der moderne mensch und die voraussetzungen ......eines verbo1'genen komplexes. auch dieses benehmen...

12
DER MODERNE MENSCH UND DIE VORAUSSETZUNGEN SElNER PASTORALEN DIAKONIE ELIAS VOULGARAKIS Hatte die See1sorge der Vergangenheit Prob1eme, ist heute se1bst zum Prob1em geworden. Um diese mehr oder weniger absicht1ich Formulierung untermauern, gentigt 1eicht, auf die heutigen Bemtihungen um eine Neuorientierung des der See1sorge hinzuweisen und vor allem auf die stark abweichende Differenzierung der Vorsch1age, die zur Definition ihres neuen gemacht werden. Wenn den Gesprachen tiber das Thema die fo1genden Gedan- ken k1einen Beitrag 1eisten ware dies mich sehr be- friedigend. Der moderne ensch Bezieht sich die Lehre der Kirche a1s Dogma alIgemein auf die Menschen aller Epochen, richtet sich ihre see1sorger1iche Diakonie auf den konkreten Menschen. Dies hat Grund darin, dass die Lehre der Kirche a1s gottJiche Weisheit unverruckbar und unversetz- bar, der Mensch aber a1s Person sowoh1 Hinb1ick auf sich se1bst a1s auch lm Hinb1ick auf Umgebung verander1ich ist. Dadurch wird die Kirche heute verpflichtet, deutliche Meinung den Menschen unserer Epoche bilden, wie er sich im Zusammenhang mit seiner Umwe1t herausgebildet hat. Mit den fo1genden Zei1en soll aller eine person1iche Annaherung an das Thema versucht werden. Grund1egender Faktor ftir die Formung des Menschen unserer Epoche ist die Entdeckung seiner Macht. Dies ist der wissenschaft1i- chen Entwick1ung und konkreter ihren vielfa1tigen Errungenschaften

Upload: others

Post on 04-Feb-2021

0 views

Category:

Documents


0 download

TRANSCRIPT

  • DER MODERNE MENSCH

    UND DIE VORAUSSETZUNGEN

    SElNER PASTORALEN DIAKONIE

    ELIAS VOULGARAKIS

    Hatte die See1sorge der Vergangenheit Prob1eme, ist heute se1bst zum Prob1em geworden. Um diese mehr oder weniger absicht1ich Formulierung untermauern, gentigt 1eicht, auf die heutigen Bemtihungen um eine Neuorientierung des der See1sorge hinzuweisen und vor allem auf die stark abweichende Differenzierung der Vorsch1age, die zur Definition ihres neuen gemacht werden.

    Wenn den Gesprachen tiber das Thema die fo1genden Gedan-ken k1einen Beitrag 1eisten ware dies mich sehr be-friedigend.

    Der moderne ensch

    Bezieht sich die Lehre der Kirche a1s Dogma alIgemein auf die Menschen aller Epochen, richtet sich ihre see1sorger1iche Diakonie auf den konkreten Menschen. Dies hat Grund darin, dass die Lehre der Kirche a1s gottJiche Weisheit unverruckbar und unversetz-bar, der Mensch aber a1s Person sowoh1 Hinb1ick auf sich se1bst a1s auch lm Hinb1ick auf Umgebung verander1ich ist.

    Dadurch wird die Kirche heute verpflichtet, deutliche Meinung den Menschen unserer Epoche bilden, wie er sich im Zusammenhang mit seiner Umwe1t herausgebildet hat. Mit den fo1genden Zei1en soll aller eine person1iche Annaherung an das Thema versucht werden.

    Grund1egender Faktor ftir die Formung des Menschen unserer Epoche ist die Entdeckung seiner Macht. Dies ist der wissenschaft1i-chen Entwick1ung und konkreter ihren vielfa1tigen Errungenschaften

  • 761 Der moderne Mensch-pastorale Diakonie

    verdanken. Diese Errungenschaften geben ihm das Privileg, eine unvorhergesehene und die Vergangenheit unvorstellbare Herrschaft

    die Natur woraus eine wesentliche Verbesserung der Lebensumstande resultiert.

    Dieses Faktum machte einen tiefen Einschnitt in seinen geistigen Raum. Die unmittelbaren die ihn in der Vergangenheit veran-lassten, beim Gottlichen Zuflucht um materiellen Schutz suchen, wurden enorm eingeschrankt. Damit ist auch das Gottliche aus seinem Bewusstseinsfeld verdrangt worden. Diese hat einen neuen «Atheismus» geschaffen, einen Atheismus, der nicht ei-gentlich gegen Gott gerichtet ist, der keine Hybris darstellt und keine

    hervorruft. Es ist ein friedlicher Atheismus, der unter dem gleichen psychologischen Klima ablauft, der eine physiologische ErbfoIge kennzeichnet. Eine Folge davon ist die Auflosung des metaphy-sischen Zentrums des Alls und eine Wendung zum Irdischen. Zentrum der Welt wird nunmehr der Mensch, aber nicht im Sinne der alten so-phistischen Dialektik, sondern im ontologischen Sinn.

    Ergebnis dieses geistigen Verfahrens ist der Polyzentrismus, d.h. das Versetzen des Zentrums vom Menschen aIs Begriff zum einzelnen Menschen, zum Menschen aIs Wirklichkeit. Er wird dadurch vom fl'eien zum autonomen Menschen. 1m Weiteren greift der Polyzentrismus aIs Autonomie auch auf die Werke des Menschen Sie beziehen sich nicht mehr auf allgemeine Regeln und versuchen, sich selbst bestim-men und Ieiten (die Kunst die Kunst).

    Ein weiterer Schritt ist die Relativitat. Werte, allgemein nicht aIs Begriffe sondern aIs Lebensweise anerkannt, verlieren ihre Allge-

    Diese neue Entwicklung nicht die Religion und die Ethik, sondern auch andere in der Verganhenkeit anerkannte Grossen wie die Tradition, die Vaterlandliebe, die Sitten und Gebrauche bis hin zur Weisheit. AIs FoIge dieses Verfahrens wird dann jede Form

    Autoritat wie die des Vaters, des Lehrers, des Philosophen, des Dichters, des usw. in ZweifeI gesteIIt. Alle philosophi-schen Systeme vom Rationalismus bis zum Existentialismus sind nicht unabhangig dieser Entwicklung.

    Die des Menschen auf das Irdische bewegte sich in drei Richtungen. Die erste hatte die Unterwerfung der Natur zum ZieI. Das alte des Menschen um die Zahmung der Naturele-mente durch Religion und Magie wurde durch die Wissenschaft ersetzt. Auf diesem Gebiet unternahm der Mensch den grossten Kreuzzug der Geschichte, der ihm reiche Beute einbrachte. Die grossen Erfolge, die

  • 762 Voulgarakis

    er auf wissenschaftlichem Gebiet erzielte, ergaben zumindest scheinbar eine zusatzliche Bestatigung die Richtigkeit seiner Wendung zur Erde.

    Die grosse Masse versteht aber unter Wissenschaft und der grossen geistigen Anstrengung, die begleitet, die Technik. So wird der Geist verkannt und nur das Ergebnis gewertet. Der Knopf oder der Besen des goethischen Zauberlehrlings wurde zur neuen Voksphilosophie. Wert ist demach, was sofort Nutzen umgesetzt werden kann. Der Ausweg den Eudamonismus, die Verbrauchergesellschaft, die Einschatzung der Werte Menschenwurde und Menschenwerkes durch rein materielle Kriterien ergab sich als unmittelbare Folge daraus. Anderseits wurde alles, was langwierige Bemuhungen und Investition uneigennutziger Muhe kostete wie Religion, wahrhafte Philosophie, Erziehung und se]bst die Wissenschaft entwertet.

    Fur die gebildeteren Schichten hat der Erfo]g der Wissenschaft den Wert ihres hauptsachlichen Grundorgans, des Beweises, verallge-meinert, verbunden mit dem Aspruch, er habe auch auf Gebieten des menschlichen Lebens zu gelten, die nur unter ganz anderen geistigen Voraussetzungen bestehen kQnnen. Opfer dieser Verallgemeinerung ist die Gefuhlswelt des Menschen geworden Glauben und Liebe bis zu Eros und Literatur.

    Die zweite Richtung der Wendung das Menschen zum Irdischen hin betrifft die Regelung seiner Lebensweise. Die Gesellschaftswissen-schaften traten Erscheinung. Zwei Hauptbemuhungen dieser neuen Orientierung konzentrierten sich auf die Gleichheit-Demoktatie sowie die Bildung neuer Gesellscllaftssysteme. Diese neuen Bemuhungen des Menschen wurden jedoch ebenfalls der Herrschaft der Technik und des Wohlstands uber Verstand gepragt. So wurde die Gleich-heit und Demokratie ausserlich-morphologisch gesehen und -mehr als Anrecht als als Verpflichtung betrachtet. Dies fuhrte zur lung der Gleichheit und zu demokratischem Sektierertum. Es genugt, hier auf die bekannte Phrase «einige sind gleicher als die Gleichen» hin-zu\veisen, auf die Kastisierung Klassenrechten und auf das dauernd angefuhrte Gefalle zwischen Norden und Suden. Von diesem Punkt bis zu den politischen oder okonomischen Diktaturen verschiedener Ge-stalt, den neuen Bemuhungen um HyperzentraJisierung der Informa-tionen oder biologischen Eingriffen und zur Kriegsrustung ist kein grosser Schritt.

    Auf der gleichen Kreisbahn bewegen sich auch die Anstrengungen um die Bildung neuer Gesellschaftssysteme und die Annahme neuer

  • 763 Der moderne Mensch-pastorale Diakonie

    Strukturanderungen. Auch hier herrscht derselbe Geist, den wir den vorhergehenden Punkt angefjihrt haben. Hauptgrund ist das Ungleich-gewicht, welches sich zwischen der Person und der Gesamtheit be-merkbar macht, wo das eine immer zu Ungunsten des anderen betont wird. Besonders tragisch ist dabei, dass beiden Punkten der Mensch

    einem solchen Mass entperson1icht wird, dass heute der Mensch den Menschen im hOchsten Grade kleines, aber bezeichnendes Beispiel diesen Fall ist das System der Sozialversicherungen, wo die Sorge des Menschen den Menschen den Eingriff des unper-sonlichen Staates verlauft. So lebt der Mensch, dessen Art die Erde beherrscht, endlich Einsamkeit und Langeweile mit allen unangeneh-men Folgen daraus, der Herabsetzung der Lebensqualitat an bis hin zu Kriminalitat und zum SeJbstmord.

    Die dritte Wendung zum Irdischen hin betrifft die Beherrschung der Zeit. Dies wird mit den zur Lebensverlangerung und Ausdehnung der Gegenwart versucht. Die Lebensverlangerung blieb allerdings eine rein bioJogische, wahrend die Gegenwartsverlangerung mit der Intensivierung der Zeitmomente entweder durch Arbeit oder Genuss erreicht wurde. Dabei wurde das seelische Gleichgewicht des Menschen geopfert und der Verlust der Zeit einen Umgang mit sich selbst Kauf genommen.

    Dieser Standpunkt hat einen neuen Zeiteinschnitt hervorgerufen. Auf der einen Seite ergab sich eine Entwertung der Vergangenheit. Was aus der Vergangenheit kommt, wird beargwohnt und heftiger Kritik unterworfen. Erfahrung, Weisheit, Lebensregeln, Religion usw. sicll ein Verfahren heftiger Anzweif1ung gefallen lassen. der anderen Seite erfahrt die Zukunft eine Subventionierung messianischen Zu-schnitts. Dorthin wird die Hoffnung auf die Verbesserung des menschli-chen Lebens und die Erringung des den Menschen verlegt, ein das nie kommen wird, sofern es sich auf morphologische Gliederungen und Wohlstandserrungenschaften und nicht auf die Innenwelt des Menschen.

    Der moderne Mensch und Christentum

    Dem oben beschriebenen Menschen unserer Zeit steht das Christentum und zwar ein Christentum, nicht \vie es wirklich ist, sondern wie es der moderne Mensch nach den geistigen Verfahren sieht, denen es den letzten Jahrhunderten unterworfen war. So erscheint das Christentum als historische Gesta1tung der Vergangenheit, fern und unbedeutend das heutige Leben. Gleichzeitig tragt die christli-

  • 764 EIias Voulgarakis

    che Eschatologie auffallend mythisches Kleid und wi1'd, weil als Wah1'heit gep1'edigt, nicht einmal unte1' deJ: Gestalt de1' Utopie angenom-men. Seine Gegenwa1't e1'scheint als Fo1'm sta1'k st1'uktu1'alistisch, schwe1' und unbiegsam, als Leh1'e mythologisch, dogmatisch, konse1'vativ und mit einem a1'ge1'lichen Ansp1'uch auf Einmaligkeit und endlich als Ehtik unzeitgemass, un1'ealistisch, meh1' ode1' wenige1' inhuman, vielleicht 8chadenf1'oh und gleichzeitig fo1'malistisch, ju1'idisch und obkjektiv de1' allgemeine Ve1'kennung de1' Pe1'son.

    Zusammenfassend und nach eine1' Losung suchend, konnte man das Phanomen de1' Unve1'einbarkeit de1' Sprache zwischen Ch1'isten-tum und mode1'nem Menschen suchen.

    Besonde1's inte1'essant diesem Fall ist, dass den sogenann-ten «modernen auch de1' Ch1'ist nicht ausgeschlossen ist, denn auch er hat die gleiche geistigen P1'ozesse du1'chlaufen, dass die T1'enn-linie zwischen «mode1'nem Menschefij) und Christen nur seh1' schwe1' gezogen werden kann. Diese Tatsache zum sogenannten Phano-men de1' «Unglaubigkeit de1' Glaubigen», namlich Glaubensleben seitens de1' frommen Ch1'isten, wo de1' Ch1'ist de1' Un-durchlassigkeit (Abschottung) zwischen Logik und Dogma und Ethik, Kirche und Welt usw. lebt. E1'gebnis dieses Ungleichgewichts ist die Tatsache, dass de1' Christ nicht nur seinen Glauben lebt, sonde1'n dass auch seine Beziehung zu1' Welt nicht ganzheitlich ist. Eine1'seits bewunde1't und beneidet e1' sie, ande1'e1'seits hasst und chtet er die Welt. Entsp1'echend ve1'lauft auch ein Dialog mit ihm. Ent-wede1' verba1'1'ikadiert e1' sich hinte1' eine1' negie1'enden Isolation ode1' e1' wi1'd aggressiv, e1' ergibt sich einer weltfreundlichen Bewegung, bei de1' Welt und Weltlichkeit ve1'wechselt, um die Zustimmung der Welt e1'langen und dies alles in dem i1'1'egeleiieten damit dem Ch1'i-stentum Dienst e1'weisen. Dies alles ist deutliche1' Ausd1'uck eines verbo1'genen Komplexes. Auch dieses Benehmen des Ch1'isten, das ebenfalls auf die Verwir1'ung der Spl'ache zwischen Chl'istentum und mode1'nem Menschen ist, eines mode1'nen Menschen, den del' Ch1'ist selbst meh1' ode1' wenige1' in sich t1'agt, wi1'kt negativ, anstatt das Ch1'istentum einzut1'eten.

    Auf G1'und des oben Gesagten bestatigt der zeitgenossische Mensch seine negative Einstellung dem Christentum aus den Tat-sachen he1'aus. Bald nimmt e1' eine gleichgtiltige Haltung bald polemische, oft im Unte1'bewusstsein dem Verlangen nach Ab1'ea-gie1'en eines verbo1'genen seine1' negativen Haltung wegen get1'ieben.

  • 765 Der moderne Mensch-pastorale Diakonle

    Interessant dabei ist, dass die gegen das Christentum gerichtete Polemik oft berechtigt ist. Der Fehler liegt darin, dass das Ziel gewohn-lich nicht das Christentum, sondern dessen missverstandene Gestalt ist. Tragisch in diesem Fall ist dass die christliche «Apologetik», an-statt dieser Polemik zuzustimmen und ihr erklaren, dass sie offene

    einrennt, versucht, sie widerlegen oder, weil sie sich organisch ausserstande sieht, sie beantworten, eben weil sie mehr oder weniger mit ihr ihre Zuflucht Argumenten nimmt, die weder Freund noch Feind konnen.

    Dieses Verhalten stellt ein weiteres Beispiel die Verwirrung dar, die es das Christentum seitens seiner Vertreter gibt.

    Um diese Ansicht zu erhellen, seien hier einige typische Seiten die Verkennung oder Verwirrung weltlicher und christlicher Sicht

    des christlichen Standpunktes Die charakteristischen Seiten konzentrieren sich auf die hauptsachliche Verkennung des Christentums, die in der Ansicht besteht, das Christentum habe vorwiegend soziale Aufgaben. Hierbei wird ausser acht gelassen, dass die chritliche Gemein-schaft als Reich Gottes eine eschatologische Wirklichkeit ist, mit ande-ren Worten eine Utopie im hauptsachlich etymologischen Sinn des Wortes. Diese utopische christliche Gemeinschaft ist aber realistischer als manche verschiedener Gesellschaftssysteme, die propagagieren und glauben, dass das «Reich Gottes» in der bestehenden Weltform errichtet werden konne.

    Zum Kreis dieser Kategorie Missverstandnissen und Ver-wirrungen gehoren: 1. Die Ansicht, dass Strukturanderungen die Gesell-schaft qualitativ verandern konnen, dass der bisherige positive Bei-trag des Christentums ersetzt werden wird. 2. Der Anspruch, dass das Christentum der Begegnung materieller Not den Vorrang zu geben habe, anstatt sich um das geistliche Wohl der Menschheit zu und zwar um seine Rettung der 3. Der Anspruch, der an die Kirche gerichtet wird, sie habe sich dynamisch an der Losung weltli-cher Gegebenheiten beteiligen und solle eine wenn auch gerechte,

    doch weltliche Ordnung und Forderung bestimmter Gruppen Menschen einstehen. 4. Das Bild der Kirche als weltliche Macht usw.

    die gleiche Richtung, aber in das Gebiet des mensclichen Ver-haltens gehOren die Missverstandnisse, die sich auf die Gleichsetzung

    1. christlicher und sozialer Ethik, 2. des guten Menschen und des frommen Christen. 3. der guten und schlechten Werke mit der entspre-chenden materiellen Belohnung oder Strafe, 4. Tat und Absicht

  • ?66 :mlias Voulgarakis

    oder anders 5. Anpassung oder Nichtanpassung an die Kirchenvorschriften durch Heilsleben oder beziehen.

    die gleiche Richtung aber in das Gebiet der Begriffe die Missverstandnisse, die aus der Wiedergabe gleichartiger Begriffs-inhalte zwischen Welt und Christentum bei den Worten Freiheit, Frie-den, Gleichheit, gemeinsamer Besitz usw. entstehen. Schlussfolgerungen:

    Sind die hier getroffenen Festellungen die Gestaltung des modernen Menschen - des Glaubigen wie des Unglaubigen - richtig, und ist auch die Art richtig, in der die Begegnung mit den «unglaubigen»

    Seiten der Kirche beschrieben wurde, ist das Problem des modern-nen Mensche in erster Linie ein geistiges, unabhangig jeweden materiellen Konsequenzen.

    Die irche fiir den heutigen enschen

    dem Verlauf der verschiedenen Verfahren, die zur Formung des modernen Menschen und auch den glaubigen Christen we-sentlich beeinflussten, ist auch die in ihrer menschlichen Dimen-sion nicht ausgeschlossen geblieben, Das Schicksal der Kirche teilte auch ihr pastoraler Dienst. Will heute die Seelsorge also ihre wirkliches Ziel wiederfinden, sie wahrscheinlich eine Neuaufstellung vornehmen.

    Diese Neuaufstellung sollte meiner Meinung nach auf drei grossen Gebieten stattfinden: bei den Zielen der Pastorale, bei ihren Absichten und in ihrer Methodik.

    a) 1) b e r r f u g d e r i e 1e Allgemein gesprochen kann man die Meinung vertreten dass in

    der Vergangenheit der Pastoraldienst eine vordringliche Aufgabe in der Linderung der materiellen Note des Menschen gesehen hat. Heute hat zumindest der westliche Mensch, abgesehen Bereich der Krankheit, kaum einen derartigen Beistand. Auf dem Gebiet geistlichen Beistandes jedoch wird der Bedarf standig grosser. Diese Entwicklung stellt die Seelsorge eine neue Pflichtenwah1, die ihrem Wesen nach auch theologisch fundierter ist. Hier ist ein Hinweis auf J ohannes Chry-sostom08 berechtigt: «Jetzt leben sowohl wir als auch die Armen in gersnot. Den Armen fehlt das notige Brot, wahrend uns das gottliche Erbarmen fehlt. Es gibt nichts Notigeres als diese Speise» (Migne PG 60,195 Die neue Wahl, die die Seelsorge treffen soll, gibt ihrem Werk

  • Der moderne Mensch-pastora1e Diakonie

    also nicht nur die rechte Hierarchie ihrer Ziele, sondern auch jene Ka-tholizitat, die aus dem Wesen der Kirche selbst strOmt.

    Will man doch speziell die materielle Diakonie sprechen, muss bemerkt werden, dass das oben Gesagte sie nicht ausschliesst.

    Zusatzliche Griinde sind auf der einen Seite die Tatsache, dass die Lin-derung der ot gleichzeitig die verstandlichste Sprache eine spa-tere Offnung des Menschen die Glaubensbotschaft ist. Andererseits sind die Werke der Liebe eine wichtige den christlichen Geist die Christen. Sie wenden zugleich die Gefahr einer Ideologi-sierung des Glaubens als vollig fremd mit seinem wahrhaften lnhalt ab.

    Gleichzeitig mit dieser Art Seelsorge, die einzelne Personen be-treut, besteht auch die Makropastorale, die sich mit Menschenmassen befasst, gleichgti1tig, ob es sich 11m Gruppierungen oder Klassen oder sogar Lander und ganze handelt. Heute hat die Kirche, die ihres Charakters und ihrer Tradition nach der Welt als eine internationale Organisation betrachtet wird - die erste der Geschichte und auch heute noch a1s solche angesehen - die Verpf1ichtung, «der Nach-ste des Menschen auf der Erde ihres Herren)) werden. 1m Rahmen dieses Textes kann keine Annaherung an das Thema dieser seelsorgerlichen gewagt werden, die Ausdehnung und Anforderung her ein vollig neues Phanomen darstellt. Was die Voraus-setzung betrifft, soll hier nur gesagt werden, dass Stimme und Tat der Kirche Vbereinstimmung mit ihrem zweifachen Wesen und getan werden muss, nam1ich als Mysterium und historische Wirk-lichkeit, als Leib Christi und Arche, als Heilsverweser und Kraftever-walter, als gottliche und menschliche Einrichtung.

    b) Riickblick auf die Absichten Der seelsorgerliche Dienst ist seit der Zeit der Wah1 der ersten

    Diakonie der apostolischen Kirche vom Heiligen Geist und Glau-ben) kein vorwiegend mensch1iches Werk gewesen. Das bedeutet, das er nicht durch eine Wirksamkeit welt1icher Art charakterisiert werden kann, wOVOll aber seine Arbeiter oft unbewusst getrieben sind. Die Wirksamkeit nach weltlichen Masstaben reisst die Diakone dieses gros-sen Werkes einer Konkurrenzbereitschaft mit weltlichen Machten hin, die auf sozialem Gebiet tatig sind. Eine derartige Einstellung schafft, abgesehen der Tatsache, dass sie der Seelsorge ihre wahrhaften Per-spektiven nimmt, ihren Arbeitern unvorhergesehene Enttauschungen, da sie weder materiell noch technisch mit dem Sozialstaat konkurrieren konnen.

  • Elias Voulgarakis

    Das Konkurrenzverhalten verzettelt die Krafte der Seelsorge-arbeiter, denn bei ihrem Kampf um Arbeitsleistung verlieren sie die Gelegenheit geistiger Wiederaufladung. Der Ausdruck «1ch sorge mich um die anderen, Gott sorgt mich» ist fiir diesen Zustand chara-kteristisch. Mit der Zeit ebnet eine solche Haltung die Arbeit der Seel-sorger ein und schliesslich fiihren ihre guten, aber schlecht orientierten Absichten zu einem Verrat an ihrem Apostolat.

    Hinter diesem Konkurrenzverhalten steht im Grund der Wunsch nach Erfolg. Dieser Wunsch, berechtigt er auch erscheinen mag, verrat doch einen iiberbetonten Glauben an die menschlichen Moglich-keiten und weniger an den Beistand und Wi11en Gottes. Diese Haltung setzt den Seelsorger dem Verdacht aus, er habe in seinem Gewissen, ohne sich dessen bewusst sein, das Ziel seiner Aufgabe vertauscht. Anstatt dafiir kampfen, die Welt mit Hilfe der Kirche erretten, versucht er mit Hilfe der Welt die Kirche retten. 1n diesem Fa11 erscheint ihm die Welt als eine bedeutendere Grosse als die Kirche, namlich «grosser ist er, der der Welt ist als jener, der in Euch ist» Diese Haltung stellt die reinste Form Saekularismus dar, denn Verweltlichung heisst nicht, wieweit die Kirche die Welt durchdrungen hat, sondern ist eine Haltung, die die Welt der Kirche voranste11t.

    c) R ii c k b 1 c k a u f d e e t h d k Hauptproblem der seelsorgerlichen Arbeit sowohl fiir die Begeg-

    nung der Kirche mit der Welt als auch bei der Heranziehung ihrer Mit-glieder ist die «gemeinsame» Sprache. Mit dem Ausrduck gemeinsame Sprache sol1 hier die Neuauslegung der christlichen Aussage unter den Lebensbedingungen des heutigen Menschen verstanden werden. Dieser Anspruch bedeutet keine Verrat am Ewigen, auch kein Babelphanomen, sondern Anpassung der Kirche an den Plan der gottlichen Oikonomie, nach der der Logos Fleisch geworden und an die Forderung des stels Paulus, die unverstandliche Rede des Geistes aus den Zungen-rednern zur Erbauung der Gla.ubigen auszulegen.

    Eine heutzutage dringende Notwendigkeit dieser Neuauslegung betrifft besonders die alten und festgelegten Begriffe Heil und Kreu-zigung. Auf die Frage wovon und wie ich gerettet werde, die der heu-tige Mensch stellt, wird keine ihn innerlich befriedigende Antwort ge-geben. Der Grund dafiir ist, dass das Heil als Mysterium in der Ver-gangenheit iibereinstimmend mit den Lebensbedingungen des antiken Menschen, na.mlich als Opfer, Losegeld, Genugtuung gedeutet wurde, Voraussetzungen, die heute fehlen. So wirkt die alte Auslegung beim

  • -----------Der mocterne Mensch-pastoraie Diakonle 769

    heutigen Menschen noch verstandesmassig und nicht mehr mit der Unmitte1barkeit des geJebten Beispie1s, das einem ana10gen Ver-standnis des Mysteriums ftihren konnte, das wiederum die Annahme herbeiftihrt und den G1auben starkt.

    Die grosse Schwierigkeit der Theologie heute bei einer Neuinter-pratation ihrer Lehre innerhalb der Gegebenheiten des heutigen Menschen ist in dem Menschen se1bst und dem stark ide010gischen Plnra1ismus

    snchen, der ihn kennzeichnet. Vie11eicht ist desha1b die moderne The010gie der Zeitpunkt gekommen, sich anf die tiefsten Grundfesten des Menschen stutzen, deren hauptsachlichste die Liebe ist. Mit Liebe ist hier kein Geftihl gemeint, sondern Existenzweise Gottes und der Welt, die endgultige Anslegungsgleichung des geistigen und welt1ichen Alls.

    Abgesehen diesen allgemeinen Ansichten tiber eine Metho-logie der hentigen Seelsorge mussen wir anch tiber einige besondere Punkte sprechen. Sie hauptsachlich die Art und Weise, wie der heutige Mensch angesprochen werden so11. Selbstverstandlich ist das Folgende Ergebnis und Anwendung des bereits Gesagten.

    Die Ruckwendung zum Irdischen

    Die Seelsorge muss dem heutigen Menschen die Ntitzlichkeit des Christentums die Gegenwart bestatigen. Sie muss zeigen, dass der Glaube einen

  • Elias

    rakterisiert, weil aus der Tiefe der Existenz stammt und vom Geist erleuchtet wird. Diese Kraft des christ1ichen Wortes schulden wir dem modernen Menschen. Anstatt diese Wort darzubringen, geben wir uns eindimenstionalen Vberlegungen hin, die, wenn sie mit dem Drang nach Erfolg sind, nicht jenen wahren Dialog schaffen, der auch dann wenn wir einmal keine «Argumente» haben und das Gesprach «verlieren». Dieser Misserfolg 1iegt der Trennung Leben und Dogma, d.h. dass wir das Dogma nicht leben. Einen kleinen Hin-weis darauf gibt das Beispiel der heutigen christlichen Dichter, die nicht das Dogma besingen, sondern sich auf die Beschreibung christH-cher Phanomene und person1icher beschranken. So wird das christliche Leben Juridismus und Moralismus oder Dogmatismus, der Liebe und Gottes beraubt. Das Erleben des Dogmas bringt dagegen einen Reichtum geist1icher Erfahrungen mit sich (die Welt nennt Beispiel), der die Logik der Welt unreif und unbedeutend' erscheint.

    Die Anthropologie

    Zur Gigantisierung, die heute das Problem des Menschen und seiner verschiedenen Tendenzen wie Autonomie, Gleichheit und Sozia-lismus oder seine verschiedenen negativen Ausdrucksformen und so-verschiedenen Tendenzen wie Autonomie, Gleichheit und Sozialismus oder seine verschiedenen negativen Ausdrucksformen wie Unwelt-verschmutzung, Interventionismus (Verdatung), Oligarchie Entscheidungszentren usw. erfahren hat, hat das christ1iche Dogma ein wichtiges Wort mitzureden. Das Leben der Dreifa1tigkeit (Dreiheit einem, Einheit im Dreifa1tigen) kann einen. Ausweg aus dem anthropologischen Gegensatz zwischen Ost und West. anbieten, indem einerseits den Wert des Ganzen unter der Voraussetzung der Anerkennung und Achtung jeden Gliedes betont, andererseits die Ein-ma1igkeit des Menschen unter der Voraussetzung seiner Beziehung den anderen deutlich macht. AIs Beispiel der Vberwindung der heutigen. Alternative zwischen dem Einzelnen und der Gesamtheit kann die Dreifa1tigkeit auch das Umweltproblem denn Mensch und fung stellen keine getrennten Grossen dar; sind zur Zusammenar-beit bestimmt.

    Die

    A1s Adam das Gottesgebot wurde selbst durch Reue bestraft, die Schlange jedoch wurde vom Fluch getroffen. A1s. sich

  • Der moclerne Mensch-pastorale Diakonie ??1

    beim Opfer nicht eifrig zeigte, hOrte er Gottes «du hast gesundigt, aber sei ruhig», als er dagegen seinen Bruder totete, traf ihn der Fluch. Gott hiilt die Tat eines GeschOpfes, das sich gegen ein anderes wendet, strafwurdiger, als wenn sich gegen ihn selbst gewendet hiitte. Diese «Soziologie» Gottes finden wir auch im Neuen Testament bei dem un-dankbaren Diener oder bei dem Scheidungsthema (1 Kor. 7.12), wo die Sunde gegen Gott im Gegensatz zur Untreue gegen den Mitmenschen (Ehebruch) nicllt zur Auflosung der Ehe . die gleiche Rlchtung weist auch das Voranstel1en der Nachsten-

    liebe vor die Eigenliebe (guter Samariter), auch wenn dieses Interesse noch 80 heilig i8t ((eS ist gut, hier zu seifi)) , die torichten Jungfrauen, Evangelium des letzten Gerichts uSW ). Dasselbe lehrt auch die Tradi-tion der Kirche, wenn sie sagt: «Niemand wird gerettet, sei denn durch seinen Niichsten» oder findet sicll in der Vortsel1ung, in der Hol1e konne niemand das Angesicht de8 anderen sehen.

    Aus dem oben Gesagten geht die Moglichkeit das Christentum, sich demheutigen sozialisierten Menschen:wesentlich zu niihern, deut-lichhervor.

    Am Anfang diese Beitrages haben wir gesagt, dass die Pastorale heute selbst zum Problem geworden sei. Um diesen gewiss ubertrieben formulierten Satz zu fundieren, wiesen wir auf die Differenzierung der Vor8chHige zu einer Losung des Problems hin. AU8 der Bearbeitung des Themas ergab sich jedoch die Feststel1ung, dass die Losung des Pro-blem8 eine umfassendere Betrachtungsweise erforderlich macht, die eine Methode uberschreitet, zumal eine solche Natur.

    unserem Fall wir in die Tiefe der Dinge vorstossen, auf den Grund des menschlichen Gewissens, der Kirche und hauptsiich-lich ihrer Theologie. Es wird - 80 befremdlich die Formulierung auch erscheint - eine n a t h e 1 g i s i e r u n g d e r h e 1 g i e g e f r d e r t, nicht was das Dogma angeht, sondern die Art der Anei-gnung des Dogmas. Deshalb ist die Krise der modernen Pastorale ei-gentlich eine Krise der Theologie.