der naturgarten im klimawandel. alte website...der klimawandel wird mit hoher wahr-scheinlichkeit...

3
Beim Begriff„Klimawandel“ halte ich mich an den Wissensstand der IPCC (Weltkli- marat). In „Naturgarten“ ist das ganze „Naturgarten-Wesen“ einbezogen, unter Einschluss der (Be-) Nutzenden und des Naturgartengewerbes. Die Thematik ist neu, und ich ordne sie entlang der drei Fragen: Die physikalischen Auswirkungen der Klimaveränderung treffen Naturgärten in Mitteleuropa in vergleichsweise ge- ringem Ausmass und wenn, dann nicht mehr als andere Gärten auch. Der Klimawandel wird mit hoher Wahr- scheinlichkeit die Zusammensetzung von Lebensgemeinschaften beeinflus- sen, sowohl was das Artenspektrum als auch was die Konkurrenzverhältnisse der Arten betrifft. Da Naturgärten ihrem We- sen nach Dynamik zulassen, werden sie mit solchen Veränderungen sozusagen elegant fertig. Die zum Teil dramatischen Auswirkungen des Klimawandels auf Wirtschaft und Ge- sellschaft – Verlust von Wohnraum und Landwirtschaftsgebiet durch Anstieg des Meeresspiegels und Überschwemmung entlang von großen Flüssen, Missernten, Trockenheit, Schädlinge – gehen am Na- turgarten vorbei, da er kein unabdingba- rer Wirtschaftsfaktor ist. Hingegen wird, gerade weil die Wirt- schaft betroffen ist, der Klimawandel das Umweltbewusstsein der Menschen, ihre Werthaltungen, das Empfinden der Kultur beeinflussen. Viele Anzeichen deuten darauf hin, dass „grün“ auf dem Vormarsch ist. Dies wird nicht zum Scha- den des Naturgartens sein: der Legitima- tionsdruck nimmt ab, die Akzeptanz zu, es könnte zu mehr Aufträgen für das Na- turgartengewerbe kommen. Eine zusammenfassende Antwort auf die Eingangsfrage kann also lauten: Im Kli- mawandel steht der Naturgarten nicht auf der Opferseite, er gehört eher zu den Profiteuren. Wer in der Freizeit einen Garten nutzt und (umweltfreundlich) pflegt, statt weiß nicht wohin zu fahren, verhält sich kli- mafreundlich. Zu beidem regt der Natur- Die physikalischen Folgen des Klimawandels, z.B. extreme Witterungsverhältnisse mit Überschwemmungen ... ... oder Trockenheit, treffen den Naturgarten nicht überdurchschnittlich.

Upload: others

Post on 20-Jul-2020

0 views

Category:

Documents


0 download

TRANSCRIPT

Page 1: Der Naturgarten im Klimawandel. alte Website...Der Klimawandel wird mit hoher Wahr-scheinlichkeit die Zusammensetzung von Lebensgemeinschaften beeinfl us-sen, sowohl was das Artenspektrum

48 Natur & Garten April 2008

Beim Begriff „Klimawandel“ halte ich mich an den Wissensstand der IPCC (Weltkli-marat). In „Naturgarten“ ist das ganze „Naturgarten-Wesen“ einbezogen, unter Einschluss der (Be-) Nutzenden und des Naturgartengewerbes. Die Thematik ist neu, und ich ordne sie entlang der drei Fragen:

Sind wir Opfer?Die physikalischen Auswirkungen der Klimaveränderung treff en Naturgärten in Mitteleuropa in vergleichsweise ge-ringem Ausmass und wenn, dann nicht mehr als andere Gärten auch.

Der Klimawandel wird mit hoher Wahr-scheinlichkeit die Zusammensetzung von Lebensgemeinschaften beeinfl us-sen, sowohl was das Artenspektrum als auch was die Konkurrenzverhältnisse der Arten betriff t. Da Naturgärten ihrem We-sen nach Dynamik zulassen, werden sie mit solchen Veränderungen sozusagen elegant fertig.

Die zum Teil dramatischen Auswirkungen des Klimawandels auf Wirtschaft und Ge-sellschaft – Verlust von Wohnraum und Landwirtschaftsgebiet durch Anstieg des Meeresspiegels und Überschwemmung entlang von großen Flüssen, Missernten,

Trockenheit, Schädlinge – gehen am Na-turgarten vorbei, da er kein unabdingba-rer Wirtschaftsfaktor ist.

Hingegen wird, gerade weil die Wirt-schaft betroff en ist, der Klimawandel das Umweltbewusstsein der Menschen, ihre Werthaltungen, das Empfi nden der Kultur beeinfl ussen. Viele Anzeichen deuten darauf hin, dass „grün“ auf dem Vormarsch ist. Dies wird nicht zum Scha-den des Naturgartens sein: der Legitima-tionsdruck nimmt ab, die Akzeptanz zu, es könnte zu mehr Aufträgen für das Na-turgartengewerbe kommen.

Eine zusammenfassende Antwort auf die Eingangsfrage kann also lauten: Im Kli-mawandel steht der Naturgarten nicht auf der Opferseite, er gehört eher zu den Profi teuren.

Sind wir Täter?Wer in der Freizeit einen Garten nutzt und (umweltfreundlich) pfl egt, statt weiß nicht wohin zu fahren, verhält sich kli-mafreundlich. Zu beidem regt der Natur-

Der Naturgarten im Klimawandel. Opfer, Täter oder Wohltäter? Nicht nur philosophische Betrachtungen zum Treibhauseffekt.

Visionen im naturnahen Grün

Die physikalischen Folgen des Klimawandels, z.B. extreme Witterungsverhältnisse mit Überschwemmungen ...

... oder Trockenheit, treff en den Naturgarten nicht überdurchschnittlich.

Page 2: Der Naturgarten im Klimawandel. alte Website...Der Klimawandel wird mit hoher Wahr-scheinlichkeit die Zusammensetzung von Lebensgemeinschaften beeinfl us-sen, sowohl was das Artenspektrum

Natur & Garten April 2008 49

Die durch den Klimawandel angestoßene „grüne Welle“ legt uns zu diesem Beitrag an das Klimabewusstsein durch Umwelt-bildung quasi den Roten Teppich vor die Füße. Das zu erkennen und zu nutzen ist die große Chance des Naturgartens, aber auch eine Verantwortung. Gehen wir also heim und packen wir’s an.

Literatur:Klimawandel. politische ökologie 106-107, Jg. 25, Sept. 2007. München: oekom.Biodiversität und Klimawandel. Hot-spot, Informationen des Forum Biodiver-sität Schweiz, Nr. 16, Oktober 2007. Bern.

garten besonders an. Naturgartenfi rmen belasten mit ihrer Wirtschaftstätigkeit Umwelt und Klima. Sie tun es aber weni-ger als andere Betriebe, weil sie sich von der Produkte-Philosophie her eher mit der Umweltproblematik auseinanderset-zen und entsprechend handeln.

Etwas heikler wird es bei der möglichen Zunahme von Krankheitsüberträgern durch die Klimaerwärmung, wie Zecken, Malaria- oder Tigermücken. Mit ihrer Na-turfreundlichkeit könnten unsere Gär-ten unter Rechtfertigungsdruck kom-men. Zwar sind Zusammenhänge Klima - Krankheitserreger - Naturgärten eher gesucht, aber wir müssen gute und ge-sicherte Argumente bereit haben, um sie zu widerlegen.

Übers Ganze gesehen lautet die Antwort auf die zweite Frage: Wir sind keine über-durchschnittlichen Täter bei der Klima-erwärmung. Eher das Gegenteil ist der Fall.

Visionen im naturnahen Grün

Auch mit den Auswirkungen auf die Flora, mit unproblematischen (Tragopogon dubius, Bild oben) oder problematischen (Ambrosia, Bild unten) Zuwanderern wird der Naturgarten seinem Wesen gemäß elegant fertig.

Die vergleichsweise klimafreundliche Erstellungs- oder Pfl egeweise (hier stellvertretend eine Böschungserschließung) bietet die Chance, im Sinne einer „angenehmen Umweltbildung“ Vorbild- und Vorreiterfunktion zu übernehmen.

Nutzen wir die Chancen?Mit dem Klimawandel kommen gro-ße Probleme auf die Menschheit zu. Je schneller dagegen etwas unternommen wird, desto erträglicher bleiben die Fol-gen. Hier ist Zeit Geld – und Schutz. Noch aber nehmen die Schäden schneller zu als das Umdenken und Umhandeln. Letz-tere müssen also mit aller Kraft gefördert werden, damit die Balance auf die andere Seite kippt.

Umweltbildung ist demnach sehr gefragt. Dabei reicht die bisherige Fokussierung auf die Schule nicht. Denn Kinder sind an unseren Problemen nicht hauptschuldig, und sie haben nicht die Macht, sofort etwas dagegen zu unternehmen. Schuli-sche Umweltbildung ist langsam.

Also sind alternative Modelle gesucht. Und hier liegt eine außergewöhnliche Chance des Naturgartens. Über ihn las-sen sich erstens auch Menschen errei-chen, die sonst für „grüne Argumente“ nicht unbedingt zugänglich sind, aber Macht haben, Dinge zu ändern. Sie wer-den zweitens in einer „lernpsychologisch günstigen Situation“ angesprochen, denn der Garten steht für Freizeit, Kreati-vität, Besitztum, Eigenständigkeit.

Dr. Hans C. Salzmann,

CH-Vordemwald. Bi-ologe und freiberufl i-cher Umweltbildner, Naturgärtnerisches Urgestein der Schweiz,

Mitgründer des VNG, Mitautor von „Der an-dere Naturgarten“. Ehemaliger Projektleiter Umwelterziehung WWF, Geschäftsführer Stiftung Umweltbildung.

Page 3: Der Naturgarten im Klimawandel. alte Website...Der Klimawandel wird mit hoher Wahr-scheinlichkeit die Zusammensetzung von Lebensgemeinschaften beeinfl us-sen, sowohl was das Artenspektrum

Visionen im naturnahen Grün

50 Natur & Garten April 2008

Gärten bedeuten übersetzt „ein einge-zäuntes Stück Land, das ich mit meinem Willen gestalte“.Der Wille entsteht in meinem Kopf. Der Ursprung eines jeden Tuns ist das Geisti-ge in Verbundenheit mit den Gefühlen.

In einem chinesischen Sprichwort heißt es: “Wenn du ein Leben lang glücklich sein willst, dann werde Gärtner“. Wir Gärt-ner haben aber nicht das Recht, das Glück für uns allein zu kennen. Jeder Mensch hat seinen geistigen, spirituellen Garten in sich, den er nach seinen Vorstellungen gestalten darf und kann. Jeder auf sei-ne Art, denn es gibt kein Urteil in falsch oder richtig. Gärten sind nicht in sich ge-schlossen. Sie unterliegen den Einfl üssen von der Landschaft, dem Klima und den Menschen, die dort leben.

Der erste Kontakt zu Menschen, die in der Veränderung sind – in Bezug zu ihrem Garten und das bedeutet meist auch, dass diese Menschen in Veränderung zu sich selbst leben – ist für mich immer ein Erlebnis und eine Bereicherung. Ich darf viel Vertrauen, aber auch Erwartungen spüren. Aus diesen Gesprächen erfolgen unsererseits Einladungen an „Neukun-den“ in bereits ausgeführte Gartenanla-gen.

Wir verkaufen nicht „nur“ Gärten, son-dern auch ein Lebensgefühl, was den Menschen ein Zulassen ermöglicht.

Seinen Wert erkennenWerte schaff en hat seinen Preis. Wie mühsam es ist, Baustoff e aus umliegen-den Deponien zu organisieren oder sich zuzutrauen, beim Nachbarn, im Dorf nach scheinbar wertlosen Dingen wie Holz oder einem liegengelassenen Stein zu fragen, das heißt, Dingen einen Wert beimessen, die für andere noch wertlos sind.Ich muss mir bewusst sein, in dem, was ich tue, ich muss „meins“ fi nden, ansons-ten unterliege ich dem Urteil anderer.

Naturgärten sind schon in der Planung eine Heraus-forderungWir wollen in unserem Tun nichts Beson-deres sein. Wir haben den Wunsch, in un-seren Modellierungen und Gestaltungen die Landschaft, die uns umgibt, zu erken-nen, wahrzunehmen und anzunehmen. Wohlfühlen stellt sich ein, indem wir die Erdverbundenheit und die Winde für uns spürbar werden lassen. Wir werden Eins-Sein mit dem, was uns natürlich gegeben ist.

Unsere Gärten sind nicht messbar in teu-er oder billig. Sie haben einen Preis, der dem Benutzer einen Wert vermittelt. Na-turgärten sind Preis-wert.Naturgärten werden gerne bezahlt. Seit Jahren brauchen wir nicht mahnen oder ein Recht über Dritte einfordern.

Wir, meine vier Mitarbeiter und ein Azu-bi, machen auch Fehler, das heißt, wir bezahlen auch Lehrgeld. Wir haben das Recht, aus Fehlern zu lernen. Der Kun-de hat auch das Recht, bei Fehlern Geld einzubehalten. Wir haben dadurch kei-nen Verlust, sondern eine Bereicherung erfahren, die uns eine Hilfe ist, uns selbst in unserem Tun zu überprüfen. Wir ha-ben das Recht, mit uns selbst und mit unseren Kunden einen fairen Umgang zu üben. Diese Art von Prüfung hilft uns, frei

in einem uns gegebenen Raum zu sein. Dieser Raum lässt es zu, Kreativität in un-serem Tun freizusetzen. Wir entscheiden mit unserem „gesunden Gefühl“, was nicht immer mit DIN-Normen Schritt hält. Freiräume, die wir wollen, schaff en wir uns selbst, wir können sie nicht von an-deren für uns erwarten.

Naturgärten werden in der Planung, Ausführung und in ihrer langen Lebens-zeit Veränderungen bei Erbauern und Anwendern hervorrufen in Bezug auf Mitmenschlichkeit und Erfüllung seiner selbst. Naturgärten sind ein Wegbereiter für ein selbstbewussteres und ehrlicheres Ich und schaff en ein verständnisvolleres Wir.

Aus unserer Erfahrung haben Naturgär-ten eine hohe Akzeptanz in der Gemein-schaft. Meine Mitarbeiter und ich machen uns keine Sorgen, arbeitslos zu werden. Unsere Kunden und unsere Netzwerke (die zum Teil nicht bekannt sind) sorgen für ständigen Neuzugang von Aufträgen.

Wir spüren auch unsere eigenen phy-sischen Grenzen. Kollegen, die unsere Ideen mittragen und in der Gesellschaft Mut machen zu mehr Selbstverantwor-tung, sind wünschenswert. Demokratie und Macht von unten sind in allen Beru-fen möglich; wir können die Schlüssel, die wir in uns tragen, anwenden und leben.

Naturgärten, die mit heimischen Materi-alien und Pfl anzen kreativ und mit Liebe entstehen, tragen zu einer friedfertigen Globalisierung bei. Großes geschieht im Kleinen. Wir können die Zeit nicht än-dern, aber uns selbst.

Der etwas andere Naturgarten. Lebens-Kunst, Natur und Gestaltung.

betrieb für naturna-he Grüngestaltung. Seit langem einer der kreativsten und ganzheitlichsten Na-turgärtner Deutsch-lands.

Christof Wegner, D- Frickenhausen. Fach-

© F

otos

: Ker

stin

Lüc

how