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  • Andreas Maurer / Nicolai von Ondarza (Hrsg.)

    Der Vertrag von Lissabon: Umsetzung und Reformen Onlinedossiers der Stiftung Wissenschaft und Politik, Stand Juni 2012

    SWP Stiftung Wissenschaft und Politik Deutsches Institut fr Internationale Politik und Sicherheit

    Ludwigkirchplatz 34 10719 Berlin Telefon +49 30 880 07-0 Fax +49 30 880 07-100 www.swp-berlin.org [email protected]

    Juni 2012 Berlin

  • Inhalt

    Einleitung 3

    Der Weg zum Vertrag von Lissabon 5Vom Vertrag von Nizza zum Verfassungsvertrag 5Vom Scheitern des Verfassungsvertrags zum Reformvertrag 6Ratifizierung mit Hindernissen: Von der Unterzeichnung zum Inkrafttreten 7Das irische Nein 8Der Weg zum zweiten irischen Referendum 8Probleme in Polen und Tschechien 9Ratifikation in Deutschland 10Chronik: Von Laeken nach Lissabon 11bersicht: Ratifizierung des Vertrags von Lissabon (geordnet nach Annahmedatum) 13

    Die Reformen und ihre Umsetzung 14Institutionen 14

    Struktur der EU-Vertrge 14Europische Kompetenzordnung 17Das Europische Parlament 20Der Europische Rat und sein Prsident 31Rat der Europischen Union 37Die Europische Kommission 46Der Hohe Vertreter der Union fr die Auen- und Sicherheitspolitik und der Europische Auswrtiger Dienst (EAD) 57Die nationalen Parlamente und die Beteiligungsrechte des Bundestags 64Der Gerichtshof der Europischen Union 81Der Ausschuss der Regionen 85Der Europische Wirtschafts- und Sozialausschuss 88

    Entscheidungsverfahren 90Das ordentliche Gesetzgebungsverfahren 90Delegierte Rechtsakte und Durchfhrungsrechtsakte 96Haushaltsverfahren 103Verfahren der verstrkten Zusammenarbeit 105Die Europische Brgerinitiative 117Verfahren zur nderung und Anpassung der Vertrge 126

    Politikbereiche 130Sozialpolitik 130Handelspolitik und internationale Abkommen 136Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) 145Energie- und Klimapolitik 150Gemeinsame Auen- und Sicherheitspolitik (GASP) 152Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) 158Humanitre Hilfe 168Erweiterungs- und Europische Nachbarschaftspolitik 175

    nderungen des Lissabonner Vertrages 181Anhang 187

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    Einleitung In der europischen Wirtschafts-, Finanz- und Schuldenkrise ist die Debatte ber umfangreichere Reformen der primrrechtlichen Grundla-gen der Europischen Union erneut aufgebrochen. Nur kurze Zeit nach dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon hat die Krise neue Fragen ber die Handlungsfhigkeit, aber gerade auch die demokratische Legitimitt einer Union aufgeworfen, die mit Sparprogrammen und Rettungspaketen sowie aufgrund der regulren Umsetzung des Lissa-bonner Vertrages tief in das politische Leben ihrer Brgerinnen und Brger eingreift. Vor diesem Hintergrund bietet das vorliegende Arbeits-papier Analysen zu Reformen des Lissabonner Vertrags, ihren Auswirkun-gen auf die institutionelle Ordnung der EU und dem Stand ihrer Umset-zung seit 2009.

    Die Analysen konzentrieren sich auf drei Bereiche: Erstens werden Lehren aus dem Weg zum Vertrag von Lissabon gezogen. Primrrechtsre-formen ebenso wie vlkerrechtliche Vertrge auerhalb des EU-Rahmens mssen von allen beteiligten Mitgliedstaaten ratifiziert werden. Die Erfahrungen der 2000er-Jahre haben den politischen Entscheidungstr-gern die hohen Kosten und Risiken dieser Verfahren aufgezeigt. Das Scheitern des Verfassungsvertrags in den Referenden in Frankreich und den Niederlanden, aber auch die Ablehnung des Lissabonner Vertragswerk in dem ersten Referendum in Irland unterstreichen die Notwendigkeit ausreichender Untersttzung der Brgerinnen und Brger fr die auf europischer Ebene ausgehandelten Reformprojekte. Nicht zuletzt wurden gerade in Deutschland durch das Urteil des Verfassungsgerichts zur Ratifikation des Lissabonner Vertrags verfassungsrechtliche Grenzen fr die europische Integration gesetzt.

    Der zweite Schwerpunkt liegt auf der Analyse der Auswirkungen der Lissabonner Vertragsreformen auf die Institutionen und Entscheidungs-verfahren der EU. Institutionell haben sich gerade im Dreieck zwischen Parlament, Rat und Kommission weitreichende Verschiebungen ergeben. Das Europische Parlament wurde durch eine Ausweitung der Mitent-scheidungs-, Zustimmungs-, Kontroll- und Haushaltsrechte deutlich gestrkt und sucht seine gestrkten Kompetenzen mit neuem Selbstbe-wusstsein durchzusetzen. Gleichzeitig hat auch der Europische Rat unter seinem Prsidenten Herman Van Rompuy an Einfluss gewonnen. In der Finanz- und Wirtschaftskrise wurde das Gremium der Staats- und Regie-rungschefs zum zentralen Schauplatz des EU-Krisenmanagements. Zudem wurden die auenpolitischen Strukturen mit der Schaffung des Amtes der Hohen Vertreterin der EU fr die Auen- und Sicherheitspolitik und dem ihr unterstellten Europischen Auswrtigen Dienst umfassend reformiert. Daneben wurde die rechtlichen Handlungsformen der EU mit delegierten Rechtsakten und Durchfhrungsakten neu geordnet, whrend die Europische Brgerinitiative der Union neue demokratische Impulse bringen sollte. Nicht zuletzt wurden die Mglichkeiten zur nderung und Anpassung der Vertrge erweitert, in dem nun in einem abgestuften

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    Verfahren ein Spielraum von groen Vertragsnderungen mit Konvent bis hin zu einfachen Vertragsnderungen ber einen Beschluss des Europi-schen Rates reicht.

    Drittens werden die Lissabonner Reformen in ausgewhlten Politikbe-reichen und ihre Umsetzung in der Praxis nher beleuchtet. Einige Bereiche wie etwa die Sozialpolitik sind im Lissabonner Vertrag nur bedingt reformiert worden. Grere nderungen konzentrierten sich hingegen auf den auswrtigen Bereich, in dem die EU Rechtspersnlich-keit erhalten hat und das Mitspracherecht des Europischen Parlaments in der Handelspolitik deutlich erweitert wurde. Eine der zentralen institutio-nellen Neuerungen, die Einfhrung des Doppelhutes der Hohen Vertrete-rin und der Europische Auswrtige Dienst, sollte dabei die intergouver-nementale GASP mit den anderen auswrtigen Politiken der Union verzahnen. Die Gemeinsame Agrarpolitik ist ein Beispiel fr einen zentralen Politikbereich, in dem das Anhrungsverfahren durch das ordentliche Gesetzgebungsverfahren mit vollem Mitbestimmungsrecht des Parlaments ersetzt wurde. In der Energie- und Klimapolitik und der Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik hingegen wurden vornehmlich bereits bestehende sekundrrechtliche Entwicklungen in den Vertrag berfhrt, whrend neue Impulse der Lissabonner Reformen wie die Stndige Strukturierte Zusammenarbeit bisher nicht genutzt wurden. Beleuchtet werden zudem die nderungen im Bereich der humanitren Hilfe sowie der Erweiterungspolitik und der Europischen Nachbar-schaftspolitik.

    Insgesamt bietet dieses Onlinedossier damit einen umfassenden ber-blick ber die institutionellen Entwicklungen unter den Lissabonner Spielregeln. In der Gesamtschau werden die Tragweite, aber gerade auch die Sollbruchstellen des Vertragswerks deutlich. In der Umsetzung der primrrechtlichen Reformen und unter dem Eindruck der Wirtschafts-, Finanz- und Schuldenkrise hat sich das institutionelle System kontinuier-lich weiterentwickelt. Sollte die EU unter dem Eindruck der Krise eine neue groe Vertragsrevision angehen, stehen dabei erhebliche Baustellen auch im institutionellen Bereich an.

    Andreas Maurer / Nicolai von Ondarza

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    Der Weg zum Vertrag von Lissabon

    Henning Fahrenberg (April 2010) Der am 1. Dezember 2009 in Kraft getretene Vertrag von Lissabon ist das Ergebnis eines neun Jahre dauernden Reformprozesses, der Ende 2000 mit dem Ziel begann, die Europische Union effizienter, transparenter und demokratischer zu machen. Zugleich stand die Union damals vor der Aufnahme zehn neuer Mitgliedstaaten, die die politischen Gewichte innerhalb der Gemeinschaft neu verteilen wrde. Die Herausforderung bestand darin, die Handlungsfhigkeit der erweiterten Union zu erhalten bzw. zu verbessern. Ursprnglich sollte die EU mit dem Vertrag ber eine Verfassung fr Europa (VVE), der 2002/2003 von einem Verfassungskonvent erarbeitet wurde, auf eine neue Grundlage gesetzt werden. Nach zwei ablehnenden Referenden in Frankreich und den Niederlanden kehrten die Mitgliedstaaten jedoch wieder zur traditionellen Methode der Vertragsn-derung zurck. Der resultierende Reformvertrag sollte die Substanz der im VVE enthaltenen Reformen in das bestehende Vertragswerk integrieren. Doch auch der Vertrag von Lissabon konnte vor allem in Irland, Polen, Tschechien, aber auch Deutschland nur mit Schwierigkeiten ratifiziert werden. Diese schwierige Ratifikation spiegelt sich in zahlreichen Sonder-regeln fr einzelne Mitgliedstaaten wider.

    Vom Vertrag von Nizza zum Verfassungsvertrag

    Mit dem Vertrag von Nizza sollte die Europische Union fit fr die Erweiterung um zehn neue Mitgliedstaaten 2004 gemacht werden. Dies betraf eine Verbesserung der Handlungsfhigkeit der EU-Organe, eine grere Legitimitt der Union sowie mehr Transparenz in den Entschei-dungsprozessen. Die hierfr angestrebten Reformen, die eine Regierungs-konferenz im Dezember 2000 verabschieden sollte, umfassten u.a. eine Verkleinerung der Europischen Kommission, eine Ausweitung der Mehrheitsentscheidungen und eine Neuverhandlung der Stimmgewich-tung im Rat sowie eine Anpassung der Gre des Europischen Parla-ments. Allerdings blieb der Gipfel von Nizza hinter den Erwartungen zurck: Das neu eingefhrte System der qualifizierten Mehrheit war kompliziert und undurchsichtig, in vielen Bereichen wurde das Prinzip der Einstimmigkeit im Rat beibehalten.

    Am 15. Dezember 2001 nahm der Europische Rat die Erklrung von Laeken zur Zukunft der Europischen Union an. Hierin wurden 60 Fragen formuliert, die die Bereiche Verteilung und Abgrenzung der Zustndigkei-ten, Vereinfachung der Vertrge, institutionelles Gefge und Vorbereitung einer Verfassung umfassten. Zugleich wurde ein Konvent einberu