desaminierung der menthyl- und carvomenthylamine mit salpetriger säure

5
1967 H . Feltkamp, F. Koch und T. N. Thanh 95 Liebigs Ann. Chem. 707, 95-99 (1967) Desaminierung der Menthyl- und Carvomenthylamine mit salpetriger Saure von Herbert Feltkamp *), Friedrich Koch und Tran Nhut Thanh Aus dem Pharmazeutisch-Chemischen lnstitut der Universitat Tubingen Eingegangen am 26. April 1967 Die acht sterisch einheitlichen Menthyl- und Carvomenthylamine werden mit salpetriger Saure desaminiert. Die Zusammensetzung der Reaktionsprodukte wird qualitativ und quantitativ untersucht und der wahrscheinliche Reaktionsverlauf diskutiert. Ein RuckschluB auf Kon- formationsgleichgewichte der Ausgangsamine ist nicht moglich. Mit der Reindarstellung der acht Menthyl- und Carvomenthylamine war die Mog- lichkeit gegeben, den Verlauf ihrer Desaminierung mit salpetriger Saure zusammen- hangend und mit modernen Analysenverfahren zu untersuchen. Von Bedeutung war dabei die Konformation der acht Isomeren, deren NMR-Spektren inzwischen aus- gewertet sind1). Desaminierungen von Aminomenthanen sind bereits fruher unternommen worden *,3). Mills4) griff diese Untersuchungen wieder auf und fuhrte die unterschiedlichen Ergebnisse der Reaktion bei den verschiedenen Stereoisomeren auf die Aquatorial- bzw. Axialstellung der Aminogruppe zuruck, stellte Regeln iiber den Verlauf der Desaminierung auf und folgerte aus den Ergebnissen auf die Konformation der untersuchten Arnine. Spater prufte Hiickels-7) diese Regeln nach und stellte zahlreiche Abweichungen fest. Vom heutigen Standpunkt aus interessiert nicht so sehr die Konformationsanalyse als vielmehr der Reaktionsmechanismus der Desaminierung und die Grunde fur den unterschiedlichen Verlauf bei Axial- bzw. Aquatorialstellung der Aminogruppe (s. Tab. 1). *) Neue Anschrift: 56 Wuppertal-Elberfeld, Farbenfabriken Bayer AG, Friedrich-Ebert- 1) H. Feltkamp, N. C. Franklin, F. Koch und T. N. Thunh, Liebigs Ann. Chem. 707,87 (1967), 2) R. G. Johnston und J. Read, J. chem. SOC. [London] 1935, 1 138: dort weitere Literatur. 3) W. Hiickel, Liebigs Ann. Chem. 533, 1 (1938). 4) J. A. Mills, J. chem. SOC. [London] 1953, 260. 5) W. Hiickel und K.-D. Thomas, Liebigs Ann. Chem. 645, 177 (1961). 6) W. Hiickel und K. Heyder, Chem. Ber. 96, 220 (1963). 7) W. Hiickel und N. C. Franklin, Chem. Ber. 99, 353 (1966). StraBe. voranstehend.

Upload: herbert-feltkamp

Post on 11-Jun-2016

217 views

Category:

Documents


2 download

TRANSCRIPT

1967 H . Feltkamp, F. Koch und T. N. Thanh 95 Liebigs Ann. Chem. 707, 95-99 (1967)

Desaminierung der Menthyl- und Carvomenthylamine mit salpetriger Saure

von Herbert Feltkamp *), Friedrich Koch und Tran Nhut Thanh

Aus dem Pharmazeutisch-Chemischen lnstitut der Universitat Tubingen

Eingegangen am 26. April 1967

Die acht sterisch einheitlichen Menthyl- und Carvomenthylamine werden mit salpetriger Saure desaminiert. Die Zusammensetzung der Reaktionsprodukte wird qualitativ und quantitativ untersucht und der wahrscheinliche Reaktionsverlauf diskutiert. Ein RuckschluB auf Kon- formationsgleichgewichte der Ausgangsamine ist nicht moglich.

Mit der Reindarstellung der acht Menthyl- und Carvomenthylamine war die Mog- lichkeit gegeben, den Verlauf ihrer Desaminierung mit salpetriger Saure zusammen- hangend und mit modernen Analysenverfahren zu untersuchen. Von Bedeutung war dabei die Konformation der acht Isomeren, deren NMR-Spektren inzwischen aus- gewertet sind1).

Desaminierungen von Aminomenthanen sind bereits fruher unternommen worden * , 3 ) .

Mills4) griff diese Untersuchungen wieder auf und fuhrte die unterschiedlichen Ergebnisse der Reaktion bei den verschiedenen Stereoisomeren auf die Aquatorial- bzw. Axialstellung der Aminogruppe zuruck, stellte Regeln iiber den Verlauf der Desaminierung auf und folgerte aus den Ergebnissen auf die Konformation der untersuchten Arnine. Spater prufte Hiickels-7) diese Regeln nach und stellte zahlreiche Abweichungen fest.

Vom heutigen Standpunkt aus interessiert nicht so sehr die Konformationsanalyse als vielmehr der Reaktionsmechanismus der Desaminierung und die Grunde fur den unterschiedlichen Verlauf bei Axial- bzw. Aquatorialstellung der Aminogruppe (s. Tab. 1).

* ) Neue Anschrift: 56 Wuppertal-Elberfeld, Farbenfabriken Bayer AG, Friedrich-Ebert-

1) H . Feltkamp, N. C. Franklin, F. Koch und T. N . Thunh, Liebigs Ann. Chem. 707,87 (1967),

2 ) R . G. Johnston und J. Read, J. chem. SOC. [London] 1935, 1 138: dort weitere Literatur. 3) W. Hiickel, Liebigs Ann. Chem. 533, 1 (1938). 4) J. A . Mills, J. chem. SOC. [London] 1953, 260. 5 ) W. Hiickel und K.-D. Thomas, Liebigs Ann. Chem. 645, 177 (1961). 6 ) W. Hiickel und K. Heyder, Chem. Ber. 96, 220 (1963). 7) W. Hiickel und N . C. Franklin, Chem. Ber. 99, 353 (1966).

StraBe.

voranstehend.

96 H. Feltkamp, F. Koch und T. N . Thanh Bd. 707

Tabelle 1. Ergebnisse der Desaminierungen

Carvo- Isocarvo- Neocarvo- Neoisocarvo- menthylamin

trans-A2-Menthen cis-A2-Menthen Al-Menthen A1.7-Menthen A3-Menthen unbekannte Kohlenwasserstoffe Summe der Kohlenwasserstoffe

tertiare Alkohole Carvomenthol Isocarvomenthol Neocarvomenthol Neoisocarvomenthol Summe der Alkohole

3.8 % - 10.2 % -

- 23.9 % -

3.8 7.0 50.8 7.5 0.9 4.1 2.6

4.6 1.9

0.9 %

- -

- - -

2.8 -

12.2 36.3 65.1 11.2

10.3 14.2 13.2 24.9 69.4 2.7 15.3 1.2 4.0 45.4 2.1 5.5 4.0 - - 3.6

57.0 87.7 63.7 34.8 88.6

- 1.4 -

Menthyl- Isomenthyl- Neomenthyl- Neoisomenthyl- amin

trans- Az-Menthen cis- A2- Menthen A]-Menthen A4J-Menthen A3-Menthen unbekannte Kohlenwasserstoffe Summe der Kohlenwasserstoffe

tertiarer Alkohol, Schmp. 11" tertiarer Alkohol, Schmp. 55"

Menthol Isomenthol Neomenthol Neoisomenthol Summe der Alkohole

1.0% - 7.0 % - - 31.0% - 11.0%

- 0.6 1.5 -

- 2.3 1 .o 4.4 8.8 49.5 25.7 5.9 4.0 1.5 1.3

11.3 46.7 60.5 44.0

3.4 2.5 19.6 7.4 9.9 7.8 1 .o 2.2

63.8 - 6.4 1 .o - 42.1 2.5 6.3

11.5 1 .o 10.4 10.0 1 .o - 29.8

-

-

88.6 54.4 39.9 56.7

Die Zusammensetzung der Reaktionsprodukte ist vie1 komplizierter als man nach den Millsschen Regeln erwartet, die aus alteren Versuchsergebnissen abgeleitet sind. Die Beobachtung von Mills, daB aus Cyclohexylaminen mit aquatorialer Amino-

1967 Desaminierung von Menthyl- und Carvomenthylaminen 97

gruppe vorwiegend Alkohole und aus Aminen mit axialer Aminogruppe vorwiegend Kohlenwasserstoffe entstehen, trifft zu. Die Aussage iiber die Konfiguration der gebildeten Alkohole mu13 dagegen abgeandert werden. Aus Aminen mit aquatorialer Aminogruppe entstehen vorwiegend Alkohole gleicher Konfiguration, wahrend Amine mit axialer Aminogruppe in starkerem MaBe unter Waldenscher Umkehr reagieren. Das trifft auch fur 2-Methyl-5) und 4-tert.-Butyl-cyclohexylamine6~ zu.

R1 = CH3; R2 = CH(CH3)s oder R1 = CH(CH&; R l = CH3

Das primare und fur die Folgereaktionen wichtigste Zwischenprodukt ist das Kation 1. Dieses braucht aber fur die Weiterreaktion nicht die ebene Konfiguration des sp2-Zustandes eines Carbenium-Kations anzunehmen. Vielmehr reagiert es zu einem guten Teil noch aus der nicht ebenen Konfiguration des Diazonium-Ions heraus, aus dem es gerade entstanden ist. Daraus erklart sich der teilweise stereo- spezifische Verlauf der Reaktion. Anderenfalls muRte die Desaminierung von Menthyl- und Neomenthylamin mit salpetriger Saure uber dasselbe Carbenium-Ion zu den- selben Endprodukten fiihren.

Liebigs Ann. Chem. Bd. 707 7

98 H. Feltkamp, F. Koch und T. N . Thanh Bd. I01

Bildung von Alkoholen und ungesattigten Kohlenwasserstoffen aus dem Kation 1 (Substitution und Eliminierung)

Das primar entstehende Kation 1 kann sich entweder durch Eliminierung eines Protons oder durch Anlagerung einer Hydroxyl- bzw. Acetatgruppe stabilisieren. 1st kein Proton fur die Eliminierung gunstig angeordnet, so wird die Substitution bevorzugt sein. Das ist z. B. beim Menthylamin der Fall. Da die im ersten Schritt entstehende Elektronenlucke selbst noch aquatorial gerichtet ist, steht kein koplanares Proton am Ring zur Abspaltung zur Verfiigung. Der durch Substitution entstehende Alkohol hat dabei uberwiegend die Konfiguration des Menthylamins. Das gleiche gilt fur Carvomenthylamin und Neoisocarvomenthylamin. Fur das letztere bestatigt sich damit das Ergebnis der NMR-spektroskopischen Konformations- analysel), die 100 % des Konformeren mit aquatorialer Aminogruppe ergeben hatte.

Im Neomenthyl- und Neocarvomenthylamin dagegen ist nach Abspaltung des Stickstoffs koplanarer axialer Wasserstoff vorhanden. Das Kation 1 stabilisiert sich unter Eliminierung eines Protons. Dabei wird von den beiden verfugbaren axialen Protonen bevorzugt das tertiare abgespalten. Das fuhrt beim Neomenthylamin zu A3-, beim Neocarvomenthylamin zu Al- Menthen. Bei der Desaminierung des Isomenthyl- und Isocarvomenthylamins uberwiegt da- gegen die Abspaltung eines benachbarten sekundiren Protons. Es liegt nahe, hier an Be- teiligung einer cis-Eliminierung zu denken, die vielleicht durch die primare aquatoriale Elektronenlucke begunstigt sein konnte. Auch die Menthylformen bilden bei der Desami- nierung im Verhaltnis mehr Az-Menthen als die Neoformen, was als Stutze fur die Annahme einer cis-Eliminierung angesehen werden kann.

Die sekundaren Alkohole, die bei der Desaminierung der Neoformen gebildet werden, zeigen einen wesentlich hoheren Grad an Waldenscher Umkehr als die Alkohole aus der Desaminierung der anderen Formen. Das kann durch die Abschirmung der primar ent- stehenden Elektronenliicke durch die zwei syn-axialen Wasserstoffatome erklart werden, die dem Kation mehr Zeit laBt, die ebene Konfiguration zu erreichen und dann die Bildung beider isomerer Alkohole ermoglicht.

Hydridverschiebung Konnten die bisher diskutierten Reaktionsprodukte aus dem Kation 1 direkt entstehen,

so muB fur die Bildung anderer Endprodukte das Kation 2 als Zwischenstufe angenommen werden, das durch Hydridverschiebung aus 1 entstehen kann. Das Kation 2 kann dann in gleicher Weise reagieren wie 1 , namlich unter Eliminierung oder Substitution. Auf letzterem Wege werden die tertiaren Alkohole gebildet, die bei fast allen Desaminierungen in nennens- werter Menge gefunden werden. Sofern eine Verschiebung eines sekundaren Protons uber- haupt auftritt, bildet sich dabei das Kation 3, das wiederum unter Eliminierung oder Substi- tution reagieren kann. An Produkten, die dieses Kation als Zwischenstufe haben konnten, findet sich z. B. das Al-Menthen aus der Desaminierung des Isomenthylamins, dessen Ent- stehung allerdings auch anders erklart werden kann7). Auf jeden Fall tritt das Kation 3 nur in Spuren auf.

Elektronenverschiebung

Als letzte Moglichkeit der Auffullung der primaren Elektronenliicke kann noch eine Elektronenverschiebung eintreten, die z. B. eine Ringverengung zum Fiinfring bewirken wurde. Dabei entsteht ein Kation, das unter Eliminierung, Substitution oder Hydridver-

1967 Desaminierung von Menthyl- und Carvomenthylaminen 99

schiebung weiterreagieren kann (Kation 4). Obgleich hieriiber bei den Menthylaminen noch nichts Endgiiltiges gesagt werden kann, spricht manches dafur, daR die Alkohole und Kohlen- wasserstoffe unbekannter Struktur so gebildet sind. Verschiedene Parallelen dazu sind in letzter Zeit bekannt gewordens).

Alle hier angestellten Uberlegungen sind nur ein Versuch der qualitativen Erklarung experimenteller Ergebnisse. Eine quantitative Auswertung etwa im Hinblick auf den Anteil an axialen und aquatorialen Aminogruppen im Konformationsgleichgewicht is t nicht mo glich .

Beschreibung der Versuche

Desaminierung: 0.22 g Natriumnitrit in 2 ccm Wasser, 0.5 g Amins) und 0.2 g Eisessig wurden unter RuckfluS auf 60" erwarmt. Durch Zugabe von 0.04 g Eisessig in 0.5 ccm Wasser (UberschuR von 20% Eisessig) wurde die Reaktion in Gang gebracht. Nach 7 Stdn. wurde Natronlauge im UberschuB zugegeben und die wahrend der Reaktion gebildeten Ester durch 4stdg. Kochen verseift. Die Reaktionsprodukte wurden in Petrolather (30-35") aufgenom- men. Zur Entfernung von nicht umgesetzten Arninen wurde rnit verd. Salzsaure ausgeschiittelt, rnit gegliihtern Natriumsulfat getrocknet und uber Kolonne vorsichtig eingeengt.

Untersuchung der Reaktionsprodukte: Vor der Verseifung rnit Natronlauge und dem Aus- schutteln rnit Salzsaure wurden gaschromatographische Analysen durchgefiihrt. D a hierbei keine Anderungen auftraten, wurde stets die eingeengte Petrolatherlosung sofort nach der Umsetzung analysiert. Fur die Analyse auf gepackten Saulen (8 m Silicon DC 710, 10% auf Chromosorb W 30-60 mesh rnit 5 % KOH unterschichtet) wurde ein F & M Gaschromato- graph, Model1 810, rnit FID verwendet. Zur Trennung der 12- und A3-Menthene diente eine 50-m-PolypropenyIglykol-Kapillarsaule in einem Perkin-Elmer-Fraktometer 1 16 E. Arbeits- bedingungen fur gepackte Saulen 100-150", 70 ccm Nz/Min., fur Kapillarsaulen 1 lo", 1.3 at Nz. Die Identitat der Abbauprodukte wurde durch Vergleich mit authent. Material bewiesen 9). Soweit erforderlich, wurden die Vergleichssubstanzen der Probe zugemischt (z. 5. bei den schwierig zu trennenden A2- und 13-Menthenen). Die quantitative Zusammen- setzung wurde aus den Flachen der Peaks ermittelt. Die Gewichtsprozente wurden aus den Flachen rnit Hilfe der Forrnel

Mo1.-Gew. Anzahl der C-Atorne.12

f =

errechnet'o), deren Brauchbarkeit durch Analyse von Vergleichsrnischungen gesichert wurde.

8 ) H. Feltkamp, F. Koch und T. N . Thanh, Liebigs Ann. Chem. 707,78 (1967), voranstehend. 9) Herrn Professor Dr., Dr. h. c.mult. W. Hiickel danke ich sehr herzlich fur die uberlassung

10) R. Kaiser, Chrornatographie in der Gasphase, Bd. 1, S. 129, Bibliographisches Institut,

[84/671

von Vergleichssubstanzen.

Mannheim 1960.

7'