der Öffentlichkeit: sz-artikel zur kunst im öffentlichen raum
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Der Öffentlichkeit: SZ-Artikel zur Kunst im öffentlichen RaumTRANSCRIPT
VON EVELYN VOGEL
München – Die Diskussion über den öf-fentlichen Raum und über Kunst in demsel-ben wird gerade dieser Tage in Münchenmit der städtischen Aktion „A Space CalledPublic – Hoffentlich Öffentlich“ neu be-lebt. Doch die Auseinandersetzung mitdem öffentlichen Raum findet nicht nur un-ter freiem Himmel statt. Auch innerhalbvon Institutionen definieren sich öffentli-che Bereiche, die ihrer Stellung gerechtwerden – oder auch nicht. Als Okwui Enwe-zor als neuer Direktor vor etwa einem Jahrseine Pläne für das Haus der Kunst vorstell-te, rückte er einen Teil des Hauses in denMittelpunkt dieser Diskussion über Öffent-lichkeit. Die Mittelhalle, von seinem Vor-gänger Chris Dercon mit einem schwerenVorhang verhängt und zerteilt, räumte erfrei, kündigte eine „public plaza“ an und er-klärte sie so dezidiert zu einem öffentli-chen Raum, den es zu bespielen gelte. EineHerausforderung in rotem Marmor.
Derzeit stellt die koreanische Künstle-rin Hague Yang sich dieser Herausforde-rung mit einer Installation. Diese zwingtviele Besucher des Ausstellungshauses,sich wie bei einem Hindernisparcours umsie herum oder durch sie hindurchzu-schlängeln, verleitet manche auch, interes-siert innezuhalten, um das Gebilde näherin Augenschein zu nehmen. Was die meis-ten aber eint, die das Haus der Kunst besu-chen, ist: Sie kommen nicht wegen der In-stallation, die sich seit November in der gro-ßen Mittelhalle auf 800 Quadratmeternderart raumgreifend breitmacht. Sie sto-ßen optisch mehr oder minder unfreiwilligauf die Installation aus 171 farbigen Jalou-sien, die mehrere Meter tief von der Deckeherunterhängt und – je nach Standpunkt –mal wie eine bunte Barriere, mal wie eintransparenter Schleier wirkt.
Wie schon auf der Documenta 13 in Kas-sel arbeitet die 1971 in Seoul geborene Ha-gue Yang mit Jalousien mit beweglichen La-mellen. Doch während ihre unifarbene In-stallation im Kasseler Hauptbahnhof – dieBewegungsmechanismen der Züge aufneh-men – auch und vor allem durch die mecha-nische, fast geisterhaft anmutende Choreo-grafie und die dadurch erzeugen Geräu-sche lebte, hat sie in München ein stati-sches Raumobjekt geschaffen. „Accommo-dating the Epic Dispersion – On Non-cat-hartic Volume of Dispersion“ (EpischeStreuung beherbergen – über nicht-ka-thartisches Volumen von Zerstreuung) lau-tet der schrecklich sperrige Titel der Ar-beit. Die Künstlerin, die seit etwa 20 Jah-
ren in Deutschland lebt, will damit demVernehmen nach die epische Breite desKonzepts ebenso einfangen wie die Tren-nung und Durchdringung von Lebensräu-men. Lebensräume auch, die für sie ver-bunden sind mit Migration und Diaspora.
Neue Perspektiven über die Gestaltungöffentlichen Raums eröffnet sie damit in je-dem Fall. Denn je nach Standpunkt sinddie farbigen Lamellen geschlossen oder of-fen, versperren Einblicke oder gewährenDurchsichten. Von ihrer hermetisch ver-schlossenen Seite zeigt sich die Installati-on zum Eingang hin. Turmähnlich schie-ben sich die Lamellengebilde dem Besu-cher entgegen, zwingen ihn zum Auswei-chen. Geht der Blick nach oben, wird ervom Licht geblendet, das ihn nötigt, die Au-gen zu senken. Im mittleren Teil zieht sicheine Gerade aus überwiegend schwarzenJalousien durch, die entgegen der Form-und Farbgebung ein eher lichtes Gebildeist. Zum Englischen Garten hin, also im hin-teren Teil der Halle, hat Hague Yang ein vo-luminöses Rechteck aufgebaut, das nachunten hin fragmentarisch wirkt.
Von fast allen Betrachterstandpunktenaus schieben sich die drei Teile ineinander– und nehmen doch Meter für Meter desUmwanderns ein anderes Aussehen an. Wodie Lamellen von einer Seite her vollstän-dig geschlossen wirken, gewinnt man voneiner anderen den Eindruck, als seien siegeöffnet. Durch die Schichtungen werdenFlächen, die eben noch monochrom schie-nen, mit jeder Veränderung des Betrachter-standpunkts zu bunten Farbspielen.Schritt für Schritt kann sich der Besucherso nicht nur die Installation, sondern auchden Raum aneignen.
In Auftrag gegeben und finanziert wur-de die Arbeit von der Gesellschaft „Freun-de Haus der Kunst“. Seit über 50 Jahren en-gagiert sich dieser Zirkel ideell und finanzi-ell für das Haus der Kunst und ist seit 1992Mitgesellschafterin der Stiftung Haus derKunst. Mehr als 500 Mitglieder zählt dasNetzwerk nach eigenen Angaben: Kunst-freunde, Künstler, Sammler, Galeristenund Vertreter aus Wirtschaft, Wissen-schaft, Kultur und Medien. Für Mitglieds-beiträge zwischen 300 und 800 Euro wer-den die Freunde und Förderer zu Ausstel-lungs-Previews, Sonderführungen mitKünstlern und Kuratoren, Lounge Talksmit Experten, Ateliergesprächen sowieFührungen durch Galerien und Sammlun-gen eingeladen. Und gelegentlich verreistman auch gemeinsam zu Kunst-Events imIn- und Ausland. Das Programm lässt sichin gewisser Weise mit dem von Pin, denFreunden der Pinakothek der Moderne,vergleichen. Wenngleich die Einflussnah-me von Pin ungleich größer ist. Schon imHinblick auf die Ankäufe für die eigeneSammlung, über die das Haus der Kunstüberhaupt nicht verfügt.
Bisher hat sich der Freundeskreis finan-ziell durch Zuschüsse zu laufenden Ausstel-lungen für das Haus der Kunst engagiert.Doch mit der Auftragsarbeit für die Mittel-halle, die nun für jeweils neun Monate aninternationale Nachwuchskünstler verge-ben werden soll, bezieht die Gesellschaftvermehrt Position. Darüber hinaus kannman den von Enwezor angestoßenen Dis-kurs über den öffentlichen Raum anschie-ben und hat die Reihe unter das Motto„Der Öffentlichkeit“ gestellt. Man wolle in
dem Saal im Herzen des Gebäudes wie aufeiner frei zugänglichen Plaza zum Diskursüber das Kunstwerk, zur öffentlichen Teil-nahme, Diskussion und zum Austauscheinladen, heißt es. Da sie unübersehbar istund zudem kostenlos erforscht werdenkann – bis in die Halle gelangt man auch oh-ne Eintrittskarte – kann sie dieser Aufgabedurchaus gerecht werden.
Für die Besucher der Ausstellungenmag die Installation in der Mittelhallenoch nicht fester Bestandteil des Ausstel-
lungskonzepts des Hauses sein. Aber mehrund mehr Besucher widmen ihr Aufmerk-samkeit – und die eine oder andere Anmer-kung, wie Kunst auf dieses Stück öffentli-chen Raumes einwirkt und ihn verändert.
Haegue Yang: „Accommodating the Epic Dispersi-on – On Non-cathartic Volume of Dispersion“ (Epi-sche Streuung beherbergen – über nicht-katharti-sches Volumen von Zerstreuung), Haus der Kunst,Prinzregentenstr. 1, bis 22. September.
Klipp-Klapp,Ritsch-Ratsch
Die Freunde des Hauses der Kunstlassen Haegue Yang die Mittelhalle bespielen
171 farbige Jalousien schiebensich den Ausstellungsbesuchernin den Weg
Eine Herausforderung in rotem Marmor: die Mittelhalle im Haus der Kunst mit Haegue Yangs Installation. FOTO: JENS WEBER
SZ-Landkreisausgaben Samstag, 2. Februar 2013
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