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Die elasto-plastische Einglattung rauer Oberflachen
und ihr Einfluss auf die Reibung
in der Umformtechnik
Der Technischen Fakultat
der Friedrich-Alexander-Universitat
Erlangen-Nurnberg
zur Erlangung des Doktorgrades
Doktor der Ingenieurwissenschaften
vorgelegt von
Franz Hauer
aus Nurnberg
Als Dissertation genehmigt
von der Technischen Fakultat
der Friedrich-Alexander-Universitat Erlangen-Nurnberg
Tag der mundlichen Prufung: 15.07.2014
Vorsitzende des Promotionsorgans: Prof. Dr.-Ing. habil. Marion Merklein
Gutachter: Prof. Dr.-Ing. habil. Kai Willner
Prof. Dr.-Ing. habil. Georg-Peter Ostermeyer
Schriftenreihe Technische Mechanik
Band 12 · 2014
Franz Hauer
Die elasto-plastische Einglattung rauer
Oberflachen und ihr Einfluss auf die
Reibung in der Umformtechnik
Herausgeber: Prof. Dr.-Ing. habil. Paul Steinmann
Prof. Dr.-Ing. habil. Kai Willner
Erlangen 2014
Impressum
Prof. Dr.-Ing. habil. Paul Steinmann
Prof. Dr.-Ing. habil. Kai Willner
Lehrstuhl fur Technische Mechanik
Universitat Erlangen-Nurnberg
Egerlandstraße 5
91058 Erlangen
Tel: +49 (0)9131 85 28502
Fax: +49 (0)9131 85 28503
ISSN 2190-023X
© Franz Hauer
Alle Rechte, insbesondere das
der Ubersetzung in fremde
Sprachen, vorbehalten. Ohne
Genehmigung des Autors ist
es nicht gestattet, dieses Heft
ganz oder teilweise auf
photomechanischem,
elektronischem oder sonstigem
Wege zu vervielfaltigen.
Vorwort
Die vorliegende Arbeit entstand wahrend meiner Tatigkeit als wissenschaftlicher
Mitarbeiter am Lehrstuhl fur Technische Mechanik der Friedrich-Alexander-Universitat
Erlangen-Nurnberg.
Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater, Herrn Professor Kai Willner. Er hat
sich immer Zeit fur fachliche Diskussionen genommen, war stets offen fur neue Ideen
und stand mir mit fachlichem Rat zur Seite. Seine Unterstutzung hat wesentlich zum
Gelingen dieser Arbeit beigetragen. Ganz besonders weiß ich die Freiheit zu schatzen,
dir er mir bei der Umsetzung meiner Arbeit gelassen hat.
Bei den Kollegen aus dem Sonderforschungsbereich Transregio 73 der Deutschen
Forschungsgemeinschaft mochte ich mich ganz herzlich fur die tolle Zusammenarbeit
bedanken. Mein besonderer Dank gilt meinem Projektpartner Dipl.-Ing. Hans Ulrich
Vierzigmann vom Lehrstuhl fur Fertigungstechnologie.
Herzlich bedanken mochte ich mich bei Herrn Professor Steinmann, dem Leiter des
Lehrstuhls fur Technische Mechanik. Er hat durch seine angenehme Art den Lehrstuhl
zu fuhren ein hervorragendes Arbeitsumfeld geschaffen.
Professor Georg-Peter Ostermeyer danke ich ganz herzlich fur die Ubernahme des
Zweitgutachtens sowie das gezeigte Interesse an meiner Arbeit.
Dipl.-Ing. Dominik Suß und Dipl.-Ing. Stefan Schmaltz mochte ich fur das Korrekturle-
sen meiner Arbeit danken.
Ein besonderer Dank gilt den Kolleginnen und Kollegen, die durch ihre Hilfsbereitschaft
und fachliche Diskussionen zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen haben. Die ange-
nehme Atmosphare und die gemeinsamen privaten Aktivitaten haben mir viel Freude
bereitet. Mein besonderer Dank gilt meinen Burokollegen Dipl.-Ing. Volker Barth und
Dipl.-Technomath. Oliver Schmitt.
Fur den personlichen Ruckhalt im privaten Umfeld geht ein großer Dank an meine
Familie und Freunde.
Erlangen, September 2014 Franz Hauer
Meinen Eltern gewidmet.
Inhaltsverzeichnis
Kurzfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
Abstract . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2
1 Einleitung 3
1.1 Problemstellung und Motivation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
1.2 Literaturubersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
1.3 Ziel und Aufbau der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
2 Oberflachencharakterisierung 9
2.1 Klassifizierung von Oberflachenunregelmaßigkeiten . . . . . . . . . . . . . 9
2.2 Rauheitskenngroßen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
2.3 Materialanteilkurve (Abbott-Kurve) und Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion 11
2.4 Mechanisch-rheologisches Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
2.5 Schichtaufbau metallischer Oberflachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
3 Kontaktmechanik 17
3.1 Normalkontakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
3.1.1 Hertzscher Kontakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
3.1.2 Normalkontakt rauer Oberflachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
3.2 Tangentialkontakt und Reibung in der Umformtechnik . . . . . . . . . . 23
3.2.1 Reibzahlmodell (Coulomb-Reibgesetz) . . . . . . . . . . . . . . . 23
3.2.2 Reibfaktormodell (Tresca-Reibgesetz) . . . . . . . . . . . . . . . . 24
3.2.3 Bowden-Tabor-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
3.2.4 Kontaktwachstum (Junction growth) . . . . . . . . . . . . . . . . 26
3.2.5 Orowan-Reibgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
3.2.6 Shaw-Reibgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
3.2.7 Wanheim-Bay-Reibgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
3.2.8 IFUM-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
3.3 Reibungszustande . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
4 Halbraumkontaktmodell 33
4.1 Grundlagen des linear elastischen Halbraummodells . . . . . . . . . . . . 33
4.1.1 Grundgleichungen der linearen Elastizitat . . . . . . . . . . . . . 34
4.1.2 Galerkin-Vektor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
4.1.3 Papkovich-Neuber-Potentiale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36
I
II INHALTSVERZEICHNIS
4.1.4 Boussinesq-Potentiale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38
4.1.5 Boussinesq-Losung fur normale Einzelkrafte . . . . . . . . . . . . 39
4.1.6 Cerruti-Losung fur tangentiale Einzelkrafte . . . . . . . . . . . . . 42
4.1.7 Einflussfunktionen fur die Oberflachendeformation aufgrund von
Flachenlasten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44
4.2 Kontaktmodellierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45
4.2.1 Kontaktdiskretisierung und Kontaktbedingungen . . . . . . . . . 45
4.2.2 Variationsansatz zur Losung des Kontaktproblems . . . . . . . . . 46
5 Numerische Umsetzung des Halbraummodells 49
5.1 Beschreibung des Kontaktproblems als lineares Gleichungssystem . . . . 49
5.2 Speicherbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
5.3 Active-Set-Strategie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
5.4 Numerische Losungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
5.4.1 Direkte Losung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
5.4.2 Das SOR- oder Relaxations-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . 52
5.4.3 Das Verfahren der konjugierten Gradienten . . . . . . . . . . . . . 53
5.4.4 Das Verfahren der konjugierten Gradienten mit integrierter Last-
regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54
5.5 Plastic-Set-Strategie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
5.6 Vergleich der Losungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57
5.7 Volumenerhaltung und Kontakt mit rauen Werkzeugen . . . . . . . . . . 59
5.8 Hydrostatisches Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60
5.8.1 Erkennung geschlossener Schmiertaschen . . . . . . . . . . . . . . 61
5.8.2 Iterative Bestimmung des Drucks in geschlossenen Schmiertaschen 62
6 Experimentelle Verifikation 65
6.1 Harteprufung nach Vickers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65
6.2 Einglattungsversuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66
7 Dreidimensionales plastisches Halbraummodell 73
7.1 Literaturubersicht bezuglich plastischer Halbraummodelle . . . . . . . . . 74
7.2 Aufbau des plastischen Halbraummodells . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75
7.3 Elastische Spannungen im Halbraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80
7.4 Eigenspannungsberechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83
7.4.1 Eigenspannungen im unendlichen Raum . . . . . . . . . . . . . . 84
7.4.2 Bestimmung der Eigenspannungen im Halbraum durch Superpo-
sition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89
7.5 Oberflachendeformation aufgrund plastischer Dehnungen im Halbraum . 93
7.5.1 Elastische Deformationsenergie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93
7.5.2 Satz von Betti . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94
7.5.3 Anwendung des Satzes von Betti auf die Berechnung der Ober-
flachendeformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94
INHALTSVERZEICHNIS III
7.6 Plastische Dehnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98
8 Ergebnisse der dreidimensionalen plastischen HR-Sim. 105
8.1 Kontakt einer Kugel mit einer glatten elasto-plastischen Ebene . . . . . . 105
8.2 Verfestigungseinfluss im Kontakt einer Kugel mit einer Ebene . . . . . . 108
8.3 Kontakt einer Kugel mit einer rauen elasto-plastischen Ebene . . . . . . 109
8.3.1 Untersuchung der Auflosungsabhangigkeit der Simulationsergebnisse115
8.3.2 Vergleich des dreidimensionalen mit dem vereinfachten plastischen
Halbraummodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117
8.3.3 Diskussion der Ergebnisse der Kontaktsimulationen mit dem drei-
dimensionalen plastischen Halbraummodell . . . . . . . . . . . . . 119
9 Reibgesetz 121
9.1 Numerische Identifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121
9.2 Implementierung in Simufact.forming . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123
9.3 Anwendung des Reibgesetzes in Umformsimulationen . . . . . . . . . . . 124
9.3.1 Numerische Identifikation des Reibfaktors anhand eines Stauch-
prozesses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125
9.3.2 Simulation eines mehrstufigen Umformprozesses . . . . . . . . . . 125
10 Zusammenfassung und Ausblick 133
A Anhang 137
A.1 Mathematische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137
A.2 Herleitungen und Berechnungen zum elastischen Halbraum . . . . . . . . 141
A.2.1 Dehnung und Spannung in Papkovich-Neuber-Darstellung . . . . 141
A.2.2 Detaillierte Darstellungen der Boussinesq-Potentiale . . . . . . . . 143
A.2.3 Spannungen und Verschiebungen unter normalen Einzellasten . . 148
A.2.4 Spannungen und Verschiebungen unter tangentialen Einzellasten . 151
Literaturverzeichnis 155
Kurzfassung/Abstract 1
Kurzfassung
Umformen ist ein leistungsfahiges und okonomisch sehr bedeutendes Fertigungsverfah-
ren. Um den industriellen Trends zu Funktionsintegration und Leichtbau gerecht zu
werden, mussen die aktuellen Fertigungsverfahren optimiert und neue Verfahren entwi-
ckelt werden. Ein vielversprechender Ansatz ist, durch Kombination von Operationen der
Blech- und Massivumformung zur Blechmassivumformung (BMU) Bauteilen mit Funk-
tionselementen aus flachigen Halbzeugen herzustellen. Aufgrund der großen Bedeutung
der Reibung fur die Ausformung von Funktionselementen ist ein geeignetes Reibgesetz
sehr wichtig fur die numerische Prozessauslegung in der Blechmassivumformung. Ein
solches Reibgesetz wird im Rahmen der vorliegenden Arbeit entwickelt.
Charakteristisch fur die Blechmassivumformung ist ein großes Spektrum an
Flachenpressungen und mehrstufige Prozesse. In mehrstufigen Prozessen beeinflusst
die Oberflacheneinglattung im Kontakt das Reibungsverhalten in den nachfolgenden
Prozessschritten. Deshalb muss die plastische Oberflacheneinglattung im Reibgesetz
berucksichtigt werden.
Fur die Simulation des Kontakts der rauen Oberflachen wird ein Halbraummodell ver-
wendet, in das zwei unterschiedliche Plastizitatsmodelle implementiert werden. Wahrend
eines der Plastizitatsmodelle auf der Limitierung der Flachenpressung auf der Oberflache
basiert, wird im zweiten Modell eine dreidimensionale Berechnung der plastischen De-
formation auf einer Volumendiskretisierung vorgenommen. Neben der elasto-plastischen
Verformung der rauen Oberflache wird auch die Ausbildung hydrostatischer Drucke im
Schmierstoff in geschlossenen Schmiertaschen modelliert.
Die numerischen Modelle werden durch Finite-Elemente-Simulationen, Hartepru-
fungen und einen Einglattungsversuch validiert. In den Einglattungsversuchen werden
die Oberflachen sowohl im trockenen, als auch im beolten Zustand durch einen ebenen
Stempel eingeglattet. Die Veranderungen der Rauheitskenngroßen, die Materialanteil-
kurven und die Wahrscheinlichkeitsverteilungen der Oberflachenhohen aus den Experi-
menten werden mit den Ergebnissen der Halbraumsimulationen verglichen.
Aus den Ergebnissen der Halbraumsimulationen wird ein Reibgesetz abgeleitet, dass
den Einfluss der Oberflacheneinglattung in vorhergehenden Prozessschritten abbildet.
Weil das Reibgesetz zudem sowohl fur niedrige, als auch hohe Flachenpressungen ge-
eignet ist, erfullt es die Anforderungen der Blechmassivumformung. Das entwickelte
Reibgesetz wird als Subroutine in das Finite-Elemente System Simufact.forming imple-
mentiert. Die Oberflacheneinglattung wird uber eine Oberflachenzustandsvariable, die
auch nach einer Neuvernetzung des Modells genutzt werden kann, berucksichtigt. An-
hand eines mehrstufigen Umformprozesses zur Herstellung eines Napfes mit aufgedickter
Zarge aus einem Blechhalbzeug wird der Einfluss des Reibgesetzes in einem Umform-
prozess demonstriert.
Schlagworter: Kontaktmechanik, raue Oberflachen, Halbraum, Umformtechnik, Simu-
lation, Versuch
2 Kurzfassung/Abstract
Abstract
Metal forming is an efficient production technique of great economic importance. The
current forming processes have to be optimised and new processes have to be developed
in order to keep up with the industrial trends to lightweight construction and functional
integration. A promising approach to fulfil these demands is the combination of sheet
and bulk metal forming operations to sheet-bulk metal forming (SBMF). A suitable
friction law is of great importance for the numerical process design, because friction has
a strong influence on the moulding of functional elements. The aim of this research work
is to develop such a friction law for sheet-bulk metal forming.
Characteristic for SBMF is a wide range of contact pressure and multi-stage pro-
cesses. The plastic surface smoothing in the contact has an influence on the friction in
subsequent process stages. Therefore the plastic smoothing of the surfaces in contact
has to be taken into account in the friction law.
For the contact simulation a halfspace model with two different plasticity models is
used. The first model is based on limiting the contact pressure to the surface hardness,
whereas three-dimensional plastic deformation on a volume discretisation is calculated
in the second model. Besides elastic-plastic deformation hydrostatic lubrication in closed
lubricant pockets is also taken into account.
The numerical halfspace models are verified by a smoothing test, hardness tests and
Finite-Element simulations. In the smoothing test rough surfaces are in contact with
a smooth surface in dry as well as in lubricated conditions. The changes of roughness
parameters, bearing area curves (Abbott curves) and probability distributions of surface
heights in the experiment are compared to simulation results.
The friction law is developed based on the results of halfspace simulations and expe-
riments. It fulfills the requirements of sheet-bulk metal forming, because it is suitable for
a wide range of contact pressures and takes the smoothing of surface roughness in multi-
stage processes into account. The friction law is implemented into the Finite-Element
system Simufact.forming as a user subroutine. The surface smoothing is incorporated
into the user subroutine by means of a surface state variable, which can be used in
conjunction with remeshing. The effect of the developed friction law is demonstrated in
a forming process of a cup with an increased wall thickness at the edge out of a sheet
metal.
Keywords: contact mechanics, rough surfaces, halfspace, metal forming, simulation,
experiment
Kapitel 1
Einleitung
1.1 Problemstellung und Motivation
Umformen ist ein etabliertes Fertigungsverfahren, das in zahlreichen Industriezweigen,
wie zum Beispiel der Automobil- und Haushaltsgerateindustrie, in großem Maße an-
gewandt wird. Die Reibung zwischen Werkzeug und Werkstuck spielt in der Umform-
technik eine bedeutende Rolle, denn sie hat entscheidenden Einfluss auf die im Prozess
herrschenden Krafte. Im Werkstuck beeinflusst die Reibkraft den Spannungszustand und
folglich den plastischen Stofffluss. Daher sind die Umsetzbarkeit von Produktentwurfen
und die Maßhaltigkeit der Endprodukte entscheidend von der Reibung abhangig. Seitens
des Werkzeugs hat die Reibung großen Einfluss auf den Verschleiß. Weil Reibung natur-
gemaß nur auf der Oberflache auftritt, ist sie umso bedeutender, je großer das Verhaltnis
von Oberflache zu Volumen des Werkstucks ist.
Der Trend zu Leichtbau und Funktionsintegration ist die Triebfeder fur die Kom-
bination von Blech- und Massivumformoperationen zur Herstellung komplexer Bauteile
aus Blechhalbzeugen mit Funktionselementen mittels Blechmassivumformung [46]. Cha-
rakteristisch fur die Reibung in der Blechmassivumformung ist das simultane Auftre-
ten niedriger Flachenpressungen, wie sie in der Blechumformung ublich sind, und ho-
her Flachenpressungen, wie sie in der Massivumformung ublich sind. Die gewunschten
Funktionselemente konnen haufig nicht in einem einzigen Prozessschritt realisiert wer-
den, so dass mehrstufige Prozesse zur Anwendung kommen. Bei mehrstufigen Prozessen
ist zu berucksichtigen, dass die Werkstuckoberflachen im Kontakt eingeglattet werden,
wodurch die Reibung in den nachfolgenden Prozessschritten beeinflusst wird.
Der Reibung kommt in der Blechmassivumformung besondere Bedeutung zu, weil
sie großen Einfluss auf die Ausbildung von Funktionselementen hat [76]. Daher ist eine
prazise Reibmodellierung essenziell fur die numerische Umformsimulation, die ein we-
sentlicher Bestandteil der Prozessauslegung ist. Hierzu ist ein geeignetes Reibgesetz er-
forderlich, das den speziellen Anforderungen der Blechmassivumformung gerecht wird.
Die wesentlichen Anforderungen sind die Eignung des Reibgesetzes fur niedrige und
große Flachenpressungen, sowie die Abbildung der Oberflacheneinglattung in mehrstu-
figen Prozessen.
3
4 1.2 Literaturubersicht
Die Reibung ist stark abhangig vom Verhaltnis der realen zur scheinbaren Kontakt-
flache, also dem Anteil der rauen Oberflache der tatsachlich im Kontakt steht. Messun-
gen zwischen metallischen Kontaktpartnern sind nur indirekt uber die elektrische oder
akustische Leitfahigkeit [32, 71] moglich. Optische Messungen zwischen einem metalli-
schen und einem optisch durchlassigen Werkstoff erlauben einen genauen Einblick in die
Wirkfuge, sind jedoch sehr aufwandig [12, 11].
Alternativen zu experimentellen Kontaktuntersuchungen stellen numerische Untersu-
chungen mit statistischen Modellen, Finite-Elemente-Modellen und Halbraummodellen
dar. Eine statistische Modellierung des Kontakts ist sehr leicht zu bewerkstelligen, ist
in ihrer Aussagekraft jedoch begrenzt, weil statistische Modelle die Interaktion zwischen
mehreren Kontaktstellen nicht berucksichtigen und folglich fur große Flachenpressungen
nicht geeignet sind.
Mit Finite-Elemente- und Halbraummodellen konnen dreidimensionale Kontaktsi-
mulationen, unter Berucksichtigung elasto-plastischen Materialverhaltens, durchgefuhrt
werden. Bei dreidimensionalen Kontaktsimulationen ist zu beachten, dass raue Ober-
flachen Fraktaleigenschaften aufweisen und daher die Oberflachen beschreibende Pa-
rameter und die Ergebnisse von Kontaktsimulationen auflosungsabhangig sind. An-
dererseits muss ein reprasentatives Oberflachensegment betrachtet werden [60]. Folg-
lich sind fur aussagekraftige Simulationsergebnisse eine feine Diskretisierung und eine
verhaltnismaßig große simulierte Flache notwendig, woraus ein großer numerischer Auf-
wand und entsprechende Berechnungszeiten folgen.
Finite-Elemente-Modelle ermoglichen eine elasto-plastische Kontaktsimulation auch
bei großen Deformationen. Jedoch fuhrt die Volumendiskretisierung zu einer großen An-
zahl an Freiheitsgraden und langen Berechnungszeiten. In Halbraummodellen hingegen
muss nur ein Gleichungssystem fur eine Oberflachendiskretisierung gelost werden, wor-
aus bei elastischer und vereinfachter elasto-plastischer Modellierung deutlich geringere
Berechnungszeiten folgen. Halbraummodelle basieren auf der linearen Kontinuumsme-
chanik und eignen sich daher nicht zur Simulation großer Deformationen.
1.2 Literaturubersicht
Weil das Verhaltnis der realen Kontaktflache zur scheinbaren Kontaktflache sehr großen
Einfluss auf die Reibung hat, gibt es eine Vielzahl an Modellen fur den Kontakt rau-
er Oberflachen. Das Archard-Modell [9], das Greenwood-Williamson-Modell [34] und
das Bush-Gibson-Thomas-Modell [23] befassen sich mit der statistischen Beschreibung
des Normalkontakts rauer Oberflachen. Diese Modelle sind aufgrund der rein elasti-
schen Kontaktmodellierung mittels der Hertzschen Kontakttheorie nur fur moderate
Flachenpressungen geeignet. Sie stellen einen linearen Zusammenhang zwischen der
Flachenpressung und der realen Kontaktflache her.
Das Bowden-Tabor-Modell [21, 22] geht von vollkommen plastischem Kontakt rauer
Oberflachen aus. In diesem Modell entspricht das Verhaltnis der realen Kontaktflache
Areal zur scheinbaren Kontaktflache Ao dem Verhaltnis der Flachenpressung p zur Ober-
1 EINLEITUNG 5
flachenharte H :
Areal
Ao
=p
H(1.1)
Die Oberflachenharte H entspricht dem circa 2,8-fachen der Fließgrenze des weicheren
Kontaktpartners. Das Bowden-Tabor-Modell eignet sich fur den Erstkontakt sehr rau-
er Oberflachen. Eine ausfuhrliche Beschreibung statistischer Kontaktmodelle und des
Bowden-Tabor-Modells sind in Kapitel 3 zu finden.
Ein wesentlicher Nachteil statistischer Kontaktmodelle ist die Nichtberucksichtigung
der Interaktion von Kontaktstellen durch die Oberflachendeformation. In Halbraummo-
dellen wird diese Interaktion von Kontaktstellen berucksichtigt. Somit kann auch der
Kontakt mit nahe zusammen liegenden Kontaktstellen modelliert werden. Pionierarbeit
auf dem Gebiet der Halbraummodelle wurde von Kalker [40] geleistet, der das Variations-
prinzip der Minimierung der komplementaren potentiellen Energie zur Losung des Kon-
taktproblems nutzt. Durch Limitierung der Flachenpressung auf die Oberflachenharte
entsprechend dem Bowden-Tabor-Modell kann das ursprunglich rein elastische Halb-
raummodell zur vereinfachten Modellierung elasto-plastischen Kontakts genutzt werden
[74, 84]. Kim et al. [41] nutzen ein solches vereinfachtes elasto-plastisches Halbraummo-
dell zur Simulation des Kontakts numerisch generierter fraktaler Oberflachen und be-
rechnen die, aus dem Kontakt folgenden, elastischen Spannungen im Halbraum mittels
analytischer Einflussfunktionen. Die vollstandige Kopplung des Normal- und Tangential-
kontakts wird von Willner vorgestellt [85]. Er zeigt, dass die Interaktion von Normal- und
Tangentialkraften im Kontakt einer glatten und einer rauen Oberflachen zumeist ver-
nachlassigt werden kann. Polonsky und Keer [61] nutzen ein Mehrgitterverfahren und
das konjugierte Gradienten-Verfahren zur Losung des Kontaktgleichungssystems. Ein
Vergleich von Gleichungslosungsverfahren fur Halbraummodelle wird von Allwood [8]
prasentiert.
Die Modellierung dreidimensionaler plastischer Deformationen auf einer Volumendis-
kretisierung des Halbraums wurde von Jacq et al. [38] entwickelt. Dieses Modells wird
in Kapitel 7 ausfuhrlich beschrieben. Dort findet sich auch eine Literaturubersicht zu
dreidimensionalen plastischen Halbraummodellen.
Die große Bedeutung der Reibung spiegelt sich in einer Vielzahl an Ansatzen zu ihrer
Modellierung wieder. Die klassischen Reibmodelle in der Umformtechnik sind das Reib-
zahlmodell und das Reibfaktormodell. Im Reibzahlmodell ist die maximale Reibkraft
proportional zur Flachenpressung, wahrend sie im Reibfaktormodell von der Schubfestig-
keit der Oberflache abhangig ist. Das Reibzahlmodell ist fur geringe Flachenpressungen
geeignet, das Reibfaktormodell hingegen eignet sich fur große Flachenpressungen. Oro-
wan [55] kombiniert beide Reibmodelle. Das Orowan-Reibgesetz verwendet bei nied-
rigen Flachenpressungen das Reibzahlmodell und bei großen Flachenpressungen das
Reibfaktormodell. Das Shaw-Reibgesetz [65, 66] und das Wanheim-Bay-Reibgesetz
[14, 15, 81] sind dem Orowan-Reibgesetz ahnlich, sie modellieren jedoch einen kontinuier-
lichen Ubergang zwischen Reibzahl- und Reibfaktormodell. Das IFUM-Reibgesetz [17]
berucksichtigt neben der Flachenpressung auch die Vergleichsspannung im Werkstuck
6 1.3 Ziel und Aufbau der Arbeit
und die Relativgeschwindigkeit zwischen Werkzeug und Werkstuck. Eine Diskussion der
Reibgesetze ist in Kapitel 3.2 zu finden.
In mehrstufigen Umformprozessen, wie sie insbesondere in der Blechmassivum-
formung auftreten, ist die Kontakthistorie, also die Einglattung der Oberflache in
aufeinanderfolgenden Prozessschritten zu berucksichtigen. Einen interessanten Bei-
trag hierzu stellt die Arbeit von Stahlmann et al. [70] dar. Es wird ein ex-
perimentell kalibriertes Modell zur Beschreibung der Oberflacheneinglattung in
Abhangigkeit von der Flachenpressung und Oberflachenvergroßerung genutzt. In Finite-
Elemente-Simulationen wird ein sogenanntes Hintergrundnetz verwendet, um den
Einglattungszustand der Oberflache in der Simulation eines Extrusionsprozesses bei Neu-
vernetzung vom alten Netz auf das neues Netz zu ubertragen.
1.3 Ziel und Aufbau der Arbeit
Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist die Entwicklung eines effizienten Halbraummodells
zur Simulation des Kontakts rauer Oberflachen. Hierbei soll elasto-plastisches Materi-
alverhalten und die Interaktion der Oberflachen mit Schmierstoffen berucksichtigt wer-
den. Aus den Halbraumsimulationen gewonnene Erkenntnisse sollen genutzt werden,
um ein Reibgesetz abzuleiten, das den speziellen Anforderungen der Blechmassivum-
formung gerecht wird. Das Reibgesetz muss sowohl fur geringe, als auch fur sehr große
Flachenpressungen geeignet sein. Zudem ist die plastische Oberflacheneinglattung in
mehrstufigen Prozessen zu berucksichtigen.
Es werden zwei Halbraummodelle implementiert. Im ersten Modell wird eine ver-
einfachte Modellierung der plastischen Oberflachendeformation durch Limitierung der
Flachenpressung auf die Oberflachenharte vorgenommen. Dieses Modell ist durch expe-
rimentelle Untersuchungen von Bowden und Tabor [22] sowie die theoretische Arbeit von
Hencky [36] motiviert und baut auf den Arbeiten von Tian und Bhushan [74] und Will-
ner [84] auf. Es wird im Folgenden”vereinfachtes plastisches Halbraummodell“ genannt
und zeichnet sich durch große Effizienz aus. Das zweite Modell basiert auf der Arbeit von
Jacq [38]. Es wird hier als”dreidimensionales plastisches Halbraummodell“ bezeichnet.
In diesem Modell wird die dreidimensionale plastische Deformation auf einer Volumen-
diskretisierung unter der Oberflache simuliert.
Kapitel 2 fuhrt in die Oberflachencharakterisierung ein und stellt mehrere Moglich-
keiten zur Beschreibung von Oberflacheneigenschaften vor. Diese werden in nachfol-
genden Kapiteln verwendet, um die Einglattung der Oberflachen im Kontakt zu be-
schreiben.
In Kapitel 3 werden die Grundlagen der Kontaktmechanik dargestellt. Fur den Nor-
malkontakt werden sowohl die Hertzsche Theorie fur den Normalkontakt elliptischer
Korper, als auch die statistischen Normalkontaktmodelle von Archard, Greenwood und
Williamson sowie Bush, Gibson und Thomas vorgestellt. Zudem werden die bedeu-
tendsten Reibmodelle der Umformtechnik dargestellt und ihre Eignung fur verschiedene
Flachenpressungen diskutiert. Anschließend wird der Einfluss von Schmierstoffen auf
1 EINLEITUNG 7
den Kontakt skizziert. Das dritte Kapitel schließt mit der Betrachtung der Auswirkun-
gen simultaner Normal- und Tangentiallasten (Junction growth) auf den Kontakt ab.
Kapitel 4 befasst sich mit den theoretischen Grundlagen des Halbraumkontaktmo-
dells. Anhand der Grundgleichungen der Kontinuumsmechanik, den Navier-Gleichungen
und den Papkovich-Neuber-Potentialen werden die analytischen Losungen fur den
Normal- und Tangentialkontakt von Boussinesq und Cerruti hergeleitet.
Aufbauend auf den in Kapitel 4 abgehandelten theoretischen Grundlagen werden
in Kapitel 5 die Diskretisierung und die numerische Umsetzung des Kontaktmodells
beschrieben. Hierbei wird ausfuhrlich auf die effiziente Losung des Kontaktgleichungs-
systems eingegangen. Anschließend werden das vereinfachte plastische Halbraummodell
und die Modellierung hydrostatischer Drucke in Schmierstoffen, die in Schmiertaschen
eingeschlossen sind, dargestellt.
In Kapitel 6 wird die experimentelle Verifikation des vereinfachten Halbraummo-
dells behandelt. Die Abhangigkeit der Oberflachenharte von der Eindringtiefe wird mit-
tels einer Harteprufung untersucht. In einem Einglattungsversuch werden Oberflachen
durch einen harten ebenen Stempel eingeglattet. Versuchsergebnisse werden fur tro-
ckenen und beolten Kontakt mit Simulationen verglichen. Hierzu werden sowohl Rau-
heitskenngroßen, Materialanteilkurven (Abbott-Kurven) als auch Wahrscheinlichkeits-
verteilungen der Hohen gegenubergestellt.
Kapitel 7 behandelt das dreidimensionale plastische Halbraummodell und be-
ginnt mit einer Literaturubersicht. Neben dem Grundkonzept und dem Aufbau des
Modells werden die benotigten Einflussfunktionen fur elastische Spannungen unter
Flachenlasten, Eigenspannungen aufgrund plastischer Dehnungen und plastischer Ober-
flachendeformation aufgrund plastischer Dehnungen dargestellt. Zu allen Einflussfunk-
tionen werden Vergleiche der eigenen Implementierung mit Beispielen aus der Literatur
gezeigt. Kapitel 7 beinhaltet zudem Ausfuhrungen zur Berechnung der plastischen Deh-
nungen.
Ergebnisse von Kontaktsimulationen mit dem dreidimensionalen plastischen Halb-
raummodell werden in Kapitel 8 dargestellt. Anhand des Vergleichs von Ergebnissen
von Halbraumsimulationen und Finite-Elemente-Simulationen des Kontakts einer Kugel
mit einer Ebene wird das dreidimensionale plastische Halbraummodell verifiziert. Der
Einfluss der Verfestigung auf den Kontakt wird ebenfalls am Beispiel des Kugelkon-
takts diskutiert. Des Weiteren werden Ergebnisse von Simulationen des Kontakts rauer
Oberflachen dargestellt.
In Kapitel 9 wird aus Ergebnissen der Halbraumsimulation ein Reibgesetz abgeleitet
und die Implementierung des Reibgesetzes als User-Subroutine in die Finite-Elemente-
Software Simufact.forming vorgestellt. Das Reibgesetz modelliert einen kontinuierlichen
Ubergang vom Reibzahlmodell zum Reibfaktormodell. Zudem berucksichtigt es die
Oberflacheneinglattung aus vorherigen Lastschritten. In der Implementierung des Reib-
gesetzes in Simufact.forming geschieht dies mittels einer Oberflachenzustandsvariable,
die bei Neuvernetzung auf das neue Netz ubertragen wird. Die Auswirkungen des entwi-
ckelten Reibgesetzes werden anhand eines mehrstufigen Umformprozesses zur Herstel-
lung eines Napfes mit aufgedickter Zarge aus einem Blechhalbzeug dargestellt.
Kapitel 2
Oberflachencharakterisierung
Die Gestalt von Oberflachen hat einen großen Einfluss auf zahlreiche Prozesse und Pro-
dukteigenschaften. Neben dem Kontakt- und Reibungsverhalten sind unter anderem die
thermische und elektrische Leitfahigkeit, die Lackierbarkeit sowie die Optik und Hap-
tik von der Oberflachengestalt abhangig. Aufgrund der großen Bedeutung der Ober-
flachengestalt gibt es zahlreiche Bestrebungen sie zu charakterisieren und quantifizieren.
Die Klassifizierung von Oberflachenrauheiten teilt die Abweichungen der Oberflachen
von ihrer idealen Gestalt in Abhangigkeit vom Verhaltnis von Lange zu Tiefe der Ge-
staltabweichung in verschiedene Klassen ein. Rauheitskenngroßen beschreiben die Rau-
heit durch skalare Werte. Zur statistischen Beschreibung von Oberflachen dienen die
Materialanteilkurve und die Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion. Eine Erweiterung der
Materialanteilkurve um die Unterscheidung offener und geschlossener Leerflachen er-
folgt durch das mechanisch-rheologische Modell. Neben der Oberflachengestalt ist auch
der Schichtaufbau des Werkstoffs unter der Oberflachen von großer Bedeutung fur das
Kontaktverhalten. All diese Moglichkeiten zur Oberflachencharakterisierung werden im
Folgenden skizziert.
2.1 Klassifizierung von Oberflachenunregel-
maßigkeiten
Technische Oberflachen weisen auch bei sorgfaltigster Fertigung stets Abweichungen der
Istoberflache von der Solloberflache auf. Diese Gestaltabweichungen konnen mit bloßem
Auge sichtbar oder nur wenige Nanometer groß sein. Daher ist eine Klassifizierung der
Abweichungen nach ihrer Großenordnung sinnvoll. Die DIN-Norm 4760 [1] unterscheidet
sechs Grade von Gestaltabweichungen. Gestaltabweichungen 1. Ordnung sind Formab-
weichungen. Sie sind nur bei Betrachtung der gesamten Oberflache zu erkennen. Wel-
ligkeiten (Gestaltabweichungen 2. Ordnung) sind als uberwiegend periodische Abwei-
chungen definiert, die ein Verhaltnis von Lange zu Tiefe zwischen 1000 : 1 und 100 : 1
aufweisen. Zumeist sind Welligkeiten mehrerer Wellenlangen uberlagert. Rauheiten (Ge-
staltabweichungen 3. bis 5. Ordnung) sind regelmaßig oder unregelmaßig wiederkehren-
de Abweichungen, deren Verhaltnis von Lange zu Tiefe zwischen 100 : 1 und 5 : 1 liegt.
9
10 2.2 Rauheitskenngroßen
Gestaltabweichungen 6. Ordnung sind sehr kleinskalige Abweichungen, die durch den
Aufbau des Werkstoffs begrundet sind.
2.2 Rauheitskenngroßen
Eine Gruppe sehr wichtiger Rauheitskenngroßen sind die Profilkenngroßen nach
DIN EN ISO 4287 [4]. Zu ihrer Bestimmung wird das Rauheitsprofil z(x) entlang einer
linienformigen Messstrecke der Lange lr ausgewertet. Die Mittellinie des Rauheitsprofils
muss eben sein und ihr arithmetischer Mittelwert muss null sein. In der Praxis wer-
den keine kontinuierlichen Profile ausgewertet, sondern diskrete Hohendaten zi an N
aquidistant verteilten Messpunkten. Eine haufig verwendete Rauheitskenngroße ist der
arithmetische Mittenrauwert Ra
Ra =1
lr
∫ lr
0
|z(x)| dx ≈ 1
N
N∑
i=1
|zi| . (2.1)
DerRa-Wert ist relativ unempfindlich gegenuber Storungen und eignet sich daher gut zur
Untersuchung von Oberflachenveranderungen [77]. Mit einer einzigen Rauheitskenngroße
ist es nicht moglich die Hohenverteilung einer Oberflache eindeutig zu beschreiben. So
kann ein sehr spitzes Profil den gleichen Ra-Wert wie ein welliges Profil haben [82]. Zur
Unterscheidung spitzer und welliger Profile ist der quadratische Mittenrauwert Rq besser
geeignet
Rq = σs =
√
1
lr
∫ lr
0
z2(x) dx ≈
√√√√ 1
N
N∑
i=1
z2i . (2.2)
Der Rq-Wert entspricht der Standardabweichung der Hohenverteilung σs und somit
der Wurzel ihrer Varianz. Weitere Informationen uber die Hohenverteilung enthalten
die Kenngroßen Schiefe und Kurtosis. Die Schiefe Rsk beschreibt die Asymmetrie der
Hohenverteilung
Rsk =1
R3q
1
lr
∫ lr
0
z(x)3 dx ≈ 1
R3q
1
N
N∑
i=1
z3i . (2.3)
Oberflachen, deren Hohenverteilung einer Normalverteilung (Gauß-Verteilung) ent-
spricht, haben eine Schiefe von Null. Auf ihnen treten Spitzen und Taler mit gleicher
Haufigkeit auf. Oberflachen mit schwach ausgepragten Talern und stark ausgepragten
Spitzen haben positive Schiefen. Verschlissene Oberflachen, deren Spitzen stark abgetra-
gen sind, haben negative Schiefen [41]. Die Kurtosis Rku beschreibt die Steilheit einer
Hohenverteilung
Rku =1
R4q
1
lr
∫ lr
0
z(x)4 dx ≈ 1
R4q
1
N
N∑
i=1
z4i . (2.4)
Eine normalverteilte Oberflache hat eine Kurtosis von drei. Oberflachen mit wenigen ho-
hen Spitzen und wenigen tiefen Talern haben eine Kurtosis kleiner drei. Eine Oberflache,
die sehr hohe Spitzen und sehr tiefe Taler aufweist hat eine Kurtosis großer drei.
2 OBERFLACHENCHARAKTERISIERUNG 11
Normgerechte Bestimmung von Rauheitskenngroßen
Rauheitskenngroßen unterliegen zahlreichen Einflussen und mussen daher gemaß klar
definierter Regeln bestimmt werden, um reproduzierbar und vergleichbar zu sein. Die
wesentlichen Einflussgroßen sind die Lange der Messstrecke, die Messauflosung und die
verwendeten Hoch- und Tiefpassfilter. Bei anisotropen Oberflachen ist in der Richtung
mit der großten Rauheit zu messen. Die Lange lr der Einzelmessstrecken ist in der
DIN EN ISO 4288-Norm [3] festgelegt. Weil die Lange der zu vermessenden Strecke
abhangig von der Rauheit ist (siehe Tabelle 2.1), kann es notwendig sein, die richtige
Messlange iterativ zu bestimmen. Ebenso verhalt es sich mit den Wellenlangen λc und λsder Tief- und Hochpassfilter, die in der DIN EN ISO-Norm 3274 [2] spezifiziert sind. Der
Tief- und der Hochpassfilter dienen dazu, Welligkeiten bzw. sehr kurzwellige Rauheiten
aus dem Rauheitsprofil herauszufiltern. Die Wellenlange λc des Tiefpassfilters entspricht
der Lange der Messstrecken lr. In der DIN EN ISO-Norm 3274 sind zudem der maximale
Radius der Messspitze rtip eines zur Rauheitsmessung verwendeten Tastschnittgerats
sowie der maximale Abstand ∆ x zwischen zwei Messpunkten spezifiziert.
Normgerechte Rauheitskenngroßen sind Mittelwerte aus funf Einzelmessungen. Vor
und nach der Messstrecke ist eine Vor- und Nachlaufstrecke der Lange lr/2 notwendig,
damit die Rauheitsfilter einschwingen konnen [77].
Ra in µm lr in mm λc in mm λs in µm rtip in µm ∆ x in µm
0,006 < Ra < 0,02 0,08 0,08 2,5 2 0,5
0,02 < Ra < 0,1 0,25 0,25 2,5 2 0,5
0,1 < Ra < 2 0,8 0,8 2,5 2 0,5
2 < Ra < 10 2,5 2,5 8 5 1,5
10 < Ra < 80 8 8 25 10 5
Tabelle 2.1: Parameter fur normgerechte Rauheitsmessungen
Flachenhafte Rauheitskenngroßen
Ahnlich wie an linienformigen Messprofilen konnen Rauheitskenngroßen auch an
flachigen Messdaten bestimmt werden. Anstatt der Bezeichnung”R“ tragen die flachigen
Großen die Bezeichnung”S“, also Sa anstatt Ra usw. Die Formeln zur Berechnung der
Kenngroßen entsprechen den Gleichungen (2.1) bis (2.4). Ihre normgerechte Bestimmung
ist in DIN EN ISO 25178 [5] geregelt.
2.3 Materialanteilkurve (Abbott-Kurve) und Wahr-
scheinlichkeitsdichtefunktion
Skalare Rauheitskenngroßen sind wichtige Werkzeuge zur Charakterisierung von Ober-
flachen, sie beschreiben die Hohenverteilung aber nicht eindeutig und sind wenig an-
schaulich. Die Materialanteilkurve (auch Abbott-Kurve oder Abbott-Firestone-Kurve ge-
12 2.3 Materialanteilkurve (Abbott-Kurve) und Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion
nannt) und die Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion beschreiben die Verteilung der Ober-
flachenhohe praziser und anschaulicher. Zur Bestimmung der Materialanteilkurve wer-
den horizontale Schnitte durch die Oberflache gelegt und in den Schnitten der Anteil der
durchdrungenen Flache (gestrichelte Linie in Abb. 2.1 a) bestimmt. Bei isotropen Ober-
flachen kann die Materialanteilkurve, bei aquivalentem Ergebnis, an einem Profil anstatt
der gesamten Oberflache ermittelt werden [77]. Die Materialanteilkurve beschreibt, wie
groß der Anteil der realen Kontaktflache bei einer Durchdringung der Oberflache durch
eine ideal glatte Oberflache ist. Die Oberflachendeformation im Kontakt bleibt hierbei
unberucksichtigt. Der Materialanteil, auch realer Kontaktflachenanteil αreal genannt,
kann als Quotient aus realer Kontaktflache Areal und scheinbarer Kontaktflache (gesam-
te Kontaktflache) Ao dargestellt werden
αreal =Areal
Ao. (2.5)
Die relative Haufigkeit einer bestimmten Oberflachenhohe z wird durch die Wahr-
scheinlichkeitsdichtefunktion φ(z) beschrieben. Die Flache unter der Wahrscheinlich-
keitsdichte-Kurve ist eins∫
∞
−∞
φ(z) dz = 1 . (2.6)
Die Materialanteilkurve kann auch als Integral uber die Wahrscheinlichkeitsdichtefunk-
tion von z bis unendlich aufgefasst werden. Abb. 2.2 zeigt die Materialanteilkurven
und Wahrscheinlichkeitsdichtefunktionen eines Bleches mit EDT-Oberflachenstruktur
(Electro Discharge Texturing) und einer Gaußschen Oberflache. Um Vergleichbarkeit
herzustellen, wurden die Standardabweichungen der Oberflachen angepasst. Die Wahr-
scheinlichkeitsdichtefunktion zeigt eine deutliche Abweichung der EDT-Oberflache von
der Gaußschen Oberflache fur z ≈ 2µm. In der Materialanteilkurve ist diese Abweichung
kaum erkennbar, weil im Gegensatz zur Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion keine lokale
Wahrscheinlichkeit der Hohe z, sondern ein kumulativer Wert aufgetragen ist. Dieses
Beispiel zeigt zum einen, dass nicht jede Oberflache eine Gaußsche Hohenverteilung hat,
0 20 40 60 80 100−4
−2
0
2
4
x
z
a)
0 20 40 60 80 100−4
−2
0
2
4
Materialanteil in %
z
b)
Abbildung 2.1: Hohenprofil mit Schnittlinie (a) und Materialanteilkurve (b)
2 OBERFLACHENCHARAKTERISIERUNG 13
0 25 50 75 100−6
−4
−2
0
2
4
6
Materialanteil in %
zin
µm
EDT-OberflacheGaußsche Oberflache
a)
−6 −4 −2 0 2 4 60
0.1
0.2
0.3
z in µm
φ(z
)
EDT-OberflacheGaußsche Oberflache
b)
Abbildung 2.2: Materialanteilkurven (a) und Wahrscheinlichkeitsdichtefunktionen (b)
zum anderen verdeutlicht es die prazisere Darstellung der Oberflachengestalt durch die
Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion.
2.4 Mechanisch-rheologisches Modell
Die Materialanteilkurve unterteilt die Kontaktflache in die reale Kontaktflache Areal
und die freie Kontaktflache. Sie eignet sich zur Beschreibung trockenen Kontakts. Zur
Charakterisierung des Oberflachenverhaltens im beolten Kontakt dient das mechanisch-
rheologische Modell. Analog zur Bestimmung des Materialanteils werden die Kontakt-
flachenanteile an horizontalen Schnitten durch die Oberflache bestimmt. Jedoch wird die
freie Kontaktflache zusatzlich in geschlossene Leerflachen Aclos und offene Leerflachen
Aopen unterteilt [68, 59, 60]
Ao = Areal + Aclos + Aopen . (2.7)
Aquivalent hierzu ist die Darstellung in Kontaktflachenanteilen
αreal + αclos + αopen = 1 . (2.8)
In Abb. 2.3 a ist exemplarisch die Aufteilung einer im Kontakt befindlichen Oberflache
in die einzelnen Kontaktflachen dargestellt. Offene Leerflachen, auch offene Schmierta-
schen genannt, haben eine Verbindung zum Rand des Kontaktgebiets. Folglich kann der
Schmierstoff aus offenen Leerflachen austreten. Druck- und Schubspannungen in offenen
Schmiertaschen sind von der Viskositat des Schmierstoffes und von der Relativgeschwin-
digkeit der Oberflachen in normaler und tangentialer Richtung abhangig. Geschlossene
Leerflachen, auch geschlossene Schmiertaschen genannt, haben keine Verbindung zum
Rand des Kontaktgebiets. Folglich kann der Schmierstoff nur sehr schwer entweichen
und es konnen sich große hydrostatische Drucke ausbilden.
Bei geringen Relativgeschwindigkeiten konnen die hydrodynamischen Spannungen
gegenuber den großen Spannungen in der realen Kontaktflache und den hohen hydro-
statischen Drucken in den geschlossenen Schmiertaschen vernachlassigt werden. Reib-
schubspannungen treten dann nur in Areal auf und die Flachenpressung wird in Areal
14 2.4 Mechanisch-rheologisches Modell
und Aclos ubertragen. Durch die Normalkraft in geschlossenen Schmiertaschen Fclos wird
die Normalkraft in der realen Kontaktflache Freal und folglich Areal verringert. Es gilt
F = Freal + Fclos . (2.9)
Somit reduziert der Schmierstoff in geschlossenen Schmiertaschen die Reibung, weil
er Anteile der Normalkraft F tragt, aber selbst keine nennenswerten Reibschubspan-
nungen ubertragt. Eine weitere aus dem mechanisch-rheologischen Modell abgeleitete
Große ist das Volumen der geschlossenen Schmiertaschen Vclos (Abb. 2.3 b). Es quan-
tifiziert die Fahigkeit einer Oberflache, Schmierstoffe aufzunehmen und wieder abzuge-
ben, wenn die Oberflache wahrend des Kontakts eingeglattet wird. Die stetige Abgabe
von Schmierstoff stellt die Ausbildung eines Mikroschmierfilms sicher. Dieser schutzt
die Oberflache vor Verschleiß und reduziert die Reibung. Als skalare Großen zur Ober-
flachencharakterisierung dienen der maximale Anteil der geschlossenen Schmiertaschen
αclos,max und ihr maximales Volumen Vclos,max. Sie eignen sich insbesondere zum Ver-
gleich von Oberflachen bezuglich ihrer Interaktion mit Schmierstoffen.
Die reibungsreduzierende Wirkung eines großen Anteils geschlossener Leerflachen
[59, 60] und eines großen Volumens geschlossener Schmiertaschen [60] konnte im Ring-
stauchversuch mit anschließender Torsion experimentell bestatigt werden. Auch im
Streifenziehversuch konnte eine verringerte Reibung bei großerem Anteil geschlossener
Schmiertaschen beobachtet werden [60].
Um reprasentative Ergebnisse bei der Bestimmung der Kontaktflachenanteile zu er-
zielen, muss eine ausreichend große Oberflache untersucht werden. Die Große der re-
prasentativen Oberflache ist abhangig von der Oberflachenstruktur und muss jeweils
anhand des konkreten Beispiels ermittelt werden. In Abb. 2.4 b sind die Kontakt-
flachenanteile eines Bleches mit EDT-Oberflachenstruktur in Abhangigkeit von der Kan-
tenlange L der Oberflache bei konstanter Durchdringung dargestellt. Die Veranderungen
der Flachenanteile sind ab einer Kantenlange von 2,5mm gering. Folglich kann von ei-
ner reprasentativen Oberflache ausgegangen werden, wenn ihre Kantenlange mindestens
2,5mm betragt.
0 2,5 5 7,5 100
25
50
75
100
uo in µm
αin
%
αrealαclosαopen
a)
0 2,5 5 7,5 100
0,05
0,1
0,15
0,2
0,25
uo in µm
Vclos
inml
m2
b)
Abbildung 2.3: Charakterisierung einer Beispieloberflache mittels des mechanisch-
rheologischen Modells in Kontaktflachenanteile (a) und eingeschlossenes Volumen (b)
2 OBERFLACHENCHARAKTERISIERUNG 15
Areal
Aclos
Aopen
a)
0 1 2 30
25
50
75
100
L in mm
αin
%
αrealαclosαopen
b)
Abbildung 2.4: Aufteilung der Kontaktflache in ihre Flachenanteile (a) und Flachen-
anteile in Abhangigkeit von der Kantenlange der Oberflache (b)
2.5 Schichtaufbau metallischer Oberflachen
Aufgrund von Fertigungs- und Umgebungseinflussen unterscheiden sich Oberflachen in
ihren mechanischen Eigenschaften maßgeblich vom Grundmaterial. Daher wird von in-
nen nach außen zwischen den drei Bereichen Grundmaterial, innere Grenzschicht und
außere Grenzschicht unterschieden [27]. Die innere Grenzschicht, auch Beilby-Schicht
genannt, hat die gleiche chemische Zusammensetzung wie das Grundmaterial, ist jedoch
durch spanende oder umformende Fertigungsverfahren plastisch deformiert und verfes-
tigt. Hier treten haufig Eigenspannungen auf. Die außere Grenzschicht besteht, von in-
nen nach außen, aus einer Oxidschicht und einer Adsorptionsschicht. In der Adsorptions-
schicht sind gasformige und flussige Stoffe aus dem Umgebungsmedium angereichert [27].
Die im Vergleich zum Grundmaterial veranderten mechanischen und chemischen Eigen-
schaften der Oberflachen beeinflussen das Kontakt- und Reibungsverhalten maßgeblich.
Kapitel 3
Kontaktmechanik
In diesem Kapitel werden die Grundlagen der Kontaktmechanik rekapituliert. Auf die
Beschreibung analytischer und statistischer Normalkontaktmodelle in Kap. 3.1 folgt in
Kap. 3.2 die Darstellung der wesentlichen Reibmodelle in der Umformtechnik. Die, von
der Relativgeschwindigkeit zwischen Werkzeug und Werkstuck abhangigen, Reibungs-
zustande werden in Kap. 3.3 erlautert.
3.1 Normalkontakt
3.1.1 Hertzscher Kontakt
Einen bedeutenden Beitrag zur Kontaktmechanik stellt die Hertzsche Kontakttheorie
dar [37, 39]. Heinrich Hertz beschaftigte sich mit optischer Interferenz und wollte die
elastische Deformation sich beruhrender Linsen bestimmen. Dabei fand er 1880 ana-
lytische Losungen fur die Flachenpressung und Oberflachendeformation im elastischen
nicht-konformen Kontakt elliptischer Korper. Nicht-konformer Kontakt bedeutet, dass
die Abmessungen der Kontaktflache sehr viel kleiner als die Abmessungen der Kon-
taktkorper und sehr viel kleiner als ihre Radien im Bereich der Kontaktflache sind. Die
Hertzsche Kontakttheorie setzt kleine Deformationen und Reibungsfreiheit voraus. Fur
den Radius der Kontaktflache a im Kontakt einer Kugel mit dem Radius R und einer
Ebene gilt
a =
(3FR
4E∗
)1/3
, (3.1)
wobei F die Kontaktnormalkraft ist. Fur den Kontakt zweier Kugeln der Radien R1 und
R2 gilt
1
R=
1
R1+
1
R2. (3.2)
Die Querkontraktionszahlen und Elastizitatsmoduln beider Kontaktpartner werden mit-
tels
1
E∗=
1− ν21E1
+1− ν22E2
(3.3)
17
18 3.1 Normalkontakt
berucksichtigt. Fur die elastische Deformation d im Zentrum des Kontakts und die
Flachenpressung po im Zentrum des Kontakts gelten
d =a2
R=
(9F 2
16RE∗2
)1/3
(3.4)
und
po =3F
2πa2=
(6FE∗2
π3R2
)1/3
. (3.5)
Die Gleichung
p = po
√
1−(r
a
)2
(3.6)
mit
r =√
x2 + y2 (3.7)
beschreibt die Flachenpressung im Kontaktgebiet (r ≤ a). Fur die Spannungen auf der
Oberflache in radialer, tangentialer und normaler Richtung gilt im Hertzschen Kontakt
innerhalb des Kontaktgebiets [39]
σrpo
=1− 2ν
3
a2
r2
1−(
1− r2
a2
)3/2
−(
1− r2
a2
)1/2
, (3.8)
σθpo
= −1 − 2ν
3
a2
r2
1−(
1− r2
a2
)3/2
− 2ν
(
1− r2
a2
)1/2
(3.9)
und
σzpo
= −(
1− r2
a2
)1/2
. (3.10)
Fur die Spannungen entlang der z-Achse (der Normalen zur Oberflache) gilt
σrpo
=σθpo
= −(1 + ν)
1− z
aarctan
(a
z
)
+1
2
(
1 +z2
a2
)−1
(3.11)
und
σzpo
= −(
1 +z2
a2
)−1
. (3.12)
Fur ν = 0,3 hat die Hauptschubspannung τ1 = 1/2 |σz − σθ| ihr Maximum
τ1max = 0,31 po (3.13)
auf der z-Achse in einer Tiefe von z = 0,57 a unter der Oberflache. Legt man die
Schubspannungshypothese von Tresca zugrunde, so kommt es bei einer Flachenpressung
3 KONTAKTMECHANIK 19
po von 1,61 mal der Fließgrenze σy erstmals zu plastischer Deformation. Bei konstan-
ter Flachenpressung auf einem kreisformigen Oberflachensegment und ν = 0,3 hat die
Hauptschubspannung ihr Maximum
τ1 max = 0,33 po (3.14)
auf der z-Achse in einer Tiefe von z = 0,64 a unter der Oberflache. In diesem Fall
kommt es ab einer Flachenpressung von p = 1,52 σy zu plastischer Deformation. Eine
ausfuhrliche Diskussion der Hertzschen Theorie und die Spannungen unter konstanter
Flachenlast sind in [39] zu finden. In Abb. 3.1 sind die Spannungen unter konstanter
Flachenlast bzw. Hertzscher Pressung auf der Oberflache und auf der z-Achse dargestellt.
1 0 1
0
−0,5
−1
Konstant Hertz
r/a
σ/p
σr/pσθ/pσz/p
a)
−1 −0,5 0 −0,5 −13
2
1
0Konstant Hertz
σ/p
z/a
σr/pσθ/pσz/p−τ1/p
b)
Abbildung 3.1: Spannungen auf der Oberflache (a) und entlang der z-Achse (b) unter
konstanter bzw. Hertzscher Flachenpressung
3.1.2 Normalkontakt rauer Oberflachen
Weil technische Oberflachen niemals vollkommen glatt sind, kommt es bei flachigen Kon-
takten immer zu einer Vielzahl an Kontaktstellen. Im Folgenden werden mit den Kon-
taktmodellen von Archard, Greenwood und Williamson sowie Bush, Gibson und Thomas
drei statistische Modelle fur den Kontakt rauer Oberflachen vorgestellt. Wie in Kapitel
3.2 erlautert wird, hat das Verhaltnis von realer Kontaktflache Areal zu Normalkraft F
eine große Bedeutung fur die Reibung, weshalb diese Beziehung hier besondere Beach-
tung findet. Allen hier vorgestellten statistischen Kontaktmodellen liegt die Betrachtung
der Einzelkontakte als Hertzsche Kontakte zugrunde.
Archard-Modell
Fur den Kontakt einer Oberflache mit vielen spharischen Rauheitsspitzen mit iden-
tischem Radius und gleichmaßig verteilten Hohen konnte Archard zeigen, dass
Areal ∝ F 4/5 gilt [9]. Wenn die spharischen Rauheitsspitzen (Radius R1) von klein-
skaligeren Rauheiten (Radius R2 ≪ R1) uberlagert werden gilt Areal ∝ F 14/15 [10].
20 3.1 Normalkontakt
Bei Uberlagerung mit weiteren Rauheitsspitzen noch kleinerer Großenordnung
(R3 ≪ R2 ≪ R1) ist die reale Kontaktflache nahezu proportional zur Kontaktnormal-
kraft (Areal ∝ F 44/45). Ist eine einzelne spharische Rauheitsspitze (R1) von spharischen
Rauheitsspitzen kleinerer Skala (R2 ≪ R1) uberlagert, dann gilt Areal ∝ F 8/9. Das
Verhaltnis andert sich zu Areal ∝ F 26/27, wenn weitere Rauheitsspitzen noch kleinerer
Skala hinzukommen (R3 ≪ R2 ≪ R1). Je mehr Großenskalen betrachtet werden, desto
mehr nahert sich das Verhaltnis zwischen realer Kontaktflache und Kontaktnormalkraft
einer linearen Beziehung an. Aus (3.1) folgt fur Hertzsche Kontakte Areal ∝ F 2/3. Bei
Oberflachen mit mehrskaliger Rauheit wachst mit der Flachenpressung nicht nur die
Große der bestehenden Kontaktflachen, sondern es bilden sich auch neue Kontaktstel-
len. Daher ist das Wachstum der realen Kontaktflache mit steigender Flachenpressung
bei rauen Oberflachen großer als bei Einzelkontakten.
Greenwood-Williamson-Modell
Ein weiteres Modell fur den elastischen Normalkontakt rauer Oberflachen wurde von
Greenwood und Williamson entwickelt [34]. Die Autoren betrachten eine Oberflache
mit spharischen Rauheiten normalverteilter Hohe und konstantem Radius R. Die Wahr-
scheinlichkeit einer Spitzenhohe z ≥ g wird durch die Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion
φ(z) beschrieben
prob(z ≥ g) =
∫∞
g
φ(z) dz . (3.15)
Die Anzahl der in Kontakt befindlichen Rauheitsspitzen n ist durch die Funktion φ(z)
und die Gesamtzahl der Rauheitsspitzen N gegeben
n = N
∫∞
g
φ(z) dz . (3.16)
Mit den Hertzschen Gleichungen fur den Kontakt eines einzelnen spharischen Korpers i
mit einer Ebene
Ai = π R di (3.17)
und
Fi =4
3
√RE∗ d
3
2
i (3.18)
konnen unter Verwendung von (3.16) die reale Kontaktflache Areal und die Kontakt-
normalkraft F in Abhangigkeit von der Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion dargestellt
werden
Areal = π N R
∫∞
g
(z − g)φ(z) z (3.19)
und
F =4
3
√RE∗
∫∞
g
(z − g)3
2φ(z) dz . (3.20)
3 KONTAKTMECHANIK 21
Durch die Normierung von z und g mit der Standardabweichung σs der Spitzenhohen
ergibt sich mit
s =z
σsund k =
g
σs(3.21)
eine normierte Hohenverteilung φ(s), deren Standardabweichung eins ist. Durch den
Parameter η wird die Anzahl der Rauheiten pro Flache beschrieben
η =N
Ao
. (3.22)
Es folgt fur die reale Kontaktflache und die mittlere Flachenpressung pmean
Areal = π η AoRσs
∫∞
k
(s− k)φ∗(s) ds (3.23)
und
pmean =4
3η√RE∗ σ
3
2
s
∫∞
k
(s− k)3
2 φ∗(s) ds . (3.24)
Fur eine vollstandige Normalverteilung der Rauheitsspitzen ist keine analytische Losung
bekannt. Weil das Greenwood-Williamson-Modell, wie auch das Archard-Modell, keine
Interaktion zwischen den Rauheitsspitzen berucksichtigt, ist das Modell nur fur klei-
ne Kontaktflachenanteile geeignet. Folglich ist es ausreichend, nur die Verteilung der
hochsten Rauheitsspitzen genau zu beschreiben. Dies gelingt mit der Exponentialfunk-
tion
φ∗(s) = e−s . (3.25)
Es folgt
Areal = π η R σsAo e−k (3.26)
und
pmean =√π η RσsE
∗
√σsRe−k . (3.27)
Fur das Verhaltnis aus realer Kontaktflache und Gesamtflache gilt
Areal
Ao=pmean
E∗
√
πR
δ. (3.28)
Somit existiert neben dem Archard-Modell ein weiteres elastisches Kontaktmodell, dass
eine lineare Beziehung zwischen Flachenpressung und realer Kontaktflache herstellt.
Neben dem Kontaktgesetz fuhren Greenwood und Williamson in [34] den Plasti-
zitatsindex ψ ein. Sie nutzen die Erkenntnis, dass plastische Deformation einsetzt, wenn
die Flachenpressung ca. dem 0,6-fachen der Oberflachenharte H entspricht [39, 72]
22 3.1 Normalkontakt
(vgl. (3.13)). Mit der Hertzschen Gleichung fur die Oberflachendeformation im Kon-
takt einer Kugel mit einer Ebene
d =(π
2
)2
p2oR
E∗2(3.29)
(vgl. (3.4) und (3.5)), gilt fur die Oberflachendeformation bei Einsetzen plastischer De-
formation
dplast = 0, 89H2 R
E∗2. (3.30)
Weil das Einsetzen plastischer Deformation schwer zu detektieren ist, runden Greenwood
und Williamson auf und erhalten
dplast = H2 R
E∗2. (3.31)
Analog zu (3.15) wird die Wahrscheinlichkeit fur plastischen Kontakt eingefuhrt
prob(z ≥ g + dplast) =
∫∞
g+dplast
φ(z) dz . (3.32)
Mit
d∗plast =dplastσs
(3.33)
gilt fur die plastische Kontaktflache
Aplast = π η R σsAo
∫∞
k+d∗plast
(s− k)φ∗(s) ds . (3.34)
Anhand einer Parameterstudie identifizieren Greenwood und Williamson den Plasti-
zitatsindex ψ als geeignete Große zur Beurteilung von Oberflachen bezuglich ihrer Nei-
gung zu plastischer Deformation
ψ =1
√d∗plast
=E∗
H
√σsR. (3.35)
Oberflachen mit ψ < 0,6 plastifizieren erst bei sehr großen Lasten merklich, wohingegen
bei ψ > 1 selbst bei sehr kleinen Lasten betrachtliche plastische Deformation auftritt.
Bush-Gibson-Thomas-Modell
Bush, Gibson und Thomas zeigen, dass raue Oberflachen durch Paraboloide besser ap-
proximiert werden als durch Spharen [23]. Sie nutzen das Zufallsprozess-Modell von Na-
yak [51] zur Beschreibung der Hohenverteilung. Aus der Hertzschen Kontakttheorie und
der statistischen Beschreibung der Oberflache ergeben sich folgende Beziehungen zwi-
schen dem normierten Abstand der Oberflache in Normalenrichtung γ und der realen
Kontaktflache sowie der Normalkraft
Areal(γ) =1
2√2 π γ
exp
(
−1
2γ2)
(3.36)
3 KONTAKTMECHANIK 23
und
F (γ) = Ao p(γ) =E∗
2 π γ
√m2
2exp
(
−1
2γ2)
(3.37)
mit
γ =g
σs. (3.38)
Fur das zweite Moment der Wahrscheinlichkeitsverteilung m2 gilt mit der Standardab-
weichung σs und der Transitionslange der Oberflache xT [86]
m2 = 2
(σsxT
)2
. (3.39)
Die Transitionslange ist der Abstand zwischen zwei Oberflachenpunkten, bei dem der
Ubergang von fraktalem zu stationarem Oberflachenverhalten stattfindet [86]. Aus (3.36)
und (3.37) kann das Kontaktflachenverhaltnis bestimmt werden. Es gilt
Areal
Ao
=p
E∗
√π
m2
. (3.40)
Wie das Archard- und das Greenwood-Williamson-Modell stellt das Bush-Gibson-
Thomas-Modell einen linearen Zusammenhang zwischen der Flachenpressung und der
realen Kontaktflache her, berucksichtigt aber ebenfalls nicht die Interaktion von Rau-
heitsspitzen.
3.2 Tangentialkontakt und Reibung in der Umform-
technik
Die große Bedeutung der Reibung fur die Umformtechnik spiegelt sich in einer Viel-
zahl an Reibgesetzen unterschiedlicher Komplexitat wieder. Die einfachsten und ge-
brauchlichsten Reibgesetze sind das Reibzahl- und Reibfaktormodell.
3.2.1 Reibzahlmodell (Coulomb-Reibgesetz)
Das Reibzahlmodell, das zu Ehren des Physikers Charles Coulomb (1736-1806) sehr
haufig als Coulombsches Reibgesetz bezeichnet wird, ist das wohl bekannteste und in den
Ingenieurwissenschaften meistgenutzte Reibgesetz. Die dem Reibzahlmodell zugrunde
liegenden Erkenntnisse waren schon Leonardo da Vinci (1452-1519) bekannt [62]. Dies
sind die Proportionalitat zwischen Reib- und Normalkraft und die Unabhangigkeit der
Reibkraft von der Große der Kontaktflache. Die Reibschubspannung τr ist im Reibzahl-
modell das Produkt aus der Reibzahl µ und der Flachenpressung p
τr = µ · p . (3.41)
24 3.2 Tangentialkontakt und Reibung in der Umformtechnik
Die Reibschubspannung ist der Relativbewegung entgegengesetzt. Weil die Reibung im
Haftfall in der Regel deutlich großer ist als im Gleitfall wird haufig zwischen der Haft-
reibzahl µH und der Gleitreibzahl µG unterschieden.
Im Reibzahlmodell steigt die berechnete Reibschubspannung proportional zur
Flachenpressung an und kann die Schubfließgrenze des weicheren Kontaktpartners
ubersteigen. Daher ist das Reibzahlmodell nicht fur große Flachenpressungen geeignet.
3.2.2 Reibfaktormodell (Tresca-Reibgesetz)
Das Reibfaktormodell definiert eine maximal ubertragbare Reibschubspannung. Sie ist
von der Schubfließgrenze k des weicheren Kontaktpartners und dem Reibfaktor m
abhangig
τr = m · k . (3.42)
Fur die Proportionalitatskonstante m gilt 0 ≤ m ≤ 1. Sie dient zur Berucksichtigung
der im Vergleich zum Grundmaterial zumeist geringeren Schubfestigkeit der Oberflache,
beziehungsweise eines Schmierfilms oder Verunreinigungen der Kontaktzone. Die maxi-
male Reibkraft im Reibfaktormodell ist unabhangig von der Normalkraft, aber abhangig
von der Große der Kontaktflache. Bei Reibschubspannungen unterhalb von τr kommt
es im Reibfaktormodell zu keiner Relativverschiebung der Oberflachen. Bei geringen
Flachenpressungen fuhrt dies zu einer Uberschatzung der Reibung. Die Schubfließgren-
ze k hangt von der Fließgrenze σy des Werkstoffs und von der verwendeten Vergleichs-
spannungshypothese ab. Bei Verwendung der Tresca-Fließbedingung gilt
τr = m · σy2, (3.43)
bei Verwendung der von-Mises-Fließbedingung gilt
τr = m · σy√3. (3.44)
3.2.3 Bowden-Tabor-Modell
Coulomb sieht die Verzahnung von Mikrorauheiten als Ursache der Reibung an. In die-
ser Modellvorstellung ist die Reibkraft proportional zum Steigungswinkel der Rauheits-
flanken. Die wesentliche Schwache dieses Modells ist die Tatsache, dass exakt die glei-
che Energie, die notwendig ist eine Rauheitsspitze zu uberwinden, beim Abgleiten der
Ruckseite selbiger Rauheitsspitze wieder frei werden muss. Somit musste die Reibkraft
im Mittel gleich Null sein. Zudem konnte in Experimenten gezeigt werden, dass im Kon-
takt zweier sehr glatter Oberflachen sehr hohe Reibkoeffizienten auftreten konnen [22].
Bowden und Tabor sehen die Ursache der Reibung in Adhasionskraften zwischen in
direktem Kontakt stehenden Bereichen der Oberflache. Weil reale Oberflachen nie voll-
kommen eben sind, bilden sich Kontaktstellen bei moderaten Flachenpressungen nur
in den Rauheitsspitzen aus. Dort bilden die in direktem Kontakt stehenden Bereiche
die reale Kontaktflache Areal. Diese ist fur maßige Flachenpressungen kleiner als die
3 KONTAKTMECHANIK 25
gesamte Oberflache Ao und nahert sich bei sehr großen Flachenpressungen Ao an. Das
Verhaltnis von realer zu scheinbarer Kontaktflache wird als realer Kontaktflachenanteil
αreal bezeichnet (vgl. Kap 2.3)
αreal =Areal
Ao, 0 ≤ αreal ≤ 1 . (3.45)
Im Bowden-Tabor-Modell ist die ubertragbare Reibschubspannung das Produkt aus rea-
lem Kontaktflachenanteil und der Schubfestigkeit der Oberflache τmax
τr = αreal · τmax . (3.46)
Das Bowden-Tabor-Modell kann als lokales Reibfaktormodell in der realen Kontaktflache
interpretiert werden
τr = αreal ·m · k . (3.47)
Wenn der Anteil der realen Kontaktflache linear von der Flachenpressung abhangig
ist, entspricht das Bowden-Tabor-Modell dem Reibzahlmodell. Fur elastische Kontakte
ist dies zum Beispiel im Archard-, Bush-Gibson-Thomas- und Greenwood-Williamson-
Modell der Fall (vgl. Kap. 3.1.2). Fur den elasto-plastischen Kontakt konnte Hencky in
analytischen Untersuchungen zeigen, dass die lokale Flachenpressung im Kontakt einer
einzelnen Rauheitsspitze das ca. 2,8-fache der Fließgrenze nicht ubersteigen kann [36].
Diese Erkenntnis wurde von Bowden und Tabor experimentell bestatigt [22]. Die kriti-
sche Flachenpressung wird als die Oberflachenharte H bezeichnet
H ≈ 2,8 σy . (3.48)
Im Fall rein plastischen Kontakts ist die reale Kontaktflache direkt proportional zur
Flachenpressung
αreal =p
H. (3.49)
Aus (3.47) und (3.49) folgt
τr =p ·m · kH
. (3.50)
Mit (3.50) gilt fur das Reibzahlmodell (3.41)
µ =m · kH
. (3.51)
Mit dem Bowden-Tabor-Modell der Adhasion in der realen Kontaktflache kann also so-
wohl das Reibzahlmodell fur niedrige Flachenpressungen, als auch das Reibfaktormodell
fur hohe Flachenpressungen erklart werden.
26 3.2 Tangentialkontakt und Reibung in der Umformtechnik
3.2.4 Kontaktwachstum (Junction growth)
Bei großen Reibzahlen bzw. Reibfaktoren kann die Oberflachenharte im Bowden-Tabor-
Modell nicht als unabhangig von der Reibschubspannung betrachtet werden [22, 73].
Durch die simultane Wirkung von Normal- und Tangentiallasten auf der Oberflache
setzt die Plastifizierung der Oberflache bei geringerer Flachenpressung ein, als bei rei-
ner Normalbelastung. Fur das akademische Beispiel des simultanen Normal- und Tan-
gentialkontakts eines Stabes mit einer Ebene gilt unter Verwendung der von-Mises-
Vergleichsspannung
σ2y = p2 + 3 τ 2r . (3.52)
Im Kontakt zweier rauer Oberflachen lautet die Beziehung allgemein [22]
γ σ2y = α p2 + β τ 2r . (3.53)
Mit H = 2,8 σy folgt
2,82 σ2y = p2 + β τ 2r . (3.54)
Weil es bei reiner Tangentialbelastung mit τmax zum plastischen Fließen kommen muss,
folgt mit τmax = σy/√3
β =2,82 σ2
y
τ 2max
= 23,5 . (3.55)
Fur die Oberflachenharte unter Normal- und Tangentiallast H∗(τ) gilt folglich
H∗(τr) =√
H2 − 23,5 τ 2r . (3.56)
Mit dem Reibfaktormodell (3.42) und τmax = σy/√3 gilt bei maximal moglicher Schub-
beanspruchung der Oberflache, also im Ubergang zum Gleiten, bzw. im Gleiten
H∗(m) = 2,8 σy√1−m2 . (3.57)
0 0,25 0,5 0,75 10
0,25
0,5
0,75
1
m
H∗/H
a)
0 0,1 0,2 0,3 0,40,9
0,925
0,95
0,975
1
m
H∗/H
b)
Abbildung 3.2: Abhangigkeit der Oberflachenharte vom Reibfaktor unter kombinierter
Normal- und Tangentiallast im Uberblick (a) und im Detail (b)
3 KONTAKTMECHANIK 27
Diese Beziehung kann auch unter Verwendung der Tresca-Vergleichsspannungshypothese
hergeleitet werden. Die wahre Flachenpressung bei plastischer Deformation ist vom
tatsachlichen dreidimensionalen Spannungszustand abhangig, jedoch eignet sich (3.57)
gut zur Abschatzung der Oberflachenharte unter kombinierter Normal- und Tangenti-
allast. Je großer der Reibfaktor m ist, desto starker reduziert die Tangentialspannung
die Oberflachenharte H∗. Bei vollkommenem Haften der Oberflache ist H∗ gleich Null.
Bei m ≤ 0,2 betragt der Unterschied zwischen H und H∗ weniger als 2,5%, so dass
Kontaktwachstum keine Rolle spielt (vgl. Abb. 3.2).
3.2.5 Orowan-Reibgesetz
Das Reibzahlmodell eignet sich gut zur Reibmodellierung bei geringen
Flachenpressungen, aber es uberschatzt die Reibschubspannung bei großen Kon-
taktdrucken [58]. Das Reibfaktormodell hingegen eignet sich gut fur große
Flachenpressungen, aber es uberschatzt die Reibschubspannung bei kleinen Kon-
taktdrucken [58]. Daher fuhrt Orowan [55] den naheliegenden Ansatz ein, bei kleinen
Flachenpressungen das Reibzahlmodell und bei großen Flachenpressungen das Reibfak-
tormodell zu verwenden (vgl. Abb. 3.3 a)
τr =
µ · p fur p ≤ m · kµ
m · k fur p >m · kµ
. (3.58)
3.2.6 Shaw-Reibgesetz
Ein Nachteil des Orowan-Reibgesetzes ist der abrupte Ubergang vom Reibzahl- zum
Reibfaktormodell. Weil das Abgleiten der Oberflachen zunachst lokal in kleinen Berei-
chen beginnt, ist dies physikalisch nicht zu begrunden. Zudem wirkt sich der plotzliche
Wechsel des Reibmodells negativ auf die Stabilitat einer numerischen Implementierung
aus. Shaw [65, 66] lost dieses Problem durch einen kontinuierlichen Ubergang vom Reib-
zahlmodell im Bereich kleiner Flachenpressungen (Areal ≪ Ao) zum Reibfaktormodell
im Bereich großer Flachenpressungen (Areal ≈ Ao). Die Reibschubspannung im Shaw-
Reibgesetz kann mittels eines Tangens Hyperbolicus wie folgt dargestellt werden [28]
τr = k n
√
tanh(µ · p
k
)n
. (3.59)
Der Parameter n bestimmt das Verhalten des Reibgesetzes im Ubergangsbereich
(vgl. Abb. 3.3 b).
3.2.7 Wanheim-Bay-Reibgesetz
Das Wanheim-Bay-Reibgesetz basiert auf analytischen Untersuchungen des kombinier-
ten Normal- und Tangentialkontakts, die mit der Gleitlinientheorie durchgefuhrt wur-
den [14, 15, 81]. Experimentelle Untersuchungen konnten die analytischen Ergebnisse
28 3.2 Tangentialkontakt und Reibung in der Umformtechnik
τr = µ · p
τr = m · k
p
τ r
CoulombTrescaOrowan
a)
τr = µ · p
τr = m · k
p
τ r
Shaw, n = 4Shaw, n = 2Shaw, n = 1
b)
Abbildung 3.3: Coulomb-, Tresca- und Orowan-Reibgesetz (a) und Shaw-Reibgesetz (b)
bestatigen. Die von Wanheim und Bay gefunden Beziehungen zwischen Flachenpressung
und maximal ubertragbarer Reibschubspannung konnen nicht in geschlossener Form dar-
gestellt werden, jedoch prasentieren Petersen et al. [58] eine geeignete Naherungslosung.
Die ubertragbare Reibschubspannung τr ist das Produkt aus dem Reibfaktor des
Wanheim-Bay-Modells f , dem Anteil der realen Kontaktflache αreal und der Schub-
fließgrenze k des Werkstucks
τr = f · αreal · k . (3.60)
Das Produkt f · αreal kann im Bereich unterhalb bzw. oberhalb der Grenz-
flachenpressung p∗ dargestellt werden als
f ·αreal =τrk
=
τ ∗rk
·
p
σyp∗
σy
furp
σy≤ p∗
σy
τ ∗rk
+
(
f − τ ∗rk
)
·
1− exp
(p∗
σy− p
σy
)
· τ∗
r
k(
f − τ ∗rk
)
· p∗
σy
furp
σy>p∗
σy
(3.61)
mit
τ ∗rk
= 1−√
1− f (3.62)
und
p∗
σy=
1 +π
2+ arccos(f) +
√
1− f 2
√3 · (1 +
√1− f)
. (3.63)
In Abb. 3.4 ist das Wanheim-Bay-Reibgesetz fur mehrere Reibfaktoren f dargestellt.
Ebenso wie im Shaw-Reibgesetz findet fur f < 1 ein kontinuierlicher Ubergang vom
Reibzahl- zum Reibfaktormodell statt.
3 KONTAKTMECHANIK 29
0 1 2 3 4 50
0.2
0.4
0.6
0.8
1f = 1
f = 0.8
f = 0.6
f = 0.4
f = 0.2
p/σy
τ r/k
Abbildung 3.4: Wanheim-Bay-Reibgesetz
3.2.8 IFUM-Modell
Ein weiteres, einen kontinuierlichen Ubergang von Reibzahl- zu Reibfaktormodell be-
schreibendes, Reibgesetz ist das IFUM-Modell [17]. Es wurde auf der Basis zahlreicher
experimenteller Untersuchungen entwickelt. Im Gegensatz zu den Reibgesetzen von Oro-
wan, Shaw und Wanheim-Bay wird im IFUM-Modell nicht nur die Flachenpressung,
sondern auch die Vergleichsspannung im Werkstuck σv zur Modellierung des Ubergangs
von Reibzahl- zu Reibfaktormodell herangezogen
τr =
0, 3 ·(
1− σvσy
)
· p︸ ︷︷ ︸
A1
+m · k · σvσy
·
1− exp
(
− p
σy
)
︸ ︷︷ ︸
A2
· exp[
−1
2
(vrelC
)2]
︸ ︷︷ ︸
A3
. (3.64)
Fur kleine Vergleichsspannungen (σv/σy ≈ 0) gilt das Reibzahlmodell mit der Reib-
zahl 0,3 (Term A1). Bei Vergleichsspannungen nahe der Fließgrenze (σv/σy ≈ 1) gilt das
Reibfaktormodell (Term A2). Durch den Term 1− exp (−p/σy) hangt der Reibfak-
toranteil zusatzlich von der Flachenpressung ab und die Reibschubspannung steigt mit
der Flachenpressung an. Somit nahert sich die Reibschubspannung aus dem Reibfakto-
ranteil erst bei sehr großen Flachenpressungen (p≫ σy) asymptotisch der maximalen
Reibschubspannung an (vgl. Abb. 3.5 b). Zur Berucksichtigung der Relativgeschwindig-
keit wird die Summe der Terme A1 und A2 mit einem dritten Term multipliziert, mit
dem eine Abnahme der Reibschubspannung mit der Relativgeschwindigkeit vrel model-
liert wird (vgl. Abb. 3.6).
Die Vergleichsspannung wird als zusatzliches Kriterium fur den Ubergang von
Reibzahl- zu Reibfaktormodell herangezogen, weil die Rauheitsspitzen mit zunehmender
Vergleichsspannung im Grundmaterial zunehmend plastifizieren [17]. Die Reibzahl 0,3
im Reibfaktoranteil scheint auf den ersten Blick relativ groß zu sein. Es ist allerdings
zu bedenken, dass die Vergleichsspannung auch von der Reibschubspannung abhangig
ist. Folglich wird die Reibzahl im IFUM-Modell stets mit einem Faktor kleiner eins
multipliziert (1− σv/σy).
30 3.3 Reibungszustande
00,25
0,50,75
1
01
230
0,25
0,5
0,75
1
σv/σyp/σy
τ r/σy
a)
00,25
0,50,75
1
01
230
0,25
0,5
0,75
1
σv/σyp/σy
τ r/(m
·k)
b)
Abbildung 3.5: Reibzahlanteil (Term A1) (a) und Reibfaktoranteil (Term A2) (b) im
IFUM-Modell
0 25 50 75 1000
0,25
0,5
0,75
1
vrel in mm/s
f(v
rel)
C = 30C = 10C = 5
Abbildung 3.6: Geschwindigkeitsfunktion (Term A3) im IFUM-Modell
3.3 Reibungszustande
Schmierstoffe trennen die Oberflachen der Kontaktpartner voneinander und vermindern
hierdurch Reibung und Verschleiß. In den auf den vorherigen Seiten beschriebenen Reib-
modellen ist der Einfluss von Schmierstoffen in den Reibzahlen bzw. Reibfaktoren zu
berucksichtigen.
Die Wirkung von Schmierstoffen ist stark von der Relativgeschwindigkeit vrelzwischen den Kontaktpartnern abhangig. Zur Beschreibung dieser Geschwindigkeits-
abhangigkeit dient die Stribeck-Kurve [27].
Die Stribeck-Kurve gibt die Reibung in Abhangigkeit der, durch Flachenpressung
und dynamischer Viskositat η normierten, Relativgeschwindigkeit an (siehe Abb. 3.7).
Festkorperreibung tritt auf, wenn sich das Grundmaterial der Kontaktpartner bei Haft-
reibung oder bei Gleitreibung mit kleiner Relativgeschwindigkeit in direktem Kontakt
befindet. Wenn die Oberflachen durch eine Adsorptionsschicht aus Schmierstoffmo-
lekulen bedeckt sind, liegt Grenz- oder Grenzschichtreibung vor. Die Relativbewegung
zwischen den Oberflachen erfolgt durch Scherung der nur wenige Molekuldurchmesser
starken Adsorptionsschicht. Aufgrund der, im Vergleich zum Grundmaterial, geringe-
3 KONTAKTMECHANIK 31
η · vrelp
τ r
Gesamte ReibungGrenzreibungHydrodyn. Reibung
Abbildung 3.7: Stribeck-Kurve
ren Schubfestigkeit der Adsorptionsschicht ist die Reibung deutlich geringer als bei
Festkorperreibung.
Mit zunehmender Relativgeschwindigkeit kann der Schmierstoff nicht mehr aus al-
len, sich neu bildenden, Kontaktstellen verdrangt werden und es bilden sich lokal die
Oberflachen trennende Schmierfilme aus. Dieser Reibungszustand heißt Mischreibung
und ist durch eine Abnahme der Reibung mit wachsender Relativgeschwindigkeit ge-
kennzeichnet. Bei großen Relativgeschwindigkeiten werden die Oberflachen vollstandig
durch einen tragfahigen Schmierfilm getrennt. In diesem Fall liegt hydrodynamische
Reibung vor und die Reibung steigt mit zunehmender Relativgeschwindigkeit wieder an.
Die Abnahme des Grenzreibanteils mit zunehmender Geschwindigkeit kann durch eine
Exponentialfunktion folgender Form beschrieben werden
τ grenzr = C1 exp
[
−C2
(vrelC3
)C4
]
. (3.65)
Eine abklingende Exponentialfunktion dieser Art wird beispielsweise im IFUM-Modell
verwendet (vgl. (3.64)).
Der Schmierstoff in den offenen und geschlossenen Schmiertaschen kann uberschlagig
als inkompressibles Newtonsches Fluid zwischen ebenen, glatten Platten modelliert wer-
den. Fur die hydrodynamische Schubspannung zwischen den Platten gilt dann mit der
dynamischen Viskositat η und dem Abstand der Platten d [29]
τ fluidr =η · vreld
. (3.66)
Die Hohe des Schmierspalts d ist aufgrund der Oberflachenrauheit sehr inhomogen. Je
kleiner das Verhaltnis zwischen der Hohe des Schmierspalts und der Hohe der Rau-
heitsspitzen ist, desto großer ist der Einfluss der Rauheit auf die hydrodynamische Rei-
bung [56]. Bei Mischreibung ist der Schmierfilm lokal durch Kontaktstellen unterbrochen,
wodurch die Stromung noch starker behindert wird. Eine Moglichkeit zur Modellierung
des Schmierfilms zwischen rauen Oberflachen ist die stromungsmechanische Berechnung
mit gemittelten Reynoldsgleichungen nach Patir und Cheng [56, 57].
32 3.3 Reibungszustande
Generell kann die Reibschubspannung in der Mischreibung als Summe der Grenzrei-
bung in der realen Kontaktflache und der hydrodynamischen Reibung in den Schmier-
taschen modelliert werden
τr = αreal · τ grenzr + (1− αreal) · τ fluidr . (3.67)
Beschrankt man sich auf eine uberschlagige Berechnung der Schubspannung im Schmier-
spalt gemaß (3.66), so kann die Reibschubspannung in der Mischreibung mit (3.47),
(3.65) und (3.67) wie folgt bestimmt werden
τr = αreal ·m · k · C1 exp
[
−C2
(vrelC3
)C4
]
+ (1− αreal) ·η · vreld
. (3.68)
Kapitel 4
Halbraumkontaktmodell
Da Halbraummodelle im Gegensatz zur Finite-Elemente-Methode in sehr wenigen An-
wendungen zum Einsatz kommen, sind Halbraummodelle relativ unbekannt. Daher be-
ginnt dieses Kapitel mit einer ausfuhrlichen Herleitung der theoretischen Grundlagen des
Halbraummodells, bevor in Kap. 4.2 auf die Kontaktmodellierung im Halbraummodell
eingegangen wird.
4.1 Grundlagen des linear elastischen Halbraummo-
dells
Halbraume sind durch eine Ebene begrenzte halbunendliche Raume. Wahrend ihre Aus-
dehnung in der begrenzenden Ebene unendlich ist (x- und y-Koordinate in Abb. 4.1),
sind sie in der dritten Raumrichtung einseitig begrenzt.
x
z
y
Abbildung 4.1: Halbraum
Das Halbraummodell ist ein lineares Kontaktmodell. Es basiert auf den analytischen
Losungen von Boussinesq [20] und Cerruti [24] fur Normal- bzw. Tangentialkontakt.
33
34 4.1 Grundlagen des linear elastischen Halbraummodells
4.1.1 Grundgleichungen der linearen Elastizitat
Die Grundgleichungen der linearen Elastizitat sind die Gleichgewichtsbedingung
σij,j + fi = 0 , (4.1)
die Verzerrungs-Verschiebungs-Relation
εij =1
2(ui,j + uj,i) (4.2)
und das Hookesche Stoffgesetz
σij = λ δij εkk + 2µ εij . (4.3)
Die in den Grundgleichungen verwendeten Großen sind die Spannungen σij , die Volu-
menkrafte fi, die Dehnungen εij , die Verschiebungen uij, das Kronecker-Delta δij sowie
die Lame-Konstanten λ und µ. Das Kronecker-Delta ist definiert als
δij =
1 fur i = j
0 fur i 6= j. (4.4)
Die Lame-Konstanten λ und µ eignen sich haufig zur kompakten Darstellung kontinu-
umsmechanischer Zusammenhange. Sie konnen durch die Querkontraktionszahl ν und
den Elastizitatsmodul E wie folgt ausgedruckt werden
λ =ν E
(1 + ν)(1− 2ν)(4.5)
und
µ =E
2(1 + ν). (4.6)
Die Lame-Konstante µ entspricht dem Schubmodul G. Einsetzen der Verzerrungs-
Verschiebungs-Relation (4.2) in das Hookesche Gesetz (4.3)
σij = λ δij uk,k + µ (ui,j + uj,i) , (4.7)
anschließende Differentiation
σij,j = λuk,ki + µ (ui,jj + uj,ij) , (4.8)
Einsetzen in die Gleichgewichtsbedingung (4.1)
λ uk,ki + µ (ui,jj + uj,ij) + fi = 0 (4.9)
und Umsortieren der Terme fuhrt zu den Navier-Gleichungen
µ ui,jj + (λ+ µ) uj,ij + fi = 0 . (4.10)
4 HALBRAUMKONTAKTMODELL 35
Wenn keine Volumenkrafte fi vorhanden sind, vereinfachen sich die Navier-Gleichungen
zu
µ ui,jj + (λ+ µ) uj,ij = 0 . (4.11)
In Tensorschreibweise konnen die Navier-Gleichungen wie folgt dargestellt werden
µ div gradu+ (λ+ µ) grad divu+ f = 0 , (4.12)
beziehungsweise wenn keine Volumenkrafte angreifen
div gradu+λ+ µ
µgrad divu = 0 . (4.13)
4.1.2 Galerkin-Vektor
Als Losung der Navier-Gleichungen fuhrt Galerkin den allgemeinen Losungsansatz
2µ ui = k F ∗
i,jj − F ∗
j,ji (4.14)
ein [13, 31, 35]. Mit
2µ ui,jj = k F ∗
i,jjkk − F ∗
j,ijkk (4.15)
und
2µ uj,ij = k F ∗
j,kkij − F ∗
k,kjij (4.16)
folgt fur die Navier-Gleichungen (4.10)
k F ∗
i,jjkk − F ∗
j,ijkk +1
1− 2 ν
(k F ∗
j,kkij − F ∗
k,kjij
)+ 2 fi
= k F ∗
i,jjkk +
(k − 1
1− 2 ν− 1
)
F ∗
j,ijkk + 2 fi = 0 .(4.17)
Dieser Ausdruck vereinfacht sich mit k = 2 (1− ν) zu
(1− ν)F ∗
i,jjkk + fi = 0 . (4.18)
Folglich sind die Grundgleichungen der Elastizitat erfullt, wenn gilt
F ∗
i,jjkk = − fi1− ν
, (4.19)
beziehungsweise wenn keine Volumenkrafte vorhanden sind
F ∗
i,jjkk = 0 . (4.20)
Der Vektor F ∗ heißt Galerkin-Vektor. Er wird zur Bestimmung der Eigenspannungen
im Halbraum in Kap. 7.4 benotigt.
36 4.1 Grundlagen des linear elastischen Halbraummodells
4.1.3 Papkovich-Neuber-Potentiale
Die Papkovich-Neuber-Potentiale stellen die Verschiebungen als Kombination eines ska-
laren und eines vektoriellen harmonischen Potentials dar. Sie wurden unabhangig von-
einander von Petr Fedorovich Papkovich und Heinz Neuber erarbeitet. Die folgende
Herleitung der Papkovich-Neuber-Potentiale lehnt sich an [16] und [35] an.
Ausgehend von der Helmholtz-Zerlegung des Verschiebungsfeldes
u = gradΦ + rotΨ (4.21)
wird unter Berucksichtigung der Identitat
div rotΨ = 0 (4.22)
die Divergenz des Verschiebungsfeldes bestimmt
divu = div gradΦ + div rotΨ = div gradΦ . (4.23)
Einsetzen in die Navier-Gleichungen (4.13) fuhrt zu
div gradu+λ+ µ
µgrad div gradΦ = 0 . (4.24)
Mit der Identitat
grad div gradΦ = div grad gradΦ (4.25)
folgt die Laplace-Gleichung
div grad
(
u+λ+ µ
µgradΦ
)
= 0 . (4.26)
Weil jede harmonische Funktion die Laplace-Gleichung erfullt, gilt mit div grad ψ = 0:
u+λ+ µ
µgradΦ = ψ . (4.27)
Das Verschiebungsfeld u kann nun folgendermaßen dargestellt werden
u = ψ − λ+ µ
µgradΦ . (4.28)
Mit (4.23) folgt
div gradΦ = div ψ − λ+ µ
µdiv gradΦ . (4.29)
Da ψ harmonisch ist, gilt
div grad(
r · ψ)
= 2div ψ , (4.30)
4 HALBRAUMKONTAKTMODELL 37
wobei r = (x1, x2, x3)T der Ortsvektor ist. Mit dieser Identitat kann (4.29) umformuliert
werden zu
2µ+ λ
µdiv gradΦ =
1
2div grad
(
r · ψ)
. (4.31)
Mit dem harmonischen skalaren Potential ϕ folgt hieraus die allgemeine Losung fur Φ
Φ =µ
2(2µ+ λ)
(
ϕ+ r · ψ)
. (4.32)
Durch Einsetzen von Φ in (4.28), ergibt sich das Verschiebungsfeld u, ausgedruckt durch
ein skalares harmonisches Potential ϕ und ein vektorielles harmonisches Potential ψ
u = ψ − 1
4(1− ν)grad
(
ϕ+ r · ψ)
. (4.33)
ϕ und ψ sind die sogenannten Papkovich-Neuber-Potentiale. Die Verzerrungs-
Verschiebungs-Relation (4.2) lautet in symbolischer Darstellung
ε =1
2
[
gradu+ (gradu)T]
. (4.34)
Durch Einsetzen von (4.33) in (4.34) folgt der Dehnungstensor ausgedruckt in Papkovich-
Neuber-Potentialen
ε =1
2
[
grad ψ +(
grad ψ)T]
− 1
4(1− ν)
[
grad grad(
ϕ+ r · ψ)]
. (4.35)
Die Berechnung des Dehnungstensors ist im Anhang A.2.1 zu finden. Das Hookesche
Stoffgesetz (4.3) lautet in symbolischer Darstellung
σ = λ δ spur ε+ 2µ ε . (4.36)
Um die Spannungen in Papkovich-Neuber-Potentialen auszudrucken, wird die Spur des
Dehnungstensors benotigt
spur ε =1− 2ν
2(1− ν)div ψ . (4.37)
Die Berechnung von (4.37) ist ebenfalls im Anhang A.2.1 aufgefuhrt. Mit (4.37) gilt fur
den Spannungstensor ausgedruckt in Papkovich-Neuber-Potentialen
σ =νE
2(1− ν2)div ψ δ +
E
2(1 + ν)
[
grad ψ +(
grad ψ)T]
− E
4(1− ν2)grad grad
(
ϕ+ r · ψ)
.
(4.38)
38 4.1 Grundlagen des linear elastischen Halbraummodells
4.1.4 Boussinesq-Potentiale
Die Papkovich-Neuber-Potentiale sind ein allgemeiner Ansatz fur elastische Proble-
me, der jedoch fur viele Anwendungsfalle unhandlich ist. Einige Spezialfalle konnen
durch Linearkombination mehrerer Potentiale gelost werden. Einer dieser Spezialfalle
ist die sogenannte Boussinesq-Losung fur Einzelkrafte in Normalenrichtung auf der
Halbraumoberflache. Diese Losung wurde im 19. Jahrhundert, also schon vor der
Entwicklung der Papkovich-Neuber-Potentiale, von Joseph Valentin Boussinesq ent-
wickelt [20]. Ausfuhrliche Darstellungen der Boussinesq-Potentiale finden sich in [13]
und [33]. Zunachst werden die einzelnen Potentiale aufgelistet, bevor in Kapitel 4.1.5
und 4.1.6 die Boussinesq- und Cerruti-Losung durch Kombination der Potentiale kon-
struiert werden.
Potential A
Es gilt
ψ = 0 (4.39)
und
ϕ = −2(1− ν)
µϕ . (4.40)
Einsetzen der Potentiale ψ und ϕ in (4.33) und (4.38) fuhrt zu
2µ ui = ϕ,i (4.41)
und
σij = ϕ,ij . (4.42)
Potential B
Hier gilt
ψ = −2(1− ν)
µ
ψ
0
0
(4.43)
und
ϕ = 0 . (4.44)
Einsetzen der Potentiale ψ und ϕ in (4.33) und (4.38) fuhrt zu
2µ uij =
(4ν − 3)ψ + x1 ψ,1
x1 ψ,2
x1 ψ,3
(4.45)
4 HALBRAUMKONTAKTMODELL 39
und
σij =
(2ν − 2)ψ,1 + x1 ψ,11 (2ν − 1)ψ,2 + x1 ψ,12 (2ν − 1)ψ,3 + x1 ψ,13
−2ν ψ,1 + x1 ψ,22 x1 ψ,23
sym. −2ν ψ,1 + x1 ψ,33
. (4.46)
Die Berechnung des Spannungstensors fur das Potential B ist im Anhang A.2.2 zu fin-
den. Die Boussinesq-Potentiale C und D entsprechen dem Potential B mit permutierten
Indizes und sind, der Vollstandigkeit halber, ebenfalls im Anhang aufgelistet.
Potential E
Es gilt
ψ =1
µrot
φ
0
0
(4.47)
und
ϕ = −r · ψ . (4.48)
Einsetzen der Potentiale ψ und ϕ in (4.33) und (4.38) fuhrt zu
2µ uij = 2
0
φ,3
−φ,2
(4.49)
und
σij =
0 φ,13 −φ,12
φ,13 2φ,23 −φ,22 + φ,33
−φ,12 −φ,22 + φ,33 −2φ,23
. (4.50)
Die Berechnung des Verschiebungsfeldes und des Spannungstensors fur das Boussinesq-
Potential E ist im Anhang A.2.2 zu finden. Die Boussinesq-Potentiale F und G entspre-
chen dem Potential E mit permutierten Indizes und sind, der Vollstandigkeit halber,
ebenfalls im Anhang aufgelistet.
4.1.5 Boussinesq-Losung fur normale Einzelkrafte
Durch geeignete Kombination von Potentialfunktionen kann eine Losung fur das Problem
einer normalen Einzelkraft auf der Halbraumoberflache entwickelt werden. Die Losung
muss das Kraftegleichgewicht auf der Oberflache und im Halbraum erfullen. Weil die
Halbraumoberflache nur durch die Normalkraft im Koordinatenursprung belastet ist,
muss gelten
σ33(x, y, 0) = −Fz δ(x, y) , (4.51)
40 4.1 Grundlagen des linear elastischen Halbraummodells
σ23(x, y, 0) = 0 (4.52)
und
σ31(x, y, 0) = 0 . (4.53)
δ(x, y) ist die Dirac-Distribution
δ(x, y) =
1 fur x = y = 0
0 sonst. (4.54)
Diese Bedingungen konnen durch geeignete Kombinationen der Boussinesq-Potentiale A
und D mit ϕ,3 = (1− 2ν)ψ erfullt werden
σ11 = − 2ν
1 − 2νϕ,33 +
z
1− 2νϕ,113 + ϕ,11 (4.55)
σ22 = − 2ν
1 − 2νϕ,33 +
z
1− 2νϕ,223 + ϕ,22 (4.56)
σ33 = − 1
1 − 2νϕ,33 +
z
1− 2νϕ,333 (4.57)
σ12 =z
1− 2νϕ,123 + ϕ,12 (4.58)
σ23 =z
1− 2νϕ,233 (4.59)
σ31 =z
1− 2νϕ,133 . (4.60)
Somit werden die Randbedingungen σ23 = 0 und σ31 = 0 fur z = 0 direkt erfullt. Die
Potentialfunktion ϕ ist so zu wahlen, dass auch die ubrigen Randbedingungen erfullt
werden. Um das Kraftegleichgewicht im Halbraum zu erfullen, mussen alle Spannungs-
komponenten mit R−2 abfallen. So ist das Integral uber die Spannungen auf einer Halb-
kugeloberflache um den Ursprung unabhangig vom Radius R =√
x2 + y2 + z2 um den
Ursprung. Die Spannungskomponenten werden durch zweifache Differentiation von ϕ
und dreifache Differentiation von ϕ mit anschließender Multiplikation mit z gewonnen.
Daher muss ϕ die Dimension Eins haben (R0). Zudem muss die Potentialfunktion im
Ursprung singular und fur z > 0 harmonisch und stetig sein. Wahlt man
ψ =1
1− 2ν
1
R, (4.61)
so folgt mit
ϕ =
∫1
Rdz = log (R + z) (4.62)
eine Potentialfunktion, die alle geforderten Bedingungen mit Ausnahme des
Kraftegleichgewichts in z-Richtung (4.51) erfullt. Es folgt
σ33 = − 1
1 − 2νϕ,33 +
z
1− 2νϕ,333 =
1
1− 2ν
3 z3
R5. (4.63)
4 HALBRAUMKONTAKTMODELL 41
Fur das Kraftegleichgewicht in z-Richtung folgt mit r =√
x2 + y2
Fz = − 2 π
1− 2ν
∫∞
0
r3 z3
R5dr = − 2 π
1 − 2ν
∫∞
0
r3 z3
(r2 + z2)5
2
dr
= − 2 π
1− 2ν
[
− z3
(r2 + z2)3
2
]∞
0
= − 2 π
1− 2ν.
(4.64)
Somit kann das Verschiebungs- und Spannungsfeld in Folge einer Einzelkraft Fz auf die
Halbraumoberflache in z-Richtung durch das folgende Potential beschrieben werden
ϕ = −Fz (1− 2ν)
2 πlog (R + z) . (4.65)
Damit ist auch die Gleichgewichtsbedingung in z-Richtung erfullt. Fur die Spannungen
im Halbraum aufgrund einer normalen Einzellast gilt folglich
σ11 = − Fz
2 π
[3 x2 z
R5− (1− 2ν)
(z
R3+
x2
R3 (R + z)− 1
R (R + z)+
x2
R2 (R + z)2
)]
(4.66)
σ22 = − Fz
2 π
[3 y2 z
R5− (1− 2ν)
(z
R3+
y2
R3 (R + z)− 1
R (R + z)+
y2
R2 (R + z)2
)]
(4.67)
σ33 = − Fz
2 π
3 z3
R5(4.68)
σ12 = − Fz
2 π
[3 x y z
R5− (1− 2ν)
(x y
R3 (R + z)+
x y
R2 (R + z)2
)]
(4.69)
σ23 = − Fz
2 π
3 y z2
R5(4.70)
σ31 = − Fz
2 π
3 x z2
R5. (4.71)
Fur die Verschiebungen folgt
ux =Fz
4µ π
[x z
R3− (1− 2ν)
x
R (R + z)
]
(4.72)
uy =Fz
4µ π
[y z
R3− (1− 2ν)
y
R (R + z)
]
(4.73)
uz =Fz
4µ π
[z2
R3+ 2(1− ν)
1
R
]
. (4.74)
Alle benotigten Ableitungen von ϕ und die Berechnung der Spannungen und Verschie-
bungen unter normalen Einzellasten sind im Anhang A.2.3 zu finden.
42 4.1 Grundlagen des linear elastischen Halbraummodells
4.1.6 Cerruti-Losung fur tangentiale Einzelkrafte
Fur das Cerruti-Problem einer tangentialen Einzellast auf der Halbraumoberflache lau-
ten die Randbedingungen auf der Oberflache
σ33(x, y, 0) = 0 (4.75)
σ23(x, y, 0) = 0 (4.76)
σ31(x, y, 0) = −Fx δ(x, y) . (4.77)
Diese Bedingungen konnen durch geeignete Kombination der Potentiale A, D und G mit
ϕ,3 = 2 (1− ν)ψ erfullt werden
σ11 = ϕ,11 −ν
1− νϕ,33 +
z
2 (1− ν)ϕ,113 + 2φ,12 (4.78)
σ22 = ϕ,22 −ν
1− νϕ,33 +
z
2 (1− ν)ϕ,223 − 2φ,12 (4.79)
σ33 = ϕ,33 − ϕ,33 +z
2 (1− ν)ϕ,333 =
z
2 (1− ν)ϕ,333 (4.80)
σ12 = ϕ,12 +z
2 (1− ν)ϕ,123 − φ,11 + φ,22 (4.81)
σ23 =1
2 (1− ν)ϕ,23 +
z
2 (1− ν)ϕ,233 − φ,13 (4.82)
σ31 =1
2 (1− ν)ϕ,13 +
z
2 (1− ν)ϕ,133 + φ,23 . (4.83)
Aus σ23(x, y, 0) = 0 fur z = 0 folgt
φ,13 =1
2 (1− ν)ϕ,23 . (4.84)
Fur die weitere Herleitung wird das Potential θ eingefuhrt. Es gilt
ϕ = 2 (1− ν) θ,1 , ψ = θ,13 und φ = θ,2 . (4.85)
Fur die Spannungskomponenten folgt
σ11 = 2 (1− ν) θ,111 − 2ν θ,133 + z θ,1113 + 2θ,122 (4.86)
σ22 = −2ν θ,122 − 2ν θ,133 + z θ,1223 (4.87)
σ33 = z θ,1333 (4.88)
σ12 = (1− 2ν) θ,112 + z θ,1123 + θ,222 (4.89)
σ23 = z θ,1233 (4.90)
σ31 = θ,113 + z θ,1133 + θ,223 . (4.91)
4 HALBRAUMKONTAKTMODELL 43
Weil die Oberflache nur durch die Kraft Fx belastet wird, mussen σ23 und σ33 fur z = 0
gleich Null sein. Alle notwendigen Ableitungen von θ sind im Anhang A.2.4 zu finden.
Hier ist auch die Berechnung von σ31 zu finden. Das Ergebnis lautet
σ31 =3 x2 z
R5.
Analog zur Einzellast in Normalenrichtung mussen die Spannungen mit R−2 abfallen,
um das Kraftegleichgewicht zu erfullen. Wir wahlen daher
θ,33 =1
R. (4.92)
Zweimalige Integration fuhrt zu
θ = z log(R + z)− R . (4.93)
Durch Integration der Schubspannung σ31 uber eine beliebige Ebene z = const. kann
das Potential θ an die Randbedingung (4.77) angepasst werden [35]
Fx = −∫
∞
0
∫ 2π
0
3 x2 z
R5r dα dr = −
∫∞
0
∫ 2π
0
3 sin(α)2 r3 z
(r2 + z2)5
2
dα dr
= −∫
∞
0
[
3[−1
2sin(α) cos(α) + 1
2α]r3 z
(r2 + z2)5
2
]2π
0
dr = −3 z
∫∞
0
r3 π
(r2 + z2)5
2
dr
= −3 z π
[
−1
3
2 z2 + 3 r2
(r2 + z2)3
2
]∞
0
= z π
[
2 z2 + 3 r2
(r2 + z2)3
2
]∞
0
= 0− z π2 z2
z3= −2 π .
(4.94)
Fur das Potential θ folgt
θ = −Fx
2 π
[
z log(R + z)− R]
. (4.95)
Fur die Spannungen im Halbraum aufgrund einer tangentialen Einzellast gilt somit
σ11 = −Fx
2 π
[3 x3
R5− (1− 2ν)
(x
R3− 3 x
R (R + z)2+
x3
R3 (R + z)2+
2 x3
R2 (R + z)3
)]
(4.96)
σ22 = −Fx
2 π
[3 x y2
R5− (1− 2ν)
(x
R3− x
R (R + z)2+
x y2
R3 (R + z)2+
2 x y2
R2 (R + z)3
)]
(4.97)
σ33 = −Fx
2 π
3 x z2
R5(4.98)
σ12 = −Fx
2 π
[3 x2 y
R5− (1− 2ν)
(
− y
R (R + z)2+
x2 y
R3 (R + z)2+
2 x2 y
R2 (R + z)3
)]
(4.99)
σ23 = −Fx
2 π
3 x y z
R5(4.100)
44 4.1 Grundlagen des linear elastischen Halbraummodells
σ31 = −Fx
2 π
3 x2 z
R5. (4.101)
Fur die Verschiebungen folgt
u1 =Fx
4µ π
[1
R+x2
R3+ (1− 2ν)
(1
R + z− x2
R (R + z)2
)]
(4.102)
u2 =Fx
4µ π
[x y
R3− (1− 2ν)
x y
R (R + z)2
]
(4.103)
u3 =Fx
4µ π
[x z
R3+ (1− 2ν)
x
R (R + z)
]
. (4.104)
4.1.7 Einflussfunktionen fur die Oberflachendeformation auf-
grund von Flachenlasten
Anhand der in den vorherigen Unterkapiteln dargestellten Einflussfunktionen fur Ver-
schiebungen der Halbraumoberflache durch normale und tangentiale Punktlasten kann
eine Modellierung des Kontakts rauer Oberflachen vorgenommen werden, indem der
tatsachliche Kontaktzustand als Superposition von Punktlasten approximiert wird.
Eine verbesserte Modellierung wird durch die Betrachtung von Flachenlasten an-
statt von Punktlasten erzielt. Hierzu ist die Oberflache des Kontaktkorpers in recht-
eckige Oberflachensegmente zu diskretisieren und die Einflussfunktionen sind uber diese
Flachensegmente zu integrieren (vgl. Abb. 4.2 a). Fur eine elastische und vereinfach-
te plastische Modellierung des Kontakts sind nur die Einflussfunktionen fur die Ober-
flachenverschiebungen erforderlich. Die Berechnung der Spannungen im Halbraum wird
fur das dreidimensionale plastische Halbraummodell benotigt. Die Einflussfunktionen
fur Spannungen auf Grund von Flachenlasten werden daher im entsprechenden Kapitel
(Kap. 7.3) hergeleitet und dargestellt.
Die Gleichung fur die Verschiebungen aufgrund von Einzelkrafte in Normalen-
richtung (4.74) vereinfacht sich fur Oberflachenpunkte (z = 0) zu
uz =1− ν2
π E
Fz
R. (4.105)
Durch Integration von (4.105) uber ein Oberflachensegment kann die Einflussfunkti-
on Kzz fur die Verschiebung eines auf der Oberflache befindlichen Punktes in Norma-
lenrichtung bestimmt werden. Diese Einflussfunktion fur konstante Flachenlasten p auf
4 HALBRAUMKONTAKTMODELL 45
rechteckige Oberflachensegmente wurde zum ersten Mal von Love [45] veroffentlicht
Kzz =1− ν2
π E
∫ b
−b
∫ a
−a
1√
(x− ξ)2 + (y − η)2d ξ d η
=1− ν2
π E
[
(x+ a) log
(√
(x+ a)2 + (y + b)2 + y + b√
(x+ a)2 + (y − b)2 + y − b
)
+(x− a) log
(√
(x− a)2 + (y − b)2 + y − b√
(x− a)2 + (y + b)2 + y + b
)
+(y + b) log
(√
(x+ a)2 + (y + b)2 + x+ a√
(x− a)2 + (y + b)2 + x− a
)
+(y − b) log
(√
(x− a)2 + (y − b)2 + x− a√
(x+ a)2 + (y − b)2 + x+ a
)]
.
(4.106)
Alle weiteren Einflussfunktionen fur normale und tangentiale Oberflachenverschiebungen
durch normale und tangentiale Flachenlasten sind vollstandig in [85] aufgelistet. Die elas-
tischen Eigenschaften zweier nachgiebiger Kontaktkorper konnen im Halbraummodell
durch die Substitution
1− ν2
E=
1− ν21E1
+1− ν22E2
(4.107)
berucksichtigt werden.
4.2 Kontaktmodellierung
4.2.1 Kontaktdiskretisierung und Kontaktbedingungen
Die Oberflache des Halbraums wird in Nx × Ny quadratische Segmente mit den Ab-
messungen 2 a × 2 b diskretisiert (vgl. Abb. 4.2 a). Der lokale Abstand gi zwischen den
in Kontakt befindlichen Oberflachen ergibt sich aus der lokalen Oberflachenhohe hi,
der maximalen Oberflachenhohe hmax, der lokalen Oberflachendeformation ui und der
globalen Annaherung der Oberflachen uo (vgl. Abb. 4.2 b)
gi = hmax − hi + ui − uo . (4.108)
Weil sich die Kontaktpartner nicht durchdringen konnen, muss der Abstand stets nicht-
negativ sein
gi ≥ 0 . (4.109)
Der Kontakt zwischen metallischen Oberflachen ist ein unilateraler Kontakt, deshalb
sind die Flachenpressungen stets nicht-negativ
pi ≥ 0 . (4.110)
46 4.2 Kontaktmodellierung
x
y
2b
2a
yl
yk
xk
xl
x
h
a)
hmax
uo
h
u
g
b)
Abbildung 4.2: Oberflachendiskretisierung (a) und Abstandsbeziehung (b) im Halbraum-
modell
Neben einem Halbraummodell mit dreidimensionalem Plastizitatsmodell (vgl. Kap. 7)
wird auch ein vereinfachtes plastisches Halbraummodell implementiert, dass auf der
Limitierung der Flachenpressung auf die Oberflachenharte H basiert. Dieses Modell
baut auf den Erkenntnissen von Hencky, Bowden und Tabor (vgl. Kap. 3.2.3) auf und
es gilt
pi ≤ H . (4.111)
Die mittlere Flachenpressung pmean ist gleich der Summe der Flachenpressungen auf
allen M in Kontakt befindlichen Kontaktelementen, dividiert durch die Anzahl aller
Kontaktelemente
1
NxNy
M∑
i=1
pi = pmean . (4.112)
Die Kontaktnormalkraft F ist gleich der mittleren Flachenpressung multipliziert mit der
Gesamtflache der diskretisierten Oberflache mit den Abmessungen Lx und Ly
F = pmean Lx Ly . (4.113)
4.2.2 Variationsansatz zur Losung des Kontaktproblems
Nachdem die Kontaktbedingungen dargestellt wurden, ist nun zu klaren, wie die richtige
Verteilung der Flachenpressung auf der Oberflache zu bestimmen ist. Hierzu wird das
Variationsprinzip der Minimierung der komplementaren potentiellen Energie verwendet.
Dieser Ansatz wurde von Kalker und van Randen entwickelt [40]. Die komplementare
potentielle Energie V ∗ ist die Differenz aus dem Volumenintegral uber die innere kom-
plementare Energiedichte U∗(σij) und dem Oberflachenintegral uber das Produkt aus
den Oberflachenlasten ti und den erzwungenen Verschiebungen ui
V ∗ =
∫
Ω
U∗(σij) dΩ−∫
Γ
ti ui dΓ . (4.114)
4 HALBRAUMKONTAKTMODELL 47
Das Volumenintegral uber die innere komplementare Energiedichte entspricht der inne-
ren komplementaren Energie U∗
E, die fur linear elastische Materialien gleich der inneren
Energie UE des Korpers ist. Fur den Fall reiner Normalbelastung entsprechen die Ober-
flachenlasten der Flachenpressung p und es sind nur die erzwungenen Verschiebungen in
z-Richtung relevant. Es folgt
V ∗ = UE −∫
Γ
p uz dΓ . (4.115)
Fur die innere Energie gilt
UE =1
2
∫
Γ
p uz dΓ . (4.116)
Damit ergibt sich der folgende Ausdruck fur die komplementare potentielle Energie
V ∗ =1
2
∫
Γ
p uz dΓ−∫
Γ
p uz dΓ . (4.117)
Wahrend es sich bei uz um die erzwungene Verschiebung im Kontaktgebiet handelt, ist
uz die Verschiebung eines beliebigen Oberflachenpunktes. Wir betrachten im Folgenden
den Fall einer in Rechtecke diskretisierten Oberflache mit M Segmenten im Kontakt.
Die Verschiebung uzk eines Segmentes k aufgrund einer Flachenlast auf ein Segment l
kann mittels der Einflussfunktion fur Flachenlasten Kzz bestimmt werden. Sind mehrere
Elemente im Kontakt, so kann die Verschiebung des Punktes k durch Superposition der
Verschiebungen durch alle in Kontakt befindlichen Elemente bestimmt werden
uzk =M∑
l=1
Kzzkl pl . (4.118)
Durch Einsetzen dieser Beziehung in die diskretisierte Form von (4.117) folgt fur die
komplementare potentielle Energie
V ∗ =1
2
M∑
k=1
pk
(M∑
l=1
Kzzkl pl
)
−M∑
k=1
pk uzk . (4.119)
Um ein Extremum zu finden, wird das Funktional (4.119) partiell nach p abgeleitet und
gleich Null gesetzt
M∑
l=1
Kzzkl pl − uzk = 0 . (4.120)
Zur Losung des Kontaktproblems, unter Verwendung des Variationsprinzips der Mini-
mierung der komplementaren potentiellen Energie, ist die Gleichung (4.120) zu losen.
Kapitel 5
Numerische Umsetzung des
Halbraummodells
Nachdem in vorherigen Kapitel die theoretischen Grundlagen des Halbraummodells
erlautert wurden, folgt in diesem Kapitel die Beschreibung der praktischen Umsetzung
des Modells. Nach der Beschreibung des Kontaktproblems als lineares Gleichungssystem
wird ausfuhrlich auf die effiziente Losung des Kontaktproblems unter Berucksichtigung
des Speicherbedarfs eingegangen. Hierzu wird die Losung der Kontaktgleichungen mit-
tels eines projizierten Gleichungslosers mit der Losung mit der sogenannten Plastic-
Set-Strategie und einem konjugierte Gradienten-Loser verglichen. Zudem wird die Kon-
taktmodellierung mit dem vereinfachten plastischen Halbraummodell mit Volumener-
haltung, der Normalkontakt zweier rauer Oberflachen sowie die Modellierung hydrosta-
tischer Drucke in geschlossenen Schmiertaschen behandelt.
5.1 Beschreibung des Kontaktproblems als lineares
Gleichungssystem
Zur Losung von (4.120) eignet sich die folgende Darstellung des Gleichungssystems
Kges p = uz . (5.1)
Dieses Gleichungssystem ist die Nachgiebigkeitsbeziehung des elastischen Halbraums.
Die Verschiebungen und Flachenpressungen werden in den Vektoren uz und p abgelegt.
Die Gesamtnachgiebigkeitsmatrix Kges wird aus der Einflussfunktion fur Flachenlasten
assembliert
Kges =
K1,1... K1,M
· · · . . . · · ·KM,1
... KM,M
. (5.2)
Kges ist symmetrisch, vollbesetzt und positiv definit [74]. Um den numerischen Aufwand
zu begrenzen, wird das Gleichungssystem nur im potentiellen Kontaktgebiet aufgestellt.
49
50 5.2 Speicherbedarf
Eine konservative Abschatzung des Kontaktgebiets beinhaltet alle Oberflachensegmente,
die bei gegebener Annaherung der Oberflachen und Nichtberucksichtigung der Ober-
flachendeformation das Durchdringungsverbot (4.109) verletzen. Die Lange der Vektoren
uz und p entspricht der Menge M der Segmente im potentiellen Kontaktgebiet.
5.2 Speicherbedarf
Die Dimension der Gesamtnachgiebigkeitsmatrix istM×M , wobeiM mit zunehmendem
Anteil der realen Kontaktflache gegen Nx×Ny strebt. In Tabelle 5.1 ist der Speicherbe-
darf fur die Feldgroßen (z.B. p, g und u), die Einzelnachgiebigkeitsmatrix K und die Ge-
samtnachgiebigkeitsmatrix Kges unter der Annahme vollstandigen Kontakts dargestellt.
Wahrend die Feldgroßen und die Einzelnachgiebigkeitsmatrix fur relevante Diskretisie-
rungen problemlos gespeichert werden konnen, ist das Speichern der Gesamtnachgiebig-
keitsmatrix im Arbeitsspeicher handelsublicher Rechner nicht immer moglich. Folglich
ist bei der Auswahl geeigneter Gleichungslosungsverfahren darauf zu achten, dass die
Gesamtnachgiebigkeitsmatrix nicht im Ganzen gespeichert werden muss, oder idealer-
weise gar nicht benotigt wird. Dies ist der Fall, wenn das Losungsverfahren ausschließlich
Feldgroßen und die Einzelnachgiebigkeitsmatrix benotigt.
Nx = Ny 64 128 256 512 1024
Feldgroße (z.B. p) 32 kB 128 kB 512 kB 2MB 8 MB
Einzelnachgiebigkeitsmatrix K 126 kB 508 kB 2MB 8MB 32MB
Gesamtnachgiebigkeitsmatrix Kges 128MB 2GB 32GB 512GB 8TB
Tabelle 5.1: Speicherbedarf des Gleichungssystems
Die Nebenbedingung der nicht-negativen Flachenpressung (4.110) kann durch Ver-
wendung eines projizierten Gleichungslosers oder der Active-Set-Strategie erfullt werden.
Die Nebenbedingung der limitierten Flachenpressung (4.111), die im vereinfachten plas-
tischen Halbraummodell zu erfullen ist, kann ebenfalls durch Verwendung eines proji-
zierten Gleichungslosers umgesetzt werden. Alternativ kann diese Nebenbedingung durch
die sogenannte Plastic-Set-Strategie (vgl. Kap. 5.5) erfullt werden.
5.3 Active-Set-Strategie
Die Active-Set-Strategie ist ein iteratives Verfahren zur Bestimmung des Kontaktgebiets.
Das Active-Set ist die Menge der in Kontakt befindlichen Oberflachensegmente. Die ge-
naue Kenntnis des tatsachlichen Kontaktgebiets ist bei Verwendung nicht-projizierter
Gleichungsloser notwendig, weil diese auf falschlicherweise im Active-Set befindlichen
Oberflachensegmenten negative Flachenpressungen errechnen. Hierdurch wird die Ne-
benbedingung des unilateralen Kontakts (4.110) verletzt und eine falsche Losung
des Kontaktproblems bestimmt. Im Active-Set fehlende Oberflachensegmente fuhren
zu unerlaubten Durchdringungen und einer Verletzung der Nebenbedingung (4.109).
5 NUMERISCHE UMSETZUNG DES HALBRAUMMODELLS 51
Die Bestimmung des potentiellen Kontaktgebiets durch das Durchdringungsverbot
bei Nichtberucksichtigung der Oberflachendeformation stellt die obere Grenze fur das
tatsachliche Kontaktgebiet dar und dient als anfangliches Active-Set. Nach jeder Itera-
tion wird die Losung des Gleichungssystems auf negative Flachenpressungen und uner-
laubte Durchdringungen außerhalb des Active-Sets uberpruft. Segmente mit negativer
Flachenpressung werden aus dem Active-Set ausgeschlossen, wohingegen Segmente mit
unerlaubter Durchdringung in das Active-Set aufgenommen werden. Das Gleichungssys-
tem wird wiederholt gelost, bis das Active-Set korrekt bestimmt ist [83]. Der Algorithmus
zur Bestimmung des Active-Sets ist in Abb. 5.1 graphisch dargestellt.
Gleichungssystem
losen
Fuge betroffene
Elemente zum
Active-Set hinzu
Tritt
p < 0
auf?
Entferne betroffene
Elemente aus
dem Active-Set
Tritt
g < 0
auf?
Iteration erfolg-
reich beendet
ja
nein
ja
nein
Abbildung 5.1: Active-Set Strategie
5.4 Numerische Losungsverfahren
Zur Losung des linearen Gleichungssystems bieten sich sowohl direkte, als auch iterative
Losungsverfahren an. Zur besseren Nachvollziehbarkeit wird das Gleichungssystem im
Folgenden analog zur Darstellung in Fachbuchern beschrieben
Kges p = uz = Ax = b . (5.3)
52 5.4 Numerische Losungsverfahren
5.4.1 Direkte Losung
Das naheliegendste Losungsverfahren ist die direkte Losung durch Multiplikation der
rechten Seite mit der Inversen der Koeffizientenmatrix A
Ax = b ⇒ x = A−1 b . (5.4)
Nachteilig ist hierbei der große Aufwand zur Bestimmung der Inversen der Koeffizi-
entenmatrix. Da es sich um einen nicht-projizierten Gleichungsloser handelt, muss die
Active-Set-Strategie zur korrekten Bestimmung des Kontaktgebiets verwendet werden.
Ein bedeutender Nachteil dieses Verfahrens ist der große Speicherbedarf der Koeffizien-
tenmatrix, der eine Verwendung bei großen Kontaktgebieten erschwert.
5.4.2 Das SOR- oder Relaxations-Verfahren
Das SOR-Verfahren (”Successive Over-Relaxation“) ist ein implizites, iteratives Verfah-
ren zur Losung linearer Gleichungssysteme. Das Verfahren benotigt eine Startlosung
x(0) =(
x(0)1 , ..., x(0)n
)T
. (5.5)
Die Startlosung kann ein beliebiger Vektor sein, das Verfahren konvergiert jedoch um-
so schneller, je naher die Startlosung bei der tatsachlichen Losung liegt. Daher ist es
sinnvoll, falls vorhanden, die Losung des vorherigen Lastschrittes als Startlosung zu
verwenden. Die temporare Losung wird in jedem Iterationsschritt κ = 1, 2, 3, ... durch
folgenden Algorithmus bestimmt
x(κ)i = (1− ω) x
(κ−1)i +
ω
aii
(
bi −i−1∑
j=1
aij x(κ)j −
n∑
j=i+1
aij x(κ−1)j
)
. (5.6)
Dieser Algorithmus lasst sich vereinfacht wie folgt darstellen
x(κ)i = x
(κ−1)i +
ω
aii
(
bi −n∑
j=1
aij · x(κ,κ−1)j
)
. (5.7)
Wenn der Relaxationsfaktor ω gleich eins gesetzt wird, entspricht das SOR-Verfahren
dem Gauß-Seidel-Verfahren. WennA symmetrisch und positiv definit ist, konvergiert das
Verfahren fur 0 < ω < 2 [78]. Der ideale Relaxationsparameter kann nur fur Sonderfalle
der Koeffizientenmatrix A analytisch bestimmt werden und ist in der Regel empirisch
zu bestimmen. Die obenstehende Darstellung des SOR-Verfahrens erfordert sowohl eine
außere Iterationsschleife, als auch eine zeitintensive innere Schleife uber alle Eintrage
des Losungsvektors. Fur die Berechnung des Losungsvektors ohne innere Schleife muss
das Verfahren in Matrixdarstellung uberfuhrt werden. Hierzu muss die Matrix A in eine
Diagonalmatrix D sowie eine obere U und eine untere Dreiecksmatrix L zerlegt werden
A = D+ L+U . (5.8)
5 NUMERISCHE UMSETZUNG DES HALBRAUMMODELLS 53
D =
a11 0 . . . 0
0. . .
. . ....
.... . .
. . . 0
0 . . . 0 ann
(5.9)
L =
0 . . . . . . 0
a21. . .
......
. . .. . .
...
an1 . . . ann−1 0
U =
0 a12 . . . a1n...
. . .. . .
......
. . . an−1n
0 . . . . . . 0
(5.10)
Die Iterationsvorschrift in Matrixdarstellung lautet
(D+ ωL) · x(κ) = [(1− ω)D− ωU] · x(κ−1) + ωb . (5.11)
Der Algorithmus ist in der Matrixformulierung deutlich effizienter, jedoch fur Kontakt-
probleme relevanter Große auf Grund des großen Speicherbedarfs fur die Matrizen D, L
und U nicht anwendbar. In einer Implementierung des SOR-Losers in Indexformulierung
gemaß (5.7) ist es nicht erforderlich die Koeffizientenmatrix zu speichern. Die Koeffizi-
enten aij konnen in der inneren Schleife uber die Eintrage des Losungsvektors bestimmt
werden. Diese Vorgehensweise ist effizient hinsichtlich des Speicherbedarfs, verursacht
jedoch eine vergleichsweise lange Berechnungszeit.
Das SOR-Verfahren in Indexformulierung kann als projiziertes Losungsverfahren
verwendet werden, indem die Nebenbedingungen fur nicht-negative Flachenpres-
sung (4.110) und fur die maximale Flachenpressung (4.111) in der inneren Schleife er-
zwungen werden [74].
5.4.3 Das Verfahren der konjugierten Gradienten
Das Verfahren der konjugierten Gradienten, auch CG-Verfahren genannt, ist ein iterati-
ves Losungsverfahren fur lineare Gleichungssysteme mit symmetrischer, positiv definiter
Koeffizientenmatrix A. Das CG-Verfahren ist ein nicht-projizierter Gleichungsloser, die
Nebenbedingung fur nicht-negative Flachenpressung (4.110) kann jedoch durch die Ver-
wendung der Active-Set-Strategie erfullt werden. Die Nebenbedingung fur die maximale
Flachenpressung (4.111) im vereinfachten plastischen Halbraummodell kann durch die
sogenannte”Plastic-Set-Strategie“ erfullt werden (vgl. Kap. 5.5). Fur eine ausfuhrliche
Herleitung des CG-Verfahrens wird auf Schwarz [64] verwiesen. Die Iterationsvorschrift
wird im Folgenden beschrieben.
Zunachst wird, ausgehend von einer beliebigen Startlosung x(0), die Suchrichtung d(0)
im ersten Iterationsschritt bestimmt. Diese entspricht dem Residuum r(0) fur die
Startlosung
d(0) = r(0) = b−Ax(0) . (5.12)
54 5.4 Numerische Losungsverfahren
Ausgehend von diesen Startwerten kann die Schrittweite α, die Losung x, das Residuum r
und die Suchrichtung d fur den jeweiligen Iterationsschritt κ bestimmt werden
ακ =r(κ)
Tr(κ)
d(κ)T Ad(κ)(5.13)
x(κ+1) = x(κ) + ακ d(κ) (5.14)
r(κ+1) = r(κ) − ακAd(κ) (5.15)
β(κ+1) =r(κ+1)T r(κ+1)
r(κ)Tr(κ)
(5.16)
d(κ+1) = r(κ+1) + βκ+1 d(κ) . (5.17)
In der Iterationsvorschrift des CG-Verfahrens tritt die Koeffizientenmatrix A nur in
Produkten mit der Startlosung x(0) und der Suchrichtung d(κ) auf. Diese Produkte
konnen durch Faltungen der Einzelnachgiebigkeitsmatrix K mit der Startlosung in Ma-
trixform X(0) beziehungsweise der Suchrichtung in Matrixform D(κ) ersetzt werden
Ad(κ) = K ∗D(κ) . (5.18)
Durch Anwendung des Faltungstheorems konnen Faltungen durch Multiplikation der
Fouriertransformierten und anschließender Rucktransformation bestimmt werden. Die
Verwendung der schnellen Fouriertransformation (FFT) ermoglicht eine sehr effiziente
Berechnung der Faltung
K ∗D(κ) = iFFT2(
FFT2(K)· FFT2
(D(κ)
))
. (5.19)
FFT2 bezeichnet die zweidimensionale schnelle Fouriertransformation und iFFT2 die
inverse, zweidimensionale schnelle Fouriertransformation. Durch Anwendung des Fal-
tungstheorems wird das CG-Verfahren schneller und der Speicherbedarf sinkt, weil nur
die Einzelnachgiebigkeitsmatrix anstatt der Gesamtnachgiebigkeitsmatrix benotigt wird.
5.4.4 Das Verfahren der konjugierten Gradienten mit integrier-
ter Lastregelung
Allwood beschreibt in [8] einen Algorithmus zur simultanen Losung der Nachgiebigkeits-
beziehung und des Gleichgewichts der Normallasten. Das vollstandige Kontaktproblem,
bestehend aus der Nachgiebigkeitsbeziehung (5.1), der Abstandsfunktion (4.108) und
der Gleichgewichtsbeziehung (4.113), wird folgendermaßen formuliert
Kcc Kcn qc
KTcn Knn qn
qTc qT
n 0
pc
0
−uo
=
hc
gn + hn
Fo
, (5.20)
mit
Fo = pmean ·Nx ·Ny . (5.21)
5 NUMERISCHE UMSETZUNG DES HALBRAUMMODELLS 55
Die Indizes c und n bezeichnen Oberflachensegmente im Kontakt- bzw. Nichtkontakt-
gebiet. Die Vektoren qc und qn beinhalten nur Einsen und dienen der Summation.
Die Vektoren hc und hn beinhalten die Oberflachenhohe hij reduziert um die maximale
Oberflachenhohe hmax. Das Nichtkontaktgebiet wird aus dem Gleichungssystem entfernt,
weil es weder Informationen uber die Druckverteilung im Kontakt, noch uber die globale
Annaherung der Oberflachen enthalt
[I K−1
cc qc
qTc 0
](pc
−uo
)
=
(K−1
cc hc
Fo
)
. (5.22)
Durch die Substitutionen
b = K−1cc qc und c = K−1
cc hc (5.23)
kann das Kontaktgleichungssystem in zwei Gleichungssysteme aufgespaltet werden. Die-
se beiden Gleichungssysteme werden mit dem Verfahren der konjugierten Gradien-
ten gelost. Anschließend kann die globale Annaherung der Oberflachen uo und das
Flachenpressungsfeld in der Kontaktzone pc durch Rucksubstitution von b und c be-
stimmt werden
uo =Fo − qT
c c
qTc b
(5.24)
und
pc = uo b+ c . (5.25)
Dieser Algorithmus erlaubt es, die Druckverteilung bei definierter Normallast zu bestim-
men, ohne die globale Annaherung der Oberflachen iterativ bestimmen zu mussen.
5.5 Plastic-Set-Strategie
Durch die Active-Set-Strategie ist es moglich, sehr effiziente nicht-projizierte Glei-
chungsloser fur elastische Kontaktsimulationen zu verwenden. Im Folgenden wird eine
Moglichkeit zur Verwendung nicht-projizierter Gleichungsloser in Verbindung mit dem
vereinfachten plastischen Halbraummodell mit limitierter Flachenpressung prasentiert.
Das Superpositionsprinzip ermoglicht es, die Deformation des Halbraums durch
ein Flachenpressungsfeld als Summe der Deformationen durch beliebige Anteile des
Flachenpressungsfeldes darzustellen. So ist es moglich, die Deformation der Halbraum-
oberflache als Summe der Deformation durch die Elemente in elastischem Kontakt
(0 < p < H) und der Deformation durch die Elemente in plastischem Kontakt (p = H)
darzustellen
ui(pges) = ui(pel) + ui(ppl) . (5.26)
Diese Tatsache motiviert ein Vorgehen, dass im Folgenden wegen seiner Ahnlichkeit
zur Active-Set-Strategie”Plastic-Set-Strategie“ genannt wird. Nach einer elastischen
56 5.5 Plastic-Set-Strategie
Kontaktiteration werden alle Elemente, deren Flachenpressung die Oberflachenharte H
ubersteigen, zum Plastic-Set hinzugefugt. Alle Flachenpressungen im Plastic-Set wer-
den gleich der Oberflachenharte gesetzt. Anschließend werden das Deformationsfeld
aufgrund der Kontakte im Plastic-Set u(ppl) und die durch das Plastic-Set getragene
Last Fpl bestimmt. In der nachfolgenden Iteration muss u(ppl) in der Abstandsbezie-
hung berucksichtigt werden.
Aus (4.108) wird
gi = hmax − hi + ui(pel) + ui(ppl)− uo . (5.27)
Aufgrund seiner Vorteile hinsichtlich Berechnungszeit und Speicherbedarf bei der Losung
des elastischen Kontaktproblems wird das Verfahren der konjugierten Gradienten mit
integrierter Lastregelung verwendet. Fpl muss in das Kraftegleichgewicht (4.113) mitein-
bezogen werden. Es gilt
Fo = F − Fpl . (5.28)
Gleichungssystem
losen
Fuge betroffene
Elemente zum
Active-Set hinzu
Tritt p < 0
auf?
Entferne betroffene
Elemente aus
dem Active-Set
Tritt g < 0
auf?
Entferne betroffene
Elemente aus
dem Active-Set
und fuge sie zum
Plastic-Set hinzu
Tritt
p > H auf?
Iteration erfolg-
reich beendet
ja
nein
ja
nein
nein
ja
Abbildung 5.2: Plastic-Set-Strategie
5 NUMERISCHE UMSETZUNG DES HALBRAUMMODELLS 57
In der elastischen Losung des Gleichungssystems wird die Flachenpressung in den
plastischen Kontaktelementen uberschatzt, daher werden die Flachenpressungen in den
elastischen Kontaktelementen sowie die Große des Kontaktgebiets unterschatzt. Folglich
ist eine falschliche Einsortierung in das Plastic-Set bei korrekter Losung des elastischen
Problems ausgeschlossen und ein Entfernen von Elementen aus dem Plastic-Set ist nie
notwendig. Die Iterationsvorschrift zur Plastic-Set-Strategie ist in Abb. 5.2 dargestellt.
Abb. 5.3 a zeigt die Flachenpressung unter dem Kontakt einer Kugel mit einer Ebe-
ne. Der elastische Kontakt entspricht einem Hertzschen Kontakt. Durch die Limitie-
rung der Flachenpressung auf 800MPa ist der Kontaktradius im plastischen Kontakt
großer als im elastischen Kontakt. In Abb. 5.3 b sind die elastischen und plastischen De-
formationsanteile im plastischen Kontakt und die Deformation im elastischen Kontakt
gegenubergestellt.
−5 −2.5 0 2.5 50
400
800
1200
1600
r in mm
pin
MPa
Plastischer KontaktElastischer Kontakt
a)
−5 −2.5 0 2.5 5100
75
50
25
0
r in mm
uin
µm
Plastische DeformationElastische DeformationGesamtdeformationElastischer Kontakt
b)
Abbildung 5.3: Flachenpressung (a) und Oberflachendeformation (b) im elastischen und
im eindimensionalen plastischen Kontakt
5.6 Vergleich der Losungsverfahren
Das elastische und vereinfachte elasto-plastische Kontaktproblem kann entweder mittels
eines projizierten Gleichungslosers, oder mittels eines nicht-projizierten Gleichungslosers
in Verbindung mit der Active-Set- beziehungsweise Plastic-Set-Strategie gelost werden.
Welche Vorgehensweise effizienter ist, soll im Folgenden, durch einen Vergleich der Re-
chenzeiten der implementierten Verfahren, untersucht werden.
Aufgrund seines großen Speicherbedarfs wird der direkte Gleichungsloser im Ver-
gleich der Losungsverfahren nicht berucksichtigt. Stattdessen wird als Vertreter der
nicht-projizierten Loser das Verfahren der konjugierten Gradienten mit integrierter Last-
regelung verwendet, weil es wenig Arbeitsspeicher benotigt und die gewunschte Normal-
last direkt vorgegeben werden kann. Das CG-Verfahren wird mit dem SOR-Verfahren
in Indexformulierung, das als projizierter Gleichungsloser verwendet werden kann und
ebenfalls einen geringen Speicherbedarf aufweist, verglichen. Im SOR-Verfahren muss
58 5.6 Vergleich der Losungsverfahren
die Annaherung der Oberflachen uo, die zur gewunschten Normallast fuhrt, iterativ be-
stimmt werden. Diese zusatzliche zeitintensive Iteration von uo wird in dem, im Rah-
men dieser Arbeit implementierten, Halbraummodell mittels des Bisektionsverfahrens
durchgefuhrt. Das Newton-Verfahren zeigt in vielen Testrechnungen eine etwas großere
Effizienz, ist aber weniger stabil als das Bisektionsverfahren.
Ein Test des SOR-Verfahrens zeigt, dass die konservative Abschatzung des Kon-
taktgebiets, durch eine Prufung auf Durchdringungen bei Nichtberucksichtigung der
Oberflachendeformation, zu einer massiven Uberschatzung des potentiellen Kontakt-
gebiets fuhrt. In der Folge ist das Gleichungssystem unnotig groß und die Rechen-
zeiten entsprechend lang. Daher wird das Kontaktgebiet unter Berucksichtigung der
Oberflachendeformation bestimmt. Bei diesem Vorgehen muss nach jeder Iteration ei-
ne Uberprufung auf Durchdringungen durchgefuhrt werden und gegebenenfalls mussen
Kontaktsegmente zum Gleichungssystem hinzugefugt werden. Dennoch ergibt sich eine
deutliche Verkurzung der Rechenzeiten.
In Abb. 5.4 sind die Rechenzeiten des SOR-Losers in Abhangigkeit von der Dimen-
sion des Gleichungssystems M und dem Relaxationsfaktor ω fur elastischen Kontakt
und elasto-plastischen Kontakt mit dem vereinfachten plastischen Halbraummodell dar-
gestellt. Fur elastischen Kontakt fuhrt ω = 0,3 zur kurzesten Rechenzeit bei großen
Kontaktgebieten, bei vereinfachtem plastischen Kontakt ist ω = 0,5 der am besten ge-
eignete Relaxationsfaktor. Die unterschiedlichen idealen Relaxationsfaktoren sind durch
die Manipulation des Gleichungssystems durch die Limitierung der Flachenpressung im
vereinfachten plastischen Halbraummodell begrundet.
Ein Vergleich der Rechenzeiten zeigt eine deutlich großere Effizienz des konjugier-
te Gradienten-Verfahrens gegenuber dem SOR-Verfahren bei elastischem Kontakt. Die
Rechenzeiten sind um mehr als eine Zehnerpotenz kleiner (Abb. 5.5 a). Bei elasto-
plastischem Kontakt erhoht die zusatzliche Iterationsschleife der Plastic-Set-Strategie
die Rechenzeiten im konjugierte Gradienten-Verfahren deutlich. Das Verfahren ist den-
noch circa doppelt so schnell wie das SOR-Verfahren (Abb. 5.5 b). Folglich uberwiegt
0,1 0,3 0,5 0,7 0,9
200
400
600
800
1000
ω
tin
s
M=13000M=11300M=8700M=5400
a)
0,1 0,3 0,5 0,7 0,9
200
400
600
800
ω
tin
s
M=13300M=9800M=6500M=3300
b)
Abbildung 5.4: Rechenzeit des SOR-Losers in Abhangigkeit des Relaxationsparameters ω
im elastischen (a) und plastischen (b) Kontakt
5 NUMERISCHE UMSETZUNG DES HALBRAUMMODELLS 59
der Geschwindigkeitsvorteil des CG-Verfahrens gegenuber dem SOR-Verfahren den
zusatzlichen Aufwand fur die Plastic-Set-Iterationen bei Verwendung des CG-Losers.
0 4000 8000 120000
100
200
300
400
M
tin
s
SOR, ω = 0, 3CG
a)
0 4000 8000 120000
100
200
300
M
tin
s
SOR, ω = 0, 5CG
b)
Abbildung 5.5: Vergleich der Rechenzeiten des SOR- und CG-Losers im elastischen (a)
und plastischen (b) Kontakt
5.7 Volumenerhaltung und Kontakt mit rauen
Werkzeugen
Die plastische Deformation von Metallen ist in sehr guter Naherung volumenkonstant.
Experimentelle Untersuchungen von Pullen und Williamson [63] zeigen, dass im Kon-
takt rauer Oberflachen die Rauheitstaler durch das aus den Rauheitsspitzen verdrangte
Material gleichmaßig aufgefullt werden. Das plastifizierte Material wird also nicht seit-
lich aus dem Kontaktbereich verdrangt, sondern die Rauheitstaler werden im Ganzen
angehoben. Aufbauend auf dieser Erkenntnis wird ein volumenerhaltender Algorithmus
in das Halbraummodell implementiert, der das durch plastische Deformation verdrangte
Volumen gleichmaßig in der Nicht-Kontaktflache verteilt. In Abb. 5.6 a ist die Ober-
flachenkontur nach dem Kontakt dargestellt. Mit dem nicht-volumenerhaltendem Al-
gorithmus entspricht die Oberflache in den Rauheitstalern nach dem Kontakt der ur-
sprunglichen Oberflache. Mit dem volumenerhaltendem Algorithmus hingegen ist die
Oberflachenhohe in den Rauheitstalern großer. Die Hohe der Oberflache ist auch im
Kontaktgebiet erhoht, weil durch das Anheben der Rauheitstaler die Annaherung der
Oberflachen bei gleicher Flachenpressung geringer ist.
Werkzeugoberflachen konnen eine nicht zu vernachlassigende Rauheit aufweisen.
Diese kann eine ungewollte Folge des Fertigungsprozesses sein, oder gezielt herbei-
gefuhrt worden sein, um den Umformprozess zu beeinflussen. Um die Werkzeugober-
flachenrauheit htool im Kontaktmodell berucksichtigen zu konnen, muss die Abstands-
funktion modifiziert werden. Anstatt (4.108) gilt dann
gi = hmax − hi − htool i + ui − uo . (5.29)
60 5.8 Hydrostatisches Modell
Die Rauheit der Werkzeugoberflache wird im Kontakt auf die Werkstuckoberflache ab-
gepragt, so dass diese nach dem Kontakt eine großere Rauheit in der Kontaktzone auf-
weist (Abb. 5.6 b).
0 0,25 0,5 0,75 1−4
−2
0
2
4
x in mm
zin
µm
Undeformierte OberflacheNicht-volumenerhaltendVolumenerhaltend
a)
0 0,25 0,5 0,75 1
−2
−1
0
1
x in mm
zin
µm
Glattes WerkzeugRaues Werkzeug
b)
Abbildung 5.6: Auswirkungen der Volumenerhaltung (a) und rauer Werkzeugober-
flachen (b) auf die Oberflachenkontur nach dem Kontakt
5.8 Hydrostatisches Modell
Das mechanisch-rheologische Modell (vgl. Kap. 2.4) ist ein geeignetes Werkzeug zur
Charakterisierung von Oberflachen bezuglich ihrer Fahigkeit, geschlossene Schmierta-
schen auszubilden, Schmierstoff zu speichern und im Kontakt in die Wirkfuge einzubrin-
gen. Das Modell ist jedoch nicht in der Lage, die vom Schmierstoff getragenen Normal-
krafte zu bestimmen und den Einfluss des Schmierstoffes auf die Einglattung der Ober-
flachen zu beschreiben. Zudem ist nicht bekannt, bei welcher Flachenpressung geschlos-
sene Schmiertaschen gebildet werden und bei welcher Flachenpressung der Schmierstoff
wieder abgegeben wird. Daher liegt es nahe, die vom mechanisch-rheologischen Modell
vorgenommen Aufteilung der Oberflache in Kontaktflachenanteile mit einer Kontaktsi-
mulation zu verbinden.
Dieser Ansatz wurde bereits in Verbindung mit einem auf der Gleitlinientheorie ba-
sierenden Kontaktmodell [75] umgesetzt. Die geschlossenen Schmiertaschen durchlaufen
in diesem Modell vier Phasen. In der ersten Phase verringert sich das Volumen der
geschlossenen Schmiertaschen durch plastische Oberflachendeformation in ihrer Umge-
bung, bis die ursprungliche Beolungsmenge zur vollstandigen Fullung der Schmierta-
schen ausreichend ist. In der zweiten Phase verringert sich das Volumen der geschlos-
senen Schmiertaschen durch weitere Oberflachendeformation und der Schmierstoff wird
komprimiert, wodurch sich hydrostatische Drucke bilden. Wenn der Schmierstoff den zur
Leckage erforderlichen Druck erreicht hat, tritt in der dritten Phase Schmierstoff aus den
Schmiertaschen aus und trennt die Oberflachen in der Umgebung der Schmiertaschen.
In der vierten Phase ist der Schmierstoff ganzlich aus den Schmiertaschen verdrangt
5 NUMERISCHE UMSETZUNG DES HALBRAUMMODELLS 61
und es kommt zu vollstandigem Materialkontakt. Der Leckagedruck ist kleiner als die
Fließgrenze des Werkstucks und wird experimentell identifiziert.
Im Folgenden ist beschrieben, wie das Konzept der hydrostatischen Drucke in ge-
schlossenen Schmiertaschen in das Halbraummodell implementiert wurde.
5.8.1 Erkennung geschlossener Schmiertaschen
Um den Einfluss hydrostatischer Krafte in geschlossenen Schmiertaschen modellieren zu
konnen, mussen diese zunachst erkannt werden. Als geschlossene Schmiertaschen werden
all die Bereiche der Oberflache klassifiziert, die rundum durch reale, also metallische,
Kontaktflache umgeben sind.
Im ersten Schritt zur Erkennung geschlossener Flachenanteile wird die sogenannte
Kontaktmatrix kon erstellt. Jeder ihrer Eintrage entspricht einem Segment der diskre-
tisierten Oberflache. Jedes Element der Kontaktmatrix, das einem Segment im Kontakt
entspricht (p = x > 0) bekommt den Eintrag Zwei. Mittels des in Matlab integrierten
Floodfill-Algorithmus”imfill“ werden die umschlossenen Segmente mit Einsen belegt.
Zur Veranschaulichung sind im Folgenden eine Flachenpressungsmatrix p und die zu-
gehorige Kontaktmatrix kon dargestellt.
p =
x x x x x x
x 0 x 0 0 x
x x x 0 x x
x 0 0 0 0 x
x x x x 0 x
0 0 x x x x
kon =
2 2 2 2 2 2
2 1 2 1 1 2
2 2 2 1 2 2
2 1 1 1 1 2
2 2 2 2 1 2
0 0 2 2 2 2
(5.30)
Es sind zwei geschlossene Schmiertaschen zu erkennen. Die Erste besteht nur aus Seg-
ment 8 (2. Spalte, 2. Zeile). Die zweite geschlossene Schmiertasche ist stark verzweigt und
stellt daher einen geeigneten Testfall fur den Algorithmus zur Erkennung geschlossener
Schmiertaschen dar. Die Nullen in der linken unteren Ecke der Flachenpressungsmatrix
entsprechen einer offenen Schmiertasche.
Im zweiten Schritt wird die Kontaktmatrix spaltenweise durchlaufen und Gruppen
von Segmenten geschlossener Schmiertaschen (grau hinterlegte Einsen) gebildet. Hierzu
werden die Indizes der entsprechenden Eintrage der Flachenpressungsmatrix p in die Ma-
trix vertgroup eingetragen (vgl. Indexmatrix index). Ein solches Element steht allein
in seiner Gruppe, wenn es in seiner Spalte nur von metallischer Kontaktflache (Zwei-
en) umgeben ist . In gleicher Weise wird die Kontaktmatrix in horizontaler Richtung
gepruft (horgroup). Im dargestellten Testfall ergeben sich folgende Gruppenmatrizen,
deren Spalten Gruppen darstellen.
vertgroup =
8 10 16 20 26 28
NaN NaN NaN 21 NaN 29
NaN NaN NaN 22 NaN NaN
(5.31)
62 5.8 Hydrostatisches Modell
horgroup =
8 20 21 10 29
NaN 26 NaN 16 NaN
NaN NaN NaN 22 NaN
NaN NaN NaN 28 NaN
(5.32)
index =
1 7 13 19 25 31
2 8 14 20 26 32
3 9 15 21 27 33
4 10 16 22 28 34
5 11 17 23 29 35
6 12 18 24 30 36
(5.33)
Im dritten und letzten Schritt werden alle Gruppen aus vertgroup und horgroup
mit gleichen Elementen vereint und in die Matrix gesgroup eingetragen.
gesgroup =
8 10
NaN 16
NaN 20
NaN 21
NaN 22
NaN 26
NaN 28
NaN 29
(5.34)
Ein Vergleich der Kontaktmatrix und der Matrix gesgroup zeigt, dass sowohl das Seg-
ment Nummer Acht, als auch die stark verzweigte geschlossene Schmiertasche richtig
erkannt wurden.
5.8.2 Iterative Bestimmung des Drucks in geschlossenen
Schmiertaschen
Der hydrostatische Kontaktalgorithmus wird gestartet, wenn in der trockenen Kontakt-
simulation geschlossene Schmiertaschen detektiert werden. In der Funktion Hydrostatik
wird inkrementell Druck in geschlossenen Schmiertaschen aufgebracht bzw. erhoht. Der
Algorithmus zur Erkennung geschlossener Schmiertaschen ist in Hydrostatik integriert, so
dass in den einzelnen Schmiertaschen unterschiedliche Druckniveaus herrschen konnen.
Durch den hydrostatischen Druck in den geschlossenen Schmiertaschen kommt es zu einer
weiteren Deformation der Oberflache. Die Gesamtdeformation der Oberflache ergibt sich
aus einem Anteil durch hydrostatische Drucke in Aclos und Anteilen aus elastischer (pel)
und plastischer (ppl) Flachenpressung in Areal
ui(pges) = ui(phyd) + ui(pel) + ui(ppl) . (5.35)
Die Veranderung der Oberflachendeformation durch hydrostatische Drucke muss in der
Abstandsbeziehung (4.108) berucksichtigt werden. Auch im Kraftegleichgewicht (4.113)
5 NUMERISCHE UMSETZUNG DES HALBRAUMMODELLS 63
muss die hydrostatisch getragene Last Fhyd berucksichtigt werden. Mit der, in plastischen
Kontaktbereichen getragenen, Last Fpl aus (5.28) und der außeren Last F folgt fur die
Last Fo im elastischen Kontaktgebiet
Fo = F − Fhyd − Fpl . (5.36)
Um den Einfluss der hydrostatischen Drucke auf den Kontakt im Halbraummodell kor-
rekt abzubilden wird der Kontakt, wie in Abb. 5.7 dargestellt, iterativ bestimmt, bis
sowohl das Flachenpressungsfeld p, als auch das Feld der hydrostatischen Drucke phydauskonvergiert sind. Dabei werden (5.35) und (5.36) in der Berechnung des trockenen
Kontakts berucksichtigt. Die Funktion Hydrostatik-konst ist eine Abwandlung der Funk-
tion Hydrostatik. Der Unterschied der Funktionen besteht darin, dass in Hydrostatik-
konst die hydrostatischen Drucke nicht erhoht werden, sondern nur die Erkennung von
Schmiertaschen durchgefuhrt wird und die hydrostatischen Drucke gemittelt werden,
wenn mehrere Schmiertaschen verschmelzen. Nach erreichter Konvergenz in p und phydwerden die hydrostatischen Drucke in der Funktion Hydrostatik erhoht und die itera-
tive Bestimmung der Flachenpressungsfelder beginnt von Neuem. Diese außere Schleife
wird solange durchlaufen, bis keine weitere Steigerung der hydrostatisch getragenen Last
Fhyd zu erwarten ist, weil entweder in allen geschlossenen Schmiertaschen der maximale
Schmierstoffdruck phyd,max erreicht wurde, oder eine weitere Steigerung des hydrostati-
schen Drucks zu einer Offnung der geschlossenen Schmiertaschen fuhrt.
Eine theoretische Obergrenze fur den hydrostatischen Druck in den geschlossenen
Schmiertaschen stellt die Flachenpressung in der Umgebung der Schmiertasche dar.
Ware der Druck im Schmierstoff großer als in der realen Kontaktflache, so wurde er die
Kontaktpartner trennen. In Untersuchungen des Kontakts einer einzelnen Schmiertasche
konnte gezeigt werden, dass der hydrostatische Druck tatsachlich die Flachenpressung
in der Umgebung der Schmiertaschen erreichen kann [11, 12].
In der vorliegenden Arbeit wird nicht der Kontakt einer einzelnen Kavitat, son-
dern der Kontakt einer rauen Oberflache untersucht. Weil mit der Auflosung der
Kontaktoberflache der numerische Aufwand exponentiell steigt, wird die Oberflache
fur die Kontaktsimulationen interpoliert, wodurch Rauheiten kleinster Skala nicht
im Modell berucksichtigt werden. Durch kleinskalige Rauheitstaler kann bei hohen
Flachenpressungen Schmierstoff austreten. Daher erscheint es sinnvoll einen Leckage-
druck phyd,max, der kleiner ist als der Druck in der Umgebung der Schmiertaschen, zu
wahlen. Zumeist bilden sich geschlossene Schmiertaschen unter plastischen Kontaktbe-
dingungen. Daher ist der Leckagedruck im hydrostatischen Halbraummodell relativ zur
Oberflachenharte definiert
phyd,max = fhydH (5.37)
mit
fhyd ≤ 1 . (5.38)
Ergebnisse der Kontaktsimulationen mit dem vereinfachten plastischen Halbraummodell
mit Volumenerhaltung, dem Normalkontakt zweier rauer Oberflachen und dem hydro-
statischen Algorithmus werden in Kap. 6.2 mit Messergebnissen verglichen.
64 5.8 Hydrostatisches Modell
Trockener Kontakt
Aclos > 0 ? Hydrostatik
Trockener Kontakt
Hydrostatik-konst
Trockener Kontakt
Sind p und
phyd kon-
vergiert?
Iteration erfolg-
reich beendet
Maximales
Fhyd
gefunden?
ja
nein
nein
ja
ja
nein
Abbildung 5.7: Hydrostatischer Kontakt-Algorithmus
Kapitel 6
Experimentelle Verifikation
6.1 Harteprufung nach Vickers
Das vereinfachte plastische Halbraummodell wird durch mehrere experimentelle Unter-
suchungen kalibriert und validiert. Um die Abhangigkeit der Oberflachenharte von der
plastischen Oberflachendeformation und hieraus resultierender Oberflachenverfestigung
zu untersuchen, werden Harteprufungen nach Vickers an Umformblechen aus dem Stahl-
werkstoff DC04 durchgefuhrt. Die Prufkraft im Experiment betragt 500mN , so dass
die Eindringtiefe mit 4µm in etwa der plastischen Oberflachendeformation in den
Einglattungsversuchen entspricht, die in Kapitel 6.2 dargestellt werden. Bei der verwen-
deten Prufkraft ahneln die Abmessungen des Eindrucks des Prufkorpers den Abmes-
sungen der Rauheitsspitzen und -taler der Oberflachenrauheit des EDT-strukturierten
Bleches (Electrical-Discharge-Texturing). Daher kommt es bei einer Harteprufung der
Oberflache zu einer Interaktion des Eindringkorpers mit den Rauheitsspitzen, wo-
durch die Messungen stark verfalscht und unbrauchbar werden. Deshalb wird die
Harteprufungen gemaß DIN EN ISO 6507 an polierten Querschnitten durchgefuhrt. Der
Abstand der Messpunkte von der Oberflache betragt 100µm und die gemessene Harte
130 HV 0,05. Zum Abgleich mit den Messungen wird der Hartetest mit dem vereinfach-
ten plastischen Halbraummodell ohne Volumenkonstanz simuliert. Die Oberflachenharte
0 1 2 3 4 5
100
200
300
400
500
600
Eindringtiefe in µm
Last
inmN
MessungSimulation
Abbildung 6.1: Kraftverlauf in der Harteprufung nach Vickers
65
66 6.2 Einglattungsversuch
H in der Simulation betragt konstant 1300MPa. In Abb. 6.1 ist der Verlauf der Prufkraft
uber die Eindringtiefe in der Harteprufung und der Halbraumsimulation dargestellt. Die
sehr gute Ubereinstimmung zwischen Simulation und Messung bei konstanter Ober-
flachenharte H zeigt, dass die Oberflachenharte in diesem Experiment unabhangig von
der Oberflachendeformation ist.
6.2 Einglattungsversuch
Die Simulation des Hartetests zeigt eine sehr gute Ubereinstimmung mit dem Ex-
periment. Jedoch ist der Kontakt einer einzelnen Rauheitsspitze mit einer glatten
Oberflache nur bedingt mit dem Kontakt rauer Oberflachen vergleichbar, bei dem
sich mehrere Rauheitsspitzen unterschiedlicher Große in Kontakt befinden. Der Kon-
takt rauer Oberflachen wird daher mit einem Einglattungsexperiment untersucht,
bei dem ein sehr harter Stempel eine raue Oberflache einglattet. Der Stempel wird
mit Flachenpressungen von 100MPa bis 600MPa auf die Oberflache eines EDT-
strukturierten DC04-Bleches gepresst. Zur Untersuchung des Einflusses von Schmierstof-
fen auf die Oberflacheneinglattung wird neben einer Versuchsreihe ohne Schmierstoff eine
weitere Versuchsreihe mit dem Schmierstoff Beruforge DL 150 durchgefuhrt. Die Blecho-
berflachen werden vor und nach dem Kontakt mit dem Stempel mittels eines Lasermi-
kroskops (Keyence VK-X105, 20x Objektiv) vermessen, um die Veranderung der Rauheit
zu ermitteln. Die Kantenlangen der vermessenen Oberflachensegmente betragt 2,65mm.
Eine Charakterisierung der Oberflache mit dem mechanisch-rheologischen Modell (siehe
Abb. 6.2 a) zeigt naherungsweise konstante Kontaktflachenanteile ab einer Kantenlange
von 2,5mm. Daher ist die gewahlte Große des vermessenen Oberflachensegments als
reprasentativ anzusehen. Fur die numerische Kontaktsimulation wird die vor dem Ex-
periment vermessene Oberflache in 128× 128 Segmente diskretisiert. Um die Messdaten
und die Simulationsergebnisse vergleichen zu konnen, mussen auch die Messdaten auf
128×128 Segmente interpoliert werden. Hierdurch werden Rauheiten kleiner Wellenlange
aus den Oberflachendaten entfernt. Aufgrund der Interpolation der Oberflachen ist keine
normgerechte Bestimmung der arithmetischen und quadratischen Oberflachenrauheit Sa
und Sq gemaß DIN EN ISO 25178 [5] moglich. Weil die Rauheitsparameter stets auf iden-
tische Weise ermittelt werden eignen sie sich dennoch fur den Vergleich von Oberflachen
und die Quantifizierung der Oberflacheneinglattung. Weitere Parameter des Versuchs
sind in Tabelle 6.1 aufgelistet.
Die Simulationen des Einglattungsexperiments werden mit dem vereinfachten plasti-
schen Halbraummodell mit Volumenerhaltung unter Berucksichtigung der Werkzeugrau-
heit durchgefuhrt. Die Oberflachenharte H betragt sowohl in der trockenen Simulation,
als auch in der Simulation des beolten Kontakts 800MPa. Die gewahlten Einstellungen
des Simulationsmodells sind in Tabelle 6.2 zusammengefasst.
In Abb. 6.4 sind die experimentell und simulativ ermittelten arithmetischen und
quadratischen Oberflachenrauheiten gegenubergestellt. Es zeigt sich sowohl fur die tro-
ckenen, als auch fur die beolten Einglattungsversuche eine sehr gute Ubereinstimmung
6 EXPERIMENTELLE VERIFIKATION 67
0,00,7
1,42,1
2,8
0,00,7
1,42,1
2,8−4−2
024
y in mmx in mm
zin
µm
a)
0,0 0,7 1,4 2,1 2,8
−2
0
2
4
x in mm
zin
µm
b)
Abbildung 6.2: Gemessene Oberflache in dreidimensionaler Darstellung (a) und im Pro-
filschnitt (b)
0 1 2 30
25
50
75
100
L in mm
αin
%
αrealαclosαopen
a) b)
Abbildung 6.3: Parameter des mechanisch-rheologischen Modells in Abhangigkeit von
der Kantenlange der Oberflache (a) und Prufwerkzeug (b)
zwischen Simulation und Experiment. Bei Flachenpressungen unter 300MPa unterschei-
den sich die Rauheiten in den trockenen und beolten Untersuchungen kaum. Die Streu-
ung der Messwerten liegt in der Großenordnung der Streuung der Rauheitsparameter der
Oberflachen im Ausgangszustand. Bei Flachenpressungen uber 300MPa schließen sich
im beolten Kontakt vermehrt Schmiertaschen und bilden geschlossene Schmierstoffde-
pots, die Normalkrafte aufnehmen und folglich die metallischen Kontaktflache entlasten.
Wegen der Entlastung der metallischen Oberflache durch geschlossene Schmiertaschen ist
die Oberflacheneinglattung in den beolten Untersuchungen bei hohen Flachenpressungen
geringer als in den trockenen Untersuchungen. Die bei ca. 300MPa beginnende Ausbil-
dung lasttragender geschlossener Schmiertaschen ist in den Simulationsergebnissen in
Abb. 6.5 deutlich zu erkennen. Ab 300MPa wachst der Anteil der geschlossenen Schmier-
taschen (αclos) stark an und erreicht ca. 40% bevor er oberhalb von 500MPa wieder
abnimmt (Abb. 6.5 a). Die Abnahme von αclos bei sehr großen Flachenpressungen ist in
68 6.2 Einglattungsversuch
Stempeldurchmesser 8mm
Ra des Stempels ≈ 0,10 µm
Rq des Stempels ≈ 0,15 µm
Geschwindigkeit des Stempels 0,1 mm/min
Anzahl der Wiederholungen 5
Tabelle 6.1: Versuchsdaten des Einglattungsexperiments
Abmessung der simulierten Oberflache 2,65mm × 2,65mm
Auflosung der simulierten Oberflache 128 × 128
Oberflachenharte H 800MPa
Maximaler hydrostatischer Druck in αclos 640MPa
Elastizitatsmodul 205 000MPa
Querkontraktionszahl 0,34
Tabelle 6.2: Simulationsdaten des Einglattungsexperiments
der, im Vergleich zur metallischen Kontaktflache, geringeren Tragfahigkeit der geschlos-
senen Schmiertaschen begrundet, die zu einer Verdrangung des Schmierstoffes aus den
geschlossenen Schmiertaschen fuhrt. Die durch hydrostatischen Druck in geschlossenen
Schmiertaschen getragene Flachenpressung phyd steigt mit der Flachenpressung kontinu-
ierlich an, bis sie bei einer Gesamtflachenpressung von ca. 500MPa einen naherungsweise
konstanten Wert von ca. 160MPa erreicht (Abb. 6.5 b).
Die Abbott-Kurven aus Messung und Simulation (Abb. 6.6 - Abb. 6.8) stimmen fur
Flachenpressungen von 200MPa, 400MPa und 600MPa sowohl fur trockenen, als auch
beolten Kontakt sehr gut uberein.
Wie in Kapitel 2.3 veranschaulicht, haben Wahrscheinlichkeitsdichtefunktionen
eine deutlich großere Aussagekraft als Abbott-Kurven, weil sie die tatsachliche
Hohenverteilung, und nicht wie die Abbott-Kurve einen integralen Wert uber die Hohen
darstellen. Daher ermoglichen die in Abb. 6.9 bis 6.11 dargestellten Wahrscheinlich-
0 100 200 300 400 500 6000
0,2
0,4
0,6
0,8
1,0
1,2
p in MPa
Sain
µm
Messung trockenSimulation trockenMessung beoltSimulation beolt
a)
0 100 200 300 400 500 6000
0,2
0,4
0,6
0,8
1,0
1,2
1,4
p in MPa
Sqin
µm
Messung trockenSimulation trockenMessung beoltSimulation beolt
b)
Abbildung 6.4: Arithmetische (a) und quadratische (b) Oberflachenrauheit nach dem
Einglattungsversuch
6 EXPERIMENTELLE VERIFIKATION 69
keitsdichtefunktionen einen genaueren Vergleich der simulierten und gemessenen Ober-
flachen. Die Ubereinstimmung von Simulation und Messung des trockenen Kontakts
ist qualitativ und auch quantitativ gut. Sowohl das Einglatten der Rauheitsspitzen,
als auch das Auffullen der Rauheitstaler mit verdrangtem Material aus den Rauheits-
spitzen wird durch die Simulation erfolgreich abgebildet. Lediglich bei der Auspragung
des Oberflachenplateaus (Hohe mit der großten Wahrscheinlichkeit) kommt es zu einer
deutlichen Abweichung von Simulation und Experiment. Auch das Abklingen der Wahr-
scheinlichkeitsdichtefunktion fur sehr große Hohen ist durch die Simulation nicht optimal
wiedergegeben. Bemerkenswert gut hingegen ist die Berechnung der Oberflachenhohen
unterhalb von -1µm fur alle Flachenpressungen. Angesichts der Tatsache, dass diese
Oberflachensegmente teils nicht im Kontakt waren, spricht dies fur die Qualitat der ver-
einfachten Modellierung der plastischen Oberflachendeformation mit Volumenerhaltung.
Die Ubereinstimmung zwischen Messung und Simulation ist im beolten Kontakt
ahnlich gut wie im trockenen Kontakt. Bei geringen Flachenpressungen (200MPa) sind
die Unterschiede zwischen trockenem und beoltem Kontakt gering. Bei 400MPa und
600MPa hingegen zeigen sich signifikante Unterschiede zwischen den Wahrscheinlich-
keitsdichtefunktionen des trockenen und beolten Kontakts. Im Vergleich zum trockenen
Kontakt ist die Spitze in der Wahrscheinlichkeitsverteilung weniger stark ausgepragt und
die Hohen sind gleichmaßiger verteilt. Ursachlich hierfur ist die Entlastung der realen
Kontaktflache durch hydrostatische Drucke in geschlossenen Schmiertaschen.
Mit 800MPa ist die identifizierte Oberflachenharte H im Einglattungsexperiment
deutlich geringer als im Hartetest (H = 1300MPa). Dies ist zum einen durch die geringe-
re Oberflachenharte im Kontakt eines deformierbaren Kegels mit einer harten Ebene im
Vergleich zum Kontakt eines harten Kegels mit einer nachgiebigen Ebene begrundet [22].
Zum anderen wird im Hartetest eine einzelne Kontaktstelle stark belastet, wahrend es
im Einglattungsversuch zu einer Vielzahl an Kontaktstellen kommt. Es ist davon auszu-
gehen, dass die einzelnen Kontaktstellen im Einglattungsversuch in verschiedenen Kon-
taktstadien sind. Neben sehr stark belasteten Kontaktstellen, deren Flachenpressung
nahe der tatsachlichen Oberflachenharte ist, wird es auch weniger stark belastet Kon-
0 200 400 6000
20
40
60
80
p in MPa
αin
%
αrealαclos
a)
0 200 400 6000
100
200
300
400
500
pges in MPa
pin
MPa
prealphyd
b)
Abbildung 6.5: Kontaktflachenanteile unter Last (a) und Anteile der Flachenpressung (b)
70 6.2 Einglattungsversuch
0 25 50 75 100−6
−4
−2
0
2
4
Materialanteil in %
zin
µm
MessungSimulationVor Kontakt
a)
0 25 50 75 100−6
−4
−2
0
2
4
Materialanteil in %
zin
µm
MessungSimulationSim. trockenVor Kontakt
b)
Abbildung 6.6: Abbott-Kurve trocken (a) und beolt (b) bei 200MPa Flachenpressung
0 25 50 75 100−6
−4
−2
0
2
4
Materialanteil in %
zin
µm
MessungSimulationVor Kontakt
a)
0 25 50 75 100−6
−4
−2
0
2
4
Materialanteil in %
zin
µm
MessungSimulationSim. trockenVor Kontakt
b)
Abbildung 6.7: Abbott-Kurve trocken (a) und beolt (b) bei 400MPa Flachenpressung
0 25 50 75 100−6
−4
−2
0
2
4
Materialanteil in %
zin
µm
MessungSimulationVor Kontakt
a)
0 25 50 75 100−6
−4
−2
0
2
4
Materialanteil in %
zin
µm
MessungSimulationSim. trockenVor Kontakt
b)
Abbildung 6.8: Abbott-Kurve trocken (a) und beolt (b) bei 600MPa Flachenpressung
taktstellen geben, deren Flachenpressung deutlich geringer ist, weil der plastische Kon-
takt weniger stark ausgepragt ist. Folglich ist die im Einglattungsversuch identifizierte
Oberflachenharte tatsachlich die mittlere Flachenpressung im plastischen Kontakt, die
6 EXPERIMENTELLE VERIFIKATION 71
−6 −4 −2 0 2 40
1
2
3
4
5
6
z in µm
φ(z)
MessungSimulationVor Kontakt
a)
−6 −4 −2 0 2 40
1
2
3
4
5
6
z in µm
φ(z)
MessungSimulationSim. trockenVor Kontakt
b)
Abbildung 6.9: Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion trocken (a) und beolt (b) bei 200MPa
Flachenpressung
−6 −4 −2 0 2 40
2
4
6
8
10
z in µm
φ(z)
MessungSimulationVor Kontakt
a)
−6 −4 −2 0 2 40
2
4
6
8
10
z in µm
φ(z)
MessungSimulationSim. trockenVor Kontakt
b)
Abbildung 6.10: Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion trocken (a) und beolt (b) bei
400MPa Flachenpressung
−6 −4 −2 0 2 40
4
8
12
16
z in µm
φ(z)
MessungSimulationVor Kontakt
a)
−6 −4 −2 0 2 40
4
8
12
16
z in µm
φ(z)
MessungSimulationSim. trockenVor Kontakt
b)
Abbildung 6.11: Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion trocken (a) und beolt (b) bei
600MPa Flachenpressung
72 6.2 Einglattungsversuch
wesentlich kleiner ist als die maximal mogliche Flachenpressung im plastischen Kontakt
H = 2,8 σ. Zudem uberlagern sich im Kontakt rauer Oberflachen die Spannungsfel-
der der Einzelkontakte, wodurch der Spannungszustand unter der Oberflache wesentlich
verandert wird.
Kapitel 7
Dreidimensionales plastisches
Halbraummodell
Das in Kapitel 4 skizzierte und in Kapitel 6 experimentell verifizierte vereinfachte plasti-
sche Halbraummodell mit limitierter maximaler Flachenpressung stellt einen sehr effizi-
enten, aber auch vereinfachenden Ansatz zur Simulation des elasto-plastischen Kontakts
dar. Mit seiner Hilfe konnen sowohl das Flachenpressungsfeld, als auch die plastische De-
formation der Oberflache bestimmt werden. Mit dem vereinfachten Modell ist es jedoch
nicht moglich, das Spannungsfeld und die plastischen Dehnungen unter der Oberflache
zu ermitteln. Die Modellierung des elasto-plastischen Kontakts mit der Methode der
Finiten Elemente ist genauer und ermoglicht, durch die Modellierung der dreidimensio-
nalen plastischen Deformation, einen besseren Einblick in das Verhalten der Oberflache.
Jedoch ist sie, bei feiner Diskretisierung, mit sehr großem numerischen Aufwand verbun-
den, weil die Anzahl der Freiheitsgrade durch die Volumendiskretisierung im FE-Modell
gegenuber der Oberflachendiskretisierung im Halbraummodell deutlich großer ist.
Ein weiterer Ansatz zur Modellierung des plastischen Kontakts wurde von Jacq et
al. [38] entwickelt. Das in Kapitel 4 beschriebene Halbraummodell wird in diesem Modell
um die Berechnung der dreidimensionalen plastischen Deformation mittels einer Volu-
mendiskretisierung erweitert. Aufgrund der Volumendiskretisierung ist dieses Modell
numerisch aufwandiger als das vereinfachte Modell. Jedoch wird das Kontaktproblem
weiterhin auf der Oberflache gelost, weshalb sich der Aufwand zur Losung des Kon-
taktgleichungssystems nicht erhoht. Die dreidimensionalen plastischen Dehnungen im
Halbraum werden analog zur Modellierung in der FE-Methode auf Basis der von-Mises-
Plastizitat bestimmt. Die Spannungen im Halbraum werden durch Superposition der
elastischen Spannungen, die sich aus der Flachenpressung auf der Oberflache ergeben,
und der Eigenspannungen, die ihre Ursache in den plastischen Dehnungen haben, be-
stimmt. Sowohl die elastischen Spannungen, die Eigenspannungen als auch die, durch
plastische Dehnungen verursachte, Oberflachendeformation werden mittels Einflussfunk-
tionen bestimmt.
73
74 7.1 Literaturubersicht bezuglich plastischer Halbraummodelle
7.1 Literaturubersicht bezuglich plastischer Halb-
raummodelle
Bevor das dreidimensionale plastische Halbraummodell ausfuhrlich erlautert wird, folgt
zunachst eine Literaturubersicht uber bisherige Arbeiten auf diesem Gebiet.
Jacqs Modell [38] nutzt einen Mehrgitterverfahren zur Losung des Kontaktproblems
und die schnelle Fouriertransformation (FFT) zur Faltung der Einflussfunktionen. Das
Modell wird durch den Vergleich mit FE-Simulationen und experimentellen Untersu-
chungen des elasto-plastischen Kontakts einer Diamantkugel mit einer ebenen Stahlober-
flache (Hartetest) validiert. Zudem werden Ergebnisse von Rollkontaktuntersuchungen
prasentiert.
Die Arbeit von Jacq dient zahlreichen Autoren als Grundlagen fur Weiterentwick-
lungen des dreidimensionalen plastischen Halbraummodells. Boucly et al. [19] erweitern
das Modell um den Einfluss thermischer Dehnungen, die durch Reibwarme im Gleit-
kontakt induziert werden. Die Spannungen aufgrund thermischer Dehnungen im Halb-
raum werden wie Eigenspannungen aufgrund plastischer Dehnungen behandelt. Ana-
log wird die Oberflachendeformation aufgrund thermischer Dehnungen wie die Ober-
flachendeformation durch plastische Dehnungen modelliert. In [18] fuhren Boucly et
al. den zweiseitigen plastischen Kontakt im Halbraummodell ein. Hierzu werden beid-
seitig identische Oberflachengestalt und gleiches Materialverhalten angenommen, so
dass der zweiseitige plastische Kontakt durch eine Verdopplung der plastischen Ober-
flachendeformation modelliert werden kann. Roll- und Gleitkontakt werden durch Ver-
schiebung des plastischen Dehnungsfeldes um den Roll- bzw. Gleitweg und erneute Be-
rechnung des elasto-plastischen Kontaktproblems in der neuen Konfiguration modelliert.
Tangentialkrafte durch ebene Reibung werden hierbei nicht berucksichtigt. Tangential-
krafte durch den Kontakt der Flanken von Rauheitsspitzen im Gleitkontakt werden
hingegen ausfuhrlich diskutiert.
Wang und Keer [79] schlagen vor, das plastische Dehnungsinkrement und das Inkre-
ment der plastischen Oberflachendeformation aus dem vorherigen Lastschritt als Start-
wert im nachfolgenden Lastschritt zu verwenden. Hierdurch wird die Anzahl der Itera-
tionen und somit die Berechnungszeit maßgeblich reduziert. Es wird der gleiche Plasti-
zitatsalgorithmus wie von Jacq [38] verwendet, der nicht mit perfekter Plastizitat ohne
Verfestigung kompatibel ist.
Nelias et al. [54] modellieren Verschleiß, indem sie Material aus der Oberflache entfer-
nen, dessen plastische Dehnung uber einem Grenzwert liegt. Das Modell berucksichtigt
Tangentiallasten und nutzt einen, im Vergleich zu Jacq et al. [38], robusteren und effizi-
enteren Plastizitatsalgorithmus. Dieser Plastizitatsalgorithmus wird auch in der vorlie-
genden Arbeit verwendet und ist in Kapitel 7.6 ausfuhrlich dargestellt.
Aufbauend auf dem Modell aus [54] prasentieren Nelias et al. in [53] Ergebnisse aus
Simulationen des reibungsbehafteten Gleitkontakts eines spharischen Korpers mit einer
glatten Oberflache und gleichen diese mit FE-Berechnungen ab.
In [52] verwenden Nelias et al. das dreidimensionale plastische Halbraummodell zur
7 DREIDIMENSIONALES PLASTISCHES HALBRAUMMODELL 75
Simulation des Rollens elliptischer Korper auf einer Ebene. In Folge der plastischen
Deformation bilden sich Zugeigenspannungen in der Oberflache, die fur die Entstehung
von Rissen ursachlich sein konnen.
Wang et al. [80] entwickeln ein Multiskalen-Halbraummodell einer, auf globaler Ebe-
ne, rauen Oberflache, die auf lokaler Ebene von spharischen Rauheiten uberlagert ist.
Auf lokaler Ebene wird anhand analytischer Berechnungen und elasto-plastischer Halb-
raumsimulation eine Last-Annaherungs-Funktion bestimmt. Diese Last-Annaherungs-
Funktion wird verwendet, um die elasto-plastische Deformation der Rauheiten auf lo-
kaler Ebene in der elastischen Halbraum-Kontaktsimulation auf globaler Ebene zu
berucksichtigen. Im Vergleich zu einer rein elastischen Simulation auf globaler Ebene
fuhrt die mehrskalige Modellierung zu einer kleineren realen Kontaktflache bei gleicher
Normallast, weil die einzelnen Kontaktelemente auf lokaler Ebene meist nicht vollstandig
im Kontakt sind.
In [42] prasentieren Leroux et al. ein elasto-plastisches Modell zur Simulation in-
homogener Halbraume. Inhomogenitaten konnen sehr feste Einschlusse (großer Elasti-
zitatsmodul), aber auch weiche Einschlusse oder Leervolumina sein (Elastizitatsmodul
klein bzw. gleich Null). Die Einschlusse im Halbraum werden als Volumina mit ent-
sprechenden Elastizitatsmoduln modelliert. Aufgrund der Inhomogenitat bilden sich
aquivalente Eigenspannungen, die wie Eigenspannungen aufgrund plastischer Dehnungen
behandelt werden (vgl. Kap. 7.4). Es wird gezeigt, dass Inhomogenitaten einen signifi-
kanten Einfluss auf das Spannungsfeld im Halbraum und auf das Flachenpressungsfeld
auf der Oberflache haben.
7.2 Aufbau des plastischen Halbraummodells
Das im Rahmen dieser Arbeit implementierte dreidimensionale elasto-plastische Halb-
raummodell basiert auf dem Modell von Jacq et al. [38]. Eine Kontaktsimulation beginnt
mit der Berechnung des elastischen Kontakts. Ausgehend von dem Flachenpressungsfeld
auf der Oberflache werden unter Verwendung von Einflussfunktionen die elastischen
Spannungen im Halbraum bestimmt. Hierzu wird das Volumen unter der Halbraumober-
flache bis in eine endliche Tiefe in hexaederformige Volumenelemente diskretisiert. Die,
durch alle in Kontakt stehenden Oberflachensegmente verursachten, elastischen Span-
nungen werden unter Verwendung des Superpositionsprinzips aufsummiert. Die hierzu
notwendigen Einflussfunktionen und ihre Herleitung werden in Kapitel 7.3 beschrieben.
Wenn die Vergleichsspannung in einem Volumenelement die Fließgrenze des Werk-
stoffs ubersteigt, kommt es zu plastischen Dehnungen, deren Berechnung in Kapitel 7.6
erlautert wird.
Die plastischen Dehnungen fuhren zu Eigenspannungen, die ebenfalls durch Super-
position von Einflussfunktionen (siehe Kap. 7.4) ermittelt werden. Sobald plastische
Dehnungen vorhanden sind, muss die Spannungsauswertung mit der Summe aus elas-
tischen Spannungen und Eigenspannungen durchgefuhrt werden. Die plastischen Deh-
nungen und Eigenspannungen werden iterativ bestimmt, bis die plastischen Dehnungen
76 7.2 Aufbau des plastischen Halbraummodells
konvergiert sind und die Vergleichsspannungen in allen Elementen auf oder unterhalb
der Fließgrenze liegen. Um ein Uberschwingen der plastischen Dehnungen zu vermeiden
und somit das Konvergenzverhalten dieser Iterationsschleife zu verbessern, werden die
Veranderungen der plastischen Dehnungen relaxiert, d.h. die errechnete Veranderung der
plastischen Dehnungen werden nur anteilig zu den plastischen Dehnungen aufaddiert.
Nach erfolgter Konvergenz der plastischen Dehnungen wird die Deformation der
Halbraumoberflache aufgrund der plastischen Dehnungen bestimmt. Auch hierfur wer-
den Einflussfunktionen (siehe Kap. 7.5) superponiert. In der außeren Schleife, auch Kon-
taktschleife genannt, wird eine elastische Kontaktsimulation mit deformierter Oberflache
durchgefuhrt und ein neues Flachenpressungsfeld ermittelt. Auch in der Kontaktschlei-
fe werden die Veranderungen der plastischen Oberflachendeformation relaxiert, um das
Konvergenzverhalten zu verbessern. Der gesamte elasto-plastische Kontaktalgorithmus
ist in Abb. 7.1 als Flussdiagramm dargestellt.
Der von Jacq entwickelte Algorithmus lasst die plastischen Dehnungen auskonvergie-
ren, bevor die plastische Oberflachendeformation bestimmt und der elastische Kontakt
neu berechnet wird. Dies hat sehr viele Iterationen der inneren Schleife zur Berechnung
der plastischen Dehnungen zur Folge. Weil diese Schleife die zeitintensive Berechnung
der Eigenspannungen beinhaltet, fuhrt dieses Vorgehen zu einer langen Berechnungszeit.
Um die Anzahl der notwendigen Eigenspannungsberechnungen zu reduzieren, wird
im Rahmen der vorliegenden Arbeit der in Abb. 7.2 skizzierte Algorithmus implemen-
tiert. Anstatt die plastischen Dehnungen sofort auskonvergieren zu lassen, werden diese
relaxiert und der Kontakt wird mit der, aus den relaxierten plastischen Dehnungen
herruhrenden, plastischen Oberflachendeformation neu berechnet, bevor die plastischen
Dehnungen ein weiteres Mal iteriert werden. Zwar mussen in diesem Verfahren die plas-
tische Oberflachendeformation und der Kontakt ofter bestimmt werden, jedoch ist der
Aufwand fur diese Operationen deutlich geringer als der Aufwand fur eine Eigenspan-
nungsberechnung. Wie Tabelle 7.1 an einem Beispiel einer Diskretisierung mit 32 Ele-
menten in x-, y- und z-Richtung zeigt, ist der Zeitbedarf fur die Eigenspannungsbe-
rechnung mehr als 500 mal großer als der Zeitaufwand fur den Gleichungsloser und die
Berechnung der Oberflachendeformation. Folglich dominiert die Anzahl der notwendigen
Eigenspannungsberechnungen die Berechnungszeit.
Gleichungsloser 0,0075 s
Berechnung der Eigenspannungen 7,1 s
Berechnung der Oberflachendeformation 0,011 s
Tabelle 7.1: Zeitbedarf einzelner Komponenten des dreidimensionalen plastischen Halb-
raummodells bei einer Diskretisierung mit 32× 32× 32 Elementen
Anhand einer Testsimulation des Kontakts einer starren Kugel mit einer elasto-
plastischen Ebene wird die Effizienz der Implementierungen des dreidimensionalen plas-
tischen Halbraummodells gemaß Jacq et al. [38] mit dem modifizierten Algorithmus ver-
glichen. Wie in Abb. 7.3 zu erkennen ist, benotigt der modifizierte Algorithmus deutlich
weniger Berechnungszeit als der ursprungliche Algorithmus.
7 DREIDIMENSIONALES PLASTISCHES HALBRAUMMODELL 77
Elastischer Kontakt
Elastische
Spannungen
σvm ≥ σy
Plastische
Dehnungen
Eigenspannungen
RelaxationPlastische
DehnungenRelaxation
Konvergenz-
test
Oberflachen-
deformation
Konvergenz-
test
Nachster Lastschritt
ja
nein
ja
nein
ja
nein
Abbildung 7.1: Elasto-plastisches Halbraum-Kontaktmodell
78 7.2 Aufbau des plastischen Halbraummodells
Elastischer Kontakt
Elastische
Spannungen
σvm ≥ σy
Plastische
Dehnungen
Relaxation
Eigenspannungen
Oberflachen-
deformation
Konvergenz-
test
Nachster Lastschritt
ja
ja
nein
nein
Abbildung 7.2: Modifiziertes elasto-plastisches Halbraum-Kontaktmodell
Der modifizierte Algorithmus ist zudem stabiler, weshalb er im Vergleich zum Algo-
rithmus von Jacq et al. einen zusatzlichen Lastschritt berechnen kann, bevor die Kon-
vergenzkriterien nicht mehr erreicht werden. Die großere Stabilitat außert sich auch
in einer geringeren Anzahl an Iterationen innerhalb eines Lastschritts. So braucht der
modifizierte Algorithmus durchschnittlich weniger Iterationen fur einen Lastschritt (in
diesem Berechnungsbeispiel durchschnittlich 23,6 Iterationen pro Lastschritt) als der
7 DREIDIMENSIONALES PLASTISCHES HALBRAUMMODELL 79
0 25 50 75 1000
200
400
600
800
1000
p in MPa
tin
s
JacqNeu
Abbildung 7.3: Berechnungszeit der einzelnen Lastschritte mit dem Algorithmus von
Jacq et al. und im modifizierten Algorithmus
ursprungliche Algorithmus fur eine Oberflacheniteration benotigt (in diesem Berech-
nungsbeispiel durchschnittlich 32,2 Iterationen pro Oberflacheniteration). Die großere
Stabilitat des modifizierten Algorithmus ist in der sofortigen Berucksichtigung der Ober-
flachendeformation in der Iteration der plastischen Dehnungen begrundet, die zu einer
Umverteilung der Flachenpressung und somit zu einer Entlastung des Kontaktzentrums
fuhrt.
Die mittlere Anzahl von Oberflacheniterationen pro Lastschritt im ursprunglichen
Algorithmus ist mit 1,9 verhaltnismaßig gering, weil die relative Toleranz fur plasti-
sche Oberflachendeformationen mit 1 % vergleichsweise groß gewahlt ist (vgl. Tab. 7.2).
Zudem kommt es trotz der Relaxation der plastischen Oberflachendeformation haufig
schon nach einer einzigen plastischen Iteration zu einem rein elastischen Kontakt, weil
die Flachenpressung aufgrund der deformierten Oberflachen umverteilt wird. Dies weist
auf eine mogliche Uberschatzung der plastischen Dehnungen im Algorithmus von Jacq
et al. hin, die sich aber in den Ergebnissen kaum widerspiegeln. So stimmen die plasti-
schen Oberflachendeformationen im Algorithmus von Jacq et al. und im modifizierten
Algorithmus gut uberein (vgl. Abb. 7.4 b).
Die Flachenpressung ist im ursprunglichen Algorithmus am Rand des Kontaktgebiets
etwas großer als im modifizierten Algorithmus, weil im ursprunglichen Algorithmus in
der Berechnung der plastischen Dehnungen nur die plastische Oberflachendeformation
aus der vorherigen Oberflacheniteration berucksichtigt wird (Abb. 7.4 a). Im Zentrum
des Kontakts berechnet der modifizierte Algorithmus eine etwas hohere Flachenpressung
als der ursprungliche Algorithmus, so dass die Kontaktnormalkraft in beiden Modellen
exakt 75N betragt.
Die in Tab. 7.2 aufgelisteten Toleranzen und Relaxationsfaktoren werden in allem
weiteren Simulationen mit dem dreidimensionalen plastischen Halbraummodell verwen-
det. Wegen seiner großeren Effizienz wird der modifizierte dreidimensionale plastische
Kontaktalgorithmus in allen in Kap. 8 prasentierten Simulationen genutzt.
80 7.3 Elastische Spannungen im Halbraum
−0,5 −0,25 0 0,25 0,5
100
200
300
400
500
x in mm
pin
MPa
JacqNeu
a)
−0,5 −0,25 0 0,25 0,5
−0,3
−0,2
−0,1
0
0,1
x in mm
uplin
µm
JacqNeu
b)
Abbildung 7.4: Flachenpressung (a) und plastische Oberflachendeformation (b) unter
dem Kontakt einer starren Kugel mit einer elasto-plastischen Ebene)
Toleranz fur die Fließbedingung 0,5MPa
Relative Toleranz fur plastische Dehnungen 1e-5
Relative Toleranz fur die plastische Oberflachendeformation 1e-2
Relaxationsfaktor in der Plastizitatsschleife 0,5
Relaxationsfaktor in der Oberflachendeformationsschleife 0,5
Tabelle 7.2: Toleranzen und Relaxationsfaktoren im dreidimensionalen plastischen Halb-
raummodell
7.3 Elastische Spannungen im Halbraum
Zur Bestimmung der Einflussfunktionen fur die elastischen Spannungen unter
Flachenlasten bedient man sich der Boussinesq-Losung, wie sie in den Gleichungen (4.55)
bis (4.60) dargestellt ist. Um die Losung fur Flachenlasten anstatt fur Punktlasten zu
erhalten, ist das Potential ϕ aus (4.65), bzw. seine partiellen Ableitungen, uber ein
Oberflachensegment zu integrieren
ϕ =1− 2ν
2 π
∫ b
−b
∫ a
−a
−p(ξ, η) log(R + z) d ξ d η . (7.1)
Fur den Fall einer uber das Oberflachensegment konstanten Flachenlast kann diese vor
das Integral gezogen werden und (7.1) vereinfacht sich zu
ϕ = −p 1− 2ν
2 π
∫ b
−b
∫ a
−a
log(R + z) d ξ d η . (7.2)
Die Berechnung der Einflusskoeffizienten gestaltet sich auf Grund einiger komplizierter
Integrale und Differentiale schwierig. Eine willkommene Hilfe stellen dabei die von Ah-
madi [6, 7] prasentierten Losungen mehrerer Integrale dar. Die Einflussfunktionen fur
die elastischen Spannungen im Halbraum aufgrund normaler Flachenlasten lauten
σij =p
2 π
[
Aij(x′ + a, y′ + b, z)− Aij(x
′ + a, y′ − b, z)
+Aij(x′ − a, y′ − b, z)− Aij(x
′ − a, y′ + b, z)]
,(7.3)
7 DREIDIMENSIONALES PLASTISCHES HALBRAUMMODELL 81
mit
A11 = −2ν arctan( xy
Rz
)
+ 2(1− 2ν) arctan
(x
R + y + z
)
+xyz
R(x2 + z2)(7.4)
A22 = −2ν arctan( xy
Rz
)
+ 2(1− 2ν) arctan
(y
R + x+ z
)
+xyz
R(y2 + z2)(7.5)
A33 = − arctan( xy
Rz
)
− xyz
R(x2 + z2)− xyz
R(y2 + z2)(7.6)
A12 = (2ν − 1) log(R + z)− z
R(7.7)
A23 =xz2
R(y2 + z2)(7.8)
A31 =yz2
R(x2 + z2). (7.9)
Die Koordinaten x′ und y′ beschreiben die Abstande der Mittelpunkte des belaste-
ten Oberflachensegmentes und des Volumenelements, in dem die Spannungen ausge-
wertet werden sollen, in den jeweiligen Koordinatenrichtungen. Die Einflussfunktionen
fur elastische Spannungen unter flachigen Normallasten wurden erstmals von Love [45]
prasentiert. Des Weiteren wurden von Kim et al. [41], Zhou et al. [89], Liu und Wang [43],
Jacq et al. [38] und weiteren Autoren Losungen veroffentlicht, deren Integrationskon-
stanten sich zum Teil unterscheiden. Durch die Summation uber die Integrationspunkte
heben sich diese Konstanten jedoch auf und haben folglich keinen Einfluss auf die Ein-
flussfunktionen. In Abb. 7.5 sind die analytisch und numerisch bestimmten Spannungen
unter einem Hertzschen Kontakt bzw. unter einer Kreisflache mit konstanter Flachenlast
dargestellt. Es zeigt sich eine sehr gute Ubereinstimmung zwischen den Losungen.
1 0 1
0
−0,5
−1
Konstant Hertz
r/a
σ/p
σr/pσθ/pσz/p
a)
−1 −0,5 0 −0,5 −13
2
1
0Konstant Hertz
σ/p
z/a
σr/pσθ/pσz/p−τ1/p
b)
Abbildung 7.5: Spannungen auf der Oberflache (a) und entlang der z-Achse (b) un-
ter konstanter bzw. Hertzscher Flachenpressung (Linien: analytische Losung, Punkte:
numerische Losung)
Als Testbeispiel fur die Berechnung elastischer Spannungen im Normalkontakt sind
in Abb. 7.6 b - 7.9 die Spannungen unter dem Hertzschen Kontakt einer starren Kugel
82 7.3 Elastische Spannungen im Halbraum
mit einer Ebene dargestellt. Der Kugelradius betragt 40mm, die Normalkraft 100N, der
Elastizitatsmodul der Ebene 205 000MPa und die Querkontraktionszahl 0,34.
−0,50,0
−0,50,0
0,50
500
1000
y in mm
p in MPa
x in mm 0
200
400
600
800
a)
−0,5−0,25 0,0 0,25 0,5
0
0,25
0,5
0,75
σ11 in MPa
x in mm
zin
mm
0
200
400
600
b)
Abbildung 7.6: Flachenpressung (a) und elastische Spannung σ11 (b) unter Hertzschem
Kontakt
−0,5−0,25 0,0 0,25 0,5
0
0,25
0,5
0,75
σ22 in MPa
x in mm
zin
mm
0
200
400
600
a)
−0,5−0,25 0,0 0,25 0,5
0
0,25
0,5
0,75
σ33 in MPa
x in mm
zin
mm
200
400
600
800
b)
Abbildung 7.7: Elastische Spannung σ22 (b) und σ33 (b) unter Hertzschem Kontakt
−0,5−0,25 0,0 0,25 0,5
0
0,25
0,5
0,75
x in mm
σ12 in MPa
zin
mm
−1
−0.5
0
0.5
1
x 10−9
a)
−0,5−0,25 0,0 0,25 0,5
0
0,25
0,5
0,75
x in mm
σ23 in MPa
zin
mm
0
1
2
3
x 10−9
b)
Abbildung 7.8: Elastische Spannung σ12 (b) und σ23 (b) unter Hertzschem Kontakt
7 DREIDIMENSIONALES PLASTISCHES HALBRAUMMODELL 83
−0,5−0,25 0,0 0,25 0,5
0
0,25
0,5
0,75
σ31 in MPa
x in mm
zin
mm
−100
0
100
a)
−0,5−0,25 0,0 0,25 0,5
0
0,25
0,5
0,75
σvm in MPa
x in mm
zin
mm
100
200
300
400
500
b)
Abbildung 7.9: Elastische Spannung σ31 (b) und von-Mises-Vergleichsspannung σvm (b)
unter Hertzschem Kontakt
Losungen fur die elastischen Spannungen aufgrund flachiger Tangentiallasten wurden
zum Beispiel von Kim et al. [41] und Liu und Wang [43] veroffentlicht. Analog zu (7.3)
gilt fur tangentiale Flachenlasten tx
σij =tx2 π
[
Bij(x′ + a, y′ + b, z)− Bij(x
′ + a, y′ − b, z)
+Bij(x′ − a, y′ − b, z)− Bij(x
′ − a, y′ + b, z)]
,(7.10)
mit
B11 = 2 log(R + y) + (2ν − 1)y
R + z+
x2y
R(x2 + z2)(7.11)
B22 = 2ν log(R + y) + (1− 2ν)y
R + z− y
R(7.12)
B33 =yz2
R(x2 + z2)(7.13)
B12 = log(R + x) + (1− 2ν)x
R + z− x
R(7.14)
B23 = − z
R(7.15)
B31 =xyz
R(x2 + z2)− arctan
( xy
Rz
)
. (7.16)
7.4 Eigenspannungsberechnung
Plastische Dehnungen im Halbraum fuhren zu Eigenspannungen, die mittels Einfluss-
funktionen berechnet werden sollen. Weil die Berechnung der Eigenspannungen im Halb-
raum auf der Eigenspannungsberechnung im unendlichen Raum aufbaut, wird im Fol-
genden zuerst die Eigenspannungsberechnung im unendlichen Raum beschrieben.
84 7.4 Eigenspannungsberechnung
7.4.1 Eigenspannungen im unendlichen Raum
Zur Berechnung der Eigenspannungen im Vollraum aufgrund plastischer Dehnungen
spaltet Chiu [25] die Dehnungen in der Verzerrungs-Verschiebungs-Relation in elastische
Dehnungen εij und inelastische Dehnungen ε′ij auf
1
2(ui,j + uj,i) = εij + ε′ij . (7.17)
Wie im rein elastischen Fall gelten das Hookesche Gesetz
σij = λ δij εkk + 2µ εij (7.18)
und die Gleichgewichtsbedingung
σij,j + fi = 0 . (7.19)
Gl. (7.17) wird umgeordnet
εij =1
2(ui,j + uj,i)− ε′ij (7.20)
und in das Hookesche Stoffgesetz eingesetzt
σij = λ δij (uk,k − ε′kk) + 2µ
[1
2(ui,j + uj,i)− ε′ij
]
. (7.21)
Wie schon in der Herleitung der Navier-Gleichungen in Kapitel 4.1.1 werden die Span-
nungen nach Differentiation in die Gleichgewichtsbedingung eingesetzt. Da keine Volu-
menkrafte vorhanden sind (fi = 0) folgt
σij,j = λ δij(uk,kj − ε′kk,j
)+ 2µ
[1
2(ui,jj + uj,ij)− ε′ij,j
]
= 0 , (7.22)
beziehungsweise
λ(uk,ki − ε′kk,i
)+ µ
(ui,jj + uj,ij − 2ε′ij,j
)= 0 . (7.23)
Der, gemaß der Einsteinschen Summenkonvention, stumme Index j in uj,ij kann durch
den ebenfalls stummen Index k ersetzt werden. Damit ergibt sich analog zu Gleichung (1)
aus [25]
(λ+ µ) uk,ki + µ ui,jj = λ ε′kk,i + 2µ ε′ij,j . (7.24)
Diese Gleichungen entsprechen den Navier-Gleichungen (vgl. Gl. (4.10)), wobei anstelle
der Volumenkrafte fi die Terme fur die inelastischen Dehnungen ε′ij auftreten. Der in
Kapitel 4.1.2 dargestellte Galerkinvektor F ∗ ist eine Losung der Navier-Gleichungen.
Er soll hier zur Behandlung des Eigenspannungsproblems herangezogen werden. Der
Losungsansatz von Galerkin lautet
2µ ui = 2 (1− ν)F ∗
i,jj − F ∗
j,ji . (7.25)
7 DREIDIMENSIONALES PLASTISCHES HALBRAUMMODELL 85
Fur das vorliegende Problem gilt analog zu (4.19)
(1− ν)F ∗
i,kkmm = λ ε′kk,i + 2µ ε′ij,j . (7.26)
Durch Einsetzen der neu definierten Funktion
gij,kkmm = ε′ij (7.27)
in (7.26) erhalt man
(1− ν)F ∗
i = λ gkk,i + 2µ gij,j . (7.28)
Unter Verwendung von (7.28) kann (7.25) umgeformt werden zu
2µ ui = 2 (λ gkk,imm + 2µ gij,jmm)−1
1− ν(λ gkk,jij + 2µgjm,ijm)
=1− 2 ν
1− νλ gkk,imm + 4µ gij,jmm − 2µ
1− νgjm,ijm .
(7.29)
Durch Differentiation von (7.29) konnen die Verschiebungsgradienten im Vollraum be-
stimmt werden und anschließend in die Verzerrungs-Verschiebungs-Relation und das
Hookesche Gesetz eingesetzt werden, wodurch die Spannungen im Vollraum berechnet
werden konnen. Zuvor ist es notwendig, uber das gedehnte Element zu integrieren und
die Funktionen gij zu bestimmen.
x1
x2
x3
2
7
3
8
1
6
4
5
Abbildung 7.10: Hexaeder mit Eckpunkten
Die Vektoren cm von den acht Eckpunkten des Volumenelements zu einem beliebigen
Punkt im Vollraum sind im Folgenden aufgelistet (vgl. Abb. 7.10).
c1 = (x1 − b1, x2 − b2, x3 − b3) (7.30)
c2 = (x1 + b1, x2 − b2, x3 − b3) (7.31)
c3 = (x1 + b1, x2 + b2, x3 − b3) (7.32)
c4 = (x1 − b1, x2 + b2, x3 − b3) (7.33)
86 7.4 Eigenspannungsberechnung
c5 = (x1 − b1, x2 + b2, x3 + b3) (7.34)
c6 = (x1 − b1, x2 − b2, x3 + b3) (7.35)
c7 = (x1 + b1, x2 − b2, x3 + b3) (7.36)
c8 = (x1 + b1, x2 + b2, x3 + b3) . (7.37)
Innerhalb des Hexaeders treten konstante inelastische Dehnungen εij auf, wahrend au-
ßerhalb des Hexaeders ausschließlich elastische Dehnungen vorhanden sind. Die inelasti-
schen Dehnungen ε′ij sind gleich dem Produkt aus der konstanten inelastische Dehnungen
εij und dem Volumenintegral f(x)
ε′ij = εij f(x) . (7.38)
Zur Bestimmung von f(x) wird die Entscheidungsfunktion k(x) definiert
k(x) =
1 innerhalb des Hexaeders
0 außerhalb des Hexaeders. (7.39)
Die Integration uber das Volumenelement wird im Fourierraum durchgefuhrt, weil dies
die Integration und Differentiation diverser Funktionen im weiteren Verlauf der Berech-
nung vereinfacht. Hierzu wird zunachst die Funktion K(ξ) eingefuhrt, die einer dreidi-
mensionalen Fouriertransformation einer Eins entspricht
K(ξ) =1
8 π3
∞∫
−∞
∞∫
−∞
∞∫
−∞
1 e−i ξ x dx =−1
8 π3
e−i ξ x
i3 ξ1 ξ2 ξ3=
−i8 π3
e−i ξ x
ξ1 ξ2 ξ3(7.40)
mit
x = (x1, x2, x3) und ξ = (ξ1, ξ2, ξ3) .
Im Fourierraum wird das Volumenintegral uber K(ξ) aufgestellt
∞∫
−∞
∞∫
−∞
∞∫
−∞
K(ξ) dξ =−i8 π3
∞∫
−∞
∞∫
−∞
∞∫
−∞
e−i ξ x
ξ1 ξ2 ξ3dξ . (7.41)
Zur Auswertung des Integrals uber K(ξ) werden die Vektoren vom Punkt x zu den
Eckpunkten, also −cn, eingesetzt. Hieraus folgt die Funktion f(x) aus Gleichung (8) in
[25]
f(x) =i
8 π3
8∑
n=1
(−1)n∞∫
−∞
∞∫
−∞
∞∫
−∞
ei ξ cn
ξ1 ξ2 ξ3dξ . (7.42)
Aus (7.27), (7.38) und (7.42) folgt
gij,kkmm = ε′ij = εij f(x) = εiji
8 π3
8∑
n=1
(−1)n∞∫
−∞
∞∫
−∞
∞∫
−∞
ei ξ cn
ξ1 ξ2 ξ3dξ . (7.43)
7 DREIDIMENSIONALES PLASTISCHES HALBRAUMMODELL 87
Zweifache Integration uber m fuhrt zu
gij,kk = εij f(x)1
ξ2m. (7.44)
Erneute zweifache Integration uber k fuhrt zu
gij = εij f(x)1
ξ2m
1
ξ2k. (7.45)
Folglich gilt
gij = εiji
8 π3
8∑
n=1
(−1)n∞∫
−∞
∞∫
−∞
∞∫
−∞
ei ξ cn
ξ1 ξ2 ξ3 (ξ21 + ξ22 + ξ23)2 dξ . (7.46)
Mit
D(cn) =
∞∫
−∞
∞∫
−∞
∞∫
−∞
iei ξ cn
ξ1 ξ2 ξ3 (ξ21 + ξ22 + ξ23)2 dξ (7.47)
lasst sich (7.46) kompakt darstellen als
gij =εij8 π3
8∑
n=1
(−1)nD(cn) . (7.48)
Differentiation von (7.48) und Einsetzen in (7.29) fuhrt zu
2µ ui,q =1
8 π3
8∑
n=1
(−1)n[1− 2 ν
1− νλ εkkD,iqmm(cn)
+ 4µ εijD,jqmm(cn)−2µ
1− νεmj D,iqmj(cn)
]
.
(7.49)
Zur vollstandigen Bestimmung der Verschiebungsgradienten werden die vier Typen
von Differentialen D,iiii, D,iiij , D,iijj und D,iijk benotigt. In [25] werden die Herleitungen
und die folgenden Losungen fur D,1111, D,1112, D,1122 und D,1123 dargestellt
D,1111(c) = 2 π2
[
arctan
(c2 c3c1R
)
− c1 c2 c32R
(1
c21 + c22+
1
c21 + c23
)]
(7.50)
D,1112(c) = −π2
[
sign(c3) log
(
R + |c3|√
c21 + c22
)
− c21 c3(c21 + c22)R
]
(7.51)
D,1122(c) = π2 c1 c2 c3(c21 + c22)R
(7.52)
D,1123(c) = −π2 c1R. (7.53)
Alle weiteren benotigten Differentiale von D konnen durch Permutation der Indices
generiert werden. Nach Bestimmung der Verschiebungsgradienten mit (7.49) konnen
88 7.4 Eigenspannungsberechnung
0 0,5 1 1,5 2−0,2
0,00,20,40,60,81,01,2
x1/b1
σ/−(E
ε 11)
b2 = b3
σ11, b1/b2 = 1σ11, b1/b2 = 5σ11, b1/b2 = 0, 2σ22, b1/b2 = 1σ22, b1/b2 = 5σ22, b1/b2 = 0, 2
a)
0 1 2 3 4 5−1,2
−1,0
−0,8
−0,6
−0,4
−0,2
0,0
0,2
x2/b2
σ/(E
ε 11)
5 b1 = b2 = b3
σ11σ22σ33
b)
Abbildung 7.11: Spannungen im Vollraum auf der x1-Achse aufgrund von Dehnun-
gen ε11 (a) und Spannungen auf der x2-Achse aufgrund von Dehnungen ε11 fur 5 b1 =
b2 = b3 (b)
0 1 2 3 4 5−0,8
−0,6
−0,4
−0,2
0
0,2
0,4
x2/b2
σ/(E
ε 11)
b1 = b2 = b3
σ11σ22σ33
a)
0 0,5 1 1,5 2 2,5−0,6
−0,4
−0,2
0
0,2
0,4
0,6
x2/b2
σ/(E
ε 11)
0, 2 b1 = b2 = b3
σ11σ22σ33
b)
Abbildung 7.12: Spannungen im Vollraum auf der x2-Achse aufgrund von Dehnungen
ε11 fur b1 = b2 = b3 (a) und 0,2 b1 = b2 = b3 (b)
0 0,5 1 1,5 2−0,1
00,10,20,30,40,50,60,7
r/(√
3 b)
σ/(−
Eε 1
1)
b1 = b2 = b3
σ11σ22σ33σ12σ23σ31
Abbildung 7.13: Spannungen auf der Raumdiagonalen aufgrund von Dehnungen ε11 fur
b1 = b2 = b3
7 DREIDIMENSIONALES PLASTISCHES HALBRAUMMODELL 89
mittels (7.20) die elastischen Dehnungen im Vollraum bestimmt werden und unter Ver-
wendung des Hookeschen Gesetzes die Spannungen im Vollraum bestimmt werden.
Zum Abgleich der eigenen Implementierung der Eigenspannungsberechnung im Voll-
raum mit Beispielen aus der Literatur sind in Abb. 7.11 bis 7.13 die Eigenspannungen in-
folge verschiedener Dehnungszustande in Abhangigkeit vom Verhaltnis der Kantenlangen
der plastisch gedehnten Hexaeder b1, b2 und b3 dargestellt. Die Ergebnisse stimmen sehr
gut mit den in [25] und [44] dargestellten Ergebnissen uberein.
7.4.2 Bestimmung der Eigenspannungen im Halbraum durch
Superposition
Zur Bestimmung der Eigenspannungen im Halbraum werden in der Literatur zwei
Moglichkeiten beschrieben. Chiu [26] berechnet die Eigenspannungen im Halbraum durch
die Superposition der Eigenspannungen aufgrund zweier gedehnter Hexaeder im unend-
lichen Raum und der elastischen Spannungen durch fiktive Oberflachenlasten. Dieser
Ansatz wird spater in diesem Kapitel eingehend erlautert. Liu [44] hingegen verwendet
eine direkte Losung fur die Spannungen, indem er die Galerkinvektoren fur den Halb-
raum [50, 88] verwendet. Der Ansatz von Liu erscheint logischer als der Ansatz von Chiu,
ist aber komplizierter. Da beide Ansatze zu identischen Ergebnissen fuhren [44], spricht
nichts dagegen, den Ansatz von Chiu zu verwenden.
Bevor der Losungsansatz von Chiu ausfuhrlich dargestellt wird, sollen zunachst die
auf der Halbraumoberflache zu erfullenden Randbedingungen erlautert werden. Die
durch plastische Deformation im Halbraum verursachten Spannungen sind Eigenspan-
nungen, also mechanische Spannungen in einem Korper, der frei von außeren Lasten ist.
Folglich muss die Halbraumoberflache frei von außeren Spannungen sein. Es muss also
gelten
σ33 = 0 , σ23 = 0 und σ31 = 0 . (7.54)
Die Losung fur die Eigenspannungen im Halbraum durch einen inelastisch gedehnten
Hexaeder in einer Tiefe zo unter der Halbraumoberflache setzt sich aus drei Teillosungen
zusammen.
Die erste Teillosung sind die Eigenspannungen im unendlichen Raum aufgrund eines
Quaders, dessen Zentrum in einer Tiefe zo unter der Halbraumoberflache liegt. Auf der
Halbraumoberflache sind in diesem Fall alle Spannungskomponenten ungleich Null, die
Randbedingungen auf der Oberflache werden also nicht erfullt.
Die zweite Losungskomponente sind die Eigenspannungen im unendlichen Raum
durch einen inelastisch gedehnten Hexaeder, dessen Zentrum sich im Abstand zo uber
der Halbraumoberflache befindet. In diesem sogenannten Spiegelelement sind die Schub-
spannungen ε23 und ε31 invertiert
σm23 = −σ23 und σm
31 = −σ31 . (7.55)
Die Superposition der ersten beiden Teillosungen fuhrt zu einer Halbraumoberflache,
die frei von Schubspannungen σ23 und σ31 ist. Es verbleiben Normalspannungen σ33 auf
90 7.4 Eigenspannungsberechnung
der Oberflache, die dem Doppelten der Normalspannungen durch die erste Teillosung
entsprechen.
x1x2
x3
x1x2
x3
x1x2
x3
x1x2
x3
+ + =
Abbildung 7.14: Bestimmung der Eigenspannungen im Halbraum durch Superposition
Die dritte Teillosung sind die elastischen Spannungen im Halbraum aufgrund fikti-
ver Normalspannungen auf der Oberflache. Die fiktiven Normalspannungen entsprechen
betragsmaßig den Normallasten aus Teillosung Eins und Zwei, sind ihnen jedoch ent-
gegen gerichtet, so dass die Oberflache nach Superposition der drei Teillosungen frei
von Normalspannungen ist. Die Berechnung der Spannungen aufgrund der fiktiven Nor-
mallasten erfolgt exakt wie die Berechnung der elastischen Spannungen aufgrund realer
Oberflachenlasten, wie sie in Kapitel 7.3 beschrieben wird. Die Superposition der drei
Teillosung fuhrt zu einem Eigenspannungsfeld, dass alle Randbedingungen auf der Halb-
raumoberflache (7.54) erfullt.
Abb. 7.15 b und 7.16 zeigen die Eigenspannungen im Halbraum aufgrund eines inelas-
tisch gedehnten Wurfels in der Tiefe zo unter der Halbraumoberflache. Die dargestellten
Ergebnisse stimmen sehr gut mit den Ergebnissen von Chiu [26] und Liu [44] uberein.
In Abb. 7.17 b - 7.20 sind die Eigenspannungen im Halbraum aufgrund eines iso-
trop gedehnten Wurfels dargestellt (ε11 = ε22 = ε33 = 0,001). Die Kantenlange des
Wurfels betragt 0,5mm, sein Zentrum liegt 0,5mm unter der Halbraumoberflache, der
Elastizitatsmodul und die Querkontraktionszahl betragen 205 000MPa bzw. 0,34. Erwar-
tungsgemaß weisen die Normalspannungen Sprunge an den Wurfelkanten auf und die
Schubeigenspannungen σ12 und σ23 sind numerisch Null. Die Schubeigenspannung σ31tragt wesentlich zur von-Mises-Vergleichseigenspannung bei.
7 DREIDIMENSIONALES PLASTISCHES HALBRAUMMODELL 91
A
B
C
D
zo
2 b
a)
1 2 3 4 5 6−1,2
−0,8
−0,4
0,0
0,4
0,8
1,2
1,6
zo/b
σ/(E
ε)
σ11, Aσ33, Aσ11, Bσ33, Bσ11, Cσ33, Cσ11, Dσ33, D
b)
Abbildung 7.15: Positionen der Punkte zur Spannungsauswertung (a) und Spannungen
im Halbraum aufgrund isotroper plastischer Dehnungen ε11 = ε22 = ε33 = ε (b)
1 2 3 4 5 6−0,6−0,4−0,2
0,00,20,40,60,8
1
zo/b
σ/(E
ε 22)
σ11, Aσ22, Aσ33, Aσ11, Bσ22, Bσ33, Bσ11, Cσ22, Cσ33, C
a)
1 2 3 4 5 6−0,6
−0,4
−0,2
0,0
0,2
0,4
0,6
zo/b
σ/(E
ε 33)
σ11, Aσ33, Aσ11, Bσ33, Bσ11, C,Dσ33, C,D
b)
Abbildung 7.16: Spannungen im Halbraum aufgrund plastischer Dehnungen ε22 (a) und
ε33 (b)
x1
x2 x30,5mm
0,5mm
0,5mm0,5mm
a)
00,25
0,50,75
1 −0,5
0,0
−250
0
250
x in mm
σ11, res in MPa
z in mm
−200
−100
0
100
b)
Abbildung 7.17: Isotrop gedehnter Wurfel im Halbraum (ε11 = ε22 = ε33 = 0,001) (a)
und Eigenspannungen σ11 (b)
92 7.4 Eigenspannungsberechnung
00,25
0,50,75
1 −0,5
0,0
−250
0
250
x in mm
σ22, res in MPa
z in mm
−200
−100
0
100
a)
00,25
0,50,75
1 −0,5
0,0
−250
0
250
x in mm
σ33, res in MPa
z in mm
−200
−100
0
100
b)
Abbildung 7.18: Eigenspannungen σ22 (a) und σ33 (b)
00,25
0,50,75
1 −0,5
0,0
−250
0
250
x in mm
σ12, res in MPa
z in mm
−5
0
5
x 10−12
a)
00,25
0,50,75
1 −0,5
0,0
−250
0
250
x in mm
σ23, res in MPa
z in mm
−5
0
5
x 10−12
b)
Abbildung 7.19: Eigenspannungen σ12 (a) und σ23 (b)
00,25
0,50,75
1 −0,5
0,0
−250
0
250
x in mm
σ31, res in MPa
z in mm
−100
0
100
a)
00,25
0,50,75
1 −0,5
0,0
0
200
400
x in mm
σvm, res in MPa
z in mm
50
100
150
200
250
300
b)
Abbildung 7.20: Eigenspannungen σ31 (a) und von-Mises-Vergleichseigen-
spannung σvm (b)
7 DREIDIMENSIONALES PLASTISCHES HALBRAUMMODELL 93
7.5 Oberflachendeformation aufgrund plastischer
Dehnungen im Halbraum
Plastische Dehnungen im Halbraum verursachen neben Eigenspannungen auch eine De-
formation der Halbraumoberflache, die sich auf die Große der realen Kontaktflache und
das Flachenpressungsfeld auswirkt. Zur Herleitung der Einflussfunktionen fur die Ober-
flachendeformation aufgrund plastischer Dehnungen ist zunachst eine kurze Abhandlung
der elastischen Deformationsenergie und des Satzes von Betti hilfreich.
7.5.1 Elastische Deformationsenergie
Fur die in einem elastischen Korper gespeicherte Deformationsenergie W gilt
W =
∫
Ω
σij εij dΩ . (7.56)
Mit der Verzerrungs-Verschiebungs-Beziehung folgt
∫
Ω
σij εij dΩ =
∫
Ω
σij1
2(ui,j + uj,i) dΩ . (7.57)
Aufgrund der Symmetrie des Verschiebungsgradienten gilt
∫
Ω
σij εij dΩ =
∫
Ω
σij ui,j dΩ . (7.58)
Mit der Produktregel der Differentialrechnung folgt
∫
Ω
σij εij dΩ =
∫
Ω
(σij ui),j dΩ−∫
Ω
σij,j ui dΩ . (7.59)
Unter Verwendung der Gleichgewichtsbedingung σij,j + fi = 0 folgt
∫
Ω
σij εij dΩ =
∫
Ω
(σij ui),j dΩ +
∫
Ω
fi ui dΩ . (7.60)
Anwendung des Gaußschen Integralsatzes
∫
Ω
σij,j dΩ =
∫
Γ
σij nj dΓ (7.61)
fuhrt zu
∫
Ω
σij εij dΩ = −∫
Γ
ui σij nj dΓ +
∫
Ω
fi ui dΩ . (7.62)
Der Vorzeichenwechsel im ersten Term der rechten Seite ist durch die Orientierung des
Normalenvektors in positiver z-Richtung, also in den Halbraum hinein, begrundet.
94 7.5 Oberflachendeformation aufgrund plastischer Dehnungen im Halbraum
7.5.2 Satz von Betti
Der Satz von Betti besagt, dass in zwei linear elastischen Gleichgewichtszustanden A
und B die Arbeit der Krafte des Systems A an den Verschiebungen des Systems B
gleich der Arbeit der Krafte des Systems B an den Verschiebungen des Systems A ist.
Aus der elastischen Deformationsenergie kann der Satz von Betti in einfacher Weise
hergeleitet werden, siehe z.B. [83]. Im System A treten die Großen σ, f , ε und uA
auf, wahrend im System B die Großen σ∗, f ∗, ε∗ und u∗ auftreten. Fur die elastischen
Deformationsenergien gilt
∫
Ω
σij ε∗
ij dΩ = −∫
Γ
u∗i σij nj dΓ +
∫
Ω
fi u∗
i dΩ (7.63)
und∫
Ω
σ∗
ij εij dΩ = −∫
Γ
uAi σ∗
ij nj dΓ +
∫
Ω
f ∗
i uAi dΩ . (7.64)
Aufgrund der Symmetrie des Hookeschen Stoffgesetzes gilt
∫
Ω
σij ε∗
ij dΩ =
∫
Ω
εij Cijkl ε∗
kl dΩ =
∫
Ω
ε∗kl Cklij εij dΩ =
∫
Ω
σ∗
ij εij dΩ . (7.65)
Aus (7.63), (7.64) und (7.65) folgt der Satz von Betti in allgemeiner Form
−∫
Γ
u∗i σij nj dΓ +
∫
Ω
fi u∗
i dΩ = −∫
Γ
uAi σ∗
ij nj dΓ +
∫
Ω
f ∗
i uAi dΩ . (7.66)
7.5.3 Anwendung des Satzes von Betti auf die Berechnung der
Oberflachendeformation
Zur Herleitung der Oberflachendeformation aufgrund plastischer Deformationen nutzen
Jacq et al. [38] den Satz von Betti. Die folgende Herleitung lehnt sich an diese Quelle
an.
Fur den Fall plastischer Dehnungen im System A setzen sich die Verschiebun-
gen uAi aus einem elastischen Anteil ui und einem plastischen Anteil upli zusammen.
Mit uAi = ui − upli gilt fur den ersten Term der rechten Seite von (7.66)
−∫
Γ
uAi σ∗
ij nj dΓ = −∫
Γ
ui σ∗
ij nj dΓ +
∫
Γ
upli σ∗
ij nj dΓ . (7.67)
Anwendung des Gaußschen Integralsatzes fuhrt zu
−∫
Γ
uAi σ∗
ij nj dΓ = −∫
Γ
ui σ∗
ij nj dΓ−∫
Ω
(
σ∗
ij upli
)
,jdΩ . (7.68)
Mit der Produktregel der Differentialrechnung folgt
−∫
Γ
uAi σ∗
ij nj dΓ = −∫
Γ
ui σ∗
ij nj dΓ−∫
Ω
σ∗
ij,j upli dΩ−
∫
Ω
σ∗
ij upli,j dΩ . (7.69)
7 DREIDIMENSIONALES PLASTISCHES HALBRAUMMODELL 95
Aus Symmetriegrunden gilt
−∫
Γ
uAi σ∗
ij nj dΓ = −∫
Γ
ui σ∗
ij nj dΓ−∫
Ω
σ∗
ij,j upli dΩ−
∫
Ω
σ∗
ij εplij dΩ . (7.70)
Fur den zweiten Term der rechten Seite von (7.66) folgt
∫
Ω
f ∗
i uAi dΩ =
∫
Ω
f ∗
i ui dΩ−∫
Ω
f ∗
i upli dΩ . (7.71)
Unter Verwendung der Gleichgewichtsbedingung gilt
∫
Ω
f ∗
i uAi dΩ =
∫
Ω
f ∗
i ui dΩ +
∫
Ω
σ∗
ij,j upli dΩ . (7.72)
Aus (7.66), (7.70) und (7.72) folgt entsprechend Gleichung (1.12) aus [38]
−∫
Γ
u∗i σij nj dΓ+
∫
Ω
fi u∗
i dΩ = −∫
Γ
ui σ∗
ij nj dΓ−∫
Ω
σ∗
ij εplij dΩ+
∫
Ω
f ∗
i ui dΩ . (7.73)
Mit σij nj = −pi gilt∫
Γ
u∗i pi dΓ +
∫
Ω
fi u∗
i dΩ =
∫
Γ
ui p∗
i dΓ−∫
Ω
σ∗
ij εplij dΩ +
∫
Ω
f ∗
i ui dΩ . (7.74)
Im betrachteten Fall beschreibt das System A (σ, p, f = 0, εA=ε+εpl, uA=u+upl) einen
Halbraum frei von Volumenlasten mit plastischen Dehnungen und das System B (σ∗,
p∗, f ∗ = 0, ε∗, u∗) beschreibt einen Halbraum frei von Volumenkraften und plastischen
Dehnungen unter einer Punktlast auf der Oberflache in Normalenrichtung. Aus (7.74)
wird dann∫
Γ
u∗i pi dΓ =
∫
Γ
ui p∗
i dΓ−∫
Ω
σ∗
ij εplij dΩ . (7.75)
Die Flachenpressung p∗ ist nur im Ursprung U ungleich Null. Es gilt die Fallunterschei-
dung
p∗ =
1
dx dyfur x = y = 0
0 sonst
. (7.76)
Es folgt
∫
Γ
u∗i pi dΓ = ui(U)−∫
Ω
σ∗
ij εplij dΩ . (7.77)
Umordnen der Terme und Einsetzen des Hookeschen Stoffgesetzes fuhrt zu
ui(U) =
∫
Γ
u∗i pi dΓ +
∫
Ω
ε∗ij Cijkl εplkl dΩ . (7.78)
96 7.5 Oberflachendeformation aufgrund plastischer Dehnungen im Halbraum
Aufgrund der Symmetrie des Stoffgesetzes und der Dehnungstensoren gilt
ui(U) =
∫
Γ
u∗i pi dΓ+
∫
Ω
εplkl Cklij ε∗
ij dΩ =
∫
Γ
u∗i pi dΓ+
∫
Ω
(
λ δij εplkk + 2µ εplij
)
ε∗ij dΩ .
(7.79)
Wegen der Volumenerhaltung bei plastischer Deformation ist die Spur der plastischen
Dehnungen εplkk gleich Null und es folgt
ui(U) =
∫
Γ
u∗i pi dΓ + 2µ
∫
Ω
εplij ε∗
ij dΩ . (7.80)
Der erste Term der rechten Seite von (7.80) entspricht der Oberflachenverschiebung auf-
grund von Oberflachenlasten, wahrend der zweite Term der Oberflachenverschiebung ur
durch plastische Dehnungen im Halbraum entspricht. Daher gilt
uri (U) = 2µ
∫
Ω
εplij ε∗
ij dΩ = µ
∫
Ω
εplij(u∗i,j + u∗j,i
)dΩ . (7.81)
Fur Oberflachenverschiebungen in z-Richtung entsprechen die Verschiebungen u∗i den
Verschiebungen ui aus (4.72) bis (4.74), die im Folgenden als u∗3 bezeichnet werden, um
Verwechslungen zu vermeiden. Die plastischen Dehnungen werden uber den gedehnten
Hexaeder als konstant angenommen. Es folgt
ur3(U) = µ εplij
∫
Ω
u∗3i,j + u∗3j,i dΩ . (7.82)
Die Integration uber das Volumen des plastisch gedehnten Quaders erfolgt wie bei der
Eigenspannungsberechnung in Kapitel 7.4.1. Mit der Hilfsfunktion
D3ij =
∫ b1
−b1
∫ b2
−b2
∫ b3
−b3
u∗3i,j + u∗3j,i dz dy dx . (7.83)
folgt
ur3(U) = µ εplij D3ij (7.84)
mit
D311 = 2
∫ b2
b2
∫ b3
b3
u∗31 dz dy (7.85)
D322 = 2
∫ b1
b1
∫ b3
b3
u∗32 dz dx (7.86)
D333 = 2
∫ b1
b1
∫ b2
b2
u∗33 dy dx (7.87)
D312 =
∫ b1
b1
∫ b3
b3
u∗31 dz dx+
∫ b2
b2
∫ b3
b3
u∗32 dz dy (7.88)
7 DREIDIMENSIONALES PLASTISCHES HALBRAUMMODELL 97
D323 =
∫ b1
b1
∫ b2
b2
u∗32 dy dx+
∫ b1
b1
∫ b3
b3
u∗33 dz dx (7.89)
D331 =
∫ b2
b2
∫ b3
b3
u∗33 dz dy +
∫ b1
b1
∫ b2
b2
u∗31 dy dx . (7.90)
Mit den Ortsvektoren cm der Hexaederecken (7.30) bis (7.37) gilt
D3ij = −Hij(c1)+Hij(c2)−Hij(c3)+Hij(c4)−Hij(c5)+Hij(c6)−Hij(c7)+Hij(c8) . (7.91)
Die Funktionen Hij sind in [38] gegeben als
H11(x, y, z) =1
π
[
−ν x log(y +R)− (1− 2 ν) z arctan
(y + z +R
x
)]
(7.92)
H22(x, y, z) =1
π
[
−ν y log(x+R)− (1− 2 ν) z arctan
(x+ z +R
y
)]
(7.93)
H33(x, y, z) =1
π
[
(1− ν)
2 z arctan
(x+ y +R
z
)
+ x log(y +R) + y log(x+R)
+z
2arctan
( x y
z R
) ] (7.94)
H12(x, y, z) =1
π[−2 ν R− (1− 2 ν) z log(z +R)] (7.95)
H23(x, y, z) =1
π
[
2 y arctan
(x+ z +R
y
)
+ x log(z +R)
]
(7.96)
H31(x, y, z) =1
π
[
2 x arctan
(y + z +R
x
)
+ y log(z +R)
]
. (7.97)
In Abb. 7.21 b ist die Oberflachenverschiebung aufgrund plastischer Dehnungen eines
Hexaeders der Kantenlange 2 b in Abhangigkeit des Abstandes zo zwischen dem Zentrum
des Hexaeders und der Oberflache dargestellt. Die Oberflachenverschiebungen stimmen
A
zo
2 b
a)
1 2 3 4−2,5
2
−1,5
−1
−0,5
0
zo/b
u3/(bε o)
ε11 = εoε33 = εoε11 = ε22 = ε33 = εo
b)
Abbildung 7.21: Plastisch gedehnter Wurfel im Halbraum (a) und Ober-
flachendeformation am Punkt A in Abhangigkeit von der Position des Wurfels (b)
98 7.6 Plastische Dehnungen
sehr gut mit den in Abb. 5 in [26] und in Abb. 4 in [44] prasentieren Ergebnissen uberein.
Abb. 7.22 b zeigt die Oberflachendeformation aufgrund eines isotrop gedehnten Wurfels
(ε11 = ε22 = ε33 = 0,001) in einer Tiefe von 0,5mm unter der Halbraumoberflache.
x1
x2 x30,5mm
0,5mm
0,5mm0,5mm
a)
−0,5 0,0
0,5 −0,5
0,0
0,0
0,125
0,25
y in mm
u3, pl in µm
x in mm 0,05
0,1
0,15
0,2
b)
Abbildung 7.22: Plastisch gedehnter Wurfel im Halbraum in 0,5mm Tiefe (a) und die
von ihm verursachte Oberflachendeformation (b)
7.6 Plastische Dehnungen
Die Modellierung plastischen Materialverhaltens ist wegen seiner großen Bedeutung in
vielen technischen Anwendungen, wie zum Beispiel der Umformtechnik, ein vielbeachte-
tes Teilgebiet der Kontinuumsmechanik. Folglich finden sich in zahlreichen Fachbuchern
Abhandlungen der numerischen Modellierung der Plastizitat mit der Finite-Elemente-
Methode. Geeignete Quellen zu den allgemeinen kontinuumsmechanischen Grundlagen
der Plastizitat sind die Bucher von Simo und Hughes [67], de Souza Neto et al. [69] und
Wriggers [87]. Der in dieser Arbeit implementierte Radial-Return-Mapping Algorith-
mus, der im Folgenden dargestellt wird, wurde von Fotiu und Nemat-Nasser entwickelt
[30]. Eine sehr leserfreundliche Darstellung im Kontext des Halbraummodells ist in einer
Veroffentlichung von Nelias zu finden [54].
Charakteristisch fur das Verhalten von Umformstahlen ist das Vorhandensein einer
ausgepragten Fließgrenze σy. Unterhalb dieser Spannung verhalt sich der Stahl elastisch,
die Deformation ist also reversibel. Belastet man den Stahl uber seine Fließgrenze hin-
aus, so flacht die Spannungs-Dehnungs-Kurve ab und es kommt neben den elastischen
Deformationen zusatzlich zu plastischer, also irreversibler, Deformation.
Die Fließgrenze ist eine skalare Große, die den Beginn plastischen Fließens unter ein-
achsiger Last beschreibt. Zur Behandlung mehrachsige Spannungszustande werden Ver-
gleichsspannungen verwendet, die mehrachsige Spannungszustande mit einem skalaren
Vergleichswert beschreiben. Eine Vergleichsspannungshypothese, die sich fur die Model-
lierung von Stahlen besonders eignet, ist die auf der Gestaltanderungsenergiehypothese
7 DREIDIMENSIONALES PLASTISCHES HALBRAUMMODELL 99
ε
σ
εp
σy o
Abbildung 7.23: Spannungs-Dehnungs-Diagramm
basierende von-Mises-Vergleichsspannung
σvm =√
σ211 + σ2
22 + σ233 − σ11σ22 − σ22σ33 − σ33σ11 + 3 (σ2
12 + σ223 + σ2
31) . (7.98)
Die von-Mises-Vergleichsspannung ist unabhangig von den hydrostatischen Anteilen
des Spannungstensors und folglich ausschließlich vom Spannungsdeviator sij abhangig.
Der Spannungsdeviator entspricht dem Spannungstensor abzuglich der hydrostatischen
Spannungen σhyd
s =
σ11 − σhyd σ12 σ13σ22 − σhyd σ23
sym. σ33 − σhyd
(7.99)
mit
σhyd =σ11 + σ22 + σ33
3, (7.100)
beziehungsweise in Indexschreibweise
sij = σij −1
3δij σkk . (7.101)
Unter Verwendung der zweiten Invarianten J ′
2 des Spannungsdeviators sij kann die von-
Mises-Vergleichsspannung wie folgt dargestellt werden
σvm =√
3 J ′
2 (7.102)
mit
J ′
2 =1
2sij sij . (7.103)
Plastische Deformationen treten auf, wenn die Vergleichsspannung die Fließgrenze σydes Werkstoffes ubersteigt. Die Fließbedingung ff lautet
ff = σvm − σy ≤ 0 , (7.104)
100 7.6 Plastische Dehnungen
beziehungsweise mit Hilfe des Spannungsdeviators ausgedruckt
ff =
√
3
2sij sij − σy ≤ 0 . (7.105)
Tritt plastisches Fließen ein, so setzt sich die gesamte Dehnung ε aus einem elastischen
Dehnungsanteil εel und einem plastischen Anteil εpl zusammen. Im Rahmen der linearen
Kontinuumsmechanik kleiner Deformationen kann eine additive Zerlegung der Dehnun-
gen vorgenommen werden. Es gilt
ε = εel + εpl . (7.106)
Die Wahl der additiven Zerlegung der Deformation anstatt einer multiplikativen Zerle-
gung, wie sie im Rahmen der nichtlinearen Kontinuumsmechanik großer Deformationen
auftritt, ist durch das Halbraummodell begrundet, das per se ein lineares Modell ist.
Die Rate der plastischen Dehnungen εpl wird durch ein assoziiertes Fließgesetz be-
stimmt
εpl = γ∂ ff∂ s
. (7.107)
Die Richtung der plastischen Dehnungen ist bei assoziierten Fließgesetzen normal zur
Fließflache. Fur die von-Mises-Fließfunktion gilt das Fließgesetz von Levy-Mises
εpl = γ s . (7.108)
Die Richtung der plastischen Deformation ist in diesem Fall durch den normierten Span-
nungsdeviator s gegeben. Zur Bestimmung der plastischen Dehnungen ist es erforderlich
neben der Richtung der plastischen Dehnung auch ihren Betrag zu kennen. Hierzu dient
der Proportionalitatsfaktor γ, der auch plastische Vergleichsdehnungsrate genannt wird.
Zur kontinuumsmechanisch korrekten Modellierung plastischen Verhaltens mussen
die Karush-Kuhn-Tucker Komplementaritatsbedingungen stets erfullt sein. Diese lauten
ff ≤ 0 , (7.109)
γ ≥ 0 (7.110)
und
γ ff = 0 . (7.111)
Gemaß Bedingung (7.109) sind nur Spannungszustande zulassig, die innerhalb oder auf
der Fließflache liegen, es sind also keine die Fließgrenze ubersteigenden Vergleichsspan-
nungen zulassig. Des Weiteren sind die plastische Deformation und der Spannungsdevia-
tor gleich gerichtet (7.110). Plastische Deformationen treten nur auf, wenn die Fließfunk-
tion gleich Null ist, bei elastischen Spannungszustanden(ff < 0) treten keine plastischen
Deformationen auf (7.111).
7 DREIDIMENSIONALES PLASTISCHES HALBRAUMMODELL 101
Bei elastisch-perfekt plastischen Werkstoffen ist die Fließgrenze eine konstante Große.
Bei Stahlen ist sie in der Regel abhangig von der Belastungsgeschichte. In der Umform-
technik ist die Verfestigung durch plastische Deformation von besonderer Bedeutung.
Man unterscheidet zwischen isotroper und kinematischer Verfestigung.
Bei isotroper Verfestigung kommt es zu einer isotropen Aufweitung der Fließflachen,
also zu einem Anstieg der Fließgrenze. Die Fließgrenze ist bei isotroper Verfestigung eine
Funktion der plastischen Vergleichsdehnung γ. Im einfachsten Fall kommt es zu einer
linearen Verfestigung ausgehend von der Ausgangsfließspannung σy o mit dem isotropen
Verfestigungsfaktor Hiso
σy(γ) = σy o + γ Hiso . (7.112)
Bei kinematischer Verfestigung, auch Bauschinger-Effekt genannt, kommt es zu einer
Verschiebung der Fließflache im Spannungsraum unter Beibehaltung ihrer Form. Das
Zentrum der Fließflache wird um die sogenannte Ruckspannung β (engl. back-stress)
aus dem Ursprung des Spannungsraumes verschoben. Auch die Ruckspannung ist eine
deviatorische Spannung, so dass die Fließfunktion unter Berucksichtigung kinematischer
Verfestigung wie folgt dargestellt werden kann
ff =√
3 J ′
2(s− β)− σy ≤ 0 . (7.113)
Kinematische Verfestigung ist insbesondere bei Lastumkehr relevant. Bei Kombination
von isotroper und kinematischer Verfestigung lautet die Fließfunktion
ff =√
3 J ′
2(s− β)− σy o − γ Hiso ≤ 0 . (7.114)
Der normierte Spannungsdeviator ist definiert als
s =3 s
2 σvm. (7.115)
Es gilt
s : s =3
2. (7.116)
Fur die plastische Vergleichsdehnungsrate folgt aus (7.108) und (7.116)
γ =εpl
s=
√
εpl
s:εpl
s=
√
2
3εpl : εpl . (7.117)
Fur die Vergleichsdehnungsrate e gilt mit deviatorischen Anteilen ε′ der Dehnungsraten
e =
√
2
3ε′ : ε′ . (7.118)
Hieraus folgt
ε′ = eη (7.119)
102 7.6 Plastische Dehnungen
mit
η : η =3
2. (7.120)
Mit (7.115) und (7.116) kann s dargestellt werden als
s = s : ss
σvm. (7.121)
Es folgt
σvm = s : s . (7.122)
Aus dem Hookeschen Gesetz (4.3) folgt mit (7.106)
s = 2µ(ε′ − εpl
). (7.123)
Mit (7.122) gilt
σvm = 2µ ε′ : s− 2µ εpl : s , (7.124)
beziehungsweise in Raten dargestellt
σvm = 2µ ε′ : s− 2µ εpl : s . (7.125)
Mit (7.108) und (7.119) folgt
σvm = 2µ eη : s− 2µ γ s : s . (7.126)
Weil η und s kollinear sind gilt
σvm = 2µ e3
2− 2µ γ
3
2= 3µ e− 3µ γ . (7.127)
Hieraus folgt
σvm = 3µ e− 3µ γ . (7.128)
Die partielle Ableitung der Vergleichsspannung nach γ lautet folglich
∂ σvm∂ γ
= −3µ (7.129)
und es gilt
∆σvm = −3µ∆ γ . (7.130)
Im Plastizitatsalgorithmus des Halbraummodells soll isotrope Verfestigung
berucksichtigt werden, daher ist es notwendig, zur Bestimmung von ∆ γ die Fließfunk-
tion zu linearisieren. Aus (7.104) folgt
fL = ff + f,σvm∆ σvm + f,γ ∆ γ = 0 . (7.131)
7 DREIDIMENSIONALES PLASTISCHES HALBRAUMMODELL 103
Mit
f,σvm= 1 , (7.132)
f,γ = −σy,γ (7.133)
und (7.130) folgt
ff − 3µ∆ γ − σy,γ ∆ γ = 0 . (7.134)
Auflosen nach ∆ γ fuhrt zu
∆ γ =ff
3µ+ σy,γ. (7.135)
Somit ist es moglich, ein beliebiges isotropes Verfestigungsverhalten zu modellieren. Es
muss lediglich die Steigung σy,γ(γ) der Fließkurve bekannt sein. Im Fall linearer isotroper
Verfestigung gilt
∆ γ =ff
3µ+Hiso. (7.136)
Kapitel 8
Ergebnisse der dreidimensionalen
plastischen Halbraumsimulation
Beginnend mit dem Abgleich des Modells mit FE-Berechnungen des elasto-plastischen
Kontakts einer Kugel mit einer glatten Ebene wird das dreidimensionale plastische Halb-
raummodell in diesem Kapitel in Kontaktsimulationen genutzt. Nach der Untersuchung
des Einflusses der Verfestigung auf den Kontakt (Kap. 8.2) wird der Kontakt rauer
Oberflachen betrachtet (Kap. 8.3).
8.1 Kontakt einer Kugel mit einer glatten elasto-
plastischen Ebene
Um das dreidimensionale plastische Halbraummodell zu testen und mit der Finite-
Elemente-Methode abzugleichen, wurde der Kontakt einer starren Kugel mit einer elasto-
plastischen Ebene simuliert. Der Radius der Kugel betragt 40mm, der Elastizitatsmodul
der Ebene betragt 205 000MPa und die Querkontraktionszahl ist 0,34. Die Ausgangsfließ-
spannung σy o betragt 200MPa und der isotrope Verfestigungsfaktor Hiso ist 1550MPa,
so dass fur die Fließgrenze gilt:
σy = 200MPa + γ · 1550MPa . (8.1)
Fur die FE-Simulation in Abaqus 6.11 wird ein achsensymmetrisches Modell mit mehr als
6000 quadratischen Rechteckselementen (Abaqus: CAX8) verwendet. Bei einer Normal-
kraft von 70N ergeben sich fur das Halbraummodell eine Flachenpressung und eine Ober-
flachendeformation, die sehr gut mit den Ergebnissen des FE-Modells ubereinstimmen
(Abb. 8.1).
Die von-Mises-Vergleichsspannung ist unter dem Kontaktgebiet sowohl im Halbraum-
modell als auch im FE-Modell in einem weiten Bereich gleich oder nahezu gleich der
Fließgrenze. Der Bereich großer Vergleichsspannung erreicht am Rand des Kontaktge-
biets die Oberflache. Die plastischen Dehnungen hingegen beschranken sich auf einen
linsenformigen Bereich unter der Oberflache.
105
106 8.1 Kontakt einer Kugel mit einer glatten elasto-plastischen Ebene
−0,5 −0,25 0,0 0,25 0,5
100
200
300
400
500
x in mm
pin
MPa
HalbraumFE
a)
−0,5 −0,25 0,0 0,25 0,5
−0,3
−0,2
−0,1
0
0,1
0,2
x in mm
uplin
µm
HalbraumFE
b)
Abbildung 8.1: Flachenpressung (a) und plastische Oberflachendeformation (b) im Ku-
gelkontakt
−0,5 −0,25 0,0 0,25 0,5
0
0,25
0,5
0,75
x in mm
zin
mm
ε pl,eq
in%
0,0
0,05
0,1
0,15
a)
−0,5 −0,25 0,0 0,25 0,5
0
0,25
0,5
0,75
x in mm
zin
mm
σvm
inMPa
50
100
150
200
b)
Abbildung 8.2: Plastische Vergleichsdehnung (a) und von-Mises-Vergleichsspannung (b)
im Kugelkontakt in der Halbraumsimulation
(Avg: 75%)PEEQ
+0.00e+00+1.87e−04+3.74e−04+5.61e−04+7.47e−04+9.34e−04+1.12e−03+1.31e−03+1.49e−03+1.68e−03+1.87e−03
a)
(Avg: 75%)S, Mises
0 21 41 62 83104124145166186207
b)
Abbildung 8.3: Plastische Vergleichsdehnung (a) und von-Mises-Vergleichsspannung (b)
im Kugelkontakt in der FE-Simulation
8 ERGEBNISSE DER DREIDIMENSIONALEN PLASTISCHEN HR-SIM. 107
Die maximale Flachenpressung betragt 461MPa und somit das 2,3-fache der Fließ-
grenze. Somit liegt die maximale Flachenpressung in der Halbraumsimulation des Kugel-
kontakts unter dem Limit von 2,8 mal der Fließgrenze, wie es analytisch von Hencky [36]
und experimentell von Bowden und Tabor [22] bestimmt wurde. Jedoch steigt die maxi-
male Flachenpressung in Abb. 8.6 mit der mittleren Flachenpressung auch bei mehr als
50MPa leicht an, so dass bei großerer mittlerer Flachenpressung mit einer großeren ma-
ximalen Flachenpressung zu rechnen ist. Durch die plastische Oberflachendeformation
kommt es im Vergleich zum rein elastischen Kontakt zu einem Wachstum der realen
Kontaktflache um 30% und einer Abnahme der maximalen Flachenpressung um 41%
(vgl. Tab. 8.2). Die globale Annaherung der Oberflachen uo hingegen steigt nur um 9,5%.
0 25 50 750
5
10
15
20
p in MPa
αrealin
%
ElastischPlastisch
a)
0 25 50 750
0,5
1,0
1,5
p in MPa
uoin
µm
ElastischPlastisch
b)
Abbildung 8.4: Kontaktflachenanteil-Last-Kurve (a) und Annaherungs-Last-Kurve (b)
im Kugelkontakt (Halbraum)
0 25 50 750
0,05
0,1
0,15
0,2
p in MPa
ε pl,eq,m
axin
%
a)
0 25 50 750
0,1
0,2
0,3
0,4
p in MPa
upl,maxin
µm
b)
Abbildung 8.5: Maximale plastische Vergleichsdehnung (a) und maximale plastische
Oberflachendeformation (b) im Kugelkontakt (Halbraum)
108 8.2 Verfestigungseinfluss im Kontakt einer Kugel mit einer Ebene
0 25 50 750
200
400
600
800
p in MPa
pmaxin
MPa
ElastischPlastisch
Abbildung 8.6: Maximale Flachenpressung im Kugelkontakt (Halbraum)
Elastisch Elasto-plastisch Differenz
αreal 13,6% 17,7% 30,3%
uo 1,09µm 1,20µm 9,5%
pmax 784MPa 461MPa 41,2%
Tabelle 8.1: Ergebnisse der Kugelkontaktsimulation mit dem Halbraummodell bei 70N
Normalkraft
8.2 Verfestigungseinfluss im Kontakt einer Kugel
mit einer Ebene
Im Bowden-Tabor-Modell ist die maximale Flachenpressung abhangig von der Fließ-
grenze des Werkstoffs. Metallische Werkstoffe verfestigen in der Regel unter plasti-
scher Deformation. Um zu untersuchen, wie sich die Verfestigung auf die maxima-
le Flachenpressung im Kugelkontakt auswirkt, werden Simulationen mit den Verfes-
tigungsfaktoren 0MPa, 1550MPa und 20000MPa durchgefuhrt. Die erste Simulation
(0MPa) entspricht elastisch-ideal-plastischem Materialverhalten. Der Verfestigungsfak-
tor 1550MPa entspricht naherungsweise dem Materialverhalten des Werkstoffes DC04
bei geringen plastischen Dehnungen. Um sehr starke Verfestigung zu untersuchen, wie
sie bei großen Deformationen auftritt, wird als dritter Verfestigungsfaktor 20000MPa
gewahlt, dieser fuhrt bei einer plastischen Vergleichsdehnung von 1% zu einer Ver-
dopplung der Fließgrenze. Die maximale Flachenpressung und die maximale von-Mises-
Vergleichsspannung unterscheiden sich bei Hiso = 0MPa und Hiso = 1550MPa kaum.
Bei Hiso = 20000MPa ist die maximale Flachenpressung um ca. 7% und die maxima-
le von-Mises-Vergleichsspannung um ca. 14% erhoht (vgl. Tab. 8.2). In Abb. 8.8 b ist
fur Hiso = 20000MPa eine signifikante Erhohung der Vergleichsspannung aufgrund der
Verfestigung in der plastisch deformierten Zone zu erkennen (vgl. plastische Vergleichs-
dehnung in Abb. 8.2 a). Indem ein sehr großer Verfestigungsfaktor gewahlt wird, kann
in diesem Beispiel gezeigt werden, dass die Verfestigung eine wichtige Rolle spielt, wenn
große Deformation auftreten.
8 ERGEBNISSE DER DREIDIMENSIONALEN PLASTISCHEN HR-SIM. 109
−0,5 −0,25 0 0,25 0,5
200
400
600
800
x in mm
pin
MPa
Hiso = 0MPaHiso = 1550MPaHiso = 20000MPa
a)
−0,5 −0,25 0,0 0,25 0,5
0
0,25
0,5
0,75
x in mm
zin
mm
σvm
inMPa
50
100
150
200
b)
Abbildung 8.7: Flachenpressung bei verschiedenen Verfestigungsfaktoren (a) und von-
Mises-Vergleichsspannung bei Hiso = 0MPa (b) im Kugelkontakt
−0,5 −0,25 0,0 0,25 0,5
0
0,25
0,5
0,75
x in mm
zin
mm
σvm
inMPa
50
100
150
200
a)
−0,5 −0,25 0,0 0,25 0,5
0
0,25
0,5
0,75
x in mm
zin
mm
σvm
inMPa
50
100
150
200
b)
Abbildung 8.8: Von-Mises-Vergleichsspannung bei Hiso = 1550MPa (a) und von-Mises-
Vergleichsspannung bei Hiso = 20000MPa (b) im Kugelkontakt
Hiso 0MPa 1550MPa 20000MPa
pmax 458MPa 461MPa 492MPa
σvm,max 200MPa 203MPa 232MPa
Tabelle 8.2: Maximale Flachenpressung und maximale von-Mises-Vergleichsspannung im
Kugelkontakt bei unterschiedlichen Verfestigungsfaktoren und 70N Normalkraft
8.3 Kontakt einer Kugel mit einer rauen elasto-
plastischen Ebene
In den folgenden Beispielen wird das dreidimensionale plastische Halbraummodell in
Kontaktsimulationen rauer Oberflachen genutzt. Die Oberflachendaten stammen aus ei-
ner Messung eines EDT-strukturierten (Electro Discharge Texturing) Umformblechs, wie
es in Kap. 6 zur experimentellen Verifikation des vereinfachten elasto-plastischen Halb-
raummodells verwendet wurde. Die Oberflache wird mit 32× 32 Oberflachensegmenten
110 8.3 Kontakt einer Kugel mit einer rauen elasto-plastischen Ebene
bei einer Abmessung von 2,8mm in x- und y-Richtung diskretisiert. Das dreidimen-
sionale plastische Halbraummodell ist deutlich instabiler als das vereinfachte plastische
Modell und hat bei sehr rauen Oberflachen Konvergenzprobleme. Daher werden die
Oberflachenhohen um den Faktor Funf reduziert, so dass die simulierte Oberflache we-
niger rau ist, als die tatsachliche Oberflache. Um Kanteneffekte auszuschließen und eine
Konzentration der Flachenpressungen am Rand des Kontaktgebiets zu vermeiden, ist
die raue Oberflache im Kontakt mit einer Kugel mit einem Radius von 400mm. Die
Werkstoffkennwerte des Blechs entsprechen den Daten aus der Untersuchung des Kugel-
kontakts (vgl. Kap. 8.1).
Wahrend der Anteil der realen Kontaktflache (Abb. 8.9 a) in der elasto-plastischen
Simulation nur unwesentlich großer ist als in der elastischen Simulation, ist die ma-
ximale Flachenpressung im elasto-plastischen Fall deutlich reduziert (Abb. 8.9 b). Die
Flachenpressung ubersteigt in der elasto-plastischen Rechnung kaum 1000MPa, in der
0 50 100 1500
10
20
30
40
p in MPa
αrealin
%
ElastischPlastisch
a)
0 50 100 1500
500
1000
1500
p in MPa
pmaxin
MPa
ElastischPlastisch
b)
Abbildung 8.9: Realer Kontaktflachenanteil (a) und maximale Flachenpressung (b) im
Kontakt einer rauen Oberflache mit einer Kugel (r=400mm, p=150MPa)
0 0,7 1,4 2,1 2,80
500
1000
1500
x in mm
pin
MPa
ElastischPlastisch
a)
0 0,7 1,4 2,1 2,8
−0,4
0,0
0,4
0,8
x in mm
hin
µm
UndeformiertPlastisch deformiert
b)
Abbildung 8.10: Flachenpressung (a) und Oberflachenprofil (b) im Kontakt einer rauen
Oberflache mit einer Kugel (r=400mm, p=150MPa)
8 ERGEBNISSE DER DREIDIMENSIONALEN PLASTISCHEN HR-SIM. 111
elastischen Simulation werden ca. 1400MPa erreicht. Die maximalen Flachenpressungen
sind somit deutlich großer als im Kugelkontakt mit einer glatten Ebene.
Die von-Mises-Vergleichsspannungen sind in den Volumenelementen direkt unter der
Oberflache moderat. Eine Lage tiefer erreichen sie unter den Kontaktelementen großer
Flachenpressung die Fließgrenze (vgl. Abb. 8.10 a und Abb. 8.11 a). Dort treten auch
verhaltnismaßig große plastische Vergleichsdehnungen auf (Abb. 8.11 b). Auffallig ist
ein Bereich großer Vergleichsspannungen im Zentrum von Abb. 8.11 a. An dieser Stel-
le sind in Abb. 8.11 b plastische Dehnungen zu erkennen. Bemerkenswert ist, dass die
kleinskaligen Rauheiten erhalten bleiben, jedoch die Oberflachenmitte deutlich einge-
druckt wird (vgl. Abb. 8.10 b). Der große Bereich moderater plastischer Dehnungen
wirkt sich also starker auf die Oberflachendeformation aus, als die großeren lokalen plas-
tischen Dehnungen unter den Rauheitsspitzen. Die plastische Vergleichsdehnung sta-
gniert ab 100MPa mittlerer Flachenpressung (Abb. 8.12 a), wohingegen die maxima-
0 0,7 1,4 2,1 2,8
0
0,35
0,7
1,05
1,4
x in mm
zin
mm
σvm
inMPa
50
100
150
200
a)
0 0,7 1,4 2,1 2,8
0
0,35
0,7
1,05
1,4
x in mm
zin
mm
ε pl,eq
in%
0,0
0,1
0,2
0,3
b)
Abbildung 8.11: Von-Mises-Vergleichsspannung (a) und plastische Vergleichsdehnung (b)
im Kontakt einer rauen Oberflache mit einer Kugel (r=400mm, p=150MPa)
0 50 100 1500
0,1
0,2
0,3
0,4
p in MPa
ε pl,eq,m
axin
%
a)
0 50 100 1500
0,1
0,2
0,3
p in MPa
upl,maxin
µm
b)
Abbildung 8.12: Maximale plastische Vergleichsdehnung (a) und maximale plastische
Oberflachendeformation (b) im Kontakt einer rauen Oberflache mit einer Kugel
(r=400mm, p=150MPa)
112 8.3 Kontakt einer Kugel mit einer rauen elasto-plastischen Ebene
le Oberflachendeformation (Abb. 8.12 b) weiter ansteigt. Folglich kommt es unter den
Rauheitsspitzen an den Orten verhaltnismaßig großer plastischer Dehnungen zu keiner
weiteren Plastifizierung, wahrend es im Zentrum des simulierten Bereichs zu weiterer
plastischer Dehnung kommt.
Wenn der Kugelradius von 400mm auf 800mm vergroßert wird, ist die Flachenpres-
sung gleichmaßiger uber die Oberflache verteilt und die plastische Deformation ist gerin-
ger. Wahrend der reale Kontaktflachenanteil gegenuber der Simulation mit r=400mm
ansteigt, ist der Unterschied zwischen der rein elastischen Simulation und der elasto-
plastischen Simulation geringer (Abb. 8.13 a). Die maximale Flachenpressung in der
rein elastischen Simulation ist deutlich reduziert, wohingegen die Flachenpressung im
elasto-plastischen Fall im Vergleich zur Simulation mit r=400mm nur geringfugig ab-
nimmt. Plastische Dehnungen treten nur lokal unter den Kontaktstellen maximaler
Flachenpressung auf (Abb. 8.15 b). Daher kommt es nur in den hohen Rauheitsspitzen
zu lokaler Oberflachendeformation (Abb. 8.14 b).
0 50 100 1500
10
20
30
40
50
p in MPa
αrealin
%
ElastischPlastisch
a)
0 50 100 1500
500
1000
1500
p in MPa
pmaxin
MPa
ElastischPlastisch
b)
Abbildung 8.13: Realer Kontaktflachenanteil (a) und maximale Flachenpressung (b) im
Kontakt einer rauen Oberflache mit einer Kugel (r=800mm, p=150MPa)
0 0,7 1,4 2,1 2,80
500
1000
1500
x in mm
pin
MPa
ElastischPlastisch
a)
0 0,7 1,4 2,1 2,8
−0,6
−0,4
0,0
0,4
x in mm
hin
µm
UndeformiertPlastisch deformiert
b)
Abbildung 8.14: Flachenpressung (a) und Oberflachenprofil (b) im Kontakt einer rauen
Oberflache mit einer Kugel (r=800mm, p=150MPa)
8 ERGEBNISSE DER DREIDIMENSIONALEN PLASTISCHEN HR-SIM. 113
0 0,7 1,4 2,1 2,8
0
0,35
0,7
1,05
1,4
x in mm
zin
mm
σvm
inMPa
50
100
150
200
a)
0 0,7 1,4 2,1 2,8
0
0,35
0,7
1,05
1,4
x in mm
zin
mm
ε pl,eq
in%
0,0
0,05
0,1
0,15
0,2
b)
Abbildung 8.15: Von-Mises-Vergleichsspannung (a) und plastische Vergleichsdehnung (b)
im Kontakt einer rauen Oberflache mit einer Kugel (r=800mm, p=150MPa)
0 50 100 1500
0,1
0,2
0,3
p in MPa
ε pl,eq,m
axin
%
a)
0 50 100 1500
0,05
0,1
0,15
p in MPa
upl,maxin
µm
b)
Abbildung 8.16: Maximale plastische Vergleichsdehnung (a) und maximale plastische
Oberflachendeformation (b) im Kontakt einer rauen Oberflache mit einer Kugel
(r=800mm, p=150MPa)
Wenn die Flachenpressung im Kontakt der Kugel mit 800mm Radius weiter ansteigt,
erreicht die Vergleichsspannung unter der Oberflache auf der gesamten Breite des simu-
lierten Bereichs die Fließgrenze und es kommt zu plastischer Deformation (Abb. 8.19).
In der Folge wird die Oberflache im Ganzen eingedruckt (Abb. 8.18 b). Das großraumige
Plastifizieren des Halbraums und die damit einhergehende große Oberflachendeformation
(vgl. Abb. 8.20 b) beginnt bei ca. 300MPa. Wenn sich das plastifizierte Gebiet uber den
gesamten simulierten Bereich erstreckt, wird der dreidimensionale plastische Kontaktal-
gorithmus instabil und es treten Konvergenzprobleme auf.
114 8.3 Kontakt einer Kugel mit einer rauen elasto-plastischen Ebene
0 100 200 300 4000
20
40
60
80
100
p in MPa
αrealin
%
ElastischPlastisch
a)
0 200 4000
500
1000
1500
p in MPa
pmaxin
MPa
ElastischPlastisch
b)
Abbildung 8.17: Realer Kontaktflachenanteil (a) und maximale Flachenpressung (b) im
Kontakt einer rauen Oberflache mit einer Kugel (r=800mm, p=382MPa)
0 0,7 1,4 2,1 2,80
500
1000
1500
x in mm
pin
MPa
ElastischPlastisch
a)
0 0,7 1,4 2,1 2,8
−0,6
−0,4
0,0
0,4
x in mm
hin
µm
UndeformiertPlastisch deformiert
b)
Abbildung 8.18: Flachenpressung (a) und Oberflachenprofil (b) im Kontakt einer rauen
Oberflache mit einer Kugel (r=800mm, p=382MPa)
0 0,7 1,4 2,1 2,8
0
0,35
0,7
1,05
1,4
x in mm
zin
mm
σvm
inMPa
50
100
150
200
a)
0 0,7 1,4 2,1 2,8
0
0,35
0,7
1,05
1,4
x in mm
zin
mm
ε pl,eq
in%
0,0
0,1
0,2
0,3
b)
Abbildung 8.19: Von-Mises-Vergleichsspannung (a) und plastische Vergleichsdehnung (b)
im Kontakt einer rauen Oberflache mit einer Kugel (r=800mm, p=382MPa)
8 ERGEBNISSE DER DREIDIMENSIONALEN PLASTISCHEN HR-SIM. 115
0 200 4000
0,1
0,2
0,3
0,4
0,5
p in MPa
ε pl,eq,m
axin
%
a)
0 100 200 300 4000
0,1
0,2
0,3
0,4
p in MPa
upl,maxin
µm
b)
Abbildung 8.20: Maximale plastische Vergleichsdehnung (a) und maximale plastische
Oberflachendeformation (b) im Kontakt einer rauen Oberflache mit einer Kugel
(r=800mm, p=382MPa)
8.3.1 Untersuchung der Auflosungsabhangigkeit der Simula-
tionsergebnisse
Die Berechnungszeit ist in allen numerischen Modellen von der Auflosung der Ober-
flachen abhangig. Daher wird im Folgenden untersucht, wie sich die Feinheit der Diskre-
tisierung auf die Simulationsergebnisse auswirkt. Um Konvergenzprobleme, die bei sehr
rauen Oberflachen auftreten zu vermeiden, wird erneut eine EDT-strukturierte Ober-
flache mit einer Kantenlange von 2,8mm zur Kontaktsimulation herangezogen, deren
Oberflachenhohen um den Faktor Funf reduziert ist. Wie in Abb. 8.21 a zu erkennen
ist, kommt es durch die Interpolation der Rauheit zu einer Einglattung der Oberflache.
Um den Einfluss dieser Oberflacheneinglattung zu untersuchen wird der Kontakt mit
Auflosungen von 32 × 32 und 64 × 64 Oberflachensegmenten simuliert. Es zeigt sich,
dass der reale Kontaktflachenanteil bei feinerer Auflosung sowohl im elastischen, als
auch im elasto-plastischen Kontakt kleiner ist als bei grober Auflosung (Abb. 8.21 b).
Dies ist in der großeren Rauheit der feiner diskretisierten Oberflache begrundet, die zu
sehr großen Flachenpressungen in den hochsten Rauheitsspitzen fuhrt (vgl. Abb. 8.22 a).
Aufgrund der großeren lokalen Flachenpressungen in den Rauheitsspitzen setzt bei fei-
nerer Auflosung die plastische Deformation fruher ein und ist starker ausgepragt. Dies
zeigt sich sowohl in der maximalen plastischen Oberflachendeformation (Abb. 8.22 b) als
auch in der maximalen plastischen Vergleichsdehnung (Abb. 8.23). Die starker ausge-
pragte plastische Oberflachendeformation bei 64× 64 Kontaktelementen spiegelt sich in
einer großeren Zunahme des realen Kontaktflachenanteils im Vergleich zur elastischen
Simulation wieder (Abb. 8.21 b).
Wegen der großeren Rauheit der auf 64 × 64 Kontaktelemente interpolierten Ober-
flachen konvergiert der dreidimensionale plastische Algorithmus bei dieser Auflosung nur
bis zu einer mittleren Flachenpressung von 22MPa. Deshalb wird im Vergleich des drei-
116 8.3 Kontakt einer Kugel mit einer rauen elasto-plastischen Ebene
0 0,7 1,4 2,1 2,8−0,6
−0,3
0,0
0,3
0,6
x in mm
hin
µm
32× 3264× 64
a)
0 5 10 15 20 250
5
10
15
p in MPa
αrealin
%
Elastisch 32× 32Plastisch 32× 32Elastisch 64× 64Plastisch 64× 64
b)
Abbildung 8.21: Profilschnitt durch die Oberflache (a) und realer Kontakt-
flachenanteil (b) bei Diskretisierung mit 32× 32 und 64× 64 Kontaktelementen
0 5 10 15 20 250
400
800
1200
1600
p in MPa
pmaxin
MPa
Elastisch 32× 32Plastisch 32× 32Elastisch 64× 64Plastisch 64× 64
a)
0 5 10 15 20 250
0,02
0,04
0,06
0,08
0,1
p in MPa
upl,maxin
µm
32× 3264× 64
b)
Abbildung 8.22: Maximale Flachenpressung (a) und maximale plastische Ober-
flachendeformation (b) bei Diskretisierung mit 32× 32 und 64× 64 Kontaktelementen
0 5 10 15 20 250
0,1
0,2
0,3
0,4
p in MPa
ε pl,eq,m
axin
%
32× 3264× 64
Abbildung 8.23: Maximale plastische Vergleichsdehnung bei Diskretisierung mit 32× 32
und 64× 64 Kontaktelementen
8 ERGEBNISSE DER DREIDIMENSIONALEN PLASTISCHEN HR-SIM. 117
dimensionalen plastischen Modells mit dem vereinfachten Modell mit einer Auflosung
von 32 × 32 Kontaktelementen gerechnet. Diese Auflosung ist zwar nicht ausreichend
fein, erlaubt es jedoch, in fur die Umformtechnik relevante mittlere Flachenpressungen
vorzustoßen.
8.3.2 Vergleich des dreidimensionalen mit dem vereinfachten
plastischen Halbraummodell
Wahrend das vereinfachte plastische Halbraummodell seine Eignung zur Kontaktsimu-
lation rauer Oberflachen im Abgleich mit gemessenen Oberflachenveranderungen unter
Beweis gestellt hat (vgl. Kap. 6), konnte das dreidimensionale plastische Halbraum-
modell erfolgreich mit Finite-Elemente-Simulationen abgeglichen werden. Im Folgen-
den sollen die beiden plastischen Halbraummodelle in Kontaktuntersuchungen rauer
Oberflachen verglichen werden. Hierzu wird abermals die EDT-strukturierte Oberflache
(2,8mm × 2,8mm) mit 32× 32 Kontaktelementen diskretisiert.
Im dreidimensional plastischen Modell ertragt die Oberflache lokal großere
Flachenpressungen als die experimentell identifizierten 800 MPa und die maximale
Flachenpressung strebt nicht gegen einen Grenzwert (Abb. 8.24 b). In der Folge ist das
Kontaktflachenwachstum durch plastische Deformation gegenuber der rein elastischen
Simulation im dreidimensionalen plastischen Halbraummodell nur ca. halb so groß wie
im vereinfachten plastischen Halbraummodell (vgl. Abb. 8.24 a). Die Unterschiede in der
Flachenpressung an den hochsten Rauheitsspitzen sind auch in den Darstellungen der
Flachenpressung in Profilschnitten bei 250 MPa und 382 MPa mittlerer Flachenpressung
in Abb. 8.25 a und Abb. 8.26 a zu erkennen. Die lokale Oberflachendeformation in dem
Profilschnitt bei 250 MPa mittlerer Flachenpressung ist in einigen Rauheitsspitzen in der
dreidimensionalen plastischen Halbraumsimulation großer als im vereinfachten Modell,
an anderen Stellen zeigt sich hingegen ein umgekehrtes Bild (Abb. 8.25 b). Dies ist in
der Fernwirkung plastischer Deformationen im dreidimensionalen plastischen Halbraum-
modell begrundet. Uber die Einflussfunktion fur die Oberflachendeformation (Kap. 7.5)
haben plastische Dehnungen eine Fernwirkung und beeinflussen auch nicht direkt an-
grenzende Kontaktelemente. Bei 382 MPa mittlerer Flachenpressung kommt es im drei-
dimensionalen plastischen Halbraummodell zur Plastifizierung eines großen Gebiets und
die Oberflache wird im Ganzen eingedruckt (vgl. Abb. 8.19 b). Im vereinfachten Modell
kann eine derartige langwellige Oberflachendeformation nicht modelliert werden, weshalb
sich in Abb. 8.26 b sehr unterschiedliche plastische Oberflachendeformationen zeigen.
Im dreidimensionalen plastischen Halbraummodell ubersteigen die sehr großen
lokalen Flachenpressungen bei der Simulation rauer Oberflachen die maximalen
Flachenpressungen im Kontakt einer Kugel mit einer Ebene deutlich (vgl. Kap. 8.1).
Auch die lokalen Flachenpressungen beim Einsetzen plastischer Deformation sind deut-
lich erhoht. Die Ursache hierfur liegt in der Diskretisierung der einzelnen Rauheitsspit-
zen mit nur einem oder sehr wenigen Kontaktelementen. Hierdurch werden die lokalen
Spannungen unter der Oberflache nicht ausreichend genau aufgelost und die Fließgrenze
aufgrund der groben Diskretisierung nicht erreicht. Dieses Problem tritt prinzipbedingt
118 8.3 Kontakt einer Kugel mit einer rauen elasto-plastischen Ebene
0 100 200 300 4000
20
40
60
80
100
p in MPa
αrealin
%
ElastischDreidim. plast.Vereinfacht plast.
a)
0 100 200 300 4000
400
800
1200
1600
p in MPa
pmaxin
MPa
ElastischDreidim. plast.Vereinfacht plast.
b)
Abbildung 8.24: Realer Kontaktflachenanteil (a) und maximale Flachenpressung (b) im
vereinfachten und dreidimensionalen plastischen Halbraummodell
0 0,7 1,4 2,1 2,80
400
800
1200
x in mm
pin
MPa
ElastischDreidim. plast.Vereinf. plast.
a)
0 0,7 1,4 2,1 2,80,2
0,1
0
−0,1
x in mm
uplin
µm
Dreidim. plastischVereinfacht plastisch
b)
Abbildung 8.25: Flachenpressung (a) und plastische Oberflachendeformation (b) im Pro-
filschnitt bei 250 MPa mittlerer Flachenpressung
0 0,7 1,4 2,1 2,80
400
800
1200
x in mm
pin
MPa
ElastischDreidim. plast.Vereinf. plast.
a)
0 0,7 1,4 2,1 2,80,4
0,3
0,2
0,1
0
−0,1
x in mm
uplin
µm
Dreidim. plastischVereinfacht plastisch
b)
Abbildung 8.26: Flachenpressung (a) und plastische Oberflachendeformation (b) im Pro-
filschnitt bei 382 MPa mittlerer Flachenpressung
8 ERGEBNISSE DER DREIDIMENSIONALEN PLASTISCHEN HR-SIM. 119
auch in der Finite-Elemente-Methode auf. Eine feinere Auflosung steigert jedoch den
Berechnungsaufwand. Eine Verkleinerung der simulierten Flache hingegen kann zu Er-
gebnissen fuhren, die nicht mehr reprasentativ fur die untersuchte Oberflache sind.
8.3.3 Diskussion der Ergebnisse der Kontaktsimulationen mit
dem dreidimensionalen plastischen Halbraummodell
Anhand des Vergleichs der Ergebnisse von Finite-Elemente-Berechnungen mit Halb-
raumsimulationen des Kontakts einer Kugel mit einer Ebene wird gezeigt, dass die
Implementierung des Modells korrekt ist und die Simulation des elasto-plastischen Kon-
takts grundsatzlich moglich ist. Jedoch gelingt es nicht den Kontakt einer strukturierten
Oberflache eines Umformblechs bei in der Umformtechnik ublichen Flachenpressungen
zu simulieren, ohne die Rauheit der undeformierten Oberflache vor der Berechnung
zu skalieren. Nur nach einer Reduktion der realen Oberflachenhohen um den Faktor
Funf gelingt es den Kontakt bei bis zu ca. 400MPa mittlerer Flachenpressung bei einer
Auflosung von 32 × 32 Kontaktelementen zu simulieren. In Kap. 8.3.1 konnten jedoch
stark unterschiedliche Ergebnisse bei Simulationen mit 32 × 32 und 64 × 64 Kontakt-
elementen beobachtet werden. Folglich ist die Simulation mit 32 × 32 Kontaktelementen
nicht aussagekraftig. Zudem ist die Ubereinstimmung mit dem experimentell verifizierten
vereinfachten plastischen Halbraummodell unbefriedigend (Kap. 8.3.2).
Kapitel 9
Reibgesetz
Aus den Ergebnissen der Kontaktsimulationen wird, unter Berucksichtigung der Anfor-
derungen der Blechmassivumformung, ein Reibgesetz abgeleitet. Dieses Reibgesetz wird
als User-Subroutine in die Finite-Elemente-Software Simufact.forming implementiert um
es in Umformsimulationen nutzbar zu machen. Das Reibgesetz beschreibt die Reibung in
Abhangigkeit vom momentanen Kontaktzustands und der Kontaktgeschichte. Die hierzu
erforderliche Geschichtsvariable kann bei Neuvernetzung auf ein neues Netz ubertragen
werden, so dass das Reibgesetz uneingeschrankt nutzbar ist.
9.1 Numerische Identifikation
Kontaktsimulationen mit dem vereinfachten plastischen Halbraummodell und der
Einglattungsversuch haben gezeigt, dass es im Kontakt rauer Oberflachen zu einer si-
gnifikanten Einglattung von Oberflachenrauheiten kommt (vgl. Kap. 6). Bei Ent- und
Wiederbelastung ist der Kontakt elastisch, weil die Flachenpressung in der Erstbelas-
tung großer war als sie in der nachfolgenden Ent- und Wiederbelastung ist. Aufgrund
der geringeren lokalen Flachenpressung im elastischen Kontakt ist die reale Kontakt-
flache bei Ent- und Wiederbelastung großer als bei Erstbelastung. Abb. 9.1 a zeigt den
Kontaktflachenanteil in einer Halbraumsimulation in Abhangigkeit von der Belastungs-
geschichte. Die Simulationsergebnisse entstammen den, durch den Einglattungsversuch
validierten, Untersuchungen des trockenen Kontakts einer EDT-strukturierten Ober-
flache mit dem vereinfachten plastischen Halbraummodell mit Volumenerhaltung. Die
simulierte Kontaktflache von 2,8mm mal 2,8mm wird mit 128 mal 128 Kontaktelemen-
ten diskretisiert. Im Erstkontakt steigt der Kontaktflachenanteil naherungsweise linear
mit der Flachenpressung an. Bei Entlastung nimmt der Kontaktflachenanteil zunachst
nur geringfugig ab und fallt dann immer steiler ab. Die Wiederbelastungskurve ent-
spricht der Entlastungskurve, bis die Flachenpressung p die maximale Flachenpressung
in der Erstbelastung phist erreicht. Wenn die Flachenpressung uber phist steigt folgt
die Kontaktflachen-Last-Kurve wieder der Erstbelastungskurve und der reale Kontakt-
flachenanteil steigt wieder nahezu linear mit der Flachenpressung an.
121
122 9.1 Numerische Identifikation
Das aus den Halbraumsimulationen abgeleitete Reibgesetz soll eine lineare
Abhangigkeit der Reibschubspannung vom realen Kontaktflachenanteil beschreiben.
Weil der Anteil der realen Kontaktflache 100% nicht ubersteigen kann, ist fur große
Flachenpressungen ein kontinuierlicher Ubergang des Kontaktflachenanteils von einem li-
nearen Anstieg mit der Flachenpressung zu einem Stationarwert zu modellieren. Der kon-
tinuierliche Ubergang der Reibschubspannung hin zum Stationarwert ist durch den zu-
nehmenden Einglattungswiderstand der Oberflachen bei sehr hohen Flachenpressungen
begrundet. In Anlehnung an das Shaw-Reibgesetz wird ein Tangens Hyperbolicus-Ansatz
gewahlt.
Das Reibgesetz fur Erstbelastung lautet
τr = m · k · αrc = m · k · n1
√
tanh
(p · C1
H
)n1
. (9.1)
Die Reibschubspannung entspricht dem Produkt aus dem realen Kontaktflachenanteil
und der Schubfestigkeit in der realen Kontaktflache m · k. Hierbei ist k die Schubfestig-
keit des Werkstucks. Der Reibfaktor m ist experimentell zu identifizieren und dient zur
Berucksichtigung der reibungsreduzierenden Wirkung von Schmierstoffen und der vom
Grundmaterial abweichenden Materialeigenschaften der Grenzschicht.
Der Term p · C1/H innerhalb der Tangens Hyperbolicus-Funktion modelliert einen
linearen Anstieg der Reibschubspannung mit der Flachenpressung bei moderaten
Flachenpressungen und berucksichtigt die im Einglattungsversuch identifizierte Ober-
flachenharte H . Das Reibgesetz fur Erstbelastung ahnelt den Reibgesetzen von Shaw und
Wanheim-Bay (vgl. Kap. 3), die ebenfalls einen kontinuierlichen Ubergang von einem
linearen Anstieg der Reibschubspannung bei moderaten Flachenpressungen (Reibzahl-
modell) zu einem Stationarwert bei sehr großen Flachenpressungen (Reibfaktormodell)
modellieren.
0 200 400 600 8000
20
40
60
80
100
p in MPa
αrealin
%
ErstbelastungEnt- undWiederbelastung
a)
0 400 800 12000
20
40
60
80
100
p in MPa
αrealin
%
HalbraummodellKontaktgesetz
b)
Abbildung 9.1: Kontaktflachenanteile in Erstbelastung, Entlastung und Wiederbelas-
tung (a) und Kontaktflachenanteile im Halbraummodell und Kontaktgesetz (b)
9 REIBGESETZ 123
Fur Ent- und Wiederbelastung gilt das abgewandelte Reibgesetz
τr = m · k · n2
√
tanh
(p · C2
H · αrc (phist)
)n2
· αrc (phist) . (9.2)
Der Parameter αrc(phist) ist der reale Kontaktflachenanteil der maximal in einem vorhe-
rigen Kontakt in der Oberflache aufgetreten ist. Die beiden Reibgesetze benotigen nur
sechs Parameter. C1, C2, n2 und H konnen durch Kontaktsimulationen identifiziert wer-
den. n1 beschreibt den Ubergang vom linearen Bereich der Erstbelasungskurve in den
stationaren Bereich und ist ebenso wie der Reibfaktor m experimentell zu identifizieren.
In Abb. 9.1 b ist zu erkennen, wie gut der Kontaktflachenanteil in Halbraumsimulation
und Kontaktgesetz ubereinstimmen. Die genutzten Parameter sind in Tab. 9.1 zusam-
mengefasst.
C1 1
C2 5, 6
n1 2
n2 0, 55
H 800MPa
Tabelle 9.1: Parameter des Kontaktgesetzes
9.2 Implementierung in Simufact.forming
Das Reibgesetz wurde als User-Subroutine in Simufact.forming implementiert, um das
entwickelte Reibgesetz in Umformsimulationen nutzbar zu machen. Simufact.forming ist
eine auf die Simulation von Fertigungsprozessen spezialisierte Finite-Elemente Software,
die auf dem Marc-Loser von MSC Software basiert. Der historische Kontaktdruck phistwird fur jeden Oberflachenknoten als Knotenzustandsvariable gespeichert. Ab Version
11.0.2 werden in Simufact.forming Knotenzustandsvariablen bei Neuvernetzung auf das
neue FE-Netz interpoliert. Somit kann das Reibgesetz auch in anspruchsvollen Umform-
simulationen genutzt werden, die eine Neuvernetzung der Geometrie erfordern.
Die Implementierung des Reibgesetzes umfasst die User-Subroutinen Ufric, Uedinc,
Ufninc und Upstno. Uedinc wird am Ende jedes Lastschritts aufgerufen. Im nullten
Lastschritt, also vor Beginn der FE-Simulation, pruft Uedinc, ob genugend Knoten-
zustandsvariablen definiert sind und initialisiert diese. In allen folgenden Lastschritten
pruft Uedinc, ob die Flachenpressung p in den einzelnen Oberflachenknoten im aktu-
ellen Lastschritt großer ist als in den vorherigen Lastschritten. Wenn dies zutrifft wird
phist mit p uberschrieben. Ufric ist die Reibsubroutine, sie wird in jeder Iteration an
jedem Oberflachenknoten aufgerufen. Sie erhalt die lokale Flachenpressung am Ober-
flachenknoten vom Solver und gibt einen Reibfaktor zuruck. Zusatzlich wird mittels
einer Utility-Routine phist geladen, damit Ufric entscheiden kann, ob Erstbelastung oder
Ent- bzw. Wiederbelastung vorliegt. Der Ruckgabewert entspricht τr aus (9.1) bzw. (9.2)
dividiert durch die Schubfestigkeit k, denn die Multiplikation mit k erfolgt im Solver.
124 9.3 Anwendung des Reibgesetzes in Umformsimulationen
0
60
120
180
240
300
360
420
480
540
600
660
Flächenpressung in N/mm²
Inc: 8
a)
0
60
120
180
240
300
360
420
480
540
600
660
Zustandsvariable phist in N/mm²
Inc: 9
b)
Abbildung 9.2: Flachenpressung p am Ende eines Lastschritts (a) und historische
Flachenpressung phist im darauffolgenden Lastschritt nach Neuvernetzung (b)
Die Funktionen Ufninc und Upstno werden dazu verwendet phist in die Ausgabedatei
von Simufact.forming zu schreiben, damit phist im Postprocessing graphisch dargestellt
werden kann.
Die Ubertragung der Flachenpressung von einem Netz auf ein neues Netz bei Neuver-
netzung wird an einem einfachen Beispiel getestet. Abb. 9.2 a zeigt die Flachenpressung
am Ende eines Lastschritts und Abb. 9.2 b zeigt die historische Flachenpressung phist zu
Beginn des darauffolgenden Lastschritts nach Neuvernetzung.
9.3 Anwendung des Reibgesetzes in Umformsimula-
tionen
Im Folgenden wird das im Rahmen dieser Arbeit entwickelte Reibgesetz und seine Im-
plementierung in Simufact.forming in Umformsimulationen angewandt. Zunachst wird
anhand eines Stauchprozesses zur Herstellung von Taylored Blanks der Reibfaktor nu-
merisch identifiziert. Taylored Blanks sind Bleche mit lokal angepassten Eigenschaften.
In diesem Fall handelt es sich um lokal aufgedickte Bleche, die in nachfolgenden Pro-
zessen zu Bauteilen mit Funktionselementen weiterverarbeitet werden sollen. Das zweite
Beispiel ist die Herstellung eines Napfes mit vergroßerter Wandstarke in der Zarge aus
einem am Außenrand aufgedickten Taylored Blank. Die vergroßerte Wandstarke in der
Zarge ermoglicht es Zahne in der Zarge auszupragen und somit ein Zahnrad herzustellen.
9 REIBGESETZ 125
9.3.1 Numerische Identifikation des Reibfaktors anhand eines
Stauchprozesses
Am Lehrstuhl fur Fertigungstechnologie der Universitat Erlangen-Nurnberg wird die
Herstellung von Taylored Blanks durch einen Stauchprozess untersucht [47, 48, 49].
Hierbei vorgenommene Messungen und aufgebaute Simulationsmodelle werden zur nu-
merischen Identifikation des Reibfaktors im neu entwickelten Reibgesetz genutzt. In
dem Stauchprozess wird eine DC04-Blechronde mit einem Radius von 50mm und einer
Starke von 2mm am Rand aufgedickt (Abb. 9.3 a). Die Pressenkraft betragt 6000 kN.
Dabei treten Flachenpressungen von uber 2000MPa auf, weshalb die elastische Defor-
mation der Werkzeuge im Simulationsmodell berucksichtigt wird. Aufgrund der Sym-
metrie des Versuchs wird ein achsensymmetrisches Simulationsmodell verwendet. Die
Ubereinstimmung zwischen den gemessenen Blechstarken nach dem Versuch und den
Simulationsergebnissen ist sehr gut (Abb. 9.3 b). Die Simulationsergebnisse mit dem
Reibfaktormodell und dem neuen Reibmodell sind nahezu identisch, weil in diesem Um-
formprozesse sehr große Flachenpressungen erreicht werden, die im neuen Reibgesetz zu
einem Kontaktflachenanteil von 100% fuhren. Der Reibfaktor m in beiden Reibmodellen
betragt 0,05.
a)
0 10 20 30 40 501,2
1,4
1,6
1,8
2
2,2
2,4
2,6
Radiale Position in mm
Blechdickein
mm
MessungReibfaktormodellNeues Reibgesetz
b)
Abbildung 9.3: Prinzipskizze des Stauchens von Taylored Blanks (a) und Vergleich der
Blechdicke in Experiment und Simulationen mit dem Reibfaktormodell und dem neu
entwickelten Reibgesetz (b) (m=0,05 in beiden Simulationsmodellen)
9.3.2 Simulation eines mehrstufigen Umformprozesses
Das zweite Umformbeispiel ist die Herstellung eines Napfes mit aufgedickter Zarge. Hier-
zu wird ein am Rand aufgedicktes Blech aus DC04 zunachst tiefgezogen (vgl. Abb 9.4 a),
bevor die Zarge gestaucht wird (vgl. Abb 9.4 b). Auch dieser Umformprozess wird am
126 9.3 Anwendung des Reibgesetzes in Umformsimulationen
Lehrstuhl fur Fertigungstechnologie an der Universitat Erlangen-Nurnberg untersucht
[47, 48, 49]. Aufgrund der großen Wandstarke der Zarge ist es moglich durch Wal-
zen Zahne in der Zarge auszupragen und somit ein Zahnrad herzustellen. Alternativ
konnen die Zahne direkt im Tiefzieh- und Stauchprozess des Napfes ausgeformt wer-
den [47, 48, 49]. Durch die Wandstarkenunterschiede zwischen Boden und Zarge ist
es moglich ein leichtes und belastungsgerechtes Zahnrad herzustellen. Die im Folgen-
den dargestellten Simulationsmodelle bilden diesen Prozess in einem zweidimensionalen
achsensymmetrischen Modell nach und dienen dem Test der Implementierung des Reib-
gesetzes in Simufact.forming und der Untersuchung der grundsatzlichen Einflusse des
neu entwickelten Reibgesetzes. Ein Abgleich mit experimentellen Untersuchungen findet
nicht statt.
Das Simulationsmodell wird einmal nur mit dem Reibgesetz fur Erstbelastung oh-
ne Berucksichtigung der Oberflacheneinglattung in vorherigen Lastschritten (9.1) und
einmal mit dem vollstandigen Reibgesetz fur Erst-, Ent- und Wiederbelastung ((9.1)
und (9.2)) berechnet. In beiden Fallen wird das Modell mehrfach neu vernetzt. In der
Simulation mit Reibgesetz ohne Geschichtsvariable ist die Reibschubspannung (Abb.
9.8) proportional zur Flachenpressung (Abb. 9.7). Obwohl das Werkstuck an zahlrei-
chen Knoten im Kontakt mit Matrize und Stempel ist (Abb. 9.6), treten nur an wenigen
Knoten hohe Reibschubspannungen auf. Bei zusatzlicher Berucksichtigung des histori-
schen Kontaktdrucks ist die Flachenpressung ahnlich verteilt (Abb. 9.9), jedoch treten
großere Reibschubspannungen auf (Abb. 9.10). Zudem ist die Anzahl der Knoten mit
hohen Reibschubspannungen großer. Ursachlich hierfur ist die Berucksichtigung von mo-
mentaner und historischer Flachenpressung (Abb. 9.11), die aus dem vorhergehenden
Stauchprozess herruhrt. Der Vergleich der beiden Reibgesetze findet nicht exakt im glei-
chen Moment statt, weil die Simulationen zu verschiedenen Zeitpunkten die maximalen
Reibschubspannungen aufweisen. Es werden jeweils die Zustande maximaler Reibung
verglichen.
In Abb. 9.12 - 9.14 sind die plastischen Vergleichsdehnungen, die Flachenpressung
und die historische Flachenpressung nach dem finalen Stauchen mit dem Modell mit
a) b)
Abbildung 9.4: Tiefziehen (a) und Stauchen (b) eines Taylored Blanks zu einem Napf
mit aufgedickter Zarge
9 REIBGESETZ 127
Berucksichtigung der Kontaktgeschichte dargestellt. Aufgrund einer Faltenbildung im
Ubergang von Napfboden zu Napfzarge sind in Abb. 9.14 historische Flachenpressungen
im Volumen zu erkennen. Im Rest des Bauteils sind nur auf der Oberflache histo-
rische Flachenpressungen sichtbar. Folglich funktioniert die Ubertragung der Ober-
flachengeschichtsvariable auch bei mehrfacher Neuvernetzung einwandfrei.
0,10
0,12
0,13
0,15
0,16
0,18
0,20
0,21
0,23
0,24
0,26
Plastische Vergleichsdehnung
X
Y Z
Abbildung 9.5: Plastische Vergleichsdehnung nach dem ersten Stauchen
0,0
0,1
0,2
0,3
0,4
0,5
0,6
0,7
0,8
0,9
1,0
Kontaktzustand
Inc: 105
Time: 3.40
X
Y Z
Abbildung 9.6: Kontaktzustand an Matrize und Stempel im Tiefziehen mit dem Reib-
gesetz fur Erstbelastung
128 9.3 Anwendung des Reibgesetzes in Umformsimulationen
0
125
251
376
502
627
753
879
1004
1130
1255
Flächenpressung in N/mm²
Inc: 105
Time: 3.40
X
Y Z
Abbildung 9.7: Flachenpressung an Matrize und Stempel im Tiefziehen mit dem Reib-
gesetz fur Erstbelastung
0,00
1,34
2,68
4,02
5,37
6,71
8,05
9,39
10,73
12,07
13,41
Reibschubspannung in N/mm²
Inc: 105
Time: 3.40
X
Y Z
Abbildung 9.8: Reibschubspannung an Matrize und Stempel im Tiefziehen mit dem
Reibgesetz fur Erstbelastung
9 REIBGESETZ 129
0
100
200
300
400
500
600
701
801
901
1001
Flächenpressung in N/mm²
Inc: 94
Time: 3.38
X
Y Z
Abbildung 9.9: Flachenpressung an Matrize und Stempel im Tiefziehen mit dem Reib-
gesetz fur Erst-, Ent- und Wiederbelastung
0,00
1,59
3,19
4,78
6,37
7,97
9,56
11,16
12,75
14,34
15,94
Reibschubspannung in N/mm²
Inc: 94
Time: 3.38
X
Y Z
Abbildung 9.10: Reibschubspannung an Matrize und Stempel im Tiefziehen mit dem
Reibgesetz fur Erst-, Ent- und Wiederbelastung
130 9.3 Anwendung des Reibgesetzes in Umformsimulationen
0
239
478
717
957
1196
1435
1675
1914
2153
2393
Zustandsvariable phist
in N/mm²
Inc: 94
Time: 3.38
X
Y Z
Abbildung 9.11: Historische Flachenpressung phist an Matrize und Stempel im Tiefziehen
mit dem Reibgesetz fur Erst-, Ent- und Wiederbelastung
0,09
0,18
0,27
0,36
0,46
0,55
0,64
0,74
0,83
0,92
1,01
Plastische Vergleichsdehnung
X
Y Z
Abbildung 9.12: Plastische Vergleichsdehnung nach dem zweiten Stauchen
9 REIBGESETZ 131
0
177
355
533
710
888
1066
1244
1421
1599
1777
Flächenpressung in N/mm²
X
Y Z
Abbildung 9.13: Flachenpressung nach dem zweiten Stauchen
255
493
730
968
1205
1443
1680
1918
2155
2393
Zustandsvariable phist
in N/mm²
X
Y Z
Abbildung 9.14: Historische Flachenpressung nach dem zweiten Stauchen
132 9.3 Anwendung des Reibgesetzes in Umformsimulationen
Die Umformkraft im Stauchen der Platine zu einem Taylored Blank ist trotz des nied-
rigen Reibfaktors (m=0,05) stark reibungsabhangig (Abb. 9.15 a). Die Umformkraft ist
jedoch nahezu unabhangig von der Verwendung des Reibgesetzes mit Geschichtsvariable,
weil es sich um eine Erstbelastung mit stetig ansteigender Flachenpressung handelt. Im
Tiefziehprozess uberwiegt die Deformationsarbeit die Reibarbeit, so dass die Umform-
kraft nahezu unabhangig von der Reibung ist (Abb. 9.15 b). Auch beim Stauchen der
Zarge ist die Umformkraft naherungsweise reibungsunabhangig (Abb. 9.16).
Die Platine hat vor dem Umformprozess eine Blechstarke von 2mm und einen Durch-
messer von 50mm. Im ersten Stauchen wird das Blech in der Mitte auf 1,6mm verjungt
und am Rand auf 2,3mm aufgedickt. Das Stauchen wird in diesem Beispiel ebenso wie
die nachfolgenden Prozessschritte mit starren Werkzeugen modelliert. Nach dem Tief-
ziehen und abschließenden Stauchen hat der Napf einen Außenradius von 35mm, eine
Zargenhohe von 13mm und eine Blechstarke von 1,6mm im Boden bzw. 3,0mm in der
Zarge.
0 0,1 0,2 0,3 0,40
1250
2500
3750
5000
x in mm
Fin
kN
Ohne phistMit phistReibungsfrei
a)
0 5 10 15 200
40
80
120
160
x in mm
Fin
kN
Ohne phistMit phistReibungsfrei
b)
Abbildung 9.15: Kraft-Weg-Verlauf im Stauchen der Platine (a) und im Tiefziehen (b)
0 2 4 60
500
1000
1500
x in mm
Fin
kN
Ohne phistMit phistReibungsfrei
Abbildung 9.16: Kraft-Weg-Verlauf im Stauchen der Zarge
Kapitel 10
Zusammenfassung und Ausblick
Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist die Untersuchung des elasto-plastischen
Einglattungsverhaltens rauer Oberflachen und die Entwicklung eines Reibgesetzes fur die
Blechmassivumformung. Aufgrund der Fraktaleigenschaften rauer Oberflachen mussen
die Oberflachen in Kontaktsimulationen einerseits moglichst fein aufgelost werden, ande-
rerseits muss die untersuchte Oberflache ausreichend groß sein, um reprasentativ zu sein.
Wegen dieser Erfordernisse wird ein Halbraummodell zur numerischen Simulation des
Kontakts gewahlt. Der Vorteil des Halbraummodells gegenuber eines Finite-Elemente-
Modells liegt darin, dass kein Gleichungssystem fur eine Volumennetz, sondern nur ein
Gleichungssystem fur ein Oberflachennetz gelost werden muss, wodurch der numerische
Aufwand geringer ist.
Es werden zwei Halbraummodelle mit unterschiedlichen Plastizitsmodellen imple-
mentiert. Das vereinfachte plastische Halbraummodell limitiert die Flachenpressung auf
die Oberflachenharte. Dieses Modell basiert auf den theoretischen Untersuchungen von
Hencky [36] und den experimentellen Untersuchungen von Bowden und Tabor [22], die
im Kontakt eine maximale Flachenpressung von ca. 2,8 der Fließgrenze beobachten
konnten. Das aufwandigere Modell – dreidimensionales plastisches Halbraummodell ge-
nannt – berechnet Spannungen und Dehnungen auf einer Volumendiskretisierung unter
der Oberflache. Es basiert auf der Arbeit von Jacq [38] und berechnet die elastischen
Spannungen unter der Oberflache, die aus plastischen Dehnungen resultierenden Eigen-
spannungen und Oberflachendeformationen mittels analytischer Einflussfunktionen. Die
plastischen Dehnungen werden wie in der Finite-Elemente-Methode anhand des loka-
len Spannungszustandes berechnet, der sich aus den elastischen Spannungen und den
Eigenspannungen aufgrund plastischer Dehnungen ergibt.
Die Losung der Nachgiebigkeitsbeziehung zur Bestimmung der Flachenpressung und
elastischen Oberflachendeformation ist mit großem Aufwand verbunden und verursacht
im vereinfachten plastischen Halbraummodell einen Großteil der Rechenzeit. Neben
der Rechenzeit muss als weiteres Kriterium der Speicherbedarf beachtet werden, denn
die Systemmatrix des Kontaktgleichungssystems ist schon bei Auflosungen von 128
mal 128 Kontaktelementen mehrere Gigabyte groß. Aufgrund der Notwendigkeit große
Auflosungen in angemessener Zeit zu rechnen, wird untersucht, wie das Gleichungssystem
moglichst effizient gelost werden kann. Hierzu wird das Verfahren der konjugierten Gra-
133
134
dienten (CG-Verfahren) implementiert. Die Vorteile dieses Gleichungslosungsverfahrens
sind seine große Leistungsfahigkeit und sein geringer Speicherbedarf. Im CG-Verfahren
wird die Systemmatrix nur in Matrixmultiplikationen benotigt, die durch Faltungen mit
der Einzelnachgiebigkeitsmatrix deutlich kleinerer Große ersetzt werden konnen. So kann
das CG-Verfahren unter Verwendung des Faltungstheorems sowohl zeit- als auch spei-
chersparend implementiert werden. Somit konnte ein effizienter Gleichungsloser fur elas-
tische Simulationen und fur das dreidimensionale plastische Halbraummodell implemen-
tiert werden. Im vereinfachten plastischen Halbraummodell ist es notwendig einen proji-
zierten Gleichungsloser zu verwenden, um die Flachenpressung auf die Oberflachenharte
zu limitieren. Der hierzu geeignete SOR-Loser (Successive Over-Relaxation) ist jedoch
vergleichsweise langsam.
Die numerische Implementierung des Halbraummodells basiert auf dem Superpositi-
onsprinzip. Daher ist es moglich, das Flachenpressungsfeld im vereinfachten plastischen
Modell in Anteile im elastischen und plastischen Kontakt aufzuspalten. Auf dieser Er-
kenntnis aufbauend ist es im Rahmen dieser Arbeit gelungen, ein der Active-Set Strate-
gie ahnliches Verfahren zu entwickeln, das es erlaubt, nichtprojizierte Gleichungsloser im
vereinfachten plastischen Halbraummodell mit limitierter Flachenpressung zu verwen-
den. Durch dieses Verfahren und den konjugierte Gradienten Gleichungsloser kann die
Berechnungszeit im Vergleich zum SOR-Gleichungsloser um ca. 50 % reduziert werden.
Aufgrund der großen Bedeutung von Schmierstoffen in Umformprozessen wird das
vereinfachte plastische Halbraummodell um die Modellierung hydrostatischer Drucke
in geschlossenen Schmiertaschen erweitert. Geschlossene Schmiertaschen sind rund-
um von metallischer Kontaktflache umgeben, so dass der Schmierstoff eingeschlos-
sen ist und hydrostatische Drucke aufgebaut werden konnen. Im Vergleich zum
mechanisch-rheologischen Modell, das eine Oberflachencharakterisierung anhand der
Oberflachentopographie im unbelasteten Zustand vornimmt, kann das Halbraummo-
dell mit hydrostatischer Modellierung der Schmiertaschen zusatzlich Informationen
bezuglich der vom Schmierstoff getragenen Lasten liefern. Sowohl der Anteils geschlos-
sener Schmiertaschen, als auch die vom Schierstoff getragenen Last kann durch das
Halbraummodell berechnet werden.
Neben der hydrostatischen Modellierung von Schmierstoffen wird das vereinfachte
plastische Halbraummodell zudem um Volumenerhaltung und den Normalkontakt mit
rauen Oberflachen erweitert. Ublicherweise wird in Halbraummodellen mit limitierter
Flachenpressung das Material in den Kontaktsegmenten mit zu großer Flachenpressung
ersatzlos aus dem Modell entfernt. Der volumenerhaltende Kontaktalgorithmus hingegen
verteilt das verdrangte Material in der Nichtkontaktflache. Dieses Vorgehen ist durch die
experimentellen Untersuchungen von Pullen und Williamson [63] motiviert. Im Kontakt
rauer Oberflachen wird die Oberflachenrauheit des Werkzeugs in der Abstandsbezie-
hung zwischen Werkstuck und Werkzeug berucksichtigt, so dass die Werkzeugrauheit
die Flachenpressung und die Oberflachendeformation des Werkstucks beeinflusst.
Zur experimentellen Kalibrierung und Validierung des vereinfachten plastischen
Halbraummodells werden ein Hartetest und ein Einglattungsversuche durchgefuhrt.
Ziel des Hartetests ist es, durch Abgleich von Simulation und Experiment die Verfes-
10 ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK 135
tigung der Oberflache mit der Eindringtiefe zu untersuchen. Es zeigte sich eine sehr
gute Ubereinstimmung zwischen dem Experiment und einer Simulation ohne Verfesti-
gung. Es findet folglich keine messbare Verfestigung der Oberflache beim Eindringen des
Prufkorpers statt.
In den Einglattungsversuchen werden raue Oberflachen durch einen glatten Stempel
bei Flachenpressungen bis zu 600MPa in trockenem und beoltem Zustand eingeglattet.
Sowohl in den trockenen, als auch in den beolten Untersuchungen sagt die Simulation
die Veranderungen der arithmetischen und quadratischen Oberflachenrauheit sehr gut
voraus. Auch die simulierten und gemessenen Materialanteilkurven (Abbott-Kurven)
stimmen sehr gut uberein. Einen genaueren Einblick in die Oberflachengestalt als Ma-
terialanteilkurven erlauben Wahrscheinlichkeitsdichtekurven. Auch hier sind die Ergeb-
nisse von Messungen und Simulation sowohl fur trockenen, als auch beolten Kontakt im
Einklang. Zudem zeigen die Hohenverteilung in den Rauheitstalern, also außerhalb des
Kontaktgebiets, eine sehr gute Ubereinstimmung. Folglich gibt der volumenerhaltende
Kontaktalgorithmus die Verdrangung plastifizierten Materials sehr gut wieder.
Das dreidimensionale plastische Halbraummodell wird am Beispiel des elasto-
plastischen Kugelkontakts erfolgreich mit Finite-Elemente-Simulationen verifiziert.
Im Kontakt rauer Oberflachen wird eine signifikante Abnahme der maximalen
Flachenpressung und der hieraus folgenden elastischen Spannungen im Halbraum bei
kleinen plastischen Deformationen beobachtet. Leider ist das dreidimensionale plasti-
sche Halbraummodell instabil, wenn große Gebiete plastifizieren. Daher konnen sehr raue
Oberflachen nur bei geringen Flachenpressungen untersucht werden, weshalb aus den Si-
mulationen mit dem dreidimensionalen plastischen Halbraummodell keine wesentlichen
Erkenntnisse uber das Einglattungsverhalten rauer Oberflachen in der Umformtechnik
gewonnen werden konnen. Mit abnehmender Oberflachenrauheit ist der Kontakt zuneh-
mend elastisch und das Modell konvergiert bis zu immer großeren Flachenpressungen.
Folglich steht einer Anwendung des Modells auf Probleme mit geringen plastischen Kon-
taktanteilen, wie zum Beispiel dem Kontakt in Walzlagern, nichts im Wege.
Anhand von Simulationen mit dem vereinfachten plastischen Halbraummodell von
Be- und Entlastung kann der Anteil der realen Kontaktflache in Abhangigkeit von der
Flachenpressung und der Kontaktgeschichte bestimmt werden. Es wird eine einfache ma-
thematische Formulierung zur Abbildung der Simulationsergebnisse prasentiert. Somit
kann anhand von Halbraumsimulationen ein Kontaktgesetz parametrisiert werden, dass
den Anteil der realen Kontaktflache in Abhangigkeit von der momentanen Last und der
Lastgeschichte beschreibt. Weil die Reibung proportional zum Anteil der realen Kontakt-
flache ist, kann aus dem Kontaktgesetz ein Reibgesetz abgeleitet werden, dass die maxi-
male Reibkraft in Abhangigkeit eines Reibfaktors, der Schubfließgrenze des Werkstucks
und des numerisch identifizierten Kontaktgesetzes bestimmt. Dieses Reibgesetz ist zur
Simulation mehrstufiger Umformprozesse geeignet, weil es die Oberflacheneinglattung
in vorhergehenden Prozessschritten uber die Kontaktgeschichte abbildet. Weil das Reib-
gesetz zudem einen kontinuierlichen Anstieg der Reibungschubspannung von Lastfallen
kleiner Flachenpressung zu Lastfallen großer Flachenpressung modelliert, erfullt es die
Anforderungen der Blechmassivumformung an ein Reibgesetz.
136
In der Implementierung des Reibgesetzes in Simufact.forming wird die maximale
Flachenpressung in vorherigen Lastschritten als Oberflachenzustandsvariable am jewei-
ligen Knoten des FE-Netzes gespeichert. Diese Zustandsvariable wird bei einer Neuver-
netzung auf das neue FE-Netz ubertragen. Somit kann das Reibgesetz auch in anspruchs-
vollen Umformsimulationen verwendet werden, die eine Neuvernetzung der Geometrie
unumganglich machen. Am Beispiel eines mehrstufigen Prozesses zur Herstellung eines
Napfes mit aufgedickter Zarge zeigt sich eine lokale Erhohung der Reibschubspannung
an Orten, die in einem vorherigen Lastschritt sehr hoher Flachenpressung ausgesetzt
waren.
Das Reibgesetz wird anhand von Simulationen mit dem vereinfachten plastischen
Halbraummodell und dem Einglattungsversuch identifiziert. Interessante Ansatze fur
zukunftige Weiterentwicklungen des Reibgesetzes sind die Berucksichtigung des Span-
nungszustandes im Grundmaterial und des Einflusses von Tangentiallasten. Durch
Einglattungsversuche an vorgespannten Blechen kann die Oberflachenharte bei Span-
nungszustanden untersucht werden, die dem Spannungszustand im Blech in Umform-
prozessen ahneln. Wie in Kap. 3.2.4 dargestellt, nimmt die Oberflachenharte unter kom-
binierter Normal- und Tangentialbelastung ab. Bei einem Reibfaktor von m = 0,3 ist
die Oberflachenharte um ca. 5% reduziert. Folglich ist das Kontaktwachstum (Junction
growth) unter kombinierter Normal- und Tangentialbelastung nur bei großen Reibfak-
toren zu berucksichtigen.
Einen genaueren Einblick in das elasto-plastische Einglattungsverhalten rauer Ober-
flachen im Kontakt erlauben Finite-Elemente-Simulationen. Um den Kontakt bei feinen
Auflosungen und reprasentativen Oberflachen mit angemessenem Aufwand untersuchen
zu konnen, ist die Verwendung von zweidimensionalen Modellen oder Multiskalenmodel-
len ratsam.
Anhang A
Anhang
A.1 Mathematische Grundlagen
Vor der Herleitung der analytischen Losungen fur die Spannungs- und Verschiebungs-
felder fur Normal- und Tangentiallasten nach Boussinesq und Cerruti sollen zunachst
die hierfur erforderlichen mathematischen Grundlagen rekapituliert werden.
Nabla-Operator
Zur Darstellung der Differentialoperatoren Gradient, Divergenz und Rotation dient der
Nabla-Operator ∇, der durch
∇ =
∂
∂ x1
∂
∂ x2
∂
∂ x3
(A.1)
definiert ist, siehe z.B. [16, 83].
Gradient
Der Gradient ist das dyadische Produkt eines Tensors mit dem Nabla-Operator.
grad(f) = ∇⊗ f =
∂
∂ x1
∂
∂ x2
∂
∂ x3
(f1 f2 f3
)=
∂ f1∂ x1
∂ f2∂ x1
∂ f3∂ x1
∂ f1∂ x2
∂ f2∂ x2
∂ f3∂ x2
∂ f1∂ x3
∂ f2∂ x3
∂ f3∂ x3
(A.2)
grad(f) =∂ fi∂ xj
= fi,j (A.3)
Der Operator Gradient erhoht die Ordnung eines Tensors um Eins.
137
138 A.1 Mathematische Grundlagen
Divergenz
Die Divergenz ist das Skalarprodukt eines Tensors mit dem Nabla-Operator.
div(f) = ∇ · f =(
∂
∂ x1
∂
∂ x2
∂
∂ x3
)
f1f2f3
=∂ f1∂ x1
+∂ f2∂ x2
+∂ f3∂ x3
(A.4)
div(f) =∂ fi∂ xi
= fi,i (A.5)
Die Divergenz reduziert die Ordnung eines Tensors um Eins und ist folglich fur einen
Skalar nicht definiert.
Rotation
Die Rotation ist das Kreuzprodukt eines Tensors mit dem Nabla-Operator.
rot(f) = ∇× f =
∂
∂ x1
∂
∂ x2
∂
∂ x3
×
f1f2f3
=
∂ f3∂ x2
− ∂ f2∂ x3
∂ f1∂ x3
− ∂ f3∂ x1
∂ f2∂ x1
− ∂ f1∂ x2
(A.6)
rot(f) = −εijk∂ fi∂ xj
= εijk∂ fj∂ xi
(A.7)
Die Rotation belasst die Ordnung von Tensoren unverandert.
Levi-Civita-Symbol
In der Definition der Rotation wird das Levi-Civita-Symbol (auch Permutationssymbol
genannt) verwendet, es ist wie folgt definiert
eijk =
+1 fur ijk = 123, 231 oder 312
−1 fur ijk = 132, 213 oder 321
0 sonst
. (A.8)
Laplace-Operator
Ein weiterer bedeutender Differentialoperator ist der Laplace-Operator ∆, der eine zwei-
malige Differentiation unter Beibehaltung der Stufe eines Tensors bewirkt. Er ist als
die Divergenz des Gradienten definiert und entspricht dem Skalarprodukt des Nabla-
Operators mit sich selbst und ist daher in der englischsprachigen Literatur haufig als ∇2
dargestellt
∆ = div (grad(f)) = div
f1,1 f2,1 f3,1f1,2 f2,2 f3,2f1,3 f2,3 f3,3
= fi,jj . (A.9)
A ANHANG 139
Kronecker-Delta
Das Kronecker-Delta δij dient zur Darstellung der Einheitsheitsmatrix in Indexnotation
und zur Fallunterscheidung in Funktionen
δij =
1 fur i = j
0 fur i 6= j. (A.10)
Analytische Identitaten
Es gelten die folgenden Identitaten, die sich in der Potentialdarstellung der linearen
Kontinuumsmechanik als nutzlich erweisen
rot grad a = ~0 (A.11)
rot grad f = ~~0 (A.12)
div rot f = 0 (A.13)
rot rot f = grad div f − div grad f . (A.14)
Poisson- und Laplace-Gleichung
Die Differentialgleichung
div grad f = b (A.15)
heißt Poisson-Gleichung. Wenn die rechte Seite der Poisson-Gleichung gleich Null ist
wird sie Laplace-Gleichung genannt
div grad f = 0 . (A.16)
Dies ist der Fall, wenn die Anwendung des Laplace-Operators null ergibt.
Harmonische Funktion
Eine zweimal stetig differenzierbare Funktion heißt harmonisch, wenn sie die Laplace-
Gleichung erfullt. Partielle Ableitungen harmonischer Funktionen sind harmonisch.
Summen harmonischer Funktionen und skalare Vielfache harmonischer Funktionen sind
ebenfalls harmonisch.
Lamellares Vektorfeld
Ein Vektorfeld vlam heißt lamellar (auch wirbelfrei oder rotationsfrei genannt) wenn gilt
rotvlam = ~0 . (A.17)
Aufgrund der analytischen Identitat (A.11) kann vlam als Gradient eines skalaren Po-
tentialfeldes Φ beschrieben werden
vlam = gradΦ . (A.18)
Das skalare Potentialfeld Φ kann durch Losen folgender Poisson-Gleichung bestimmt
werden
div gradΦ = divvlam . (A.19)
140 A.1 Mathematische Grundlagen
Solenoidales Vektorfeld
Ein Vektorfeld vsol heißt solenoidal (auch quellenfrei oder divergenzfrei genannt) wenn
gilt
div vsol = ~0 . (A.20)
Aufgrund der analytischen Identitat (A.13) kann vsol als Rotation eines Vektorpotenti-
als Ψ dargestellt werden
vsol = rotΨ . (A.21)
Wenn auch Ψ divergenzfrei ist, kann das rotationsfreie Vektorfeld unter Verwendung der
analytischen Identitat (A.14) als Losung der Poisson-Gleichung dargestellt werden
div gradΨ = − rotvsol . (A.22)
Helmholtz-Zerlegung
Das Verschiebungsfeld u eines beliebigen elastostatischen Problems kann durch die Sum-
me eines lamellaren und eines solenoidalen Feldes dargestellt werden [16]
u = vlam + vsol . (A.23)
Mit (A.18) und (A.21) folgt
u = gradΦ + rotΨ . (A.24)
A ANHANG 141
A.2 Herleitungen und Berechnungen zum elasti-
schen Halbraum
A.2.1 Dehnung und Spannung in Papkovich-Neuber-
Darstellung
Verzerrungen in Papkovich-Neuber-Darstellung
Durch Einsetzen des Verschiebungsfeldes in Papkovich-Neuber-Darstellung (4.33) in die
Verzerrungs-Verschiebungs-Relation (4.34) ergeben sich die Verzerrungen in Papkovich-
Neuber-Darstellung
ε =1
2
(
gradu+ (gradu)T)
=1
2
[
grad ψ − 1
4(1− ν)grad grad
(
ϕ+ r · ψ)
+(
grad ψ)T
− 1
4(1− ν)
(
grad grad(
ϕ+ r · ψ))T
]
.
(A.25)
Weil ϕ+ r · ψ skalar ist, gilt
grad grad(
ϕ+ r · ψ)T
= grad grad(
ϕ+ r · ψ)
. (A.26)
Somit folgt aus (A.25)
ε =1
2
(
grad ψ +(
grad ψ)T)
− 1
4(1− ν)
(
grad grad(
ϕ+ r · ψ))
. (A.27)
142 A.2 Herleitungen und Berechnungen zum elastischen Halbraum
Die Spur des Verzerrungsfeldes in Papkovich-Neuber-Darstellung
spur ε = spur
[1
2
(
grad ψ +(
grad ψ)T)
− 1
4(1− ν)
(
grad grad(
ϕ+ r · ψ))]
= spur
1
2
ψ1,1 . . . . . .
. . . ψ2,2 . . .
. . . . . . ψ3,3
+
ψ1,1 . . . . . .
. . . ψ2,2 . . .
. . . . . . ψ3,3
− 1
4(1− ν)
(
grad grad(
ϕ+ x1 ψ1 + x2 ψ2 + x3 ψ3
))]
= ψi,i −1
4(1− ν)spur
grad
ϕ,1 + ψ1 + x1 ψ1,1 + x2 ψ2,1 + x3 ψ3,1
ϕ,2 + x1 ψ1,2 + ψ2 + x2 ψ2,2 + x3 ψ3,2
ϕ,3 + x1 ψ1,3 + x2 ψ2,3 + ψ3 + x3 ψ3,3
(A.28)
= div ψ − 1
4(1− ν)spur
ϕ,11 + 2 ψ1,1 + x1 ψ1,11 + x2 ψ2,11 + x3 ψ3,11 . . . . . .
. . . ϕ,22 + x1 ψ1,22 + 2 ψ2,2 + x2 ψ2,22 + x3 ψ3,22 . . .
. . . . . . ϕ,33 + x1 ψ1,33 + x2 ψ2,33 + 2 ψ3,3 + x3 ψ3,33
Weil sowohl ϕ als auch ψ harmonische Funktionen sind gilt
ϕ,ii = 0 und ψj,ii = 0 . (A.29)
Hiermit folgt
spur ε = div ψ − 1
4(1− ν)spur
2 ψ1,1 . . . . . .
. . . 2 ψ2,2 . . .
. . . . . . 2 ψ3,3
=
1− 2ν
2(1− ν)div ψ . (A.30)
A ANHANG 143
A.2.2 Detaillierte Darstellungen der Boussinesq-Potentiale
Berechnung des Verschiebungsvektors und Spannungstensors fur das
Boussinesq-Potential B
ψ = −2(1− ν)
µ
ψ
0
0
(A.31)
ϕ = 0 (A.32)
u = ψ − 1
4(1− ν)grad
(
ϕ+ r · ψ)
= −2(1− ν)
µ
ψ
0
0
− 1
4(1− ν)grad
−2(1− ν)
µ
(x1 x2 x3
)
ψ
0
0
= −2(1− ν)
µ
ψ
0
0
+1
2µgrad (x1 ψ) = −2(1− ν)
µ
ψ
0
0
+1
2µ
ψ + x1 ψ,1
x1 ψ,1
x1 ψ,1
=1
2µ
(4ν − 3)ψ + x1 ψ,1
x1 ψ,1
x1 ψ,1
(A.33)
144 A.2 Herleitungen und Berechnungen zum elastischen Halbraum
σ =νE
2(1− ν2)div ψ δ +
E
2(1 + ν)
(
grad ψ +(
grad ψ)T)
− E
4(1− ν2)grad grad
(
ϕ+ r · ψ)
=ν E
2(1− ν2)
(
−2(1− ν)
µ
)
div
ψ
0
0
δ
+E
2(1 + ν)
(
−2(1− ν)
µ
)
grad
ψ
0
0
+ grad (ψ, 0, 0)T
− E
4(1− ν2)
(
−2(1− ν)
µ
)
grad grad (x1ψ)
= − νE
(1 + ν)µ
ψ,1 0 0
0 ψ,1 0
0 0 ψ,1
− E(1− ν)
µ(1 + ν)
ψ,1 0 0
ψ,2 0 0
ψ,3 0 0
+
ψ,1 ψ,2 ψ,3
0 0 0
0 0 0
+E
2(1 + ν)µgrad
x1 ψ,1 + ψ
x1 ψ,2
x1 ψ,3
= −2 ν
ψ,1 0 0
0 ψ,1 0
0 0 ψ,1
− 2 (1− ν)
2ψ,1 ψ,2 ψ,3
ψ,2 0 0
ψ,3 0 0
+
2ψ,1 + x1 ψ,11 ψ,2 + x1 ψ,12 ψ,3 + x1 ψ,13
ψ,2 + x1 ψ,12 x1 ψ,22 x1 ψ,23
ψ,3 + x1 ψ,13 x1 ψ,23 x1 ψ,33
=
(2ν − 2)ψ,1 + x1 ψ,11 (2ν − 1)ψ,2 + x1 ψ,12 (2ν − 1)ψ,3 + x1 ψ,13
−2ν ψ,1 + x1 ψ,22 x1 ψ,23
sym. −2ν ψ,1 + x1 ψ,33
(A.34)
A ANHANG 145
Berechnung des Verschiebungsvektors und Spannungstensors fur das
Boussinesq-Potential E
ψ =1
µrot
φ
0
0
(A.35)
ϕ = −r · ψ (A.36)
u = ψ − 1
4(1− ν)grad
(
ϕ+ r · ψ)
=1
µrot
φ
0
0
− 1
4(1− ν)grad
(
−r · ψ + r · ψ)
=1
µrot
0
φ,3
−φ,2
(A.37)
σ =νE
2(1− ν2)div ψ δ +
E
2(1 + ν)
(
grad ψ +(
grad ψ)T)
− E
4(1− ν2)grad grad
(
ϕ+ r · ψ)
=ν E
2(1− ν2)
1
µdiv rot
φ
0
0
+E
2(1− ν)
1
µ
grad rot
φ
0
0
+
grad rot
φ
0
0
T
− E
4(1− ν2)grad grad
(
−r · ψ + r · ψ)
(A.38)
Aufgrund der Identitat (A.13) ist der erste Term obenstehender Gleichung gleich Null
und es folgt
σ = grad rot
φ
0
0
+
grad rot
φ
0
0
T
= grad
0
φ,3
−φ,2
+
grad
0
φ,3
−φ,2
T
=
0 φ,13 −φ,12
0 φ,23 −φ,22
0 φ,33 −φ,23
+
0 0 0
φ,13 φ,23 φ,33
−φ,12 −φ,22 −φ,23
=
0 φ,13 −φ,12
φ,13 2φ,23 −φ,22 + φ,33
−φ,12 −φ,22 + φ,33 −2φ,23
.
(A.39)
146 A.2 Herleitungen und Berechnungen zum elastischen Halbraum
Potential C
Potential C entspricht Potential B mit permutierten Indizes.
ψ = −2(1− ν)
µ
0
ψ
0
(A.40)
ϕ = 0 (A.41)
2µu =
x2 ψ,1
(4ν − 3)ψ + x2 ψ,2
x2 ψ,3
(A.42)
σ =
−2 ν ψ,2 + x2 ψ,11 (2ν − 1)ψ,1 + x2 ψ,12 x2 ψ,13
(2ν − 2)ψ,2 + x2 ψ,22 (2ν − 1)ψ,3 + x2 ψ,23
sym. −2ν ψ,2 + x2 ψ,33
(A.43)
Potential D
Potential D entspricht ebenfalls Potential B mit permutierten Indizes.
ψ = −2(1− ν)
µ
0
0
ψ
(A.44)
ϕ = 0 (A.45)
2µu =
x3 ψ,1
x3 ψ,2
(4ν − 3)ψ + x3 ψ,3
(A.46)
σ =
−2ν ψ,3 + x3 ψ,11 x3 ψ,12 (2ν − 1)ψ,1 + x3 ψ,13
−2ν ψ,3 + x3 ψ,22 (2ν − 1)ψ,2 + x3 ψ,23
sym. (2ν − 2)ψ,3 + x3 ψ,33
(A.47)
A ANHANG 147
Potential F
Potential F entspricht Potential E mit permutierten Indizes.
ψ =1
µrot
0
φ
0
(A.48)
ϕ = −r · ψ (A.49)
2µu = 2
−φ,3
0
φ,1
(A.50)
σ =
−2φ,13 −φ,23 φ,11 − φ,33
−φ,23 0 φ,12
φ,11 − φ,33 φ,12 2φ,13
(A.51)
Potential G
Potential G entspricht ebenfalls Potential E mit permutierten Indizes.
ψ =1
µrot
0
0
φ
(A.52)
ϕ = −r · ψ (A.53)
2µu = 2
φ,2
−φ,1
0
(A.54)
σ =
2φ,12 −φ,11 + φ,22 φ,23
−φ,11 + φ,22 −2φ,12 −φ,13
φ,23 −φ,13 0
(A.55)
148 A.2 Herleitungen und Berechnungen zum elastischen Halbraum
A.2.3 Spannungen und Verschiebungen unter normalen Ein-
zellasten
ϕ,1 = −F (1− 2ν)
2 π
[x
R (R + z)
]
(A.56)
ϕ,11 = −F (1− 2ν)
2 π
[
− x2
R3 (R + z)+
1
R (R + z)− x2
R2 (R + z)2
]
(A.57)
ϕ,113 = −F (1− 2ν)
2 π
[2 x2 − y2 − z2
R5
]
(A.58)
ϕ,13 = −F (1− 2ν)
2 π
[
− x
R3
]
(A.59)
ϕ,2 = −F (1− 2ν)
2 π
[y
R (R + z)
]
(A.60)
ϕ,22 = −F (1− 2ν)
2 π
[
− y2
R3 (R + z)+
1
R (R + z)− y2
R2 (R + z)2
]
(A.61)
ϕ,223 = −F (1− 2ν)
2 π
[−x2 + 2 y2 − z2
R5
]
(A.62)
ϕ,23 = −F (1− 2ν)
2 π
[
− y
R3
]
(A.63)
ϕ,12 = −F (1− 2ν)
2 π
[
− x y
R3 (R + z)− x y
R2 (R + z)2
]
(A.64)
ϕ,123 = −F (1− 2ν)
2 π
[3 x y
R5
]
(A.65)
ϕ,3 = −F (1− 2ν)
2 π
[1
R
]
(A.66)
ϕ,33 = −F (1− 2ν)
2 π
[
− z
R3
]
(A.67)
A ANHANG 149
ϕ,333 = −F (1− 2ν)
2 π
[3 z2
R5− 1
R3
]
(A.68)
ϕ,233 = −F (1− 2ν)
2 π
[3 y z
R5
]
(A.69)
ϕ,133 = −F (1− 2ν)
2 π
[3 x z
R5
]
(A.70)
σ11 = − 2ν
1 − 2νϕ,33 +
z
1− 2νϕ,113 + ϕ,11 = −F (1− 2ν)
2 π
[2ν
1− 2ν
z
R3
+z
1− 2ν
2 x2 − y2 − z2
R5− x2
R3 (R + z)+
1
R (R + z)− x2
R2 (R + z)2
]
= − F
2 π
[3 x2 z
R5− 1
1− 2ν
(z
R3+
x2
R3 (R + z)− 1
R (R + z)+
x2
R2 (R + z)2
)]
(A.71)
σ22 = − 2ν
1− 2νϕ,33 +
z
1− 2νϕ,223 + ϕ,22 = −F (1− 2ν)
2 π
[2ν
1− 2ν
z
R3
+z
1− 2ν
−x2 + 2 y2 − z2
R5− y2
R3 (R + z)+
1
R (R + z)− y2
R2 (R + z)2
]
= − F
2 π
[3 y2 z
R5− (1− 2ν)
(z
R3+
y2
R3 (R + z)− 1
R (R + z)+
y2
R2 (R + z)2
)]
(A.72)
σ33 = − 1
1− 2νϕ,33 +
z
1− 2νϕ,333
= − F
2 π
[z
R3+
z
1− 2ν
(3 z2
R5− 1
R3
)]
= − F
2 π
3 z3
R5
(A.73)
σ12 =z
1− 2νϕ,123 + ϕ,12
= − F
2 π
[3 x y z
R5− (1− 2ν)
(x y
R3 (R + z)+
x y
R2 (R + z)2
)](A.74)
150 A.2 Herleitungen und Berechnungen zum elastischen Halbraum
σ23 =z
1− 2νϕ,233 = − F
2 π
3 y z2
R5(A.75)
σ31 =z
1− 2νϕ,133 = − F
2 π
3 x z2
R5(A.76)
2µ u1 = ϕ,1 +z
1− 2νϕ,13 = −F (1− 2ν)
2 π
[x
R (R + z)− 1
1− 2ν
x z
R3
]
= − F
2 π
[
(1− 2ν)x
R (R + z)− x z
R3
](A.77)
2µ u2 = ϕ,2 +z
1− 2νϕ,23 = −F (1− 2ν)
2 π
[y
R (R + z)− 1
1− 2ν
y z
R3
]
= − F
2 π
[
(1− 2ν)y
R (R + z)− y z
R3
](A.78)
2µ u3 = ϕ,3 + (4ν − 3)ϕ,3
1− 2ν+
z
1− 2νϕ,33
= −2(ν + 1)
1− 2νϕ,3 +
z
1− 2νϕ,33
= −F (1− 2ν)
2 π
[2(ν − 1)
1− 2ν
1
R− 1
1− 2ν
z2
R3
]
= − F
2 π
[
−2(1− ν)1
R− z2
R3
]
(A.79)
A ANHANG 151
A.2.4 Spannungen und Verschiebungen unter tangentialen
Einzellasten
θ = −Fx
2 π[z log(R + z)− R] (A.80)
θ,1 = −Fx
2 π
[
− x
R + z
]
(A.81)
θ,11 = −Fx
2 π
[
− 1
R + z+
x2
(R + z)2R
]
(A.82)
θ,111 = −Fx
2 π
[3x
(R + z)2R− 2x3
(R + z)3R2− x3
(R + z)2R3
]
(A.83)
θ,1113 = −Fx
2 π
[3 x3
R5 (R + z)− 3 x
R3 (R + z)+
3 x3
R4 (R + z)2
− 3 x
R2 (R + z)2+
2 x3
R3 (R + z)3
](A.84)
θ,112 = −Fx
2 π
[
− x2y
(R + z)2R3+
y
(R + z)2R− 2x2y
(R + z)3R2
]
(A.85)
θ,1123 = −Fx
2 π
[3 x2 y
R5 (R + z)+
3 x2 y
R4 (R + z)2− y
R3 (R + z)
+2 x2 y
R3 (R + z)3− y
R2 (R + z)2
](A.86)
θ,113 = −Fx
2 π
[
− x2
R3(R + z)+
1
R(R + z)− x2
R2(R + z)2
]
(A.87)
θ,1133 = −Fx
2 π
[2 x2 − y2 − z2
R5
]
=Fx
2 π
[3 x2
R5− 1
R3
]
(A.88)
θ,12 = −Fx
2 π
[x y
(R + z)2R
]
(A.89)
152 A.2 Herleitungen und Berechnungen zum elastischen Halbraum
θ,122 = −Fx
2 π
[
− 2 x y2
(R + z)3R2− x y2
(R + z)2R3+
x
(R + z)2R
]
(A.90)
θ,1223 =− Fx
2 π
[3 x y2
R5 (R + z)+
3 x y2
R4 (R + z)2− x
R3 (R + z)
+2 x y2
R3 (R + z)3− x
R2 (R + z)2
](A.91)
θ,123 = −Fx
2 π
[
−(2R + z) x y
(R + z)2R3
]
=Fx
2 π
[
− x y
(R + z)2R2− x y
(R + z)R3
]
(A.92)
θ,1233 = − Fx
2 π
[3 x y
R5
]
(A.93)
θ,133 = −Fx
2 π
[
− x
R3
]
(A.94)
θ,1333 = − Fx
2 π
[3 x z
R5
]
(A.95)
θ,2 = −Fx
2 π
[
− y
R + z
]
(A.96)
θ,22 = −Fx
2 π
[
− 1
R + z+
y2
(R + z)2R
]
(A.97)
θ,222 = −Fx
2 π
[3 y
(R + z)2R− 2 y3
(R + z)3R2− y3
(R + z)2R3
]
(A.98)
θ,223 = −Fx
2 π
[1
R(R + z)− y2
R3(R + z)− y2
R2(R + z)2
]
(A.99)
σ33 = z θ,1333 = zFx
2 π
[3 x z
R5
]
=Fx
2 π
[3 x z2
R5
]
(A.100)
A ANHANG 153
σ23 = z θ,1233 = zFx
2 π
[3 x y
R5
]
=Fx
2 π
[3 x y z
R5
]
(A.101)
σ31 = θ,113 + z θ,1133 + θ,223
= − x2
R3 (R + z)+
1
R (R + z)− x2
R2 (R + z)2+
3 x2 z
R5− z
R3
− y2
R3 (R + z)+
1
R (R + z)− y2
R2 (R + z)2
=−x2 − y2
R3 (R + z)+
2
R (R + z)+
−x2 − y2
R2 (R + z)2+
3 x2 z
R5− z
R3
= − R2 − z2
R3 (R + z)+
2
R (R + z)− R2 − z2
R2 (R + z)2+
3 x2 z
R5− z
R3
= − R2 − z2
R3 (R + z)+
2R2
R3 (R + z)− R (R− z)
R3 (R + z)− z (R + z)
R3 (R + z)+
3 x2 z
R5=
3 x2 z
R5
(A.102)
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flachenbeschaffenheit: Tastschnittverfahren - Regeln und Verfahren fur die Beur-
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flachenbeschaffenheit: Tastschnittverfahren - Benennungen, Definitionen und
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[5] DIN EN ISO 25178: Geometrische Produktspezifikation (GPS) - Ober-
flachenbeschaffenheit: Flachenhaft. Beuth Verlag, 2012
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Schriftenreihe Technische Mechanik
bereits veroffentlicht wurden:
1. Geisler, J.: Numerische und experimentelle Untersuchungen zum dynamischen Ver-
halten von Strukturen mit Fugestellen
Band 1, 2010
2. Hossain, M.: Modelling and Computation of Polymer Curing
Band 2, 2010
3. Gorke, D.: Experimentelle und numerische Untersuchung des Normal- und Tan-
gentialkontaktverhaltens rauer metallischer Oberflachen
Band 3, 2010
4. Constantiniu, A.: A Hybrid Nodal-Element-Based Discretization Method
Band 4, 2010
5. Scherer, M.: Regularizing Constraints for Mesh and Shape Optimization Problems
Band 5, 2011
6. Fischer, P.: C1 Continuous Methods in Computational Gradient Elasticity
Band 6, 2011
7. Javili, A.: Thermomechanics of Solids Accounting for Surfaces and Interfaces
Band 7, 2013
8. Germain, S.: On Inverse Form Finding for Anisotropic Materials in the Logarith-
mic Strain Space
Band 8, 2013
9. Kraus, M. Entwicklung und Untersuchung polytoper Finiter Elemente fur die nicht-
lineare Kontinuumsmechanik
Band 9, 2013
10. Glaser, J.: On the computation of crack-driving forces within the X-FEM
Band 10, 2014
11. Possart, G.: Mechanical Interphases in Adhesives. Experiments, Modelling and
Simulation
Band 11, 2014