen lernt.Aber wie steht es mit der Didaktik?Bei der – freilich mehr als lückenhaften – Evalua-tion meiner Veranstaltungen im letzten Semesterist mir aufgefallen, dass die Frage, ob die Studie-renden glaubten für ihren künftigen Beruf hierWesentliches zu lernen, in den Mathematikveran-staltungen im Mittel zustimmender beantwortetwurde als in den Didaktikveranstaltungen, vondenen man meinen könnte, sie seien Ihrer künf-tigen beruflichen Tätigkeit doch in ihrem Anlie-gen viel näher. Will man dieses Antwortverhaltenpositiv einschätzen, dann könnte man hoffnungs-voll argumentieren, Ihnen sei eben in besondererWeise an der oben hervorgehobenen Souveräni-tät gegenüber dem Gegenstand gelegen. Aber mirkommen da gewisse Zweifel, ob Ihr Denken tat-sächlich so edel ist oder ob es nicht vielmehr demlapidaren Grundsatz folgt „Wer Mathematik lehrt,muss sie auch beherrschen“. Dieser Gedanke istso trivial, dass er schon wieder falsch ist. Ma-thematik unterrichten heißt ja nicht, das eigeneVerständnis über empfangsbereite Schülerinnenund Schüler auszugießen. Es gehört nicht allzutiefe didaktische Einsicht dazu, um hier argwöh-nisch zu werden. Auch dieses fragwürdige, immer

wieder gehörte Kriterium, einer sei ein guter Ma-thematiklehrer, weil er so gut erklären könne, jadies sei die eigentliche Fähigkeit des guten Ma-thematiklehrers, lebt doch von der Vorstellung,man könne im Unterricht den Schülern Mathe-matik ,beibringen’, indem man sie in besondersgelungener Weise mit Erklärungen füttere.Daneben gibt es noch die wunderliche Einstel-lung, dass es in der Didaktik um eine Überwindenund ein Hintersichlassen des Fachlichen unterschulischen Bedingungen gehe, ja um ein Hin-biegen des mehr oder minder unverständlichenStoffes auf die Schulrealität. In einer stoffdidak-tischen Veranstaltung zur Analysis, in der ich aufein tatsächliches Verstehen der Kettenregel beidem Vortragenden beharrte, herrschte dieser michschließlich sichtlich ,genervt’ an, möglicherweisesei sein Beweis unvollständig oder falsch, aber ersei verständlich und daher führe man ihn in derSchule so.Aber zurück zur Frage der gefühlten Nutzlosig-keit der Didaktik. Ich könnte mich (oder eigent-lich Sie) hier herauszureden versuchen, indem ichden – wie der Mathematik- und Physikdidakti-ker Wagenschein, auf den ich in dieser Veranstal-tung auch noch zu sprechen kommen werde, essinngemäß einmal sagte – verhängnisvollen Ein-fluss der fachlich-mathematischen Prägung aufIhr Denken beklage. Der Mathematiker – und hierist die männliche Form wohl einmal besondersangebracht – unterscheidet in seiner fachlichenArroganz gern zwischen Hardware und Softwareoder, um es noch süffiger zu formulieren, zwi-schen Mathematik und Folklore, wobei eben allesFolklore ist, was nicht Mathematik ist, also derRest der Welt. Und an dieser Wagenschein’schenKlage ist auch etwas Wahres. Das bewusstlose Ma-thematikmachen – ich habe bisher noch nichtherausfinden können, ob diese eigentümliche Artder Bewusstlosigkeit eine Voraussetzung oder ei-ne Wirkung formaler Gedankenalgorithmik ist– ist wohl tatsächlich eine Folge mathematisch-naturwissenschaftlicher Sozialisation, die schwereKollateralschäden nach sich zieht: Der so geprägteGeist verschließt sich jeglicher Art von geistes-wissenschaftlichem Denken, in dem es kein be-wiesenes Richtig und widerlegtes Falsch gibt, erhält es für abartig. Gesellschaftliche Bedingtheit,historische Ansätze, konkurrierende Theorien, eindialektisches Denken, das den Widerspruch nichtausschließt, ja ihn fast produktiv benötigt, schei-nen dem algorithmisch geprägten Ja-Nein-Geistsimpler Non-Sense, wenn nicht gar ein unsinnigesMartyrium. Um es schlichter zu sagen: Nach einerstrengen Analysis-III-Vorlesung kann Golm nur

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Gelaber bieten. Auch wenn man in ersterer nahe-zu nichts verstanden hat, glaubt man doch sovielverstanden zu haben, dass der Rest der Welt – obnun verständlich oder nicht – nur noch minder-wertige und durchweg zweifelhafte Erkenntnissezu liefern im Stande ist, die bei näherer Prüfungnur als unbewiesen zu verwerfen sind. Es ist al-lerdings wohl weniger die mathematische Sozia-lisation als der dort erworbene fachliche Habitus,dem das geschuldet ist.Die gefühlte Nutzlosigkeit der Didaktik hat abereinen weiteren und bedeutsamen, (weil) subjek-tiven Grund: eine tiefe Enttäuschung. Man steigtin einen Bus, aber statt dass dieser einen hübschvon Haltestelle zu Haltestelle, Umsteigen bei Ba-chelor zur Master-Endstation nach zeitlich opti-miertem Fahrplan zur Arbeit fährt, hält er zumNachdenken an. Das ist ein Frevel am öffentlichenNahverkehr, am Common Sense der Studierenden,am Stammtisch der Selbstverständlichkeiten.Die Didaktik bedient nicht die schon oben skiz-zierten, aber nie so recht ins Bewusstsein geho-benen Erwartungen der Studierenden. Sie lehrtnicht Unterrichten, was von ihren Hörern in ers-ter Linie und selbstverständlich und unabdingbarerwartet wird. Statt guten Unterricht zu lehren,fragt sie zum Beispiel, was guter Unterricht ist,auf welchen Wertsetzungen dieses ,gut’ beruht;statt Lehrpläne zu erläutern, fragt sie, was zu wel-chem Behufe überhaupt an Mathematik zu unter-richten ist; statt Unterrichtssequenzen süffig so-wie kopier- und imitierbar nahe zu bringen, fragtsie, was unterrichtet werden soll, nach welchenMaximen, unter welchen Bedingungen, mit wel-chem Bild von Mathematik und Mathematikunter-richt, von der Schule und vom Jugendlichen, vonder Gesellschaft. Es ist offenkundig, muss aberwohl doch einmal hervorgehoben werden, dassder Mathematikdidaktiker, der an der HochschuleIhnen dabei und dafür gegenübertritt, nicht deroben erwähnte Meisterlehrer ist.Warum sollte ich mich auf ein wissenschaftlichesDenken einlassen, wo ich doch nur ,gut’ unter-richten will, fragt sich der künftige Lehrer. MeineAntwort ist, dass Sie sich an der Universität dieGrundlagen erarbeiten für eine sinnvolle und sou-veräne und, um einer Zeitgeistvokabel Tribut zuzollen, nachhaltige Ausübung Ihres Berufs, diesechs- oder siebenmal so lang wie Ihr Studium istoder zumindest sein kann.Um mir selbst das Verhalten von Mathematikleh-rern zumindest im Ansatz und partiell zu erklä-ren, habe ich vor einiger Zeit eine fiktive Lernbio-graphie einer Mathematiklehrerin entworfen (unddies, um den Text grammatisch zu entlasten, zu-

nächst in der weiblichen Form). In aller Regel warsie selbst eine „gute Schülerin“ in Mathematik.Unter „guter Schülerin“ ist dabei grundsätzlich zuverstehen, dass sie die Erwartungen ihrer Lehr-personen gut zu bedienen und dadurch auch An-erkennung und gute Noten zu erlangen weiß. Siesteht dem Schulbetrieb positiv gegenüber, hilftihren Mitschülerinnen bei den Aufgaben undkann sich gut vorstellen, nach all den roten Ha-ken, die sie erhalten hat, später selbst welche zuverteilen oder zu verweigern. Ihr Bild von Mathe-matik ist ein für sie recht übersichtlicher Haufenvon Aufgaben, Regeln und Verfahren, der hierund da einmal mit einer Kniffligkeit aufzuwartenhat. Sie kann „gut erklären“.Sie beherrscht die Schulmathematik und auchden Habitus der Lehrerin möglicherweise so gut,dass sie nicht recht weiß, warum sie für ihrenspäteren Beruf eigentlich noch studieren muss.Aber das Studium gehört eben dazu und dann istman ja auch Akademikerin.Das Mathematikstudium beginnt klassischer Wei-se mit zwei Grundveranstaltungen, die von wö-chentlichen Übungen begleitet sind, die dar-in bestehen, dass man Woche für Woche einenÜbungszettel in Heimarbeit zu bearbeiten unddie Resultate abzugeben hat. Dabei lernt die Lehr-amtsstudierende schnell, dass es Kommilitonin-nen gibt, die dabei erfolgreicher sind, so dass siezunehmend darauf angewiesen ist, von diesenabzuschreiben, und dass die, von denen sie ab-schreibt, häufig nicht „auf Lehramt“ sondern „aufDiplom“ studieren, also nur ein Fach statt zwei.So setzt schrittweise ein Prozess der Erschütte-rung und Demontage des fachlichen Selbstbe-wusstseins sowie der geistigen Demütigung ein.Dann kommen die ersten Klausuren, knapp be-standen, obwohl viele durchfielen, aber keines-wegs vorne dabei, allenfalls Mittelmaß, doch siehat „überlebt“. Zunehmend stellt sie sich ein-zig darauf ein, die zahlreichen Anforderungendes Studiums zu bedienen, das auch nach denersten Semestern wenig Raum für eigene Ak-tivitäten lässt und diese kaum einfordert. Dashabituelle Gehabe der Professoren („Ich bewei-se jetzt“ – als stünden diese Dinge nicht schonseit Jahrzehnten in Büchern) wird ihr selbstver-ständlich, manchmal – etwa bei einem Seminar-vortrag – versucht sie es nachzuahmen. Zuneh-mend gerät er (ich wechsele jetzt einmal das Ge-schlecht, weil manches im Folgenden männlichkonnotiert ist) in den Bann einer mathematisch-naturwissenschaftlichen Sozialisation, die nuroder zumindest der Tendenz nach zwischen derharten Mathematik und dem Rest der Welt, zu

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dem auch die so genannten Professionswissen-schaften und insgesamt die Geisteswissenschaftengehören, unterscheidet; ein Bann, der als gedank-lichen Option – wenn nicht Realität – nur vondenjenigen Lehramtsstudierenden leidlich heilüberwunden wird, die in ihrem anderen Fach ei-ne Geisteswissenschaft studieren, also auch eineranderen wissenschaftlichen Kultur begegnen. Daseigene, mathematische Fach als reflektiertes Gan-zes, das die Aufsplitterung der Disziplin nachLehrstuhlinteressen heilen oder wenigstens über-winden könnte, kommt dabei im Studium garnicht in den Blick, ebenso wenig wie dessen in-nerliche oder auch nur inhaltliche Beziehung zumkünftigen Beruf.Es folgt nach dem leidlich bestandenen Examendie wohl dunkelste Periode der deutschen Leh-rerausbildung, das Referendariat. Hier lernt erdie unterschiedlichsten, gegensätzlichen Ansprü-che zu bedienen und die eigenen (und das ist ausmeiner Sicht mit das Schlimmste) aufzugeben.Dann ist er – nach einem glücklich ausgegange-nen Bewerbungsverfahren – Lehrer. Was wird sichjetzt ereignen? Wie wird sich dieser Seitenwech-sel auswirken? Jetzt hat er das Sagen, so fern ihmdas auch unterrichtlich und gegenüber den Elternund im Kollegium gelingt. Jetzt ist er gleichsaman der Macht, und seine Psyche hat zum erstenMal die Möglichkeit, die Verletzungen und Prä-gungen durch Studium, fachliche Sozialisationund Referendariat eigenständig zu bearbeiten undsich ein Bild von sich und seiner Tätigkeit selbstzu generieren.Es kommt aus meiner Sicht noch ein Momenthinzu, das die Betroffenen hoffentlich nach Kräf-ten bestreiten. Mit dem Interesse für Mathematikgeht zuweilen auch eine gewisse soziale Behinde-rung einher. Ob sie Folge dieses Interesses oderdessen Ursache ist oder einfach mit ihm korre-liert, lässt sich wohl so allgemein nicht sagen. DieAutorität des Mathematiklehrers beruht aus mei-ner Sicht wesentlich (also ihrem Wesen nach) aufseinem Fach und darauf oft mehr als auf seinerLehrerstellung und seiner gelungenen Pädago-gik. Schon das Fach selbst hat im öffentlichenBewusstsein eine hohe Autorität, und wird es jahäufig auch autoritär unterrichtet. Das Verlangendes autoritären Mathematiklehrers nach Unter-würfigkeit lässt sich vollständig wohl nur ent-schlüsseln, wenn man in die Tiefen Freud’scherTriebtheorie hinab steigt.An dieser Stelle möchte ich Sie eigentlich bit-ten, selbst weiter zu denken und die ErgebnisseIhrer Überlegungen mit Ihren Kenntnissen undden Ihnen bekannten Mathematiklehrerinnen und-lehrern und den Erfahrungen, die Sie mit ihnen

gemacht haben, zu konfrontieren. Offenkundigscheint mir zum Beispiel, dass man nach solcherSozialisation das, was man da errungen hat, nichtso einfach aus der Hand geben wird, indem manharmlos-nette Unterrichtssequenzen gestaltet.Soweit diese lernbiographische Skizze. Wenn Siemanches daran stört oder Sie andere Ziele haben,dann ist jetzt die Zeit, daran zu arbeiten.Zuletzt will ich noch, bevor Sie dann die Gele-genheit zu eifrigem Widerspruch haben, auf einAutoimmunreaktions-Argument eingehen: Vor-lesungen sind als Lehrform unsinnig. Sie könn-ten behaupten, Ihr pädagogisches Immunsystemwürde in Vorlesungen einfach kollabieren oder –gewitzter noch – die Vorlesungen selbst müsstendoch aller pädagogischen Forschung nach diesesSchicksal erleiden. Dazu ist zweierlei zu sagen:1. Sie haben recht und 2. Es gibt noch immer Vor-lesungen. Welche Folgerungen Sie als in der Logikbewanderter Mathematiker daraus ziehen, sei da-hin gestellt. Natürlich können Sie die Erkenntnis-se der Aktivitätspädagogik oder globaler noch diedes Konstruktivismus gegen die Lehrform Vorle-sung ins Felde führen; das ist alles ganz richtig;man lernt nicht handeln durch Vorlesungen überdas Handeln, zu denen diese Vorlesung, wie ichzu erklären versuchte, allerdings nicht gehört. Eskann aber auch seinen Reiz (und auch seine Öko-nomie) haben, jemandem zuzuhören, der sich miteiner Person oder einem Gegenstand ausführlichbeschäftigt hat und bereit ist, darüber Auskunftzu geben.Ohne dass ich der Diskussion über meine Aus-führungen vorgreifen wollte, stelle ich Sie ab-schließend vor die Wahl und unterbreite Ihnenein Angebot, das Ihr pädagogisches Immunsystemrespektiert: Statt meiner Vorlesung zur Einfüh-rung in die Mathematikdidaktik in diesem Se-mester zu folgen, die anhand der Werke und desWirkens von bedeutenden Mathematikdidaktikerndie Ideengeschichte der Didaktik der Mathematikzu entfalten sucht – wir haben ja das letzte Malmit Pólya und seiner Heuristik begonnen –, kön-nen Sie ebenso in eigener Arbeit, was ich als einaktives Studienelement außerordentlich begrüßenwürde, (zum Beispiel) das Buch von E. Ch. Witt-mann, einem emeritieren Dortmunder Kollegen,„Grundfragen des Mathematikunterrichts“ oder„Die Pädagogik des Mathematikunterrichts in denSekundarstufen“ von Lutz Führer, einem Frank-furter Kollegen, allein oder besser noch in einerDiskussionsgruppe durcharbeiten und sich beimir des Scheines halber am Semesterende darüberprüfen lassen.Ich danke Ihnen für Ihr geduldiges Zuhören. Jetzthaben Sie das Wort.

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Ein Olivenzweig der Methodik –Eine Antwort auf die Jahnke-Rede

Judith Mangelsdorf und Martin Naumann

Wir möchten einmal von unserer Spritztour imstudentischen Personennahverkehr berichten, überso einige Stationen, Umleitungen und Baustellenwährend dieser Odyssee am Institut für Mathema-tik der Universität Potsdam.Enthusiastisch und mit einer gehörigen PortionPioniergeist stellten wir uns vor acht Semesternerstmals den großen und KLEINen1 Herausfor-derungen des Mathematikstudiums mit Endhal-testelle Staatsexamen. Schnell wurde uns klar,dass nicht nur freundliche BÄRen1 unseren Wegkreuzen würden. Ein viersemestriges Feuerwerkmit den Knalleffekten Analysis, lineare Algebra,Arithmetik und den Funkenschlägern Stochastikund Numerik gewährte uns weite Einblicke in diebunte Farbenpracht der Mathematik.Nun ging der erfolgreiche Umstieg an der Sta-tion Zwischenprüfung einher mit der Vorfreudeauf die sich dann laut Studienfahrplan anschlie-ßende mathematikdidaktische Ausbildung. Unserging es jedoch ziemlich bald wie den von imJahnkes Rede an den Pranger gestellten StudentIn-nen – die eigenen Vorstellungen wichen merklichvom Inhalt der gefahrenen Reiseroute durch dasLand der Mathematikdidaktik ab. Nur spärlich sa-hen wir unser methodisches Begehren bedient.Das genetische Prinzip, Mathematik und Weltof-fenheit und der Nachgang philosophischer undhumanistischer Fragestellungen zur Mathema-tikdidaktik regten uns unfraglich zur Meditationüber den eigenen Standpunkt zum Mathematik-lehren an. Doch je fester wir daran glaubten, dassunser nun vielfach geweiteter Horizont die Brückezu gelungenem Mathematikunterricht schlagenwürde, desto erbarmungsloser war die anfänglicheHilflosigkeit der Vorbereitungen auf Unterrichts-gänge . . .Nachfolgend trennen sich die Perspektiven etwas.Zunächst wird einmal die Sichtweise einer Stu-

dentin dargelegt, die im Doppelstudium Lehramt-Musik/Mathematik und Diplom-Psychologie stu-diert und genau die Anforderungen der Studien-ordnung bedient hat. Es schließt sich die Perspek-tive eines Studenten an, der eine Vielzahl mathe-matikdidaktischer Veranstaltungen besucht hat,die über das vorgeschriebene Maß der Studien-ordnung eines Mathematik-Erstfach-Studentenhinausgehen.Ich (Judith) möchte an dieser Stelle noch einmalganz persönlich, unter Verzicht auf rhetorischeMittel und ausgefeilte Sprachbilder, das Problemaus meiner studentischen Sicht darlegen. Ich wür-de Sie gerne dazu einladen einmal diese (alsomeine) Perspektive für einen Augenblick einzu-nehmen.Ich möchte mit dem für mich schwerwiegendstenProblem beginnen und es anhand eines Erlebnis-ses verdeutlichen, das sich erst kürzlich zugetra-gen hat. In diesem Winter habe ich mein großesPraktikum im Fach Mathematik und Musik absol-viert. Als ich am ersten Morgen die Schule betratöffnete sich nach fünf Minuten die Tür des Ma-thematiklehrervorbereitungsraums und die Schul-leiterin trat ein, um mich zu bitten zwei Vertre-tungsstunden in Mathematik noch am gleichenTag zu geben. Auch mit Lehrbuch der entspre-chenden Klassen und mit einem bis aufs Staats-examen abgeschlossenen Mathematikstudium imRücken stand ich ohne Werkzeugkoffer da. Im-mer noch so schlau (oder wohl eher dumm) inBezug auf mathematische Methodik wie zu Be-ginn meines Studiums. So begann ich also in derspezifischen Situation mir sprichwörtlich etwasaus den Fingern zu saugen, das sich im Wesentli-chen auf die Methodiken der Musik und ein paarallgemeindidaktischen Erkenntnissen stütze. Auchwenn die Stunden trotz allem annehmbar verlie-fen, ist mir an dieser Stelle bewusst geworden,

1 Lokalgrößen im Bereich der Lehre

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dass etwas an unserer verbindlichen Ausbildungfehlt. Das Mathematiklehrerstudium ist ein aka-demisches Studium und ich stimme in vollemMaße mit dem überein, dass Mathematiklehrerin der Lage sein sollten mathematisch zu den-ken und sich in der Materie zu bewegen. Weitersollten sie auch soziologisch und philosophischverstanden haben, welche Rolle das Lehren vonMathematik spielt und um die Hintergründe wis-sen, die unterschiedliche Didaktiker zu Ihren An-sätzen geführt haben. Darüber hinaus finde iches aber unabdingbar, dass Mathematiklehramts-studenten auch methodische Fragen verbindlichvermittelt werden, um sie nicht einfach im Re-gen stehen zu lassen. Schlussendlich ist das Lehr-amtsstudium nämlich einer der wenigen spezi-fisch berufsqualifizierenden Studiengänge. Jetztkönnen Sie mit Recht fragen, warum denn die-se Aufgabe grade der ortsansässigen Didaktik derMathematik zukommen sollte und auch das kannich mit rein organisatorischen Dingen beantwor-ten. Ich studiere Mathematik im 2. Fach. Damitumfasst laut meinem Studienplan der Gesamt-umfang meiner Didaktikausbildung 6 SWS. Da-von fallen vier auf die Vorlesung „Einführung indie Mathematikdidaktik“ und das entsprechen-de Seminar. Die beiden verbleibenden werdendurch die ,Schulpraktischen übungen‘ (SPÜ) ab-gedeckt. Ich vermute, dass wir in der Meinungübereinstimmen, dass 6 SWS ohnehin zu wenigsind, und ich auch werde noch weitere Kurse derDidaktik besuchen, trotzdem ist das, was sichda auftut, ein echter bildungspolitischer Miss-stand. Denn auch wenn sich ein Student dazuentschließen sollte, über sein Pensum hinauszu studieren, so gibt es nicht einmal eine spe-zifische Methodikvorlesung in der Mathematik.Dies finde ich besonders bedauernswert, da ichinnerhalb der Musik (um einmal den gewagtenSchritt des Vergleichs eines humanwissenschaft-lichen Fachs und eines naturwissenschaftlichen

zu gehen) durch mein ganzes Studium hindurcherlebt habe, wie wichtig und bedeutsam metho-disches Wissen in der Vermittlung eines Fachesist.Ich hoffe, Sie etwas näher mit dem Gefühl in Be-rührung gebracht zu haben, was für mich, aberauch viele andere Studenten hinter der sehr theo-retischen didaktischen Ausbildung steht. Undvielleicht eröffnet Ihnen das ja auch den Raum,die theoretischen Inhalte der Didaktik mit einigenpraktischen Fragen zu ergänzen.Nun könnte man meinen, dass der Mathematik-Erstfach-Student unter uns in seinen zusätzlichabsolvierten Veranstaltungen zur Mathematik-Didaktik auch wie gefordert in Bereichen derMethodik ausgebildet wurde. Ein Blick auf dieSeminar-Landschaft ließe diesen Schluss jeden-falls zu. Seminare des Formats „Didaktik der[. . . ]“ wecken die Hoffnung auf greifbare metho-dische Bezüge. Mmmhh . . . Schön wärs.Womit ich (Martin) nicht gerechnet hatte, sindSeminargestaltungen, die dem beharrlichen Ein-schenken von Wein gleicht, ohne jedoch jemalsden Krug herzugeben oder etwas über den Aus-schank preiszugeben. Gewiss sind inhaltliche Dis-kussionen notwendig und wichtig, leider setztesich jedes von mir besuchte Seminar vorwiegendmit den Details des Lehrstoffs und dessen schuli-schen Auftretens auseinander. Die Frage nach derMethode war nicht Gegenstand eines Seminars.Dabei wäre es doch überhaupt einmal sinnvoll,ein Stück weit die Handwerkskunst, etwa der Vi-sualisierung, der Gestaltung von Arbeitsblättern,der Arbeit mit Reisetagebüchern oder Experten-methoden, zu diskutieren. Und spricht auch dasgeringe zur Verfügung stehende Stundenvolumengegen eine verpflichtende Aufnahme für die Ge-samtheit der LehramtsstudentInnen, so lechzenwir doch zumindest nach einem Angebot, einemOlivenzweig der Methodik.

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Verleihung der Förderpreiseder GDM 2008 in Budapest

Susanne Prediger

Der Förderpreis der GDM wird seit 1989 im mehroder weniger zweijährlichen Rhythmus vergeben,um diejenigen Arbeiten von jungen Wissenschaft-lerinnen und Wissenschaftern zu ehren, die nichtnur ein herausragendes Ergebnis bieten, sondernauch die Community in ihrer wissenschaftlichenEntwicklung voranbringen können. Eine Diskus-sion um die Preiswürdigkeit von Dissertationenist daher immer auch eine Diskussion über dieStandards unserer wissenschaftlichen Disziplin.Deswegen sollen die Kriterien der Jury hier expli-zit angeführt werden.

Kriterien

Viele der (übrigens bemerkenswert zahlreichen)eingereichten Arbeiten erfüllen die von der Juryals notwendige Kriterien zusammengestellten An-forderungen an eine sehr gute wissenschaftlicheArbeit:� Bedeutsamkeit des thematischen Fokus für den

Kern der Mathematikdidaktik� Theoretische und methodologische Fundiertheit� Einbettung in den Stand der Forschung� Sauberkeit und Angemessenheit der Methoden� Argumentative Stringenz und Kohärenz, Gestal-

tungsintensität und LesbarkeitDie Arbeiten in der engeren Wahl erfüllen dar-über hinaus die folgenden für die Jury zentralenKriterien, die sie aus der Menge der jährlich ge-schriebenen Dissertationen herausheben:� herausragende Bedeutsamkeit der Fragestellung� überzeugende Substanz der Ergebnisse� Innovativität im Sinne des Eröffnens wegwei-

sender Perspektiven (methodisch, inhaltlichund/oder theoretisch, . . . )

� Ausstrahlungskraft der Fragestellung, evtl. derMethode und vor allem der Ergebnisse.

Natürlich trägt eine solche Liste von Kriteriendie Entscheidung nicht quasi schon in sich, abersie hilft immens, eine Diskussion zu fundierenund zu konzentrieren auf zentrale Aspekte. So hatauch diese Jury intensiv diskutiert und ist dannzu einer Entscheidung ohne Gegenstimme gekom-men.

Entscheidung

Die Jury hat sich angesichts der Häufung sehrguter Einreichungen entschieden, in diesem Jahrgleich zwei Förderpreise zu vergeben, sie gingenanMarei Fetzer (Frankfurt) für ihre Dissertation „In-teraktion am Werk – Eine Interaktionstheoriefachlichen Lernens, entwickelt am Beispiel vonSchreibanlässen im Mathematikunterricht derGrundschule“undElke Söbbeke (Essen) für ihre Dissertation „Zurvisuellen Strukturierungsfähigkeit von Grund-schulkindern – Epistemologische Grundlagen undempirische Fallstudien zu kindlichen Strukturie-rungsprozessen mathematischer Anschauungsmit-tel“.Mit solchen Arbeiten wird immer auch die kom-petente Betreuung durch die Doktorväter oder-mütter geehrt, deswegen sollen diese hier nichtunerwähnt bleiben. Für die beiden ausgewähltenArbeiten gilt dies insofern besonders, als beidePreisträgerinnen im besten Sinne auf der theore-tischen und methodologischen Substanz aufbauenkonnten, die ihre Doktorväter geschaffen haben,um sie dann selbständig weiter zu entwickeln.Insofern geht der Glückwunsch auch an HeinzSteinbring und Götz Krummheuer. Die Laudatio-nes wurden in umgekehrt alphabetischer Reihen-folge gehalten.

Laudatio für Elke Söbbeke

Die Arbeit von Elke Söbbeke ist eine herausragen-de Forschungsleistung, die nicht nur durch ihrespezifische Fragestellung und die damit verbun-denen Ergebnisse preiswürdig erscheint, sondernauch durch allgemeine Strukturmerkmale, die fürdie Art und Weise wissenschaftlichen Arbeitensin der Mathematikdidaktik beispielgebend ist.Ausgehend von der Beobachtung, dass es ein ein-heitliches wissenschaftliches Organisationsmusterfür Forschungsarbeiten in der Mathematikdidak-tik derzeit nicht gibt und auch ein solches nicht

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absehbar erscheint, ist zunächst festzuhalten,dass nach Meinung der Gutachter und der Jurypreiswürdig diejenigen Arbeiten sind, die mar-kante Akzente in der Forschungslandschaft setzenund spezifische Nutzbarkeiten beschreiben. Einensolchen markanten Akzent und solche spezifischeNutzbarkeiten strahlt die Arbeit von Elke Söbbekeaus.Das Thema der Arbeit, der Umgang mit Anschau-ungsmitteln, liegt im Kern der Mathematikdidak-tik. Gerade für Grundschulkinder ist das Arbeitenan und mit mathematischen Anschauungsmitteln(gerade das strukturierende Arbeiten mit ihnen)eine der zentralen Artikulationsformen, bevorentsprechende Kompetenzen in der gesproche-nen Sprache und in der Schriftsprache aufgebautsind. Elke Söbbeke untersucht dazu in ihrer Ar-beit gewissermaßen die Interaktion von Kindermit strukturierten Bildern und beleuchtet damitnicht nur die vorsprachlichen Kompetenzen vonKindern, sondern auch den zentralen fachlichenAspekt der Mathematik, nämlich das Befassenmit Mustern und Strukturen. Dieser wird beson-ders wirksam, wenn Anschauungsmittel in einemstrukturorientierten Sinne genutzt werden.In der Dissertation wird das theoretische Kon-strukt „visuelle Strukturierungsfähigkeit“ in zweiSträngen entwickelt, indem sie grundlagentheore-tische Fundierungen und empirische, theoriegelei-tete Analysen mit fallstudienartigen Erprobungeneng miteinander verzahnt: Sorgsam und diffe-renziert arbeitet sie mit Bezug auf die aktuellenErgebnisse aus der Mathematikdidaktik und deneinschlägigen Bezugsdisziplinen heraus, dass� Anschauungsmittel nicht passiv von Lernen-

den rezipiert werden können, sondern Lernendeselbst aktive Deutungen in Anschauungsmittelnvornehmen müssen,

� zu mathematischen Wissensrepräsentationennicht nur eine einzige Deutungsweise existiert,sondern ganz unterschiedliche Kombinationenvon „mathematischem Wissen“ und „passendenAnschauungsmitteln“ möglich sind,

� Anschauungsmittel keine bloßen „Bilder“ sind,sondern als Träger von potenziellen Struktu-ren und Mustern gesehen und damit selbst zusymbolischen Diagrammen werden können.

Zur Entwicklung des Konstrukt der „visuellenStrukturierungsfähigkeit“ wird in einer qualita-tiven Interviewstudie zu kindlichen Deutungs-prozessen der besondere epistemologische Statusmathematischen Wissens in den Blick genom-men, mit Hilfe des sog. epistemologischen Drei-ecks und einer Kategorisierung die Phänomenerekonstruierend analysiert und schließlich die

Deutungsprozesse zwischen Anschauungsmittelund mathematischem Wissen aus fachdidaktischerPerspektive erfassbar gemacht durch vier Ebenender strukturellen Visualisierungsfähigkeit. DieseEbenen lassen sich auch über die Arbeit hinausals Analyseinstrument für individuelle Fähigkei-ten fruchtbar machen.Bewusst würdigt die Jury hier eine Arbeit, die dieForschungslandschaft für die Grundschule sub-stanziell fachlich anreichert und konsolidiert. An-gesichts von stets neu Einfluss heischenden Po-sitionen, fachliche Akzentsetzungen seien für dieGrundschule von nachrangiger Bedeutung, setztdie Arbeit hier einen bewussten und konsolidier-ten Gegenakzent. Eingebunden in einen spezifi-schen Forschungskontext und aufbauend auf denepistemologischen Grundlagen ihrer Arbeitsgrup-pe, einer differenzierten Sichtung und Auswahlrelevanter nationaler und internationaler Literaturund der spezifischen Bezugnahme auf ein konsoli-diertes und bedeutsames didaktisches Großprojektbringt sie die Forschungssubstanz auf diesem Ge-biet in fundierter Weise voran. Dabei zeigt sie dieErgiebigkeit der von ihr gewählten Methode undriskiert an keiner Stelle waghalsige Schlussfolge-rungen, die durch ihre empirische Substanz nichtgedeckt sind. Arbeitsweise und Ergebnisse sindzur Aufnahme und Weiterführung durch andereForscher geeignet und vorbereitet. Insgesamt er-öffnet Zugang und Fragstellung der Arbeit vonElke Söbbeke einen Wirkungskreis nicht nur ineiner Schar gleichartig informierter Forscher, son-dern breiterer Kreise. So hat sie selbst bereits inFolgepublikationen die Ergebnisse ihrer Arbeitin konstruktive Vorschläge für einen Unterrichtumgesetzt, der dem strukturierenden Arbeitenmit Anschauungsmitteln epistemologisch sensibleAufmerksamkeit widmet. In der Lehrerbildungist die Arbeit insbesondere für die Weiterent-wicklung diagnostischer Kompetenz fruchtbar,die auszubildenden Lehrerinnen und Lehrern einautonomes Wahrnehmen und Deuten von Situa-tionen ermöglicht. Die spezifische Nutzbarkeits-qualität der Arbeit für die Lehrerbildung liegtalso gerade nicht in dem, was manche Lehrerbil-dende erwarten, nämlich einen Musterkatalog fürmethodische und unterrichtsplanerische Entschei-dungen. Sie ist vielmehr im Vorfeld angesiedeltund liefert für eben diese Entscheidungen einenBeitrag zur diagnostischen Basis. Nach Überzeu-gung der Jury ist angesichts der zunehmendenBedeutung empirischer Komponenten in der Bil-dungsforschung und in der fachdidaktischen For-schung auch eine zunehmende Balancierung vonfachdidaktischen Elementen mit konzeptionellem

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und methodischem Akzent einerseits und fach-didaktisch orientierter Diagnostik andererseitszu beobachten. In dieser Bedarfssituation liefertdie Arbeit von Elke Söbbeke sowohl für die For-schung als auch für die Bildung einen substan-ziellen Beitrag. Insgesamt freuen wir uns daher,eine so herausragende Arbeit mit dem Förderpreisder GDM würdigen zu können.

Laudatio für Marei Fetzer

Marei Fetzers Dissertation, die wir hier auszeich-nen, trägt den Untertitel „Empirische Studie zurEntwicklung von Elementen einer Interaktions-theorie grafisch basierten Lernens“. Mehr als nur„Elemente“ einer Theorie liefert sie, indem sie mitgrößter Sorgfalt und Präzision ein empirisch fun-diertes und theoretisch geordnetes Begriffssystementwickelt, auf das Interaktionsanalytiker in Zu-kunft verweisen können, wenn sie sich nicht nurmit den mündlichen Äußerungen im Unterrichtbefassen, sondern schriftliche Äußerungen in dieUnterrichtsanalysen einbeziehen.Wieso sind schriftliche Äußerungen im Mathema-tikunterricht von Bedeutung? Man mag hierbeisofort an Reisetagebücher und Eigenproduktio-nen denken, zwei zunehmend wichtiger werdendeunterrichtliche Elemente. Jenseits dessen zeich-nen sich schriftliche Äußerungen jedoch nichtnur dadurch aus, dass sie in einem anderen Me-dium stattfinden. Ihnen ist zudem eine Spracheeigen, die sich von gesprochener Sprache abhebt.Dieser als kommunikative Distanz bezeichneteUnterschied ist von erheblicher Bedeutung, da dieSchülerinnen und Schüler sich in Schule an ei-ne Sprache zu gewöhnen haben, die sich durchihre Durchsetzung des Mündlichen mit Formendes Schriftlichen auszeichnet. Es ist eine zentra-le These aus Marei Fetzers Dissertation, dass miteiner solchen Distanzsprachlichkeit begrifflichePräzisierung erreicht und so vertiefende mathe-matische Reflexion ermöglicht wird. Wie aberkönnen Schülerinnen und Schüler befähigt wer-den, diese zwar medial mündliche, konzeptionellaber schriftliche Form der Sprache zu verwen-den, wenn das Schriftliche nie explizit behandeltwird? In Marei Fetzers Arbeit geht es vor allemum den Gebrauch von schriftlichen Äußerungen.Die schriftlichen Produkte sind nicht Selbstzweckoder dienen der Lernstandsdiagnose. Sie stellendie materialisierten Überlegungen dar, auf derenBasis die Schülerinnen und Schüler an Klassenge-sprächen teilnehmen. Ein wichtiges Ergebnis vonMarei Fetzers Dissertation ist, dass in Hinblick

auf das Lernen der Kinder gerade die Veröffent-lichungsphase als die zentrale Unterrichtssitua-tion der Arbeit mit Schreibanlässen erscheint, indem sich in der Interaktion viele günstige Lernbe-dingungen ergeben, gerade weil die schriftlichenProdukte den Lernenden eine sichere Basis fürdie Partizipation bieten. Mit der Verleihung desFörderpreises würdigt die Jury nicht nur ein theo-retisch anspruchsvolles und methodologisch inallen Details präzises Vorgehen, sondern auch denMut, dem klassischen Design einer Dissertation„Problematisierung – Theorieteil – Forschungs-methoden – Resultate – Diskussion“ eine Dar-stellung des Forschungsprozesses gegenüber zustellen: Beobachtungen von Unterrichtspraxis er-fordern theoretische Erklärungsrahmen, der Ver-such der theoriegeleiteten Erklärung führt zurWeiterentwicklung der Theorie, auf dieser Grund-lage wird Praxis dann besser beschreibbar, einetiefere Einsicht in die Wirkungsweise der Praxisführt dann zu weiterem Bedarf an theoriegelei-teter Erklärung und so fort. Spiralförmig wirdimmer wieder an der Unterrichtspraxis angesetztund dabei der Theorierahmen nach und nach ent-faltet. Die Forschungsmethode erscheint dabei alseine theoretisch reflektierte und empirisch sen-sible Anpassung an den Forschungsgegenstand.Was Marei Fetzers Dissertation von vielen ande-ren Arbeiten abhebt, ist nicht nur die heraus-ragende Qualität des Endprodukts, sondern vorallem auch der Prozess seiner Entstehung, dendie Jury besonders würdigen will. Die Untersu-chung gründete sich in ihren Bestrebungen alsGrundschullehrerin, ihren Unterricht zu verste-hen und zu verbessern. Drei Jahre lang hat sie inihrer eigenen Klasse versucht, Schreibanlässe imMathematikunterricht zu schaffen, in der Über-zeugung, dass Schreiben und Lernen eine beinahe„natürliche“ Einheit bilden. Diese durchaus alsexperimentell zu bezeichnende Unterrichtspraxiswurde kontinuierlich auf Videoband festgehaltenund alles im Mathematikunterricht Geschriebeneder Erst- bis Drittklässlern gesammelt. Mit dieserSammlung von unverfälschten Unterrichtsdatenin der Hand trat Marei Fetzer dann eine Stelleals wissenschaftliche Assistentin an, um nun dieunterrichtspraktischen Erfahrungen zu systemati-sieren, einen theoretischen Standpunkt zu entwi-ckeln, der ihr die nötige Distanz zu den eigenenErfahrungen verschaffen würde, und von diesemStandpunkt aus ihre Unterrichtdaten mit demZiel eines verallgemeinerbaren Erkenntnisgewinnszu durchdringen. Gerade die dabei gewonnene,beeindruckende theoretische Distanz zum eigenenUnterricht ermöglicht ihr die Verallgemeinerbar-

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Elke Söbbeke (links) und Marei Fetzer

keit ihrer Erkenntnisse: von singuläre Erfahrun-gen über Schreibanlässe im eigenen Unterrichtzu prinzipiellen Einsichten über Wirkungszusam-menhänge von Schreiben und Lernen im Mathe-matikunterricht. Nebenbei hat Marei Fetzer die anihrem Frankfurter Institut weit entwickelte Inter-aktionstheorie schulischen Lernens im Mathema-tikunterricht erweitert und ihr einen wichtigenImpuls in eine neue Richtung verschafft. Ging esbisher vor allem darum, Unterrichtsinteraktion zubeschreiben und evtl. zu rekonstruieren, welcheLernmöglichkeiten daraus für Kinder erwachsen,so ging es ihr im Kern auch um die Nutzbarma-chung, das heißt Adaption und Ergänzung, derTheorie für die Konstruktion lernförderlicher Un-terrichtsarrangements in einem unterrichtsprak-tischen Sinne. Damit kommen Teildisziplinenwieder zusammen, die einst als unvereinbar dis-kutiert wurden. In gewisser Weise startet MareiFetzers Untersuchung als Handlungsforschung:Eine Lehrerin analysiert die eigene, innovative

Unterrichtspraxis. Manche Dissertationen endenan dieser Stelle; nicht jedoch diese. Die hier aus-gezeichnete Arbeit ist ein Musterbeispiel dafür,dass elaborierte Theorie und unverzerrte Praxiszusammengebracht werden können. Marei Fetzerhat es in absolut überzeugender Weise geschafft,theoriegeleitet unverzerrte Praxis zu durchdrin-gen; dies stellt einen äußerst hohen Anspruch dar,der hoffentlich beispielgebend ist für die immerwieder gewünschten Weg von Lehrkräften in dieWissenschaft hinein.Auch hier freuen wir uns daher, eine solche her-ausragende Leistung mit dem Förderpreis derGDM würdigen zu können.

Die Förderpreis-JuryUwe GellertGünter KrauthausenMichael NeubrandBernd WollringSusanne Prediger

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Vorlesung Arithmetik –welche Inhalte gefallenLehramtsstudierenden?

Astrid Brinkmann

Im Jahr der Mathematik 2008 werden viele Aktio-nen und Anstrengungen unternommen, um die„Faszination Mathematik“ möglichst vielen Schü-ler/innen, aber auch einer breiten Öffentlichkeitzugänglich zu machen. Es kann sich lohnen, auchmal das Augenmerk auf Lehramtsstudierende mitMathematik als Fach zu richten. Sie sind es doch,die demnächst als Lehrende das Erlebnis Mathe-matik für ihre Schüler/innen gestalten. Unterstelltman, dass die Begeisterung eines Lehrenden fürsein Fach auf seine Schüler/innen hinüberwirkt,so sollte diese Begeisterung beim zukünftig Leh-renden geweckt bzw., wo bereits vorhanden, er-halten werden.Hierfür liegt es nahe, zunächst einmal zu fragen,welche Inhalte besuchter fachlicher Lehrveran-staltungen den Lehramtsstudierenden besondersgefallen haben, sie begeistert haben. In der letztenVorlesungsstunde meiner Veranstaltung Arithme-tik (Fachvorlesung für Lehramtsstudierende im1. Semester, 170 Teilnehmer/innen) habe ich eineentsprechende Frage an meine Studierenden ge-richtet und schriftliche Rückmeldungen erbeten.Ihren Antworten haben viele Studierende auch Be-gründungen hinzugefügt. Im Folgenden sind diegenannten Inhalte mit zugehörigen Begründungen(kursiv geschrieben) aufgelistet; die angegebenenProzentzahlen errechnen sich aus der Zahl derNennungen bezogen auf die Zahl der Studieren-den.

Primzahlen, besonders Sieb des Eratosthenes,Primzahllöcher (95%)� Primfaktorzerlegung, ggT, kgV� Bestimmbarkeit von Primzahlen über das Sieb

des Erastosthenes· anschaulich und gut nachvollziehbar· strukturiert, leicht nachvollziehbar, übt das Kopf-rechnen

· interessante Anwendbarkeit� Primzahllöcher· Beweis war sehr nett; Faszination, dass er aufging

� Primzahl-Kriterium mit Beweis· Ich fand es interessant zu erfahren, dass zwarfür jede natürliche Zahl x gilt: (x | a oderx | b ⇒ x | a · b), aber nur für eine Zahlx ∈ P die Rückrichtung gilt (und das bei einemso „einfachen“ Beweis).

Restklassen, Kongruenzen (57%)� Kalenderaufgaben (Errechnung eines bestimm-

ten Tages im Jahr xy; Berechnung der Wochen-tage, welche Jahre zurück liegen)· Nähe zur Realität· hat den Sinn der Methode verdeutlicht und neben-her einen guten Praxisbezug gegeben

· war einfach nett!

Verschiedene Stellenwertsysteme (52%)· Das damit verbundene Rechnen hat gezeigt, was fürSchwierigkeiten beim Einführen von schriftlichemRechnen für Grundschüler entstehen können. Die sonstautomatisierten Rechenschritte müssten durch dieStellenwertsysteme, die man sonst nie benutzt, nocheinmal aus anderer Sicht betrachtet werden.

· waren schön, da man wieder zurückgeworfen wur-de auf neue Zahlensysteme und sich somit auch inKinderköpfe hineindenken konnte, die das auch erstlernen müssen

· habe ich schon in der 5. Klasse gern gemacht

Rechenproben durch Quersummen (45%)· Faszination, dass es auf diese Weise funktioniert· hilfreiches Werkzeug· neu und spannend

Hasse-Diagramme (Knobelaufgaben, „basteln“)(40%)· sehr anschaulich und leicht zu erklären· weil sie so wunderbar anschaulich und schnell aufzu-fassen sind

· willkommene Abwechselung zum vielen Beweisen

Zeichnerisch zu lösende Aufgaben (32%)· weil sie anschaulich und gut nachvollziehbar sind

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� Euklidischer Algorithmus (Wechselwegnahme)· denn ich liebe Geometrie!· komplizierte Sache gelöst; erstaunlich, wer auf sowas kommt

� direkte Beweise, die zeichnerisch geführt wer-den können· man konnte auf andere Weise denken und ein we-nig Eigenkreativität zeigen

Aussagenlogik (25%)· vorher nie gemacht· interessant, dass es aufgeht· „Familienrelationen“, weil sie die Mathematik mal ineinen Bereich bringen, über den man noch nie mathe-matisch reflektiert hat

Diophantische Gleichungen (21%)· schnelles und einfaches Lösen von Gleichungen mitzwei Unbekannten

· Möglichkeit, sie auf zwei Arten zu lösen· praktischer Bezug

Beweise durch vollständige Induktion (13%)· man sieht selber, ob man korrekt gearbeitet hat, wennes am Ende stimmt

Verknüpfungstafeln (11 %)

ISBN/EAN-Nummern (8%)· sind faszinierend

Bereich der natürlichen Zahlen (2%)· da es nur hier schon so viel zu entdecken gibt

Viele der Beweise, sobald man sie verstandenhat (2 %)· es freut einen oft, dass das auf so nette Art geht

Erstaunlich und gleichzeitig erfreulich ist, dassdiese Liste der von Studierenden für schön, fas-zinierend oder interessant empfundenen Inhaltedie meisten Inhaltsbereiche der Vorlesung, zu-mindest in Teilen, enthält. Somit bestätigen dieseRückmeldungen der Studierenden zumindest imHinblick auf unterstützte oder ausgelöste positiveEmotionen eine gewisse Sinnhaftigkeit der Aus-wahl der Vorlesungsinhalte. Mindestens genausointeressant sind die Begründungen, die von denStudierenden angegeben wurden. Sie geben nichtnur Hinweise auf Aspekte, die mathematische Ob-jekte attraktiv erscheinen lassen, sondern zeigennebenbei auch einiges, was Studierende bewegt,was bedeutsam für sie ist.

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Das Projekt „Praxispate“ an derUniversität Münster – ein Angebotin fachdidaktischen Seminaren

Astrid Brinkmann

In didaktischen Seminaren ist es üblich, in derletzten Sitzung einen kritischen Rückblick vorzu-nehmen und Anregungen und Veränderungsvor-schläge der Studierenden bezüglich zukünftigerSeminargestaltung einzuholen. Ende des Winter-semesters 07/08 äußerten Studierende in meinemSeminar „Realitätsbezogener Mathematikunter-richt“, dass sie sich wünschten, Schüler/innenin der Praxis beim Modellieren zu beobachten,zumal sie in ihrer eigenen Schulzeit kaum Er-fahrung im Arbeiten mit Modellierungsaufgabengewinnen konnten.Dies war Anlass für den Start des Projekts „Pra-xispate“, über das im Folgenden berichtet wird.

Projektidee

Die „Praxispaten“ sind Mathematik-Fachleiter anStudienseminaren. Unter der Leitung und Beglei-tung eines Praxispaten bekommen die Teilneh-mer/innen eines fachdidaktischen Hochschulsemi-nars die Gelegenheit, Mathematikunterricht – be-zogen auf das jeweilige Seminarthema – an Schu-len zu beobachten und mitzuerleben. Die entspre-chenden Unterrichtsstunden werden von Studi-enreferendaren vorbereitet und durchgeführt. DieStudierenden können an der Unterrichtsvorberei-tung mitwirken und es wird Ihnen insbesondereauch die Möglichkeit geboten, sich an der Unter-richtsnachbesprechung und -analyse zu beteiligen.Die Unterrichtserfahrungen und -beobachtungenaus der Schulpraxis werden dann im fachdidakti-schen Seminar noch einmal diskutiert.

Durchführung im Sommersemester 2008

Für das Seminar „Realitätsbezogener Mathema-tikunterricht“ im Sommersemester 2008 an derUniversität Münster hat sich Herr Dr. Wildt alsPraxispate zur Verfügung gestellt und zwei seinerReferendare für die Durchführung entsprechender

Unterrichtstunden gewinnen können.Im Seminar ist die Projektidee gut angekommen.Zehn der achtzehn Seminarteilnehmer/innen ha-ben das Projektangebot wahrgenommen, jeweilsfünf bei jedem der beiden Referendare. Die Teil-nahme am Projektangebot war dabei eine Leis-tung der Studierenden, die freiwillig und zusätz-lich zu den üblichen Anforderungen im Seminarerbracht wurde. (Als kleine Entschädigung fürihren Aufwand durften die betroffenen Studieren-den lediglich eine Seminarsitzung versäumen –von diesem Angebot hat aber niemand Gebrauchgemacht.) Der zeitliche Aufwand für die Studie-renden war nicht unerheblich; allein zur Planungder Unterrichtsstunden haben sie sich mehrfachmit den Referendaren getroffen.Bei der Nachbesprechung im Seminar war derPraxispate mit anwesend und konnte somit dieAusführungen der Studierenden aus seiner Sichtund mit seiner Kompetenz ergänzen. Die Studie-renden, die das außeruniversitäre Angebot nichtwahrgenommen hatten, wurden über gemachteBeobachtungen und gewonnene Erfahrungen in-formiert und konnten Fragen hierzu stellen. EinZiel der Seminarsitzung war es, dass der Erfah-rungsbericht auch diesen Studierenden eine ge-wisse Zuversicht vermittelt, dass sie demnächstals Lehrende auch anders gestalteten Unterricht,als aus ihrer Schulzeit bekannt, führen können.

Rückschau und Bewertung durch die Studierenden

Die Erfahrungsberichte der Studierenden fin-gen durchweg mit Aussagen wie „Es war totalschön.“, „Es war sehr interessant.“, „Es war totaltoll.“, „Es hat Spaß gemacht.“ an und die Studie-renden waren sich einig, sehr gute Unterrichts-stunden miterlebt zu haben. Besonders hervorge-hoben wurden folgende Punkte:� In den Vorbesprechungen mit den Referenda-

ren haben diese Einblicke in das Referendariatgegeben und den Studierenden dargelegt, was

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sie im Referendariat erwartet. Es wurde darüberdiskutiert, was Studierende bewegt und wasReferendare bewegt.

� Es war sehr interessant zu erleben, wie eineUnterrichtsstunde konkret durchstrukturiertund umgesetzt werden kann, insbesondereauch, wie Übergänge von einer Unterrichts-phase zur nächsten gestaltet werden können.Die Erfahrung des Unterrichts als durchgeplan-tes Ganzes war neu; in didaktischen Seminarenan der Hochschule werden eher nur „Fetzen“besprochen.

� Es wurde als sehr gut gefunden, dass die Re-ferendare zu Beginn ihrer Unterrichtsstundendas jeweilige Stundenziel genannt und damitden Schüler/innen transparent gemacht haben.Dies war ein „neuer Eindruck“, aus der eige-nen Schulzeit war diese Vorgehensweise nichtbekannt.

� Es war interessant zu erleben, wie man Ma-thematikunterricht anders als in Form einesFrontalunterrichts gestalten kann.

� Im Hinblick auf das Seminarthema „Realitäts-bezogener Mathematikunterricht“ konnten dieStudierenden in beiden Unterrichtsstunden er-leben, dass Schüler/innen Sachsituationen sehrunterschiedlich modellieren und „mitnichten soklassisch“, wie von den Studierenden, aufgrundihrer Kenntnisse und Erfahrungen, erwartet.

� Eine für die Studierenden neue methodischeVorgehensweise im Rahmen der Ergebnissiche-rung im Unterricht konnte beobachtet werdenund wurde für gut befunden: In einer Gruppen-arbeitsphase wurden die Ergebnisse einer jedenGruppe durch diese auf Folie festgehalten, dannaber anhand der Folienaufschriften von eineranderen Gruppe diskutiert.

� Eine neue Erfahrung war es auch, dass am En-de der Unterrichtsstunden eine Reflexionsphasestattgefunden hat, in der die Schüler/innen be-zogen auf sich selber einschätzen sollten, obdas Stundenziel erreicht wurde.

� In den Nachbesprechungen zu den Unterrichts-stunden zeigte sich, dass die Einschätzungender Studierenden, der Referendare, des Leitersdes Studienseminars und des Fachleiters sehrähnlich waren.

� Es wurde deutlich, dass das Referendariat „un-glaublich viel Stress bedeutet“. (Der eine derbeiden Referendare war bis kurz vor seiner

Unterrichtsstunde unsicher, ob er diese gutgeplant hatte.) Es zeigte sich, dass es schwerist, geeignete Aufgaben zu finden, mit denenman zufrieden ist. „Referendariat ist wesentlichstressiger und anstrengender als Uni.“

Insgesamt zeigt sich, dass die Studierenden, diedas Angebot „Praxispate“ genutzt haben, nebender ursprünglich fokussierten Beobachtung vonSchüler/innen beim Arbeiten mit Modellierungs-aufgaben, sehr viel mehr bereichernde Beobach-tungen und Erfahrungen machen konnten.Die Seminarteilnehmer/innen, die das Angebot„Praxispate“ nicht wahrgenommen hatten, habenfür sich die Erfahrungsberichte ihrer Kommili-tonen als wertvoll und interessant befunden. Siekonnten zwar „noch nicht unbedingt behaupten,zuversichtlich zu sein, demnächst als Lehrendeauch anders gestalteten Unterricht, als aus dereigenen Schulzeit bekannt, führen zu können“,äußerten aber, dass sie zumindest mutiger wären,dies zu wagen.Rückblickend waren sich die Studierenden einig,dass das Projekt „Praxispate“ „total sinnvoll“ istund weitergeführt werden sollte.

Sicht der Referendare

Die beteiligten Referendare konnten in den Dis-kussionen mit den Studierenden erkennen, welcheFortschritte sie nach dem Studium gemacht ha-ben. Manch eine Frage der Studierenden wirkte„naiv“ und „unerfahren“ auf sie. Hieraus ist fürsie das Gefühl erwachsen, gewisse Kompetenzenerlangt zu haben. Insofern ist das Projekt auchfür sie gewinnbringend gewesen.

Fazit

Das „Praxispate“-Angebot bietet eine effizienteMöglichkeit der Verzahnung von Theorie und Pra-xis in der Ausbildung von Lehramtsstudierenden,mit relativ wenig Aufwand für die betroffenenHochschuldozenten sowie die Fachleiter in derFunktion eines Praxispaten.Aufgrund der durchweg positiven Bewertung desProjekts aus der Sicht aller Beteiligten ist geplant,das Angebot „Praxispate“ demnächst auch aufweitere didaktische Seminare auszuweiten.

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Grußwort der GDM zum„10. Forum für Begabungs-förderung in Mathematik“TU Braunschweig, 3.–5. April 2008

Horst Hischer

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebeKolleginnen und Kollegen,im Namen des Vorstands der Gesellschaft für Di-daktik der Mathematik e. V. begrüße ich Sie allesehr herzlich zu dieser Tagung!Mein besonderer Gruß gilt den Veranstaltern,nämlich zuförderst Herrn Dr. Meyer als dem Vor-sitzenden des Vereins „Begabtenförderung Mathe-matik e. V.“, ferner Frau Prof. Dr. Fassbender, derDekanin der gastgebenden Carl-Friedrich-Gauß-Fakultät der TU Braunschweig, Herrn Prof. Dr.Harald Löwe von der „Mathe-Lok“ der TU Braun-schweig und Herrn Prof. Dr. Heinrich vom Insti-tut für Didaktik der Mathematik und Elementar-mathematik an der TU Braunschweig.In der Einladung zu diesem „Forum zur Begab-tenförderung in Mathematik“ finden sich zweiAnliegen, die ich wie folgt kennzeichnen möchte:� Tiefenförderung: Suche nach Wegen und Materia-

lien für einen Ergänzungsunterricht und für dieBinnendifferenzierung für das gehobene Drittelder Klassen und für Hochbegabte.

� Breitenförderung: Suche nach Wegen, um mehrJugendliche für Mathematik zu begeistern.

Das erste Anliegen greift den wichtigen Aspektder Begabungsförderung durch Anreicherung auf, dender Lernpsychologe David Ausubel 1974 in seiner„Psychologie des Unterrichts“ benannt hat:

„Anreicherung“ als vertieftes Lernen, z. B. alsodurch Binnendifferenzierung im Klassenver-band, Ergänzungskurse, Arbeitsgemeinschaf-ten, Wettbewerbe etc.

Als weitere Möglichkeit nennt Ausubel die Bega-bungsförderung durch Akzeleration:

„Akzeleration“ als beschleunigtes Lernen, z. B.durch vorzeitige Einschulung oder Übersprin-gen von Klassen.

Bei der Breitenförderung wird der Begabungsbe-griff geöffnet: Jeder Mensch ist in ganz indivi-dueller Weise irgendwie „begabt“! Das bedeutetkonkret für den Mathematikunterricht, dass stetsauch die Erkennung und Förderung dieser je indivi-duellen Begabungen im Fokus stehen muss.Und bei der Tiefenförderung geht es Ihnen nichtnur um die Erkennung und Förderung Hochbe-gabter – wobei es ja schwierig genug ist, diesenBegriff wissenschaftlich konsensfähig zu definie-ren! Vielmehr soll auch das „gehobene Drittel derKlassen“ angesprochen werden. Doch wer ist da-mit gemeint?Legt man das „leistungsorientierte Begabungsmo-dell“ zugrunde, so kann man fragen:� Geht es um dasjenige Drittel der Klassen, das

bessere Leistungen im Mathematikunterricht zeigtals die restlichen zwei Drittel?

� Oder geht es um dasjenige Drittel, das potenzi-ell zu besseren Leistungen im Mathematikunterrichtfähig wäre als die restlichen zwei Drittel, soferneine entsprechende Förderung stattgefundenhätte?(Besondere Aufmerksamkeit verdienen hier diesog. „Underachiever“, die aus unterschiedli-chen Gründen weit unter ihren Möglichkeitenbleiben und häufig sehr schwache Leistungenzeigen.)

Das „kognitive Begabungsmodell“ setzt hinge-gen „Begabung“ in Beziehung zur Lernfähigkeit:Es geht dann um die Fähigkeit, neue Informationenaufzunehmen und zu verstehen.Viel und lange wurde um die Frage gerungen,ob Begabungen angeboren sind oder erworbenwerden können oder ob eine Kombination beiderAspekte vorliegt; und es ist eine Frage der De-finition von „Begabung“, ob und ggf. wie diesedirekt messbar ist, oder ob „Begabung“ nur einHilfs-Konstrukt ist, das der Begründung konkretvorliegender besonderer beobachteter oder gar ge-

30 GDM-Mitteilungen 85 · 2008

messener Leistungen dient. Unabhängig davonscheint in der Begabungsforschung heute wohlEinigkeit darin zu bestehen, dass für die Entde-ckung, Pflege und Weiterentwicklung von indivi-duellen Begabungen eine systematische Förderung inanregenden Unterrichtssituationen hilfreich ist.Und damit sind wir zugleich bei dem AnliegenIhrer durch hohen Anspruch gekennzeichnetenTagung, in deren Beiträgen u. a. sowohl die An-reicherung als auch die Akzeleration angesprochenwird.Derzeit können wir in der Gesellschaft eine starkeTendenz zum Utilitarismus beobachten, d. h. demFragen nach der „Nützlichkeit“ von Handlungen,Planungen und Projekten. Und das greift auch imWissenschaftsbetrieb um sich, wenn es etwa umfinanzielle Förderung von Forschungsprojektengeht.Selbst vor der Mathematik und dem Mathema-tikunterricht macht diese Denkweise nicht halt,wenn beispielsweise die „Nützlichkeit der Zah-lentheorie“ mit ihrer Bedeutung für die Kryptografie„belegt“ wird, oder wenn man für den Mathema-tikunterricht einseitig die sog. „Anwendungsori-entierung“ propagiert, damit Schülerinnen undSchüler die „Nützlichkeit“ der Mathematik erfah-ren können. Jedoch ist es nicht nötig, im ökono-mischen Sinn „nützlich“ zu sein, um eine Wert-schätzung erfahren zu können, man denke etwaan Dichtung, Kunst und Musik.Auch die Mathematik ist seit ihren antiken Ur-sprüngen neben ihrer Anwendbarkeit janusköp-fig durch „Nutzlosigkeit“ ausgezeichnet – wiedie Philosophie (in ihrem klassischen Verständ-nis) nicht auf Nutzen gerichtet, und das betrifftdann beispielsweise das Verhältnis zwischen Menschund Spiel: So weist der ErziehungswisssenschaftlerHorst Ruprecht in diesem Zusammenhang daraufhin, dass der Mensch „das am längsten spielendeund am meisten des Spielens bedürftige Wesen“sei, und er leitet hieraus die Forderung ab, dassdas Bildungsangebot der Schulen sich in allenFächern wieder für die „Spiel-Räume des Den-kens“ öffnen müsse. Ruprecht benutzt dabei denBegriff „Spielraum“ im Sinne von „spielerischerFreiraum“ als freie Übersetzung des griechischen„scholé“ für „Muße“ (worauf ja unser heutiges„Schule“ sprachlich zurückgeht). Er ruft damiteindringlich zu mehr Muße in der Schule auf. Auchfür den Mathematikunterricht entstünden demge-mäß besondere Aufgaben, und er schreibt:

Mathematik ist ein grandioses Spiel des Geis-tes, und als solches müßte sie in den Schulenerscheinen.

Bereits Schiller schrieb 1785 in seinem Werk Dieästhetische Erziehung des Menschen in einer Reihe vonBriefen, Fünfzehnter Brief:

. . . der Mensch spielt nur, wo er in voller Be-deutung des Wortes Mensch ist, und er istnur da ganz Mensch, wo er spielt.

Ganz in diesem Sinne forderte die Gesellschaft fürDidaktik der Mathematik e. V. nach dem Erschei-nen der ersten PISA-Studie in einer Presseerklä-rung vom 5. Dezember 2001:

Interesse ist die Grundlage jeglichen Ler-nens. Interesse muss sich entwickeln, es be-darf einer Atmosphäre der Muße (im Sinneder ursprünglichen Bedeutung des Wortes„Schule“), in der man den Schülerinnen undSchülern Zeit gibt und ihnen die Möglichkeitbietet, sich auf Themenbereiche einzulassen.Es kommt nicht darauf an, möglichst viele In-halte im Mathematikunterricht abzuarbeiten,sondern die ausgewählten Inhalte mit genü-gender Tiefe zu behandeln. Auch Interessestellt sich nicht von alleine ein, sondern kannnur auf vorhandenem Wissen aufbauen.

Lassen Sie mich schließen mit einem dazu pas-senden Beispiel: Aus dem „Rechenbuch des Ah-mes“ im Papyrus Rhind wissen wir, dass die altenÄgypter spätestens seit etwa 1850 v. Chr. Bruch-teile eines Ganzen mit Hilfe von Stammbrüchenausgedrückt haben, also z. B.:

3

7=

1

4+

1

7+

1

28

Spielerisches Probieren liefert eine Vielzahl weite-rer Stammbruchdarstellungen, z. B.:

3

7=

1

3+

1

11+

1

231

=1

6+

1

4+

1

84

=1

15+

1

3+

1

35

=1

9+

1

4+

1

15+

1

1260

= . . .

In einem durch Muße und Spiel gekennzeichnetenUnterricht wird man die ägyptischen Verfahrenzur Gewinnung von Stammbruchentwicklungenkennen lernen und einüben lassen, ferner u. a. dieFormeln von Fibonacci aus seinem Liber Abaci unddem dort bereits beschriebenen „gierigen Algo-rithmus“, und es ergibt sich eine Fülle von Fragenim Sinne „forschenden Vorgehens“ wie z. B.:

GDM-Mitteilungen 85 · 2008 31

� Existiert zu jedem (unechten) Bruch stets eineStammbruchentwicklung?

� Wie viele Stammbruchentwicklungen gibt es zueinem gegebenen Bruch? (Endlich viele? Belie-big viele?)

� Sind Stammbruchentwicklungen stets endlich,oder können sie auch nicht-abbrechend sein?

� Gibt es evtl. zu jedem Bruch sowohl eine ab-brechende als auch eine nicht-abbrechendeStammbruchentwicklung?

� Gibt es „kürzeste“ Entwicklungen?� Gibt es „kürzeste“ Entwicklungen mit „minima-

len“ Nennern?Und man wird die Schülerinnen und Schülermit einer berühmten Vermutung von Erdos undStraus konfrontieren (bzw. sie im Internet danachsuchen lassen):

Jeder Bruch der Form 4n kann für den Fall

n ≥ 5 stets in eine Summe von höchstensdrei verschiedenen Stammbrüchen zerlegtwerden!

Die Schülerreaktionen auf die Lehrermitteilungoder die Information im Internet, dass diese (ele-mentar verständliche) Vermutung bis heute nichtbewiesen werden konnte, werden möglicherweiseerkennen lassen, wer „mathematisch begabt“ ist,und es zeigt sich: Mathematik ist eine lebendigeWissenschaft!Ich wünsche Ihnen eine sowohl interessante alsauch erfolgreiche Tagung!

32 GDM-Mitteilungen 85 · 2008

Zahlwort und Schriftbild der Zahlnach Martin Schellenberger

Alfred Schellenberger

Der folgende Bericht ist eine gekürzte Fassungdes Artikels „Vierzig und Acht – Ein Pionier derZahlensprechweise (Erinnerungen an meinen Va-ter)“ von Prof. Dr. Alfred Schellenberger, der indem u. a. von Prof. Dr. Lothar Gerritzen herausge-gebenen Buch „Zwanzigeins – Für die unverdrehteZahlensprechweise – Fakten, Argumente, Meinun-gen“ enthalten ist, das im Universitätsverlag Dr.N. Brockmeyer (Bochum) im Jahre 2008 veröffent-licht wurde.

Im Jahre 1953 erschien im VEB BibliographischesInstitut Leipzig ein Heft mit dem Titel „Zahlwortund Schriftbild der Zahl“. Der Autor war Mar-tin Schellenberger, der damals die Position einesProfessors für die Methodik des Mathematikunter-richts an der Pädagogischen Hochschule Potsdambekleidete. Im folgenden wird ein kurzer Berichtüber die wichtigsten wissenschaftlichen Ergebnis-se dieser Publikation gegeben, die auf Grund derpolitischen Verhältnisse im damaligen Deutsch-land nur einem kleinen Kreis bekannt wurdenDabei wird auf seine breit angelegten experimen-tell-statistischen Studien zur Zahlensprechweiseund ihre Konsequenzen für die schulische Praxiseingegangen und auf seine systematischen Studi-en über die pädagogischen Konsequenzen der in-vertierten Zahlensprechweise. (Da in den weiterenAusführungen im Wesentlichen auf die dort dar-gelegten Resultate Bezug genommen wird, werdenalle dieser Quelle wörtlich entnommenen Zitateim folgenden kursiv hervorgehoben.)Es heißt dort:Im Juni 1950 hielt ich in Dresden vor über 400 Lehrerneinen Vortrag über die Notwendigkeit der Angleichungder Sprechweise der zweistelligen Zahlen an das Schrift-bild der Zahlen. Am Ende einer sehr positiv verlaufenenDiskussion gab ich der Versammlung das Versprechen,das von mir behandelte Problem weiter zu bearbeitenund öffentlich zur Diskussion zu stellen.Umfängliche und vielseitige Untersuchungen und zahl-reiche Versuche ließen mich sehr bald die große allge-meine, weit über das Pädagogische hinausgehende Be-

deutung erkennen, die das Problem der Angleichung derSprechweise der Zahlen an das Schriftbild gerade füruns Deutsche besitzt.Es gibt nur noch wenige Kulturvöl-ker, die – wie wir Deutschen – das dekadisch geordneteSchriftbild beim Sprechen durch Inversion zerstören. DieSchwierigkeiten und Nachteile, die sich daraus für unsergeben, sind sehr erheblich.Die ersten Erfahrungen von Martin Schellenber-ger zu diesem Thema gehen auf seine Zeit alsHilfslehrer zurück. Immer zu Experimenten be-reit berichtet er in der Zusammenfassung seinerStudien von Kindern, denen die Erlernung dereinfachsten Rechentechniken besonders schwergefallen sei und bei denen ihm bereits damals dievorübergehende Nutzung einer logisch orientier-ten Sprechweise zu bemerkenswerten Erfolgenverholfen habe.Er schreibt:Mich selbst hat der Widerspruch zwischen der Schreib-und Sprechweise der Zahlen vor ziemlich genau 40 Jah-ren (also vor 1914) zum ersten Male in meiner Praxisals Hilfslehrer in einer Dorfschule recht intensiv be-schäftigt. Ich war mit den Fortschritten im Rechenun-terricht meiner Klasse des 2. Schuljahres sehr unzufrie-den. Die Beobachtung, dass die Kinder trotz steten Ver-bots immer wieder zuerst die Einer schrieben und danndie Zehner vorsetzten, veranlasste mich damals, in mei-ner Klasse die Sprechweise der zweistelligen Zahlen eineZeitlang dem Schriftbild anzugleichen, um den Kinderndas Rückwärtsschreiben abzugewöhnen. Der Versuchglückte natürlich sehr schnell. Zu meiner eigenen großenÜberraschung konnte ich aber bei dieser Gelegenheitauch ganz eindeutig feststellen, dass sich die Rechenfer-tigkeit und auch die Rechenfreudigkeit außerordentlichsteigerten, sobald sich die Kinder an die neue, logischrichtige Sprechweise gewöhnt hatten. Bei der nach eini-ger Zeit wieder benutzten überkommenen Sprechweisestellte sich sofort die alte Unbeholfenheit ein; die Kinderwurden stets unwillig und forderten das Rechnen in dervon mir versuchsweise eingeführten Sprechweise.Ein Jahr später verließ ich die Dorfschule. Studium,Krieg und die Arbeit an der höheren Schule ließen dasProblem, das mich in meiner Hilfslehrerzeit stark be-

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schäftigt hatte, in den Hindergrund treten. Von Zeit zuZeit tauchte es aber immer wieder auf, vor allem, wennich in den Oberklassen fast regelmäßig das kläglicheVersagen im Kopfrechnen mit zweistelligen Zahlen fest-stellen musste.Die in der Zeit bis Anfang der 50er Jahre durch-geführten systematischen Versuche, über die imfolgenden berichtet wird, wurden vorwiegendmit Absolventen der damals noch existierendenArbeiter- und Bauernfakultät durchgeführt. Eshandelt sich dabei um begabte Schüler aus Bil-dungsschichten, denen nach dem Kriege durchnachträgliches Ablegen des Abiturs die Möglich-keit eines Hochschulstudiums eröffnet werdensollte. Großer Wert wurde auf die Gewinnung vonobjektiv nachprüfbaren Daten gelegt. Planung,Kontrolle und statistische Auswertung der Ergeb-nisse sind sorgfältig dokumentiert.Zur Vorbereitung der veranstalteten Schulversu-che wurden die Probanden über zeitlich kontrol-lierte Diktate von neunstelligen Zahlen, jeweilsin der herkömmlichen und modifizierten Sprech-weise, mit der für sie neuen Materie vertraut ge-macht. Auf eine Dokumentation der erwartetenHäufung von Wiedergabefehlern bei Verwendungder herkömmlichen Sprechweise wurde verzichtet.Die anschließenden Rechenoperationen umfas-sen je zehn Aufgaben, von denen die ersten fünf jeweilsleichter waren, während in der zweiten Fünfergruppestets Aufgaben mit zusätzlicher Schwierigkeit gegebenwurden.Eine solche Zusammenstellung wurde zunächst in derjetzt bei uns üblichen Sprechweise durchgerechnet.Im Anschluß an eine kurze Einführung in die logischeSprechweise der Zahlen und einige Vorübungen wurdedann eine genau so aufgebaute Zahlen- und Aufgaben-gruppe (natürlich mit anderen Aufgaben) nach der neu-en, dem Schriftbild angepassten Sprechweise angesagtund gerechnet.Die Zeitabnahme bei den Rechenaufgaben erfolgte so,daß wir bei Addition, Subtraktion und Multiplikationnach dem Ansagen der ersten Zahl und der gefordertenOperation eine kleine Pause machten und die Stoppuhrmit Beginn des Ansagens der zweiten Zahl einschalte-ten, weil dann erst das Rechnen einsetzt (Beispiel: 34und . . . 23). Bei den Divisionsaufgaben sagten wir zu-erst den Divisor an und begannen mit dem Stoppen beimAnsagen des Dividenden (Beispiel: Wir teilen durch 4 . . .96). Die Teilnehmer hatten das Resultat sofort nieder-zuschreiben. Nach einer bestimmten Zeit, die wir durchBeobachtung der Teilnehmer fanden, wurde abgeklopft.Wurde das Resultat bis zum Klopfzeichen nicht gefun-den, so hatte der Teilnehmer einen Strich zu machen. Inden Vorversuchen hatte ich zwischen die Übungen nachalter und die Übungen nach neuer Sprechweise noch ei-

ne ganz analog aufgebaute Übung eingeschaltet, bei derdie Teilnehmer Aufgaben mit mehrstelligen, aber zwei-ziffrigen Zahlen (306, 470; 8060, 7004 usw.), die wirja logisch richtig sprechen, zu rechnen hatten, um eineallmähliche Hinführung zur eigentlichen Versuchsauf-gabe herzustellen. Die Teilnehmer merkten selbst sofort,dass sie mit diesen Zahlen viel besser rechnen konnten,als mit den zweistelligen Zahlen. Im Hauptversuch habeich auf diese zwischengeschaltete Gruppe ebenfalls ver-zichtet, weil sie nicht unbedingt erforderlich und für dasGesamtergebnis ohne Bedeutung ist.Um die Struktur und Signifikanz der anschließen-den Versuchsreihen zu verdeutlichen, werden diein der Publikation zusammengefassten Protokol-le der Hauptversuche, an denen je 10 Studententeilnahmen, vollständig wiedergegeben.

Rechenoperation AdditionSchwierigkeitsst. leicht schwer dreistellige ZahlenSprechweise alt neu alt neu alt neuZeit in Sekunden 3,3 3,3 4,3 4,3 6,9 5,5Aufgaben (5) 43+45 33+54 46+38 27+38 326+242 523+245

Rechenoperat. SubtraktionSchwierigkeitsst. leicht schwerSprechweise alt neu alt neuZeit in Sekunden 3,8 3,8 5 5Aufgaben (5) 68–35 74–53 74–48 93–48

Rechenoperat. MultiplikationSchwierigkeitsst. leicht schwer dreistellige ZahlenSprechweise alt neu alt neu alt neuZeit in Sekunden 3,3 3,3 4,3 4,3 10,7 5,3Aufgaben (5) 6x13 6x14 7x32 7x64 4x216 4x218

Rechenoperat. DivisionSchwierigkeitsst. leicht schwerSprechweise alt neu alt neuZeit in Sekunden 3,8 3,8 5,2 5,2Aufgaben (5) 84:7 91:7 129:3 126:3

Das Ergebnis: Bei fünf Aufgaben in jeder Gruppe undzehn Teilnehmern war die Bestleistung in jeder Gruppe50 richtige Lösungen.

Rechenoperat. Addition SubtraktionSchwierigkeitsst. leicht schwer dreistellige Zahlen leicht schwerSprechweise alt neu alt neu alt neu alt neu alt neurichtige Lösungen 43 46 30 41 32 40 39 43 29 44Leist.-Steigerung in %* 7 36,6 25 10,3 51,8

Rechenoperat. Multiplikation DivisionSchwierigkeitsst. leicht schwer dreistellige Zahlen leicht schwerSprechweise alt neu alt neu alt neu alt neu alt neuRichtige Lösungen 47 50 13 25 29 34 45 45 34 41Leist.-Steigerung in %* 6,4 92,3 17,2 0 20,6

* Als 100% gilt stets die Zahl der richtigen Lösungen inder alten Sprechweise.

34 GDM-Mitteilungen 85 · 2008

Die Auswertung der erzielten Befunde geht davonaus, dass sich die beobachteten Leistungsdifferen-zen durch akustische Hemmungen bei der Verar-beitung der neuen Sprechweise, aber auch durchdeutliche Ermüdungserscheinungen nach länge-ren Versuchsreihen eher zu gering darstellen. Imeinzelnen wird zusammengefasst:Die Leistungssteigerung ist bei den leichten Aufgabenverhältnismäßig gering . . . Die einfachen Aufgabenwerden von der Schule her noch verhältnismäßig gutbeherrscht, sodaß eine erhebliche Leistungssteigerungausbleibt.Die Leistungssteigerung ist bei den schwereren Aufgabensehr beträchtlich.Wenn in der Addition eine 20%ige durchschnittli-che Zeitverkürzung gleichzeitig noch eine 25%igeLeistungssteigerung bringt und in der Multipli-kation eine über 50%ige Zeitverkürzung mit einer17%igen Leistungssteigerung verbunden ist, somuß darin eine geradezu drastische Illustrationfür die am Eingang der Arbeit aufgestellte Be-hauptung erblickt werden: Unsere Rechenfähigkeitist viel größer, als es nach unserer Rechenfertig-keit scheinen will.Im Anschluss an die Schulexperimente werden diepädagogisch-methodischen Konsequenzen diskutiert,die der akustische Zwiespalt beim Erwerb der Zahlen-bilder und -vorstellungen, und seine Umsetzung in dieschriftliche Dimension bewirkt.Die ersten Zahlenbilder, die das Kind erwirbt, und damitdie ersten Zahlenvorstellungen, Zahlen- und Größenbe-

griffe werden an Hand der Anschauungs- und Übungs-mittel des Elementarunterrichts visuell und akustischgewonnen . . .Das akustisch erworbene Zahlenbild und die aus ihmresultierende Zahlenvorstellung haben sich bereits sehrfest eingeprägt, wenn der Lehrer mit dem Schreiben derzweistelligen Zahlen unter Verwendung der Ziffern be-ginnt.In diesem Augenblick erhält die bisherige akustischeZahlenvorstellung im Kinde einen sehr empfindlichenStoß. Das Kind war bis jetzt im Schreibunterricht dar-an gewöhnt worden, von links nach rechts in der Folgeder Buchstaben zu schreiben. Auf einmal fordern wirvon ihm, dass es das Symbol des zuerst gehörten Wortesan die zweite Stelle rücken und das Schlusswort zuerstschreiben soll. Das Kind, das noch nichts von der Not-wendigkeit ahnt, aus der heraus wir so verfahren, fängtdiesen Stoß auf, indem es die Zahl entsprechend demgehörten Wort, also von rechts nach links schreibt.Sicher ist, und damit fassen wir das Ergebnis der Zah-lenbetrachtung zusammen: die beiden Zahlenvorstellun-gen für die gleiche Zahl, die wir unausgesetzt benützen,wirken durch ihre gegensätzliche Gerichtetheit verwir-rend und störend aufeinander ein, beanspruchen diekindliche und auch unsere Aufmerksamkeit sehr stark,gestatten keine Entwicklung und Schulung eines dauer-haften und sicheren Zahlengedächtnisses und hemmendadurch . . . in bedenklichster Weise alle Operationen,die wir im Schulrechnen, aber auch später in unseremgesamten Leben mit den Zahlen vornehmen und durch-führen wollen.

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wunderbar berechenbarDie Welt des Würzburger Mathematikers Kaspar Schott, 1608–1666

Hans-Georg Weigand

Zu Beginn des Jahres der Mathematik erinnertedie Universität Würzburg mit einer Ausstellungan Kaspar Schott (1608–1666), der von 1655 bis zuseinem Tode als Professor der MathematischenWissenschaften in Würzburg wirkte. Die Mathe-matischen Wissenschaften umfassten damals au-ßer Reiner und Praktischer Mathematik auch ihreAnwendungsgebiete. Dazu gehörten neben Physik,Astronomie, Chronologie und Geographie auchArchitekturtheorie und Musiktheorie.Die Berufung nach Würzburg eröffnete Schott dieMöglichkeit, sein immenses mathematisches, na-turwissenschaftliches und technisches Wissen sei-nen wissbegierigen Zeitgenossen zu erschließen.Er verfasste 12 Werke im Umfang von etwa 10 000Seiten in lateinischer Sprache, die ihn in kurzerZeit weltweit bekannt machten. Sein besonderesInteresse galt dem, was in Mathematik, Natur undTechnik für seine Zeitgenossen wunderbar oderzumindest rätselhaft war, Neugier und zuweilenauch Furcht auslöste. Mit Hilfe der Mathematikwurde bei Schott vieles berechenbar, begründ-bar und erklärbar und somit verstehbar. Durchihn wurden Otto von Guerickes Vakuumversuchebekannt; seine Abbildung des berühmten Halb-kugelversuchs findet sich noch heute in Lehrbü-chern. Schotts wissenschaftlich reifstes Werk istsein Cursus mathematicus (1661), eine umfangreicheEnzyklopädie der Mathematischen Wissenschaf-ten.Angeregt und gestaltet wurde die vom 16. Janu-ar bis 30. März 2008 von der Universitätsbiblio-thek organisierte Ausstellung von Hans-JoachimVollrath, dem es darum ging, die didaktischenLeistungen dieses bedeutenden jesuitischen Wis-senschaftlers deutlich zu machen. Unter dem Titel„wunderbar berechenbar“ gab sie einen Einblickin Schotts Leben, seine Weltsicht und sein Werk.Schotts Werke wendeten sich an mathematisch,naturwissenschaftlich und technisch Interessierte.Grundlage der Ausstellung war die vollständigeSammlung seiner häufig eindrucksvoll illustrier-ten Bücher aus dem Bestand der Universitätsbi-bliothek. Eine Rarität waren die in der Ausstel-

lung gezeigten technischen Zeichnungen von KasparSchott aus dem Besitz der Universitätsbibliothek.Kaspar Schott war von wissenschaftlichen Instru-menten, Maschinen und Apparaten fasziniert. Erselbst hat eine Rechenmaschine erfunden, mit derman multiplizieren und dividieren konnte. Sie hatals „Schottsches Rechenkästchen“ ihren Platz inder Geschichte der Rechenmaschinen gefunden.Die Ausstellung zeigte Instrumente, die von ihmbeschrieben oder nach seinen Anweisungen ge-baut worden sind. Eine besondere Kostbarkeit warein originales Rechenkästchen aus dem Arithme-um in Bonn.Schotts ausführlichen Schilderungen merkt manseine Freude am Experimentieren an. Auf seineInitiativen ging die Einführung von Experimen-ten in das Studium an der Universität Würzburgzurück. In einem von Hans-Joachim Vollrath ent-wickelten „Cursus mathematicus“ hatten die Be-sucher die Möglichkeit, an 14 Stationen in eige-nen Experimenten Erfahrungen zu Phänomenen zusammeln, mit denen sich Schott befasste.In Verbindung mit der Ausstellung wurden Vor-träge über Schotts Enzyklopädie der MathematischenWissenschaften (Eberhard Knobloch, Berlin), überdie Kunst des Rechnens (Karin Richter, Halle) undüber Rechenwerkzeuge (Erhard Anthes, Ludwigs-burg) gehalten.Die Ausstellung war sowohl von Einzelpersonenals auch von Schulklassen gut besucht. Gefördertwurde sie von der Otto-Volk-Stiftung in Würz-burg.

Über Kaspar Schott und sein Werk berichtet derreich bebilderte Beiband zur Ausstellung:

Hans-Joachim Vollrath (Hrsg.), wunderbar berechen-bar – Die Welt des Würzburger Mathematikers KasparSchott (1608–1666). Würzburg (Echter Verlag) 2007,140 S., ISBN 978-3-429-02961-6, 14,80 EUR.

Im Internet findet man Informationen über Kas-par Schott unter http://www.didaktik.mathematik.uni-wuerzburg.de/history/schott/ .

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Das Projekt ,Mathe-Meister‘Ziele, Inhalte und Aufgaben

Martin Stein

Seit geraumer Zeit beklagen Handwerkskammernsowie Industrie- und Handelskammern, dass vieleTeilnehmerinnen und Teilnehmer von Meister-lehrgängen bei Lehrgangsbeginn starke Defiziteim Bereich der elementaren Schulmathematik auf-weisen, obwohl mathematische Grundkenntnisseeine unverzichtbare Grundlage in allen Bereichender Meisterqualifizierung sind.Dabei ist zunächst für alle Teilnehmerinnen undTeilnehmer von Meisterlehrgängen im Handwerkder kaufmännische Bereich verbindlich, in demunter Anderem Kenntnisse in Prozent- und Zins-rechnung verlangt werden. Darüber hinaus wer-den in verschiedenen beruflichen Bereichen weite-re Kenntnisse benötigt – Elektrotechniker müssenz. B. in der Lage sein, mit Formeln umzugehen,Zimmerleute müssen den Satz des Pythagoras an-wenden können.Im Bereich der Meisterqualifizierung stellt sichaber nun das Problem, dass gerade Personen mitmathematischen Defiziten ihre Fähigkeiten oftfalsch einschätzen und die Defizite nicht erken-nen. Werden Defizite gesehen, wird oft nicht ver-standen, wie stark fehlendes mathematisches Wis-sen den Erfolg in den Meisterqualifizierungslehr-gängen und das Fortkommen im Beruf behindernkann. Die durchaus zahlreich vorhandenen Fort-bildungsangebote im mathematischen Bereich er-reichen deshalb gerade diejenige Zielgruppe nicht,für die sie vornehmlich entwickelt wurden.Das Projekt Mathe-Meister soll daher den zu-künftigen Teilnehmerinnen und Teilnehmern vonMeisterlehrgängen mittels eines webbasierten An-

gebots sowie einer Offline-Version des Programmshelfen,� die eigenen mathematischen Fähigkeiten mit

Bezug auf das eigene Berufsprofil abschätzen zukönnen sowie

� Defizite im Bereich der Mathematik mittels ge-eigneter Tests selbst zu erkennen und

� den negativen Einfluss dieser Defizite auf denErfolg während der Meisterqualifizierung undim späteren Berufsleben vor Augen zu führen.

Das Projekt beschränkt sich aber nicht nur aufeine Defizitanalyse. Teilnehmerinnen und Teilneh-mer mit Wissens- und Kompetenzlücken erhaltenvielmehr� erste Informationen und Hilfestellungen zur

richtigen Lösung der gestellten Aufgaben und� Hinweise auf für sie jeweils relevante Fortbil-

dungsmaterialien (z. B. Kurse auf CD-ROM) undBildungsangebote (z. B. Kurse in den Zentrender Kammern).

Das Projekt wird mit Förderung des Bundesminis-teriums für Bildung und Forschung in Höhe von418 000 EUR bis Ende 2010 an der WestfälischenWilhelms-Universität Münster im Institut für Di-daktik der Mathematik und Informatik durchge-führt.Im Bereich der Meisterlehrgänge bringen dieHandwerkskammern Hamburg, Münster undDüsseldorf, die Industrie- und HandelskammernStuttgart und Passau sowie die Zentralstelle fürWeiterbildung im Handwerk ihre Fachkompetenzein.

GDM-Mitteilungen 85 · 2008 37

Der MathekofferAndreas Büchter, Hans-Jürgen Elschenbroich und Hans-Wolfgang Henn

Was hat Mathematik mit Zahnpasta zu tun odermit einem hüpfenden Ball? Und wie gehören Ma-thematik und Magie zusammen? Der Mathekofferliefert Antworten auf diese und viele andere span-nende Fragen. Die umfangreiche Materialsamm-lung ermöglicht Schülerinnen und Schülern derKlassen 5 bis 10, mathematische Zusammenhän-ge aktiv zu erforschen und so die Bedeutung derMathematik für den Alltag zu entdecken.Der Mathekoffer entstand nach einer Idee vonHans-Jürgen Elschenbroich vom Deutschen Vereinzur Förderung des mathematischen und naturwissen-schaftlichen Unterrichts (MNU) und wird von denVerlagen Erhard Friedrich und Ernst Klett produ-ziert und vertrieben. Das Bundesministerium fürBildung und Forschung (BMBF) unterstützt denMathekoffer ebenso wie die Deutsche TelekomStiftung, die ermöglichte, dass die Schulen denKoffer im Jahr der Mathematik bundesweit zu ei-nem besonders günstigen Preis erwerben können.Verantwortlich für Inhalt und Konzeption des Kof-fers sind Andreas Büchter und Hans-WolfgangHenn von der Technischen Universität Dortmund(Fakultät für Mathematik, Institut für Entwick-lung und Erforschung des Mathematikunterrichts– IEEM).Pro Mathekoffer gibt es vier Themenboxen: Esgeht um Zahlen, Terme, Gleichungen, um räum-liches Denken und ebene Figur, Zufall und Wahr-scheinlichkeit sowie funktionale Zusammenhänge.Holzquader, Spiegel und Rauten helfen, geometri-sche Vorstellungen aufzubauen, Experimente mit

dem Würfel geben eine Antwort auf die Frage,warum die „6“ manchmal so lange auf sich war-ten lässt. Hüpfende Bälle und eine Feder zeigen,was man mit Funktionen anfangen kann. Nebenden Materialsammlungen gibt es zu jedem Themaeine Aufgabenkartei und einen Lehrerkommen-tar. Darüber hinaus hält der Mathekoffer unterder Überschrift „Messen, Schätzen, Überschla-gen“ Arbeitsmaterial mit herausfordernden Fragenbereit, bei denen es immer wieder um Längen,Zeiten oder Gewichte geht. Beim „Zaubern, Spie-len, Knobeln“ geht es um optische Täuschungen,Geheimcodes und Zahlentricks. Die Materialien zuden einzelnen Themen sind praktisch verpackt, sodass der Koffer gleichzeitig in mehreren Klassenzu verschiedenen Lerngebieten eingesetzt werdenkann.Ein Prototyp des Mathekoffers wurde am 19. Fe-bruar 2008 auf der didacta in Stuttgart von derBundesbildungsministerin, Frau Dr. Annette Scha-van, und dem Vorsitzenden der Telekom-Stiftung,Herrn Dr. Klaus Kinkel, vorgestellt.Am 21. Februar 2008 konnte sich der Mathekofferzum ersten Mal bewähren: An diesem Tag fand ander Technischen Universität Dortmund die „Ma-thinee: Mathematik entdecken“ statt, eine der vie-len Veranstaltungen des IEEM zum Jahr der Ma-thematik. 600 Schülerinnen und Schüler konntendort in 30 Arbeitsgruppen Mathematik mithilfeder vielfältigen Materialien und Anregungen ausdem Mathekoffer auf eigenen Wegen entdecken.Während der Eröffnungsveranstaltung der MNU-

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Tagung in Kaiserslautern am 17.3.08 wurde derfertige Mathekoffer vorgestellt und wird seitdemausgeliefert.Durch die hervorragende Unterstützung durchdie Deutsche Telekom Stiftung kann jeder Schule,die einen Mathekoffer erwirbt, eine für die Schulekostenlose, vierstündige Fortbildung an der jewei-ligen Schule angeboten werden.

Weitere Informationen finden sich z. B. aufden Webseiten www.mathekoffer.de und www.mathekoffer.mnu.de.

Die Bildrechte der ersten fünf Abbildungen liegen beider Deutschen Telekom Stiftung, bei der wir uns für dieAbdruckrechte bedanken. Für das letzte Bild liegen dieRechte bei Dr. C. Thyssen, MNU.

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Berichte über Veranstaltungen desIEEM zum Jahr der Mathematik

Ulrich Schwätzer

Erfolgreiche Auftaktveranstaltung

Bereits am 12. 1. 2008 wurde auch in Dortmunddas Jahr der Mathematik mit einer Auftaktver-anstaltung begonnen. Unter dem Motto „Kinderrechnen anders“ versammelten sich über 300 in-teressierte Erwachsene in der Rathaushalle derStadt Dortmund. Anhand zahlreicher Beispielestellte Prof. Dr. Christoph Selter vom Institut fürEntwicklung und Erforschung des Mathematikun-terrichts (IEEM) den Zuhörern die mathematischeDenkweise der Kinder vor, mit der sich sein Pro-jekt „Kinder rechnen anders“ (KIRA) beschäftigt.Ziel der Veranstaltung war es deutlich zu machen,dass Kinder mathematische Denkansätze entwi-ckeln, die von Erwachsenen oft nicht auf Anhiebnachvollzogen werden können. Anschließend wur-de die interessierte Öffentlichkeit über die wei-teren 13 Veranstaltungen des IEEM im Jahr derMathematik informiert.

Mathinee für Schülerinnen und Schüler der Klassen 6und 7

Am 21. 2. 2008 fand die erste Großveranstaltung ander TU Dortmund zum Jahr der Mathematik statt.Unter dem Motto „Mathematik entdecken“ ver-sammelten sich über 600 Sechst- und Siebtkläss-ler und reisten mit Jan Müller (IEEM und Rivius-Gymnasium Attendorn) durch die Dimensionendes Würfels. In seinem Vortrag wurde den Schü-lerinnen und Schülern nahe gebracht, wie manWürfel in allen möglichen Dimensionen darstellenund zeichnen kann. Dass dies Ansichtssache ist,konnten die Schüler schon am dreidimensiona-len Würfel schnell erkennen. Dann gab Jan Müllerviele Beispiele, anhand derer man viele Würfe-leigenschaften und das wichtige mathematischePrinzip „Analogie“ kennenlernen konnte. An-schließend hatten die Schülerinnen und Schüler

die Gelegenheit, sich aktiv selbst entdeckend mitMathematik zu beschäftigen. Inhalte des Mathe-koffers, der am gleichen Tag der Presse vorgestelltwurde, wurden in 30 verschiedenen Workshopsden Sechst- und Siebtklässlern präsentiert. DerMathekoffer entstand nach einer Idee des Förder-vereins Mathematisch-NaturwissenschaftlicherUnterricht (MNU) und wird von den Verlagen Er-hard Friedrich und Ernst Klett produziert undvertrieben. Das Bundesministerium für Bildungund Forschung (BMBF) unterstützt den Mathekof-fer ebenso wie die Deutsche Telekom Stiftung,die dafür sorgt, dass die Schulen den Koffer imJahr der Mathematik bundesweit zu einem beson-ders günstigen Preis erwerben können. Verant-wortlich für Inhalt und Konzeption des Kofferssind Prof. Dr. Hans-Wolfgang Henn und AndreasBüchter (IEEM). Sie haben pro Mathekoffer vierThemenboxen zusammengestellt: Es geht um Zah-len, Terme, Gleichungen, um räumliches Denkenund ebene Figuren, Zufall und Wahrscheinlichkeitsowie funktionale Zusammenhänge. Holzquader,Spiegel und Rauten helfen geometrische Vorstel-lungen aufzubauen, Experimente mit dem Würfelgeben eine Antwort auf die Frage, warum die „6“manchmal so lange auf sich warten lässt. Hüp-fende Bälle und eine Feder zeigen, was man mitFunktionen anfangen kann.

Lehrerfortbildung „Mathematikunterricht neuentdecken“

Am 5. 3. 2008 richtete das IEEM eine bundeswei-te Lehrerfortbildung aus, an der auch Frau Mi-nisterin Sommer (Ministerium für Schule undWeiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen)teilnahm. Über 1000 Lehrerinnen und Lehrer fan-den den Weg zur TU Dortmund und informiertensich über innovative Ansätze für den modernenkompetenzorientierten Mathematikunterricht.

40 GDM-Mitteilungen 85 · 2008

Eröffnet wurde der Kongress mit zwei Haupt-vorträgen: Prof. Dr. Stephan Hußmann (IEEM)sprach zum Thema „Wofür brauche ich das allesim Leben eigentlich? – Mathematik sinnstiftendunterrichten“, und wurde von Klaus Kombrink(Gymnasium Köln-Nippes) mit dem Thema „Wirrechnen nicht mehr, wir denken nur noch. Ma-thematiklernen mit moderner Werkzeugsoftware“ergänzt.Expertinnen und Experten aus Schule und Hoch-schule boten dann eine Vielzahl von Vorträgenund Workshops an und standen für einen kon-struktiven Erfahrungsaustausch zur Verfügung.Neben einem Schwerpunkt im Bereich Diagnos-tik und Förderung wurde auch der Bereich Mo-dellieren sowie die Arbeit mit Computeralgebra-Systemen (CAS) und dynamischer Geometriesoft-ware (DGS) thematisiert, ergänzt durch Work-shops auf methodischer Ebene, die sich mit derÖffnung und Flexibilisierung des Mathematikun-terrichtes beschäftigten.

Mathinee für Schülerinnen und Schüler der Klassen 3und 4

Mit der Veranstaltung „Mathe ist cool“ fand am2. 4. 2008 auch für die Grundschulen eine Großver-anstaltung im Rahmen des Jahres der Mathema-tik statt. Eingeladen teilzunehmen waren 3. und4. Klassen aus den Schulen der Region, die mitdem IEEM in Kontakt stehen und sich seit länge-rem rege an einem Austausch zwischen Theorieund Praxis beteiligen. Mehr als 260 Grundschü-lerinnen und Grundschüler erschienen in Beglei-tung ihrer Klassenlehrinnen und -lehrern. Eröff-net wurde das Mathinee mit einem Vortrag vonProf. Dr. Andrea Peter-Koop der Uni Oldenburgzum Thema: „Streng geheim! – Zahlen als Ge-heimnisträger“, in dem es um Zahlencodes ging,die zum Verschlüsseln von geheimen Botschaf-ten benutzt werden. Die Kinder konnten aktivdaran teilhaben, denn sie wurden während desVortrags motiviert, selbst einen geheimen Text zuentschlüsseln. Sie konnten sogar einen Preis dabeigewinnen.Anschließend waren die Kinder dann selbst For-scher: In verschiedenen Workshops konnten siesich an interessanten und herausfordernden Phä-nomenen der Mathematik selbst versuchen. Mit-arbeiterinnen und Mitarbeiter des IEEM botenin Workshops zu spannenden mathematischenThemen altersgerechte Aktivitäten an. Im Be-reich Geometrie ging es z. B. darum, mit Win-kelplättchen (so wie man sie vom Spiel „Tetris“

her kennt) Flächen auszulegen, ohne dass Lückenentstehen. Je nach der Form der Fläche und derAnzahl der vorgegebenen Plättchen stellt dieseseinen herausfordernde Anforderung für das geo-metrische Denken – „Kopfgeometrie“ – dar. Ineinem arithmetisch orientierten Workshop hießdas Motto „Wer trifft die 50?“. Dazu wählten dieKinder eine Start- und eine Additionszahl. Zu derStartzahl wird die Additionszahl hinzugerechnet,die neue Zahl wird notiert. Zu dieser Zahl wirdwieder die Additionszahl hinzugerechnet und dienächste Zahl wird notiert, so lange, bis 5 Zah-len aufgeschrieben sind. Dann wird die Summeder 5 Zahlen berechnet (Zielzahl). Diese Zielzahlsoll genau 50 sein! Die Kinder probierten durchgeschickte Variation der Start- und Additions-zahl näher an die 50 zu kommen. Wenn sie dieseeinmal getroffen hatten, sollten sie alle Möglich-keiten finden, die 50 zu treffen. Die Ergebnissewurden analysiert: Sortiert und untereinandergeheftet fanden sich erstaunliche Parallelen undÄhnlichkeiten in den Lösungen, die zur 50 führ-ten.Mit der Preisverleihung und der Verabschiedungum 11.30 Uhr endete für die Kinder dann ein Vor-mittag, der ihnen sichtlich Spaß und Freude ander Mathematik und an der Forschertätigkeit ge-geben hat und ihnen vielleicht Mut gemacht hat,sich weiter und intensiver mit dem Fach und sei-nen Herausforderungen zu beschäftigen.

Basisfertigkeiten sichern – Problemlösekompetenzentwickeln.

Am 17. 5. 2008 findet ab 10.00 Uhr an der TU Dort-mund eine NRW-weite Fortbildungsveranstaltungfür ca. 200 Multiplikatoren zum neuen LehrplanMathematik des Landes NRW statt. Nach Gruß-worten des Rektors der TU Dortmund, Prof. Dr.Eberhard Becker und des MinisterialdirigentensManfred Walhorn, Ministerium für Schule undWeiterbildung, werden 3 interessante Vorträgeden Geist des neuen Lehrplans erläutern: Prof.Dr. Günter Krauthausen, Uni Hamburg, referiertüber „Ziele und Leitideen zeitgemäßen Mathema-tikunterrichts“, anschließend informiert Schul-amtsdirektor Reinhard Forthaus (Unna) über denneuen Lehrplan Mathematik Grundschule, seineStruktur, über Bewährtes, über Neuigkeiten. LiloVerboom (Studienseminar Duisburg) wird dannzum Thema „Mathematik erleben“ sprechen undUnterricht im Geiste des neuen Lehrplans vorstel-len. Abschließend wird es noch Informationen zurImplementierung des Lehrplans geben.

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Was hat eigentlich Fußball mit Mathematik zu tun?

Am 5. 6. 2008 organisiert das IEEM einen Vortragim Rahmen des Jahres der Mathematik (das jaauch das Jahr der Fußball-Europameisterschaft ist)für die interessierte Öffentlichkeit. Prof. Dr. Hans-Georg Weigand, Uni Würzburg (Bundesvorsitzen-der der Gesellschaft für Didaktik der Mathematik)spricht zu dem Thema: „Was hat eigentlich Fuß-ball mit Mathematik zu tun?“ Passend zum zweiTage späteren EM-Auftakt geht es um die fuß-ballmathematischen Fragen: Wie kommt die Ma-thematik in den Fußball? Wie viele verschiedeneErgebnisse gibt es bei einem Fußballspiel? Warumhaben (manche) Tornetze Sechseckstruktur? Wiezeichnet der Platzwart am besten und schnellstendie Linien auf das Spielfeld? Wie viele verschie-dene Möglichkeiten gibt es, einen Fußballschuhzu schnüren? Warum besteht ein Fußball (meist)aus Fünf- und aus Sechsecken? Was hat der neueFußball der Europameisterschaft, der „Europass“,mit einem Würfel zu tun? Und last, but not least:Wer wird Europameister? Und wie kann man dasberechnen? Diese Veranstaltung wird sicherlichbreite Resonanz in der interessierten Öffentlich-keit finden.

mathe für alle & Symposium mathe 2000

Mit den bundesweiten Fortbildungsveranstaltun-gen „mathe für alle“ am 23.08.2008 für ca. 800Lehrerinnen und Lehrer der Sek.I/II und dem 18.Symposium ’mathe 2000’ am 20.09.2008 für ca.500 Lehrerinnen und Lehrer gliedern sich zweiweitere – inhaltlich bereits erprobte und seit Jah-ren bewährte – Großveranstaltungen in die Aktivi-täten des IEEM zum Jahr der Mathematik ein. Ne-ben interessanten Hauptvorträgen werden es auchhier die intensive Arbeit und der Erfahrungsaus-tausch in zahlreichen Workshops sein, die Lehre-rinnen und Lehrern neue Impulse für die Quali-tätsentwicklung im Mathematikunterricht gebenkönnen.

Vorträge und Abschlussveranstaltung

Neben einer Selbstvorstellung im Rahmen des7. Dortmunder Wissenschaftstags am 12. 11. 2008werden im Rahmen der Aktivitäten des IEEM ei-nige weitere Vorträgen für Eltern, (Hochschul-)Öffentlichkeit und Lehrerende stattfinden. Am

28. 1. 2008 sprach bereits Prof. Dr. Peter Gritz-mann (TU München) „Über den coolen Hand-lungsreisenden: Mathematische Optimierung zurReduktion der Abwärme integrierter Schaltun-gen.“ Prof. Dr. Timo Leuders, PH Freiburg wirdam 18. 10. 2008 das Thema „Wenn Kinder und El-tern Mathe machen . . . “ beleuchten. Zu guterletzt wird Gero von Randow (Hamburg, Chef-redakteur Zeit-online, Mitherausgeber ZeitWis-sen) am 23. 10. 2008 zum Thema „Mathematik alsUtopie“ die Mathematik aus philosophischer Sichtbetrachten.Den Abschluss der Aktivitäten des IEEM zum Jahrder Mathematik bildet die „Night of the Profs“am 3. 12. 2008. Unter dem Motto „Vier unterhaltsa-me Stücke Mathematik(unterricht) in 60 Minuten“bieten die vier Professoren des IEEM Episodenihrer Forschertätigkeit feil: Prof. Dr. WolfgangHenn spricht über den Regenbogen – und zumMythos von Mathematik. Prof. Dr. Stephan Huß-mann fragt „Wie schnell war Tom?“ und ob manMathematik selbst entdecken kann. Prof. Dr. Su-sanne Prediger schließt sich an mit „Toll, hierkann ich einfach rechnen, ohne zu denken“. ZumSchluss fragt sich Prof. Dr. Christoph Selter: „Wiealt ist der Kapitän?“. Anschließend wird das Jahrder Mathematik unter dem Motto „366 Tage in15 Minuten“ mit einem Rückblick zumindest ausDortmunder Sicht beendet.

Kooperationspartner

Das reichhaltige Programm des IEEM zum Jahrder Mathematik wäre ohne die vielen Koope-rationspartner nicht zu schultern. Neben derStadt Dortmund, die mit Dr. Gerhard Langemey-er, Oberbürgermeister der Stadt Dortmund, denSchirmherr für die Veranstaltungsreihe stellt,ist vor allem die Deutsche Telekom Stiftung alsHauptsponsor zu nennen. Als weitere Sponsorenunterstützen die Aktivitäten der Friedrich Verlag,der Klett-Verlag, der Kallmeyer Verlag, der Cor-nelsen Verlag, Texas Instruments, die MercatorStiftung und last but not least das Ministeriumfür Schule und Weiterbildung NRW.

Auf der Website des IEEM findet sich eine eigeneUnterseite, auf der alle Veranstaltungen des IEEManlässlich des Jahres der Mathematik 2008 mit zu-sätzlichen Informationen, Anmeldehinweisen undProgrammdetails aufgeführt sind:http://www.mathematik.uni-dortmund.de/ieem/

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Vorträge zum Jahr der MathematikInstitut für Mathematik der Universität Würzburg

Die Vorträge richten sich an alle mathematisch Interes-sierte. Zeit: 18.00 Uhr, Ort: Raum 127 in der NeuenUniversität am Sanderring 2

12. 9. 2008Prof. Martin Skutella, TU BerlinWenn’s mal wieder schnell gehen muss: Kombinatori-sche OptimierungVon der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt hatsich die Kombinatorische Optimierung zu einemfesten Bestandteil unseres täglichen Lebens ent-wickelt. Jedes mal, wenn wir unser Mobiltelefonnutzen, den Zugfahrplan studieren oder eine überdas Internet bestellte Lieferung erhalten, grei-fen wir unbewusst auf diverse Services zurück,die alle in dieser Form ohne die schnelle Lösungkombinatorischer Optimierungsprobleme nichtdenkbar wären. Der Vortrag gewährt einen an-schaulichen Einblick in dieses relativ junge, über-aus wichtige Gebiet der Mathematik.

26. 9. 2008Prof. Peter Müller, WürzburgAlgebra ist überallGeldkarten, Online-Banking, Mobilfunk, CD-Spieler – Beispiele für moderne Geräte und An-wendungen, die ohne Algebra nicht möglich wä-ren. Die Algebra, entstanden aus dem Lösen vonGleichungen, hat über Jahrhunderte tiefe und ab-strakte Konzepte und Theorien entwickelt. Zweiheute unverzichtbare praktische Anwendungensind die Verschlüsselungstheorie und fehlerkor-

rigierende Codes. Im Vortrag soll an einfachenBeispielen gezeigt werden, wo Algebra in der Ma-thematik, Technik und Natur vorkommt.

5. 11. 2008Prof. Christof Schuette, FU BerlinMathematik für das LebenUhrzeit und Ort wird noch bekannt gegeben. DieProteine in unserem Körper arbeiten wie kleineMaschinen, die spezifische biologische Funktio-nen erfüllen. Manche Fehlfunktionen bewirkenKrankheiten, darunter so gefährliche wie Krebs.Mathematik hilft, derartige Fehlfunktionen zu ver-stehen und Medikamente dagegen zu entwickeln.

5. 12. 2008Priv-Doz. Nils Rosehr, WürzburgGeheimnisse hüten und lüften mit MathematikVon einer Geheimlehre, die vorwiegend Diploma-ten und Militärs geläufig war, hat sich die Kryp-tologie in eine Technik verwandelt, die uns alleumgibt. Kein Telefonat, keine Banktransaktionund kein Computer kommt heute ohne diese Wis-senschaft der Verschlüsselungsmethoden aus. Indiesem Vortrag möchte ich einen Einblick geben,welche zentrale Rolle die Mathematik in dieserfaszinierenden Welt der Geheimbotschaften spielt.

Aktuelle Informationen unterwww.mathematik.uni-wuerzburg.de oderwww.dmuw.de

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Mathemagische MomenteMomente fruchtbarenMathematiklehrens und -lernensWissenschaftszentrum Bonn, 5. Dezember 2008

In den Mathemagischen Momenten sind fruchtba-re Momente des Mathematiklehrens und -lernensversammelt und als erlebte Erfahrung dargestelltund reflektiert. Die mathemagischen Momenterepräsentieren Kernideen des Mathematikunter-richts. Zwanzig namhafte Autorinnen und Au-toren haben hier zentrale didaktische Kernideenzusammengetragen und so aufbereitet, dass sie inFortbildungen und im eigenen Unterricht einge-setzt werden können.Auf diese Weise möchte die GDM (Gesellschaft fürDidaktik der Mathematik) den Brückenschlag zwi-schen didaktischer Forschung und Unterrichtspra-xis herausstellen, der ein zentrales und wichtigesAnliegen ihrer Mitglieder ist.Auf einem bundesweiten Kongress am 5. 12. 2008,getragen durch die Deutsche Telekom Stiftung, stel-len die Autorinnen und Autoren ihre „Mathe-Magischen Momente“ den Multiplikatorinnen undMultiplikatoren der Bundesländer und der inter-essierten Öffentlichkeit vor. Es ist das Ziel dieserVeranstaltung, dass die Idee der MathemagischenMomente eine größere Verbreitung erfährt.An diesem Tag werden den Teilnehmern die „ma-themagischen Momente“ in Vorträgen und Work-shops vorgestellt. Dabei steht insbesondere dieweitere und zukünftige Verwendung in Fortbil-dungen im Zentrum. Die Teilnehmerinnen undTeilnehmer erhalten ein Exemplar des Buches„Mathemagische Momente“.

Die Fortbildungsinstitutionen aller Bundesländerund Regionen sind herzlich gebeten, die Perso-nen, die sich mit der Konzeption und Durchfüh-rung von Mathematikfortbildungen beschäftigen,zu diesem Kongress zu entsenden.Die Anmeldung zum Kongress wird erbeten biszum 1. 11. 2008 bei (dort erhalten Sie auch weitereInformationen zum Kongress):

Pädagogische Hochschule FreiburgGerald SchickKunzenweg 2179117 [email protected]

Die Teilnahme und Verpflegung vor Ort sind kos-tenlos, die Anreisekosten können leider nichtübernommen werden. Es besteht auch eine Über-nachtungsmöglichkeit im Wissenschaftszentrum– bitte bei obiger Adresse anfragen.

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Mathemagische MomenteDas Buch

Der Band, herausgegeben von L. Hefendehl-Hebeker, T. Leuders und H.G. Weigand, präsen-tiert 23 Momente fruchtbaren Mathematiklernens.Zu jedem Beitrag finden Sie:� Eine oder mehrere konkrete Unterrichts-

beispiele� Didaktische Erläuterungen zum Hintergrund

und methodische zur Umsetzung� Konkrete Umsetzungsvorschläge für eine Ver-

wendung im Rahmen von Fortbildungsveran-staltungen

� Hinweise zur Weiterarbeit mit Literatur, Inter-net und mit der beiliegenden DVD

Besonders hervorzuheben ist die dem Buch bei-liegende DVD, auf der zu jedem Beitrag umfang-reiche Materialien zu finden sind:� Videos mit Unterrichtsausschnitten� Arbeitsblätter für den Unterricht und für die

Fortbildung� Zusätzliche Hintergrundinformationen (z. B.

themenbezogene Zeitschriftenartikel)� Powerpoint-Vorträge zur Weiterverwendung� Umsetzungsalternativen

Das Buch versammelt die folgenden mathemagi-schen Momente:Bärbel Barzel: Mathematik mit allen Sinnen erfah-

ren – auch in der Sekundarstufe!Bruder, Regina: Problemlösen kann man lernen!Cohors-Fresenborg, Elmar; Kaune, Christa: Bewei-

sen ist schlüssiges Argumentieren – vor Gerichtund in der Mathematik

Gallin, Peter: Dialogisches Lernen im Mathematik-unterricht

Hülswitt, Kerensa Lee: Kinder erfinden Mathematikmit „gleichem Material in großer Menge“

Hußmann, Stephan: Mathematik selbst erfindenKaiser, Hansruedi: Rechnen in beruflichen Hand-

lungssituationen – mehr als stures RechnenKrauthausen, Günter: Mathematische Entdeckun-

gen mit ZahlenmauernLeneke, Brigitte: Aufgaben variieren – produktiv

Mathematik erfindenLengnink, Katja: Alltagsvorstellungen als Grundla-

ge für mathematische Begriffbildung nutzen

Leuders, Timo: Intelligente Übungsaufgaben –selbst gemacht

Lutz-Westphal, Brigitte: Moderne Mathematik erle-ben und verstehen – auch für die Jüngsten

Maaß, Katja: Mathematische Modelle ermöglichen(umwelt)politische Entscheidungen

Prediger, Susanne: Inhaltliches Denken – von derBegriffsbildung bis zur Klassenarbeit

Schwank, Inge: Mathematische Spielwelten zurFörderung funktionalen Denkens

Selter, Christoph: Jedes Kind kann mathematischforschen

Sjuts, Johann: Mit Mathematik Wirklichkeit schaf-fen

Stefan, Gudrun: Kinder unterrichten Kinder – wieFünftklässler zu Lehrern werden.

Weber, Christof: Von individuellen Vorstellungenzur gemeinschaftlichen Wissensbildung

Weigand, Hans-Georg; Anzenhofer, Stefanie; Wör-ler, Jan: „Und so weiter . . . “ – viele Facetten vonUnendlichkeit erleben

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Mathematik-QuizThomas Jahnke

Für die Potsdamer Nacht der Mathematik habenFrau Kaganova, Herr Kollosche, Herr Brückner,einige Studierende und ich ein Mathematik-Quizerarbeitet und in der besagten Nacht mit großemErfolg gespielt.Angelehnt an die Fernsehquiz-Sendung „Wer wirdMillionär“ haben die Kandidatinnen und Kandi-daten jeweils 15 kurzweilige, allgemeinbildendenFragen aus und über die Mathematik zu beant-worten. Das Spiel kann ebenso in Vertretungs-stunden wie zur allgemeinen Unterhaltung einge-setzt werden.

Das Computerprogramm für den Quiz und dieFragen können von der Webseite des Instituts fürMathematik der Universität Potsdam herunterge-laden werden (was auch schon mehrere hundertMale erfolgte):http://www.math.uni-potsdam.de/prof/o_didaktik/m/qqKritik, weitere Vorschläge und Erfahrungen sindwillkommen.

Notizen

Die Zeitschrift Stochastik in der Schule ist jetzt freionline verfügbar!

Der Verein zur Förderung des schulischen Sto-chastikunterrichts e. V. hat seine referierte Zeit-schrift jetzt retrodigitalisiert. Die letzten dreiJahrgänge sind immer nur für die Abonnentenals Printausgabe erhältlich, die restlichen Jahrgän-ge seit 1979 stehen jetzt vollständig retrodigita-lisiert und frei zugänglich im Netz unter http://www.mathematik.uni-kassel.de/stochastik.schule/sisonline/index.htm .

Sie finden dort ca. 500 Artikel zu allen Aspektendes Stochastikunterrichts, mit dem Schwerpunktauf Schulpraxis.

Unterstützen Sie die OpenAccess Philosophie desVereins, indem Sie Mitglied unseres Vereins undAbonnent der Zeitschrift werden. Nähere Informa-tionen finden sich auf unserer Homepage.

Prof. Dr. Rolf Biehler1. Vorsitzender des Vereins Förderung desschulischen Stochastikunterrichts e. V.Universität KasselFB MathematikAG Mathematik-DidaktikHeinrich-Plett-Straße 4034132 [email protected]@mathematik.uni-kassel.de

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Zum Jahr der Mathematik 2008Eberhard Lehmann

Für die ganze Schule, für den M-Fachbereich, für Kurseund Klassen, für Projekttage . . .Im Jahr der Mathematik biete ich Vorträge oderWorkshops zum Thema „Mathematik und Kunst –Kunst mit mathematischen Funktionen“ für Schu-len an, durch die Schülerinnen und Schüler einenandersartigen und spannenden Zugang zur Ma-thematik erhalten.Viele Künstler haben in ihren Werken häufig auchmathematische Objekte verwendet. Es liegt na-he mathematische Konstellationen nachzukon-struieren oder eigene Bilder mit Mathematik zuerstellen. Hierzu sind auch in der Schule verwen-dete Programme, die oft auch in den Händen derSchülerInnen sind, geeignet. Im Vortrag werdensolche Möglichkeiten bis hin zu Animationen ge-zeigt.Mit digitalen Fotoapparaten können SchülerIn-nen Ausschnitte aus ihrer Umwelt aufnehmen

und speichern, die auch Objekte mathematischenInhalts enthalten. Die Suche nach solchen Aus-schnitten schärft ihren Blick auf die Umgebung.Im Vortrag werden solche Bilder mathematischanalysiert. So können SchülerInnen und ihreLehrpersonen selbstgestaltete Zugänge zu Un-terrichtsthemen gewinnen.Die Kosten der Veranstaltung sind abhängig vomOrt und der Art des Vorhabens. Auch andere The-men können angefordert werden – eine Auswahlfinden Sie auf meiner Homepage.

Mathemacher:Dr. Eberhard LehmannGeitnerweg 20c12209 BerlinTel. 030 711 24 [email protected]/~mirza

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Familienpark SottrumKatharina Speit

Das Mathematikinstitut der Universität Hildes-heim möchte im Rahmen des Jahres der Mathe-matik 2008 den Hildesheimer Bürgern Mathe-matik näher bringen. Innerhalb dieses Konzepteskonnte eine Zusammenarbeit mit dem Familien-park Sottrum unter der Leitung von Herrn Deickeermöglicht werden. So entstanden in der Win-terpause des Parks mehr als einhundert Ausstel-lungsstücke zum Schmunzeln und Staunen vonMathematik.Zum Schmunzeln entdeckt man neben vielem An-deren den „Becher des Phytagoras“, ein Kerbholzals Vorläufer der heutigen Kreditkarten, den π-Weg mit seiner mathematischen Erklärung odereinen chinesischen Abakus. Außerdem gibt eseinen Bereich zur Geschichte der „Null“.Staunen wird man über die verschiedenen Son-nenuhren, die sogar das Datum anzeigen können,sowie über die verschiedenen Ausstellungsstücke

zur Akustik und Optik. Für die kleinen Mathe-matiker gibt es ein Zahlenland, in dem Zahlengefühlt, gehört und gesehen werden können. Ma-gische Quadrate, die Fibonacci-Folge und die ne-gativen Zahlen laden zum Ausprobieren ein. Ma-thematik zum Anfassen.Die Universität Hildesheim nutzt den Park fürExkursionen, bei denen die Studenten und Stu-dentinnen Mathematik anders erfahren könnenund Möglichkeiten aufgezeigt bekommen, wasmit Schülerinnen und Schülern von Klasse 1 biszur Sek II alles möglich ist. Der Familienpark alsaußerschulischer Lernort.

Familienpark-SottrumZiegeleistraße 2831188 Hollewww.familienpark-sottrum.de

48 GDM-Mitteilungen 85 · 2008

Arbeitskreis ,Semiotik, Zeichen undSprache in der Mathematikdidaktik‘ /Einladung zur Herbsttagung 2008Budapest, 17. 3. 2008

Gert Kadunz

Das diesjährige Treffen des Arbeitskreises, dasam 17. März 2008 im Rahmen der Bundestagungder GDM in Budapest veranstaltet wurde, warvon zwei Tagesordnungspunkten bestimmt. ZumErsten wurden Wünsche und Vorstellungen zurVerbreitung von relevanten Informationen inner-halb des Arbeitskreises besprochen. Zum Zwei-ten diente dieses Treffen der Vorbereitung derHerbsttagung 2008. Was die Informationswünschebetrifft, so konzentrierten sich diese vor allem Li-teratur, welche sich zu Fragen der Semiotik undLinguistik äußern – soweit dies die Mathematikdi-daktik betrifft. Es wurde vorgeschlagen, die Inter-netpräsenz des Arbeitskreises in dieser Hinsichtzu erweitern. Entsprechende Arbeiten werden zuleisten sein.Die Vorbereitungen für die Herbsttagung schie-nen zum Zeitpunkt des Treffens in Budapest fort-geschritten zu sein. Es war geplant, in diesemJahr am Kongress der Deutschen Gesellschaft fürSemiotik (DGS) in Stuttgart eine Sektion „Mathe-matikdidaktik“ zu gestalten. In der Zwischenzeithat sich dies geändert.Vor wenigen Wochen wurde von Seite der DGSkolportiert – Herbert Gerstberger hat mir die ent-sprechenden Informationen dankenswerterweisezur Verfügung gestellt –, dass der geplante Kon-gress in Stuttgart mit großer Wahrscheinlichkeitnicht durchgeführt werden wird. In Folge hatteKollege Gerstberger den Beirat der DGS gebeten,möglichst rasch eine Entscheidung zu treffen, um

im Fall einer definitiven Absage des Kongressesunserem Arbeitskreis die Planung der „regelmä-ßigen“ Herbsttagung zu erleichtern. Dieser Bittewurde bisher leider nicht entsprochen.Aufgrund dieser offensichtlichen Unwägbarkeiten,der zeitlichen Nähe der Herbsttagung und um dieKontinuität der Arbeitskreistreffen zu gewähr-leisten, ist Arbeitskreis aktiv geworden. Es istkurzfristig gelungen, das wohlbekannte und eben-so geschätzte Quartier in Augsburg (Haus SanktBenedikt, Stephansplatz 5) für die Zeit von Mitt-woch, 8. Oktober, bis Freitag, 10. Oktober 2008,für unsere Herbsttagung zu reservieren. Insofernmodifiziere ich meine ursprüngliche Einladungfür Stuttgart und lade alle an den Aktivitätendes Arbeitskreises interessierten Kolleginnen undKollegen zur Teilnahme an der Herbsttagung inAugsburg ein. Die inhaltliche Gestaltung wird inden nächsten Wochen elektronisch zu besprechensein. Vorschläge sind herzlich willkommen!

KontaktGert KadunzInstitut für MathematikUniversität KlagenfurtUniversitätsstraße 65–679020 KlagenfurtÖ[email protected]://www.uni-klu.ac.at/semiotik

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Arbeitskreis ,Mathematik und Bildung‘Budapest, 17. 3. 2008

Günter Graumann

Der Arbeitkreis „Mathematik und Bildung“ be-schäftigt sich seit fast zwanzig Jahren schwer-punktmäßig mit den Problemen der Klärung undVerwirklichung von Allgemeinbildung und allge-meinen Lernzielen im Mathematikunterricht. Inder Vergangenheit sind hierzu aus seiner Mittemehrere Veröffentlichungen hervorgegangen (vgl.Polygon-Verlag Eichstätt).Auf der Tagung in Budapest hat sich nach einerlängeren Pause ein kleiner Kreis von sechs Perso-nen getroffen, um über die Zukunft des Arbeits-kreises zu beraten. Zunächst wurden verschie-dene Fragen im Zusammenhang mit PISA undVergleichstest diskutiert. Dann wurde beschlos-sen, dass für den Herbst wieder eine gesonderteTagung geplant werden soll, auf der Fragen zur

Allgemeinbildung durch Mathematik, aber auchzur wissenschaftspolitischen Diskussion und zurLage der Mathematikdidaktik (einschließlich ih-rer jüngsten Geschichte), behandelt werden sol-len. Dazu sollen insbesondere auch jüngere Kolle-ginnen und Kollegen angesprochen werden, sichzu beteiligen. Nähere Einzelheiten zu Ort, Zeitund Umfang werden später noch bekannt gege-ben.Als Sprecher des Arbeitskreises wurde GünterGraumann in seinem Amt bestätigt. Anfragenbezüglich des Arbeitskreises und vor allem we-gen Interesse an der Herbsttagung sind an ihnzu richten unter [email protected] [email protected] oder Telefon 0521 87 28 58bzw. Fax 0521 87 57 30.

50 GDM-Mitteilungen 85 · 2008

Arbeitskreis ,Mathematikunterrichtund -didaktik in Österreich‘Budapest, 17. 3. 2008

Edith Schneider

Der Arbeitskreis „Mathematikunterricht und-didaktik in Österreich“ tagte am 17. März 2008im Rahmen der GDM-Tagung in Budapest. ImMittelpunkt der Sitzung standen Berichte von deneinzelnen Universitäten und Pädagogischen Hoch-schulen sowie der Informationsaustausch überaktuelle, die österreichische Mathematikdidaktikbetreffende Entwicklungen und Themen:An den Universitäten Graz und Salzburg ist eindeutlicher Anstieg an Neu-Inskriptionen im Lehr-amtsstudium Mathematik zu beobachten. Übermögliche Gründe hierfür lässt sich nur spekulie-ren. An der Universität Linz führte die Initiative„Frauen in die Technik“ zu einer Erhöhung derAnzahl der Studienanfängerinnen im Fach Mathe-matik; diese brechen das Studium aber vermehrtvorzeitig ab.An den Pädagogischen Hochschulen findet dieLehramtsausbildung künftig in modularisier-ter Form statt, wobei es zwischen den einzelnenPHs zu keiner Vereinheitlichung der Studienplänegekommen ist. An der Umsetzung der Bologna-Struktur für das universitäre Lehramtsstudiumwird an den österreichischen Universitäten unter-schiedlich intensiv gearbeitet. Die Herbsttagungdes AK soll für einen Austausch über den aktuel-len Entwicklungsstand im Bereich der Lehramts-ausbildung genutzt werden.Das Projekt IMST bietet Anstoß-Finanzierungenfür mathematikdidaktische Schwerpunktset-zungen in den Bereichen Naturwissenschaf-ten, Mathematik, Geografie und Informatik anBildungsinstitutionen. Beantragte Förderun-gen wurden bisher vergeben an die Univer-sität Salzburg (Bereich Biologie/Informatik),die Pädagogische Hochschule Baden (BereichMathematik/Informatik – Schwerpunkt: Leh-rer(innen)fortbildung), die Universität Graz imVerbund mit PH Steiermark, kirchliche PH der

Diözese Graz-Seckau, LSR für Steiermark (BereichMathematik/Geometrie) sowie an die UniversitätLinz (Bereich Mathematik – Schwerpunkt Reali-tätsbezogener MU und Computereinsatz im MU).Das österreichische Kompetenzzentrum für Ma-thematikdidaktik an der Universität Klagenfurtwurde angefragt, die Deskriptoren für die gesetz-liche Implementierung der Standards für die ma-thematischen Fähigkeiten am Ende der 8. Schul-stufe (M8-Standards Mathematik) zu verfassen. Ander Formulierung von diesen wird gearbeitet. DieM8-Standards-Mathematik sollen im Herbst 2008in Kraft treten.Die gesetzliche Verankerung der Standards-Mathematik für die vierte Schulstufe (M. Fast, F.Platzgummer) sollen 2009 folgen. Die Pilottestungder M4-Standards ist bereits abgeschlossen.Am Konzept der Standards-Mathematik für die 12.Schulstufe wird in einer Arbeitsgruppe gearbeitet(H. Heugl, M. Liebscher).Von Seiten des Bildungsministeriums ist die Ein-führung einer Zentralmatura für verschiedene Fä-cher, u. a. auch Mathematik, in Österreich in dennächsten Jahren vorgesehen. Dabei soll es sich umeine „standardbasierte Reifeprüfung“ handeln. DieEntwicklung und Erprobung an Versuchsschulenvon möglichen Modellen für eine solche Reifeprü-fung soll dem Österreichischen Kompetenzzen-trum für Mathematikdidaktik an der UniversitätKlagenfurt übertragen werden. Das Kompetenz-zentrum plant ein Treffen österreichischer Mathe-matikdidaktiker(inne)n zum Thema Zentralmaturafür den Herbst 2008.Interesse wird von M. Gaidoschik an einem or-ganisierten Austausch zwischen Fachdidakti-ker(inne)n der Primarstufe und der Sekundar-stufe I zum Thema Nahtstellenproblematik be-kundet (nähere Informationen dazu: [email protected]).

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Arbeitskreis ,Vergleichsunter-suchungen zumMathematikunterricht‘Soest, 25.–26. 4. 2008

Gabriele Kaiser und Norbert Knoche

Am 25. und 26. April 2008 fand die diesjährigeFrühjahrstagung des Arbeitskreises „Vergleichsun-tersuchungen zum Mathematikunterricht“ statt.Tagungsort war das „Tagungshaus Soest“ desSchulministeriums NRW in Soest. Im Mittelpunktder Tagung stand die Diskussion von Kompetenz-modellen für den mittleren Bildungsabschlussund für die Grundschule.Zu beiden Modellen wurden von Herrn Köller(IQB, Berlin) zunächst die Rahmenbedingungenund Vorgaben bei der Entwicklung dieser Modellepräsentiert.� Enge Orientierung an den 2003 und 2004 ver-

abschiedeten Bildungsstandards der KMK, dabeiaber zusätzliche Berücksichtigung des gesamtenKompetenzspektrums,

� Anbindung der Kompetenzstufenmodelle an in-ternationale Vorarbeiten, wie sie in PISA undIGLU realisiert wurden,

� 5 Kompetenzstufen für die Grundschule unddie Sekundarstufe I,

� annähernd gleich breite Kompetenzstufen,� fachdidaktisch gut interpretierbare und vertret-

bare Grenzen zwischen den Kompetenzstufen,� Festlegung von Minimal-, Regel- und Optimal-

standards,� Erarbeitung eines globalen Kompetenzstufen-

modells, das für alle Leitideen gilt, und das mitHilfe der allgemeinen mathematischen Kompe-tenzen beschrieben werden kann,

� ergänzend leitideenspezifische Beschreibungender Kompetenzstufen.

Das konkrete Vorgehen bei der Setzung von Stu-fen variierte nach Schulstufe etwas, cum granosalis sah es aber folgendermaßen aus:� Modifizierte Bookmarkmethode (computerba-

siert) mit der Software „Criterion Map“ (Wilsonet al.).

� Aufgaben werden zunächst skaliert (Raschmo-dell, Analysen mit ConQuest) und der Schwie-rigkeit nach angeordnet.

� Experten setzen Bookmarks bei denjenigen Auf-gaben, die zwei Kompetenzstufen voneinanderabgrenzen.

� Ein Proband mit einem Fähigkeitswert x löst ei-ne Aufgabe mit dem Schwierigkeitsgrad x miteiner Wahrscheinlichkeit von 62,5%.

� Anschließend wurde die Personenverteilung inden Stufen geplottet. Es folgte eine kritischeReflexion der Grenzen, eventuell Neudefinition.

Eine Abstimmung mit der Politik fand am18. 4. 2008 statt. Die Abstimmung mit den Ver-bänden steht noch aus.Es folgte dann zunächst eine detaillierte Beschrei-bung des Kompetenzmodell für den mittleren Schul-abschluss. Vorgestellt wurde das Modell von HerrnBlum (Kassel) und Herrn Köller. In ihren Arbeits-gruppen wurde dieses Modell erarbeitet.Das Modell für das Ende der Grundschulzeit wurdevon Herrn Ufer aus der Arbeitsgruppe von FrauReiss (LMU München) und Herrn Köller vorge-stellt. In ihren Arbeitsgruppen wurde dieses Mo-dell aufbauend auf dem aus der IGLU-Studie ent-standenen Modell erarbeitet.Dieses Modell wurde in der Arbeitsgruppe vonFrau Reiss aufgrund theoretischer Überlegungenfür die gesamte Grundschulzeit formuliert undauf die verschiedenen Jahrgangsstufen spezifiziert.Zum Kompetenzmodell für den mittleren Schulab-schluss: Das Modell enthält wie schon gesagt 5Stufen, wobei die Stufen 2–4 äquidistant sein sol-len. Die Stufe 1 ist nach unten offen, die Stufe 5nach oben.Schüler(innen), die die Stufe 1 nicht überschrei-ten, werden wie in PISA als „Risikogruppe“ be-zeichnet, Schüler(innen), die die Stufe 5 errei-chen, werden als Spitzengruppe bezeichnet. DerNormierungsprozess ergab die folgende Auftei-lung der bekannten Leistungsskala (M = 500,SD = 100):

Kompetenzstufe 1: <410Kompetenzstufe 2: 410–490Kompetenzstufe 3: 490–570Kompetenzstufe 4: 570–650Kompetenzstufe 5: > 650

Die Kompetenzstufen wurden inhaltlich wie folgtbeschrieben:

52 GDM-Mitteilungen 85 · 2008

Kompetenzstufe 1 (<410): Schüler(innen) dieserKompetenzstufe können höchstens� einfache, direkt umsetzbare Rechnungen mit

Zahlen, Größen und Prozenten ausführen,� routinemäßige Arbeitsschritte entsprechend di-

rekter Instruktionen ausführen,� aus einer gegebene Darstellung eine Informati-

on direkt ablesen,� geometrisches Basiswissen reaktivieren und ein-

fache Zeichnungen ausführen,� mit einfachsten proportionalen und antipropor-

tionalen Realkontexten umgehen,� Wahrscheinlichkeiten bei einfachen Zufallsver-

suchen berechnen.

Kompetenzstufe 2 (410–489): Schüler(innen) dieserKompetenzstufe können zudem u. a.� Wenig-schrittige Berechnungen linear (vor-

wärts) durchführen,� einer gegebenen Darstellung, die mehrere In-

formationen enthält, die relevante Informationdirekt entnehmen,

� elementares begriffliches Wissen wiedergeben,� einfache geometrische Konstruktionen durch-

führen und direkte Implikationen in geometri-schen Kontexten vornehmen,

� einfache lineare Zusammenhänge beschreiben,� aus gegebenen elementaren Begründungen die

richtige auswählen,� einfache Beziehungen zwischen Mathematik

und Realität herstellen.

Kompetenzstufe 3 (490–569): Schüler(innen) dieserKompetenzstufe können zudem u. a.� wenig-schrittige Berechnungen, die nicht aus-

schließlich „vorwärts“ gerichtet sind, im linea-ren Kontext durchführen,

� auch zwei-schrittige Prozentberechnungen reali-sieren,

� einfache geometrische Konstellationen analysie-ren, reale Kontexte linearen Charakters inhalt-lich interpretieren und einfache lineare Alge-braisierungen vornehmen,

� einfache Begründungen geben.

Kompetenzstufe 4 (570–650): Schüler(innen) dieserKompetenzstufe können zudem u. a.� einfache Berechnungen nach einer selbst entwi-

ckelten Strategie durchführen,� selbst Darstellungen erzeugen,� überschaubare Algebraisierungen vornehmen,� inhaltliche Begründungen in überschaubaren

Kontexten geben,� reale Kontexte nicht-linearen Charakters inhalt-

lich interpretieren,

� Wahrscheinlichkeiten mehrschrittiger Zufalls-versuche berechnen.

Kompetenzstufe 5 (>650): Schüler(innen) dieserKompetenzstufe können zudem u. a.� komplexe Algebraisierungen durchführen,� mit nicht-linearen Termen umgehen,� komplexe Begründungen, die tieferes inhaltli-

ches Verständnis erfordern, geben,� selbst erkundete Informationen begrifflich er-

fassen, verallgemeinern und anwenden,� komplexe Problemsituationen modellieren,� flexibel zwischen verschiedenen Informations-

quellen auswählen,� flexibel zwischen Darstellungen übersetzen.

Wie realisieren sich diese Kompetenzstufen in deneinzelnen Leitideen? Herr Blum wählte zur Beant-wortung dieser Frage exemplarisch die Leitidee„Funktionale Zusammenhänge“. Für diese Leitideehaben die Kompetenzstufen folgende inhaltlicheBeschreibung:

Kompetenzstufe 1: Schüler(innen) dieser Kompetenz-stufe können höchstens� einfache lineare Gleichungen lösen,� einzelne Werte aus Graphen, Diagrammen und

Tabellen ablesen und ggf. interpretieren,� einzelne Werte innerhalb von einfachen propor-

tionalen Realkontexten bestimmen,� bei inhaltlich gegebenen einfachen Folgen die

unmittelbar nächsten Folgenglieder ermitteln.

Kompetenzstufe 2: Schüler(innen) dieser Kompe-tenzstufe können zudem u. a.� bei Darstellungen funktionaler Zusammenhänge

eine relevante Information direkt entnehmen,� anhand einer verbal beschriebenen (realitätsbe-

zogenen) Zuordnungsvorschrift konkrete x- undy-Werte bestimmen,

� gegebene einfache Behälter und Füllgrapheneinander zuordnen,

� lineare Gleichungen den entsprechenden realenKontexten zuordnen,

� bekannte geometrische Sachverhalte den ent-sprechenden Termen zuordnen,

� einfache Realsituationen den passenden Funkti-onstypen zuordnen,

� bei inhaltlich gegebenen Folgen konkrete Fol-genglieder ermitteln.

Kompetenzstufe 3: Schüler(innen) dieser Kompe-tenzstufe können zudem u. a.� graphisch/verbal dargestellte überschaubare

funktionale Zusammenhänge den passenden

GDM-Mitteilungen 85 · 2008 53

realen Kontexten zuordnen,� einfachen Realsituationen die passende lineare

(Un)Gleichung zuordnen,� eine durch eine einfache Gleichung beschrie-

bene realitätsbezogene Zuordnungsvorschriftinhaltlich interpretieren,

� bei einer durch eine einfache Gleichung be-schriebenen Zuordnungsvorschrift konkrete x-und y- Werte berechnen,

� gegebene Behälter und Füllgraphen einanderzuordnen,

� bei tabellarisch dargestellten Folgen zu gege-benen Gliedern die dazugehörige Platznummerbestimmen.

Kompetenzstufe 4: Schüler(innen) dieser Kompe-tenzstufe können zudem u. a.� anhand gegebener Weg-Zeit-Graphen linearer

Funktionen die Geschwindigkeit bestimmen,� verbal oder tabellarisch beschriebene lineare

Beziehungen in Realkontexten erkennen, auf-stellen sowie x- und y-Werte berechnen,

� dem Graphen einer quadratischen Funktion diepassende Funktionsgleichung zuordnen.

Kompetenzstufe 5: Schüler(innen) dieser Kompe-tenzstufe können zudem u. a.� zu realitätsbezogenen linearen Sachverhalten

begründet Stellung nehmen,� zu inhaltlich gegeben Folgen einen Term auf-

stellen,� aus graphisch gegebenen linearen Modellen rea-

litätsbezogene Folgerungen ziehen,� Auswirkungen von Änderungen des Graphen

quadratischer Funktionen auf die entsprechen-den Funktionsterme beschreiben,

� komplexere Modellierungen in einem funktio-nalen Kontext durchführen,

� in nicht-linearen innermathematischen Kontex-ten Argumentationen durchführen.

In den Ausführungen von Herrn Köller zu denVorgaben bei der Entwicklung der Kompetenz-modelle waren die Begriffe Minimal-, Regel- undOptimalstandards gefallen. Wie lassen sich dieseBegriffe im Rahmen dieses Modell für die Sek Iinhaltlich beschreiben?Zu dieser Frage wurden im Vortrag folgende Ar-beitsdefinitionen gegeben und im Plenum disku-tiert:� Mindeststandard: Wer den Mindeststandard er-

füllt, besitzt basale mathematische Kompeten-zen, die in einfachen Fällen für das Zurecht-kommen in Alltagssituationen oder in der be-ruflichen Ausbildung ausreichen. Wer ihn nicht

erfüllt, gehört zur Risikogruppe, d. h. es be-steht die Gefahr, dass diese Schüler nicht hin-reichend in der Lage sind, selbst in einfachenmathematikhaltigen alltäglichen oder berufli-chen Situationen ohne Hilfe zurechtzukommen.Den Mindeststandard sollen alle Schüler desBildungsgangs erfüllen. Er ist im o. g. Kompe-tenzmodell bei 410 Punkten lokalisiert. Schüler,die den Mindeststandard erfüllen, würden al-so in diesem Kompetenzmodell mindesten dieStufe 2 erreichen.

� Regelstandard: Wer den Regelstandard erfüllt,besitzt Sek.I-typische mathematische Kompe-tenzen, die sowohl einen Beitrag dazu leisten,in Alltag und Beruf als „mündiger Bürger“ zuhandeln, als auch eine mathematische Grund-bildung konstituieren, die u.a. elementare Be-gründungen, basale Begriffsbildungen undStandardmodellierungen mit einschließt. DerRegelstandard ist im o. g. Kompetenzmodell inder Mitte von Kompetenzstufe 3, d. h. bei 530Punkten lokalisiert.

� Optimalstandard: Wer diesen Standard erfüllt,besitzt über die Regel hinausgehende mathema-tische Kompetenzen, wie sie von einem Schüler,der den mittleren Schulabschluss hat, norma-tiv als Ergebnis eines verstehensorientiertenMathematikunterrichts erwartet werden. Dasschließt u. a. eigenständige Begründungen, Al-gebraisierungen und Modellierungen mit ein.Der Optimalstandard ist im o. g. Kompetenzmo-dell etwa in der Mitte von Kompetenzstufe 4,also etwa bei 610 Punkten lokalisiert.

Im Anschluss an den Vortrag erhielten die Teil-nehmer und Teilnehmerinnen Einsicht in einigeder Items, die bedeutsame Grenzen (Mindest-,Regel- und Optimalstandard) markieren. Es wur-den Arbeitsgruppen gebildet, in denen nach denProtokollen ähnliche Fragestellungen diskutiertwurden, darunter insbesondere die Frage nachdem Verhältnis des empirisch ermittelten Schwie-rigkeitsgrad einer Aufgabe und ihrer Zuordnungzu den genannten Standards. Die Frage war, obbei einer Aufgabe nicht vor einer Überprüfungdes empirischen Schwierigkeitsgrades unter in-haltlichem Aspekt festgelegt werden muss, wel-chem der o. g. Standards sie zuzuordnen ist? HerrBlum führte dazu aus, dass die Festlegung derGrenzen für die verschiedenen Standards in ei-nem Wechselspiel zwischen Theorie und Empirieerfolgt ist.

54 GDM-Mitteilungen 85 · 2008

Zum Kompetenzmodell am Ende der Grundschulzeit

Herr Ufer ging zunächst auf allgemeinere Überle-gungen der Arbeitsgruppe zur Entwicklung einesKompetenzmodells zur Beschreibung der Strukturmathematischer Kompetenzen zu verschiedenenZeitpunkten des Lernprozesses von Kindern in derGrundschule ein. Dieses Modell umfasst Kompe-tenzniveaus, die zunächst mathematisch inhalt-lich beschrieben wurden.Kompetenzniveau 1: Numerisches und begrifflichesGrundlagenwissenKompetenzniveau 2: Grundfertigkeiten im Umgangmit dem Zehnersystem, der ebenen Geometrieund GrößenKompetenzniveau 3: Sicheres Rechnen in curricula-rem Umfang und einfaches ModellierenKompetenzniveau 4: Beherrschung der Grundre-chenarten unter Nutzung der Dezimalstrukturund begriffliche ModellierungKompetenzniveau 5: Anspruchsvolles Problemlösenim mathematischen KontextAm Beispiel der Niveaus 1, 3 und 5 wurde exem-plarisch eine inhaltspezifische Beschreibung dereinzelnen Niveaus gegeben.

Kompetenzniveau 1 (Grundlagenwissen)� Einfaches Wissen zum Umgang mit Zahlen. Die

Aufgaben sind so angelegt, dass sie nur Grund-kenntnisse zu den jeweiligen, im Lehrplan de-finierten Zahlenräumen und den dort vorgege-benen Operationen voraussetzen. Sie erfordernin allen Jahrgangsstufen das Beherrschen deskleinen Einspluseins.

� Die Aufgaben beschränken sich auf einfachesZahlenmaterial.

� Die zugrunde liegende mathematische Strukturist leicht erkennbar und die Aufgaben berück-sichtigen keinerlei Anwendungen in Sachzu-sammenhängen.

Kompetenzniveau 3 (Verknüpfung von Operationenund Prozessen)� Hier werden sicheres Beherrschen der Grundre-

chenarten sowie der sichere Umgang mit Grö-ßen im curricularen Umgang verlangt.

� Im Bereich Geometrie wird Basiswissen in Auf-gaben angewandt.

� Einfache Sachzusammenhänge werden mathe-matisch interpretiert und rechnerisch gelöst.

� Darüber hinaus erfordern die Aufgaben die Ver-knüpfung von Operationen.

Kompetenzniveau 5 (Kreatives Problemlösen)� Auf diesem Niveau werden anspruchsvolle Pro-

blemstellungen bearbeitet, die eigenes Denken,flexibles Kombinieren und einem sytematischenUmgang mit Informationen erfordern. Diesewerden gegebenenfalls aus unterschiedlichenDarstellungen entnommen

� Für die Lösung einer Aufgabe ist oftmals dasEntwickeln individueller Lösungsstrategien er-forderlich.

� Insgesamt handelt es sich um Aufgabenstellun-gen mit erhöhter Komplexität, bei denen derWeg zur Lösung unbekannt oder ungeübt istund die Kreativität der Schülerinnen und Schü-ler fordert.

Die Bedeutung von Begriffen wie „begrifflichesVerstehen“ bzw. „einfaches Modellieren“ etc. istrelativ zum Stand der Ausbildung zu verstehen.Die Kompetenzniveaus erfordern also Spezifikatio-nen für die Referenzpunkte der Entwicklung. Dasgeschieht auf der Basis fachdidaktischer Theorienüber Denkprozesse beim Lösen mathematischerProbleme zum jeweiligen Zeitpunkt.Für das Ende der Jahrgangsstufe 1 würden dieKompetenzniveaus dann etwa die folgende Be-schreibung erhalten:

Kompetenzniveau 1: Numerisches und begrifflichesGrundlagenwissen. Zählfertigkeiten bis etwa 20.Kompetenzniveau 2: Grundfertigkeiten im Umgangmit dem Zehnersystem, der ebenen Geometrieund Größen. Grundlagen des kleinen Einspluseins(z. B. mit kleinen Summanden).Kompetenzniveau 3: Sicheres Rechnen in curricu-larem Umfang und einfaches Modellieren. Zähl-fertigkeiten über 30 hinaus und sicheres Rechnen imZahlenraum bis 20.Kompetenzniveau 4: Beherrschung der Grundre-chenarten unter Nutzung der Dezimalstrukturund begriffliche Modellierung. Addition und Sub-traktion mit Zehnerzahlen.Kompetenzniveau 5: Anspruchsvolles Problemlö-sen im mathematischen Kontext. Additionen imZahlenraum jenseits der 20, z. B. ZE+E (mit oder ohneZehnerübergang).

Herr Ufer sprach dann Ergebnisse aus Validie-rungsstudien in den Jahrgangsstufen 2 und 3 anund bemerkte dazu, dass die zugeordneten Kom-petenzniveaus relativ gut den empirischen Lö-sungsraten entsprachen. Er notierte aber auch,dass eine spezifische Niveaustruktur im Sinneeiner hierarchischen Anordnung der Items ent-sprechend den Lösungsraten mit den allgemeinenNiveaubeschreibungen nicht zu erreichen war,wenn die Inhalte komplexer wurden (Jahrgangstu-

GDM-Mitteilungen 85 · 2008 55

fe 3). Eine offenen Frage ist also, ob eine Definiti-on von Niveaus möglich (und erstrebenswert) ist,die sich auch in einer hierarchischen Anordnungder Itemschwierigkeiten widerspiegeln.Herr Köller stellte die von der Arbeitsgruppe Reissund dem IQB gemeinsam erarbeitete Spezifizie-rung des allgemeinen Modells für das Ende derJahrgangsstufe 4 vor.Das Modell ist durch die folgende Skala undKompetenzstufen gekennzeichnet:

Kompetenzstufen im Fach Mathematik in der Grund-schule bei M = 500 und SD = 100Kompetenzstufe 1: <390 Routineprozeduren auf derGrundlage einfachen begrifflichen WissensKompetenzstufe 2: 390–460 Einfache Anwendungenvon Grundlagenwissen (Mindeststandard)Kompetenzstufe 3: 460–530 Erkennen und Nutzenvon Zusammenhängen in einem vertrauten (ma-thematischen und sachbezogenen) Kontext (Regel-standard)Kompetenzstufe 4: 530–600 Sicheres und flexiblesAnwenden von begrifflichem Wissen und Proze-duren im curricularen Umfang (Optimalstandard)Kompetenzstufe 5: > 600 Modellierung komplexerProbleme unter selbstständiger Entwicklung ge-eigneter Strategien.

Die Stufen wurden wie folgt inhaltlich spezifi-ziert:

Kompetenzstufe 1: Einfache mathematische Begriffeund Prozeduren sind bekannt und können in ei-nem innermathematischen Kontext bzw. in einemaus dem Alltag vertrauten oder gut geübten Kon-text korrekt reproduziert werden. Insbesonderewerden grundlegende Begriffe der ebenen Geome-trie und gängige Repräsentanten standardisierterEinheiten richtig verwendet. Kleinere Zahlen kön-nen in Bezug auf ihre Größe verglichen werden,Zahldarstellungen in Stellentafeln werden sichergelesen. Die Grundaufgaben des kleinen Einsplus-eins und Einmaleins werden beherrscht und beihalbschriftlichen und schriftlichen Rechenverfah-ren genutzt, wenn die Aufgabenstellungen keinebesonderen Schwierigkeiten aufweisen. Klar struk-turierten Diagrammen, Schaubildern und Tabellenmit Bezug zur Lebenswirklichkeit können relevan-te Daten entnommen werden.

Kompetenzstufe 2: Die Struktur des Dezimalsys-tems wird genutzt, Gesetzmäßigkeiten werdenerkannt und bei der Fortsetzung einfacher Zah-lenfolgen, beim strukturierten Zählen und syste-matischen Probieren berücksichtigt. Aufgaben zur

Addition, Subtraktion und Multiplikation wer-den halbschriftlich und schriftlich durchgeführt,Überschlagsrechnungen werden durchgeführt.Insbesondere können in diesem Zusammenhangeinfache Sachaufgaben gelöst werden. Aus demAlltag vertraute proportionale Zuordnungen wer-den erkannt und angewendet. Bei einfachem Zah-lenmaterial wird das Umwandeln von Größen ingegebene Einheiten auch bei gemischten Größen-angaben durchgeführt. Grundbegriffe der räumli-chen Geometrie werden korrekt verwendet, wenndiese einen Bezug zum Alltag haben. RäumlicheBeziehungen werden zur Lösung einfacher Proble-me genutzt. Wesentliche Grundbegriffe aus demUmfeld von Zufall und Wahrscheinlichkeit wer-den korrekt verwendet („sicher“, „unmöglich“,„wahrscheinlich“).

Kompetenzstufe 3: Das erlernte Wissen kann flexibelin unterschiedlichen Problemstellungen genutztwerden, die einem vertrauten Kontext zuzuordnensind. Insbesondere wird mit Zahlen und Operatio-nen im curricularen Umfang sicher umgegangen,Überschlagsrechnungen werden auch bei großenZahlen sicher durchgeführt. Strukturelle Aspek-te werden bei gut geübten Inhalten gesehen undkönnen kommuniziert werden. Das betrifft auchInhalte der Geometrie, wobei etwa zwischen ver-schiedenen Darstellungsformen einer Figur ver-mittelt werden kann. Einfache Sachsituationenwerden modelliert und die damit verbundenenProblemstellungen gelöst. Daten und Informatio-nen können in bekanntem Kontext flexibel dar-gestellt werden. Bei nicht allzu komplexen Zu-fallsexperimenten werden Gewinnchancen korrekteingeschätzt und begründet.

Kompetenzstufe 4: Auch in einem wenig vertrau-ten Kontext wird mathematisches Wissen sicherangewendet. Eigene Vorgehensweisen werdenkorrekt beschrieben, die Lösungswege andererKinder werden verstanden und reflektiert. DasRechnen wird im curricularen Umfang in allenVarianten sicher beherrscht. Begriffe der ebenenund räumlichen Geometrie werden flexibel ver-wendet. Zahldarstellungen und Stellenwerttafelnkönnen auch bei sehr großen Zahlen nach Vor-schrift selbstständig manipuliert und systema-tisch verändert werden. Das Rechnen mit Größenist sicher und flexibel und umfasst insbesondereNäherungsrechnungen und Überschlagsrechnun-gen. Informationen aus unterschiedlichen Quellenkönnen in einen Zusammenhang gestellt und inModellierungsaufgaben selbstständig verwendetund manipuliert werden.

56 GDM-Mitteilungen 85 · 2008

Kompetenzstufe 5: Mathematische Problemstellun-gen werden auch in einem unbekannten Kontextangemessen, sicher und flexibel bearbeitet. Dabeiwerden geeignete Strategien, sinnvolle Bewertun-gen oder Verallgemeinerungen auf hohem Niveaugeleistet. Umfangreiches curricular verankertesWissen wird in ungewohnten Situationen flexibelgenutzt. Das Vorgehen kann sicher und nachvoll-ziehbar kommuniziert und begründet werden.Komplexe Sachsituationen werden modelliert undbearbeitet, wobei besondere Schwierigkeiten wiedie Verwendung von Tabellen, der Umgang mitzusammengesetzten Größen oder das Rechnen mitZahlen in Kommaschreibweise auftreten können.Es können auch ungewohnte funktionale Zusam-menhänge analysiert und genutzt werden. DieLösung von Aufgaben kann ein hohes Maß anräumlichem Denken oder entsprechende analyti-sche Fähigkeiten voraussetzen.

Am Samstag stellten Gabriele Kaiser und BjörnSchwarz ein Kompetenzmodell für angehendeLehrerinnen und Lehrer vor, das aus Ergebnis-sen der Studie „Mathematics Teaching in the 21stCentury“ (MT21) hervorgeht. Der Vortrag basiertauf einem Kapitel aus dem zu MT21 erschienenBuch1.Ausgehend von massiver Kritik an der Lehrer-ausbildung führt die IEA (International Associa-tion for the Evaluation of Educational Achiev-ments) zur Zeit (2007–2009) eine internationaleVergleichsstudie zur Wirksamkeit der Lehrerbil-dung durch, TEDS-M (Teacher Education Deve-lopment Study – Learning to teach mathematics).Aufgrund fehlender theoretischer Konzepte undInstrumente wurde zur Itementwicklung und -testung eine Vorbereitungsstudie vorgeschaltet,MT21. Diese begann 2002 und wurde in insgesamtsieben Ländern, unter anderem Deutschland unddie USA, durchgeführt. Die Studie teilt sich all-gemein in drei Ebenen (Individuum, Institution,System), Zielpopulation sind angehende Mathe-matiklehrerinnen und -lehrer für die Sekundar-stufe I. Auf der individuellen Ebene von MT21,deren Ergebnisse im Folgenden im Vordergrundstehen, wird dabei im Anschluß an Weinert (1999)und mit theoretischer Bezugnahme auf unter an-derem Shulman (1986) und Bromme (1995) auf dieerworbene Kompetenz fokussiert.

Die Daten wurden an vier Universitäten und 22Studienseminaren erhoben (N = 849, verteilt aufdrei Kohorten: Grundstudium: n1 = 368, Haupt-studium: n2 = 195, Referendariat: n3 = 286). DieAusschöpfungsquote variiert zwischen 16% und80% (Durchschnitt 31 %), so dass viele Ergebnissevorsichtig interpretiert werden müssen.Die Itementwicklung von MT21 geschah dabei un-ter Berücksichtigung mehrerer Kriterien. ZumEinen wurde hinsichtlich inhaltlicher Gesichts-punkte unterschieden, wobei zwischen Arithme-tik, Algebra, Funktionen, Geometrie und Statistikdifferenziert wurde. Daneben wurde zwischen viermathematischen Tätigkeiten, dem Algorithmisie-ren, dem Problemlösen, dem Begründen und demModellieren unterschieden. Darüber hinaus wur-den jedoch einerseits unter Bezugnahme auf daszugrunde liegende Kompetenzmodell und anderer-seits unter Bezugnahme auf andere Studien auchweitere Kriterien im Rahmen der Itementwicklungberücksichtigt, die für die folgenden Ergebnisserelevant sind. Dies waren insbesondere:

Das Niveau des mathematischen Wissens. Dabei wur-de differenziert nach:� Mathematik der Sekundarstufe I� Mathematik der Sekundarstufe II� „Schulmathematik vom höheren Standpunkt“

(Kirsch, 1977)� Universitäre Mathematik

Die Verknüpfung des mathematischen Wissens mit an-deren Dimensionen. Dies können beispielsweise Ver-knüpfungen von mathematischen und mathema-tikdidaktischen Wissen oder Verknüpfungen vonverbalen und graphischen Aussagen sein.Dabei wurde differenziert nach:� Keine Verknüpfung erforderlich� Eine einfache Verknüpfung erforderlich� Eine anspruchsvolle Verknüpfung erforderlich� Mehrere Verknüpfungen erforderlich

Zur Itembearbeitung nötige kognitive Anstrengungen.Diese ergeben sich beispielsweise aus der Zahl deraufeinanderfolgenden Bearbeitungsschritte, demAbstraktionsgrad eines Problems oder den not-wendigen Transferleistungen.Dabei wurde differenziert nach:� Keine besonderen kognitiven Anstrengungen

1 Blömeke, Sigrid; Lehmann, Rainer; Seeber, Susan; Schwarz, Björn; Kaiser, Gabriele; Felbrich, Anja; Müller, Christiane (2008). Niveau-und institutionenbezogene Modellierung des fachbezogenen Wissens. in: Blömeke, Sigrid; Kaiser, Gabriele; Lehmann, Rainer (Hrsg.) (2008).Professionelle Kompetenz angehender Lehrerinnen und Lehrer. Wissen, Überzeugungen und Lerngelegenheiten deutscher Mathematikstudierenderund -referendare – Erste Ergebnisse zur Wirksamkeit der Lehrerausbildung.

GDM-Mitteilungen 85 · 2008 57

� Einfache kognitive Anstrengungen� Komplexe kognitive AnstrengungenEs war das nahe liegende Ziel der Itementwick-lung, ein möglichst breites Spektrum bezüglichder Kriterien abzudecken. Eine formale Klassifi-zierung der Items bezüglich dieser Kriterien ge-schah, im Gegensatz zu den vorher geschildertenKriterien, nicht, da Uneinheitlichkeiten auf in-ternationaler Ebene dem entgegenstanden. Daherist die folgende Modellierung auf die deutscheStichprobe beschränkt. Hierbei wurde die Reliabi-lität durch 3 Rater gesichert, bei Uneinheitlichkeitwurden externe Experten hinzugezogen.Die folgenden Ergebnisse basieren dann auf dereindimensionalen Rasch-Skalierung. Gebildet wur-de dabei ein Gesamttestwert von mathematischemund mathematikdidaktischem Wissen (latenteKorrelation der Gebiete .81), was sich inhaltlichmit dem Zusammenhang dieser Wissensgebieteim Unterricht begründen lässt. Generell zeigt sichdann zuerst, dass mit der jeweils nächsten Stufeeines Merkmals (bezüglich der drei oben beschrie-benen Kriterien, also Niveau des mathematischenWissens, Verknüpfung von mathematischem Wis-sen mit anderen Dimensionen und den nötigenkognitiven Anstrengungen) generell ein Anstiegder Itemschwierigkeit verbunden ist.Eine Regressionsanalyse ergibt, dass die Bestim-mung der Aufgabenschwierigkeit zu großen Tei-len durch vier Merkmale möglich ist (69% Va-rianz erklärt). Die folgende Tabelle liefert einenÜberblick über diese Merkmale und die zugehöri-gen unstandardisierten Regressionsgewichte:

Merkmale Regression

s-ge

wicht

Stan

dard

-fehler

Irrtum

s-wah

rsch

einlichk

eit

Konstante −.90 .16 p<.001

universitäre Mathematik 1.67 .20 p<.001

eine anspruchsvolleVerknüpfungsleistung

.45 .18 p<.05

mehrere Verknüpfungs-leistungen

1.54 .19 p<.001

komplexe kognitiveAnstrengungen

.93 .15 p<.001

Ein Item, das eines der vier Merkmale aufweist,ist also um den Betrag des entsprechenden Re-gressionsgewichtes, gemessen in Logits, schwe-

rer als ein Item, das das entsprechende Merkmalnicht aufweist. Die „Konstante“ bezeichnet da-bei die Basisschwierigkeit eines Items, das keinesder vier Merkmale enthält. Aus diesen Daten lässtsich die theoretische zu erwartende Schwierigkeitjedes Items berechnen, indem ausgehend von derKonstante die Summe der Logits derjenigen Merk-male, die das betreffende Item aufweist, gebildetwird.Auf Basis dieser Ergebnisse kann dann ein Kom-petenzmodell bestimmt werden, indem aus denErgebnissen der Regressionsanalyse die Schwellen-werte des Modells abgeleitet werden. Als Beginneiner neuen Kompetenzstufe wird dabei derjenigeSchwellenwert definiert, ab dem ein bestimmtesMerkmal erstmalig auftritt. Dabei wurden dreiVoraussetzungen festgelegt:� Es handelt sich um keine Ausnahme, das heißt,

mehrere Items weisen die erwartete Schwierig-keit auf.

� Die jeweilige Merkmalskombination muss imTest wirklich realisiert sein.

� Die jeweilige Merkmalskombination muss kon-zeptionell überzeugen.

Dies führt zu einem Kompetenzmodell mit vierStufen, das sich wie folgt zusammenfassend dar-stellen lässt:

Kompe

tenz

-niveau

erwartete

Aufga

ben-

schw

ierigk

eitinLo

gits

universitäre

Mathe

matik

eine

ansp

ruch

svolle

Verknü

pfun

g

meh

rere

Verknü

pfun

gen

komplex

eko

gnitive

Ans

tren

gung

enunter A −0.90 0 0 0 0A −0.45 0 1 0 0B 0.03 0 0 0 1C 0.64 0 0 1 0

1 0 0 0D 1.60 0 0 1 1

1 0 0 1

„Unter Kompetenzniveau A“ bedeutet dabei, dassAufgaben, die eines der vier Merkmale enthalten,auf diesem Niveau nicht sicher beherrscht wer-den können. Die vier Kompetenzstufen lassen sichdann wie folgt charakterisieren:

Kompetenzniveau A:� Testpersonen können Aufgaben lösen, die eine

anspruchsvolle Verknüpfungsleistung erfordern(in MT21 häufig: mathematisches und mathema-

58 GDM-Mitteilungen 85 · 2008

tikdidaktisches Wissen verknüpft)� Mathematisches Wissen unterhalb Universitäts-

niveau� Kognitive Anstrengungen nicht zu komplex,

das heißt, nicht zu viele gedankliche Bearbei-tungsschritte

Kompetenzniveau B:� Testpersonen können Aufgaben lösen, die kom-

plexe kognitive Anstrengungen erfordern� Mathematisches Niveau weiterhin unter Univer-

sitätsniveau� Es darf höchstens eine einfache Verknüpfungs-

leistung gefordert sein

Kompetenzniveau C:� Testpersonen beherrschen universitäres mathe-

matisches Wissen� Testpersonen sind in der Lage, mehrere Ver-

knüpfungsleistungen zu erbringen� Keine zusätzlichen komplexen kognitiven An-

strengungen, das heißt begrenzte Anzahl not-wendiger gedanklicher Bearbeitungsschritte

Kompetenzniveau D:� Gekennzeichnet durch das Beherrschen komple-

xer kognitiver Anstrengungen, das heißt mehre-rer gedanklicher Bearbeitungsschritte

� Zusätzlich Beherrschen von universitärem ma-thematischen Niveau beziehungsweise mehre-ren Verknüpfungsleistungen

Abschließend sollen auf Basis der Daten von MT21noch die Verteilungen der Referendarinnen undReferendare auf die einzelnen Kompetenzstufendargestellt werden. Für die Gesamtgruppe der Re-ferendarinnen und Referendare (n = 286) ergibtsich dann folgende Verteilung:

unter Kompetenzniveau A 11.2 %Kompetenzniveau A 23.6%Kompetenzniveau B 26.1%Kompetenzniveau C 26.7%Kompetenzniveau D 12.3%

Man erkennt, dass gut 10% der Referendarinnenund Referendare unter Kompetenzniveau A liegen,und andererseits knapp zwei Fünftel den beidenhöchsten Kompetenzniveaus zuzuordnen sind.Erwartungsgemäß überdeckt diese DarstellungEffekte und Unterschiede, die in den unterschied-lichen Schulstufen bedingt sind (also GHR undGyGS). Daher soll abschließend die Verteilung derReferendarinnen und Referendare auf die Kompe-tenzniveaus getrennt nach Schulstufen dargestelltwerden:

Gruppe der angehenden GHR-Lehrerinnenund Lehrer (n = 133):

unter Kompetenzniveau A 20.2%Kompetenzniveau A 35.5%Kompetenzniveau B 27.5%Kompetenzniveau C 11.4%Kompetenzniveau D 5.3%

Gruppe der angehenden GyGS-Lehrerinnenund Lehrer (n = 153):

unter Kompetenzniveau A 3.4%Kompetenzniveau A 13.2 %Kompetenzniveau B 24.9%Kompetenzniveau C 40.1%Kompetenzniveau D 18.4%

GDM-Mitteilungen 85 · 2008 59

EU-Projekt ,ScienceMath‘Meeting in Finnland

Astrid Beckmann

ScienceMath: Mathematical literacy and cross curricu-lar competencies through interdisciplinarity, mathema-tising and modelling science

Vom 14. Mai bis 17. Mai 2008 fand das dritte Pro-jekttreffen des EU-Projekts ScienceMath in Turku/Finnland statt. Das Projekt ScienceMath ist eineuropäisches Kooperationsprojekt zur Förderungvon mathematical und scientific literacy, das vonder Europäischen Kommission im Programm Co-menius 2.1 gefördert wird. Kooperationspartnersind Hochschulen und Schulen aus den LändernDeutschland, Dänemark, Finnland und Slovienien(Koordination: Prof. Dr. Astrid Beckmann, Päd-agogische Hochschule Schwäbisch Gmünd). Zielist die Entwicklung von erprobten Unterrichtsse-quenzen und –moduln, die auf ein einsichtigesund vernetztes Lernen mathematischer Inhal-te und Begriffe führen und für die europäischeLehrerfortbildung zur Verfügung gestellt werden.Grundidee ist, mathematisches Lernen in natur-wissenschaftlichen Kontexten und durch aktiveTätigkeiten der Schülerinnen und Schüler anzu-regen. Durch außermathematische Bezüge sollensie Mathematik angemessen, bedeutungsvoll undinteressant erfahren; das Lernen in Zusammen-hängen soll zu einem intuitiven mathematischenVerstehen beitragen. Mit Hilfe naturwissenschaft-licher Kontexte und Methoden soll einerseits dieoft beobachtete Kluft zwischen formaler Mathe-matik und authentischer Erfahrung geschlossenwerden, andererseits die Vielseitigkeit mathemati-scher Begriffe erfahren werden.In dem Projekttreffen wurden die bisher entwi-ckelten interdisziplinären Module diskutiert undErgebnisse aus Unterrichtserprobungen vorge-stellt. Gleichzeitig bestand die Gelegenheit, eine

finnische Schulklasse im Unterricht direkt zu be-obachten. Projektbeispiele betreffen mathemati-sche Modellbildungsprozesse und experimentelleAktivitäten in naturwissenschaftlichen Kontextenund Alltagssituationen. Ein Schwerpunkt des Aus-tauschs in Turku betraf auch die Verbreitung derErgebnisse über die Webseiten. Zur Zeit wird eineOberfläche vorbereitet, die einen vereinfachten in-formativen Zugriff in verschiedenen europäischenSprachen ermöglicht. Eine Auswahl von Mo-duln ist bereits abrufbar unter www.sciencemath.ph-gmuend.de.

ScienceMath-meeting in Turku: Teilnehmer aus Dänemark, Deutsch-land, Finnland, Slovenien und den Niederlanden

60 GDM-Mitteilungen 85 · 2008

Symposium Celebrating the Centennialof the International Commission onMathematical Instruction (ICMI)Rome 5–8 March 2008

Gert Schubring

In 1908, during the IV International Congressof Mathematicians, which took place in Romefrom 6 to 11 April, was created the InternationalCommission on the Teaching of Mathematics(Commissione Internazionale per l’insegnamentomatematico, Commission Internationale del’Enseignement Mathématique, InternationaleMathematische Unterrichtskommission). Thefirst to formulate a proposal for the institutionof an organisation of this type was David EugeneSmith, a professor at Teachers College of NewYork, who was profoundly interested in educa-tion and in the history of mathematics. The firstpresident was Felix Klein, eminent mathemati-cian and promoter of significant reforms in theteaching of mathematics in Germany. Klein wasan unflagging and enthusiastic promoter of thecommission during its early period.The initial goal of the commission was that to“promote an inquiry and publish a general re-port on current trends in secondary teachingof mathematics in the various countries”. Fromthat time, the Commission, which since 1954 hasbeen known as the “International Commissionon Mathematical Instruction” (ICMI), has gonethrough successive periods of more or less in-tense activity (connected with the dramatic eventsof the first half of the twentieth century) beforearriving to the end of the 1960s, when it experi-enced a veritable renaissance based on new aimsand work methodologies. In the last quarter ofa century its activities and the lines of researchhave broadened and diversified, and have con-tributed to the construction of a new discipline,research in the teaching of mathematics.To celebrate the Centennial of the founding ofthe ICMI, an international symposium, entitled“The First Century of the International Com-mission on Mathematical Instruction: Reflect-ing and Shaping the World of Mathematics Ed-ucation”, was held in Rome, 5–8 March 2008

(http://www.unige.ch/math/EnsMath/Rome2008/).The International Programme Committee (IPC),was composed of sixteen members, with Fer-dinando Arzarello as its president, while MartaMenghini represented the Organising Commit-tee within the IPC. Palazzo Corsini, home of theAccademia Nazionale dei Lincei, and Palazzo Mat-tei di Paganica, home of the Enciclopedia Ital-iana, were the splendid venues for the sympo-sium.Taking as a point of departure the themes con-nected to ICMI activities over the course of itshundred year history (reforms in teaching of thesciences, formation of teachers, relationships be-tween mathematicians and researchers of teach-ing, etc.), the symposium sought to identify thefuture directions of research in didactics and pos-sible initiatives for improving the level of mathe-matics culture in the various countries.The symposium was subdivided into ten plenarytalks, eight talks in parallel, five working groups,and an afternoon reserved for Italian teachers,with lectures by scholars from Italy and abroad.The talks on the “Italian afternoon” were broad-cast via videoconference to fifty schools through-out Italy.The talks dealt with a wide variety of topics: theorigins of the ICMI and the roles played by Kleinand Smith; ICMIs renaissance at the end of the1960s and the emergence of a new field of re-search; the dialectic between rigour and intuitionin the teaching of mathematics; the relationshipsbetween pure and applied mathematics and theemphasis that should be given to modelling inteaching and learning of the mathematics; theinteractions between research and practice; the re-lationship between centres and peripheries of theworld; teacher training; the relationships betweenmathematics and teaching of mathematics andbetween mathematics education and technology,society, and other disciplines.

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Some 200 participants from 43 countries theworld over took part in the congress. The sym-posium ended with an excursion which, like ahundred years ago, took participants to visit theVilla d’Este at Tivoli and Hadrian’s Villa, both richin historical grandeur.On the occasion of the congress a website ded-icated to the history of ICMI was created underthe direction of Fulvia Furinghetti and Livia Gi-acardi (http://www.icmihistory.unito.it/). It delin-eates the most significant events and key figuresthrough documents, images and interviews. Thesite is divided into six sections: Timeline; PortraitGallery; Documents; The Affiliated Study Groups;The International Congresses on Mathematical Ed-ucation; Interviews and Film Clips. The Timelinemarks the most important moments in the his-tory of the ICMI, with each fact documented withreferences to the original sources. The PortraitGallery provides a complete list of ICMI officers,and biographic cameos of those who have passedaway, with the aim of making evident their roleswithin the ICMI, their contributions to the studyof problems inherent in mathematics teaching,and their publications that are expressly dedi-cated to mathematics teaching.The symposium proceedings will be publishedby the Enciclopedia Italiana, in their book seriesentitled Scienze e Filosofia. The talks of the Italianafternoon are in press in the journal Progetto Alice.

The Plenary Lectures

� Moments of the life of ICMI (Hyman Bass)� The development of mathematics education as

an academic field (Jeremy Kilpatrick)� Intuition and rigor in mathematics education

(Dina Tirosh and Pessia Tsamir)� Perspectives on the balance between applica-

tion & modelling and ‘pure’ mathematics in theteaching and learning of mathematics (MogensNiss)

� The relationship between research and practicein mathematics education: international exam-ples of good practice (Jo Boaler)

� The origins and early incarnations of ICMI(Gert Schubring)

� ICMI Renaissance: the emergence of new issuesin mathematics education (F. Furinghetti, M.Menghini, F. Arzarello, L. Giacardi)

� Centres and peripheries in mathematics educa-tion (Bienvenido F. Nebres)

� ICMI: One century at the interface betweenmathematics and mathematics education – Re-flections and perspectives (Michèle Artigue)

The working groups

� WG1: Disciplinary mathematics and schoolmathematics (co-chairs. B. Barton, F. Gourdeau)

� WG2: The professional formation of teachers(co-chairs: Deborah Ball, Barbro Grevholm)

� WG3: Mathematics Education and Society (co-chairs: Hilary Povey, Robyn Zevenbergen)

� WG4: Resources and technology throughout thehistory of ICMI (co-chairs: Marcelo C. Borba,Mariolina Bartolini Bussi)

� WG5: Mathematics Education: an ICMI perspec-tive (co-chairs: G. Leder, L. Radford)

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Meike Akveld

Knoten in der Mathematik –Themenheft Topologie

Rezensiert von Christian Bär

Die Autorin möchte mit dem vorliegenden The-menheft Knotentheorie, ein Teilgebiet der Topo-logie, an Schulen bekannt und populär machen.Dies ist sehr begrüßenswert, denn Knotentheoriekann sehr elementar, d. h. ohne größere mathema-tische Vorkenntnisse, behandelt werden, ist sehranschaulich und kann sehr schön verdeutlichen,dass Mathematik viel mehr ist als der sonst un-terrichtete Schulstoff. Bemerkenswerterweise istKnotentheorie auch in der mathematischen For-schung sehr aktuell, natürlich auf einem weit hö-heren technischen Niveau. Am Ende dieses ganzelementar gehaltenen Kurses versteht der Schü-ler einige natürliche Fragen, die bis heute offensind, etwa ob es nichttriviale Knoten mit trivia-lem Jones-Polynom gibt. In wenigen mathemati-schen Disziplinen kann man so schnell und ele-mentar an die Front aktueller Forschung geführtwerden.Worum geht es inhaltlich? Ein Knoten ist einegeschlossene Raumkurve ohne Selbstdurchdrin-gungen, wobei wir zwei Knoten als gleich be-trachten, wenn sie ineinander deformiert werdenkönnen. Am besten stellen wir uns einen Knotenals ein Stück Schnur vor, dessen Enden miteinan-der verbunden sind. Solche Knoten können sehrkompliziert sein; sind zwei Knoten gegeben, istes in der Regel alles andere als offensichtlich, obsie gleich sind, d. h. ineinander verbogen werdenkönnen. Man kann nun versuchen, eine Deforma-tion durch Probieren zu finden. Gelingt dies, weißman, die Knoten sind gleich. Gelingt es, nach sa-gen wir zwei Stunden, noch immer nicht, besagtdies natürlich nichts. Die Knoten könnten ver-schieden sein, aber vielleicht haben wir uns aucheinfach zu dumm angestellt. Wie kann man si-cher nachweisen, dass zwei Knoten tatsächlichverschieden sind?Derartige Fragen treten in der Mathematik häufigauf und werden in der Regel durch die Einfüh-

rung geeigneter Invarianten beantwortet. Wir wol-len daher geschlossenen Raumkurven Invariantenzuordnen, die sich bei Deformation nicht ändern.Haben wir dann die Invarianten zweier Knotenberechnet und festgestellt, dass sie verschiedensind, müssen auch die beiden Knoten verschie-den sein. Die Suche nach einer Deformation kön-nen wir uns dann also sparen. Diese Invariantenkönnen als Werte Zahlen annehmen oder Polyno-me oder etwas ganz anderes. Sie sollten nicht zukompliziert sein, damit sie praktisch berechen-bar bleiben, aber auch nicht zu einfach, damit siemöglichst viele verschiedene Knoten unterschei-den können.Da sich schlecht mit Raumkurven praktisch rech-nen lässt, arbeitet man statt dessen mit Knoten-diagrammen, d. h. mit dem Schatten des Knotensunter einer geeigneten Projektion in die Ebene.Wann zwei Knotendiagramme zum selben Knotengehören, ist seit langem bekannt und führt aufdie so genannten Reidemeister-Schritte, wie imersten Kapitel des Buches erklärt. Man kann da-her Knoteninvarianten dadurch konstruieren, dassman Knotendiagrammen Objekte zuordnet unddann überprüfen muss, dass diese sich nicht nurbei Deformationen des Diagramms, sondern auchbei Reidemeister-Schritten nicht ändern. DiesesVerfahren wird im Themenheft erstmals in Kapitel5 am Konzept der Dreifärbbarkeit erläutert. DieInvariante nimmt in diesem Fall nur zwei mögli-che Werte an, nämlich „ja“ oder „nein“, je nach-dem ob das Diagramm dreifärbbar ist oder nicht.Mit dieser noch recht schwachen Invariante kannman immerhin schon sehen, dass das Kleeblattein nichttrivialer Knoten ist und auch nicht mitdem Achterknoten übereinstimmt. Auf ähnlicheWeise werden in den Kapiteln 6 und 7 stärkere In-varianten auf elementare Weise konstruiert undan Beispielen erläutert, nämlich die Verschlin-gungszahl und das Jones-Polynom. Des Weiteren

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gibt es je ein Kapitel über Kreuzungszahlen, überSpiegelbilder von Knoten sowie über Primknoten.Ähnlich wie natürliche Zahlen in eindeutiger Wei-se als Produkt von Primzahlen geschrieben wer-den können, kann jeder Knoten eindeutig aus sogenannten Primknoten zusammengesetzt werden,so dass man sich auf deren Studium beschränkenkann.An mathematischen Vorkenntnissen wird vomSchüler wenig verlangt. Erst im letzten Kapitel isteine gewisse Sicherheit bei algebraischen Umfor-mungen erforderlich. Der Text wurde in Schwei-zer Schulen erprobt. Die ersten fünf Kapitel eig-nen sich durchaus für die gymnasiale Mittelstufe,die beiden letzten Kapitel sollten erst in der Ober-stufe eingesetzt werden.Die meisten der hier benutzten Konzepte lassensich am besten anhand von Beispielen erklären.Der Lehrer sollte z. B. die Modifikation von Kno-tendiagrammen mittels Reidemeister-Schritten aneinigen Beispielen vorführen und dann die Schü-ler selbst andere Beispiele probieren lassen unddabei Hilfestellung leisten. Für das Selbststudiumdagegen eignet sich der Text meiner Einschätzungnach weniger; die Gefahr, dass ein Schüler eineDefinition nicht richtig auffasst und dann ohnefachliche Anleitung nicht mehr weiterkommt,scheint mir doch sehr groß.Es finden sich 76 Aufgaben von angemessenemSchwierigkeitsgrad mit Lösungshinweisen. Zahl-reiche, meist recht schlichte Abbildungen illus-trieren den Text.

Im ersten Kapitel werden sowohl Knoten als auchKnotendiagramme eingeführt. Dieser begriffli-che Unterschied ist wichtig und führt, wie be-reits erwähnt, zu den Reidemeister-Schritten.Um so ärgerlicher fand ich, dass später im Textdort, wo von Knotendiagrammen die Rede seinmüsste, häufig von Knoten gesprochen wird. Im7. Kapitel werden Knoten ihre Klammerpolyno-me zugeordnet, um dann festzustellen, dass dasgar nicht möglich ist, da das Klammerpolynomnicht unter allen Reidemeister-Schritten invariantist. Man hätte das Klammerpolynom einem Kno-tendiagramm zuordnen müssen, um diese unnöti-ge Verwirrung zu vermeiden. Es gibt weitere ver-meidbare Ungenauigkeiten. So wird beispielsweisebeim Lösungshinweis zu Aufgabe 37 übersehen,dass man begründen muss, warum die in einemFall verloren gegangene dritte Farbe irgendwo an-ders im Diagramm wieder auftauchen muss. Dasmacht die Aufgabe weit schwieriger als von derAutorin wohl geplant.Trotz dieser kleineren Mängel halte ich das Buchfür einen sehr willkommenen Beitrag. Es kanndem Lehrer als gute Grundlage zur Konzeptioneiner AG zur Knotentheorie dienen. Die Knoten-theorie kann eine wunderbare Bereicherung desMathematikunterrichts sein. Insofern war diesesBuch überfällig.

Meike Akveld: Knoten in der Mathematik –Themenheft Topologie, DMK, Orell Füssli, Zürich2007, ISBN 978-3-280-04050-8

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Gilbert Greefrath und Jürgen Maaß (Hg.)

Istron. Materialien für einenrealitätsbezogenen Mathematik-unterricht: Unterrichts- undMethodenkonzepte

Rezensiert von Jürgen Maaß

Die 1990 in Istron Bay auf Kreta gegründete in-ternationale Gruppe von Mathematiker/innenund Fachdidaktiker/innen hat es sich zum Zielgemacht, durch Koordination und Initiierungvon Innovationen zur Verbesserung des Mathe-matikunterrichts auf insbesondere europäischerEbene beizutragen. Der Schwerpunkt der Akti-vitäten dabei ist die Förderung von möglichenRealitätsbezügen des Mathematikunterrichts. Indiesem Zusammenhang entstandene Initiativensollen sowohl in inhaltlicher als auch in perso-neller Hinsicht lokal und international vernetztwerden. Eine Frucht dieser Bemühungen ist diein der Überschrift genannte Schriftenreihe, derenerster Band 1994 herausgekommen ist. Alle Bändesind im Verlag Franzbecker erschienen. WeitereInformationen finden sich auf der Internetseitehttp://istron.wentsch.info/index.php/home2.html(6. Jänner 2008).

Der vorliegende bislang letzte Band 11 widmetsich vor allem der Beschreibung der Methoden,mit denen ein bestimmtes Thema im Unterrichtrealisiert worden ist. Dabei wird von der – leichtnachvollziehbaren – These ausgegangen, dass be-stimmte Themen bestimmte Methoden verlangenabhängig von den konkreten Lehrzielen, die mandabei verfolgt. Daher wird in den Beiträgen nichtnur der Schilderung der inhaltlichen KomponenteRaum gegeben, sondern auch die jeweilige Metho-de und die damit verbundenen Intentionen (underhaltenen Ergebnisse) werden jeweils genau be-schrieben. Besonderer Wert wird dabei wegen dererhofften Nachhaltigkeit auf selbständiges Pro-blemlösen gelegt.Die einzelnen Beiträge gliedern sich in solche zur

Primarstufe (einer), zur Sekundarstufe I (neun)und zur Sekundarstufe II (fünf ).

Von Regina Dorothea Möller stammt der Beitrag zurGrundschule mit dem Titel „Zur Modellierungökonomischer Kontexte in der Grundschule“. An-hand des Themas „Geld“, welches die Materia-lisierung des abstrakten, durchaus subjektivenBegriffes „Wert“ darstellt, werden gewisse ökono-mische Grundeinsichten wie der durch das Geldmöglich gewordene Vergleich aller Waren undDienstleistungen vermittelt. Die beschriebenenthematischen Unterrichtseinheiten „Rund um denFlohmarkt“ zeigen eindrucksvoll, wie sehr die Ver-wendung von Geld zweckorientiert ist, es bestehtdabei Handlungsinteresse, nicht Erkenntnisin-teresse wie z. B. bei physikalischen Vorgängen.Ein anderer Themenkreis, „Ware-Preis-Aufgaben“,stellt das Selbstmodellieren durch Schüler/innenin den Vordergrund, der funktionale Charakterder behandelten Beziehungen wird dabei unter-sucht. Insgesamt ein sehr überzeugender Beitrag!

Der Beitrag „Von Strichcode bis ASCII – Codie-rungstheorie in der Sekundarstufe I“ von AnitaDorfmayr widmet sich der Verschlüsselung vonInformationen und einfachen Möglichkeiten, Feh-ler bei der (anschließenden) Datenübertragungzu erkennen. Mittels konkreter Aufgabenstellun-gen, die sich u. a. auf einem angegebenen Ar-beitsblatt befinden, wird die Selbsttätigkeit derSchüler/innen angeregt, das Basteln eigener Co-des in der Gruppe hat sich besonders bewährt.Die so entstandenen Codes werden auch mitein-ander verglichen, z. B. welche Übertragungsfehlerwie gut erkannt werden können. Die geschilderten

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Unterrichtserfahrungen zeigen das große Potentialdieser Thematik für das mathematische Denkender Schüler/innen.

Ein ganz aktuelles Thema bringt der Beitrag vonVolker Eisen: „Verändert sich unser Klima? – Aufdem Weg zum Funktionsbegriff in projektartigerGruppenarbeit“. (Zeitliche) Veränderungen be-stimmter Größen können verschieden dargestelltwerden: Tabelle, Diagramm, Graph, Funktions-term etc. Eine offene Fragestellung mündet ineine projektartige Gruppenarbeit, die das Recher-chieren von Daten, das Darstellen derselben unddas Interpretieren der Ergebnisse bis hin zu Vor-aussagen vorsieht. In einem Forschungsheft wer-den nicht nur Ergebnisse, sondern auch individu-ell behandelte Fragestellungen, Schwierigkeiten,Probleme etc. dokumentiert. Auf einem Plakat(„Speicher“) wird der Arbeitsstand stichwortartignotiert. Ein Erarbeiten des Funktionsbegriffs pas-siert auf diese Weise nachhaltig, wie die späterenErfahrungen des Autors zeigen. Die Umsetzungim Unterricht und die dabei gemachten Erfahrun-gen zeigt dieser Beitrag sehr genau.

Der aussagekräftige Titel des nächsten Bei-trags „Schüler modellieren verschiedene Wachs-tumsprozesse“ ist zugleich seine Inhaltsangabe.Axel Hoppenbrock bedient sich der Methode desForschenden Lernens, um (z. B.) die Entwicklungder Weltbevölkerung zu untersuchen. Auch hierwird ein Forschungsheft eingesetzt. Die verschie-denen Herangehensweisen der Schüler/innen wer-den in diesem Beitrag sorgfältig beschrieben. Be-eindruckend ist das präsentierte Beispiel des Her-anziehens eines Modells für das Bakterienwachs-tum aus dem Biologie/Chemieunterricht durcheinen Schüler, um die Exponentialfunktion zu ge-winnen.

„Konkurrenzgrenzen mit GeoGebra“ heißt der Ar-tikel von Gerda Jurkowitsch, der ein wirtschafts-mathematisches Thema bringt: Ein potentiellerKäufer interessiert sich für ein bestimmtes Kon-sumgut, wofür es zwei Anbieter gibt. Je nach Mo-dellierung sind die Anschaffungskosten und/oderdie Transportkosten pro km der beiden Anbieterverschieden. Abhängig vom Standort (des Käufers)soll entschieden werden, welcher der günstigereAnbieter ist. Jene Orte, von denen aus die beidenAngebote gleich teuer (oder billig) sind, bildendie sogenannte Konkurrenzgrenze. Zum Teil sinddie vorgestellten Modelle in diesem Beitrag nurfür die Sekundarstufe II geeignet, wie auch ver-merkt wird. Die Bearbeitung erfolgt mit Hilfe des

Softwarepakets GeoGebra, welches Elemente dy-namischer Geometriesoftware (DGS) mit solcheneines Computeralgebrasystems (CAS) verbindet.Die sehr breite Darstellung auch des einfachstenModells trägt vor allem Merkmale einer stoffdi-daktischen reflektierten Analyse, die eingangserwähnte Betonung der vorgeschlagenen Unter-richtsmethode kommt hier vielleicht ein wenig zukurz.

Vom zweiten Herausgeber, Jürgen Maaß, stammtder Artikel „Ethik im Mathematikunterricht? Mo-dellierung reflektieren!“. Zur Thematik „Heizkos-ten gerecht verteilen“ werden verschiedene Be-rechnungsmodelle vorgestellt, die es gilt zu ana-lysieren und daraufhin begründet zu entscheiden.Gemäß der zugrundeliegenden Idee des in Redestehenden Bandes wird die Methode der Entschei-dungsfindung detailliert diskutiert. In Gruppenar-beit sollen die einzelnen Vorschläge (oder Misch-formen davon) aufbereitet und vor der Klasse prä-sentiert werden. Dabei müssen Argumente vorge-bracht, auf andere eingegangen werden, schließ-lich wird per Abstimmung(en) eine Entscheidungherbeigeführt. Last but not least werden jene Ar-gumente, die sich als entscheidend herausgestellthatten, noch einmal auf die dahinter stehendenWerte untersucht, um so ein lokales Wertesystemzu definieren, welches als ethisches angenom-men werden kann. Ganz wichtig ist dem Autordabei die zurückhaltende Rolle der Lehrkraft, dieer über weite Strecken als moderierend und kei-neswegs (mit-)entscheidend sieht. Ein originellerBeitrag zur so oft in Sonntagsreden (Lehrplänen)gewünschten Miteinbeziehung ethischer Aspektein den Mathematikunterricht!

„Sprouts – ein Strategiespiel für zwei Personen“stellt Andrea Müller vor, im Mittelpunkt steht da-bei die Entwicklung einer Gewinnstrategie. In die-sem Beitrag steht die inhaltliche Komponente ein-deutig im Vordergrund, nur wenige Hinweise zurMethodik finden sich. Dennoch eine schöne Anre-gung für eine Mischform aus offenem Unterricht(Spielphase, deren Eindrücke gesammelt werdenmüssen) und angeleitetem (Analyse der eingegan-genen Ergebnisse).

Im darauffolgenden Beitrag von Franz Picher,„Spiele und Texte als Reflexionsanlässe – Mathe-matik als soziales Reflexionsmittel“, ist die Beto-nung gerade umgekehrt: die Gestaltung des Un-terrichts wird sehr ausführlich dargestellt, ebensodie (Re-)Aktionen der Schüler/innen. Rund umdas Gefangenendilemma und andere Spiele und

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(mathematische) Texte wird die Mathematik alsDarstellungs- und Kommunikationsmittel einge-bracht, die als (mächtiges) Hilfsmittel zur Refle-xion verwendet werden kann. Es zeigt sich, dassSchüler/innen in sehr unterschiedlichem Maße derAufforderung zur Reflexion nachgehen: es gibtjene, die durch Texte angeregt werden, sich in ei-ne Sache weiter zu vertiefen, und da sind andere,die immer wieder durch neue Spiele ermuntertwerden (müssen), über eine gute Taktik (kurz-zeitig) nachzudenken. Die – reflektierte – Schil-derung des Umgangs der Schüler/innen mit derungewohnten Rolle von Mathematik ist sehr in-teressant, sie wird nur auf der vorletzten Seite desArtikels durch eine falsche Spaltenaufteilung desTextes getrübt.

Dieter Volk beschreibt fast akribisch sein Projekt„CO2-Zeiger in der Fahrgastzelle – Ein Armatu-renbrett mit Klimafaktor“ indem er seine Vor-gehensweise und die (Re-)Aktionen seiner Schü-ler/innen im genauen zeitlichen Ablauf darlegt. Inerfrischender Weise werden verschiedene Model-lierungen des Themas „CO2-Ausstoß eines PKWs“erarbeitet, man bekommt einen sehr authenti-schen Eindruck des Erkenntnisprozesses in derKlasse. Von der Erhebung der Daten bzw. (tech-nischer) Informationen über die mathematischeModellierung bis zur Erkenntnis und Reflexionerlebt der Leser/die Leserin hautnah, was passiertist, worauf zu achten ist und warum dieser oderjener Weg eingeschlagen worden ist. „Der rechteFuß im Auto ist der Klimafuß“ – dem ist nichtsmehr hinzuzufügen!

Die „Körperwelten – Modellierung realer Körpermit Präsentation“ von Antonius Warmeling „schla-gen eine Brücke zwischen zwei Welten, zwischender Schärfe der Mathematik und der Unschär-fe im ,Rest der Welt‘ “. Arbeitsblätter zeigen Ab-bildungen z. B. von realen Objekten oder graphi-schen Statistiken oder aus Comics oder von tech-nischen Skizzen. Dazu sollen Fragen wie z. B. nachder realen Größe bestimmter Baudetails beant-wortet werden. Die ebenfalls abgedruckten Lö-sungsvorschläge zeigen, dass im Wesentlichensämtliche zur Beantwortung notwendige Informa-tion in den Abbildungen steckt. In Gruppenarbeitfindet die Bearbeitung statt, schriftliche Ausar-beitungen dokumentieren den Arbeitsprozess.Mit Plakaten (Poster Walk) oder Folien werdendie Ergebnisse präsentiert. In der nachfolgendenKlassenarbeit wird ebenfalls eine entsprechen-de Aufgabe gestellt. Die präsentierten Beispieleregen zur Nachahmung an, die dazugehörigen

Schüler/innenlösungen enthalten zum Teil sehrkreative Ansätze der Modellierung.

Der erste Herausgeber, Gilbert Greefrath, beschreibtin seinem Artikel „Mathematisch Modellieren ler-nen – ein Beispiel aus der Integralrechnung“, wiedie Füllhöhe in einem Öltank von der Füllmen-ge abhängt. Für verschiedene Formen des Tankswird diese Zuordnung bestimmt und mit der tat-sächlichen Peiltabelle verglichen. Die zum Teilschon recht diffizilen Auswertungen passierenmit der Unterstützung eines CAS, die Ergebnissezeigen für gewisse Modelle nur sehr geringe Ab-weichungen von der Realität. In Gruppenarbeitsind die einzelnen Tankformen analysiert wor-den, die Methode des „Gruppenpuzzles“ bringtdann Vertreter/innen der unterschiedlichen Mo-delle zusammen, um die jeweiligen Erkenntnissezu diskutieren. Ein sehr anspruchsvolles Themafür die Sekundarstufe II, welches in eindrucksvol-ler Manier sowohl inhaltlich als auch methodischdargestellt wird!

„Die Vase“ heißt der Beitrag von Henning Körner,in dem die Querschnittsfigur einer realen Vasemodelliert wird. Wiederum passiert die Bearbei-tung verschiedener Ansätze in einzelnen Gruppen,wobei der Einsatz von CAS eine wichtige Rollespielt. Die einzelnen Zwischenergebnisse werdengenau dokumentiert, bis schließlich mit Hilfe derSpline-Interpolation ein befriedigendes Ergebniserzielt wird. Gruppenprotokolle im Anhang ge-ben Aufschluss über die Erkenntnisgewinnungder Schüler/innen, ein Übungsblatt zu den Spli-nes und eine Klausuraufgabe (mit Lösung, es sol-len zwei geradlinige Straßenstücke in bestimmterWeise miteinander verbunden werden) rundenden Artikel ab. Auch dieser Beitrag zeigt, wie aufhochstehendem Niveau (angeleitete) Selbsttätig-keit der Schüler/innen zu wirklich schönen Ergeb-nissen führen kann!

Von Udo Mühlenfeld stammt ein weiterer Beitragzu einem Thema der Analysis, „Einführung derDifferenzialrechnung – Lernen an Stationen“, wo-mit auch seine Methode schon genannt ist. Vonder die Erstellung eines Höhenprofils für eineTourenbeschreibung über das Herausrutscheneines Autos aus der Kurve und dem Unterwegs-sein mit einer Pistenraupe bis zum Bau einerSprungschanze spannt sich der Bogen der Sta-tionen. Ein buntes Programm also, welches vieleAnregungen mit sich bringt und auch die Schat-tenseite dieser Unterrichtsform, nämlich den ho-hen Zeitaufwand der Vorbereitung thematisiert.

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Zur Stochastik ist der nächste Beitrag zu zäh-len, er handelt von „Brustkrebs, AIDS und BSE– Medizinische Tests im Unterricht“ und stammtvon Guido Pinkernell. Anhand von realen Befun-den, Zeitungsmeldungen etc. auf Arbeitsblätternwird mit Hilfe der Daten Prävalenz, Sensitivitätund Spezifität eines Tests und des Bayes’schenTheorems der positive predictive value (ppV) be-stimmt. Eine (leider nicht ganz richtige) systema-tische Untersuchung der gegenseitigen Abhängig-keiten der eben erwähnten Parameter auf den ppVmit Hilfe eines Tabellenkalkulationsprogrammsverschafft eine gewisse Übersicht. Es handelt sichsicherlich um ein wichtiges Thema, welches hier(einmal mehr) angesprochen wird. Die Arbeits-blätter werden in Gruppenarbeit behandelt, einGruppenpuzzle (siehe oben!) bringt Gemeinsam-keiten scheinbar verschiedener Themenstellungenans Licht.

Ein Beitrag zur Analysis schließt den Band ab:„Kumulation statt Flächeninhalt – Integralrech-nung mit Werkzeugen und in Gruppenarbeit“von Ursula Schmidt, der Titel verrät schon Eini-ges. Das Einstiegsbeispiel handelt von Zu- undAbflussraten bei einem Pumpspeicherkraftwerk,die Gesamtmenge des Wassers im Speicherbe-cken gilt es zu eruieren, was zunächst punktweisepassiert (Treppen- bzw. stückweise lineare Funk-tion), dann näherungsweise (Parabel, Annäherungdurch Trapeze), und schließlich mit Hilfe einerStammfunktion. In der Übungsphase wird anhandvon anderen Beispielen wie Schadstoffemissio-nen, Spirometer (Luftmenge in der Lunge), roteWelle (Verkehr) und Heißluftballon (gegeben istein Zeit-Geschwindigkeits-Graph) in Gruppenar-beit vertieft, die einzelnen Ergebnisse mit Pla-katen präsentiert (Museumsgang, die Methodedes Gruppenpuzzles liefert für jedes Plakat eine/nkompetente/n „Führer/in“). Der Einsatz von elek-tronischen Hilfsmitteln wie Tabellenkalkulations-programme oder CAS durchzieht den gesamtenBericht, über ihre Zuhilfenahme und die Art derHerangehensweise (z. B. welche Art der Näherungverwenden wir?) entscheiden die Schüler/innen inden Gruppen selbst. Insgesamt eine sehr überzeu-gende Abhandlung eines Aspekts der Differential-und Integralrechnung, nämlich die Interpretationdes Integrierens als Berechnung der Gesamtände-rung aus den Momentanänderungen, der in derSchulmathematik vielleicht im Allgemeinen zuwenig betont wird.

Hinweise auf die bisher erschienenen ISTRON-Bände (dort wird auch ein Band Null angeführt!)und die Adressen der Autor/innen stehen am En-de des in Rede stehenden Bandes.Insgesamt lässt sich feststellen, dass der Intentionder beiden Herausgeber, nämlich die im Unter-richt verwendete Methode nicht hinter der inhalt-lichen Beschreibung der jeweiligen anwendungs-orientierten Themen zurückstehen zu lassen, überweite Strecken in diesem Band vollauf Genüge ge-tan wird. Damit wird der Leser/die Leserin nochbestimmter eingeladen, doch die eine oder andereAnregung für den eigenen Unterricht aufzugrei-fen, und das war wohl der pragmatische Grundfür die Vorgabe der beiden Herausgeber.Die Ergebnisse aus den Gruppenarbeiten sind be-eindruckend, ebenso zeigt die inzwischen selbst-verständlich gewordene Verwendung neuer Medi-en im Mathematikunterricht – vielfach durch dieSchüler/innen in eigenständiger Wahl – die tief-greifenden Veränderungen, die mehr und mehrauch den „normalen“ Mathematikunterricht er-greifen. Bei Themen die die mannigfachen An-wendungen der Mathematik in den Mittelpunktrücken wird dies natürlich besonders deutlich.Bei der Lektüre ist dem Rezensenten wieder ein-mal aufgefallen, wie wenig die herkömmlichenPrüfungsmodalitäten (offenbar auch in Deutsch-land, Hinweise auf Klassenarbeiten belegen die-sen Eindruck) auf die modernen Themen und Me-thoden des Mathematikunterrichts zugeschnittensind. Hier muss besser früher als später eine ent-sprechende Reform erfolgen! Ansonsten ist dieGefahr groß, dass trotz (wie in diesem Band) do-kumentierter Beispiele von good practice die Ver-breitung innovativer Ansätze ins Stocken gerät.Die schillernde Palette der angesprochenen The-men in diesem Band demonstriert einmal mehr,wie reichhaltig der Mathematikunterricht werdenkann, wenn man Anwendungen mit berücksich-tigt. Themen dazu finden sich von der Primarstu-fe bis in die Sekundarstufe II in jeder gewünsch-ten Komplexität. Dem wird auch durch die Wahlgeeigneter Methoden Rechnung getragen, wie die-ser Band eben zeigt. Insofern passt er perfekt indie ISTRON-Reihe und ist ein Garant dafür, dassnoch viele Bände dieser Reihe folgen werden.

Gilbert Greefrath, Jürgen Maaß (Hrsg.) Istron. Ma-terialien für einen realitätsbezogenen Mathematikun-terricht, Bd. 11: Unterrichts- und Methodenkonzepte.Verlag Franzbecker, Hildesheim und Berlin 2007.ISBN 978-3-88120-451-4

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Regina Bruder, Timo Leuders und Andreas Büchter

Mathematikunterricht entwickelnRezensiert von Jürgen Maaß

Stoffdidaktik ist in der Mathematikdidaktik seiteinigen Jahrzehnten nicht mehr das zentrale The-ma. Und innerhalb der Stoffdidaktik war die Be-schäftigung mit Aufgaben vielleicht auch infol-ge der Berechtigung der Kritik Lennés (1969) ander Aufgabendidaktik wiederum ein Randthema,das hauptsächlich SchulbuchautorInnen interes-siert(e). „Lennés Kritik richtete sich zu Recht ge-gen das verbreitete „Päckchenrechnen“ und damitgegen eine einseitige Verwendung von Aufgabenzum meist sinnleeren Eintrainieren von mathe-matischen Verfahren.“ (S. 18). Deshalb mag es aufden ersten Blick überraschen, Aufgaben als Bau-steine für kompetenzorientiertes Unterrichten ineinem ganz neuen Buch zu finden. Ab dem zwei-ten Blick auf die heutige Situation wird die Über-raschung geringer: Mit den internationalen Ver-gleichstests (TIMSS, PISA,. . . ) und den nationa-len Standardtests werden Aufgaben ins Zentrumder Aufmerksamkeit gerückt. Gute Testaufgabenwerden gesucht, schlechte kritisiert und über dieAussagekraft und Interpretationsreichweite vonProzentanteilen gelöster Aufgaben wird gestritten.Dieses Buch ist jedoch kein Buch mit Trainings-aufgaben für den nächsten Vergleichstest, sonderneine breit angelegte Hilfe für alle LehrerInnen, dieaus den üblichen Aufgaben mehr machen wollenoder andere Aufgabentypen einsetzen möchten.Dahinter stecken auch Forschungsresultate der

Mathematikdidaktik: „Inzwischen wurde das Po-tential entdeckt, das in Aufgaben stecken kann,wenn man den Begriff der Aufgabe viel weiterfasst und auch versucht, Aufgaben zu „öffnen“.Aufgaben sind Aufforderungen zum Ausführen vonLernhandlungen“ (S. 18). In diesem Sinne wird imfolgenden über Typen von Aufgaben und Mög-lichkeiten nachgedacht, sie für das Initiieren vonLernprozessen auf vielfältige Weise zu nutzen. Di-daktischer Hintergrund und praktische Beispielewechseln dabei ab. Neben der Auseinandersetzungmit dem Begriff Kompetenz und den LehrzielenSelbstständigkeit und Kooperation im Mathema-tikunterricht fördern finden sich Kapitel zur viel-seitigen Arbeit mit Aufgaben, zu Hausaufgabenund zur Leistungsmessung. Als dies wird an Bei-spielaufgaben und Ideen für ihren Einsatz in derSchulpraxis diskutiert und demonstriert. Lehre-rInnen können und sollen diese „Bausteine“ gutfür ihren Unterricht nutzen. Mein einziger Kritik-punkt ist der Umfang: Das Buch sollte 500 statt200 Seiten haben oder zumindest bald einen Fol-geband.

Regina Bruder, Timo Leuders und Andreas Büch-ter: Mathematikunterricht entwickeln. Bausteine fürkompetenzorientiertes Unterrichten, Verlag Cornel-sen/Scriptor, Berlin 2008, ISBN 978-3-589-22569-9,192 S., Euro 17,95

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Gerd Hinrichs

Modellierung imMathematikunterricht

Rezensiert von Jürgen Maaß

Aus der Praxis für die Praxis ist im doppeltenSinn das Motto und das Ziel dieses – wie es inder Verlagsbeschreibung heißt – „ersten Lehrbu-ches“ zum Modellieren im Mathematikunterricht.Einerseits ist der Autor, Gerd Hinrichs, erfahrenerLehrer und Lehrerausbildner und schreibt deshalbsein Buch offenbar ganz bewusst so, dass ande-re LehrerInnen es gut nutzen können, die selbsteinen Schritt weg vom üblichen und oft geschol-tenen Routineunterricht zum Modellieren im Ma-thematikunterricht wagen wollen. Dazu gibt es imBuch sowohl motivierende Begründungen aus ver-schiedenen Quellen von fachdidaktischer Literatur(etwa Blum, Heymann oder Maaß) bis zu Zitatenaus offiziellen Texten der KMK zu Standards. Zwi-schenfazit: Modellieren ist nicht ein exotischesSteckenpferd oder etwas, was zusätzlich zum üb-lichen Stoff gemacht werden sollte, wenn Zeitdafür bleibt, sondern unerlässlich für den Mathe-matikunterricht. Solchermaßen motiviert erfahrendie lesenden LehrerInnen nun in vielen Beispielenaus allen Schulstufen, was sich alles modellie-ren lässt und wie es im Unterricht tatsächlich ge-macht werden kann (durch methodische Hinweiseund Beispiele). Über die von Hinrichs ausgeführ-ten Beispiele hinaus gibt es im Buch sogar nochein Fülle weiterer Themenvorschläge und kom-mentierter Literaturhinweise dazu (ISTRON, MU-ED, etc.). Damit eignet sich das Buch nicht nurzur individuellen Fortbildung von LehrerInnen,sondern auch als Lehrbuch zur Ausbildung.

Die andere und ebenso wichtige Seite des doppel-ten Praxisbezuges betrifft die SchülerInnen. Aufihre Fragen: „Warum soll ich das lernen?“ Und„Wozu brauche ich das einmal?“ (S. v im Vorwort)bietet realitätsbezogener Mathematikunterrichtmit Themen aus Beruf und Alltag, aus der aktu-ellen und künftigen Lebenswelt der SchülerInnenviele überzeugende Antworten. Schon eine kleineAuswahl der im Buch (auch aufgrund von vie-len Literaturquellen dazu) behandelten Themenverdeutlicht das: Einkaufen, Klassenfest vorberei-ten, Stau auf der Autobahn, Tennisturnier planen,Gangschaltung am Fahrrad, Kredite, Kabelrolle,Verpackungsoptimierung, Populationsdynamikund viele Fermi-Probleme. Selbstverständlichreicht es nicht, in der Schule solche Themen zuerwähnen oder über sie vorzutragen. Vom Zu-schauen lernen die Kinder nur wenig. Mit einerangemessenen Methodik bietet das Modellierensehr viele Möglichkeiten für entdeckendes Lernenund auch damit für nachhaltigen Lernerfolg.Ich wünsche mir, dass viele LehrerInnen das Buchnutzen, um in ihrem Unterricht tatsächlich mehrund besser zu modellieren – zum Wohle ihrerSchülerInnen und zu ihrem eigenen Vergnügen:Es macht Spaß, wenn man durch selbst erstelltemathematische Modelle die Welt besser versteht!

Gerd Hinrichs: Modellierung im Mathematikunter-richt, Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg2008, ISBN 1-978-3-8274-1938-5, 348 S., 22 EUR.

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Renate Tobies (Hg.)

Aller Männerkultur zum TrotzFrauen in Mathematik, Naturwissenschaften und Technik

Rezensiert von Jürgen Maaß

Genderfragen werden auch in der Ausbildung vonMathematiklehrerInnen immer wichtiger, sie er-obern Fixplätze in Studienplänen. Das vorliegendeBuch eröffnet gute Möglichkeiten, sich dem The-ma sachlich aus historisch – analytischer Sicht zunähern. Anhand von Biographien hervorragenderWissenschaftlerinnen wird gezeigt, wie schwersie es hatten, etwas als erste Frau eine Studien-berechtigung zu erhalten, einen Vortrag auf einerwissenschaftlichen Tagung zu halten (oder auchnur zu hören) und offizielle Qualifikationsarbeitenbis zur Habilitation verfassen zu dürfen. Massi-ve Hindernisse aus gesellschaftlichen Vorurteilenund Barrieren konnten nur aufgrund von großerindividueller Leistung und besonderer Förderungüberwunden werden. Erst wenn der Damm gebro-chen und eine generelle Zugangserlaubnis bzw. ei-ne allgemeine Studienmöglichkeit auch für Frau-en geschaffen war, konnten mehr Frauen den Wegzu Mathematik, Naturwissenschaften und Technikeinschlagen und erfolgreich beschreiten.Im Einzelnen beinhaltet das Buch folgende Beiträ-ge:

Vorwort 7Geleitwort: Das gelehrte Frauenzimmer 15Knut RadbruchEinführung: Einflussfaktoren auf die Karriere vonFrauen in Mathematik, Naturwissenschaften undTechnik 21Renate TobiesDie Quantifizierung der weiblichen Intelligenz 81Lorraine DastonMathematiker/innen und ihre Doktorväter 97Exkurs: Mathematikerinnen in der Luftfahrtfor-schung 115Renate TobiesDie Schwestern Johanna und Gertrud Wiegandtpromovieren in Mathematik: Einflußfaktoren aufihre Karriere 125Waltraud VossEmmy Noether – erste Forscherin mit wissen-schaftlicher Schule 149

Mechthild Koreuber und Renate TobiesRuth Moufang: Mathematikerin zwischen Univer-sität und Industrie 177Anhang: Dokumentation der Promotionsunterla-gen u. a. 194Irene Pieper-SeierVon Olmütz nach Pasadena: Die Zahlentheoretike-rin Olga Taussky-Todd 205Christa BinderDie Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft wagte es: Frauenals Abteilungsleiterinnen 225Annette VogtFrauen in der Genetik: Forschung und Karrierenbis 1950 245Ute DeichmannFrauen in der deutschen Chemieindustrie: vonden Anfängen bis 1945 283Jeffrey A. JohnsonTransdisziplinarität – Forscher/innenin der elektrotechnischen Industrie vor 1945 307Anhang: Kurzbiographien herausragender Indus-trieforscherinnen 323Renate TobiesPersonenregister 335Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen 359Verzeichnis der Autorinnen und Autoren 363

Im Vergleich zur ersten Auflage von 1997 wurdedas Buch sehr umfassend überarbeitet. Nicht nurdie Erweiterung im Titel (Technik) ist neu bzw.neu überarbeitet, sondern viele Beiträge, insbe-sondere von Binder, Koreuber/Tobies (über EmmyNoether) und Tobies (Transdisziplinarität – For-scherInnen in der elektrotechnischen Industrie).

Tobies, R. (Hg.): „Aller Männerkultur zum Trotz“.Frauen in Mathematik, Naturwissenschaften und Tech-nik. 2. (wesentlich erneuerte und erweiterte) Auf-lage, Campus Verlag: Frankfurt am Main/NewYork (April 2008), ISBN 9783593386140, 364 Sei-ten, Euro 32,90

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Thomas Jahnke und WolframMeyerhöfer (Hg.)

Pisa & Co. Kritik eines ProgrammsRezensiert von Jürgen Maaß

Über PISA und die Folgen wird innerhalb undaußerhalb der Mathematikdidaktik intensiv disku-tiert. Das von Jahnke und Meyerhöfer herausgege-bene Buch sammelt verschiedene Arten von Kri-tik an PISA & CO und wendet sich laut Vorwortan „LehrerInnen, SchülerInnen, Schuladminis-tration, BildungspolitikerInnen, die an PISA&Cobeteiligten und an die nicht beteiligten Wissen-schaftlerInnen“ (X, XI). Nicht alle Beiträge undsicher nicht alle Argumente in den verschiedenenBeiträgen sind für alle LeserInnen verständlichund fachlich bzw. sprachlich nachvollziehbar, aberes finden sich im Buch für alle angesprochenenZielgruppen lesenswerte Beiträge und Argumente.Der Hauptunterschied zur ersten Auflage ist derwesentlich erweiterte und deutlich überarbeiteteBeitrag von Wuttke, der damit auf Kritik an derin der ersten Auflage gedruckten Version seinerÜberlegungen reagiert hat.Die Beiträge sind in drei Kapiteln zusammenge-fasst:1. PISA & CO global (gesellschaftliche und bil-

dungspolitische Überlegungen)2. PISA & CO konkret (Kritik am Test, der Analy-

se der Ergebnisse und ihrer Interpretation)3. Wirkungen (auf Schule und Gesellschaft).

Im ersten Beitrag zum ersten Kapitel setzt Tho-mas Jahnke sich mit der Ideologie von PISA&Coauseinander. „Unter Ideologie will ich nicht mitMarx ein notwendig falsches Bewusstsein ver-stehen, aber auch nicht nur eine harmlose Ar-beitsphilosophie, sondern die gedanklichen undwissenschaftlichen Grundlagen des PISA – Un-ternehmens, also die geistigen Prämissen oderPfeiler empirischer Forschung, die ja eine eigeneCharakteristik hat und nicht selbstverständlich„die Realität“ vermisst.“ (S. 13) Nachdem er ver-schiedene Phänomene im Umfeld von PISA&Coideologiekritisch analysiert hat, kommt er zu demSchluss: „In der Hintergrundphilosophie von PISA(deutsch) paart sich angelsächsischer Testprag-matismus und testpsychologischer Rigorismusin verhängnisvoller Weise mit deutschen Ernst

und Tiefsinn, der die Welt ergründen will.“ (S. 17)Vielleicht agiert er selbst als Deutscher hier zutiefgründig? Es könnte durchaus sein, dass hin-ter dem Unternehmen PISA nur wie hinter vielenanderen Unternehmen eine schlichte, aber nichtharmlose Arbeitsphilosophie steht, die sich mitder Frage nach Wegen zur Maximierung des Un-ternehmensgewinns charakterisieren lässt. Dabeihaben natürlich wie in jedem Unternehmen kei-nesfalls alle Mitarbeitenden nur diese Motivationoder Philosophie.Christine Keitel untersucht in ihrem Beitrag überden „(un)heimlichen Einfluss der Testideologieauf Bildungskonzepte, Mathematikunterricht undmathematikdidaktische Forschung“ (S. 24 ff.) dieSituation ebenfalls mit deutscher Gründlichkeit,aber mehr mit einem historischen und inter-nationalen Hintergrund. Auch ihre Position istkritisch: „Die Geschichte des Testens vermitteltdie Erkenntnis, dass Testverfahren zwar kontinu-ierlich formale Verfeinerungen und enorme, jaüberwältigende technische Verbesserungen undVerfeinerungen – nicht zuletzt durch den Compu-tereinsatz – erhielten, dass aber die Grundannah-men des Testens keine substanzielle Entwicklungoder Veränderung erfahren haben; die implizitenVorannahmen und Vorurteile sind dieselben, diefehlenden theoretischen Begründungen und auf-fälligen Widersprüche sind nicht beseitigt, son-dern nur versteckter, die funktionalen Zwecke,denen es diente und immer noch dient, sind diegleichen.“ (S. 26)Wolfram Meyerhöfer sieht „PISA&Co als kulturin-dustrielle Phänomene“ (S. 59 ff.), weil nach seinerAnsicht diese Perspektive unser Verständnis dafürschärft, „warum dort kaum Erkenntnis produziertwird, warum Theorien lediglich als Feigenblattfür die Testerstellung gebraucht werden statt alsGrundlage für Testerstellung und –interpretationzu dienen. . . und warum die Studien wie Indus-trieprodukte vermarktet werden.“ (S. 59). Sein ex-pliziter Bezug auf Adorno erweitert den Horizontder Debatte um PISA weit über die Mathematik-didaktik hinaus, und seine Kritik gipfelt in dem

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Resumé, dass PISA nicht die selbst gesetzte Auf-gabe erfüllt, „den Regierungen der teilnehmendenLänder auf periodischer Grundlage Prozess- undErtragsindikatoren zur Verfügung zu stellen, diefür politisch – administrative Entscheidungenzur Verbesserung der nationalen Bildungssystemebrauchbar sind“ (wie das Deutsche PISA Konsor-tium 2001 schrieb), sondern allenfalls solche, diezur „Legitimierung von politisch – administrati-ven Entscheidungen, die aber mit dem Untersuch-ten nichts zu tun haben“ (S. 95) brauchbar sind.Am Beginn des zweiten Kapitels steht JoachimWuttkes neu bearbeiteter Beitrag über „die Insi-gnifikanz signifikanter Unterschiede: Der Genau-igkeitsanspruch von PISA ist illusorisch.“ (S. 100–246!) Auch wer die vielen Argumente zur Statistikund zu einzelnen Fragen an PISA nicht im De-tail überdenken möchte, sollte seine einleitendeÜbersicht auf Reaktionen zu seinem Beitrag in derersten Auflage lesen. Offenbar waren die PISA na-hen Kritiker an dem ersten Beitrag nicht zu einerwissenschaftlichen Auseinandersetzung über diegestellten Fragen bereit (S. 99, 100, 201 ff, insbe-sondere S. 221, 222).Eva Jablonka spürt der Verflüchtigung eines am-bitionierten Testkonstrukts namens „Mathemati-cal Literacy“ nach (S. 247 ff.), d.h. sie untersucht,„ob die in PISA – Punkten ausgedrückte Mathe-matikleistung als empirische Evidenz für das imTheorierahmen der Studie definierte Konstruktder Mathematical Literacy betrachtet werdenkann.“ (S. 249). Ihr Fazit: „Die Beschreibung desKonstrukts der Mathematical Literacy erscheintalso nur als rhetorische Einkleidung des Tests.“(S. 276).Peter Bender beantwortet für die LeserInnen seineFrage „Was sagt uns PISA&Co, wenn wir uns aufsie einlassen?“ (S. 281 ff.) Vieles von dem, was ausPISA herausgelesen wird, wäre sehr vergnüglich,wenn es nicht so ernst wäre oder von entschei-denden Stellen so ernst genommen würde. Seri-ös und wissenschaftlich begründet lässt sich ausPISA viel weniger herauslesen. „MathematischeKompetenz im Sinne von PISA“ ist ein “stark re-duzierter Begriff im Vergleich zu dem, was mansich als gewöhnliche Mathematikdidaktikerin oderals gewöhnlicher Mathematikdidaktiker“ (S. 332)darunter vorstellt. PISA – Aktivisten sollten nachBender auch und gerade in ihren öffentlichenStellungnahmen auf diese Einschränkung deut-lich hinweisen.In seinen „Kritischen Anmerkungen zum Um-gang mit den Ergebnissen von PISA“ (S. 340 ff.)untersucht Volker Hagemeister an einigen gängi-

gen Beispielen, wie PISA – Ergebnisse politischgedeutet bzw. in bildungspolitischen Streitfragenge- und mißbraucht werden: Klassenfrequenz, Bilddes Lehrers, Alter bei der Einschulung, Verkür-zung der Schulzeit, zentrale Prüfungen und Ver-gleichsarbeiten und Ganztagsbetreuung. Abschlie-ßend geht er der Frage nach, weshalb Deutsch-land einen so unbefriedigenden Listenplatz beimRanking erhalten hat (S. 365 ff.). Seine Antwort:Die Sprachprobleme von Migrantenkindern spie-len eine große Rolle. Hier sind – nicht nur wegenPISA – Maßnahmen zu setzen.In seinem Beitrag „Mathematik ,in der Welt’ undmathematische ,Grundbildung’ – Zur Konsistenzdes mathematikdidaktischen Rahmens von PI-SA“ (S. 375 ff.) konzentriert sich Uwe Gellert aufdie Frage, ob PISA sich zu recht auf Hans Freu-denthal stützt. Er kommt zu dem Schluss, dassdieser Rückbezug „weniger auf einer vertretbarenAuslegung von Freudenthals Schriften basiert alsauf einer oberflächlichen und womöglich geradedaher passend erscheinenden, wissenschaftlicheAutorität jedoch vorspielenden, Anbindung aneinen Mathematikdidaktiker, dessen Renommeeaußer Zweifel steht.“ (S. 389).„PISA und die Bildungsstandards“ sind das The-ma von Hans-Dieter Sill (S. 391 ff.). Aus seinerSicht sind die aktuellen Trends zur Messung desOutputs bzw. des erreichten Standards direkteFolge der PISA Ergebnisse. Er warnt allerdingsmit guten Gründen vor einem zu schnellen Wech-sel von Input – zur Outputsteuerung und emp-fiehlt Arbeiten zur „Qualifizierung der Bildungs-standards im Fach Mathematik,“ (S. 428) die die„nicht durch Bildungsforscher bzw. das IQB inAuswertung von Tests geleistet werden können.“Dazu bedarf es mathematikdidaktischer Expertiseund Erfahrung.In seinem zweiten Beitrag in diesem Buch „Tes-ten, Lernen und Gesellschaft: Zwischen Autono-mie und Heteronomie“ (S. 433 ff.) bezieht WolframMeyerhöfer den Trend zum Testen auf das Span-nungsfeld von Selbst- und Fremdbestimmung,das Schulrealität stark beeinflusst. Eine gesell-schaftliche Kontrolle, ein Test der Schule bzw.der SchülerInnen und damit indirekt auch derLehrerInnen ist offenbar ein Mittel, Autonomieeinzuschränken, nach Meyerhöfer eine „Autono-miebeschädigung“ (S. 451).

Thomas Jahnke und Wolfram Meyerhöfer (Hrsg.):Pisa & Co. Kritik eines Programms, 2. erweiterte Auf-lage, Verlag Franzbecker, Hildesheim, Berlin 2007.469 Seiten, ISBN 978-3-88120-464-4, 16,80 Euro.

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IstronKatja Maaß

Realitätsbezüge gehören in den Mathematikun-terricht, darüber besteht seit langem Konsens in-nerhalb der Mathematikdidaktik. Im Mathematik-unterricht setzt sich diese Idee jedoch nur lang-sam durch. Daher wurde 1991 die Istron-Gruppegegründet. Ihr primäres Ziel ist es, die Imple-mentierung von Realitätsbezügen und Modellie-ren im Mathematikunterricht voranzubringen.Die alljährliche Herbsttagung widmet sich dahereinerseits der Vorstellung und Diskussion aktu-eller Forschungsergebnisse und andererseits derDurchführung einer Lehrerfortbildung. Darüberhinaus sind bereits 12 Bände einer Schriftenrei-he für Lehrerinnen und Lehrer („Materialien füreinen realitätsbezogenen Mathematikunterricht“)erschienen.

Um mehr Lehrende anzusprechen und mehr Ver-breitung zu finden, gibt es eine neue Homepagevon Istron unter www.istron-gruppe.de. Dort fin-den sich weitere Informationen zu Istron und denalljährlichen Tagungen. Die Informationen sindauf Deutsch und auf Englisch verfügbar. Interes-senten sind herzlich zum Surfen eingeladen. Kon-struktives Feedback und Anregungen sind will-kommen.

Die nächste Istron-Tagung findet vom 7.–9. 11. 2008 in Darmstadt statt. Interessen-ten wenden sich bitte an Katja Maaß ([email protected]).

74 GDM-Mitteilungen 85 · 2008

Beiträge zumMathematikunterricht2008

Die Veröffentlichung der Tagungsbeiträge aus Bu-dapest 2008 wird wie in den letzten Jahren aufzwei Wegen erfolgen:Die CD wird allen Mitgliedern in einem Heft derMitteilungen zugesandt. Alle Tagungsteilnehmer,die kein Mitglied der GDM sind, erhalten auf demPostweg die CD.

Die Druckform und den Vertrieb der CD wird indiesem Jahr durch den WTM-Verlag erledigt.Die Verlagsadresse ist:

WTM-Verlag SteinFerdinand-Freiligrath-Straße 2648147 Münster

Email-Bestellungen sind auch möglich:[email protected]

Der Kaufpreis der gedruckten Fassung wird denBuchhandelspreis von 39,80 EUR betragen. Es be-steht ab sofort die Möglichkeit, durch eine Sub-skription den Preis spürbar zu senken, nämlichauf 29,80 EUR incl. Porto. Die Subskription endetsechs Wochen nach dem Erscheinen der CD. Siewerden rechtzeitig über das Ende der Frist infor-miert.

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Protokoll derMitgliederversammlung der GDMMontag 17. 3 .2008 in Budapest

Beginn: 17.10 UhrEnde: 18.45 UhrOrt: Eötvös Loránd Universität, Budapest

TOP 1: Bestätigung des Protokolls, Beschluss derTagesordnung

Der Versammlungsleiter verkündet, dass ord-nungsgemäß und fristgerecht eingeladen wurde.Das in den GDM-Mitteilungen Nr. 83 (Juli 2007)S. 77–80 veröffentlichte Protokoll vom 29. März2007 wird ohne Gegenrede per Akklamation ge-nehmigt.Die Tagesordnung wurde einstimmig angenom-men.

TOP 2: Bericht des Vorstands

Hans-Georg Weigand berichtet über die Aktivitä-ten des Vorstandes:� Jahr der Mathematik:

a. Die Aktivitäten zum Jahr der Mathema-tik werden auf der Internetseite www.jahr-der-mathematik.de aufgelistet.

b. Es wird ein eigenes Heft der GDM-Mittei-lungen zum Jahr der Mathematik heraus-kommen. Es wird dazu aufgerufen, Aktivitä-ten zu beschreiben.

c. „Fruchtbare Momente des Mathematikler-nens“ sollen im Buchprojekt „Mathemagi-sche Momente“ zusammengetragen werden.Es wird dazu aufgerufen, sich daran zu be-teiligen. (Die Frist ist bis 15. 4.), Verantwort-liche Gestalter sind Lisa Hefendehl-Hebeker,Timo Leuders und Hans-Georg Weigand. ImHerbst soll ein Buch herausgegeben werdenund eine Großveranstaltung für Lehrerin-nen stattfinden. Dieses Projekt wird von derTelekomstiftung finanziell unterstützt.

� Es gab eine Stellungnahme der GFD (Gesell-schaft für Fachdidaktik) zur Verschiebung derSemesterzeiten, an der sich auch die GDM be-teiligt hat Insbesondere wurde dort deutlichauf die Probleme mit den Praktika hingewie-sen. Das Papier ist auf der Homepage der GFDeinzusehen.

� Es wurde ein Arbeitskreis Lehrerbildung derGDM gemeinsam mit DMV und MNU ein-gerichtet. Beteiligte sind Hans-Dieter Rin-kens, Horst Hischer, Rainer Danckwerts, LisaHefendehl-Hebeker, Timo Leuders, Ina Kers-ten, Gabriele Kaiser, Jürg Kramer, Bernd Woll-ring, Michael Neubrand, Günther Törner, Hans-Jürgen Elschenbroich. Dieser Arbeitskreis solleine Empfehlung zur Lehrerbildung erarbeiten,die eine Stellungnahme zu den zu erwartendenKMK-Standards zur Lehrerbildung darstellenkann.

� Die GFD (Gesellschaft für Fachdidaktik) tagtnächstes Jahr in Kiel. Es ist der Wunsch derGFD, sich als Dachverband der Fachdidaktikenstärker zu etablieren. Daher ergeht die Bitte,dass sich verstärkt Mitglieder der GDM auf die-ser Tagung beteiligen. Insbesondere sind Nach-wuchswissenschaftler zur Teilnahme aufgeru-fen.

� Der MNU-Kongress 2009 wird in Regensburgstattfinden. Es ist der 100. Kongress. Die GDMist zu einer besonderen Präsentation auf demKongress eingeladen.

� Kommende Jahrestagungen der GDMa. Tagungsort 2009 ist Oldenburgb. Tagungsort 2010 ist München gemeinsam

mit der DMV (Überlegungen zur Tagungs-struktur laufen bereits).

c. Tagungsort 2011 ist die PH Freiburg. Falls imMärz 2011 bereits Vorlesungszeit sein sollte,wird die Tagung Ende Februar stattfinden.

� Kooperationen auf Europäischer Ebene: DieGDM strebt an, sich auch auf europäischer Ebe-

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ne stärker zu vernetzen. Dafür wurde vom Vor-sitzenden eine Initiative mitbegründet: Coope-ration between the Societies for MathematicsEducation in European Countries. Ziele sind:a. Intensivierung der Zusammenarbeit auch auf

organisatorischer Ebene.b. Koordination von Aktivitäten zur Lehrerbil-

dung, Praktika, . . .� Der Vorsitzende hat eine Aktion „Innovative

Schulen“ gestartet. Ziel ist es, Schulen mit in-novativen Projekten zur Mathematik vorzustel-len. Es hat bisher mehr als 30 Meldungen gege-ben, die auf der Homepage zusammengestelltwerden.

� DoktorandInnenkolloquium: Termin ist der 15.–18. 9. 2008 in Potsdam. Es wird hierzu noch eineeigene Ausschreibung geben.

� Nachwuchsförderung: Seitens der GDM soll inZukunft noch verstärkt eine Förderung des wis-senschaftlichen Nachwuchses stattfinden. Zumeinen können NachwuchswissenschaftlerInnenohne volle Stelle Mittel zur Tagungsförderungbeantragen. Zum anderen sollen Doktoranden-seminare mehrerer Universitäten bezuschusstwerden. Formlose Anträge sind an den Vorstandzu richten.

� Matheduc, Mathdi: Es ist geplant, zukünftigauch Buchrezensionen in die Datenbank zu stel-len. Das FIZ bittet um die Mitarbeit von Didak-tikerInnen. Eine Meldung für Rezensionen istim Netz möglich.

� Dank an Mitglieder für die Unterstützung desVorstandes:a. Dank an Susanne Prediger für die Online-

Stellung der Beiträge zum Mathematikun-terricht. Der Dank gilt insbesondere ihremMitarbeiter Michael Link.

b. Dank an Thomas Jahnke für die Neugestal-tung der Mitteilungen der GDM.

c. Dank an alle Mitglieder, die den Vorstandunterstützt haben.

TOP 3: DMV-Mitteilungen

Mit den GDM-Mitteilungen werden gegenwärtigauch die DMV-Mitteilungen verschickt. 2/3 der zu-sätzlichen Druckkosten für diese Mitteilungenund das erforderliche Porto zahlt die GDM (Dassind insgesamt ca. 5,50 EUR pro Mitglied und proJahr für 4 Hefte).Der Vorsitzende stellt den Antrag an die Mitglie-derversammlung, der zuvor vom Beirat der GDMeinstimmig unterstützt wurde, unter diesen Be-dingungen die DMV-Mitteilungen weiterhin allen

Mitgliedern zur Verfügung zu stellen.Der Vorschlag ist einstimmig angenommen.

TOP 4: Bericht des Kassenführers bzw. des Kassenprüfers

Karel Tschacher legt den Bericht über die Finan-zen der GDM vor. Der Bericht hängt dem Pro-tokoll an. Er berichtet über die Umstellung desKontos von der Postbank auf die RaiffeisenbankHeroldsberg.Es wurden in diesem Jahr auch Erlöse aus Wer-beeinnahmen bei den GDM-Mitteilungen und aufder Homepage erzielt.Das JMD ist nach wie vor der größte Posten beiden Ausgaben.Der Kassenführer schätzt die gegenwärtige Haus-haltslage der GDM als gut ein.

Bericht des Kassenprüfers

Fritz Haselbeck bestätigt, dass er im Januar 2008die Berichte des Kassenführers der GDM (KarelTschacher) für das Jahr 2007 geprüft hat. Sämtli-che Einnahmen und Ausgaben waren ordnungsge-mäß gebucht. Fritz Haselbeck beantragt die Ent-lastung des Kassenführers für das Jahr 2007. DerKassenführer wird einstimmig entlastet.Vielen Dank an Karel Tschacher für die gute Kas-senführung.

TOP 5: Entlastung des Vorstands

Für TOP 5 übernimmt Rainer Danckwerts denVorsitz. Er stellt den Antrag, den Vorstand zu ent-lasten. Dieser Antrag wird einstimmig – unterEnthaltung der betroffenen Vorstandsmitglieder –angenommen.

TOP 6: Wahlen

a. Zweite(r) Vorsitzende(r), Schriftführer(in), Kas-senprüfer(in)Rudolf vom Hofe wird zur Wahl für den 2. Vor-sitzenden vorgeschlagen. Weitere Kandidatenstehen nicht zur Wahl.Es wurden 110 Stimmen abgegeben. Davon Ja95, Nein 6, Enthaltungen 9. Rudolf vom Hofenimmt die Wahl an.Katja Lengnink wird für die Wahl zur Schrift-führerin vorgeschlagen, Thomas Jahnke soll dieMitteilungen weiterhin herausgeben.

GDM-Mitteilungen 85 · 2008 77

Es wurden 114 Stimmen abgeben. Davon Ja 110,Nein 3, Enthaltungen 1.Der Kassenprüfer Fritz Haselbeck wird einstim-mig und ohne Enthaltung wiedergewählt.

b. Wissenschaftlicher BeiratEs scheiden die folgenden Kandidaten aus: Ti-mo Leuders, Edith Schneider, Eva Vasarhelyiund, Roland Keller. Sie werden alle zur Wieder-wahl vorgeschlagen. Weitere Vorschläge werdennicht genannt.Bei einer ungültigen Stimme werden gewählt:Roland Keller (102 Stimmen), Timo Leuders(102 Stimmen), Edith Schneider (102 Stimmen)und Eva Vasarhelyi (105 Stimmen).Alle Kandidaten nehmen die Wahl an.

TOP 7: Journal für Mathematikdidaktik (JMD)

Den Bericht zur Situation des JMD übernimmtder Mitherausgeber Rolf Biehler, da der geschäfts-führende Herausgeber Werner Peschek krankheits-bedingt verhindert ist.� Er dankt zunächst dem aus dem Amt scheiden-

den Mitherausgeber Klaus Hasemann für seinelangjährige engagierte Mitarbeit am JMD.

� Der Vertrag mit dem Teubner-Verlag wurdezum Ende 2009 mit dem Ziel gekündigt, Ver-besserungen in den folgenden Bereichen auszu-handeln.– Die JMD-Hefte sollen auch online verfügbar

sein. Dabei sollen auch zurückliegende Heftedigitalisiert werden.

– Die technische Unterstützung der Autorensoll verbessert werden.

– Das JMD soll weiter internationalisiert wer-den.

– Der Preis und die Druckqualität sollen neuverhandelt werden.

� Die gegenwärtige Manuskriptlage ist nicht be-sonders gut:– 10 eingereichte Artikel,– 9 noch im Gutachterprozess,– 1 Prädikat Wiedereinreichung.Beim JMD besteht Offenheit für jedes gute Ma-nuskript. Auch Artikel über Dissertationen sinderwünscht. Themenhefte sind vereinzelt mög-lich.

Herzlichen Dank an die Herausgeber des JMD,Werner Peschek, Rolf Biehler und Andrea Peter-Koop.

TOP 8: ZDM, MATHEDUC, Mathematica Didactica

ZDMGabriele Kaiser berichtet über die Situation desZDM. Die Manuskriptlage ist sehr gut, die Heftesind bis 2009 bereits gefüllt. Einzelbeiträge sindin Absprache mit den Heftherausgebern nochmöglich. Demnächst werden die Hefttitel auchauf der Seite des ZDM vorangekündigt. Dann kön-nen dazu auch Beiträge eingereicht werden. Ga-briele Kaiser lädt die GDM-Mitglieder ein, sichaktiv an der Gestaltung von Heften zu beteiligen.Zudem ist das ZDM offen für Bookreviews vonenglischsprachigen Büchern. Wer so etwas verfas-sen möchte, wende sich bitte an Gabriele Kaiser.Das ZDM wird eine Monographiereihe heraus-geben, in der Einzelartikel aus besonders gutenHeften zusammengestellt werden.Frau Kaiser ruft auf, die Bibliotheken um eine Be-stellung des ZDM zu bitten. Auch Privatpersonenkönnen das ZDM günstig abbonieren, für GDM-Mitglieder 40 EUR im Jahr.Herzlichen Dank an Herausgeberin und EditorialBoard dieser Zeitung, insbesondere an GabrieleKaiser.

Mathematica DidacticaDie derzeitige Schriftleitung liegt bei Gerald Witt-mann, Mitherausgeber sind Andreas Eichler, Wil-fried Herget und Anselm Lambert. Gerald Witt-mann berichtet über den derzeitigen Stand derZeitschrift. In einem Review-Prozess für einge-reichte Artikel wird auch ein externer Gutachtereinbezogen.Manuskriptlage: 2 angenommen, 2 in Begutach-tung.Erscheinungsweise: online unter http://www.mathematica-didactica.de oder http://www.mathdid.deAlle Artikel werden in einem Jahresband erschei-nen (Franzbecker).Gerald Wittmann dankt Manfred Klika für diejahrelange Arbeit, die er in der Herausgabe vonMathematica Didactica geleistet hat.Der Dank der GDM geht an die Herausgeber derZeitschrift für die engagierte Arbeit.

TOP 9: Verschiedenes

Der Vorstand der GDM dankt allen Mitglieder fürdie aktive Mitarbeit und das Vertrauen.

Katja Lengnink(Schriftführerin)

Hans-Georg Weigand(1. Vorsitzender)

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Zur Erklärung der Datenbank unterhttp://www.gdm.uni-erlangen.de

Karel Tschacher

Die Datenbank erlaubt es jedem mit dem Gast-zugang, unsere Daten zu lesen. Damit werdennormalerweise die dienstlichen Daten sichtbar ge-macht. In der Liste der Eintragungen Ihrer Datensteht in der letzten Zeile die Rubrik, Daten schüt-zen/freigeben. Dann werden auf Ihren Wunsch hinIhre privaten Daten nicht angezeigt, anderenfallsschon.Der Zugang für die Aktualisierung verläuft inzwei Durchgängen und damit mit zwei Zugangs-fenstern und damit mit zwei Kennwörtern undzwei Passwörtern.Wenn Sie als Mitglied die Datei nutzen möchten,dann wählen Sie den Zugang Mitgliederbereich.Das ist dann die erste Hürde: Dazu sind dann einPasswort und eine Kennung nötig. Das ist nichtIhr persönliches Passwort, sondern ein allgemei-nes für alle Mitglieder:

Tragen Sie in die erste Zeile: DidaktikUnd in die zweite Zeile: 11235813Die ersten Werte der Fibonccizahlen.

Dann kommen Sie in den Mitgliederbereich, derIhnen alle bekannten Daten der Mitglieder zeigt.Und hier findet man auch den Bereich Eigene Da-ten aktualisieren. Das ist dann die zweite Hürde:

Dann geben Sie Ihren Familiennamen ein unddrücken Abfragen.Sie klicken auf den unterstrichenen Nachnamenund werden aufgefordert, Ihr persönliches Pass-wort einzugeben, so wie es im letzten Jahr ver-sandt wurde. Es sind immer sechs Buchstaben,wobei Groß- und Kleinschreibung wichtig ist.Dann kommen Sie auf die Seite mit Ihren persön-lichen Daten, die Sie ändern können.

Schließen Sie die Änderungen mit Aktualisierenund bestätigen Sie die Sicherheitsabfrage.Die dynamische Datenbank ist damit aktuell. Aberdie Ansicht ändert sich erst, wenn Sie entwederF5 (Cache löschen) drücken oder die die Daten-bank neu aufrufen. Der Internetbrowser zeigtnämlich normalerweise die gespeicherte Seite undnicht den aktualisierten Datensatz.

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Tragen Sie bitte selbst dazu bei, dass die Datenimmer möglichst neu sind. Damit sind Sie fürandere erreichbar und Sie können gut mit Kolle-ginnen und Kollegen in Kontakt treten.Wer sein persönliches Passwort nicht zur Handhat oder es verlegt hat, erhält nach einer kurzen

Anfrage bei Frau Lengnink oder bei mir die not-wendigen Daten.Für Fragen und Anregungen stehe ich gern zurVerfügung:[email protected]

Ein offenes Wort vom SchatzmeisterKarel Tschacher

Ein Verein muss finanziert werden, dazu habenwir die Mitgliedsbeiträge. Sie sind einmal jährlichzu zahlen. Einer alten Tradition folgend werdendie Beiträge Anfang Juli eingezogen. Aber nebendem Bankeinzug, an dem inzwischen etwa 600der 1000 Mitglieder teilnehmen, gibt es viele Mit-glieder, die selbst überweisen. Verwenden Sie nurdas unten angegebene Konto, Mitglieder aus demEURO-Ausland können mit IBAN und BIC gebüh-rengünstig überweisen.

Konto der GDMIBAN: DE05 7706 9461 0003 0587 00BIC: GENODEF1GBFVereinigte Raiffeisenbanken HeroldsbergKontonummer 3058700BLZ 770 694 61

Beitragssätze jährlichVollmitgliedschaft 60,00 EURErmäßigt (Studierende undReferendare/-innen)

30,00 EUR

Mit MNU 57,44 EURMit DMV 53,86 EUR

Es gilt bei mehreren Mitgliedschaften der güns-tigste Beitrag auf Antrag. Für die Schweiz geltendurch eine interne Abmachung leicht abweichen-de Gebühren.Ich würde mich aber sehr freuen, wenn die vielenSelbsteinzahler zum Einzug übergehen würden.Es erleichtert die Buchhaltung erheblich. Und einBankkunde kann jeden Einzug sechs Wochen stor-nieren lassen, ohne eigene Gebühren dafür zu tra-gen. Sie finden die Vortrucke auf der Homepageder GDM unter GDM:intern und dann Konten undBeitrag.Insgesamt ist die Zahlungsmoral gut. Viele erwar-ten, dass Sie eine schriftliche Aufforderung zurZahlung erhalten. Das mache ich nicht, weil dasPorto für 1000 Briefe zu viel kostet. Auch erwar-ten viele Mitglieder eine Quittung für das Finanz-amt. Auch hier gilt die Regelung der Finanzdi-rektionen, dass die Kontoauszüge für Spenden bis200 Euro anerkannt werden. Also suchen Sie bitteden entsprechenden Kontoauszug heraus und le-gen Sie ihn bei der Einkommenssteuererklärungvor.

80 GDM-Mitteilungen 85 · 2008